Grundbuchs-Novelle 2023 – GB-Nov 2023 (294/ME)

Ministerialentwurf Gesetz

Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Außerstreitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2023 – GB-Nov 2023)

Kurzinformation

Ziel

  • Umsetzung der Entscheidung des Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 6. April 2021, 5434/17, Liebscher/Österreich, in die nationale Rechtsordnung

Inhalt

  •  Gesetzliche Beschränkung der Einsicht und Aufnahme von Urkunden in die Urkundensammlung

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, ausgesprochen, dass Österreich im Anlassfall das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK (Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) verletzt hat, weil die mit dem Fall befassten Gerichte für die Frage der Veröffentlichung des Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung des Grundbuchs keine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers einerseits und den Zwecken der Öffentlichkeit des Grundbuchs, also dem Interesse des Staates und des Rechtsverkehrs an der Richtigkeit, Genauigkeit und (auch nachträglichen) Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen andererseits vorgenommen haben. Eine solche Interessenabwägung konnten die Gerichte nach geltendem Recht bisher auch nicht vornehmen, weil das Grundbuchsrecht derzeit weder eine solche Interessenabwägung noch eine Entscheidung über eine Beschränkung des Anspruchs auf Einsicht in die Urkundensammlung vorsieht.

Der Oberste Gerichtshof hat aber in seinem Beschluss vom 30.3.2022, 8 Ob 3/22g, aufgrund eines Lückenschlusses ausgesprochen, dass sich das Grundbuchsgericht trotz fehlender gesetzlicher Grundlage nach Einsicht in den gesamten Scheidungsfolgenvergleich mit der Veröffentlichung einer Teilausfertigung in der Urkundensammlung begnügen kann, um dem Grundrecht der Antragstellerinnen/ Antragsteller auf Schutz persönlicher Daten im Sinn des Art 8 MRK (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) Rechnung zu tragen. Darüber hinaus haben Vertragsverfasserinnen/Vertragsverfasser damit begonnen, Geheimhaltungsinteressen möglichst schon an der Quelle, nämlich bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen zu berücksichtigen. Dennoch hat Österreich nun die Entscheidung des EGMR auch durch eine explizite gesetzliche Regelung in seine nationale Rechtsordnung umzusetzen. Diese Umsetzungspflicht geht über den konkreten Einzelfall hinaus und umfasst auch generelle Maßnahmen des Staates, um künftige gleichartige Konventionsverletzungen hintanzuhalten. Es sollen daher Bestimmungen einerseits über die Beschränkung der Einsicht in Urkunden in der Urkundensammlung eingeführt werden, die bestimmte Daten des Privat- oder Familienlebens enthalten, und andererseits Beschränkungen der Aufnahme von bestimmten Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden.
07.09.2023

Übermittelt von

Dr. Alma Zadić, LL.M.

Bundesministerium für Justiz

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