Fachinfos - Fachdossiers 03.10.2025

Wie wirkt das Parlament in der Sicherheitspolitik mit?

Dieses Fachdossier wurde am 06.03.2025 erstveröffentlicht und anlässlich der öffentlichen Diskussionen über die Neufassung der Sicherheitsstrategie 2024 am 3.10.2025 aktualisiert.

Was ist Sicherheitspolitik?

Sicherheitspolitik umfasst alle Maßnahmen, mit denen Konflikte zwischen Menschen, die in einem Staat leben, ebenso wie zwischen Staaten untereinander oder mit nicht-staatlichen Akteur:innen verhindert werden sollen. Sie soll dem Schutz von Personen, Sachen und staatlichen Einrichtungen dienen (vgl. Eder 2022, S. 287). Sicherheitspolitik wird daher weder auf Außenpolitik noch auf militärische Sicherheit oder Polizeitätigkeit beschränkt. Sie kann alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche, etwa die Wirtschaft oder die Umwelt, betreffen.

Seit wann und wie wirkt das Parlament an der Sicherheitspolitik mit?

In öffentlichen Debatten und in der Wissenschaft dominieren in sicherheitspolitischen Fragen, ähnlich wie in der Außenpolitik, sogenannte klassische Zugangsweisen. Eine erfolgreiche Sicherheitspolitik ist demnach auf einheitliches Auftreten staatlicher Akteure, flexible Entscheidungsfindung sowie kontrollierten Umgang mit Informationen angewiesen. Diese Eigenschaften werden eher mit Regierungen verbunden, weil diese üblicherweise aus vergleichsweise wenigen Akteur:innen bestehen, die an der Umsetzung eines gemeinsamen Plans (z. B. eines Regierungsprogramms) arbeiten. Die Einbindung anderer, heterogenerer Akteure (z. B. des Parlaments) wird unter diesen Gesichtspunkten als Unsicherheitsfaktor für die Vorbereitung von Entscheidungen und Verhandlungen gesehen, das möglichst eingegrenzt werden soll (Raunio 2014).

Eine solche Perspektive dominiert auch politische Auseinandersetzungen in Österreich (siehe Eder 2022). Dabei hat schon das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) schon 1920 – im Unterschied zu vielen anderen Staaten – eine starke Einbindung des Parlaments in Sicherheitspolitik vorgesehen. Denn jedes Handeln der Regierung – und damit auch die Sicherheitspolitik – kann gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG nur aufgrund der Gesetze erfolgen. Der Nationalrat kann dementsprechend gesetzliche Vorgaben beschließen, Nationalrat und Bundesrat können das Handeln der Bundesregierung kontrollieren (vgl. Öhlinger 1997, S. 82 f.).

Öhlinger (1997, S. 88 f.) hat – am Beispiel der Außenpolitik – gezeigt, dass sich die Einbindung des Parlaments jedoch auf die Erfüllung formaler Mindesterfordernisse beschränken kann. Es gibt keine Pflicht, im Parlament auch inhaltliche Debatten zu führen. Parlamentarische Kontrolle könne durch den Verweis auf Geheimhaltungsgründe unterlaufen werden. Die politischen Auseinandersetzungen darüber reichen bis in die Erste Republik zurück (Wiederin 2021). Die Sozialdemokratie (ab 1945 SPÖ) sprach sich dabei immer für eine stärkere Einbindung des Parlaments bzw. der Parteien aus. Ähnlich wie in Deutschland (Gerland 2015) sollte eine parlamentarische Kontrolle der Sicherheitspolitik etabliert werden. Neben den demokratischen Institutionen sollte kein eigenständiger militärischer Bereich entstehen. Die ÖVP lehnte eine solche Kontrolle lange ab und wies auf die Gefahr der Politisierung des Sicherheitsapparats hin (vgl. Dietrich 1983; Neissl 2008).

Als Kompromiss wurde in § 5 Wehrgesetz 1955 der Landesverteidigungsrat als Beratungsgremium geschaffen, dem sowohl Mitglieder der Bundesregierung als auch Vertreter:innen der im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien angehörten.

Nur für die Entsendung österreichischer Bundesheerangehöriger und Polizist:innen zur Hilfeleistung ins Ausland wurde 1965 erstmals eine formelle Form der Einbindung des Nationalrates vorgesehen. Ein Bundesverfassungsgesetz sah dafür die Herstellung des Einvernehmens der Bundesregierung mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vor. Dieses Gesetz wurde 1997 vom Bundesverfassungsgesetz über Kooperationen und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) abgelöst.

