Stenographisches Protokoll

688. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 6. Juni 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

688. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Juni 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Juni 2002: 9.02 – 21.14 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz

2. Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger

3. Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang

4. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW

5. Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen

6. Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang

7. Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz 2002 erlassen wird

8. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG)


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 2

9. Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird

10. Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden

12. Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden

13. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird

14. Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

15. Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden

16. Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden

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Inhalt

Bundesrat

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

Ludwig Bieringer 28

Albrecht Konecny 29

Engelbert Weilharter 30

Stefan Schennach 30

Ordnungsruf 134

Personalien

Krankmeldungen 10

Entschuldigungen 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 31

Ausschüsse

Zuweisungen 31

Fragestunde

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 10

Margarete Aburumieh (1247/M-BR/02); Mag. Dietmar Hoscher, Ulrike Haunschmid, Stefan Schennach

Klaus Gasteiger (1251/M-BR/02); Dr. Robert Aspöck, Josef Saller


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 3

Ilse Giesinger (1248/M-BR/02); Karl Boden, Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (1254/M-BR/02); Jürgen Weiss, Karl Boden

Günther Kaltenbacher (1252/M-BR/02); Ing. Gerd Klamt, Alfred Schöls

Johann Ledolter (1249/M-BR/02); Mag. Dietmar Hoscher, Ulrike Haunschmid

Horst Freiberger (1253/M-BR/02); Dr. Robert Aspöck, Maria Grander

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (1250/M-BR/02); Mag. Melitta Trunk, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann

Ulrike Haunschmid (1255/M-BR/02); Ilse Giesinger, Harald Reisenberger

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend unglaublichen Postenschacher auf Kosten der SteuerzahlerInnen (1938/J-BR/02)

Begründung: Albrecht Konecny 109

Beantwortung: Bundesminister Mag. Herbert Haupt 114

Redner:

Harald Reisenberger 126

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 130

Josef Saller 131

Herbert Würschl 132

Dr. Peter Böhm 134 und 144

Stefan Schennach 135

Horst Freiberger 137

Ing. Gerd Klamt 139

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 140

Albrecht Konecny 143

Dr. Robert Aspöck 144

der Bundesräte Johanna Schicker, Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1939/J-BR/02)

der Bundesräte Johanna Schicker, Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1940/J-BR/02)

Begründung: Johanna Schicker 145

Beantwortung: Bundesminister Herbert Scheibner 148


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 4

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 157

Redner:

Reinhard Todt 159

Dr. Vincenz Liechtenstein 163

Günther Kaltenbacher 164

Engelbert Weilharter 166

Stefan Schennach 167

Albrecht Konecny 170

Bundesminister Herbert Scheibner 172

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 176

Christoph Hagen 177

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1045 und 1132/NR sowie 6649/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 32

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Albrecht Konecny 32

Margarete Aburumieh 34

Mag. Melitta Trunk 36

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 38

Johanna Schicker 41

Stefan Schennach 42

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 44

Germana Fösleitner 46

Ing. Gerd Klamt 48

Mag. Dietmar Hoscher 49

Ing. Franz Gruber 49

Ulrike Haunschmid 50

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz 33

Ablehnung 52

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 53

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend eine Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger (969 und 1121/NR sowie 6650/BR d. B.)

(3) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang (1030 und 1122/NR sowie 6651/BR d. B.)

(4) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW (964/NR sowie 6652/BR d. B.)


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688. Sitzung / Seite 5

(5) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen (1028/NR sowie 6653/BR d. B.)

(6) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang (1029/NR sowie 6654/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Ledolter 54

[Antrag, zu (2), (3), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben und zu (4), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Stefan Schennach 55

Dr. Vincenz Liechtenstein 56

Klaus Gasteiger 58

Mag. John Gudenus 59

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 60

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 62


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (4), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 64

(7) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz 2002 erlassen wird (1087 und 1118/NR sowie 6646 und 6655/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber 65

(Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen)


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 7

Redner:

Gottfried Kneifel 65

Mag. Dietmar Hoscher 66

Dr. Robert Aspöck 68

Staatssekretär Franz Morak 69

Jürgen Weiss 70

Manfred Gruber 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 74

Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen betreffend Vorlage eines Berichtes über die Auswirkungen des Bundesvergabegesetzes 72

Annahme (E/178-BR/02) 74

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (666/A und 1128/NR sowie 6656/BR d. B.)

(9) Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (781 und 1129/NR sowie 6657/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 74

[Antrag, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Jürgen Weiss 75

Mag. Dietmar Hoscher 76 und 80

Dr. Robert Aspöck 77

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 80

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (1067 und 1100/NR sowie 6658/BR d. B.)

(11) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1068 und 1101/NR sowie 6647 und 6659/BR d. B.)

(12) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1069 und 1102/NR sowie 6648 und 6660/BR d. B.)

(13) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird (950 und 1103/NR sowie 6661/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 81

[Antrag, zu (10), (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Harald Reisenberger 82

Margarete Aburumieh 84

Engelbert Weilharter 86

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 88 und 91

Herta Wimmler 90

Ferdinand Gstöttner 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (10) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 92

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 92

(14) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (967 und 1104/NR sowie 6662/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Klaus Peter Nittmann 92 und 101

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johann Kraml 93

Fritz Grillitsch 95

Stefan Schennach 97

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 98

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 102

Entschließungsantrag der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Fritz Grillitsch, Johann Kraml, Stefan Schennach und KollegInnen betreffend Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums 97

Annahme (E/179-BR/02) 102

Gemeinsame Beratung über

(15) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden (1036 und 1107/NR sowie 6663/BR d. B.)

(16) Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden (1046 und 1108/NR sowie 6664/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 102

[Antrag, zu (15) und (16) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Reinhard Todt 103

Leopold Steinbichler 104


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 8

Klaus Gasteiger 106

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 107

Ulrike Haunschmid 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 109

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend akuter Personalnot bei der Vorarlberger Gendarmerie (1935/J-BR/02)

der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auszahlung von Nebengebühren bei der Gendarmerie (1936/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Sicherung der Vorarlberger Einspeisetarife für erneuerbare Energien (1937/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend unglaublichen Postenschacher auf Kosten der SteuerzahlerInnen (1938/J-BR/02)

der Bundesräte Johanna Schicker, Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1939/J-BR/02)

der Bundesräte Johanna Schicker und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1940/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend verstärkte Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes in der Agrarpolitik (1941/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtages zum Bundes-Pflegegeld (1942/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Beibehaltung der Ökopunkte-Regelung für den Transitverkehr im Korridor zwischen Hörbranz und der Schweiz bis zum Inkrafttreten einer Nachfolgeregelung (1943/J-BR/02)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen (1756/AB-BR/02 zu 1907/J-BR/02)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1757/AB-BR/02 zu 1915/J-BR/02)


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1758/AB-BR/02 zu 1916/J-BR/02)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Ilse Giesinger, Jürgen Weiss und Christoph Hagen (1759/AB-BR/02 zu 1911/J-BR/02)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Mag. John Gudenus und Mag. Thomas Ram (1760/AB-BR/02 zu 1919/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1761/AB-BR/02 zu 1914/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und KollegInnen (1762/AB-BR/02 zu 1917/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Horst Freiberger und KollegInnen (1763/AB-BR/02 zu 1918/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1764/AB-BR/02 zu 1923/J-BR/02)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1765/AB-BR/02 zu 1927/J-BR/02)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1766/AB-BR/02 zu 1921/J-BR/02)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1767/AB-BR/02 zu 1920/J-BR/02)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1768/AB-BR/02 zu 1922/J-BR/02)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny, Dr. Vincenz Liechtenstein und KollegInnen (1769/AB-BR/02 zu 1926/J-BR/02)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1770/AB-BR/02 zu 1929/J-BR/02)

Nachtrag

Der Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (NS-Opfer-Gedenktag) wurde mit der Nummer E/176-BR/97 versehen.

Der Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konecny und Kollegen betreffend die "Agenda 2000" wurde mit der Nummer E/177-BR/97 versehen.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich wünsche allen einen guten Morgen und eröffne die 688. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 687. Sitzung des Bundesrates vom 3. Mai 2002 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz und Herbert Thumpser.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hans Ager, Roswitha Bachner, Dr. Ferdinand Maier und Wilhelm Grissemann.

Fragestunde

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1247/M, an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit.

Der als verhindert gemeldete Bundesrat Hans Ager hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekannt gegeben, dass Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh in das Fragerecht eintritt. Ich bitte die Anfragestellerin um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister Dr. Bartenstein! Meine Frage lautet:

1247/M-BR/02

Welche Vorteile erwarten Sie sich für den Wirtschaftsstandort Österreich durch die Liberalisierung der Gewerbeordnung?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesrätin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die Vorteile aus dem Titel der Liberalisierung der Gewerbeordnung – ich darf hinzufügen und einleitend feststellen, dass wir in diesen Tagen die parlamentarische Behandlung im Nationalrat vor uns haben, der Wirtschaftsausschuss hat seine Beschlussfassung in der Vorwoche schon getätigt – liegen in einer Reihe von Punkten; ich werde dann noch im Einzelnen darauf eingehen.

Zielvorstellung ist es jedenfalls, mit dieser Reform der Gewerbeordnung ein noch unternehmensgründungsfreundlicheres Klima in diesem Lande zu schaffen.

Präsident Leitl, auch der Herr Bundeskanzler und ich selbst haben uns zum Ziel gesetzt, das Jahr 2002 zu einem Jahr der Neugründungen zu machen und die Schallmauer von 30 000 Neugründungen zu erreichen.

Ich darf einleitend auch darauf verweisen, Frau Bundesrätin, dass wir erst dieser Monate das Neugründungs-Förderungsgesetz verlängert haben, das de facto die Unternehmensgründung in Österreich kostenfrei stellt, und dass wir auch mit anderen den Kapitalmarkt betreffenden Maßnahmen Unternehmensgründungen begünstigt haben.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 11

Nunmehr komme ich aber zu den wichtigsten konkreten Bestimmungen dieser Gewerbeordnungsreform, die im Konsens mit den betroffenen Kreisen erarbeitet wurde; sowohl der Begutachtungsentwurf als auch die Regierungsvorlage wurden im Konsens mit den betroffenen Berufsgruppen erarbeitet. Ich halte das für wesentlich, weil die Gewerbeordnung als Herzstück des Unternehmerrechtes diese Gruppen auch intensiv tangiert.

Worum geht es? – Man kommt in Zukunft einheitlich durch die Anmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu einer Gewerbeberechtigung. Es ist die Möglichkeit der elektronischen Gewerbeanmeldung optimiert – in Wien ist es schon möglich; es wird auch in den anderen Bundesländern möglich sein. Man kann also nicht nur innerhalb eines Tages und kostenfrei, sondern noch dazu auch elektronisch ein Gewerbe anmelden – ein deutlicher Fortschritt und ein Zeichen, wie ich glaube, für ein besonders unternehmerfreundliches Klima.

Es wird der Befähigungsnachweis modernisiert und flexibilisiert. Wir sind damit auch EU-konform. Es war für mich besonders wichtig, in diesem Bereich nicht etwa eine stille Diskriminierung von Österreichern zuzulassen; das wäre EU-rechtlich möglich gewesen, aber das wollten wir nicht, das wollen auch Österreichs oberste Richter nicht. Das heißt, es ist klargestellt, dass Österreicher unter den gleichen Bedingungen Zugang zu einer selbständigen Berufsausübung haben, wie das für Franzosen oder Engländer gilt.

Worum geht es de facto? – Es geht darum, dass jemand, der eine Zeit lang – im Regelfall sind es fünf oder sechs Jahre – in leitender Stellung in einem Unternehmen tätig gewesen ist, auch ohne zum Beispiel eine Meisterprüfung selbständig ausübungsberechtigt wird; aber wie gesagt: in leitender Stellung als Geschäftsführer, als Betriebsleiter zum Beispiel.

Es bleibt aber bei der Meisterprüfung als zentralem und vorrangigem Zugang zum Handwerk und zur Gewerbeausübung, allerdings ist vorgesehen, dass die Volljährigkeit das schlagende Kriterium sein soll, um zur Meisterprüfung antreten zu können. Das ist absolut keine Abwertung der Lehrabschlussprüfung, ganz im Gegenteil. Aber wir möchten den 40-Jährigen, die über eine reichhaltige Berufserfahrung verfügen, die Möglichkeit geben, wenn sie das wollen, zur Meisterprüfung anzutreten.

Noch einmal: Zu 95 Prozent erwarte ich mir, dass auch in Zukunft junge Menschen die duale Berufsausbildung nützen und nach der Lehrabschlussprüfung, die zum Teil und im praktischen Teil vor allem für die Meisterprüfung anrechenbar wird, den Weg in Richtung Meister und Selbständigkeit gehen.

Wir haben die Systematik der Gewerbekategorien vereinfacht, es wird nur mehr eine Liste geben. Die Teilgewerbe, Frau Bundesrätin werden aufgewertet. Es wird das Handelsgewerbe zu einem freien Gewerbe, was ein ganz wichtiger Punkt der Gewerbeordnungsreform ist, meine Damen und Herren, weil damit einige Zigtausend Unternehmungen in ein freies Gewerbe übergeführt werden; auch das ist im Konsens mit der Sparte, früher: Sektion Handel.

Es kommt zu einem ganz entscheidenden Fortschritt bei den so genannten Nebenrechten, das wird übersichtlich und verständlich gestaltet, was zum Beispiel Würstelstände betrifft. Die Schanigärten werden einheitlich bis 23 Uhr betrieben werden können.

Es wird das redliche Scheitern des Unternehmers möglich sein. Das, was strafrechtlich schon gemacht wurde, wird jetzt auch gewerberechtlich abgebildet, aber dort, wo der Konkurs strafrechtlich weiter relevant ist, wird er weiterhin ein Ausschließungsgrund für die Gewerbeberechtigung bleiben. Und dort, wo jemand – und das ist leider Gottes in Teilen Österreichs schon so etwas wie geübte Praxis – in einen Konkurs schlittert oder vielleicht sogar absichtlich schlittert, der dann mangels Masse abgewiesen wird, wird auch ungeachtet der strafrechtlichen Relevanz der Konkurs mangels Masse ein Ausschließungsgrund für eine Gewerbeberechtigung sein.

Das, sehr geehrte Frau Bundesrätin, sind die wesentlichen Punkte dieser sehr umfassenden, sehr modernen Reform der Gewerbeordnung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 12

Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Minister! Sie haben den Einzelhandel und generell die Vorteile, die die Liberalisierung bringt, angesprochen. In welcher Form wirkt sich die Liberalisierung – außer den von Ihnen angesprochenen Punkten – noch zusätzlich konkret auf den Einzelhandel aus?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 13

Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Ich denke schon, dass der freie Zugang zum Unternehmertum etwas damit zu tun hat, was sich an Dynamik, Wachstum und letztlich auch an Jobmöglichkeiten in einer Branche ergibt. Österreich ist da auf einem vernünftigen Kurs, das heißt, wir gehen einen Mittelweg, wir sind keine Radikalliberalisierer. Wir sind aber schon jetzt in manchem liberaler als zum Beispiel unsere deutschen Nachbarn.

So gesehen erwarte ich mir von diesem Bündel an Maßnahmen, das da lautet, dass letztlich auch der Einzelhandel in Sachen Nebenrechte deutlich mehr tun kann als bisher, mehr Dynamik und mehr Chancen. Ich denke, dass da auch einiges für die Nahversorgung beinhaltet ist – in beiden Richtungen, weil sowohl der Lebensmittelhändler als auch der Wirt mehr darf, als er bisher durfte. Beide können also in Zukunft ihre Nahversorgungsfunktion, wenn sie das wollen, deutlich ausweiten.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Welche Liberalisierungsschritte werden in Ihrem Ministerium über die bestehende Novelle hinaus angedacht, insbesondere im Hinblick darauf, dass mit der jetzigen Novelle de facto lediglich von 84 auf 83 Gewerbe reduziert wird?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Wenn Sie, Herr Bundesrat, fragen, welche weiteren Schritte wir in Sachen Gewerbeordnung vorhaben, so antworte ich: Das ist es! Man sollte immer einen Schritt nach dem anderen tun. Und das ist ein großer Schritt.

Es war anfangs im Gespräch – nicht von meiner Seite her –, die Liste der bewilligungsfreien Gewerbe deutlich auszuweiten. Davon haben wir abgesehen – ausgenommen der Handel –, weil das im Konsens mit der Sparte Handel zu erreichen war.

Ich denke, es ist wesentlicher, den Zugang zum Gewerbe, die Meisterprüfung zu objektivieren, im Prinzip aber an der Bewilligungspflicht festzuhalten. Das ist etwas, was wir in Österreich so halten wollen. Es gibt heute keinerlei Pläne, etwa in drei Jahren wiederum auf eine bestimmte Zahl zu kommen. – Nein, dazu gibt es weder bei mir noch in meinem Haus Pläne.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche Auswirkungen auf die Zahl der Neugründungen erwarten Sie sich auf Grund der Vereinfachung des Gewerbeantrittes durch die bevorstehende Gewerbeordnungsnovelle?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich kann das nicht quantifizieren, aber es wird etwas leichter werden, ein Unternehmen zu gründen, ein Gewerbe zu begründen, und deswegen wird sie eine gewisse Unterstützung dafür sein, dass die Zahl der Neugründungen in diesem Land steigt.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gerade die zünftische Ordnung und das starre Korsett der Gewerbeordnung mit dem reglementierten Gewerbe waren nach Meinung vieler Wirtschaftsforscher mit ein Grund dafür, dass Österreich bei den Unternehmensneugründungen so nachhinkt. Nun bleibt ein einziges über, das nicht reglementiert ist.

Was bei allem in der Welt kann dazu bewegen, zum Beispiel auch den Fotografiebereich weiterhin zu reglementieren?

Ich stelle noch eine halbe Zusatzfrage: Wie werden Sie unterbinden, dass es zu einem "Anmeldungstourismus" bei den Bezirkshauptmannschaften kommt, wenn man bei der einen Bezirkshauptmannschaft leichter ein Gewerbe anmelden kann als bei der anderen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Das waren zwei Zusatzfragen. Herr Bundesminister! Suchen Sie bitte eine aus und beantworten Sie diese.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Aus meiner Sicht ist das kein Problem.

Die Gewerbeordnung ist alles andere als eine Zunftordnung – diese alten Zöpfe sind längst nicht mehr vorhanden. Es ist ein modernes Unternehmer- und Unternehmensrecht, das, wie gesagt, einen vernünftigen Mittelweg zwischen angemessener Liberalisierung und letztlich auch Sicherung der Qualität und von Marktverhältnissen geht, die wir in diesem Land für richtig halten. Wir sind – ich betone das – keine Manchesterliberalen in diesem Land – weder ich noch die Mehrheit der Bevölkerung.

Wieso Sie, Herr Bundesrat, jetzt die Fotografen herauspicken, weiß ich nicht. Sie könnten wahrscheinlich eine Reihe von Gewerben heranziehen.

Es ist schon richtig, dass ich ein wenig von dem Prinzip abgewichen bin, die reglementierten Gewerbe auf solche zu beschränken, bei deren Ausübung eine gewisse Gefährdung für Leib, Leben und Gesundheit ausgeht. Das wäre auch ein Ansatz gewesen. Dann hätte man selbstverständlich die Elektriker, die Baumeister und Ähnliche weiter reglementiert halten müssen. Wir wollten dann aber sehr bewusst nicht den volkswirtschaftlich nicht sehr relevanten Weg gehen, der einige Gewerbe in ein freies Gewerbe übergeführt hätte.

Dieses spezielle Segment des Handels ist ein Sonderfall. Das ist auch im Konsens geschehen. Dort haben wir den Weg des freien Gewerbes gewählt, aber sonst eben nicht.

Zur Unterbindung eines Tourismus: Das wird sich nach denselben Regeln wie heute abspielen. Auch heute ist eine Gewerbeberechtigung bei der Bezirkshauptmannschaft einzuholen. Ich kenne keine Statistik oder Berichte, die irgendeinem Tourismus das Wort reden würden. Abgesehen davon ist es nur logisch, dass man dort, wo man die Betriebsstätte errichtet, letztlich auch um die Gewerbeberechtigung einreicht.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 2. Anfrage, 1251/M.

Die als krank gemeldete Bundesrätin Hedda Kainz hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis gegeben, dass Herr Bundesrat Klaus Gasteiger in das Fragerecht eintritt. – Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 14

1251/M-BR/02

Warum haben Sie bisher keinerlei Maßnahmen gesetzt, um den Berufseintritt des Schulentlassjahrganges 2002 zu sichern?


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 15

Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Lassen Sie mich eingangs festhalten, dass auch die Arbeitsmarktdaten des Monats Mai zeigen, dass die Arbeitslosigkeit bei den 15- bis 18-Jährigen, also denjenigen, die in die Altersklasse der meisten Lehrlinge fallen, nur unterdurchschnittlich ansteigt, wenngleich auch die plus 13,2 Prozent nicht wirklich erfreulich sind! – Das Gegenteil davon ist der Fall.

Wir haben schon im Vorjahr rechtzeitig gehandelt und eine Verlängerung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes angestrebt. Wir haben das dann auch erreicht, als wir gesehen haben, dass dies zweckmäßig und notwendig sein würde.

Ich sehe auch im heurigen Jahr, meine Damen und Herren des Bundesrates, eine Notwendigkeit dafür, das Auffangnetz, wie wir es nennen, zu verlängern und die Bedingungen dafür bereitzustellen. Das heißt, ich spreche mich auch im Frühjahr des Jahres 2002 dafür aus, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz um ein weiteres Jahr zu verlängern, um sicherzustellen, dass jeder Jugendliche, der keinen Lehrplatz erhält, zumindest einen Lehrgangsplatz im Rahmen des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes bekommen kann.

Sie wissen vielleicht, Herr Bundesrat, dass derzeit nicht weniger als 15,6 Millionen € im Rahmen dieses JASG zur Verfügung stehen und damit 2 000 Lehrgangsplätze gesichert, angeboten werden können. Tatsächlich befinden sich zurzeit 1 474 Jugendliche in einem Lehrgang. Die Zahl der Lehrstellenlücke beträgt, wie sie vom AMS ausgewiesen wird, 200.

Das heißt, bei einem Angebot von 2 000 Lehrgangsplätzen, einer Ausnützung von knapp 1 500 und einer Lücke von 200 kann zurzeit, wie Sie sehen, die von mir und dem Herrn Bundeskanzler gegebene Garantie, dass jeder Lehrstellensuchende wenigstens einen Lehrgangsplatz bekommt, erfüllt werden. Wir wollen das auch in Zukunft so halten. Ich spreche mich daher, wie gesagt, für die Verlängerung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes um ein weiteres Jahr aus.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Welche Maßnahmen werden Sie zusätzlich zu den von Ihnen jetzt angekündigten noch treffen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Das Thema Jugendliche und Eintritt in den Arbeitsmarkt, Lehrplatz ist etwas, das im Bereich der AMS-Tätigkeit zu den allerersten Prämissen gehört.

Das AMS kümmert sich letztlich auch ganz besonders um Lehrabbrecher. Es gibt Programme sonder Zahl, um Menschen, die aus irgendeinem Grund erst später eine Lehrstelle antreten können – zum Beispiel jungen Frauen, die das wegen einer Kinderpause erst später tun können oder wollen –, diesen Weg zu ermöglichen.

Wir – das AMS, die Wirtschaft und andere – bemühen uns sehr, den hohen Standard der dualen Berufsausbildung auch in Sachen Zahl weiter fortzuschreiben. Seit den letzten Jahren ist es so, dass rund 42 bis 44 Prozent eines Jahrganges die duale Berufsausbildung wählen. Das ist eine etwa konstante Zahl.

Die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge – auch das ist eine Messzahl, die zeigt, wie es aussieht – ist in den letzten Jahren entweder im Jahresabstand gestiegen oder zumindest gleich geblieben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Denken Sie daran, dass man irgendwann einmal bei Lehrlingen, die keine Stelle finden, ein Zwischenjahr, quasi als weitere Berufsvorbereitung, einschieben könnte?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Wir haben jetzt das System der Lehrgänge als Auffangnetz. Wir sind vom System der Stiftungen abgewichen, weil es sich als wenig effizient und teurer als das der Lehrgänge erwiesen hat. Ein weiterer Grund war, dass insbesondere größere Unternehmungen, zum Beispiel die ÖBB, verstärkt diese Stiftungen in Anspruch und damit ihre Lehrlingsausbildung gewissermaßen sozialisiert haben. Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir die so genannte Vorlehre ein wenig reformiert haben. Wir haben den Zugang zur "Vorlehre" erleichtert. Mir scheint ein Einstieg für junge Menschen, die einen Lehrabschluss anstreben, diesen aber über den Weg einer "Vorlehre" besser schaffen, zweckmäßig zu sein.

Etwas, was für mich in den letzten Tagen in Diskussion gekommen ist, ist die Überlegung, ob man nicht gerade für behinderte junge Menschen Möglichkeiten schaffen sollte, über den Weg einer Teillehre und eines Teillehrabschlusses einen besseren Einstieg ins Berufsleben zu erreichen. Wir sind in den letzten Jahren in Österreich einen Weg durchlaufen, indem wir behinderte junge Menschen Gott sei Dank verstärkt in den Schulbetrieb integriert haben. Das läuft gut, und das war ein wichtiger Schritt.

