Das Fachdossier wurde am 22.2.2021 erstveröffentlicht und anlässlich der Anpassung der Geheimhaltungsgründe des Informationsordnungsgesetzes (InfOG) an jene der Informationsfreiheit am 2.9.2025 aktualisiert.
„Streng Geheim“ – Klassifizierte Informationen im Parlament
Im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen und der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste ist regelmäßig vom Informationsordnungsgesetz (InfOG) die Rede. Dieses Gesetz regelt, wie mit schutzbedürftigen Informationen im Bereich des Parlaments umzugehen ist. Es wurde 2014 im Zuge der Neuregelung des Untersuchungsausschussverfahrens erlassen. Das InfOG ist aber auch für die Ständigen Unterausschüsse zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Aktivitäten sowie für die Mitwirkung von Nationalrat (NR) und Bundesrat (BR) in EU-Angelegenheiten und im Hinblick auf die am 1.9.2025 in Kraft getretene Informationsfreiheit besonders relevant.
Um welche Informationen geht es?
Das InfOG sieht vor, dass besonders schutzbedürftige Informationen im Bereich von NR und BR einer von vier Klassifizierungsstufen (Sicherheitsstufen) zuzuordnen sind: Eingeschränkt (Stufe 1), Vertraulich (Stufe 2), Geheim (Stufe 3) oder Streng Geheim (Stufe 4). Für die Einstufung ist zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß die Weitergabe der Information "zwingenden integrations- oder außenpolitischen Interessen, Interessen der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Vorbereitung einer Entscheidung, der Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen zuwiderlaufen würde und die Informationen eines besonderen organisatorischen Schutzes bedürfen."
Das InfOG nennt nur diese Kriterien. Es enthält keine Vorgaben für die nähere Bestimmung in konkreten Fällen. Diese muss unter Bezugnahme auf den im Gesetz genannten Katalog vom Urheber der Information entschieden und begründet werden. So können zum Beispiel überwiegende datenschutzrechtliche Interessen im Rahmen des InfOG ein Klassifizierungsgrund sein ("überwiegende berechtigte Interessen eines anderen", § 4 Abs. 1 Z 1 InfOG).
Je nach Einstufung sind unterschiedliche Personenkreise im NR (§ 13 InfOG) und BR (§ 16 InfOG) zugangsberechtigt. Von der Klassifizierungsstufe sind auch die Regeln für den Umgang mit diesen Informationen abhängig. Das betrifft die Einsichtnahme, die Anfertigung von Kopien (erlaubt für Stufe 1 und 2) oder von Notizen (erlaubt für Stufe 1; nur im Untersuchungsausschuss auch für Stufe 2 und 3), das Gespräch über die Information mit anderen Zugangsberechtigten oder Dritten sowie den Transport klassifizierter Papiere oder anderer Datenträger. Informationen der Stufe 4 dürfen nur in einem abhörsicheren Raum besprochen werden. Technische Details und Abläufe sind in der Informationsverordnung (InfoV) geregelt, die von der Präsidentin des Nationalrates 2015 auf Basis des InfOG erlassen wurde und die 2017 so geändert wurde, dass auch Protokolle von Sitzungen der Stufe 2 oder höher elektronisch angefertigt werden können.
Das InfOG gilt für alle Arten von Informationen, unabhängig von Darstellungsform und Datenträger. Auch mündliche Informationen können davon betroffen sein. Das 2019 publik gewordene Ibiza-Video, fiel ebenfalls unter das InfOG, da es dem Parlament klassifiziert übermittelt wurde.
Alle Personen, die nach dem InfOG Zugang zu klassifizierten Informationen haben, sind zur Verschwiegenheit über die dadurch zur Kenntnis gelangten Inhalte verpflichtet und müssen dafür Sorge tragen, dass alle Vorschriften des InfOG beachtet werden und Unbefugte keine Kenntnis von den Informationen erlangen (§ 2 InfOG).
Die folgende Tabelle fasst diese Regelungen zusammen:
Warum braucht es diese Regelungen?
