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Wie steht es um den Frauenanteil in Parlamenten?

Das Fachdossier beschäftigt sich mit dem Frauenanteil im österreichischen Parlament sowie den Landtagen und liefert Vergleichswerte zu anderen europäischen Ländern. (Erstveröffentlichung am 06.03.2020, aktualisiert am 02.03.2023)

Frauenanteil im österreichischen Parlament

Seit Frauen im österreichischen Parlament vertreten sind, ist ihr Anteil grundsätzlich gestiegen. Diese Entwicklung war aber nicht kontinuierlich, sondern sowohl im Nationalrat als auch Bundesrat immer wieder Schwankungen unterworfen.

Entwicklung im Bundesrat

Im Bundesrat war der Frauenanteil von 1956 bis 1994 höher als im Nationalrat (beachte: als Stichtag wurde jeweils der Beginn der jeweiligen Nationalrats-Gesetzgebungsperiode herangezogen). Mit Stand 23.02.2023 liegt der Frauenanteil im Bundesrat bei 42,62 %.

Quelle: Parlamentsdirektion, Bundesrat, Stand 23.02.2023, eigene Darstellung.

Aktueller Frauenanteil im österreichischen Parlament

Im Nationalrat sind mit Stand 21. Februar 2023 von den 183 Abgeordneten 74 Frauen (40,44 %). Im Bundesrat sind 26 der 61 Mitglieder weiblich (42,62 %). Große Unterschiede in der Geschlechterparität gibt es zwischen den Parlamentsklubs: Derzeit reicht der Frauenanteil im Nationalrat von 16,67 % im Nationalrats-Klub der FPÖ bis hin zu 57,69 % beim Nationalrats-Klub der Grünen. Im Bundesrat hat die Fraktion der Grünen den höchsten Frauenanteil mit 60 %, am wenigsten Frauen sind in der FPÖ-Fraktion vertreten (20 %).

Quelle: Parlamentsdirektion, Nationalrat und Bundesrat, Stand 23.02.2023, eigene Darstellung.

Aktueller Frauenanteil in den österreichischen Landtagen

Die folgende Grafik zeigt den Frauenanteil in den Landtagen der Bundesländer mit Stand vom 23. Februar 2023. Noch nicht berücksichtigt sind die Ergebnisse der Niederösterreichischen Landtagswahl, weil die konstituierende Sitzung erst am 23. März 2023 stattfinden wird.

Der Frauenanteil in den Landtagen bewegt sich zwischen 22,22 % in Kärnten und 47,22 % in Vorarlberg.

Quelle: Eigene Recherche auf den websites der Landtage, Stand 23.02.2023, eigene Darstellung.

Internationaler Vergleich

Die  Inter-Parliamentary Union (IPU) stellt auf ihrer Plattform PARLINE umfassende Daten zum Frauenanteil in den nationalen Parlamente zur Verfügung. Diese Daten werden laufend überprüft und aktualisiert. Österreich liegt auf Platz 27 von 186 Staaten (Stand der Auswertung: Jänner 2023 unter Heranziehen der Ergebnisse der letzten Nationalratswahlen 2019). An der Spitze des Rankings liegt trotz zahlreicher Demokratiedefizite (vgl. z. B. Freedom House Report) das ostafrikanische Ruanda mit einem Frauenanteil von 61,3 %. Gar keine Frauen sind im Parlament im Jemen  vertreten.

Innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union belegt Schweden mit 46,4 % Platz 1. Im Europäischen Parlament (EP) betrug der Frauenanteil nach dem Brexit 39,5 %. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 galt in elf Mitgliedsstaaten eine Quotenregel (zwischen > 0 und 50 %).

Parität: Wahlrecht, Quoten und Anreize

Es gibt verschiedene Strategien, mit denen versucht wird, ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter in Vertretungskörpern zu erreichen. Im Folgenden werden beispielhaft Ansätze aus Österreich, Deutschland und Frankreich dargestellt.

Österreich

In Österreich gibt es keine gesetzlich festgelegten Frauenquoten im Wahlrecht für allgemeine Vertretungskörper (Nationalrat, Landtage) und Selbstverwaltungskörper. Freiwillige Quotenregelungen (tw. auf verschiedenen Organisationsebenen) haben die ÖVP, SPÖ und die Grünen.

Wahllisten nach dem Reißverschluss-Prinzip führen aber nur dann zu einem höheren Frauenanteil bei der Mandatsverteilung, wenn Frauen auch auf die Spitzenplätze der Listen gesetzt werden. Bei kleinen Wahlkreisen, wie sie für Österreich typisch sind, versprechen nur die vorderen Listenplätze Erfolg. Dabei müssen für die Nationalratswahlen auch die Erfolgschancen je nach Partei und Listenebene (Bund, Land, Regionalwahlkreis) sowie die Effekte des Vorzugsstimmensystems (Stellungnahme von Silvia Ulrich zur NRWO-Novelle 2013) berücksichtigt werden. Zur Erhöhung des Frauenanteils wird in solchen Wahlsystemen daher auch die Aufteilung von Spitzenpositionen auf den Listen empfohlen („horizontale Quotierung“).