Jetzt geht es darum, welche Schritte wir uns vorstellen können, um jungen Behinderten dann auch den tatsächlichen Eintritt ins Berufsleben zu erleichtern; allein der Hauptschulabschluss ist es ja sehr oft nicht. Da ist für mich ein Konzept einer Teillehre für junge Menschen mit Behinderungen oder entsprechenden Leistungsschwächen zumindest überlegenswert.

Ich betone aber, dass das erste Überlegungen sind. Das andere, das Auffangnetz und die "Vorlehre", sind hingegen schon sehr konkrete Maßnahmen. – Das ist etwa der Rahmen, der zurzeit für mich in Diskussion steht.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Josef Saller. – Bitte.

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Welche finanziellen Mittel sind für das Jahr 2002 bereits dafür vorgesehen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Im Bereich der Lehrgänge sind es die von mir schon zitierten rund 15,6 Millionen €, wobei der Löwenanteil aus Mitteln des Bundes, aus Mitteln des AMS bereitgestellt wird. Es ist auch so, dass die Verantwortlichkeit für diese Aufgabe mit der letzten Novelle zum JASG dem AMS übertragen wurde, und dabei soll es aus meiner Sicht auch bleiben; die können das.

Es haben aber auch die Länder und der ESF, also der Europäische Sozialfonds, Mittel beigesteuert. Das ergibt auf Basis einer Verteilung von 50: 25: 25 insgesamt etwa diese knapp 16 Millionen € Gesamtvolumen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Wir kommen nun zur 3. Anfrage, 1248/M.

Die Fragestellerin ist Frau


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 16

Bundesrätin Ilse Giesinger. – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

1248/M-BR/02

Mit welchen Ersparnissen können die Klein- und Mittelbetriebe durch die geplante Gasmarktliberalisierung rechnen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin Giesinger! Wir rechnen damit, dass die Gasmarktliberalisierung Einsparungen in einer Größenordnung von 10 bis 20 Prozent erbringen wird. Das sind Schätzungen, die vom Regulator – jetzt ist es noch E-Control, in Zukunft soll es auch der Regulator für den Gasmarkt sein – kommen. Sie begründen sich auf Erfahrungen aus dem Ausland.

Bisher war es so, dass es für größere Unternehmungen theoretisch die Möglichkeit eines Wechsels auf Basis eines verhandelten Netzzuganges gab. In der Praxis hat das bloß nie stattgefunden. Es gab dann immer irgendwelche Gründe, warum ein Wechsel nicht möglich war. Das heißt, die Marktkräfte konnten bis jetzt nicht wirken.

Man muss aber die Kirche im Dorf lassen. Während wir im Strombereich geschätzt haben, dass die Liberalisierung des Strommarktes insgesamt ein Liberalisierungs- und Einsparvolumen von etwa 1 Milliarde € oder rund 20 Prozent der gesamten Stromrechnung erbringen könnte, ist es auf dem Gasmarkt auf Grund der kleineren Dimensionen etwas weniger.

Wir rechnen also insgesamt mit einem Einsparvolumen und -potenzial von 160 bis 180 Millionen €. Das entspricht aber auch etwa 10 bis 20 Prozent der Gasrechnung, und das kommt denjenigen Unternehmungen, die Gas beziehen, natürlich und hoffentlich zugute.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Minister! Aus welchen Gründen wurde das Unbundling des Regelzonenführers in § 12c aufgenommen, obwohl daraus für Vorarlberg Mehrkosten erwartet werden?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir meinen, dass das Unbundling ein grundsätzlicher Bestandteil eines liberalisierten Utility-Marktes ist. Es ist notwendig, dass die einzelnen Geschäftsbereiche hier voneinander getrennt werden. Das versteht man unter "Unbundling".

Ich mache aber darauf aufmerksam, dass uns unter anderem gerade die Vorarlberger Verhältnisse dazu bewogen haben, diese Unbundling-Pflicht erst für Versorger aufzunehmen, die mehr als 50 000 Kunden beliefern. Der ursprüngliche Entwurf meines Hauses, der in Be-gutachtung gegangen ist, hat eine Grenze von 6 000 Kunden vorgesehen. Vorarlberg wäre da darunter gefallen.

Die EU-Richtlinie sieht eine Grenze von 100 000 Kunden vor, das ist zwingend. Wir haben uns jetzt auf eine Grenze von 50 000 Kunden verständigt. Das ist jedenfalls die Basis, auf der der Wirtschaftsausschuss in der Vorwoche das Gaswirtschaftsgesetz akzeptiert und verabschiedet hat.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Karl Boden gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wie man bei der Strompreisliberalisierung gesehen hat, haben eher Großbetriebe und große Haushalte davon


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 17

profitiert. Meine Frage lautet: Was erwartet man bei der Gasliberalisierung für kleine Haushalte beziehungsweise für kleinste Betriebe, wenn man annimmt, dass ein Haushalt eine durchschnittliche Größe von 90 bis 100 Quadratmeter aufweist? Welche konkreten Erwartungen, Ersparnisse kann man sich da vorstellen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Es ist richtig, dass Unternehmungen, dass die mittelständische Wirtschaft und auch die sonstige Wirtschaft tendenziell stärker von der Strommarktliberalisierung profitiert haben. Das ist nicht sehr überraschend, weil – kurz gesagt – die Haushaltsstromtarife in Österreich in der Vergangenheit relativ niedrig waren, während der Industriestrompreis zu den tendenziell eher höheren in Europa zählte. Die Liberalisierung bringt Marktverhältnisse, und damit ist die prinzipielle Tendenz klar.

Das Wifo, respektive Herr Dr. Kratena vom Wifo, hat in einer Studie dieser Tage festgestellt, dass die Strommarktliberalisierung der Wirtschaft gegenüber einem "business as usual"-Szenario etwa um 35 Prozent niedrigere Tarife und den Haushalten etwa um 13 Prozent niedrigere Tarife gebracht hat. Aber wie gesagt: gegenüber "business as usual". – Was wäre gewesen, hätte es keine Liberalisierung gegeben, hätte es aber auch keine Energieabgabenerhöhung gegeben? Das muss man also schon hinzufügen.

Eine ähnliche prinzipielle Tendenz erwarte ich mir auch im Haushaltsbereich, wobei die Haushaltskunden im Gasbereich vor allem, wie Sie wissen, auf Wien konzentriert sind. Das Gros der Gashaushaltskunden bezieht ihr Gas im Großraum Wien.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Welche Einsparungseffekte haben sich bisher auf Grund der Strommarktliberalisierung für klein- und mittelständische Unternehmen ergeben?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das einzuschätzen ist schwierig; aber ich habe schon gesagt, wenn die Wirtschaft insgesamt aus dem Titel Strommarktliberalisierung um rund 35 Prozent niedrigere Strompreise zahlt gegenüber "business as usual", dann bringt das wahrscheinlich für manche eine Einsparung von ungefähr einem Drittel. Das sind Durchschnittsbetrachtungen, das ist länderspezifisch natürlich auch unterschiedlich.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir dieses anvisierte Einsparvolumen von 1 Milliarde € noch nicht ganz erreicht haben, die Wifo-Studie spricht von 700 Millionen €, die bisher eingefahren werden konnten. Allein aus dem Titel eines bundeseinheitlichen Ökostromtarifs erwarte ich mir Einsparungen in einer Größenordnung von weiteren 100 Millionen €. Im Bereich der Systemnutzungstarife, also gewissermaßen der Strommauten der Leitungsgebühren, sind da und dort noch Einsparungen möglich, sodass ich insgesamt gesehen für die Österreicher optimistisch bin – das heißt für die Haushaltskunden und die Wirtschaft –, dieses Einsparvolumen von 1 Milliarde € oder knapp 14 Milliarden Schilling lukrieren zu können. Die mittelständische Wirtschaft hat daran einen eher überproportionalen Anteil.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Dr. Lindinger! Sie sind der Anfragesteller der 4. Anfrage, 1254/M. Ich bitte um die Verlesung.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 18

1254/M-BR/02

Wie wird sich die nunmehr zur Beschlussfassung anstehende vollständige Gasmarktliberalisierung insbesondere auf die Verbraucher im Bereich der Wirtschaft sowie der Privathaushalte auswirken?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Lindinger! Wie schon gesagt, ich rechne mit einem Gesamteinsparvolumen von rund 160 bis 180 Millionen €. Ich rechne damit, dass die Haushalte davon mit etwa 110 Millionen € profitieren sollten. Das heißt, dass für die Wirtschaft rund 70 Millionen € an Einsparvolumen verbleiben, wobei ich hinzufüge, dass das Daten von Experten der E-Control sind, die ich referiere, aber ich hoffe und gehe davon aus, dass diese Einschätzungen stimmen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wird sich durch die Gasmarktliberalisierung der Anteil am Verbrauch der Energieträger elektrische Energie, Festbrennstoffe, Öl und Gas verändern?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Das glaube ich nicht, Herr Bundesrat! Es ist wesentlicher, dass wir im ElWOG 2000 sehr wichtige Weichenstellungen in Richtung – ich fasse zusammen – Ökostrom gemacht haben. Die Beratungen, die jetzt mit den Ländern geführt werden – sie laufen recht gut –, könnten dazu führen, dass wir zu einer bundeseinheitlichen Ökostromregelung kommen, bei der die Dinge noch klarer als bisher auf den Tisch gelegt werden. Dort sind die Ziele, die wir verwirklichen werden, festgeschrieben: 8 Prozent – in Zukunft vielleicht 9 Prozent – des Stromaufkommens sollen aus dem Titel Kleinwasserkraft kommen und 4 Prozent des Stromaufkommens aus dem Titel alternativ erneuerbare Energieträger. Aus diesem Titel her sehe und leite ich die Lenkungseffekte in Richtung Ökologisierung, letztlich auch der Energieaufbringung, ausgehend von dem fast einzigartigen Status in Europa – nur die Skandinavier kommen nicht mit –, dass 70 Prozent des Stromaufkommens in Österreich aus dem erneuerbaren Energieträger Wasserkraft stammen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Ausgehend davon, dass das nach der nunmehr in Aussicht gestellten Änderung hinsichtlich des Regelzonenführers für Vorarlberg kein Problem sein wird, frage ich Sie: Hat es mit den Ländern schon Gespräche gegeben, um die nach Artikel 102 Abs. 4 erforderliche Zustimmung sicherzustellen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Es hat natürlich mit den Ländern Gespräche sowohl zum Gaswirtschaftsgesetz als auch insbesondere zum Thema Ökostrom gegeben. Ich darf aber auch sagen, dass es insbesondere mit der größeren Oppositionspartei des Hauses laufend Gespräche gibt, um auch eine verfassungsmäßige Mehrheit zu gewährleisten; wobei ich vom Inhaltlichen her sehr optimistisch bin, dass wir zusammenkommen werden.

Der Energiesprecher der Sozialdemokraten hat auch in der Öffentlichkeit gesagt – deswegen kann ich das auch hier referieren –, dass, wenn wir bis zum 13. Juni, das heißt bis zur Beschlussfassung des Gaswirtschaftsgesetzes im Plenum des Nationalrates eine entsprechende Punktation zum Thema Ökostrom vorlegen können, dann die verfassungsmäßige Mehrheit denkbar wäre. Das hat wiederum etwas damit zu tun, dass wir im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz am 12. Juni in Linz mit den Landeshauptleuten in Fragen einer bundeseinheitlichen Ökostromregelung weiterkommen.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 19

Es war das ein Wunsch der Länder und nicht des Bundes, weil es auch Kompetenz der Länder ist, diese zersplitterte Landschaft zusammenzufassen. Zurzeit laufen die Gespräche sowohl mit der großen Oppositionspartei – im Übrigen auch mit den Grünen, aber zur verfassungsmäßigen Mehrheit braucht es die große Oppositionspartei – als auch mit den Ländern konstruktiv und gut, Herr Bundesrat!

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Karl Boden. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Kann man davon ausgehen, dass durch die Gasmarktliberalisierung keine Qualitätsminderung in der Versorgung erfolgt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 20

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein:
Ja, Herr Bundesrat!

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Damit ist die vierte Frage erledigt.

Wir kommen zur 5. Anfrage, 1252/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1252/M-BR/02

Welche finanziellen Folgen resultieren aus der Entwicklung der Altersteilzeit für die Gebarung der Arbeitsmarktpolitik heuer und in den Folgejahren?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Kaltenbacher! Konkret sind im Jahre 2001 für zirka 10 000 Bezieher der Altersteilzeit 69 Millionen € aus der Gebarung Arbeitsmarktpolitik aufgewandt worden. Für das laufende Jahr rechnen wir mit Ausgaben in einer Größenordnung von 218 Millionen €. Sie sehen aus dieser Steigerung, zu welch deutlich vermehrter Inanspruchnahme der Altersteilzeit es gekommen ist, wobei ich klar feststelle: Das ist vom Prinzip her auch richtig und gut so, es ist dies eine vernünftige Maßnahme, und wenn sie stärker als geplant ausgenützt wird, dann ist das gut so.

Allerdings wissen wir, dass es die eine oder andere Entwicklung beim Thema Altersteilzeit gibt, über die man reden muss. Das sehen auch die Gewerkschaften und die Sozialpartner so. Ich denke, dass durchaus ein gewisser Reformbedarf ansteht, mit dem man nicht unbedingt bis zu dem Zeitpunkt zuwarten wird, ab dem man über eine Verlängerung der Alterszeit diskutieren wird müssen; Sie wissen wahrscheinlich, dass diese mit Ende 2003 ausläuft.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird zu einer Zusatzfrage das Wort gewünscht? – Danke.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Altersteilzeit wurde sehr gut angenommen, man könnte sagen, sie ist eine Erfolgsstory. Es gibt aber auch viele ältere Arbeitnehmer, die arbeitslos sind. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Bereitschaft der Sozialpartner aus, sich für eine Lösung der Frage der Langzeitarbeitslosen einzusetzen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Die Sozialpartner und, wie ich glaube, auch alle Parlamentsfraktionen sind gemeinsam der Auffassung, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht sein soll, daher ist die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit auch eines der wichtigen Ziele des AMS. Diese Ziele sind von mir verfügt, aber im Einvernehmen mit den Sozialpartnern erstellt, dazu gibt es einen breiten Konsens. Es hat in den letzten Jahren, Herr Bundesrat, eine erfreulich dramatische Abnahme der Langzeitarbeitslosigkeit gegeben. Jetzt sind wir allerdings bei einem Sockel angelangt, der unter den gegebenen Arbeitsmarktbedingungen offensichtlich nicht mehr weiter rückläufig ist. Aber noch einmal: Es ist um die Hälfte oder sogar um mehr weniger, als wir schon einmal hatten. Aber Langzeitarbeitslosigkeit ist ein absolut unerfreuliches Phänomen.

Man muss auch klar festhalten, dass es Bundesländer in Österreich gibt, die dieses Phänomen de facto nicht oder nicht mehr kennen. Ich will nicht verhehlen, dass in einer Großstadt wie Wien die Dinge anders liegen als in manchen Bundesländern und sich manches kumulieren mag, aber wir haben regionale Unterschiede, die natürlich auch regional mit unterschiedlicher Intensität bearbeitet werden müssen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zur nächsten Zusatzfrage hat sich Bundesrat Alfred Schöls zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben vom Reformbedarf gesprochen. Welche zusätzlichen sozialrechtlichen Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer stehen zur Diskussion?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Zusätzlich zur Altersteilzeit oder zu den Möglichkeiten, für eine längere Frist Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, als das in der Vergangenheit der Fall war, und Begleitmaßnahmen zur Anhebung des Pensionsantrittsalters aus dem Titel vorzeitige Alterspension um 18 Monate zu setzen, sind zur Zeit keine konkreten Überlegungen anhängig.

Mittelfristig erwarte ich mir, dass sich mit einem Wiederanziehen des Arbeitsmarktes infolge eines Wiederanziehens der Konjunktur die Chancen für ältere Arbeitnehmer weiter verbessern. Sie haben sich in letzter Zeit schon verbessert. Es hat erfreulicherweise einen Paradigmenwechsel gegeben, der auch in der Wirtschaft Platz gegriffen hat. Es gibt offensichtlich noch Restphänomene in der öffentlichkeitsnahen Wirtschaft. Wir lesen und erleben das gerade in diesen Tagen, aber in weiten Bereichen der Privatwirtschaft setzt man derzeit wieder mehr auf den älteren Arbeitnehmer, auf die Erfahrung dieser Menschen. Es gibt nicht mehr den Reflex, bei irgendwelchen wirtschaftlichen Problemen die über 50- oder über 55-Jährigen in irgendeiner Form in Rente schicken zu wollen, sondern man setzt wieder auf den älteren Arbeitnehmer, und das ist gut und richtig so.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1249/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Johann Ledolter. Ich bitte um die Verlesung.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

1249/M-BR/02

Welche Vorteile bringt die geplante Konzentrierung der Wirtschaftsförderung auf die Austria-Wirtschaftsservice-Ges.m.b.H. für die Unternehmen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Einleitend darf ich festhalten, dass das, was Minister Grasser und ich uns da vorgenommen haben


Bundesrat
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und jetzt umsetzen, etwas ist, was viele Vorgänger über Jahrzehnte schon versucht haben, aber auf Grund von recht engstirnigen Kompetenzegoismen nicht von Ministern, sondern eher von leitenden Beamten und anderen Funktionären nie geglückt ist, nämlich eine Zusammenführung der Wirtschaftsförderung unter einem Dach. Es bleibt bei den budgetmäßigen Ressortverantwortungen, aber aus Sicht des Unternehmers, aus Sicht des Förderungswerbers spielt sich das jetzt alles unter dem Dach der Austria-Wirtschaftsservice ab. Es wird letztlich auch zu einer maßgeblichen Koordinierung der Förderungsinstrumente kommen.

Zurzeit gibt es Überlappungen, Überschneidungen. Es wird ein One-Stop-Shop sein, und es wird einen One-Stop-Shop geben, das heißt einen Ansprechpartner im Rahmen der AWS, von dem aus alle Programme anzusprechen sind, und es wird zu einer Modernisierung und Transparenzsteigerung im Bereich der Förderlandschaft kommen. Das heißt, wie Sie auch aus Kommentaren der bekannt kritischen Medien in Österreich abgeleitet haben, ist das etwas durch und durch Positives für die Wirtschaft in diesem Lande.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Ich hätte gern noch gewusst, wie sich diese Konzentrierung der Förderung insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung auswirkt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein:
Das wirkt sich jedenfalls positiv aus, weil Unternehmensförderungen im Regelfall und fast immer auch mit der Technologieintensität von Projekten und Investitionen zu tun haben. Es gibt de facto kaum mehr eine Aktivität, die nicht irgendwie technologie- oder innovationsbezogen ist und trotzdem gefördert werden kann.

So gesehen ist das ein gewisser Schub auch für F&E in Österreich, wobei auch Minister Reichhold ein ähnliches Programm hat und auch die bei ihm vorhandenen F&E-Aktivitäten unter ein Dach stellen und bündeln möchte. Das ist also eine ähnliche Konstruktion, die wir für die Wirtschaftsförderung wählen und gewählt haben. Minister Grasser und ich möchten Minister Reichhold auch für seine Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen wählen. Das wird dann ein optimaler Zustand für Österreichs Wirtschaft werden, weil dann ist in Sachen Wirtschaftsförderung die Austria-Wirtschaftsservice-Ges.m.b.H., in Sachen Forschung und Entwicklung eine Gesellschaft unter dem Dach des Infrastrukturministeriums zuständig.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Welche Rolle wird der Tourismus, die Tourismusförderung in der neuen Ges.m.b.H spielen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Auch die Tourismusförderungen werden unter diesem Dach abgewickelt, operativ weiterhin von der ÖHT, aber unter dem Dach der AWS.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Meine Frage wurde schon fast beantwortet bei jener Antwort auf die Frage meines Vorredners. Welche administrativen Synergieeffekte erwarten Sie sich durch die geplante Konzentrierung der Wirtschaftsförderung, insbesondere für die österreichische Tourismuswirtschaft?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Wenn man etwas, was anerkannterweise eher zersplittert ist, bei dem es Doppelgleisigkeiten gibt, bei dem es auch mehrfache Adressen in Sachen Förderungen gibt, zusammengeführt, übersichtlicher und transparenter gestaltet, dann ist das nicht nur ein Mehr an Übersichtlichkeit, sondern auch ein Mehr an Komfort und Annehmlichkeit, und daran sind die Synergien für die Wirtschaft klar ersichtlich. Wenn ich als Unternehmer ein vielleicht oder wahrscheinlich förderungswürdiges Projekt vor mir habe, dann genügt in Zukunft eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse beim Kundenzentrum der AWS, und von dort geht es weiter. – Dieser One-Stop-Shop ist also der große Komfortgewinn für Österreichs Unternehmer.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 7. Anfrage, 1253/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich bitte um die Verlesung.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1253/M-BR/02

Werden Sie heuer und im nächsten Jahr Maßnahmen für ArbeitnehmerInnen setzen, die lediglich Pflichtschulausbildung aufweisen und von der aktuellen Arbeitsmarktentwicklung besonders betroffen sind?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Freiberger! Leider sehen wir einmal mehr bei der Entwicklung des Arbeitsmarktes der letzten Monate, dass die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit direktproportional mit der Ausbildung einhergeht. Je geringer die Qualifikation ist, desto höher ist das Risiko, arbeitslos zu werden. Das heißt, dass Menschen mit Pflichtschulabschluss am gefährdetsten sind, und die Statistik zeigt uns das auch.

Deswegen ist das auch eine besondere Zielgruppe in der Arbeit des AMS; ich habe schon darauf verwiesen. Anders als in der Öffentlichkeit manchmal kommuniziert wird, ist die Arbeit im AMS sozialpartnerschaftlich völlig konsensual getragen. Es gibt eine bewährte Dreiteilung der Aufgaben in Verantwortung von Arbeitnehmerseite, Arbeitgeberseite und Arbeitsministerium, die zu je einem Drittel auch in den Kurien vertreten sind. Und so werden wir das auch in Zukunft halten.

Es gilt, den jungen Menschen auch zu kommunizieren, dass es insgesamt gut und gescheit ist, sich zu qualifizieren und nicht nur beim Pflichtschulabschluss stehen zu bleiben. Wovor ich allerdings warne, ist, das AMS für alles und jedes im Qualifizierungsbereich in Österreich verantwortlich zu machen. Das hielt ich für eine Überforderung des AMS. Manchmal habe ich den Eindruck, dass, wann immer die Schule abgeschlossen ist, das AMS für den Rest herangezogen wird. Das AMS ist mit einer der Träger des Themas lebenslanges Lernen, aber sicherlich nicht der alleinige Träger in Österreich.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Auf Grund Ihrer Ausführungen kann man jetzt annehmen, dass ein besonderer Schwerpunkt auf die Qualifikation der betroffenen Arbeitslosen gelegt wird und nicht mehr auf Beschäftigungsprogramme, wie das beim Projekt Integra der Fall gewesen ist. Mittels Qualifizierung sollen die betroffenen Menschen eine größere Chance haben, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Mir ist jetzt Ihre Querverbindung zum Projekt Integra nicht ganz verständlich, weil sich dieses an Langzeitarbeitslose wendet, also an jene Menschen, die nicht in einem Schritt in den primären Arbeitsmarkt inte


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griert werden können, sondern zwei Schritte brauchen. Solche Projekte, solche sehr niedrigschwelligen Projekte braucht es auch weiterhin. Integra gehört mit einer Reihe von anderen Projekten zu denjenigen, die zu der von mir schon vorher zitierten deutlichen Einschränkung der Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich beigetragen haben, aber das hat nichts mit der Qualifizierung junger Menschen zu tun, die nur Pflichtschulabschluss haben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Inwieweit sind Lehrlinge in der neuen Abfertigungsregelung berücksichtigt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sie sind insoferne berücksichtigt, als sie 1,53 Prozent ihrer Lehrlingsentschädigung in eine Mitarbeitervorsorgekasse überwiesen bekommen. Sie profitieren davon und sind gewissermaßen neu eingebunden.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Frau Bundesrätin Maria Grander stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Verehrter Herr Bundesminister! Wie viel Prozent der Lehrverträge werden über das Arbeitsmarktservice vermittelt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Etwa 20 Prozent. Das heißt, dass rund 80 Prozent der Lehrverträge durch direkte Kontakte zwischen den jungen Menschen und den potenziellen ausbildenden Betrieben zu Stande kommen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 8. Anfrage, 1250/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1250/M-BR/02

Wie schaut die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Familienhospizkarenz aus?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es geht bei der Familienhospizkarenz darum, Menschen, die sich dazu entschließen, einen nahen Angehörigen in den letzten Wochen, vielleicht Monaten zu begleiten oder auch ein schwersterkranktes Kind zu begleiten – das ist auch möglich –, besser als bisher abzusichern, und zwar in dreierlei Beziehung: Zum Ersten geht es darum, auch wenn im Regelfall die Arbeitgeber bisher einer Karenzierung zugestimmt haben, doch für den Fall der Fälle einen Rechtsanspruch zu konstruieren, zum Zweiten soll die Weiterversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gewährleistet sein, und zum Dritten soll ein Kündigungsschutz etabliert werden. Das heißt, der Arbeitsplatz bleibt gesichert, das Rückkehrrecht ist gegeben.