Bis zur Erlassung des InfOG bzw. seiner Vorgängerinnen – das waren die Verteilungsordnungen-EU und die darauf beruhende EU-Verschlusssachen-Verordnung – gab es im Bereich von NR und BR keine verbindlichen Regeln zum Umgang mit schutzbedürftigen Informationen. Das erwies sich insbesondere in Untersuchungsausschüssen und im Zusammenhang mit der EU-Mitwirkung regelmäßig als Problem, da Akten und Unterlagen mit der Begründung, dass entsprechend ausreichende Regelungen für den Umgang mit schutzbedürftigen Informationen im Bereich des Parlaments fehlen, entweder gar nicht oder nur „geschwärzt“ übermittelt wurden.
Damit Parlamente ihre Aufgaben der Gesetzgebung und Kontrolle der Vollziehung sowie der Mitwirkung in EU- und internationalen Angelegenheiten erfüllen können, sind sie auf Zugang zu Informationen angewiesen. Die Erfüllung ihrer Aufgaben soll möglichst transparent und öffentlich erfolgen, damit die Bürger:innen fundierte politische Debatten führen und die Tätigkeit von Politiker:innen beurteilen können. Die Ziele der Transparenz und Öffentlichkeit müssen aber damit abgestimmt werden, dass Regierungen und Verwaltungen Entscheidungen selbstständig vorbereiten und effizient vollziehen können.
Mit der Anpassung des B-VG und der Geschäftsordnungen von NR und BR an den Vertrag von Lissabon, mit dem die EU-Kommission verpflichtet wurde die nationalen Parlamente über alle europäischen Gesetzesinitiativen zu unterrichten, wurde erstmals auch in Bezug auf das österreichische Parlament an dieInformationssicherheitsbestimmungen der EU angeknüpft. Dafür wurde 2012 das EU-Informationsgesetz für die Übermittlung von Informationen an NR und BR geschaffen. In Anlagen zum GOG-NR und zur GO-BR wurde der sichere Umgang damit im Parlament geregelt.
Für die Schaffung des InfOG nahm man sich jedoch die Rechtsprechung des Deutschen Bundesverfassungsgerichts zum Vorbild. Diese wurde nämlich auch schon davor in Konflikten im Untersuchungsausschuss herangezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der sogenannten „Flick-Entscheidung“ 1984 (BVerfGE 67, 100) festgehalten, dass Geheimhaltung immer das Potenzial hat, als staatliches Machtinstrument eingesetzt zu werden. Damit könne die gegenseitige Kontrolle der Staatsgewalten und die rechtliche Verantwortung unterlaufen werden. Daher sollten alle Staatsgewalten (und nicht bloß die Exekutive) auf den sicheren Umgang mit Informationen achten müssen. Eine Staatsgewalt darf der anderen nicht die Übermittlung von Informationen verweigern, weil sie befürchtet, die andere könne nicht für deren Geheimhaltung sorgen.
Aus dieser Rechtsprechung lassen sich Grundsätze für die Regelung von Geheimschutz ableiten, die bei der Schaffung des InfOG und vor allem bei der Reform des Untersuchungsausschussrechts des NR beachtet wurden. Dazu gehören
- die Wahrung der Rechte von Dritten und ein zuverlässiger Umgang mit deren Daten und dem höchstpersönlichen Lebensbereich,
- die Regelung, dass die besondere Schutzbedürftigkeit von Informationen gegenüber NR und BR begründet werden muss, Umstufungen aber nur in einem formellen Verfahren möglich sind, das auch Rechtsschutz vorsieht (138b Abs. 2 B-VG), und
- Ausnahmen von der Informationspflicht, wenn es um den besonderen Schutz von Personen und Ermittlungen im Bereich der Nachrichtendienste geht (52a Abs. 2 und Art. 53 Abs. 3 B-VG) oder wenn die Willensbildung in der Bundesregierung oder bei ihren Mitgliedern noch offen ist (Art. 53 Abs. 4 B-VG).
Für wen gelten diese Regelungen?
