Geschäftsordnung des Nationalrates

Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975)

XII. Beschlüsse und Wahlen

§§ 82 bis 88 des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrats (Geschäftsordnungsgesetz 1975)

§ 82 [Beschlusserfordernisse]

(1) Zu einem Beschluß des Nationalrates ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Anwesenheit von einem Drittel der Abgeordneten und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(2) Abweichende Beschlußerfordernisse gelten in folgenden Fällen:

1. Verfassungsgesetze oder in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen können nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

1a. Die Genehmigung des Abschlusses von Staatsverträgen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 2 B-VG, durch welche die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, die Ermächtigung des österreichischen Mitglieds im Europäischen Rat zur Zustimmung zu einer Initiative gemäß Art. 23i Abs. 1 B-VG sowie die Genehmigung von Beschlüssen des Rates, durch die neue Kategorien von Eigenmitteln der Europäischen Union gemäß Art. 23i Abs. 3 B-VG eingeführt werden, von anderen Beschlüssen des Europäischen Rates oder des Rates gemäß Art. 23i Abs. 4 B-VG und von Beschlüssen des Europäischen Rates über eine gemeinsame Verteidigung gemäß Art. 23j Abs. 1 B-VG kann nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

2. Dieses Bundesgesetz kann nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden.

2a. Das Informationsordnungsgesetz kann nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden.

3. Zur Wiederholung eines Gesetzesbeschlusses, gegen den der Bundesrat Einspruch erhoben hat, ist die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten notwendig.

4. Zu einem Beschluß des Nationalrates, mit dem der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder das Vertrauen versagt wird, ist die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich.

5. Zu einem Beschluß des Nationalrates, mit dem eine Anklage gegen Mitglieder der Bundesregierung oder ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellte Organe wegen Gesetzesverletzung erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten.

6. Zu einem Beschluß des Nationalrates auf Einberufung der Bundesversammlung durch den Bundeskanzler gemäß Art. 60 Abs. 6 B‑VG ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

7. Zu einem Gesetzesbeschluß des Nationalrates betreffend eine der im Art. 14 Abs. 10 und im Art. 14a Abs 8 B‑VG aufgezählten Angelegenheiten ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen notwendig. Das gleiche gilt für die Genehmigung des Abschlusses der die im Art. 14 Abs. 10 B‑VG aufgezählten Angelegenheiten betreffenden Staatsverträge.

7a. Zu einem Beschluss des Nationalrates über Grenzänderungen gemäß Artikel 3 Abs. 2 und 3 B‑VG ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich (Art. 3 Abs.4 B‑VG).

8. Ferner bedarf es in den Fällen der §§ 44 Abs. 2, 49 Abs. 5 und 6, 53 Abs. 7 und 57 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

(3) Bei Wahlen sind die Bestimmungen des Abs. 1 sowie des § 87 anzuwenden.

(4) Verfassungsgesetze und in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen sowie Grundsatzgesetze und Grundsatzbestimmungen in Bundesgesetzen sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen.

§ 83 [Beschlussausfertigungen]

Der Präsident des Nationalrates verfügt auf Grund der genehmigten Amtlichen Protokolle (§ 51) die Ausfertigung und Zustellung der vom Nationalrat ausgehenden Beschlüsse.

§ 84 [Volksabstimmung über einen Gesetzesbeschluss]

(1) Jeder Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 B‑VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Abgeordneten es verlangt.

(2) Ein Antrag auf Fassung eines diesbezüglichen Beschlusses des Nationalrates kann als Antrag eines Ausschusses gemäß § 27 Abs. 3 oder in Form eines Zusatzantrages in der zweiten Lesung des Gesetzesvorschlages gestellt werden. Der Antrag gelangt nach der dritten Lesung zur Abstimmung.

§ 85 [Volksabstimmung über eine Teiländerung der Bundesverfassung]

Eine Teiländerung der Bundesverfassung ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 B‑VG, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen, wenn dies von einem Drittel der Abgeordneten verlangt wird.

§ 86 [Anfechtung eines Bundesgesetzes]

(1) Ein Drittel der Abgeordneten kann gemäß Art. 140 Abs. 1 B‑VG begehren, daß entweder ein Bundesgesetz seinem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen eines solchen Gesetzes vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden. Das Begehren hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen.

(2) Die Abgeordneten, die ein Begehren im Sinne des Abs. 1 gestellt haben, haben außerdem einen oder mehrere Bevollmächtigte für ihre Vertretung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu bezeichnen.

§ 87 [Wahlen im Allgemeinen]

(1) Wahlen im Nationalrat bilden einen eigenen Gegenstand der Tagesordnung (§ 50 Abs. 2). Abweichend hievon kann die Wahl eines besonderen Ausschusses zur Vorberatung einer Vorlage vor deren Zuweisung durch den Präsidenten oder in der ersten Lesung eines Gesetzesvorschlages beantragt werden.