In den 1970er-Jahren nahm der Stellenwert von Sicherheitspolitik vor allem im Zusammenhang mit Außenpolitik in Österreich deutlich zu (Eder 2022, S. 289 ff.). Daher wurde mit Bundesgesetz ein Rat für Auswärtige Angelegenheiten geschaffen, der dem Vorbild des Landesverteidigungsrates folgte. Die SPÖ-Bundesregierung strebte an, wie die Erläuterungen festhalten, dass "Außenpolitik in ihren grundsätzlichen Fragen durch einen Konsens aller im Nationalrat vertretenen Parteien getragen wird" und die Möglichkeit bestehe, Fragen der Außenpolitik zugleich vertraulich zu behandeln und für die Zusammenarbeit im Nationalrat aufbereiten zu können (Erläuterungen zur RV 101 d. B., XIV. GP).

Erst im Zusammenhang mit der Lucona-Affäre und dem Noricum-Skandal, die die Innenpolitik in den 1980er-Jahren dominierten, kam es jedoch zur Einführung spezieller parlamentarischer Kontrollmechanismen (siehe sogleich unten).

In allen sicherheitspolitischen Debatten nahmen Fragen der österreichischen Neutralitätspolitik eine zentrale Rolle ein (siehe das Fachdossier "Was macht die österreichische Neutralität aus?" sowie Senn 2022 und 2024). Im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt 1995 wurden daher auch Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrates im Zusammenhang mit der EU-Außen- und Sicherheitspolitik geschaffen. Mit der Neuorientierung in der Sicherheitspolitik wurden 2001 auch neue Instrumente wie die Sicherheitsstrategie und der Nationale Sicherheitsrat geschaffen (siehe unten). In Abkehr von den Entwicklungen Anfang der 1990er-Jahre wurde das Parlament aber nicht mehr direkt eingebunden.

Wie werden sicherheitspolitische Themen im National­rat behandelt?

Aus dem weiten Verständnis von Sicherheitspolitik und den Möglichkeiten der parlamentarischen Gesetzgebung und Kontrolle (einschließlich von Untersuchungsausschüssen) ergeben sich viele Möglichkeiten von Nationalrat und Bundesrat, um sicherheitspolitische Fragen zu erörtern.

Die Grundlage bilden die jährlichen Beratungen über das Bundesfinanzrahmengesetz und das Bundesfinanzgesetz (Budget) im Nationalrat. Dabei werden nicht nur Entscheidungen über die Finanzierung der staatlichen Tätigkeit getroffen, sondern im Rahmen der Wirkungsorientierung Schwerpunkte und Ziele festgelegt.

Die Mitwirkung an Entsendungen von Bundesheerangehörigen zählt bereits seit 1965 zu den Aufgaben des Hauptausschusses des Nationalrates. Dieser hat jedoch auch eine wichtige Stellung im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU: Im Zuge der Verankerung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der EU stellt (der jetzige) Art. 23j Abs. 2 B-VG sicher, dass alle Beschlüsse der GASP vom Informations- und Stellungnahmerecht des Nationalrates umfasst sind (Öhlinger 2013).

Nachrichtendiensten kommt im Rahmen von Sicherheitspolitik eine wichtige Rolle in der Sammlung und Aufbereitung von Informationen zu. Ihre Tätigkeit steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Rechtsstaat, der darauf ausgerichtet ist, dass staatliche Organe nur dann handeln, wenn es eine genaue Rechtsgrundlage und Verdachtsmomente gibt. Es ist in demokratischen Ländern daher unbestritten, dass die Tätigkeit von Geheim- und Nachrichtendiensten sowie des Staatsschutzes einer Kontrolle unterliegen soll. In Österreich wurde 1991 mit Art. 52a B-VG die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine parlamentarische Kontrolle im Rahmen von ständigen Unterausschüssen und damit das Recht auf Zugang zu Informationen der Nachrichtendienste geschaffen (siehe dazu das Fachdossier "Wie kontrollieren Parlamente Nachrichtendienste in Europa?").

Entschließungen des Nationalrates spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit sicherheitspolitischen Grundsatzentscheidungen. Die Neuausrichtung der österreichischen Sicherheitspolitik ab dem Jahr 2000 (vgl. Eder 2022, S. 294 ff.; Frank 2022, S. 167 ff.) erfolgte auf der Grundlage einer Entschließung des Nationalrates. Als 2011 eine neue Sicherheitsstrategie ausgearbeitet wurde, ging die Bundesregierung den umgekehrten Weg: Die Sicherheitsstrategie wurde, nach umfangreichen Konsultationen, im Ministerrat beschlossen und dem Nationalrat als Bericht der Bundesregierung III-218 d. B., XXIV. GP vorgelegt. Auf dieser Grundlage setzte der Landesverteidigungsausschuss einen Unterausschuss ein, der sich in mehreren Sitzungen mit der Sicherheitsstrategie befasste und einen Entschließungsantrag ausarbeitete (Ausschussbericht 2524 d. B., XXIV. GP). Mit der Entschließung 313/E, XXIV. GP bekräftigte der Nationalrat die zentralen Punkte der Sicherheitsstrategie und sprach Empfehlungen für deren Umsetzung aus. Die Sicherheitsstrategie ist formell mit Beschluss der Bundesregierung und somit ohne parlamentarisches Verfahren zustande gekommen. Auf die hier beschriebene Weise sollte dennoch eine parlamentarische Debatte und Willensäußerung ermöglicht werden.