In Österreich besteht im Wiener Gemeinderat ein Klubfinanzierungsmodell, das eine Förderung nach Frauenanteil vorsieht. Die Zahlung richtet sich nach dem Prozentanteil der Frauen unter den Klub-Mitgliedern des Gemeinderates. Voraussetzung für eine Förderung ist, dass der Anteil mindestens ein Drittel beträgt. Für Nationalrat und Bundesrat sieht das Klubfinanzierungsgesetz einen Bonus vor, wenn eine Frauenquote von 40 % in den parlamentarischen Klubs erreicht wird.

Deutschland

In Deutschland bewegt sich der Frauenanteil in den Länderparlamenten zwischen 27,3 % in Bayern und 43,9 %  in Hamburg (Stand November 2022).

2019 sah erstmals ein Landesgesetz vor, dass die Wahllisten quotenmäßig zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden sollten: Mit dem Brandenburger Inklusive Parité-Gesetz beschloss der Landtag, dass gleich viele Frauen und Männer (= Parité) auf den Partei-Landeslisten stehen müssen. Es löste damit eine breite Debatte über die Verfassungsmäßigkeit von Paritätsbestimmungen aus. Umstritten war, ob durch derartige Wahlrechtsbestimmungen in die Wahlrechtsfreiheit und -gleichheit sowie die Parteienfreiheit eingegriffen werde. Dabei könnten die Standpunkte nicht weiter auseinander liegen: Während die einen von Beginn an Paritätsgesetze als verfassungswidrig einstuften, leiten andere ein Gebot für den Erlass derartiger Regelungen direkt aus der Verfassung ab (zur gesamten Debatte Volk 2022).

Dem Beispiel Brandenburgs folgte 2019 kurze Zeit später Thüringen mit einem Paritätsgesetz, das mit 1. Jänner 2020 in Kraft trat. Im Juli 2020 entschied der Thüringer Verfassungsgerichtshof, dass die Vorgabe starr paritätischer Quoten bei der Aufstellung der Listenplätze gegen die Landesverfassung verstoße: Sowohl die Freiheit der politischen Parteien als auch der Wähler:innen sei dadurch verletzt. Eine spätere Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2022 als unzulässig zurück. Nur wenige Monate nach dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs stellte das Brandenburger Verfassungsgericht fest, dass das Brandenburger Inklusive Parité-Gesetz ebenfalls verfassungswidrig sei.

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigte sich 2020 mit Paritätsregelungen: Der Gerichtshof wies eine Wahlprüfungsbeschwerde zurück, die sich  auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts bei der deutschen Bundestagswahl bezog. Die Beschwerde habe nicht hinreichend begründet, dass der Bundesgesetzgeber zu einer paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts der politischen Parteien verpflichtet sei.

Frankreich

In Frankreich liegt der Frauenanteil bei 38 % im Unterhaus (Assemblée nationale) und 35 % im Senat (Stand nach den Wahlen 2022). Seit 1999 steht der gleiche Zugang zu Wahlmandaten und -ämter für Frauen und Männer in Verfassungsrang. Seit 2001 ist ein Parité-Gesetz in Kraft, das eine verpflichtende Parität bei der Erstellung von Wahllisten vorsieht. Verstöße werden mit Kürzungen der staatlichen Parteienfinanzierung geahndet.

Als Sanktionen bei Nichteinhaltung einer Quotenregelung sind finanzielle Strafzahlungen oder der Entfall einer ansonsten ausgezahlten Förderung (Kürzung der Parteienfinanzierung, nicht ausgezahlter Bonus) verbreitet. Eine andere Sanktionsmöglichkeit liegt in der Zurückweisung von Wahllisten, die eine entsprechende Quote nicht erfüllen. Die Zurückweisung wird in der Regel als effektiver als finanzielle Sanktionen bewertet.

Resümee

Ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Parlamenten stellt ein wesentliches Kriterium für „gender-sensitive“ Parlamente dar (Inter-Parliamentary Union). Empirische Studien zeigen, dass Quoten dann einen höheren Frauenanteil fördern, wenn sie in Abstimmung mit dem Wahlsystem eingesetzt werden. Dingler und Kröber weisen darauf hin, dass im Ergebnis die konkrete Ausgestaltung einer Quote mit begleitenden Maßnahmen entscheidender sei als eine bloße gesetzliche Verankerung von Prozent-Regelungen. Ebenfalls kritisch gegenüber Regelungen im Wahlrecht ist Höhne (2020, S. 33), die einen effektiveren Ansatzpunkt, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, in den innerparteilichen Strukturen (z. B. parteiinterne Quoten, Vorgaben in der Parteisatzung) sieht. 

Außerdem setzen Parlamente vielfach selbst Maßnahmen, um die Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit für Frauen zu verbessern. Das irische Parlament hat zum Beispiel ein Forum on a Family Friendly and Inclusive Parliament eingerichtet.

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