Art. 94 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) bestimmt, dass die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt ist. Der Begriff Justiz wird nicht näher definiert. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus vielen unterschiedlichen Begriffen und Regelungen wie z. B. der unabhängigen Rechtsprechung, der Gerichtsbarkeit und dem richterlichen Amt. In der Praxis wird Justiz als Sammelbegriff für die ordentlichen Gerichte, Staatsanwaltschaften, den Strafvollzug, die Bewährungshilfe und den Bundeskartellanwalt bzw. die Bundeskartellanwältin verwendet. Diese sind dem Bundesministerium für Justiz zugeordnet (BMJ).
Verfassungsrechtlich wird Art. 94 Abs. 1 B-VG so verstanden, dass die Staatsfunktionen Gerichtsbarkeit und Verwaltung strikt voneinander getrennt sind. Die Entscheidung über einen Fall darf nicht gleichzeitig einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde übertragen werden. Im Hintergrund davon steht das Verständnis der Bundesverfassung von Gewaltentrennung, das auf der Unterscheidung zwischen Gesetzgebung und Vollziehung von Gesetzen aufbaut. Letztere erfolgt entweder durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden.
Die Vollziehung von Gesetzen durch richterliche Organe wird Gerichtsbarkeit genannt. Richterliche Organe sind Organe, die in der Ausübung ihres Amts unabhängig und weisungsfrei entscheiden (Art. 87 B-VG) sowie unabsetzbar und unversetzbar (Art. 88 B-VG) sind. Dazu zählen Richter:innen der ordentlichen Gerichte des Bundes (= Zivil- und Strafgerichte). Laienrichter:innen, Schöff:innen und Geschworene sind in der Ausübung ihrer Funktion Richter:innen gleichgestellt. Diese Garantien gelten auch für Richter:innen der Verwaltungsgerichte, des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs.
Seit 2008 bestimmt Art. 90a B-VG, dass auch die Staatsanwält:innen Organe der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit sind. Staatsanwält:innen haben die öffentlichen Interessen in der Strafrechtspflege wahrzunehmen. Sie leiten das Ermittlungsverfahren, erheben die Anklage und vertreten diese im Strafverfahren. Sie sind dabei grundsätzlich an Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden, also im Gegensatz zu Richter:innen nicht unabhängig (Art. 90a letzter Satz B-VG iVm §§ 29 ff Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG)). An der Spitze der Hierarchie steht der bzw. die Bundesminister:in (BM) für Justiz. Aktuell wird diskutiert, ob er bzw. sie durch eine Bundesstaatsanwältin / einen Bundesstaatsanwalt ersetzt werden soll (siehe Pressemitteilung Zwischenbericht zur Bundesstaatsanwaltschaft | BMJ Website). Das Spannungsfeld zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit, in dem sich die Staatsanwaltschaft befindet, wird intensiv diskutiert. Übereinstimmung herrscht darüber, dass Art. 90a B-VG das System der Strafverfolgung durch Staatsanwält:innen in Österreich garantiert.
Zur Justiz zählt auch die Justizverwaltung. Das sind alle Einrichtungen, die man benötigt, um den Betrieb der Gerichte zu gewährleisten. Wie in anderen Bereichen der Verwaltung gilt in diesen das Weisungsprinzip. Eine Ausnahme bilden die Entscheidungen von Senaten oder Kommissionen (z. B. zur Verteilung der Zuständigkeiten in Rechtssachen), in denen Richter:innen unabhängig vorgehen.
Richter:innen und Staatsanwält:innen können auch im BMJ tätig werden. Dafür sieht das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) in den §§ 78 und 205 besondere Regelungen vor. Damit sollen der Erfahrungsaustausch und die Qualität von Gesetzen gesichert werden, die für den Justizbereich ausgearbeitet werden.