Die Weiterversicherung in der Krankenversicherung ist eine relativ klare Sache. Das heißt, wer in Hospizkarenz und in Vollkarenz geht – ich erwarte, dass das der geringere Teil der Interessenten sein wird, die Mehrheit der Menschen wird sich vermutlich auf eine Teilzeittätigkeit zurückstufen lassen und bleibt damit ohnehin krankenversichert –, bleibt krankenversichert, das ist recht einfach.


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In der Pensionsversicherung ist es davon abhängig, wo jetzt im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung das Entgelt liegt. Liegt dieses Entgelt aus dem Titel Teilzeitbeschäftigung unter dem Existenzminimum, dann wird gewissermaßen die Differenz auf das Existenzminimum, auf den Ausgleichszulagenrichtsatz aufgedoppelt. Wenn jemand in Vollkarenz geht, dann wird im Rahmen dieser Bemessungsgrundlage ein Pensionsversicherungsbeitrag gezahlt. Das ist das wesentliche Prinzip in Sachen Krankenversicherung und Pensionsversicherung für Menschen, die in Hospizkarenz gehen – jedenfalls einmal für drei Monate mit einer Verlängerungsmöglichkeit.

Bundesminister Haupt hat in diesen letzten Wochen auch in zweierlei Beziehung Maßnahmen gesetzt, um Menschen, die aus diesem Titel in existenzielle Probleme geraten können, abzusichern. Zum Einen erfolgt dies durch eine Vorschussregelung aus dem Titel Pflegeversicherung. Das heißt, jemand, der Sterbebegleitung wahrnimmt, ist insoferne abgesichert, als zumindest Pflegestufe 3 vorliegen wird und auch ein Vorschuss aus diesem Titel beantragt werden kann, wenngleich der Zubegleitende der Adressat ist, für den auch der Antrag gestellt werden muss. Zum Zweiten wird es auch einen vernünftigen Zugang zum so genannten Härteausgleichsfonds des Familienlastenausgleichsfonds, also des FLAF, geben. – Das sind zwei Maßnahmen.

Wir wollen das aber nach zwei Jahren evaluieren, Herr Bundesrat, und uns dann anschauen, wie es mit dem Thema Familienhospizkarenz weitergeht und ob das auch Menschen in Anspruch nehmen können, die finanziell weniger gut ausgestattet sind.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Welche Entwicklungen und Tendenzen gibt es in anderen europäischen Ländern betreffend letzte Phase eines menschlichen Lebens?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Ich kenne nur die aus meiner Sicht nicht erfreulichen Entwicklungen in den Niederlanden und in Belgien, wo man zum Teil recht weitreichende Konzepte zur aktiven Sterbehilfe beschlossen hat, wobei Belgien noch einen Schritt weitergeht als die Niederlande. Das haben der stellvertretende Chefredakteur der "Presse" und unser steirischer Landsmann Fleischhacker sehr kritisch kommentiert.

Das Thema Hospizkarenz und dieses Maßnahmenpaket sind Österreichs Antwort auf die aktive Sterbehilfe. Wir wissen, es ist richtig, zur aktiven Sterbehilfe Nein zu sagen, aber es ist noch richtiger, ein Konzept zu entwickeln, das dieses Nein auch ermöglicht und absichert.

Ich glaube, dass die Hospizkarenz Teil dieses Konzeptes ist, alternative Maßnahmen zur aktiven Sterbehilfe zu setzen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister! Ich denke, Sie haben sich nicht nur einmal zur Chancengerechtigkeit bekannt, und ich frage Sie daher: Was halten insbesondere Sie und die Bundesregierung davon ab, dass alle Menschen, die es auch wollen, in Österreich die Familienhospiz in Anspruch nehmen können? Das heißt: Was hält Sie davon ab, eine Form der Entgeltersatzleistung anzustreben oder auch anzubieten, damit nicht nur jene diese Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen können, die es sich auch tatsächlich leisten können?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich darf darauf verweisen, dass selbst die Caritas und andere Organisationen wie


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der Hospizverein in der Steiermark, den ich gestern besuchen durfte – er ist in dieser Beziehung ähnlich aktiv wie die Caritas Socialis in Wien –, der Meinung sind, dass man sich das eine Zeit lang anschauen muss und soll, weil man einen Schritt nach dem anderen setzen sollte. Die Umsetzung der Hospizkarenz ist ein großer Schritt.

Jetzt gleich eine Art Karenzgeld, eine Art Entschädigung mit einzubauen, würde enorme finanzielle Fragen aufwerfen und würde vor allem die Frage aufwerfen, mit welchem Rechtstitel und unter welchen Bedingungen jemand diese Karenzierung in Anspruch nehmen kann. Wir haben das jetzt sehr unkompliziert gemacht.

Es ist jetzt nur glaubhaft zu machen, dass ein naher Angehöriger im Sterben liegt. Es können auch mehrere Familienmitglieder diese Karenzierung beanspruchen, was auch Sinn macht, wenn einige Kinder da sind, dass sie sich die Sterbebegleitung des Vaters, der Mutter, der Schwiegermutter oder wie auch immer teilen.

In dem Moment, in dem man zum Beispiel wie beim Kinderbetreuungsgeld einen Rechtsanspruch auf eine finanzielle Entschädigung strukturiert, hat man viele Fragen zu beantworten, die so schnell und so einfach nicht beantwortet werden können, sehr verehrte Frau Bundesrätin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen zwar sehr genau zugehört, Herr Bundesminister, dennoch meine ich, dass es bei dieser durchaus positiven vorbildlichen Regelung möglicherweise Personen geben wird, die Härtefälle darstellen und sich besonders schwer tun werden, den Weg der Sterbebegleitung zu wählen und gleichzeitig auf ihr Einkommen verzichten zu müssen. Ich weiß, das wird nicht die Mehrheit sein, oder ich bin da sehr zuversichtlich, aber es könnten einige sein. Daher frage ich Sie: Wie ist im Rahmen der Familienhospizkarenzierung für diese Härtefälle vorgesorgt, welche sich eine längerfristige Abwesenheit von der Arbeit nicht leisten können?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich habe schon ausgeführt, dass Minister Haupt einerseits durch die Möglichkeit von Geldaushilfen aus dem Familienhärteausgleichsfonds und andererseits durch eine Novelle zum Bundespflegegesetz Erleichterungen und Möglichkeiten nicht nur in Aussicht gestellt, sondern zum Teil auch schon konkret umgesetzt hat.

Die Novelle zum Bundespflegegeldgesetz besagt, dass Personen, die von dieser Freistellung Gebrauch machen, allerdings auf Antrag des Pflegebedürftigen Pflegegeld beziehen können – allerdings nur sofern keine stationäre Pflege vorliegt. Da wird es auch eine Vorschussregelung geben. Das sind diese beiden Maßnahmen.

Noch einmal: Ich erwarte nicht, dass es der Regelfall sein wird, dass sich Menschen zur Gänze vom Arbeitsplatz verabschieden, sondern dass es eher der Regelfall sein wird, dass sich nahe Angehörige zum Beispiel für einige Monate auf Teilzeit, auf 50 Prozent, zurückstufen lassen, um in dieser schwierigen Phase mehr Zeit für den Angehörigen zu haben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Wir kommen nun zur 9. und damit letzten Anfrage, 1255/M.

Anfragestellerin ist Frau


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Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1255/M-BR/02

Welche Gestaltungsmöglichkeiten sehen Sie bei den Umstiegsszenarien der derzeit in Diskussion stehenden "Abfertigung neu"?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Der Sozialausschuss des Nationalrates wird heute der Abfertigung für alle seine Zustimmung geben. Wir werden das nächste Woche im Plenum des Nationalrates haben, das heißt, wir sind in der Endphase, wir sind im Finale, und es wird ein gutes Ende sein.

Die Umstiegsszenarien sehen so aus, dass wir am Prinzip der absoluten Einvernehmlichkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern festhalten müssen, unter welchen Bedingungen vom alten auf das neue System umgestiegen wird. Es wird aber in vielen Fällen so sein, dass Arbeitnehmer bei Weiterbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber im alten System bleiben. Das ist durchaus möglich. Hingegen werden neue Dienstverhältnisse ab 1. 1. nächsten Jahres zwingend nach dem System Mitarbeiter-Vorsorge abgehandelt werden.

Steuerlich ist der Herr Finanzminister der Wirtschaft durchaus entgegen gekommen. Es gibt sehr vernünftige Maßnahmen, steuerfreie Auflösungen von Rücklagen, die jetzt für die Abfertigung gegen Eigenkapitalkonto gebildet wurden und dann ein nochmaliges Geltendmachen des Abfertigungsaufwandes, wenn tatsächlich eine Abfertigung anfällt. Allerdings gibt es eine Aktivierungspflicht und Abschreibung dieses Betrages über fünf Jahre, aber vom Prinzip her ist das eine durchaus steuerliche Attraktivierung auch für die Arbeitgeberseite.

Es wird beispielsweise auch möglich sein, den derzeitigen Abfertigungsanspruch einzufrieren und ins neue System zu gehen. Das heißt, ich habe heute einen Abfertigungsanspruch von etwa drei Monatsgehältern, weil ich sechs Jahre bei dem Unternehmen tätig bin. Diesen kann man einfrieren, ab 1. 1. in das neue System gehen, und wenn es dann zur Trennung vom Unternehmen kommt, beispielsweise auf Basis einer einvernehmlichen Lösung, dann wird dieser eingefrorene Abfertigungsanspruch eben zur Auszahlung gelangen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Ist an eine Chancengleichheit bei dieser "Abfertigung neu", also an eine zweite oder dritte Säule einer Altersvorsorge auch für die Unternehmer gedacht?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Es stellt zum ersten Mal Chancengleichheit zwischen allen Arbeitnehmern Österreichs dar und her.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das bestehende Konzept der Abfertigung war auch ein Konzept des Prinzips Hoffnung. Alle haben sich Hoffnung auf eine Abfertigung gemacht, aber nur 15 Prozent haben eine bekommen, 85 Prozent sind leer ausgegangen. Das war nicht gerade ein toller Erfolgsschnitt.

In Zukunft bekommen 100 Prozent etwas. Wenn man nach dem alten Szenario optimale Abfertigungsbildungen errechnet hat, dann kann ich nur sagen, Weihnachten und Ostern zugleich geht nicht. Also ich kann nicht das Optimum nach dem alten System, das nur für 15 Prozent der Arbeitnehmer Gültigkeit hatte, ins neue System transferieren, denn dann kostet es das Sechsfache, denn 6 mal 15 ist annähernd 100. Ich runde das, ich weiß schon, dass das nicht ganz genau stimmt.


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Das ist das tatsächlich Chancengleichheit Schaffende, das tatsächlich sozial Gerechte. Dass man jetzt auch für alle anderen Österreicher, die nicht Arbeitnehmer sind, ein System der Zukunftsvorsorge entwickeln möchte, ist klar. Gerade meine Fraktion, sehr geehrte Frau Bundesrätin, hat sich in den Verhandlungen sehr engagiert gezeigt. Da jetzt auch die zweite Regierungsfraktion, der Sie angehören, in den letzten Wochen gesprächsbereiter war, bin ich sicher, dass wir im Rahmen der Steuerreform ein auch für Selbständige, das heißt, auch für Bauern, aber auch für Nicht-Erwerbstätige, zum Beispiel für Hausfrauen, mögliches System einer steuerlichen Begünstigung einer allgemein zugänglichen Zukunftsvorsorge entwickeln können.

Von mir aus hätten wir das schon ausverhandeln können. (Bundesrat Konecny: Tsa tsa tsa! – Bundesrätin Schicker: Ehrliche Antwort!) Wenn Sie auch in Ihrem Bereich ein bisschen lobbyieren, dann bin ich sicher, kommen wir schneller zum Ziel. (Bundesrat Konecny: Eine Liebeserklärung!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Minister! Sie haben gesagt, dass ein Zukunftsmodell ausgearbeitet wird. Jetzt möchte ich Sie fragen: Können Sie garantieren, dass auch selbständig Tätige unter gleichwertigen Bedingungen wie beim betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz spätestens ab 1. 1. 2003 Zukunftsvorsorge betreiben können?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich werde mich bemühen, und ich bin optimistisch, dass uns das gelingen wird, wobei man schon eines sagen muss: Abfertigung neu, Abfertigung für alle heißt die Überführung des in die Jahre gekommenen Systems der Abfertigung in eine Systematik der betrieblichen Mitarbeitervorsorge mit einer vollen Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer, entweder während ihrer Berufslaufbahn zugreifen zu können, oder, was gescheiter und steuerbegünstigt ist – danke an Karl-Heinz Grasser, dass er für die Verrentung, für die betriebliche Zusatzpension sogar auf die 6 Prozent Steuer verzichtet –, dann die betriebliche Zusatzpension in Anspruch zu nehmen.

Zusätzlich – das hat aber mit Abfertigung nichts zu tun – wollen wir jetzt ein Modell der allgemeinen Zukunftsvorsorge auch speziell für Selbständige, für Unternehmer, für Bauern und für Nicht-Erwerbstätige schaffen. Da wird es wesentlich sein, Bemessungsgrundlagen zu strukturieren – 1,53 Prozent wovon?

Hier wird es auch für Nicht-Erwerbstätige, die nicht steuerpflichtig sind, wesentlich sein, zu argumentieren, woraus jetzt der Steuervorteil entsteht. Ein Anknüpfungspunkt könnte der im Regelfall zugehörige Partner sein, der steuerpflichtig und Alleinverdiener ist, aber das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten ausarbeiten.

Es ist vorgesehen, dass das dann mit 1. 1. 2003 in Kraft treten könnte. Das ist ein aus meiner Sicht ganz wesentlicher Teil einer Steuerreform, denn es ist auch vieles richtig, aber ich glaube, dass die Österreicher einer steuerlichen Begünstigung, einer Zukunftsvorsorge im Rahmen einer Steuerreform besonders großen Beifall spenden würden, weil das tatsächlich Sinn macht.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Harald Reisenberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich glaube, es drängt sich hier auch die Feststellung auf, dass gerade diese "Abfertigung neu" einen Erfolg der Sozialpartner darstellt, die eine sehr gute Grundsatzarbeit geleistet haben, um weitergehende Sachen durchführen zu können.

Herr Minister! Sie haben heute gesagt, der Finanzminister sei der Wirtschaft sehr entgegengekommen. Ich sehe das auch so. Damit drängt sich mir auch eine Frage auf: Bis jetzt waren die ersten drei Monate bei der Abfertigung steuerfrei. Dies soll jedoch in Zukunft, wenn es nach


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Plänen geht, anders geregelt werden – ein nettes Körberlgeld für den Herrn Finanzminister. Wie sehen Sie das als Minister für Arbeit in Bezug auf die Vereinbarkeit – auf der einen Seite sehr großzügig gegenüber der Wirtschaft zu sein, auf der anderen Seite gegenüber dem Einzelnen mit Einschränkungen zu arbeiten?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ich verstehe nicht, warum Sie zum Schluss kommen, dass während der ersten drei Monate die Abfertigung steuerfrei war? (Bundesrat Reisenberger: ... Das soll in Zukunft anders geregelt werden!) Die steuerliche Behandlung in Sachen Abfertigung sieht derzeit so aus, dass jedenfalls die gesetzlichen Abfertigungszahlungen mit 6 Prozent versteuert und besteuert werden; freiwillige Abfertigungen, sofern sie ein Viertel der gesetzlichen nicht übersteigen, im Übrigen auch. Das ist die derzeitige gesetzliche Situation, soweit ich sie kenne, aber ich will auch nicht ganz ausschließen, dass ich mich täusche, aber das ist mein Wissensstand.

Herr Bundesrat! Im Übrigen ist mir der Dank an die Sozialpartner ein Leichtes. Das habe ich auch schon mehrmals gesagt. Die Sozialpartner haben eine der wichtigsten Reformen der letzten und der nächsten Jahre nicht nur mitgetragen, sondern sie haben sie auch mit entwickelt. Es war ein do ut des, es war ein Wechselspiel, typisch österreichisch, dass die Sozialpartner einige Stunden nach der durchaus polarisierenden Befragung des ÖGB an seine Mitglieder diese Einigung auf den Tisch gelegt haben.

Wir haben uns in weiten Bereichen auch daran orientiert, daran gehalten. Ganz offen: Wir wollten mit der Festschreibung in einem Generalkollektivvertrag und mit der Einhebung nicht unbedingt über die Gebietskrankenkassen der Beurteilung von EUROSTAT entkommen, nämlich dass das Thema Mitarbeitervorsorge der Abgabenquote hinzugerechnet wird. Nachdem sich herausgestellt hat, dass das unter Umständen ohnehin nicht geht, haben wir uns dann gemeinsam – wiederum mit den Sozialpartnern – darauf verständigt, das anders zu regeln, aber in unserer internen Österreich-Betrachtung das Thema Mitarbeitervorsorge der Abgabenquote nicht hinzuzurechnen. Es gab also eine exzellente und konstruktive Kooperation und Partnerschaft mit den Sozialpartnern.

Ich stehe auch nicht an zu sagen: Es wäre sehr schwer, wenn nicht unmöglich gewesen, ohne Konsens mit den Sozialpartnern dieses Thema Reform der Abfertigung und Schaffung eines Systems der betrieblichen Mitarbeitervorsorge in die Praxis umzusetzen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die Fragestunde beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eingelangt sind 15 Anfragebeantwortungen, 1756/AB bis 1770/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Der Fraktionsvorsitzende der Österreichischen Volkspartei, Herr Bundesrat Ludwig Bieringer, hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

10.12

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir wurde gestern eine Ein


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ladung übergeben, dass heute im Hohen Haus im Abgeordneten-Sprechzimmer eine kulturelle Veranstaltung, wenn man das überhaupt so nennen kann, unter der Bezeichnung "Gegenstimmen" stattfinden soll, zu der die Kultursprecherin der SPÖ und die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen eingeladen haben.

Ich finde das besonders merkwürdig, da in einer gemeinsamen Präsidialsitzung des National- und Bundesrates festgelegt wurde, dass an Plenartagen tunlichst keinerlei weitere Veranstaltungen stattfinden sollen. Noch dazu lese ich in der Begründung ... (Bundesrat Konecny: Was hat das mit der Geschäftsordnung zu tun!) – Das hat mit der Geschäftsordnung insofern etwas zu tun, Herr Kollege, weil ich glaube und die Befürchtung habe, dass die Sitzung erstens länger dauert, zweitens hier unter Umständen etwas hineininterpretiert werden könnte oder dass irgendjemand den Sitzungsverlauf stören könnte – daher hat das sehr wohl mit der Geschäftsordnung etwas zu tun. (Bundesrätin Schicker: Das haben wir schon öfter gehabt! – Bundesrätin Mag. Trunk: Vor der Kunst fürchten wir uns nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Aufregung, Frau Kollegin Trunk, ist nicht notwendig. (Bundesrat Konecny: Nicht die Aufregung, das Amüsement! – Bundesrätin Mag. Trunk: Haben Sie Angst vor der Kunst?) Wenn ich hier lese "von den gegenwärtigen Verhältnissen tief betroffen", "eine künstlerische Antwort auf die neue Situation in Österreich" und dergleichen mehr, dann muss ich sagen, ich glaube, das kann überall passieren, aber nicht an einem Plenartag des Bundesrates im Hohen Haus! Das möchte ich mit aller Deutlichkeit festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass die ÖVP beziehungsweise der ÖAAB auch einmal eine Leopold Kunschak-Preisverleihung in diesem Haus während einer Sitzung durchgeführt hat! (Bundesrat Gasteiger: Eben, eben, eben!) Das ist ein bisschen etwas anderes, Herr Kollege Gasteiger, denn Leopold Kunschak war immerhin der erste Präsident dieses Hohen Hauses und hat nicht unmaßgeblich dazu beigetragen, dass diese Republik heute so funktioniert, wie sie normalerweise funktioniert. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich verstehe nicht, dass irgendjemand – ich weiß auch nicht wer, ich habe mich auch nicht erkundigt – eine solche Veranstaltung genehmigt, wenn zur gleichen Zeit eine Plenarsitzung im Hohen Haus stattfindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.15

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Es ist üblich, dass nach einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung auch die anderen Fraktionen zu einer kurzen Stellungnahme das Wort erhalten. Gibt es eine Wortmeldung? – Bitte, Herr Professor Konecny.

10.15

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich mache gerne von diesem freundlichen Angebot Gebrauch, nicht zur Geschäftsordnung zu sprechen – weil naturgemäß die Wortmeldung des Kollegen Bieringer mit unserer Geschäftsordnung überhaupt nichts zu tun hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wenn es Kollegen Bieringer stört, dass ihm und der von ihm so geschätzten Bundesregierung im musikalischen Sinn des Wortes der Marsch geblasen wird, dann ist das zugegebenermaßen etwas, was höchsten menschlichen Respekt verdient, geschäftsordnungsmäßigen aber nicht.

Jede Veranstaltung, ob es Leopold Kunschak ist und der dabei ausgeschenkte Alkohol, der gewisse akustische Folgen im Vorraum hatte, ob es irgendeine internationale Veranstaltung ist, für die dieses Parlament keine andere Räumlichkeit zur Verfügung hat, um einen Empfang abzuwickeln mit Gläser- und Besteck-Klirren – wir hatten die OSZE vor uns –, bedeutet eine technische Beeinträchtigung. Da haben Sie Recht.

Wir haben das Präsidium des Nationalrates darauf hingewiesen, dass wir das nicht besonders schätzen, auch wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass es manchmal unvermeidlich ist. Wenn sich Kollege Bieringer erkundigt hätte – er hat gesagt, er habe es nicht gemacht –, dann würde er


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wissen, dass die Genehmigung für diese Veranstaltung nach Rücksprache mit der Präsidialkonferenz des Nationalrates lange vor unserer Aussprache erteilt wurde.

Ich gehe mit ihm dann konform, wenn er sagt: Ich hoffe – wir hoffen –, dass unsere Aussprache in dieser Hinsicht etwas nützt. Aber ich gebe auch zu, dass die Motivation des Kollegen Bieringer wohl auch ein bisschen der Klappentext der Einladung war, den er verlesen hat, und dafür kann ich ihm leider keine Unterstützung zusagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

10.18

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Weilharter von den Freiheitlichen hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.18

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Dass heute, an einem Plenartag des Bundesrates, eine Veranstaltung im Abgeordneten-Sprechzimmer stattfindet, wird von meiner Fraktion auf das Schärfste abgelehnt. (Bundesrat Gasteiger: Na logisch!) Wir lehnen es deshalb ab, meine Damen und Herren, weil wir als Parlamentarier uns dadurch in unserer Arbeit eingeschränkt fühlen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Uh! – Bundesrat Konecny: Welche Arbeit, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ihre Vorgangsweise in dieser Causa stellt einen Bruch mit allen parlamentarischen Usancen dar.

Meine Damen und Herren! Diese Vorgangsweise wertet auch die Länderkammer ab (Bundesrat Konecny: Ja!) und stellt für meine Fraktion eine grobe Missachtung des Bundesrates dar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Au!)

Ich bitte Sie daher, Frau Präsidentin, darauf einzuwirken, dass in Hinkunft – ich weiß, die Zuständigkeit liegt beim Präsidenten des Nationalrates – doch diesem Hohen Haus, dem Bundesrat, der notwendige Respekt, wie es zumindest die Verfassung vorsieht, zukommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.19

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

10.19

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Nachdem auf Grund der Geschäftsordnung keine andere Möglichkeit war, an der Debatte teilzunehmen, als mich zur Geschäftsordnung zu melden, will ich, nachdem bei der ersten Wortmeldung zur Geschäftsordnung eigentlich kein Begehr sichtbar war, zur Geschäftsordnung Folgendes beitragen: Wir könnten vielleicht – so wie seinerzeit, als es hier während der Bundesratsdebatte eine Sitzungsunterbrechung gegeben hat, weil es eine Veranstaltung der Niederösterreichischen Freiwilligen gegeben hat (Beifall bei Bundesräten der SPÖ) – heute anlässlich der musikalischen Vertonung von nichts anderem als der Regierungserklärung – das ist nichts, was Herrn Kollegen Bieringer so in Rage bringen kann, wenn die Regierungserklärung von Herrn Bundeskanzler Schüssel heute hier vertont wird; das ist mindestens einer Kunschak-Preisverleihung ähnlich – diese Gelegenheit dazu benützen, ebenfalls eine Sitzungsunterbrechung zu machen, sodass alle an dieser Vertonung einer Regierungserklärung beiwohnen können. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Das ist eine Missachtung der Arbeit der Freiwilligen! Die auf eine Stufe zu stellen!)

Das ist keine Missachtung, Herr Kollege Schöls! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Ich erwarte mir mehr Respekt vor der Arbeit der Freiwilligen von Ihnen!) – Nein, das ist eine Achtung der Arbeit von 40 aktiven Sängerinnen und Sängern und eines niederösterreichischen Komponisten namens Duit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.21


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 31

Einlauf und Zuweisungen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Den eingelangten Außenpolitischen Bericht 2001 der Bundesregierung habe ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt ist weiters ein Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird.

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegt dieser Beschluss nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet. Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 2 bis 6, 8 und 9, 10 bis 13 sowie 15 und 16 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bevor wir nun in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen betreffend unglaublichen Postenschacher auf Kosten der SteuerzahlerInnen an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Überdies gebe ich bekannt, dass mir ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Johanna Schicker und Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung vorliegt.