Das InfOG gilt für klassifizierte Informationen im Bereich des NR und des BR. Der typische Fall sind Informationen, die dem NR oder BR unter Angabe einer bestimmten Klassifizierungsstufe übermittelt wurden. Bei solchen Informationen ist das übermittelnde Organ (der „Urheber“ gemäß § 3 Abs. 5 InfOG) für die Einstufung verantwortlich. Ab dem Einlangen im Parlament kann die Klassifizierungsstufe nur mehr im Rahmen eines formellen Umstufungsverfahrens (§ 6 ff InfOG) geändert werden. Eine solche Umstufung ist nur für österreichische Informationen möglich. EU-Informationen und Informationen von Internationalen Organisationen können nicht umgestuft werden, da österreichische Gesetze nicht – einseitig – die Beschlüsse internationaler Organisationen und ihrer Organe ändern können.
Informationen, die im Parlament entstanden sind (z.B. Protokolle), können ebenso nach dem InfOG klassifiziert werden.
Die Regelungen über den Umgang mit klassifizierten Informationen gelten für all jene Personen, die nach dem InfOG zugangsberechtigt sind. Das sind vor allem Mitglieder des NR und des BR sowie bestimmte Bedienstete der Klubs und der Parlamentsdirektion.
Die Rechte und Pflichten des Urhebers und der Mitglieder von NR und BR sind im InfOG näher geregelt. Andere Personen, auch solche, deren (personenbezogene) Daten in Informationen an NR oder BR enthalten sind, können sich nicht auf das InfOG berufen (siehe VfGH, VfSlg 20.303/2018, Rz 36).
Können klassifizierte Informationen für die politische Tätigkeit genutzt werden?
Das InfOG regelt den Umgang mit schützenswerten Informationen im Bereich des Parlaments. Für andere Gremien wie z.B. den Nationalen Sicherheitsrat gilt das InfOG nicht. Am Beispiel der Entwicklung in Deutschland hat der frühere Direktor des Deutschen Bundestages, Horst Risse, von einem Dilemma gesprochen, zu dem die Ausweitung der Informationsrechte und des Informationsschutzes in Parlamenten führt: Je wirksamer die parlamentarische Kontrolle vertraulicher Informationen ausgestaltet ist, umso weniger könne Kontrolle öffentlich sein. Zugleich hat er betont, wie wichtig eine umfassende Risikoabwägung für alle beteiligten Akteur:innen sei.
Zunächst ist aber entscheidend, dass Parlamente überhaupt Informationen erhalten. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in allen bisherigen Entscheidungen zur Vorlagepflicht an einen Untersuchungsausschuss (UsA) betont, dass diese Pflicht umfassend sei. Das vorlagepflichtige Organ könne die Vorlage nicht deshalb verweigern, weil einzelne Informationen besonders schutzbedürftig seien (z.B. aufgrund des Datenschutzes). Es habe vielmehr immer die Möglichkeit, Informationen nach den Bestimmungen des InfOG zu klassifizieren (siehe VfGH, VfSlg 19.973/2015, Rz 64; VfGH UA 3/2020, 2.12.2020, Rz 43). Zugleich hebt der VfGH in diesen Entscheidungen hervor, dass aus der Vorlagepflicht keine Befugnis des UsA oder seiner Mitglieder folgt, die „gewonnenen Informationen in jedem Fall an die Öffentlichkeit zu bringen“. Der UsA hat vielmehr bei seiner Berichterstattung eine Interessenabwägung zwischen (privaten) Geheimhaltungsinteressen und öffentlichen Interessen, zu denen unter anderem auch die Bekanntgabe der Kontrollergebnisse zählt, vorzunehmen (der VfGH bezieht sich dabei auf VfGH VfSlg 19.910/2014, Rz 56).
Für die Kontrolle der Nachrichtendienste im NR im Ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten bzw. des Landesverteidigungsausschusses gilt, dass diese nur im Geheimen erfolgen kann. Ähnliche Vorgangsweisen zeigen sich auch im Fachdossier „Wie kontrollieren Parlamente Nachrichtendienste in Europa?“.
