Geschäftsordnung des Nationalrates
Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975)
§ 75 [Selbständige Anträge, die keine Gesetzesvorschläge enthalten]
(1) Selbständige Anträge von Abgeordneten, die keine Gesetzesvorschläge enthalten, werden vom Präsidenten in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung einem Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen.
(2) Selbständige Anträge von Ausschüssen auf Fassung von Beschlüssen, die nicht die Erlassung von Gesetzen betreffen, sind ohne jede weitere Vorberatung vom Nationalrat in Verhandlung zu nehmen. Dies gilt auch für Berichte von Untersuchungsausschüssen und Berichte des Hauptausschusses (§ 21 Abs. 2).
(3) Die Debatte und Abstimmung über die im Abs. 1 und 2 genannten Vorlagen sowie über Anträge auf Ablehnung einer Initiative oder eines Vorschlags gemäß § 26b erfolgen gemäß den Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates.
§ 76 [Vorlagen der Bundesregierung, die keine Gesetzesvorschläge enthalten]
(1) Vorlagen der Bundesregierung, die keine Gesetzesvorschläge enthalten, sowie Vorlagen über Initiativen und Beschlüsse des Europäischen Rates und des Rates gemäß Art. 23i Abs. 1, 3 und 4 B-VG sowie Art. 23j Abs. 1 B-VG werden vom Präsidenten in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung einem Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen.
(2) Der Vorberatung durch den Ausschuß folgen die Debatte und Abstimmung gemäß den Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates.
(3) Anlässlich der Genehmigung des Abschlusses eines Staatsvertrages gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG kann der Nationalrat beschließen, in welchem Umfang dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (Art. 50 Abs. 2 Z 4 B‑VG). Weiters kann der Nationalrat beschließen, daß der Staatsvertrag oder einzelne genau bezeichnete Teile desselben nicht im Bundesgesetzblatt, sondern in anderer zweckentsprechender Weise kundzumachen sind (Art. 49 Abs. 2 B‑VG).
(4) Sieht ein Staatsvertrag seine vereinfachte Änderung (Art. 50 Abs. 2 Z 1 B‑VG) vor, so kann sich der Nationalrat die Genehmigung dieser Änderungen vorbehalten. Anträge auf Fassung von Beschlüssen nach Abs. 3 bzw. Abs. 4 können auch im Zuge der Vorberatung gestellt werden. Ein Antrag auf Fassung eines diesbezüglichen Beschlusses des Nationalrates kann als Antrag eines Ausschusses gemäß § 27 Abs. 3 oder in Form eines Zusatzantrages im Rahmen der Debatte des Nationalrates gestellt werden.
(5) Bei Debatten des Nationalrates über die Genehmigung von Staatsverträgen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 2 B-VG, durch welche die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, kann jeder Klub ein in Österreich gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments namhaft machen, das an den Verhandlungen mit beratender Stimme teilnimmt, sofern er dies spätestens 48 Stunden vor der Debatte – Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage nicht eingerechnet – schriftlich ankündigt. § 74b Abs. 6 gilt sinngemäß.
§ 77 [Einsprüche des Bundesrates]
(1) Einsprüche des Bundesrates gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates werden dem Nationalrat durch den Vorsitzenden des Bundesrates schriftlich mitgeteilt (Art. 42 Abs. 3 B‑VG) und vom Präsidenten in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung einem Ausschuß zugewiesen. Der Ausschußantrag hat entweder die Wiederholung des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses oder einen neuen Gesetzesvorschlag zum Gegenstand.
(2) Der Vorberatung durch den Ausschuß folgen die Debatte und Abstimmung im Nationalrat. Schlägt der Ausschuß die Wiederholung des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses durch den Nationalrat vor, so finden die Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates Anwendung. Richtet sich der Antrag des Ausschusses jedoch auf die Beschlußfassung eines neuen Gesetzes, so tritt der Nationalrat in die zweite Lesung gemäß den Besonderen Bestimmungen über die Behandlung von Gesetzesvorschlägen ein.
§ 78 [Berichte an den Nationalrat im Allgemeinen]
(1) Berichte der vom Nationalrat oder von Nationalrat und Bundesrat in internationale parlamentarische Organisationen entsendeten Delegierten sowie der an Veranstaltungen der Interparlamentarischen Union teilnehmenden Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates sowie Berichte der Volksanwaltschaft und Stenographische Protokolle über parlamentarische Enqueten werden vom Präsidenten in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung einem Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen.
(2) Der Vorberatung durch den Ausschuß folgen die Debatte und Abstimmung gemäß den Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates.