Weiters liegt mir ein drittes Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Johanna Schicker, Kolleginnen und Kollegen mit demselben Betreff an den Herrn Bundesminister für Finanzen vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Die Verhandlung der beiden dringlichen Anfragen wird unmittelbar im Anschluss an die Behandlung der an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gerichteten dringlichen Anfrage erfolgen.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 32

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1045 und 1132/NR sowie 6649/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich mit Ihrem Einverständnis auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken darf.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

10.26

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Fast bin ich versucht, die Worte des Berichterstatters aufzugreifen und mich auf die Antragstellung zu beschränken. Ich möchte aber zuvor in einigen wenigen Worten auch Inhaltliches sagen.

Die Sozialdemokraten sind mit der grundsätzlichen Intention dieser Initiative, es Familienangehörigen zu ermöglichen, Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu pflegen – das ist nicht nur im technischen Sinn, sondern insbesondere auch im emotionalen Sinn zu verstehen –, vollinhaltlich einverstanden. Als jene, die einen guten Teil ihrer politischen Aufgabe darin sehen, die Interessen sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen zu vertreten, haben wir und werden wir darauf aufmerksam machen, dass es auch die ökonomischen Voraussetzungen dafür geben muss, diese Hilfestellung in technischer und emotionaler Hinsicht für Sterbende leisten zu können.

Die Frage hat heute schon in der Fragestunde eine gewisse Rolle gespielt, und wir sagen es sehr deutlich, dass uns der Hinweis auf die bescheidene Möglichkeit außerordentlicher Leistungen nicht reicht. Wenn die Gesellschaft und der Gesetzgeber in Vollziehung einer Übereinstimmung in der Gesellschaft dies für eine wichtige Aufgabe halten, die in der modernen Gesellschaft – anders als in der Agrar- und Gewerbegesellschaft vor 200 Jahren – nicht in einem im häuslichen Bereich ablaufenden Wirtschaftsleben nebenbei geleistet werden kann, sondern eben den temporären Verzicht auf Berufstätigkeit bedeuten muss, dann muss auch für die ökonomische Basis, weil das Einkommensverzicht bedeutet, vorgesorgt werden.

Wie gesagt, von allem Anfang an und fast bis zur letzten Minute vor der Beschlussfassung im Nationalrat haben wir Sozialdemokraten auf diese notwendige Verkoppelung hingewiesen und versucht, in einem Gespräch mit dem Sozialminister damals noch in letzter Minute zu einer


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688. Sitzung / Seite 33

Regelung zu kommen. Das ist leider gescheitert. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Sozialdemokraten im Nationalrat haben in dritter Lesung dem Antrag zugestimmt. Die Voraussetzung dafür war ... (Bundesrat Weilharter: Die waren schon informiert, oder? Die waren schon informiert, Ihre Kollegen im Nationalrat? Die Information hatten Sie schon, oder?) – Herr Kollege! Was soll diese Bemerkung? (Bundesrat Weilharter : Weil Sie sagen, Sie haben zugestimmt, und jetzt stimmen Sie wieder nicht zu!) – Hören Sie mir zu, dann verstehen es vielleicht sogar Sie!

Voraussetzung war, dass im Nationalrat die Möglichkeit bestand, in zweiter Lesung – Sie haben mich mitten im Satz unterbrochen, ich hätte es Ihnen gerade erklärt – Abänderungsanträge, und zwar genau zu diesem Punkt zu stellen und damit im politischen Entscheidungsprozess zu dokumentieren, wo wir Sozialdemokraten uns klar und eindeutig von den Intentionen dieser Regierungsvorlage unterscheiden.

Im Bundesrat haben wir diese Möglichkeit einer differenzierten Abstimmung nicht. Wir können telquel dem Beschluss des Nationalrates zustimmen oder nicht. Ein Abänderungsantrag zu einem vom Nationalrat beschlossenen Gesetzesprojekt ist in diesem Haus nicht möglich.

Dies ist der Grund, warum wir einen genau mit diesen Argumenten begründeten Antrag auf Erhebung eines Einspruches stellen. Wir glauben, dass es auch jetzt nicht zu spät ist, in diesem ganz entscheidenden Punkt eine Reparatur des Gesetzes vorzunehmen.

Ein Recht, das eine große Gruppe der Bevölkerung aus materiellen Gründen nicht wird ausüben können, ist ein hohles Recht. Es steht den Parteien von der Regierungskoalition zu – selbstverständlich –, unserem Antrag hier nicht zuzustimmen und damit das Gesetz in dieser Form in die Realität zu entlassen. Wir laden Sie ein, diese Initiative, die den Nationalrat nicht dazu einlädt, einen Beharrungsbeschluss zu fassen, sondern ihn auffordert, sich nochmals zu überlegen, ob die bescheidenen budgetären Auswirkungen einer solchen materiellen Fundierung der Sterbekarenz nicht doch zu bejahen sind, zu unterstützen.

Ich möchte daher folgenden Antrag zur Verlesung bringen:

Antrag

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kollegen und Kolleginnen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpas-sungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz –, Einspruch zu erheben.

Der Einspruch wird wie folgt begründet:

Im Sinne eines generellen Zugangs zur Sterbebegleitung und im Sinne der Chancengleichheit müssen Maßnahmen überlegt werden, welche die Inanspruchnahme auch in einkommensschwächeren Haushalten, durch Alleinstehende und vor allem auch durch Männer fördern. Noch immer bestehende Rollenbilder, wonach für Betreuungs- und Gefühlsarbeit Frauen zuständig sind, dürfen nicht erneut festgeschrieben werden.

Familienhospizkarenz ohne – zumindest teilweise – finanzielle Absicherung würde aller Voraussicht nach vornehmlich von jenen unselbstständig Beschäftigten in Anspruch genommen werden, die aufgrund ihrer schlechten Einkommenssituation nur den geringeren Teil des Familien- oder Haushaltseinkommens tragen können. Aufgrund der erheblichen geschlechtsspezifischen


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688. Sitzung / Seite 34

Einkommensunterschiede würde diese Aufgabe somit überwiegend von Frauen wahrgenommen werden. Die dadurch bewirkte Förderung der traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenaufteilung zu Lasten der Frauen ist abzulehnen.

Aus den genannten Gründen und aufgrund des dem österreichischen Gesetzgeber gemeinschaftsrechtlich aufgetragenen Gender-Mainstreaming (5. Mittelfristiges Aktionsprogramm zur Gleichstellung der Geschlechter) ist die begleitende Einführung einer einkommensabhängigen Ersatzleistung erforderlich. Nur eine eigenständige Existenzsicherung in Form von Einkommensersatzleistungen kann den aufgezeigten negativen Tendenzen entgegenwirken.

Der Verdienstausfall während der Inanspruchnahme der Sterbebegleitung muss zumindest zu einem Teil aus den Mitteln jenes Vermögens kompensiert werden, das auch für sonstige familienpolitisch erwünschte Leistungen zur Verfügung steht, nämlich aus dem Familienlastenausgleichsfonds.

Die sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte fordern daher:

Dem Arbeitnehmer sollte für die Dauer der Herabsetzung der Normalarbeitszeit oder der Freistellung von der Arbeitsleistung gemäß § 14a oder § 14b eine Ersatzleistung aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen gebühren.

Das Ausmaß der Ersatzleistung sollte dem fiktiven Arbeitslosengeld gemäß § 20 und § 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 entsprechen, wobei als Bemessungsgrundlage abweichend vom § 21 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz das im letzten (vollen Kalender)Monat vor Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz gebührende Monatsentgelt unter Einschluss der anteiligen Sonderzahlungen gilt.

Im Fall der Herabsetzung der Normalarbeitszeit gilt das aufgrund der verminderten Arbeitsleistung zustehende Entgelt als Bemessungsgrundlage des fiktiven Arbeitslosengeldes.

Aus all diesen Gründen soll der Nationalrat ersucht werden, die Vorlage nochmals in Verhandlung zu nehmen und diese zusätzlichen Anregungen zu berücksichtigen.

*****

(Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Genese dieses Gesetzes verfolgt haben, dann werden Sie wissen, dass es von Seiten der SPÖ auch weitere und, wie ich meine, wichtige und richtige Anregungen gegeben hat. Wir haben uns sehr bewusst in der Begründung und in der Zielsetzung dieses Einspruchsantrages auf dieses eine ganz zentrale Thema konzentriert. Das ändert nichts an der Zustimmung zu dieser Initiative, aber es erscheint uns notwendig – ich betone das –, eine neue Überlegung im Nationalrat und gegenüber der Bundesregierung zu ermöglichen, um doch zu einer befriedigenden Lösung für Frauen und sozial Schwache zu kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

10.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Professor Albrecht Konecny und KollegInnen eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates samt der beigeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Aburumieh. – Bitte.

10.37

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Österreich betritt mit der Familienhospizkarenz sozialpolitisches Neuland und wird mit dieser bahnbrechenden Reform im Sinne der Mensch


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lichkeit zum Vorreiter Europas. Ich glaube, dass sich über dieses Faktum alle Fraktionen hier in diesem Haus einig sind. Genau aus diesem Grund verstehe ich den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Ich zitiere den Bundesminister, der in der Fragestunde sehr deutlich darauf hingewiesen hat, dass es  – abgesehen von den finanziellen Möglichkeiten, wie etwa den Härtefonds im Sozialministerium – in den nächsten Monaten eine Chance gibt, die Entwicklung der Lage zu beachten und zu beobachten, und dass wir dieses Gesetz, das heute den Bundesrat passieren wird, auf Basis der Erfahrungswerte evaluieren werden. Das ist der Grund, warum ich kein Verständnis für Ihren Antrag habe! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Für uns, die ÖVP, ist die Solidarität mit den Sterbenden ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema, die die Sorge um die letzte Lebensphase eines Menschen nicht nur den Medizinern, nicht nur den Pflegenden, nicht nur den Kirchen, nicht nur den Sozialpolitikern und auch nicht nur den Philosophen überlassen will, sondern ganz bewusst in die Familien trägt, die Angehörigen einbindet und für die Angehörigen die Möglichkeit schafft, einen geliebten Menschen aus dem Leben zu begleiten. Wir von der ÖVP vertreten die Position: Menschen sollen an der Hand ihrer Angehörigen aus der Welt scheiden können und nicht durch die Hand von Menschen diese Welt verlassen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir, die Regierungsparteien, lehnen jede Form der Sterbehilfe eindeutig ab! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sterbehilfe à la Belgien und den Niederlanden darf in Österreich, darf in unserem Land keinen Platz haben, wie auch immer die anderen europäischen Länder entscheiden mögen. Es ist keine Frage, und es entspricht eindeutig den Grundwerten meiner Partei, dass der Mensch Mittelpunkt des Denkens und Mittelpunkt unseres Handelns ist (Bundesrätin Schicker: Dieses Gefühl hat man nicht immer bei dieser Regierung!) und daher gerade im Rahmen der Sozialgesetzgebung jede Aussage um diesen Gedanken mit großer Sensibilität zu tätigen ist.

Meine Damen und Herren! Es sterben in Österreich, wie Sie wissen, etwa 85 000 Menschen im Jahr, zwei Drittel davon in Spitälern und in Pflegeheimen. Ich darf hier erwähnen: Wir haben in Österreich ohne Zweifel eine sehr engagierte, eine sehr gute Hospizbewegung. Es sind – begleitet von der Palliativmedizin – die Versorgung und das Betreuungsangebot gegeben; das wissen sehr viele. Trotzdem wünschen sich aber 81 Prozent unserer Mitmenschen nichts sehnlicher, als zu Hause, daheim sterben zu können, wobei dieses "daheim" absolut als sozialer Begriff zu werten ist und nichts anderes heißt, als "ich möchte dort sterben, wo vertraute Menschen um mich sind, wo ich mich auskenne, wo ich ein Stück zu Hause bin".

Für alle Betroffenen geht es um die Bewältigung der letzten Wegstrecke, wenn der Kranke über medizinische Hilfe hinaus besonders auf menschliche Zuwendung und auf Liebe angewiesen ist. Genau da setzt die Forderung dieser Regierung an den Einzelnen und an die demokratische Gesellschaftsordnung an, denn ein Gemeinwesen und auch wir alle als Politiker werden daran gemessen, wie wir mit den Schwächsten unserer Gesellschaft umgehen, und dazu gehören auch die Sterbenden. (Bundesrätin Schicker: Und die Pflegenden!)

Unsere politische Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Zuwendung, um diese Begleitung und die doch von großer Bedeutung gelebte Mitmenschlichkeit in Extremsituationen zu ermöglichen. Genau diesem Umstand trägt das vorliegende Gesetz Rechnung, indem es die Solidarität zwischen den Generationen stärkt, das Recht auf Familie und Gemeinschaft auch am Ende des Lebens gewährleistet. Menschen, die die Betreuung eines sterbenden Angehörigen oder eines schwerkranken Kindes übernehmen, bedürfen unserer bestmöglichen Unterstützung.

Meine Damen und Herren! Sie haben schon Recht, wenn Sie sagen, dass etwa ein Drittel aller Pflegenden erwerbstätig ist und dass diese einer ganz besonderen Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und aus Pflegearbeit ausgesetzt sind. (Bundesrätin Schicker: Deshalb unser Antrag!) Wir alle wissen, dass derjenige, der sich um einen sterbenden Angehörigen oder um


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688. Sitzung / Seite 36

ein schwerkrankes Kind kümmert, genug Sorgen hat, und daher ermöglichen wir ihm den Rechtsanspruch auf Karenzierung, auf ein Zurückkehren auf den Arbeitsplatz und auf die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung, denn gerade in dieser schweren menschlichen Phase muss die Sorge um den Arbeitsplatz wegfallen, darf diese Sorge nicht bestehen.

Mit der vorliegenden Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit, schriftlich eine Herabsetzung, eine Änderung der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts zum Zweck der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen beziehungsweise zur Pflege eines schwer erkrankten Kindes zu beantragen. Dieser Anspruch ist völlig unbürokratisch zu erwirken, denn diese Karenzierung kann bereits am fünften Tag nach der schriftlichen Beantragung erfolgen.

Die arbeitsrechtlichen Dinge möchte ich nicht wiederholen, denn diese hat der Herr Bundesminister in der Fragestunde eingehend erklärt. Nur so viel sei gesagt: Es gibt die Möglichkeit, sich für drei Monate karenzieren zu lassen. Diese Zeitspanne kann auf ein halbes Jahr ausgedehnt werden. Diese Maßnahme gilt für folgenden Personenkreis: die nahen Angehörigen in der geraden Linie, nämlich Eltern, Kinder, Ehegatten, aber auch Adoptivkinder, Pflegekinder, Lebensgefährten, Geschwister, Schwiegereltern und Schwiegerkinder. Es haben mehrere dieser Angehörigen die Möglichkeit, sich karenzieren zu lassen.

Meine Damen und Herren! Es wurden die krankenpensionsversicherungsrechtlichen Details schon erwähnt. Unserer Meinung nach ist diese Familienhospizkarenz ein Gesetz gelebter Menschlichkeit, eine Maßnahme, die beweist, dass menschliche Wärme, Zuwendung, Verständnis und vor allem Hilfe in ausweglosen Situationen Inhalte des Ziels dieser Bundesregierung darstellen, Gesetze in diese Richtung zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Sie haben auch erwähnt, dass von der Caritas und vom Katholischen Familienverband die Absicherung gewünscht werde. Das ist ein gerechtfertigter Wunsch. Auch dieser Punkt wird in der Zeit bis zur Evaluierung besprochen werden. Wir werden alle Erfahrungswerte berücksichtigen.

Erlauben Sie mir nun, mich bei der Regierung unter Wolfgang Schüssel und inbesondere bei den beiden Ministern Bartenstein und Haupt und all jenen Personen, die an der Gesetzwerdung der Familienhospiz mitgearbeitet haben, zu bedanken!

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, beweisen eigentlich Herzlosigkeit und soziale Kälte in Ihren Reihen (Bundesrätin Schicker: Das haben Sie nötig, zu sagen! Das klingt aus Ihrem Munde sehr "überzeugend"!), denn bei einem Funken Liebe, Frau Kollegin, müssten auch Sie einem Gebot der Menschlichkeit folgend diesem Gesetz zustimmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Sie haben nicht zugehört!)  – Ich habe sehr wohl zugehört! (Bundesrätin Schicker: Das ist wirklich das Letzte!)

10.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

10.46

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Partiell nicht besonders geschätzter Herr Kollege Gruber! Ich denke, hätten Sie den Appell Ihrer Kollegin aus der eigenen Fraktion zumindest für sich einmal ernst genommen, würden von Ihnen solche Zwischenrufe, explizit bei diesem Tagesordnungspunkt, nicht kommen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zwischen meiner Meinung und dem Großteil des Debattenbeitrages meiner Vorrednerin gibt es keine inhaltlichen Unterschiede. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Aber die letzten drei Sätze haben gereicht!) Sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat spricht sich die sozialdemokratische Fraktion offen und klar dafür aus, dass der Weg der Familienhospizkarenz als Maßnahme in einer immer kritischer,


Bundesrat
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dramatischer und schwieriger werdenden familiären Situation ein völlig richtiger Schritt ist. (Ruf bei der ÖVP: Zwischen dem Reden und dem Entscheiden ist halt ein Unterschied!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der ÖVP! Ich meine, dass Sie so viel politische Kultur haben sollten, dass Sie in der Lage sind, knappen und kurzen Ausführungen zu folgen, darüber nachzudenken und dann Ihre Entscheidung zu treffen. Darum würde ich Sie jetzt ersuchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kollegen! Es gibt Lebenssituationen – Lebenssituationen, die jeder für sich individuell oder in seinem familiären oder in seinem weiteren Umfeld erlebt hat –, die einen zumindest, wenn man es schon selbst nicht erlebt hat, nachempfinden lassen, in welcher doppelt und dreifach belasteten Situation man steht, wenn man auf der einen Seite die familiäre Struktur, die befreundete Struktur vorfindet, auf der anderen Seite in dem heute sehr oft mehr als harten und rauen Berufsleben steht und gleichzeitig zu Hause oder im Krankenhaus jemanden hat, von dem man weiß, dass er oder sie nur mehr wenig Zeit mit einem verbringen wird. Diese Familienhospizkarenz gibt in dem Bereich der Zurverfügungstellung von Zeit eine Antwort. Das heißt, die Zurverfügungstellung von Zeit wird ermöglicht. In diesem Zusammenhang sprechen wir uns für die Familienhospizkarenz ganz klar und offen aus.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In vielen Gesprächen – der Weg bis zur Gesetzwerdung war lang; es hat viele Debatten und auch Enqueten zu diesem Thema gegeben, es hat Auseinandersetzungen und Debatten über Sterbehilfe gegeben – konnte jeder für sich selbst, und zwar jenseits der Beschränkung und der Begrenztheit durch Parteigrenzen, feststellen, dass es doch ein richtiger Ansatz wäre, genau jenem Anspruch zu entsprechen, den die Frau Kollegin von der ÖVP vorhin formuliert hat. Sie hat nämlich gemeint, dass Menschen in einer solchen Situation, Menschen, die jemanden begleiten müssen, der aus dieser Welt scheidet, viele Sorgen haben. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion stimmen dem zu und fügen dem deshalb hinzu: Diesen Menschen soll und muss aber die zusätzliche Sorge der Existenzsicherung, die Sorge um das monatliche Einkommen, die Sorge um die Sicherung der Familie genommen werden.

Daher fordere ich Sie auf beziehungsweise ersuche Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und FPÖ: Setzen wir gemeinsam einen Akt der lebendigen politischen Kultur des Bundesrates! Mit der Einwendung der sozialdemokratischen Fraktion wird nichts anderes gemacht, als dass dem Nationalrat die Chance gegeben wird, eine gute Maßnahme, einen guten Schritt zu komplettieren, und zwar in Richtung Chancengleichheit und Gerechtigkeit, wie ich es schon in der Fragestunde angeregt habe.

Herr Minister! Ich verstehe, dass die Evaluierung neue Erkenntnisse bringen wird, aber ich verstehe nicht, dass wir, wenn wir heute schon wissen, was Teilbereiche der Evaluierung ergeben werden, nicht schon heute darauf eine politische Antwort geben. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Herr Minister! Der zweite Punkt, der zu beachten ist, ist, dass bei der Evaluierung explizit jene Menschen, die es sich auf Grund ihrer Lebenssituation nicht leisten konnten, diese Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen, nicht berücksichtigt werden, denn diese Menschen werden sich dann nicht gemeldet haben, weil sie diese Maßnahme nicht in Anspruch genommen haben werden. Außerdem ist zu bedenken, dass dann jene Angehörigen, die sie gerne auf ihrem letzten Lebensweg begleitet hätten, nicht mehr leben werden. Daher ist noch vor der Evaluierung die Einführung der Ersatzleistung, des Entgeltes für das monatliche Einkommen ein völlig richtiger Schritt.

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, darüber nachzudenken, denn jeder Einzelne stimmt dem, wenn er zumindest sich selbst gegenüber ehrlich ist, innerlich zu. Ich frage Sie: Welche Antwort geben Sie einer Frau – in den meisten Fällen sind es Frauen, aber auch Männer –, die Sie als Politikerin oder Politiker anspricht und sagt: Jetzt gibt es die Möglichkeit der Familienhospizkarenz, aber ich bin alleinstehend, und ich will nun einen meiner Angehörigen –


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zum Beispiel: Kind, Mutter, Partner – auf seinem letzten Lebensweg begleiten, aber ich bin die Einzige, die mit dem Einkommen die Familienexistenz sichert!?

Solche Fragen werden wir in Hinkunft beantworten müssen! Es fällt mir dazu keine Antwort ein – außer, dass das absolut ungerecht ist!

Herr Minister! Sie haben in Ihrer Antwort gesagt: Das ist nur ein erster Schritt! Dieser Meinung bin auch ich, und Sie sagen, da seien noch sehr viele Fragen zu beantworten.

Herr Minister! Ich meine, der politisch korrekte und kluge Weg wäre, dass wir Politikerinnen und Politiker zuerst all diese offenen Fragen beantworten und dann erst ein Gesetz machen, statt diese offenen Fragen auf die betroffenen Menschen abzuschieben. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.  – Bundesrätin Haunschmid: 30 Jahre offene Fragen sind es bei euch! Bei uns war eine Frage offen!)

Die Zwischenrufe veranlassen mich, noch einmal zu wiederholen, was mein Klubobmann sehr einfach, sehr klar und sehr präzise formuliert hat, denn ich vermute, dass es hier im Bundesrat Mitglieder gibt, die die Geschäftsordnung des Bundesrates und die verfassungsmäßigen Bestimmungen nicht kennen, denn sonst hätte es solche Zwischenrufe, wie sie vorhin bei der Rede meines Klubobmanns gemacht worden sind, nicht gegeben und wären solche Aussagen, wie sie im Schlussteil der Rede meiner Vorrednerin vorgekommen sind, nicht gemacht worden.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ sagt ja zur Familienhospizkarenz (Ruf bei der ÖVP: Und stimmt dagegen! Das ist unglaubwürdig!) und ist nicht herzlos und kalt, aber die SPÖ wird es sich nicht nehmen lassen, sich für Chancengleichheit und Gerechtigkeit einzusetzen und für gleichen Zugang zu den Maßnahmen für alle Menschen in Österreich einzutreten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid, händeringend: 30 Jahre ungelöste Fragen!)  – Geschätzte Kollegin! Hände ringen sollten Sie woanders!

Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wird jetzt kein Einwand dagegen erhoben werden, wenn ich die Geschäftsordnung des Bundesrates breche, weil ich die Gelegenheit dieser meiner Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt dazu gebrauchen will, uns alle darauf aufmerksam zu machen, dass dieser junge Plenartag ein ganz besonderer Tag für die Demo-kratie in Österreich ist. Heute vor einem Jahr kam nämlich erstmals in der Geschichte der Republik Österreich eine neue Vertretung in diesen Bundesrat: Es kam erstmals ein Vertreter der Grünen in diesen Bundesrat!

Ich bin mir ganz sicher, dass jeder von Ihnen parteiüberschreitend mir zustimmen wird, wenn ich behaupte und feststelle, dass mit dem Eintritt des Kollegen Schennach in den Bundesrat ein großes Stück mehr politische Kultur, ein großes Stück mehr Diskussionskultur, ein großes Stück Lebendigkeit Einzug gehalten haben. In diesem Sinne möchte ich ganz persönlich (Zwi-schenrufe bei den Freiheitlichen) – das tue ich nicht für Sie – Herrn Bundesrat Schennach sehr bedeutungsvolle Blumen überreichen, nämlich weiße Rosen, denn die weiße Rose hat Geschichte. Ich wünsche Kollegen Schennach in Hinkunft viel Erfolg und viel Glück, und ich wünsche diesem Bundesrat jenseits von Parteigrenzen viele Bundesräte mit dieser Form der Kultur in der politischen Auseinandersetzung. (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin begibt sich zu Bundesrat Schennach und übergibt diesem drei weiße Rosen.)

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. – Bitte. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann auf dem Weg zum Rednerpult: Herr Schennach! Ich kann nur mit Worten kommen, ich habe keine Rosen!)

10.57

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Aktionismus wegkommend (Beifall bei den Freiheitlichen) möchte ich mich dem eigentlichen Thema zuwenden, welches ich für sehr wichtig erachte.