Angesichts des Kriegs in der Ukraine hat der Nationalrat die Bundesregierung 2023 mit der Entschließung 318/E, XXVII. GP einstimmig aufgefordert, eine neue Sicherheitsstrategie auszuarbeiten. Die Österreichische Sicherheitsstrategie 2024 wurde von der Bundesregierung am 28. August 2024 beschlossen und anschließend als Bericht der Bundesregierung III-1214 d. B., XXVII. GP an den Nationalrat übermittelt. Der Bericht wurde dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen, aber aufgrund des Endes der Gesetzgebungsperiode nicht mehr beraten und abgestimmt. Im Regierungsprogramm 2025-2029 hat die Bundesregierung eine abermalige Aktualisierung angekündigt (S. 91). Die Überarbeitung hat im September 2025 im Rahmen von drei Dialogforen mit jeweils hundert Bürger:innen begonnen.

Was ist der Nationale Sicherheitsrat?

Das zentrale Beratungsgremium der Bundesregierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist seit 2001 der Nationale Sicherheitsrat. Er wurde mit dem Bundesgesetz über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates als Gremium aus Vertreter:innen der Bundesregierung und der im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen politischen Parteien geschaffen und hat den Landesverteidigungsrat und den Rat für Auswärtige Angelegenheiten abgelöst.

Ebenso wie seine Vorgänger ist er kein parlamentarisches Gremium und steht auch in keinem direkten Verhältnis zum Parlament. Allerdings bietet er den Parlamentsparteien die Möglichkeit, an sicherheitspolitischen Beratungen mitzuwirken und die Informationen, die sie dort erhalten – unter Beachtung der Vertraulichkeit – für die eigene politische und parlamentarische Arbeit zu verwenden. Diese Vorgangsweise wurde von allen Parlamentsparteien mitgetragen und der Beschluss im Nationalrat erfolgte einstimmig.

Der Rat ist in allen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu befassen, die nach Ansicht eines stimmberechtigten Mitglieds des Rates von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dazu gehören auch außen- und sicherheitspolitische Themen der EU. Er kann Empfehlungen an die Bundesregierung abgeben.

Der Rat steht unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin. Weitere Mitglieder sind der bzw. die Vizekanzler:in, die Bundesminister:innen für europäische und internationale Angelegenheiten, für Landesverteidigung, für Inneres und für Justiz sowie Vertreter:innen der im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen politischen Parteien. Jede Partei hat gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes jedenfalls zwei Vertreter:innen in den Rat zu entsenden. Weitere acht Vertreter:innen der Parteien werden nach den Stärkeverhältnissen im Hauptausschuss entsendet. Es muss sich dabei um Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates handeln. Die Vertreter:innen der Parteien gehören dem Rat so lange an, bis andere namhaft gemacht werden. Weiters gehören dem Rat auch Beamt:innen an, die mit beratender Stimme mitwirken.

Der Rat ist vom Bundeskanzler bzw. von der Bundeskanzlerin einzuberufen. Zwei stimmberechtigte Mitglieder können jederzeit eine Einberufung verlangen. Die Sitzung muss dann innerhalb von 14 Tagen stattfinden. Der Rat ist organisatorisch im Bundeskanzleramt angesiedelt. Gemäß § 10 des Gesetzes werden die näheren Bestimmungen über die Arbeitsweise in einer Verordnung der Bundesregierung geregelt, die nur mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates erlassen werden kann.

Welche Rolle hat der National­rat in der Krisensicherheit?

Sicherheitspolitik umfasst auch die Vorbereitung auf und den Umgang mit krisenhaften Ereignissen. Dieser wurde für Österreich im Bundes-Krisensicherheitsgesetz, das am 1. Jänner 2024 in Kraft getreten ist, neu geregelt. § 3 bestimmt, dass die Feststellung einer Krisensituation nur durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss erfolgen kann. Der bzw. die Regierungsberater:in gemäß § 5 dieses Gesetzes steht den obersten Organen des Bundes im Hinblick auf Krisensituationen zur Verfügung. Das umfasst auch die zuständigen Ausschüsse des Nationalrates zur Verfügung. Die Bundesregierung muss dem Nationalrat gemäß § 8 Abs. 3 zweimal jährlich über Krisengefahren und -vorkehrungen berichten.

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