§ 79 [Bundesrechnungsabschlüsse und Berichte des Rechnungshofes]
(1) Der Rechnungshof legt den Bundesrechnungsabschluß vor. Er erstattet dem Nationalrat über seine Tätigkeit im vorausgegangenen Jahr spätestens bis 31. Dezember jeden Jahres sowie über besondere Akte der Gebarungsüberprüfung gemäß § 99 Bericht. Überdies kann der Rechnungshof über einzelne Wahrnehmungen jederzeit unter allfälliger Antragstellung an den Nationalrat berichten.
(2) Berichte des Rechnungshofes werden vom Präsidenten in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung dem für die Verhandlung dieser Vorlagen eingesetzten ständigen Ausschuß (Rechnungshofausschuß) zur Vorberatung zugewiesen. Bundesrechnungsabschlüsse werden in derselben Weise dem Ausschuß gemäß § 32a zugewiesen.
(3) Über die Berichte des Rechnungshofes hat der Ausschuß die Vorberatung binnen sechs Wochen zu beginnen. Der Rechnungshofausschuß kann beschließen, die Anhörung von Auskunftspersonen gemäß § 37a Abs. 1 Z 5 öffentlich abzuhalten. Ton- und Bildaufnahmen sind unzulässig. In einer solchen Debatte soll keine Wortmeldung zehn Minuten übersteigen. Darüber hinaus soll am Beginn der Sitzung ein zeitlicher Rahmen für die Anhörung in Aussicht genommen werden. Der Vorberatung durch den Ausschuß folgen die Debatte und Abstimmung gemäß den Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates.
(4) Beim Bundesrechnungsabschluß hat der Ausschußantrag im Falle der Genehmigung einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag zum Gegenstand. Der Nationalrat tritt in diesem Fall in die zweite Lesung gemäß den Besonderen Bestimmungen über die Behandlung von Gesetzesvorschlägen ein.
§ 80 [Immunitätsangelegenheiten]
(1) Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung eines Abgeordneten gemäß § 10 Abs. 2 und Abs. 3 erster Satz, Ersuchen um Entscheidung über das Vorliegen eines Zusammenhanges im Sinne des § 10 Abs. 3, Mitteilungen von Behörden gemäß § 10 Abs. 5, Anträge von Behörden gemäß Art. 63 Abs. 2 B‑VG sowie Ersuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung von Personen wegen Beleidigung des Nationalrates weist der Präsident dem mit diesen Angelegenheiten betrauten ständigen Ausschuß (Immunitätsausschuß) sofort nach dem Einlangen zu. Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung gemäß § 10 Abs. 3 erster Satz sowie Ersuchen um Entscheidung über das Vorliegen eines Zusammenhanges im Sinne des § 10 Abs. 3 werden dem betroffenen Abgeordneten mitgeteilt.
(2) Der Vorberatung durch den Ausschuß folgen die Debatte und Abstimmung gemäß den Allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates. Bei Mitteilungen von Behörden gemäß § 10 Abs. 5 obliegt die Beschlußfassung in der tagungsfreien Zeit an Stelle des Nationalrates dem Immunitätsausschuß.
(3) Über Auslieferungsbegehren hat der Ausschuß dem Nationalrat so rechtzeitig Bericht zu erstatten, daß dieser spätestens am vorletzten Tag der gemäß § 10 Abs. 4 vorgesehenen achtwöchigen Frist hierüber abstimmen kann.
(4) Für den Fall, daß der Ausschuß nicht rechtzeitig Bericht erstattet, hat der Präsident das Auslieferungsbegehren spätestens am vorletzten Tag der achtwöchigen Frist zur Abstimmung zu stellen.
§ 81 [Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung, Debatte darüber]
(1) Über Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung sowie Mitteilungen über die Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung und Staatssekretären findet sogleich eine Debatte statt, wenn dies von fünf Abgeordneten schriftlich verlangt wird.
(2) Richtet sich das Verlangen nicht ausdrücklich darauf, die Debatte sogleich durchzuführen, bestimmt der Präsident deren Zeitpunkt nach Beratung in der Präsidialkonferenz.
(3) Werden gegen die sofortige Durchführung der Debatte (Abs. 1) Einwendungen erhoben, entscheidet der Nationalrat. In diesem Fall darf die Debatte jedoch nicht später als am Ende der nächstfolgenden Sitzung – bei Außerachtlassung der Sitzungen gemäß § 94 Abs. 5 dritter und vierter Satz – stattfinden.