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688. Sitzung / Seite 39

Das Gesetz über die Familienhospizkarenz stellt einen Meilenstein in der Sozialpolitik dar. Das haben Vertreter aller Fraktionen hier im Hohen Haus unterstrichen. Daher darf ich Ihnen die Worte von Cicely Saunders zu Gemüte führen, die Sozialarbeiterin, Krankenschwester und auch Ärztin gewesen ist und heute als eine der Wegbereiterinnen der modernen Hospizbewegung gilt. Cicely Saunders hat gesagt: "Sterben ist ein Teil des Lebens und Schwerkranke und Sterbende sind Lebende und verdienen alle Unterstützung und Hilfestellung, die wir ihnen geben können."

Ich meine, dass Cicely Saunders mit diesen ihren Worten das ausgedrückt hat, was wir versuchen, mit der heutigen Beschlussfassung in einen gesetzlichen Rahmen zu gießen. Diesem Grundsatz soll entsprochen werden. Ich gebe Ihnen schon Recht, wenn Sie sagen, es sei noch das eine oder das andere zusätzlich zu verbessern. Bei einem solchen Meilenstein in der Sozialpolitik ist es durchaus möglich, dass man in ein, zwei Jahren sagen wird: Na ja, wir könnten dies verbessern oder das noch hinzufügen! (Bundesrat Boden: Dann stimmt unserem Antrag zu! Ganz einfach!) Aber, meine Damen und Herren, das Gesetz ist ein Quantensprung, und dieser Quantensprung in der Sozialpolitik wurde – und das hören Sie natürlich nicht sehr gerne, meine Damen und Herren von der SPÖ – von einer schwarz-blauen Regierung umgesetzt. (Bundesrat Boden: Ein Quantensprung ist der kleinste Sprung!) Sie hatten ja 30 Jahre Zeit, sich dieses Themas anzunehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie hatten 30 Jahre Zeit, Ihre jetzigen Vorschläge umzusetzen. (Bundesrat Manfred Gruber: Ihr Regierungspartner auch 14 Jahre!) Ich bin der Überzeugung, dass die Österreichische Volkspartei des Öfteren den Versuch gemacht hat, in diese Richtung etwas weiterzubringen, aber man braucht eben in einer Demokratie – und dazu bekennen wir uns alle – auch einen Partner, der das ebenfalls will.

Ich habe in keinen medialen Äußerungen von Ihnen je gehört, dass das Ihr dringendes Anliegen wäre. Jetzt plötzlich springen Sie auf und sagen: Das ist eine gute Sache! – Ich bin aber froh darüber, dass Sie nun wenigstens die Sinnhaftigkeit dieser Initiative einsehen, wenn Sie auch – das verblüfft uns alle – dem Gesetzesantrag nicht zustimmen. Sie finden selbst gar keine Begründung dafür.

Ich werde in meinen Ausführungen noch auf Verbesserungsvorschläge eingehen, die teilweise auch schon von verschiedenen Kollegen gekommen sind, oder Vorschläge machen, wie man eventuell die Problematik des Härteausgleiches etwas mildern könnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen werden, soll berufstätigen Menschen die Möglichkeit geboten werden, für drei – im äußersten Fall – bis sechs Monate – aber das sogar möglicherweise im wiederholten Fall, wenn es notwendig ist – die nahen oder nächsten Angehörigen auf ihrem letzten Weg zu begleiten, sie zu trösten, bei ihnen zu sein, sie zu stärken. Es ist heute schon von meinen VorrednerInnen gesagt worden, wie belastend und schwierig eine solche Situation für jeden Menschen ist, der so etwas schon einmal durchgemacht hat, wenn ein ihm nahe stehender anderer Mensch schwer krank ist, vielleicht große Schmerzen erleidet und im Sterben liegt. Wie beklemmend dies für die gesamte Familie ist, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Jeder, der sich einmal in solch einer Situation befunden hat, weiß, wovon ich spreche.

Dieses Gesetz wird diese Menschen um eine große Sorge erleichtern, nämlich die Sorge um den Arbeitsplatz wird wegfallen. Die Sorge, wie man es in der Zeit, in der man eigentlich arbeiten müsste, schafft, die restliche noch verbleibende Zeit mit seinem Vater, mit seiner Mutter oder mit seinem Kind, das schwer krank ist, zu verbringen, wird mit diesem Gesetz genommen, und gleichzeitig wird auch – das halte ich für eine sehr wichtige und richtungweisende Regelung – der Kündigungsschutz nach dieser Zeit ausgeweitet.

Die Kranken- und Pensionsversicherung, die weiterbezahlt wird, ist ein weiterer wesentlicher Baustein dieses sozialpolitischen Gesetzes, das wir heute beschließen wollen und werden.


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Auch die Möglichkeit, wenn man die Arbeit nicht ganz niederlegen möchte, sondern nur teilweise, eine Reduzierung der Arbeitszeit zu erwirken, halte ich für eine sehr wichtige und richtige Initiative, die hiemit eingeräumt wurde. Den Anspruch auf Leistungen aus dem Härtefonds erachte ich gerade für die sozial schwächeren Menschen als besonders wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon gesagt, die schwarz-blaue Regierung zeigt (Bundesrätin Mag. Trunk: Blau-schwarze!) , dass sie wieder einmal einen sozialpolitischen Meilenstein setzt und setzen wird. Der sozialen Themen nehmen sich eben immer mehr die ÖVP und vor allem auch die Freiheitlichen an, die im Übrigen auch schon seit vielen Jahren die Familienhospizkarenz gefordert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist heute schon von Frau Kollegin Aburumieh gesagt worden, dass sie sich sehr wundert, dass sich einerseits die KollegInnen der SPÖ zwar grundsätzlich zu dieser Vorgangsweise bekennen, aber andererseits dann doch wieder alles ablehnen, und dass die Sorge berechtigt ist, dass die Sozialdemokraten vielleicht vergessen haben, was soziale Wärme ist. Vielleicht ist die "Eisschrankmethodik", ob sie nun auf Füßen wandelt oder nicht, nun das Markenzeichen der SPÖ geworden. (Bundesrätin Mag. Trunk: Innen kalt, außen warm! – Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kollegin! Machen Sie sich um das keine Sorgen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut internationalen Studien haben 80 Prozent der Menschen Angst davor, allein gelassen zu sterben. Auf diese Angst der Menschen gibt es verschiedene Antworten. Die Niederländer und die Belgier – wir haben es heute schon gehört – haben sich für die aktive Sterbehilfe ausgesprochen, für Euthanasie. Im alten Griechenland und später auch im antiken Rom hatte dieses Wort eigentlich eine positive Bedeutung. Man hat darunter einen "leichten, guten, würdevollen Tod" verstanden. Dieses Wort hat sich dann, vor allem im 20. Jahrhundert, durch die Anwendung in einer Schreckensherrschaft im Dritten Reich ins Negativum gewandelt.

Belgien und die Niederlande haben sich trotz aller Bedenken, die es auch in diesen Ländern gegeben hat, für den selbstbestimmten Tod entschieden. Aber ich meine, dass die Gefahr des Missbrauches beziehungsweise die Antwort auf die Frage, wo man die Grenzen zieht, Belgien und die Niederlande auch in Zukunft noch sehr stark beschäftigen wird.

Österreich hat eine andere Antwort gefunden. Österreich hat die Familienhospizkarenz eingeführt, beziehungsweise werden wir sie heute beschließen. Damit bekennen wir uns zu einer unbedingten Wertschätzung des menschlichen Lebens bis zum letzten Atemzug.

Ich habe anfangs gesagt, dass ich der Meinung bin, dass die Problematik bei dieser Karenz sicherlich für jene Menschen gegeben ist, die sich eine arbeitsrechtliche Freistellung vielleicht finanziell nicht leisten können. Wir haben aber auch gehört, dass es in zwei Jahren eine Bewertung dieses Gesetzes geben wird. Wir wissen auch, dass es einen Härtefonds geben wird. Ich schlage noch etwas vor: Ich schlage vor, dass die Bundesländer auch in Selbstinitiative tätig werden. Was hindert Landessozialreferenten daran, nach Sozialhilfegesetzen ihrer Länder mit einem Teil ihres Sozialbudgets – aus verschiedenen Budgetansätzen ist das nämlich möglich – eventuell in Härtefällen einzugreifen? (Bundesrätin Schicker: Sie wissen aber schon, wer die Sozialhilfetöpfe füllt? – Die Gemeinden! Diese sind auch schon an Grenzen angelangt!)

Was ist schlecht daran, wenn man mit den Krankenkassen in Verhandlungen tritt? – Diese möchte ich schon erwähnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn ich meine, dass die Krankenkassen einen Beitrag dazu leisten sollten. Das möchte ich auch begründen. Es wird sehr wohl die Entlastung der Budgets der Krankenkassen erfolgen, weil die Zahl der Krankenhausaufenthalte vielfach zurückgehen wird. Entweder wird man die Menschen, die in dieser Situation sind, zu Hause pflegen, oder man wird sie vielleicht in Hospizen betreuen, die letztlich in den Finanzierungskosten geringer ausfallen als die Krankenhäuser selbst. Ich muss dazu noch anmerken, dass man auch von jenen, die sich dazu bereit erklären, ihre nächsten An


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gehörigen auf ihrem letzten Weg zu begleiten, eine gewisse Eigenleistung verlangen müssen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Beschlussfassung der Familienhospizkarenz übernimmt Österreich – das möchte ich zu allerletzt noch einmal anmerken – eine beispielgebende Vorreiterrolle für eine Kultur des Lebens, zu der eine Kultur des Sterbens untrennbar dazugehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

11.09

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meiner Vorrednerin möchte ich nur einen Satz sagen: Wer soziale Wärme ausstrahlt und von wem soziale Kälte ausgeht, wird sich bei der nächsten Nationalratswahl zeigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich meine, dass es ein guter Entschluss war, dass wir uns in Österreich dazu durchgerungen haben – da gebe ich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern Recht –, der aktiven Sterbehilfe eine Absage zu erteilen und stattdessen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen in Würde von uns gehen können.

Ich sage dies auch vor einem anderen Hintergrund: Ich musste in meiner eigenen Familie vor einigen Jahren miterleben, wie mein Bruder, unheilbar krank, einige Monate lang fast rund um die Uhr einer Pflege bedurfte. Entschuldigen Sie, wenn ich jetzt ein bisschen ins Private abgleite, aber gerade dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es wäre, unserem Antrag zuzustimmen.

Meine Schwägerin war berufstätig. Sie hatte mehrere Kinder aus einer vorhergehenden Ehe und mit meinem Bruder ein gemeinsames Kind, das zu dieser Zeit studierte. Sie hatte die Möglichkeit – weil es schon damals Arbeitgeber gab, die einer Frau freiwillig halfen –, ihren pflegebedürftigen Mann zu pflegen, denn sie konnte sich ihre Arbeitszeit, so gut es ging, selbst einteilen, und auch die Tochter hat, so gut es ging, mitgeholfen. Sie war aber Studentin und musste auch ihrem Studium nachgehen.

Man kann sich vorstellen, wie einer Frau zumute ist und wie sie physisch und psychisch fertig ist, wenn sie jemanden ein halbes Jahr lang beinahe rund um die Uhr pflegt und nebenbei arbeitet. Sie konnte aber ihre Arbeit nicht aufgeben, weil sie auf das Geld angewiesen war und auch weiter denken musste, da die Tochter noch einige Jahre studieren würde, da noch Zahlungen für ein Haus, das erworben worden war, zu leisten waren und so weiter.

Das ist die Problematik, und wir wollten in unserem Antrag auf nichts anderes hinweisen als darauf, dass eine finanzielle Absicherung gegeben sein muss. (Bundesrätin Giesinger: Aber Pflegegeld kann sie bekommen!)  – Ja, aber es dauert immer so lange, bis es erhöht wird! Das ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt, dass man heute ansucht, und morgen ist das Geld da. Natürlich hat sie Pflegegeld bekommen, aber sie musste auch Leistungen zukaufen. Man muss sich das vorstellen: Man kann einen Mann nicht alleine pflegen, alleine umbetten und so weiter. Man muss viele Leistungen zukaufen. Ich selbst war sonntags öfters dort, um meine Schwägerin zu entlasten.

Ich möchte nicht, dass es so aussieht, als würde ich Mitleid erwecken wollen, aber das ist die Realität, die tagtäglich auch andere Familien erleben! (Bundesrätin Haunschmid: Das ist nicht erst in den letzten zwei Jahren so, Frau Kollegin!)

Wenn Sie, Frau Kollegin Aburumieh – jetzt sind Sie ja wieder im Saal; Sie haben nach Ihrem Redebeitrag sehr schnell den Saal verlassen; wollten Sie die Antworten nicht hören? (Bundesrätin Giesinger: Professor Konecny ist auch gleich gegangen!)  –, sagen, Sie hätten kein Verständnis für unseren Antrag, wenn es um die finanzielle Absicherung von Angehörigen


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während der Hospizkarenz geht, dann habe ich das Gefühl ... (Bundesrätin Aburumieh: So habe ich es nicht gesagt!)  – Sie haben es hier so gesagt! (Bundesrätin Aburumieh: Sie haben mir nicht zugehört!)  – Frau Kollegin Aburumieh! Ich hatte das Gefühl, Sie haben hier am Rednerpult sehr abgehoben gewirkt.

Sie haben an die Gefühle, an Herzlichkeit appelliert! – Ich muss schon sagen, wenn man von solchen Fällen hört oder sie aus der Umgebung, aus der Nachbarschaft kennt und dann sagt, wenn es Härtefälle geben sollte (Zwischenruf der Bundesrätin Aburumieh )  – Sie haben es so gebracht! –, dann werde man eingreifen, denn das werde ja beobachtet, dann ist das meiner Meinung nach eine enttäuschende Wortmeldung. Sie haben diese Herzlichkeit, die Sie von uns allen einfordern, nicht hinübergebracht. (Bundesrätin Aburumieh: ... Das wundert mich nicht!)

Es ist Ihnen wahrscheinlich auch nicht bewusst, dass es in erster Linie Frauen sind, die pflegen. Es sind wahrscheinlich zu 80 Prozent – Herr Minister, bitte korrigieren Sie mich gegebenenfalls! – oder sogar zu 90 Prozent Frauen, die nahe Familienangehörige pflegen und wahrscheinlich auch in Zukunft die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen werden. Diese Frauen werden in der Mehrzahl unter die Härtefälle gereiht werden müssen.

Darum frage ich mich, was man da nach zwei Jahren noch beobachten und evaluieren soll. Die Familienhospizkarenz wird natürlich auch nicht so in Anspruch genommen werden können, wenn es sich finanziell nicht ausgeht. Es gibt nicht nur gut situierte Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, die es sich leisten können, ein halbes Jahr ohne Einkommen zu Hause zu bleiben. Daher wird das keine Lösung sein.

Ich denke, gerade diese meine private Erfahrung zeigt, wie wichtig es sein müsste, eine existenzielle Absicherung für diese Hospizkarenz zu gewährleisten, denn nur dann kann man auch damit rechnen, dass sie von den Angehörigen auch angenommen werden – unter Anführungszeichen – "kann".

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich ersuche Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, denn er weist nur in die eben dargestellte Richtung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

11.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal danke sagen für die von allen Fraktionen in den letzten Tagen gekommenen freundlichen Worte zu diesem, meinem Jahrestag! – Man feiert wahrscheinlich nur einen, nämlich den ersten Jahrestag. Aber vor allem dir, liebe Melitta Trunk, einen besonders herzlichen Dank für deine Worte hier und für die Rosen!

Jetzt habe ich natürlich die Schwierigkeit, wie ich den Bogen vom ersten Geburtstag zum Sterben spanne. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ist noch ein weiter Weg!) Das ist, Gott sei Dank, im realen Leben dank des Rückgangs der Säuglingssterblichkeit ein weiter Weg und selten. Im politischen Leben kann das natürlich manchmal sehr viel schneller gehen. – Aber lassen Sie mich zum Thema kommen!

Frau Kollegin Aburumieh! Ich hatte ein wenig das Gefühl, dass aus Ihren Worten ein wenig mehr die Parteipolitik sprach. Gerade Themen wie Sterbebegleitung und Einstellung zu Sterbehilfe sollen und können keine Fragen von Parteipolitik sein. Das ist eine zutiefst ethische Frage, die sich jeder Mandatar und jede Mandatarin – unabhängig welcher Fraktion er oder sie angehört – selbst stellen muss.

Ich kann von mir sagen, dass ich die aktive Sterbehilfe immer zutiefst ablehnen werde und gleichzeitig in gleicher Vehemenz für zwei andere Dinge eintreten werde: für den Ausbau des


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Hospizwesens, aber auch für den dringenden Ausbau der Schmerztherapie in Österreich. Sie wissen, dass die derzeitigen Gesetze diese Schmerztherapie verhindern, und zwar jene durch Medikamente.

Sterben hat sich verändert. – Das klingt irgendwie eigenartig, aber Sterben hat sich in der Tat verändert. Erstens werden wir alle viel älter, das plötzliche Heraus-Gerissen-Werden ist unter normalen Umständen in der Form nicht mehr gegeben; zweitens hat sich die Großfamilie – bis auf wenige Ausnahmen – verändert: es gibt sie fast nicht mehr; drittens umfasst die Berufstätigkeit weite Bereiche. Insofern haben sich damit auch das Abschied-Nehmen und die soziale Einbettung verändert, in der man aus dem Leben scheidet. Deshalb ist ein solches Gesetz ein Meilenstein.

Aber ist es – wie hat der Herr Minister heute gesagt? – ein großer Schritt? – Ich würde sagen, es ist ein großer Schritt für die Bundesregierung, aber für die soziale Gerechtigkeit in Österreich ein zu kleiner, denn die gelebte Menschlichkeit, von der Frau Kollegin Aburumieh gesprochen hat, kommt hier nicht heraus. Dieser Vier-Parteien-Antrag im Nationalrat war doch zum Greifen nahe, und was geblieben ist, ist ein Gesetz mit enormen Einschränkungen.

Erstens der Ausdruck "Familienhospizkarenz": Nennen wir es doch einfach "Hospizkarenz", denn wir alle wissen, dass es am Lebensabend vielleicht nicht die Familie ist, die einen Menschen am intensivsten begleitet. Bei den Aidskranken, die Monat für Monat sterben, wird es vielleicht nicht die Familie sein, sondern vielleicht auch andere Formen der Lebensgemeinschaft, vielleicht auch nur Freunde, die diese Menschen in diesen letzten Tagen, Wochen und Monaten begleiten.

Dieses Gesetz schränkt diese Menschlichkeit nur auf die Familie und – sozial gesehen – auf Besserverdienende ein. Denn wer kann sich eine Karenz leisten, ohne dafür auch Karenzgeld zu bekommen? Ist das Pflegen von Sterbenden eine Frage des Vermögens?

Ein weiterer Punkt ist die Einschränkung des Härtefonds zum Beispiel auf Inländer: Ist das eine Frage, die nur Inländer betrifft? – Außerdem schließt der Härtefonds ebenfalls nur die Familie im engeren Sinn ein. Was ist mit gleichgeschlechtlichen Lebensbeziehungen?

Weiters werden Arbeitslose in diesem Gesetz anders behandelt als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. – Auch das ist eine Einschränkung, die nicht der gelebten Menschlichkeit entspricht.

Minister Haupt hat versucht – ich konzediere ihm das –, doch noch irgendwo Geld dafür zu finden, diese sozialen Härten auszugleichen, und hat das Pflegegeld in Diskussion gebracht. Ich denke, es ist das falsche Geld, das hier verwendet werden soll, denn das Pflegegeld dient vor allem der professionellen Hilfe und der persönlichen Assistenz. Man kann nicht durch die soziale, psychologische und familiäre Hilfe die professionelle Hilfe und zum Teil die medizinische Hilfe zurückdrängen.

Sterbehilfe in einer gewandelten Gesellschaft kann es nicht zum Nulltarif geben. Es ist das Ende eines Lebens, in dem die Person – egal, ob Mann oder Frau und wie alt – als Staatsbürger für diese Gesellschaft etwas beigetragen hat, durch unterschiedliche Leistungen, ob als Arbeitnehmer, Unternehmer, ob als Elternteil oder in Bereichen freiwilliger Arbeit. Da darf man nicht anfangen, Groschen zu klauben und die Menschen zu zwingen, in dieser Zeit noch etwas von ihrem Pflegegeld herzugeben.

Meine Damen und Herren! Der Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei, Einspruch zu erheben, bedeutet keine Ablehnung. (Bundesrätin Schicker: So ist es!) Ein Einspruch bedeutet, den Nationalrat aufzufordern, diese Fragen noch einmal zu überdenken und in einer neuen Form hier vorzulegen, sodass es auch zu einer gemeinsamen Verabschiedung kommen kann.

Insofern ist ein Einspruch keine Dutzendmaterie. – Ich habe das in diesem einen Jahr sehr selten erlebt. Insofern würde ich vorschlagen: Behandeln Sie diesen heutigen Einspruchsantrag nicht "locker vom Hocker", sondern betrachten Sie ihn als einen nochmaligen Hilferuf einer


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Fraktion, der ich mich diesbezüglich gerne anschließe, mit dem darauf hingewiesen werden soll, dass es bei diesem Gesetz vieles gibt, wofür wir keine Evaluierung brauchen. Wir können diese Dinge rasch ändern, und dann können wir auch einen Vier-Parteien-Antrag zusammenbringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

11.24

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Die Ausführungen von Herrn Bundesrat Schennach – auch die von Frau Bundesrätin Schicker und vieler anderer, aber insbesondere die letzten beiden – haben gezeigt, dass dieses Thema auch den Oppositionsfraktionen eine Herzensangelegenheit ist, ähnlich wie den Regierungsfraktionen, und dass es angemessen und auch angebracht wäre, hier auf parteipolitische Positionierungen zu verzichten und im Sinne eines schon vorhanden gewesenen Konsenses, eines Vier-Parteien-Entschließungsantrages fortzufahren.

Dass letztlich auch die sozialdemokratische Fraktion im Nationalrat im letzten Moment in dritter Lesung ihre Zustimmung gegeben hat, hat mich persönlich sehr gefreut. Ich erachte es auch als ein durchaus angemessenes Mittel, im Rahmen einer zweiten Lesung mittels Abänderungsanträgen unterschiedliche Positionen erkennen zu lassen, in dritter Lesung aber dann dem Thema doch die Gesamtzustimmung zu geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Sie hier für Ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat ankündigen, ist aber das Gegenteil dessen. Sie sagen heute offensichtlich nicht "ja, aber ...", sondern Sie sagen "nein", denn Ihr Nein ist ein Nein. – Es gibt kein "Jein"! Sie sagen nicht ja und erklären durch Ihre Redebeiträge im Bundesrat, was Sie anders haben wollten, sondern Sie sagen nein. – Das ist sehr schade, weil es auch sachlich nicht begründet ist.

Frau Bundesrätin Schicker meinte zum Beispiel, es dauere so lange, bis man Anspruch auf Pflegegeld hat. Wir müssen allerdings – Herr Bundesrat Schennach hat das schon gesagt – deutlich zwischen dem Pflegethema und der Sterbebegleitung unterscheiden.

Sterbebegleitung heißt nicht Pflege des Angehörigen. Das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Das kann sich überlappen, wird es im Regelfall jedoch nicht. Wenn aber der Angehörige, der im Sterben liegt, kein Bezieher von Pflegegeld ist, dann hat Sozialminister Haupt mit der Einführung eines neuen Paragraphen, nämlich des § 18a, Vorkehrung dafür getroffen, dass in diesem Fall zumindest Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt wird. Das sind 413,50 €, knapp 6 000 S, die dem Betroffenen auf alle Fälle zustehen. Das ist für eine Phase von drei bis sechs Monaten doch ein gewisses Maß an existenzieller Absicherung.

Sollte der zu Pflegende und im Sterben liegende Angehörige aber schon Pflegegeldbezieher der Stufe 3 sein, so steht ihm im Falle der Erteilung von Hospizkarenz automatisch ein Pflegegeld der Stufe 4 zu. Ein Mehr von 207 € zu den 413,50 € dazu macht insgesamt rund 620 €.

Wenn Sie hier durch Ihren Fraktionsvorsitzenden Konecny, der jetzt leider nicht im Saal ist, zum Ausdruck bringen, Sie wollen ein fiktives Arbeitslosengeld herausberechnet haben, dann wissen Sie, wo das liegt. So weit sind die Dinge aber nicht voneinander entfernt. Wenn höhere Pflegegelder bezahlt werden, dann sind die mit der Pflege befassten Angehörigen ohnehin finanziell in gewisser Weise auch ausgestattet.

Das in Verbindung damit, dass Sozialminister Haupt auch eine Vorschussregelung verfügt hat – letztlich nicht verfügt, er braucht dafür die Zustimmung des Hohen Hauses, aber es kommt allemal aus dem Sozialministerium –, bedeutet, dass der Zugang zu diesen finanziellen Mitteln gleich da ist. – Ich weiß schon, im Regelfall braucht es relativ lang, bis Pflegegeld zuerkannt wird. (Bundesrat Kraml: Bis sie gestorben sind!)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hand aufs Herz: Vielleicht ermöglicht diese Sachverhaltsdarstellung dessen, was tatsächlich Sache ist, vor allem Ihnen von der sozialdemokratischen Fraktion doch noch, auch im Bundesrat ja zu sagen.

