Die von Oktober bis Dezember 1918 beschlossenen Gesetze über die Staatsorganisation gaben die Schwerpunkte für die endgültige Verfassung vor: eine starke parlamentarische Demokratie und ein Staatsaufbau, in dem den Ländern eine wichtige Rolle zukommen sollte. Wie diese konkret ausgestaltet sein sollte, war jedoch offen. Der Jurist Hans Kelsen, der an den Vorarbeiten für die neue Verfassung mitgewirkt hat, wies 1960 in einer TV-Aufnahme auf diese Vorgaben hin. Er fügte hinzu, dass selbstverständlich auch dem Rechtsstaat besonders große Bedeutung zukommen sollte.
Die Vorbereitungen für die neue Verfassung liefen sehr langsam an. Das Jahr 1919 war durch viele andere politische Herausforderungen geprägt, die dringender zu lösen waren. Besondere Bedeutung kam dabei den Friedensverhandlungen in St. Germain-en-Laye bei Paris zu. Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags am 10. September 1919 wurde das Staatsgebiet Österreichs festgelegt und der neue Staat wurde zur Eigenständigkeit verpflichtet. Ein Anschluss an das Deutsche Reich war damit ausgeschlossen.
Bereits zu Beginn der Friedensverhandlungen hatte Staatskanzler Karl Renner den Auftrag gegeben, konkrete Entwürfe für eine neue Verfassung auszuarbeiten. Das geschah in der Staatskanzlei (der Vorgängerin des Bundeskanzleramts) unter der Leitung von Hans Kelsen, der Professor für Verfassungsrecht an der Universität Wien war. Diese Entwürfe bauten auf den bestehenden Gesetzen über die Staatsorganisation auf. In vielen Fragen griffen sie auf Regelungen und Erfahrungen aus der Monarchie zurück.
Der Jurist Georg Schmitz hat Ende der 1970er-Jahre die Entwürfe, die Hans Kelsen für die Bundesverfassung erstellt hat, wiedergefunden und mit ausführlichen Erläuterungen veröffentlicht:
Schmitz, Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die österreichische Bundesverfassung (1981).