Das InfOG sieht demgegenüber mehr Möglichkeiten vor. § 5 Abs. 2 InfOG bestimmt, dass die Klassifizierung einer Information nur im unbedingt notwendigen Ausmaß erfolgen soll. Nach Möglichkeit soll es neben der klassifizierten Information auch eine solche geben, die zur Veröffentlichung geeignet ist. Vor allem aber kann ein Mitglied von NR (§ 6 InfOG) bzw. BR (§ 8 InfOG) dem jeweiligen Präsidenten bzw. der jeweiligen Präsidentin vorschlagen, eine dem NR bzw. dem BR zugeleitete Information umzustufen oder freizugeben. Im Streitfall kann der VfGH gemäß Art. 138b Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 6 InfOG zur Entscheidung angerufen werden.
Grundsätzlich dürfen klassifizierte Informationen nur in vertraulicher oder geheimer Sitzung behandelt werden (§ 37a Abs. 3 und 4 GOG-NR). Für den UsA besteht diesbezüglich eine Sonderregelung: § 21 VO-UA ermöglicht, dass Auskunftspersonen bei der Befragung grundsätzlich auch klassifizierte Akten und Unterlagen vorgelegt und in medienöffentlichen Sitzungen Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 1 verwendet werden können, wenn es der bzw. die Vorsitzende gestattet.
In allen anderen Fällen liegt es an den einzelnen Abgeordneten, wie und in welchem Umfang sie Informationen verwenden – solange sie dabei die Geheimhaltungsverpflichtung gegenüber Unbefugten (§ 2 InfOG) beachten.
Was passiert, wenn klassifizierte Informationen offengelegt werden?
Generell bestimmt § 18 InfOG, dass jemand, der klassifizierte Informationen der Stufe 3 (Geheim) oder 4 (Streng Geheim) offenbart oder verwertet, die z.B. die öffentliche Sicherheit, die umfassende Landesverteidigung, die auswärtigen Beziehungen oder berechtigte private Interessen verletzen können, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen ist. Das gilt auch dann, wenn die Offenbarung in einer Sitzung des NR oder des BR erfolgt. Dafür sieht Art. 57 Abs. 1 B-VG eine Ausnahme von der beruflichen Immunität der Abgeordneten vor. Im Unterschied zum allgemeinen Verfahren im NR sind im UsA auch Sanktionen für die Offenbarung sämtlicher klassifizierter Informationen vorgesehen. Diese sind in § 54 VO-UA geregelt. Zunächst kann dem Mitglied des UsA ein Ordnungsruf erteilt werden. Wenn die Verletzung fortgesetzt bzw. wiederholt wird (z.B. durch Veröffentlichung auf einer Website) kann der bzw. die Vorsitzende des UsA ein Ordnungsgeld in der Höhe von EUR 500,- bis 1.000,- festsetzen. Dagegen kann Einspruch erhoben werden.
Wenn die Bekanntgabe einer klassifizierten Information (auch einer der Stufe 3 oder 4) in einer öffentlichen Sitzung des NR bzw. BR oder deren Ausschüsse erfolgt, können diese von Dritten im Rahmen eines „wahrheitsgetreuen Berichts“ straflos weiterverbreitet werden: Das garantiert die sachliche Immunität gemäß Art. 33 B-VG (NR) bzw. Art. 37 Abs. 3 B-VG (BR).
Für die Verwaltung und sichere Verwahrung klassifizierter Informationen ist die im Nationalratsdienst der Parlamentsdirektion eingerichtete Registratur verantwortlich. Für klassifizierte EU-Informationen gibt es eine eigene Registratur in der Abteilung EU-Angelegenheiten.
Quellenauswahl
- Jedliczka, Geheimhaltung im Parlament: Das Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates, in: Baumgartner (Hrsg.), Öffentliches Recht. Jahrbuch 2015 (2015) S. 85-119.
- Konrath/ Posnik, Art. 30a B-VG, in: Korinek/ Holoubek/ Bezemek/ Fuchs/ Martin/ Zellenberg (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 16. Lieferung (2021).
- Parlamentsdirektion (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat, Aktualisierter Nachdruck (2019).