Es ist in der Politik so, dass man schon erklären wird müssen, warum man nein gesagt hat. (Bundesrätin Schicker: Das ist aber schon herausgekommen bei den Beiträgen!) Sie sagen nein zum Thema Hospizkarenz, und das werden Sie den Österreichern in den nächsten Monaten und Jahren erklären müssen, die diesem Thema ein hohes Maß an Zustimmung zubilligen, weil es auch ein hohes Maß an Zustimmung braucht. (Bundesrat Ing. Gruber  – in Richtung SPÖ –: Das werden Sie bei den Wahlen büßen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war einmal mehr von sozialer Kälte die Rede: Es ist schon richtig, Herr Bundesrat, wenn Sie fragen, was in den letzten 14 Jahren war. (Bundesrat Mag. Hoscher: Wirklich?)  – Da saß die ÖVP in der Regierung, aber den Sozialminister haben wir nicht gestellt, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Den Sozialminister haben wir nicht gestellt! (Bundesrat Manfred Gruber: Und jetzt stellen Sie ihn auch nicht, Herr Kollege!) Es wäre die Aufgabe sozialdemokratischer Sozialminister gewesen (Bundesrat Mag. Hoscher: Und die Einstimmigkeit im Ministerrat habt ihr vergessen!) , Vorlagen zum Thema Hospizkarenz und zum Thema "Abfertigung neu", Mitarbeitervorsorge einzubringen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das habt ihr schon alles vergessen! Politische Amnesie!)

Die Diskussion gibt es schon seit vielen Jahren – das Thema ist nicht ganz neu –, und diese Bundesregierung tut etwas. Es gibt das Glashaus, in dem manche sitzen, und man soll nicht mit Steinen werfen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Richtig! Absolut richtig!) Ich will jetzt Wortmeldungen von scheidenden Nationalratsabgeordneten nicht überbewerten und die Geschichte mit dem Eisschrank – auch wenn das paradox sein mag – nicht aufwärmen (Bundesrat Gasteiger: Jetzt werden Sie politisch, Herr Minister!) , aber hören Sie damit auf, den Regierungsfraktionen Gefühlskälte und soziale Kälte vorzuwerfen, wenn Sie mit solchen Argumentationen in Ihrer eigenen Fraktion konfrontiert sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wer so wie diese Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer in den letzten Monaten auf einen Erfolgs- und Arbeitskatalog verweisen kann, der die Gleichstellung von Arbeitnehmern und Arbeitern und die Schaffung des einheitlichen Arbeitnehmerbegriffes beinhaltet, darf sicherlich stolz sein. Warum ist denn diese Gleichstellung früher nie erfolgt? – Wir wissen es: Weil sozialdemokratisch geführte Gewerkschaften eben nie das Problem überspringen konnten, wie sie es denn mit dem Sektorprinzip der Arbeitergewerkschaft und der Angestelltengewerkschaft des Herrn Salmutter halten sollten.

Wir haben den einheitlichen Arbeitnehmerbegriff eingeführt. Wir haben das Kindergeld verwirklicht, mit einer deutlichen Verbesserung der Chancen von Familien und vor allem von Frauen. Wir haben das Thema Abfertigung ... (Bundesrätin Schicker: Aber wir haben keine Wahlveranstaltung hier?!) Sie, sehr verehrte Frau Bundesrätin, haben dieses Thema unter anderem angesprochen.

Wir verwirklichen heute im Sozialausschuss mit Hilfe und Mitarbeit der Sozialpartner das Thema Abfertigung für alle. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie haben auch die Steuerquote auf 46 Prozent erhöht! – Bundesrätin Haunschmid: Aber wir haben auch einen Haufen Schulden übernommen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich diskutiere gerne über soziale Gerechtigkeit, wenn ich sagen kann: Statt 15 Prozent der Arbeitnehmer, die bisher Abfertigung bezogen haben – ich habe es schon gesagt: 85 Prozent waren unter sozialdemokratischen Arbeits- und Sozialministern dem Prinzip Hoffnung ausgesetzt –, machen wir das jetzt für 100 Prozent. Da diskutiere ich mit Ihnen das Thema Gefühlskälte, soziale Kälte und auch soziale Gerechtigkeit sehr gerne – diese Diskussion gewinne ich! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist – damit schließe ich; ich habe in der Fragestunde schon manches gesagt ... (Bundesrat Manfred Gruber: Wer selbst im Eisschrank sitzt, sollte nicht über Gefühlskälte reden! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Was hat Leikam gesagt? Wer ist der wandelnde Kühlschrank? – Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Die nächsten Wahlen ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Wenn Sie, Herr Bundesrat, meinen, ich säße im Eisschrank, nachdem Herr Abgeordneter Leikam den Vorsitzenden Ihrer Partei vor ein paar Tagen als wandelnden Kühlschrank bezeichnet hat, dann würden Sie mich also gewissermaßen in Kollegen Gusenbauer hineinversetzen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Sollen wir jetzt aufzählen, wie Ihre eigenen Fraktionskollegen den Herrn Bundeskanzler schon genannt haben, unter anderem auch Sie? Sollen wir das jetzt vorlesen? Haben wir alles da!) Naja, Sie haben die Diskussion mit dem Eisschrank jetzt noch einmal angezogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreichs Antwort auf die Entwicklung in Sachen aktiver Sterbehilfe in Holland und Belgien – ein großer Mosaikstein, ein Teil einer Antwort; es wird nicht die ganze Antwort sein können, weil die Diskussion in Europa weitergehen wird – ist ein uneingeschränktes Bekenntnis zur Würde des Lebens, die aus unserer Sicht bis zum letzten Tag, bis zur letzten Stunde unteilbar ist. Seien wir aber so ehrlich und bekennen wir uns auch zu einem System – da ist die Hospizkarenz allein zu wenig –, das den Menschen ein Leben bis zuletzt und ein Sterben in Würde ermöglicht.

Dazu braucht es auch die stationären Einrichtungen. Ich war gestern in Graz nicht bei der Eröffnung, aber gewissermaßen Erstbekundung einer Hospizstation mit zehn Betten. Es ist wunderschön, wenn sich der Hospizverein und viele andere überkonfessionell und überparteilich engagieren. Aber dass sich die Krankenkassen weigern, dort irgendeine Leistung zu erbringen, ist ein Schmarren! Hospizkarenz ist gut, aber es müssen auch andere Bedingungen erfüllt werden, und daran muss noch gearbeitet werden.

Herr Bundesrat Schennach! Zu Ihrem ersten "Geburtstag": Da hätte es bei der 100. Ministerratssitzung der Regierung Schüssel vor zwei Tagen einen riesengroßen Strauß roter Rosen geben müssen, wenn ich an dieses für Österreich so wichtige Jubiläum denke, wenn man als Bundesrat nach einem Jahr drei weiße Rosen bekommt! (Bundesrat Manfred Gruber: Dass es das nicht gegeben hat, ist sehr bezeichnend! – Bundesrat Gasteiger: Ihre Abgeordneten haben es nicht gemacht! – Bundesrat Manfred Gruber: Das würde mich nachdenklich stimmen, dass es keine Blumen gegeben hat!)

Bei uns gab es ein Arbeitsfrühstück mit Kipferl und Marillenmarmelade. – Auch nicht schlecht! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich damit schließen, dass dieser erste Geburtstag schon ein bisschen dazu passt. Paul Michael Zulehner, der Pastoraltheologe, der in Österreich Wichtiges sagt, sagt das Folgende nicht einmal selbst, sondern er zitiert einen italienischen Kardinal, der einmal davon gesprochen hat, dass so, wie die Eltern ihre Kinder in das Leben begleiten, wir es auch den Kindern ermöglichen wollen, ihre Eltern aus dem Leben zu begleiten. Das soll die Hospizkarenz verbessern, mehr ermöglichen.

Noch einmal mein von Herzen kommender Appell an die sozialdemokratische Bundesratsfraktion, ihr Abstimmungsverhalten noch einmal zu überlegen! – Ich glaube, ein Ja wäre dem Thema wirklich angemessen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fösleitner. – Bitte.

11.36

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Österreich ist nicht nur ein wunderschönes Land mit einer hohen Lebensqualität, ein


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Land, in dem die Menschen Arbeit haben (Bundesrat Manfred Gruber: Dank 30 Jahren sozialdemokratischer Politik!) , eine Vielfalt an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen können, ein Land, in dem die Jugend viele Chancen der persönlichen und beruflichen Qualifikation und Entfaltung nutzen kann, auch ein Land mit einer florierenden Wirtschaft, mit fleißigen, tüchtigen und kreativen Menschen, Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch ein Land der sozialen Wärme, ein Land, das gerade im Sozialbereich europaweit beispielgebend ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Mit der Einführung der Familienhospizkarenz setzt unsere Regierung einen weiteren Meilenstein in der Sozialpolitik unseres Landes. Damit ist sie ist nicht nur für unser Land, sondern auch, wie ich schon vorhin sagte, europaweit beispielgebend. Unsere Regierung redet nicht nur von sozialer Wärme – sie setzt Taten.

Mit dem Rechtsanspruch auf Pflegekarenz geht Österreich in der Begleitung der Sterbenden einen Weg der Menschlichkeit und nicht den der aktiven Sterbehilfe, wie das in den Niederlanden und in Belgien der Fall ist. Die meisten Menschen wünschen sich, im Kreise der Familie gepflegt und betreut zu werden, wünschen sich, im Beisein der nächsten Angehörigen ihr Leben in Würde beschließen zu können.

Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, wie tröstlich es für Familienmitglieder ist, in der Abschiedsphase ihre Nächsten begleiten zu können. Ich halte es da mit Dr. Zulehner, der vorhin zitiert wurde. Wir begleiten in den Familien unsere Kinder in das Leben, und mit dieser Familienhospizkarenz wird es uns möglich, unsere Eltern, unsere Angehörigen auch in Würde aus dem Leben begleiten zu können.

Diese Familienhospizkarenz eröffnet uns viele Möglichkeiten. Besonders hervorheben – das wurde heute inhaltlich schon vielfach ausgeführt – möchte ich den Rechtsanspruch auf diese Pflegekarenz, die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Pflegepersonen, die unbürokratische Handhabung und die Möglichkeit, dass mehrere Familienmitglieder und Angehörige gleichzeitig die Karenz in Anspruch nehmen können.

Die Auszahlung beziehungsweise Erhöhung des Pflegegeldes stellt auch eine gewisse finanzielle Hilfe dar, wie das Herr Bundesminister Dr. Bartenstein vorhin schon sehr ausführlich erläutert hat. Härtefälle werden im Härteausgleichsfonds behandelt.

Die Evaluierungsphase wird dazu dienen, Erfahrungen zu sammeln, berechtigte Wünsche abzuklären, finanzielle Hilfestellungen zu überdenken und zu schauen, wie dieses Angebot angenommen wird. Vor allem wird sie dazu dienen, in Härtefällen zu helfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der sozialdemokratischen Fraktion! Wir wollen keine Verzögerung. Wir möchten, dass dieses Gesetz mit 1. Juli in Kraft treten und von allen, die dies so notwendig brauchen, in Anspruch genommen werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nach der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ist Österreich nun auch in dieser sozialen Weichenstellung ein Vorzeigeland. Wir haben allen Grund, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, uns zu freuen, auf unser Land stolz zu sein, auch auf diese Regierung stolz zu sein, und all jenen zu danken, die aktiv und kreativ mitgewirkt haben. An dieser Stelle möchte ich besonders auch der Wirtschaft danken, die von Beginn an sehr konstruktiv mitgearbeitet, mitgestaltet und dadurch diesen Meilenstein im Sozialbereich ermöglicht hat.

Meine Fraktion wird mit großer Wertschätzung diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.


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11.43

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Verhalten der SPÖ bei diesem Thema überrascht mich nicht mehr. Anscheinend gibt es eine tiefe Beleidigung darüber, dass die blau-schwarze Regierung auch im Sozialbereich die Themenführerschaft übernommen hat. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Würschl: Im Abkassieren!)

Das Thema, mit dem wir uns bei diesem Tagesordnungspunkt auseinander setzen, ist so alt wie die Menschheit. Jede funktionierende menschliche Gesellschaft musste und muss sich der Problematik der Pflege und des Schutzes von noch nicht und nicht mehr voll einsatzfähigen Mitgliedern der Gemeinschaft stellen.

Es wurden im Laufe der Geschichte verschiedene und doch immer wieder ähnliche Antworten gegeben und Modelle entwickelt. Bei den meisten Naturvölkern ist der Erfahrungsschatz der Alten hoch im Kurs und der würdevolle Ausklang des Lebens auch unter einfachsten Gegebenheiten eine Selbstverständlichkeit.

Wenn man, so wie ich, das Glück hatte, mit Großeltern im gemeinsamen Haushalt aufzuwachsen, weiß man, wie wertvoll der Umgang mit älteren Menschen für die Entwicklung von jungen Menschen ist und wie schmerzhaft es sein kann, wenn man das natürliche Altern und das Sterben dieser Bezugspersonen nicht verhindern kann. Mit solchen Erfahrungen ist es leicht, die aktive Sterbehilfe, die Euthanasie, wie sie in Belgien gesetzlich verabschiedet wurde, abzulehnen und sich voll dafür einzusetzen, dass allen Sterbenden ein Abschied in Würde und mit Zuneigung und Liebe möglich ist.

Tatsache ist, dass es zu diesem Thema Verantwortlichkeiten im Familienbereich gibt, denen wir uns nicht entziehen können. Tatsache ist aber auch, dass die strenge Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Verantwortlichkeiten die Möglichkeiten der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit über Gebühr einschränken kann. In den letzten Jahrzehnten haben sich aus meiner Sicht zwei grundsätzlich verschiedene Zugänge zur Thematik des würdevollen Sterbens entwickelt:

Der konservative Zugang beharrt auf althergebrachten Mustern und idealisiert teilweise Zustände in der Vergangenheit, die bei näherem Betrachten nicht eins zu eins übernehmbar sind.

Der progressive Zugang überträgt Verantwortlichkeiten übermäßig an den Staat, übermäßig in professionelle Hände, wodurch einerseits hohe Kosten entstehen und andererseits Menschlichkeit und Wärme verloren gehen.

Irgendwo zwischen dem konservativen und dem progressiven Zugang liegt der richtige Punkt, dem wir uns annähern müssen. Oft ist ein kleiner Schritt zurück ein großer Schritt nach vorne. Mit den in Verhandlung stehenden Gesetzentwürfen scheint dies gelungen zu sein. Der Weg ist richtig und wird in Bereichen, in denen das Gefühl für gegenseitige Verantwortung im Familienbereich noch nicht abhanden gekommen ist, erfolgreich sein. Dort, wo Verantwortungslosigkeit und Egoismus die Oberhand gewonnen haben, werden wir in mühseliger Kleinarbeit wieder aufbauen müssen, was über – aus meiner Sicht falsch verstandene – ideologische Basisarbeit zerstört wurde.

Die Möglichkeit, sich über das Gesetz betreffen Familienhospizkarenz zur Betreuung und Sterbebegleitung naher Angehöriger sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert freistellen zu lassen, ist eindeutig zu begrüßen. Wer sich in der Vergangenheit zur Pflege eines Familienmitgliedes bekannt hat, musste mit Konsequenzen am Arbeitsplatz rechnen. In Zukunft gibt es einen Rechtsanspruch auf Herabsetzung und auf Änderung der Normalarbeitszeit beziehungsweise auf Freistellung bei Entfall des Arbeitsentgeltes. Der Zeitraum ist mit Verlängerung bis zu einem halben Jahr ausdehnbar, wobei die Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsversicherung aufrecht bleibt.

Die freiheitliche Fraktion stimmt diesem Tagesordnungspunkt aus voller Überzeugung zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.50


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688. Sitzung / Seite 49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

11.50

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, tue das aber dennoch, um vielleicht ein Missverständnis aufzuklären. Auf Grund der Ernsthaftigkeit dieses Themas möchte ich das ohne jegliche parteipolitische Polemik tun, so wie sie uns vor kurzem von der Regierungsbank entgegengeschlagen hat. Ich glaube, dass sich alle Fraktionen dieses Hauses – tatsächlich alle Fraktionen! – gut überlegen sollten, ob wir derartige Usancen in einer Kammer dieses Hauses wollen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber zum Thema: Polemik von der Regierungsbank ist immer anders beurteilt worden – in beiden Kammern! – als vom Rednerpult. Aber bitte, es ist kein Problem, wir können auch damit umgehen.

Ich möchte nur inhaltlich beziehungsweise zum Formalen eines sagen – das kam auch von der Regierungsbank, und der Herr Bundesminister war bei unseren Redebeiträgen anwesend, hätte das hören müssen und hat es auch gehört –: Der Vorwurf, dass wir uns inhaltlich nicht mit dieser Materie identifizieren, ist völlig haltlos, absolut haltlos. Das haben auch Kollege Konecny und alle weiteren Redner gesagt. (Bundesrat Weilharter: Dann stimmen Sie mit!) Dieser Vorwurf stimmt nicht! Das Problem ist nur – das dürfte Ihnen offensichtlich entgangen sein –, dass eben der Bundesrat eine andere Geschäftsordnung hat als der Nationalrat, dass Abänderungsanträge hier nicht möglich sind, dass es nicht die Differenzierung zwischen zweiter und dritter Lesung gibt.

Wir haben daher einen begründeten Antrag eingebracht, der zur Abstimmung steht. Das sind die Regeln im Bundesrat, das ist die Geschäftsordnung. Das hat nichts damit zu tun, ob wir uns inhaltlich mit diesem Antrag identifizieren oder nicht – was wir mit dieser Materie selbstverständlich tun. (Beifall bei der SPÖ.)

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Gruber. – Bitte.

11.52

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Rosen für Schennach und (ein Glas mit Eiswürfeln in die Höhe haltend) Eis für Gusenbauer! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.) Das möchte ich dann hier übergeben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am Sonntag bei der Fronleichnamsprozession hat der Pfarrer in der Kirche gewürdigt, dass Österreich ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für das Leben gesetzt habe. Ich würde sagen: Mit der Einführung des Kindergeldes, mit der Sterbebegleitung und Hospizkarenz ist ein Meilenstein in diesem Lande gesetzt worden. Die soziale Kälte des "wandelnden Kühlschranks", seiner Vorgänger Vranitzky und Klima ist vom Kabinett Schüssel I behoben worden, es sind entsprechende familienpolitischen Schritte von dieser Regierung gesetzt worden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Signal für das Leben, während sich andere europäische Länder – wir haben es heute schon gehört – für die Legalisierung der Euthanasie und damit für die Kultur des Todes entschieden haben.

Der "wandelnde Kühlschrank", liebe Freunde, wollte mit dem Obmann des Innenausschusses, Leikam, einem Bezirksobmann-Kollegen von mir in St. Veit an der Glan, einfach nicht mehr zusammenarbeiten. Mit dem "Sozi"-Justizsprecher Hannes Jarolim, der nach den Demonstrationen der "Sozi"-Jugend von Prügelpolizisten und Polizeistaat gesprochen hat, hat Gusenbauer


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688. Sitzung / Seite 50

anscheinend mehr Freude. Solch ein Abgeordneter passt besser zu einem "wandelnden Kühlschrank" als Abgeordneter Leikam; das ist mir auch klar.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar persönliche Eindrücke zum Jahrhundertgesetz wiedergeben. Mein Vater war hart im Nehmen – in Kärnten sagt man "ein harter Hund" –, aber für die Begleitung bis in den Tod, für die Zeit, die wir mit ihm als sterbendem Menschen verbracht haben, war er sehr dankbar. Er konnte in den letzten Monaten nicht mehr sprechen, aber er hat uns seine Dankbarkeit durch Händedrücken gezeigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Regierung geht mit diesem Gesetz einen zutiefst menschlichen Weg, der auch sozialpolitisch machbar ist. Das gehört Frau Trunk einmal gesagt, wenn sie wieder einmal im Hohen Haus anwesend ist.

Die meisten Menschen halten beim Erben sozusagen die Hände auf, und bei der Sterbebegleitung haben sie immer die Ausrede, sie müssen arbeiten. – Diese Ausrede, sehr geehrte Damen und Herren, zählt nicht mehr: Die Familienhospizkarenz ist da! Die Regierung Schüssel I, der Wirtschaftsminister und die Wirtschaft haben die Begleitung bis in den Tod ermöglicht. Die Roten, so hat Herr Konecny gesagt, sind vollinhaltlich einverstanden, aber die “Sozis” stimmen dagegen. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Franz Gruber geht mit dem Glas mit Eiswürfeln zu Bundesrat Würschl und will ihm dieses überreichen; Bundesrat Würschl nimmt das Glas jedoch nicht an.)

11.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

11.56

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nur selten – wenngleich doch schon einige Male – so viel Doppelzüngigkeit von Seiten der Sozialdemokratie deutlich geworden wie gerade heute bei der Verabschiedung eines Gesetzes, das so wichtig ist und das durch den Beschluss der nordischen Staaten, so glaube ich, noch wichtiger geworden ist. Es gilt, ein Zeichen zu setzen, einen Weg zu gehen, der von so vielen Menschen gewünscht wird, nämlich Leben bis zum letzten Atemzug und nicht weggehen von uns, ein Ende, das mit Liebe begleitet werden soll.

Es ist ein österreichischer Weg, den wir mit dieser Hospizkarenz gehen, und nicht ein Weg der Koalition. Es ist ein Weg, der durch einen gemeinsamen Entschließungsantrag begründet und vorerst auch beschritten worden war.

Noch einmal zu dieser Doppelzüngigkeit. Frau Kollegin Trunk meinte, nun wird Zeit zur Verfügung gestellt. – Sie haben 30 Jahre lang nicht einmal diese Zeit zur Verfügung gestellt, nicht einmal daran gedacht, eine Zeit für die Tätigkeit einer Sterbebegleitung zur Verfügung zu stellen!

Ich möchte auch erwähnen, dass aus dem Familienlastenausgleichsfonds Mittel zur Verfügung stehen, um Fälle abzudecken, in denen die Zeit eben nicht ausreicht. Ich sollte es nicht immer wiederholen müssen, meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, dass Finanzminister Edlinger den Familienlastenausgleichsfonds anders entleert hat, als es diese Koalitionsregierung bis heute getan hat. Die Mittel in diesem Familienlastenausgleichsfonds haben sich bis dato, in diesen zweieinhalb Jahren, nicht verdreifacht, aber jetzt, nachdem dieser Fonds erstmals dazu verwendet wird, wozu er da sein sollte, nämlich unter anderem für das Kindergeld und für die Familie, sollte man auf einmal unentwegt herausschöpfen können! Meine Damen und Herren! Das ist nicht möglich, und dazu haben Sie in den Jahren zuvor sehr viel beigetragen.

Sie kritisieren die Sterbebegleitung, weil es heißt: nicht für alle. Sie verlangen die Sterbebegleitung über die Familie hinaus, auch über die erweiterte Familie hinaus. – Ich denke zum Beispiel auch an die kleinen Unternehmer: Ein solcher Unternehmer wird sein Geschäft nicht


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688. Sitzung / Seite 51

zusperren können, um seine Lieben zu pflegen oder zu begleiten! Daran haben Sie nicht gedacht, obwohl Sie da auch wieder eine sehr deutliche Doppelzüngigkeit an den Tag legen.

Im Entschließungsantrag Ihres Fraktionschefs Dr. Gusenbauer im Nationalrat springt dieser auf einmal auf den Zug der Klein- und Mittelbetriebe auf, die ihm bis dato völlig egal waren, und fordert die Schaffung eines Stabilitätsfonds!

Aber wiederum denken Sie überhaupt nicht an die Unternehmer. Wir haben sehr wohl daran gedacht, allerdings wissen wir, dass es jetzt noch nicht möglich ist und dass es vieler kleiner Schritte bedarf, um zu erreichen, dass Familienhospizkarenz alle in Anspruch nehmen können.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Nehmen Sie sich bitte wirklich an der eigenen Nase! Dies ist nicht möglich, weil Sie uns diesen großen Schuldenberg hinterlassen haben. Wir, ja die gesamte Bevölkerung arbeiten daran, diesen Schuldenschutthaufen abzubauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie wirklich jetzt mit den Worten Ihres Kollegen Grünewald aus dem Nationalrat: Was sind oder waren Ihnen in den letzten 30 Jahren die Sterbenden wirklich wert? Waren Sie Ihnen wirklich weniger wert als der Tanz um das goldene Kalb von Lohnnebenkosten und Profit? – Das sind die Worte Ihres Kollegen Grünewald, und ich verwende sie für Sie.

Wir glauben, dass diese Frage von einigen von Ihnen mit Nein zu beantworten ist. Wir jedenfalls werden nicht aufgeben, bis wir erreichen, dass alle in die Familienhospizkarenz aufgenommen werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal an das erinnern, was immer wieder gesagt wurde. Der Gesetzentwurf, der heute zur Beschlussfassung vorliegt, entspricht exakt dem, was am 13. Dezember vorigen Jahres als Entschließungsantrag einstimmig angenommen wurde. Es muss uns wirklich nachdenklich stimmen, wenn es hier und heute zu keiner Einigung kommt.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir alle wissen, dass es viele Schritte sein werden, die wir gehen müssen, aber den wichtigsten Schritt, nämlich sich einmal zu dieser Sterbehilfe mit Liebe zu bekennen, den Schritt, den Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, in den letzten 30 Jahren kein einziges Mal angedacht, ja sogar abgelehnt haben, und zwar und vielleicht auch deswegen, weil es sich um eine Forderung handelt, die die Freiheitlichen schon jahrelang erhoben haben, müssten wir wirklich gemeinsam setzen.