(2) Wahlen sind in der Regel mit Stimmzetteln durchzuführen und werden durch unbedingte Mehrheit der gültigen Stimmen entschieden. Wahlen mit Stimmzetteln sind geheim durchzuführen. Für die Wahl der Ausschüsse gelten die Bestimmungen der §§ 30, 32 und 33.

(3) Wahlvorschläge, die dem Präsidenten vor Beginn des Wahlvorganges schriftlich überreicht wurden, sind von diesem dem Nationalrat zur Kenntnis zu bringen, doch sind auch Stimmzettel gültig, die auf einen anderen wählbaren Kandidaten lauten.

(4) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie die Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission gemäß § 4 Wehrgesetz werden auf Vorschlag des Hauptausschusses gewählt.

(4a) Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Hauptausschusses (§ 31g) bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt.

(4b) Die Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz gemäß § 17a Abs. 5 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz, BGBl. I Nr. 148/2021, werden auf Vorschlag des Hauptausschusses in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt.

(5) Wird bei der ersten Wahl keine unbedingte Mehrheit der gültigen Stimmen erzielt, so wird eine zweite Wahl vorgenommen. Ergibt sich auch bei dieser keine unbedingte Stimmenmehrheit, so findet die engere Wahl statt. In diese kommen diejenigen, welche bei der zweiten Wahl die meisten Stimmen erhielten, in der doppelten Anzahl der zu Wählenden. Haben bei der zweiten Wahl mehrere gleich viele Stimmen, so entscheidet das Los, wer von ihnen in die engere Wahl kommt. Ergibt sich auch bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so entscheidet ebenfalls das Los.

(6) Erzielt keiner der eingebrachten Wahlvorschläge bei der ersten oder zweiten Wahl die erforderliche Mehrheit, so können diese zugunsten eines einzigen Wahlvorschlages zurückgezogen werden.

(7) Liegt nur ein Wahlvorschlag vor, so kann auf Vorschlag des Präsidenten über diesen gemäß § 66 Abs. 1 oder 2 abgestimmt werden. Wird jedoch eine Einwendung erhoben, hat es bei der Wahl mit Stimmzetteln zu bleiben. Die Wahl des Präsidenten, des Zweiten und des Dritten Präsidenten ist stets mit Stimmzetteln durchzuführen. Der Präsident kann, wenn ihm das Ergebnis einer gemäß § 66 Abs. 1 oder 2 durchgeführten Wahl zweifelhaft erscheint, eine Wahl mit Stimmzetteln anordnen.

§ 88 [Wahlen mit Stimmzetteln]

(1) Bei Wahlen mit Stimmzetteln hat der Präsident anzugeben, in welcher Form ein Wahlvorschlag, für den die Stimmenabgabe erfolgt, kenntlich zu machen ist.

(2) Die Wahl hat durch Hinterlegung der Stimmzettel in einer Urne stattzufinden. Hiezu sind die Abgeordneten namentlich aufzurufen und zu zählen. Wer beim Aufruf seines Namens nicht anwesend ist, darf nachträglich keinen Stimmzettel abgeben.

(3) Wenn dies fünf Abgeordnete verlangen, hat die Wahl in Wahlzellen zu erfolgen. Die Wahl ist in derselben Weise wie nach Abs. 2 durchzuführen, doch hat die Parlamentsdirektion in diesem Fall Vorsorge zu treffen, daß jeder Abgeordnete in der Wahlzelle unbeobachtet den Stimmzettel ausfüllen und in das Wahlkuvert geben kann. Der Stimmzettel und das Wahlkuvert sind den Abgeordneten von den damit beauftragten Bediensteten der Parlamentsdirektion vor Betreten der Wahlzelle zu überreichen; das Wahlkuvert ist unmittelbar nach Verlassen der Wahlzelle in die Urne zu legen.

(4) Nachdem der Präsident den Wahlvorgang für beendet erklärt hat, haben die damit beauftragten Bediensteten unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vorzunehmen und das Wahlergebnis dem Präsidenten mitzuteilen. Stimmt die Zahl der Stimmzettel oder im Fall des Abs. 3 die der Kuverts mit der Anzahl der Abgeordneten, die tatsächlich gewählt haben, nicht überein, so ist die Wahl zu wiederholen, falls die Differenz das Wahlergebnis beeinflussen könnte.

(5) Stimmzettel, aus denen der Wille des Wählers nicht eindeutig erkennbar ist, sind ungültig.

(6) Der Präsident hat das Ergebnis der Wahl zu verkünden.