Die "lebenden Sterbenden", wie wir sie nennen, die all das brauchen würden, denken daran und hoffen darauf, dass wir gemeinsam diesen ersten Schritt gehen, ohne sofort zu viel zu fordern, wie Sie es immer in den Raum stellen. Es geht nicht. Sie haben es sich selbst in die Schuhe zu schieben, dass nicht alles auf einmal geht. Bekennen Sie sich endgültig dazu, und gehen Sie mit uns diesen ersten großen Schritt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung gelangen, gebe ich bekannt, dass ich zunächst über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer


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688. Sitzung / Seite 52

den – Familienhospizkarenz –, samt der beigeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben, abstimmen lassen werde.

Wenn dieser Antrag, Einspruch zu erheben, keine Mehrheit findet, werde ich den Ausschussantrag, keinen Einspruch zu erheben, zur Abstimmung bringen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz betreffend Familienhospizkarenz.

Es liegt mir hiezu ein Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den gegenständlichen Beschluss samt der beigeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Da mir hiezu gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein von fünf Bundesräten unterstütztes Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung vorliegt, ist diese durchzuführen.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nun die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Giesinger und Schriftführer Hagen geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist beendet. Wir warten auf das Ergebnis der Abstimmung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

Ich gebe nun das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit "Ja" haben 21 Bundesräte, mit "Nein" haben 33 Bundesräte gestimmt.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Auer;

Binna, Boden;

Freiberger;

Gasteiger, Manfred Gruber, Gstöttner;

Haselbach, Mag. Hoscher;

Kaltenbacher, Konecny, Kraml;

Reisenberger, Rosenmaier;

Schennach, Schicker, Schlaffer;

Todt, Mag. Trunk;

Winter, Würschl.


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Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Aburumieh, Dr. Aspöck;

Bieringer, Dr. Böhm;

Fasching, Fösleitner;

Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Grillitsch, Ing. Franz Gruber, Mag. Gudenus;

Hagen, Haunschmid, Mag. Himmer, Höllerer, Hösele;

Keuschnigg, Ing. Klamt, Kneifel;

Ledolter, Dr. Liechtenstein, Dipl.-Ing. Dr. Lindinger;

Dipl.-Ing. Missethon;

Pühringer;

Mag. Ram;

Saller, Schöls, Steinbichler;

Mag. Tusek;

Weilharter, Wimmler, Wolfinger.

*****

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend eine Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger (969 und 1121/NR sowie 6650/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang (1030 und 1122/NR sowie 6651/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW (964/NR sowie 6652/BR der Beilagen)


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688. Sitzung / Seite 54

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen (1028/NR sowie 6653/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang (1029/NR sowie 6654/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

eine Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger

ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW

Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen

ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Johann Ledolter übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Johann Ledolter: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend eine Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger.

Der Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen beziehungsweise liegt vor, sodass ich mich auf den Antrag beschränken kann.


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688. Sitzung / Seite 55

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich setzte fort mit dem Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang.

Auch dieser Bericht ist in schriftlicher Form vorliegend, sodass ich zum Antrag komme.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW liegt auch in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 samt Anhängen, liegt ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich der letzte Bericht: Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu den am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet samt Anhang.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

12.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Wir diskutieren hier fünf Punkte in einem. Ich habe einen symbolischen Widerspruch zum ersten, allen anderen stimme ich gerne zu, insbesondere dem Cotonou-Abkommen, das an die Stelle bereits mehrerer veralteter, auslaufender Lomé-Abkommen tritt.


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Gerade das Cotonou-Abkommen zeigt, dass völlig neue Gedanken, nämlich die Gedanken der Armutsbekämpfung, der Konfliktprävention, aber auch die Sorge um die Umwelt eingeflossen sind. Insofern ist dieses Cotonou-Abkommen eine sehr begrüßenswerte Weiterentwicklung des Verhältnisses der EU zu den so genannten Entwicklungsländern.

Der Grund dafür, warum ich mich als Kontraredner in die Liste eingetragen habe, ist – ich habe es bereits gesagt – ein symbolischer Widerspruch. Ich nehme an, dass ich alles, was Kollege Liechtenstein nach mir sagen wird, auch unterschreiben kann. Soweit gebe ich Ihnen einen Blankoscheck.

Das Ariane-Programm stellt wahrscheinlich die Garantie für Französisch-Guyana dar, dass es immer in diesem Status verbleiben wird. Während Britisch-Guyana und auch Niederländisch-Guyana eigenständige Staaten wurden, Surinam zum Beispiel, bleibt das europäische Weltraumprogramm – jetzt sage ich das einmal unter umgekehrten Vorzeichen – der Garant für eine Art Kolonialstatus in Lateinamerika. Deshalb grenzt Schengen nicht nur an europäische Staaten, sondern auch an die Nachbarstaaten von Französisch-Guyana. Auch Brasilien oder Surinam hat eine Schengen-Grenze.

Meine Damen und Herren! Deshalb möchte ich hier ein symbolisches Nein sagen. Ich weiß, Kasachstan als auch Französisch-Guyana bieten die idealeren Voraussetzungen im Unterschied zu Cap Canaveral, wo es ein echtes Problem auf Grund der Lage gibt, für das günstige Erreichen der entsprechenden Umlaufbahnen.

Ich bin jemand, der für Weltraumforschung eintritt und auch das Ariane-Programm an sich begrüßt, aber doch in einer anderen Form der Partnerschaft zu einem Volk und einem Staat, wie es derzeit gegeben ist. Gerade Frankreich – ich erinnere nur an die Neukaledonienfrage – war nie sehr zimperlich in der Verteidigung gewisser neokolonialer Ansprüche.

Meine Damen und Herren! Deshalb sage ich hier ein symbolisches Nein zu diesem Punkt, aber nicht ein prinzipielles Nein zur Ariane-Forschung. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

12.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm das Wort.

12.19

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke, Kollege Schennach, für das, was du vorher gesagt hast. Das kann ich eigentlich auch als Antwort geben, und zwar mit Freude.

Die heutige Behandlung der Cotonou-Konvention schließt inhaltlich nahtlos an die Verabschiedung des neuen Gesetzes über Entwicklungszusammenarbeit an, das Anfang April in Kraft getreten ist. Für mich ist diese Konvention zusammen mit dem neuen Gesetz über Entwicklungszusammenarbeit ein Beweis dafür, dass etwas möglich ist, das lange gefordert wurde, nämlich eine einheitliche, an klaren Zielen orientierte österreichische Entwicklungspolitik gegenüber der Dritten Welt; eine Entwicklungspolitik, die nicht nur die Durchführung von Projekten in Entwicklungsländern zum Inhalt hat, sondern – ich zitiere das neue ESA-Gesetz – auch jene Politikbereiche mit einschließt, welche die Entwicklungsländer berühren können.

Ich glaube, dass gerade eine ganze Reihe von EU-Staaten eine sehr große Verantwortung hat, auch auf Grund der Geschichte.

Meine Damen und Herren! Den Beginn dieser neuen Linie in der österreichischen Außenpolitik, nämlich der gesamthaften entwicklungspolitischen Gestaltung unserer Beziehung zu Entwicklungsländern, orte ich mit dem Zeitpunkt, als Sie, Frau Bundesministerin, als Staatssekretärin diese wichtige Arbeit begannen. Sie waren es, die 1998 die Verhandlungen zu dieser richtungsweisenden Cotonou-Konvention eröffnet und damit der österreichischen Position Ihren Stempel aufgedrückt haben. Sie haben dafür Sorge getragen, dass Österreich ganz prominent in den


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Verhandlungen auf die Zielsetzung der Armutsbekämpfung gepocht hat. Und Sie waren es, die letztendlich dafür gesorgt hat, dass es Österreich in einem langwierigen und mühevollen Verhandlungsprozess gelungen ist, den fairen Handel in dieser Konvention zu verankern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von allen Fraktionen! Ich weiß, wie wichtig gerade auch Ihnen, aber natürlich auch meiner Partei der "freie Handel" ist, und ich denke daher, es ist heute der Zeitpunkt, Folgendes anzuerkennen: Es hat sich etwas getan in der österreichischen Entwicklungspolitik; mein Vorredner hat das auch schon erwähnt. Und dafür darf ich Frau Außenminister Ferrero-Waldner sehr danken, es ist wirklich ein frischer Wind spürbar.

Die Grundzüge dieser Konvention decken sich mit jener Linie, die von der Frau Außenministerin auch für die Entwicklungspolitik in Österreich vorgegeben wurde. Ich möchte diese Linie kurz umschreiben mit Entwicklungszusammenarbeit im Sinn von Solidarität mit den Ärmsten, aber auch wohlverstandenen Eigeninteressen. Lassen Sie mich diese Linie an Hand von Beispielen aus der Cotonou-Konvention belegen!

Zur Rückübernahmeklausel für illegale Immigranten: Ich betone ausdrücklich, es handelt sich um illegale Einwanderer, und ich denke, es ist gut und richtig, dass man in einem Partnerschaftsabkommen auch solch heikle Punkte nicht ausspart. Wir arbeiten mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik zusammen im Dienste der Armutsbekämpfung, der Demokratie und der Menschenrechte. Wir können aber im Gegenzug auch dafür eintreten, dass diese Länder ihre illegalen Einwanderer wieder aufnehmen. Diese Rückübernahmeklausel ist ein Erfolg, den wir nicht vergessen. Das Abkommen deckt 77 Länder ab. Die Verhandlungen dieser Klausel mit jedem einzelnen dieser Länder wären sicherlich ein dorniger, sehr schwerer Weg gewesen.

Auch die Änderung des Handelsregime zeugt von dieser neuen Linie. Vergessen wir nicht die Ausgangspunkte! Erstens: Von der WTO wurden zunehmend die einseitigen Handelspräferenzen, die die EU den AKP-Staaten einräumte, in Frage gestellt. Zweitens: Vergessen wir aber auch nicht, dass trotz dieser großzügigen Handelspräferenzen der Anteil der AKP-Länder am Welthandel permanent gesunken ist!

Es war daher Zeit für etwas Neues, und welche andere Alternative gab es als freie Handelsabkommen mit diesen Ländern?! Ich möchte dabei aber ein sehr wichtiges Detail aus dieser Konvention hervorheben. Die am wenigsten entwickelten Länder unter den AKP-Staaten haben die Alternative, zu wählen: Freihandelsabkommen oder das Allgemeine Zollpräferenzsystem der EU, das inzwischen für alle am wenigsten entwickelten Länder, auch für jene außerhalb der AKP-Gruppe, einheitlich gestaltet wurde.

Dieses Allgemeine Zollpräferenzsystem erlaubt diesen besonders unterstützungsbedürftigen Ländern den zollfreien Zugang für all ihre Produkte auf dem europäischen Markt, mit Ausnahme von Waffenimporten. Die Verhandlungen dieses neuen Zollpräferenzsystems liefen, wie Sie wahrscheinlich wissen, völlig unabhängig von den Verhandlungen zur Cotonou-Konvention und waren ziemlich schwierig. Und wiederum waren Sie es, Frau Bundesministerin, die gemeinsam mit den Bundesministern Bartenstein und Molterer durchgesetzt hat, dass dieses Zollpräferenzsystem mitgetragen wird.

Frau Ministerin! Heute ist ein großer Tag für die österreichische Entwicklungspolitik und auch ein großer Tag, wenn ich so sagen darf, für Sie. Mit dem In-Kraft-Treten dieses neuen Abkommens setzen Sie einen weiteren Meilenstein in Ihrem überzeugenden Engagement für die Entwicklungsländer. Ich bin froh, dass wir eine Außenministerin haben, die neben so wichtigen Bereichen wie Europa-Politik oder den transatlantischen Beziehungen auch auf die Bedeutung der Dritten Welt nicht vergisst – der Dritten Welt, der gegenüber gerade wir Europäer eine große Verantwortung haben.

Meine Fraktion wird den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Schennach. )

12.26


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 58

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner teile ich Herrn Bundesrat Klaus Gasteiger das Wort. – Bitte.

12.26

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Die Zusammenarbeit europäischer Staaten für die friedliche Nutzung auf dem Gebiet der Weltraumforschung, der Weltraumtechnologie, ihrer weltraumtechnologischen Anwendungen für die Wissenschaft sowie Weltraumanwendungssysteme zu fördern, ist das erklärte Ziel der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Ich glaube, darüber wissen die meisten hier Bescheid.

Zur Erfüllung dieses Auftrages arbeitet die ESA eine langfristige Weltraumpolitik aus, die es Europa gestattet, in allen technischen Bereichen der Raumfahrt eigene Kompetenzen zu entwickeln. Die Regierungsvorlage bietet Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die ESA nicht nur ein wichtiger Faktor im Bereich der technologischen Forschung und Weiterentwicklung ist, sondern auch ein sehr wichtiger Arbeitgeber in Europa.

Wir Sozialdemokraten waren zum Zeitpunkt der Gründung der Ariane-Space auf europäischer Ebene in den nationalen Staaten sicherlich bestimmend, unterstützen dieses Projekt einer Europäischen Weltraumorganisation und haben es immer unterstützt. Tatsache ist, dass unser Land leider nicht das volle Potenzial, das in ihm steckt, nützt und möglicherweise dazu auch nicht wirklich beitragen kann. Trotzdem seien stellvertretend österreichische Betriebe wie die Plansee-Werke in Tirol, die FACC, die Firma Gföllner und andere in diesem Zusammenhang positiv erwähnt, aber es ist sicherlich noch zu wenig.

Die Gesellschaft Ariane-Space ist für die Produktion, die Vermarktung, die Abwicklung von Starttätigkeiten der von der ESA entwickelten Trägerrakete Ariane verantwortlich. Ihr sind diese Aufgaben übertragen worden. Dafür ist die Genehmigung des heute vorliegenden Staatsvertrages notwendig, der die Beziehungen zwischen den Teilnehmern am Ariane-Entwicklungsprogramm und der Gesellschaft Ariane-Space regelt. Dieser Vertrag wird sicherlich unsere sozialdemokratische Zustimmung finden, da dies eine Fortführung der jahrzehntelangen europäischen Bemühungen auf dem Gebiet der friedlichen Weltraumforschung und Technologie bedeutet.

Wenn wir jetzt von der Weltraumtechnologie, also dem High-Tech-Produkt, einen Bogen zur Entwicklungspolitik zu spannen versuchen – auch dies haben wir unter diesem Tagesordnungspunkt zu beschließen –, dann ist dies natürlich nicht ganz leicht.

Wir Sozialdemokraten werden heute dieser Vorlage zustimmen, da es ein Ziel sein muss, eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik auf Strategien zur Linderung der Armut, kombiniert mit den Bereichen Politik, Handels- und Entwicklungspolitik, zu erwirken.

Wenn wir die Ratifizierung des neuen Abkommens zwischen der EU und den AKP-Staaten beschließen, dann geht es auch um die Frage, wie oder ob sich die Lebenssituationen von Menschen in den ärmsten Ländern der Welt verbessern.

Wir müssen eingestehen, dass die Liberalisierung des Welthandels eher zu Verschlechterungen der Lebenssituation der Menschen in diesen Ländern geführt hat und dass bis jetzt vor allem – nicht nur, aber vor allem – die Industrieländer davon profitiert haben.

Wir fordern, dass in die Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Ländern vermehrt auch die Frauenpolitik einbezogen wird, dass man sich überlegt, wie man Frauen an der Wirtschaft dieser Länder teilhaben lassen kann, denn wir alle wissen, das ist der erste Schritt zur Armutsbekämpfung.

Dass die österreichische Bundesregierung mit der Entwicklungspolitik und der Bekämpfung der Armut ihre Probleme hat, das lassen Sie mich abschließend kurz in zwei Sätzen erläutern. Die so genannte christlich-soziale, konservative Fraktion der Bundesregierung, die jetzt nur sehr mäßig anwesend ist, hat die finanziellen Mittel für die Entwicklungspolitik gegenüber den


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vergangenen Jahren drastisch gekürzt. Ich frage: Wie kann man da aktive Entwicklungspolitik betreiben?

Der rechte Teil der Bundesregierung – auch da gibt es gelichtete Reihen – hat folgenden Vorschlag zur Armutsbekämpfung gemacht – Herr Präsident, ich erlaube mir, aus der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung von heute zu zitieren –: "Die FPÖ kann sich Verbotszonen für Betteln (Kärntner Straße, Graben) und die Abschiebung von Bettlern vorstellen."

Ich fordere die Bundesregierung auf, Entwicklungspolitik und Bekämpfung der Armut nicht nur als Lippenbekenntnis im Raum stehen zu lassen, sondern aktiv etwas zu tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

12.32

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Von den Punkten, die wir heute behandeln und beschließen wollen, möchte ich mit dem Beschluss betreffend die Ariane-Rakete beginnen. Ich finde es erfreulich, dass auch Österreich an der Europäischen Weltraumorganisation teilnimmt. Österreich hat sich 2001 mit 1,25 Prozent des ESA-Budgets beteiligt. Das sind 28,77 Millionen €.

Der mögliche Einwand, dass eine Rakete auch für nicht friedliche Zwecke verwendet werden könnte, steht durchaus im Raum. Aber auch ein Skalpell oder ein hochtechnisches medizinisches Gerät ist in der Lage, nicht nur Nutzen, sondern bei falscher Anwendung auch Schaden zu stiften. Die vertraglichen Voraussetzungen zu diesem Gesetzeswerk sind aber derart, dass wir das ausschließen müssen, weil nicht nur eine Person über die Verwendung, die Konstruktion und den Einsatz dieser Raketen bestimmt. Es heißt auch ausdrücklich: "ausschließlich für friedliche Zwecke". Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass das so sein wird.

Es gibt auch Einwendungen, die schon angeklungen sind, dass Französisch-Guyana, in dem Kourou liegt, eine Kolonie Frankreichs ist. Ich glaube, diese Kolonie lebt sehr gut von diesem Weltraumzentrum und ist ökonomisch sicherlich besser gestellt als so mancher unabhängiger Staat in anderen Kontinenten, wo es ein fast dahinvegetierendes Gemeinwesen gibt. Ich denke da an Afrika.

Die Erklärung regelt auch Punkte wie Wartung, Startdienste, Information und Vermarktung und schreibt auch die von der ESA bereitzustellenden Unterlagen und Einrichtungen für einen optimalen Übergang von der Entwicklungs- zur Produktionsphase fest. Wenn man das ganze Gesetzeswerk und alles Weitere studiert, wird man draufkommen, es ist eine vernünftige Aufgabe für die Republik Österreich – und daher auch eine vernünftige Ausgabe der Republik Österreich –, sich an diesen technischen Entwicklungen zu beteiligen und dabei auch, soweit es technisch bei uns machbar ist, österreichische Firmen einzusetzen. Soviel ich weiß, sind auch österreichische Firmen an diesem Europäischen Weltraumprogramm beteiligt.

Des Weiteren möchte ich das Abkommen betreffend die Privilegien und Immunitäten der OPCW, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, ansprechen. Auch hier ist Österreich mit 0,95 Prozent des Budgets dieser Organisation beteiligt. Im Jahre 2001 waren das 0,52 Millionen €. Das Übereinkommen sieht die Vernichtung sämtlicher Chemiewaffen bis 2007 vor. 174 Staaten haben es bis jetzt unterzeichnet und 145 Staaten ratifiziert. Es ist bedauerlich, dass nicht alle Staaten daran teilnehmen, und es ist bedauerlich, dass auch der eine oder andere Staat in der Zwischenzeit seine Zustimmung zur Ratifizierung zurückgezogen hat.

Im Juli 2001 fanden in Wien Gespräche zwischen Generaldirektor Bustani, Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner, Bundesminister Scheibner und Minister Bartenstein statt. Sie gipfelten in dem Privilegienabkommen, welches wir heute hier beschließen wollen. Ich meine, es ist ein gut ausgehandeltes Privilegienabkommen, so wie wir schon viele Privilegienabkommen hier in Österreich haben. Das Einzige, was mich vielleicht schmerzt, ist, dass schon so viele Grup


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pierungen und Organisationen in Österreich steuerliche Privilegien haben, die ich persönlich nicht habe. Also ich wünschte, ich könnte auch bei diesen Privilegien mitschneiden.

Zu den Abkommen mit den AKP-Staaten – es sind drei an der Zahl – kann ich nur sagen, es sind gute Abkommen, die hier geschlossen werden. Es sind 77 AKP-Staaten und die Europäische Gemeinschaft davon betroffen. Es wird damit das Lomé-Abkommen ersetzt. Das Ziel – es wurde schon angesprochen – besteht in einer Neuausrichtung der Entwicklungspolitiken auf Strategien zur Linderung der Armut. Dem kann man wirklich nicht widersprechen, man kann nur zustimmen.

Es ist im Zusammenhang mit diesem Abkommen auch schon ein Zugeständnis der Europäischen Union bezüglich der Bananeneinfuhr gemacht worden. Es ging um bereits lange umstrittene Maßnahmen, und es musste zwischen der Welthandelsorganisation und der Europäischen Union eine rechtliche Absicherung vorgenommen werden.

Der Europäische Entwicklungsfonds hat ein Budget im Ausmaß von 13 800 Millionen € für die Dauer von fünf Jahren, und Österreich hat einen Beitrag in der Höhe von 365,7 Millionen € zu leisten. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man diesen Betrag nicht kleiner macht und kleiner redet, als er ist. Es ist immerhin der österreichische Steuerzahler, der diesen Betrag zu zahlen hat. Wer sich nicht selbst liebt wie den Dritten, der ist es nicht wert, der kann nicht humanistisch denken. Wir müssen die eigene Bevölkerung in der Wertschätzung zumindest so hoch einschätzen wie die anderer Staaten und Kontinente, die von uns Entwicklungshilfe bekommen.

Im Zusammenhang mit diesen AKP-Staaten ist darauf hinzuweisen, dass man im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion vor ein paar Jahren gewisse Überlegungen anstellte, diesen Kolonial-Franc, CFA Franc direkt in den Euro umzutauschen. Der damalige Minister Edlinger hat in einer Anfrage geantwortet, dass das nicht gemacht werde und dass etwaige finanzielle Hilfeleistungen alleine aus dem französischen Budget getragen werden müssten. Ich hoffe, das gilt noch immer. Es ist das immerhin eine Anfrage, die schon einige Jahre zurückliegt.

Im Rahmen dieser Anfragebeantwortung wurde von Minister Edlinger auch darauf hingewiesen, dass die Entschuldung der AKP-Staaten, die der Franc-Zone angehören, durch Schuldentilgung beziehungsweise in den meisten Fällen durch Schuldenstreichungen erfolgen soll. Ob dies erfolgt ist, weiß ich nicht.

Es wurde in der Anfragebeantwortung auch darauf hingewiesen, dass mittelfristig die monetäre Souveränität der CFA-Staaten das Ziel dieser Staaten selbst sei. Eine Stützung des CFA Franc durch die Europäische Zentralbank ist auf jeden Fall unzulässig, so wurde uns damals erklärt. Ich gehe davon aus, dass das auch heute noch der Fall ist.

Ich freue mich, dass wir diesen fünf Gesetzen zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Bernd Lindinger. Ich erteile ihm das Wort.

12.41

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Einer meiner Vorredner hat es für notwendig befunden, die heutige Ausgabe der Wiener "Kronen Zeitung" zu zitieren und natürlich wieder die soziale Kälte der Freiheitlichen Partei herauszulesen. (Bundesrat Gasteiger: Steht es drinnen, oder steht es nicht drinnen?)  – Es steht drinnen, Herr Kollege, aber man kann auch die Unwahrheit sagen, indem man zitiert, nämlich dann, wenn man nicht vollständig zitiert. (Bundesrat Gasteiger: Da wird sich wahrscheinlich der Schreiber geirrt haben!) Wissenschaftlich ausgebildete Leute, wissenschaftliche Ausbildung sagt, man soll immer vollständig zitieren und sich nicht das herausklauben, was einem passt. Ich habe Ihrer Fraktion schon einmal von hier aus empfohlen, einen Kursus über richtiges Zitieren zu belegen. Ich möchte es Ihnen gegenüber noch einmal wiederholen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich darf Ihnen etwas nachhelfen und diesen Artikel in der "Kronen Zeitung" vollständig zitieren. Da heißt es nämlich: Häupl stellt im "Krone"-Gespräch klar – das ist Ihr roter Bürgermeister in Wien –, dass es sich bei dem Bettlerunwesen nicht um die Folge sozialer Härtefälle handle, sondern um organisierte Bettelei aus dem Ausland, die zu unterbinden ist, und dafür ist die Polizei verantwortlich. – Das sagt Ihr Bürgermeister Häupl. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie also wieder einmal soziale Kälte orten wollen, dann zitieren Sie bitte alles, und reden Sie einmal mit Ihrem sozialistischen Bürgermeister in Wien! Vielleicht wird er sich dann gewandter wehren können als ich, zumindest mit mehr Durchschlagskraft in seiner Fraktion als ich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Das ist überhaupt kein Thema!)

Ich will aber eigentlich nicht über die soziale Kälte sprechen, die Sie glauben zitieren zu müssen, um der "Kronen Zeitung" hier zum Wort zu verhelfen, sondern zu den nun aufgerufenen Tagesordnungspunkten, die, zusammen gesehen, wenig konsistent sind. So sollte eigentlich jeder der Tagesordnungspunkte 2 bis 6 einer eigenen Debatte und näheren Betrachtung unterzogen werden. Es erscheint mir aber sinnvoller, nicht die ganze Problematik aufzurollen – das ist bereits geschehen –, sondern mit nur wenigen Sätzen die Zustimmung meiner Fraktion zu den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates zu begründen.

Mit unserer Teilnahme am Projekt Ariane haben wir auch der Verwendung der Ariane zu ausschließlich friedlichen Zwecken zugestimmt. Damit verbunden sind auch finanzielle Verpflichtungen, wie zum Beispiel die Finanzierung des Raumfahrtzentrums Kourou in Französisch-Guyana. Ich kann hier keine postkolonialen Anknüpfungspunkte orten, wie einer meiner Vorredner dargelegt hat, und auch die Armut der Dritten Welt kann kein Argument gegen Ariane sein, denn Ariane dient nur friedlichen, das heißt wissenschaftlichen Zwecken. Die Nutznießer der Forschungsergebnisse werden wir alle sein, auch die armen Länder der Dritten Welt. Dies ist bei einem Raumfahrtprogramm auch relativ zu sehen. Österreich könnte sich ein solches Forschungsprogramm, solch ein Forschungsvorhaben nicht leisten. Nur als Teilnehmer haben wir eine Chance, auch an den Ergebnissen zu partizipieren. Wir tun dies bereits: Zwei österreichische Firmen beliefern schon die Raumfahrtindustrie. Ich hoffe, dass der Umfang der Lieferungen und auch der beteiligten Firmen noch größer werden wird.

Folgendes wurde auch angesprochen: Man kann natürlich wissenschaftliche Ergebnisse zum Guten oder zum Bösen nützen. Was gut oder böse ist, ist leider niemals objektiv beurteilbar, das hängt zu sehr vom moralischen Koordinatensystem des Beurteilers ab. Ein Land mit Krieg zu überziehen, um einige verrückte Terroristen zu finden und zu bekämpfen, ist Missbrauch moderner Technik.

Deswegen begrüße ich auch das heute zu beschließende Abkommen mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen. Dieses Abkommen regelt insbesondere die Immunität ihrer Funktionsorgane. Wenn dieses Abkommen auch in Zukunft weitere Kriege nicht verhindern wird können, so wird den Kriegen vielleicht doch eine besonders grausame Facette genommen. Gas, Napalm, Nervengifte, Bakterienwaffen soll man auch für friedensschaffende Einsätze weder erzeugen noch gebrauchen dürfen. Noch niemals hat der Zweck die Mittel geheiligt, auch nicht in Nagasaki, Hiroshima oder Dresden.

Die Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens, das wir ebenfalls heute beschließen werden, ist ein österreichischer Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit. Die Staaten Afrikas, der Karibik und der Südsee warten auf diesen Solidarbeitrag. An ihnen ist die Entwicklung zur wirklichen Selbständigkeit, das heißt auch zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit, leider vorbeigegangen. Die ehemaligen Kolonialmächte haben die gewachsenen Strukturen durch ihre eigenen ersetzt, sodass nach der Entkolonialisierung keine Grundlage für ein autarkes Wirtschaftsgefüge zurückgeblieben ist. Die ehemaligen Kolonialmächte, die heute noch von dem verflossenen Glanz ihrer ehemaligen Kolonialreiche träumen, etwa bei Jubiläumsparaden, täten besser daran, hier Wiedergutmachung zu leisten, als teure Paraden abzuhalten.

Österreich wird helfen, nur müssen die Entwicklungsprogramme besser koordiniert und dazu verwendet werden, diese Staaten in die wirkliche Freiheit zu führen. Diese Freiheit heißt nicht


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Postkolonialismus und auch nicht kommunistische Bruderhilfe, sondern wirtschaftliche Weiterentwicklung. Und darum wird meine Fraktion diesen Gesetzen auch zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner das Wort. – Bitte.

12.48

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zu einem Punkt der heute gemeinsam behandelten Tagesordnungspunkte kurz Stellung nehmen, und das ist das, wie ich glaube, historische AKP-EG-Abkommen, und zwar deshalb, weil es ein echtes Partnerschaftsabkommen ist.

Ich möchte unterstreichen, dass damit eine neue Ära in dieser 25-jährigen Tradition der Zusammenarbeit der Europäischen Union mit den 77 AKP-Ländern begonnen wird. Es wurde in der Debatte von Herrn Bundesrat Liechtenstein schon erwähnt, dass es tatsächlich Österreich war, das die Verhandlungen mit diesem Cotonou-Abkommen begonnen hat. Ich erinnere mich, als Staatssekretärin war ich damals im Vorsitz und konnte vor allem eines am Anfang bewirken: Ich konnte eine große Spannung zurücknehmen, die von Anfang an zwischen den AKP-Staaten und der EU bestand, und zwar dadurch, dass ich einen informellen politischen Dialog zuließ. Ich selbst habe zwei – einen am Anfang und einen am Ende meines Vorsitzes – gemacht. Ich erinnere mich vor allem an die damalige Vorsitzende Billy Miller von Barbados, die eine Brandrede gehalten hatte. Es entstand aber dann aus der informellen Zusammenarbeit ein sehr konstruktives Klima, und wir konnten ab dann dieses konstruktive Klima, das wir aufbauen konnten, für ein wirklich gutes Abkommen nutzen.

Ich danke hier den Damen und Herren Bundesräten dafür, dass sie dieses Abkommen im Großen und Ganzen gut bewerten. Es ist tatsächlich so, dass da ganz wesentliche Punkte verankert sind, die wir auch in unserer nationalen EZA für wichtig halten, die aber auch inzwischen die ganze Welt, vor allem unter dem Schirm der UNO, anerkennt: Armutsbekämpfung, aber vor allem auch wichtige Reformen, damit diese Staaten selbst zu guter Regierungsführung kommen.

Vor allem die gute Regierungsführung ist mir persönlich immer ein wichtiges Anliegen, denn man muss sagen, dass natürlich sehr viele Entwicklungsgelder in diese Staaten gepumpt wurden – auch im Rahmen der früheren Lomé-Abkommen; es hat vorher schon vier Lomé-Abkommen gegeben –, dass aber leider durch die eigene Korruption sehr viele Gelder auch veruntreut wurden und das Geld nicht dort eingesetzt werden konnte, wo es eingesetzt werden sollte. Da versuchte man mit diesem neuen Partnerschaftsabkommen anzusetzen. Und dass das gelungen ist und dass das die Staaten schließlich akzeptiert haben, ist, so glaube ich, ein wirklich guter Erfolg einer ruhigen, aber durchaus im modernen Sinne agierenden Führung dieser Verhandlungen, die natürlich die verschiedensten Präsidentschaften, aber vor allem die Kommission innehatte.

Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, dass die Möglichkeit besteht, grundsätzlich dieses Abkommen zu suspendieren, wenn es wirklich zu schweren Fällen von Korruption kommt. Damit ist eine echte Sanktion vorhanden, wobei ich aber zugebe, dass das natürlich nur die Ultima Ratio ist, und auch zugebe, dass es in der Praxis nie einfach ist, wenn man dann beweisen soll, dass das und das tatsächlich passiert ist. Aber allein, dass es diese Bestimmung gibt, ist wichtig.

Dass die bereits angesprochene Rückübernahmeklausel betreffend illegal aufhältiger Personen für so eine große Gruppe von Personen ausgehandelt werden konnte – es gab lange große Widerstände dieser Staaten –, ist auch eine sehr wichtige Sache und auch eine wichtige Präzedenz für weitere Abkommen gerade mit den Dritte-Welt-Ländern.

Ich stimme den Vorrednern zu, die vor allem das Handelsregime angesprochen haben. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass diese Staaten erkennen, dass auch sie eigenverantwortlich sein


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müssen, dass nicht immer die Gründe darin liegen, dass die anderen dies oder jenes nicht getan hätten, sondern dass vor allem sie selbst ihre eigene Wirtschaft in die Hand nehmen müssen – wir müssen sie selbstverständlich dabei unterstützen. Daher ist klar, dass eine Neugestaltung der Handelsbeziehungen wichtiger ist als die Frage der einseitigen Zollpräferenzen, die eigentlich nicht den beabsichtigten Erfolg gebracht haben. Diese regionalen Partnerschaftsabkommen, die jetzt ausgehandelt werden, sollen diese moderne Ausrichtung auch für die Dritte-Welt-Länder in der Zukunft ermöglichen.

Integration in die Weltwirtschaft wird damit meiner Ansicht nach unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Verantwortung und guter Regierungsführung vorbereitet.

Das neue Abkommen hat spätestens mit Ende dieses Jahres in Kraft zu treten, damit auch rechtzeitig die Finanzmittel aus dem so genannten Neunten Europäischen Entwicklungsfonds angesprochen werden können. Ich darf sagen, dass wir im Rat der Minister für Entwicklungszusammenarbeit vor einer Woche angekündigt haben, dass dieses Abkommen vor der Sommerpause ratifiziert wird, wofür ich mich bedanke.

Ich möchte nur noch eines anfügen: Was hier zur österreichischen Entwicklungszusammenarbeit allgemein gesagt wurde, dem kann ich nicht zustimmen. Erstens einmal ist es meiner Ansicht nach eine Selbstverständlichkeit, wenn eine Bundesregierung zur Konsolidierung des Gesamthaushaltes steht, dass jeder seinen Beitrag leisten muss. Ich habe trotz dieser Grundakzeptanz der Budgetkonsolidierung in meinem Hause so weit umgeschichtet, dass die Entwicklungszusammenarbeit am wenigsten davon berührt war. Ich darf Ihnen sagen, dass wir die EZA-Mittel im Jahre 2001 von 0,23 Prozent auf 0,25 Prozent gesteigert haben und dabei immer noch über dem OECD-Durchschnitt, allerdings unter dem EU-Durchschnitt liegen. Sie wissen auch, dass in Monterrey ein wichtiger Beschluss gefasst wurde, der für eine Aufwärtsentwicklung in Richtung EU-Durchschnitt sorgen wird, der schließlich im Jahre 2006 erreicht sein wird.

Ich möchte aber noch etwas ansprechen, was ich immer wieder sage und was mir wichtig ist: Es geht nicht immer nur um das Volumen. Ich kann hineinbuttern, soviel ich will! Wenn erstens in diesem Land nicht die entsprechenden Aufnahmekapazitäten vorhanden sind, es zweitens keine gute Regierungsführung gibt – was leider sehr oft der Fall war –, dann ist das Steuergeld vergeudet. Und dafür stehe ich wirklich nicht (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) , sondern ich stehe dafür, dass das Geld, das wir für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, und zwar gerne ausgeben, auch gut ausgegeben wird. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Herr Bundesrat! Die Forderung, immer nur mehr zu geben, impliziert leider nicht, dass dieses Geld wirklich qualitativ bestens ausgegeben werden muss. Wenn Sie fordern, die Frauenpolitik müsse da einbezogen werden – so haben Sie, glaube ich, ziemlich wörtlich gesagt –, dann darf ich Ihnen sagen, das ist längst geschehen. (Widerspruch des Bundesrates Gasteiger. ) Selbstverständlich ist das längst geschehen! (Bundesrat Gasteiger: Das ist nicht selbstverständlich!) Gott sei Dank ist das auch etwas, was jetzt mit dem Cotonou-Abkommen mit erledigt ist, und selbstverständlich ist das etwas, wofür auch ich ganz klar immer wieder das Wort ergriffen habe und ergreifen werde. Sie haben Recht: Frauen sind Multiplikatoren – gerade in den Entwicklungsländern. Sie sind nicht nur die Mitte der Familie, sondern sie sind auch diejenigen, die das in der Kommunikation weitergeben. – Soviel zu diesem kurzen Exkurs über die österreichische EZA.

Ansonsten freue ich mich, dass hier eine gemeinsame Bewertung dieses sehr wichtigen und nicht einfach auszuhandelnden Abkommens gegeben ist. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend eine Erklärung Europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die zur Durchführung des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens zu treffenden Maßnahmen und die dabei anzuwendenden Verfahren samt Anhang.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über die Privilegien und Immunitäten der OPCW.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000, samt Anhängen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen des Finanzprotokolls zu dem am 23. Juni 2000 in Cotonou, Benin, unterzeichneten Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits und über die Bereitstellung von Finanzhilfe


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für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der vierte Teil des EG-Vertrags Anwendung findet, samt Anhang.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz 2002 erlassen wird (1087 und 1118/NR sowie 6646 und 6655/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz 2002 erlassen wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz 2002 erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel das Wort. – Bitte.

13.01

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Versetzen Sie sich in die Situation eines Auftragssachbearbeiters eines mittleren österreichischen Unternehmens, beispielsweise in der Baubranche, der einen Auftrag bearbeiten, ein Anbot an einen öffentlichen Auftraggeber erstellen soll! Dieser musste sich bisher mit dem alten Bundesvergabegesetz und mit neun verschiedenen Landesvergabegesetzen auseinander setzen. Weiters musste dieser Unternehmer die Bestimmungen der ÖNORM A 2050 beachten, und wenn es sich um eine größere Gemeinde in Österreich handelte, dann musste er auch noch die Vergabeordnung dieser speziellen Gemeinde bedenken, wenn er sein Offert ordnungsgemäß und rechtlich gültig abgeben wollte.

Selbstverständlich gab es Kritik an einem solchen "Wildwuchs". Viele Jahre lang wurden Versuche unternommen – meistens untaugliche –, diesem "Wildwuchs" in den Vergabeordnungen beizukommen. Jetzt ist es endlich gelungen, ein einheitliches österreichisches Vergabegesetz zu schaffen, das einerseits den Betrieben mehr Rechtssicherheit bringt und andererseits für die öffentlichen Auftraggeber ein Weniger an Bürokratie zur Folge hat. – Das Beste ist immer, wenn


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beide Seiten etwas von einer Bestimmung haben, und diese Rahmenbedingungen sind dazu geeignet, in diesem Fall Vorteile für beide Partner zu lukrieren.

Die Bedeutung dieses Gesetzes, das heute den Bundesrat passiert, zeigt sich schon daran, dass fast 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von öffentlichen Aufträgen abhängig sind. Das ist ein sehr beträchtlicher Anteil. Dieses moderne Gesetz bringt jetzt auch rechtliche Grundlagen für E-Commerce und ist ein weiterer Mosaikstein, um den Wirtschaftsstandort Österreich noch attraktiver und interessanter zu machen.

Alles in allem gesehen stellt dieses Gesetz einen Meilenstein in der österreichischen Rechtsordnung dar. Es gelten gleiche Spielregeln für alle; der Wettbewerb ist damit fairer. Es gibt neue und vor allem gute Regeln, und was weiters beachtet werden soll, ist, dass auch soziale und ökologische Standards dabei berücksichtigt wurden. Das setzt diesen Bestrebungen sozusagen noch die Krone auf.

Deshalb ist dieses Gesetz alles in allem positiv zu bewerten und zu befürworten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte.

13.05

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es wurde bereits angesprochen, dass es sich dabei um ein weiteres wesentliches Wirtschaftsgesetz handelt – und dem stimme ich voll zu; im Übrigen enthält es auch eine weitere Verfassungsbestimmung. – Ich denke, ich muss in Zukunft einmal im Duden nachschauen, was das Wort "Opposition" bedeutet.

Auch wenn wir uns hier im Bundesrat befinden, so muss doch ehrlich festgehalten werden, dass gerade im Wirtschaftsbereich der täglich angewandte Föderalismus manchmal geradezu Blüten treibt, die der Kostenstruktur der heimischen Unternehmen nicht unbedingt zuträglich sind.

Als Geschäftsführer eines österreichweit tätigen Unternehmens, das auf landesgesetzlicher Basis agiert, ist mir etwa im Zuge unserer Bewilligungsverfahren klar geworden, wie unterschiedlich die Vollziehung in den einzelnen Bundesländern sein kann, sodass der einheitliche österreichische Wirtschaftsraum, der in der Verfassung festgeschrieben ist, das eine oder andere Mal doch nur auf dem Papier steht und eine bloße Fiktion ist – verbunden mit beträchtlichem und unnötigem Zusatzaufwand für die Unternehmen. Ich denke, dass das auch einmal im Bundesrat gesagt werden sollte. (Bundesrat Dr. Aspöck: Zentralist!)

Umso erfreulicher, Herr Kollege Aspöck, sind die zu beschließenden Gesetze, wenngleich auch hier betont werden muss, dass sie "nur" – unter Anführungszeichen – einen bundesgesetzlichen Rahmen vorgeben und dann doch zu wesentlichen Teilen wiederum der Ländervollziehung unterliegen. – Das ist aus Ländersicht zu begrüßen, aus Unternehmersicht ist jedoch zu sagen: Das birgt wiederum die Gefahr von Ungleichbehandlungen im länderüberschreitenden Agieren in sich.

Eine Erfahrung, die ich ebenfalls selbst gemacht habe, ist, dass ein und dasselbe Gesetz sogar in benachbarten Bundesländern extrem unterschiedlich ausgelegt werden kann. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das erlebst du in der Justiz von Senat zu Senat!)  – So ist es, genau. Dazu kommen wir dann beim nächsten Tagesordnungspunkt, zu dem du, glaube ich, auch sprechen wirst.

Es ist also zu hoffen, dass sich im gegenständlichen Bereich auch die Landesvollziehungen angleichen werden.

Vergaberegeln sowohl im Ober- als auch im Unterschwellenbereich, was den Rechtsschutz angeht, sind ein nicht unwesentlicher Wettbewerbsfaktor geworden, vor allem wenn man den


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Begriff "fairer Handel" in den Mund nimmt, wobei zugegebenermaßen auch da die allgemeingültige Definition fehlt, was unter "fair" zu bezeichnen ist.

Gerade die österreichische Wirtschaft, die von Klein- und Mittelbetrieben geprägt ist, muss darauf achten, dass für diese KMUs möglichst gleiche Zugangsbedingungen zu öffentlichen Aufträgen gegeben sind. Dazu ist es eben erforderlich, gewisse Rahmenbedingungen festzuschreiben und diese auch effizient zu kontrollieren.

Selbstbeschränkungen, wie sie manchmal – auch in diesem jahrlangen Diskussionsprozess um neue Vergaberegeln – angedacht wurden, sind da, so denke ich, nicht effizient. Das hat in der Vergangenheit kaum Erfolge gebracht und wird wohl auch in der Zukunft nicht der Fall sein.

Es wurde bereits ausgeführt, dass wir hier von einem Volumen von rund 18 Prozent des BIP reden. Klar ist daher auch, dass diese Vergaberegeln damit einen wesentlichen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben, und zwar nicht nur, was die absoluten Zahlen des Arbeitsmarktes, sondern auch die einzelnen Segmente des Arbeitsmarktes betrifft.

Die verbindliche Erklärung der ILO-Standards ist zu begrüßen. Die Kann-Bestimmung hinsichtlich der Beschäftigung von Lehrlingen, Behinderten, älteren ArbeitnehmerInnen und Frauen ist mir persönlich zu wenig weitgehend.

Wir alle wissen aus der Vollzugspraxis, dass eben in dieser Praxis vor der Anwendung von Kann-Bestimmungen meist zurückgeschreckt wird, und zwar durchaus aus berechtigten juristischen Überlegungen heraus – so etwa aus der Angst vor Amtshaftungsbeschwerden. Gerade da muss es Aufgabe der Politik und der Legislative sein, eindeutige Prinzipien vorzugeben. Das "Abschieben" der Verantwortung – unter Anführungszeichen – auf die Vollziehung ist für mich sozusagen eher Ausdruck des Prinzips: Wasch mir den Pelz, aber mach mich dabei nicht nass!

Ich denke, dass besonders bei der Lehrlingsausbildung eine Muss-Klausel entscheidende Verbesserungen gebracht hätte. Wenn man es vor allem mit dem Prinzip vom Vorrang des Bestbieters gegenüber dem Billigstbieter ernst meint – ich meine wiederum auf Grund der Praxis, dass ein solcher Vorrang zu begrüßen ist –, dann muss man sich auch dazu bekennen, klare Normen vorzugeben, um nachfolgende Rechtsstreitigkeiten, wer denn nun der bessere Bieter sei, von vornherein zu vermeiden. Ansonsten wird sich eben der vollziehende Beamte darauf konzentrieren, nur wirtschaftliche Zahlen und keine so genannten soft facts zu berücksichtigen, was schlussendlich dann wieder eine Tendenz in Richtung Billigstbieterprinzip ergibt.

Erfreulich ist meiner Ansicht nach in diesen Regelungen, beispielsweise im Bundesvergabegesetz, auch § 51 Ziffer 4, in dem normiert wird, dass Unternehmer zwingend von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen sind, wenn sie schwere Verstöße, schwere Verfehlungen – insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts – begehen, wobei es sozusagen dann auch da – aber das ist klar, dass man das im Gesetz nicht so normieren kann – der Judikatur überlassen bleibt, zu definieren, was "schwere Verfehlungen" im Zusammenhang mit diesem Bundesvergabegesetz bedeuten.

Ich denke aber, dass darin ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für die überwiegende und ehrliche Mehrzahl der Klein- und Mittelbetriebe beinhaltet ist, die ja etwa im Bereich des Sozialdumpings immer wieder von einigen wenigen schwarzen Schafen ausgebremst werden.

Als sehr wichtig empfinde ich außerdem § 59 Abs. 2, der nunmehr auch Teilvergaben zulässt, sofern diese ausgeschrieben werden. Ich hoffe – im Interesse der KMU –, dass auch von dieser Möglichkeit zunehmend Gebrauch gemacht werden wird.

Ein letzter Punkt, der aus meiner Sicht noch zu kritisieren ist, liegt in der nunmehr erhöhten Wertgrenze für geistig schöpferische Leistungen, insbesondere aber auch in der Begründung für diese erhöhte Wertgrenze, dass man eigentlich nicht wisse, was das sei.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 68

Ich meine, wenn man den Begriff "geistig schöpferische Leistungen" in die Gesetzeswelt einführt, sollte man eigentlich schon wissen, was er bedeutet; sonst braucht man ihn ja nicht einzuführen. Es kann auch nicht von der Wertgrenze abhängen, ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht. Ansonsten würde man versuchen, etwas zu regeln, von dem man im Grunde gar nicht weiß, was es ist.

Ich meine, dass bei dieser erhöhten Wertgrenze – und geistig schöpferische Leistungen sind in einer tertiären Volkswirtschaft natürlich im Steigen begriffen, das ist das Merkmal entwickelter Volkswirtschaften – andere Gründe, warum man diese Wertgrenze hinaufgeschraubt hat, eine gewisse Rolle spielen. Wir alle wissen wahrscheinlich, welche Gründe das letztendlich waren.

Meiner Ansicht nach handelt es sich dabei jedoch in Summe um einen sehr tragfähigen Kompromiss, der selbstverständlich unsere Zustimmung finden wird. Aber noch einmal: Erst der Vollzug wird zeigen, welche Fortschritte tatsächlich mit diesen Gesetzen erreicht werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. – Bitte.

13.12

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich einen Irrtum ansprechen, der immer wieder passiert – zu dir, Kollege Hoscher! –: Der juristische Laie glaubt immer, die Juristerei sei eine exakte Wissenschaft. – Genau das ist sie nicht! Man wird in der Juristerei immer wieder Begriffen begegnen, die man eben so oder so sehen kann. Als Beispiel sei erwähnt: Was ist denn eine "angemessene Entschädigung"?

Im Übrigen muss ich sagen, dass man – trotz aller Kritik, die die SPÖ auch schon in der Debatte im Nationalrat irgendwo hervorgezaubert hat – bei so viel Lob von allen Seiten eigentlich gar nicht mehr sehr viel dazuzusagen braucht. Man kann sich nur dem Dank an die Beamten für ihre fleißige Arbeit anschließen; ebenso ist den Damen und Herren des Nationalrates sowie dem Ausschuss für eine in diesem Punkt offensichtlich bestens über alle Parteigrenzen hinweg funktionierende Zusammenarbeit zu danken. Auf diesem Wege wurde wirklich – es ist das schon wieder ein Meilenstein, man hört das bei jedem zweiten Tagesordnungspunkt, weil es eben in dieser Bundesregierung so gut funktioniert – ein sehr gutes Gesetz geschaffen.

Damit wird ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gegangen, einer auch in Richtung Verwirklichung dessen, was sich diese Bundesregierung auf ihre Fahnen geheftet hat, nämlich Österreich nach einem jahrzehntelangen Reformstau von Grund auf zu reformieren.

Der natürliche Schmerz eines Bundesrates – da bin ich nicht so sehr der Meinung des Kollegen Hoscher und auch nicht der Grünen, wie sie sich dazu im Nationalrat geäußert haben – über einen Kompetenzverlust der Länder hält sich bei mir in diesem Falle, und zwar in Anbetracht der zu erwartenden positiven Auswirkungen, in Grenzen.

Ein einheitliches Vergaberecht wird der öffentlichen Hand helfen, Kosten zu sparen, und – wie bereits ausführlich dargestellt wurde – der Privatwirtschaft wesentliche Erleichterungen bringen. Als Bundesrat und überzeugter Föderalist kann ich aber generell – wie in der Nationalratsdebatte seitens der Grünen und auch heute hier von Kollegen Hoscher angeklungen – einer Einstellung zu einer allgemeinen Kompetenzverschiebungsfreudigkeit von den Ländern zum Bund nicht so unbedingt zustimmen.

Im vorliegenden Gesetz überwiegen aber die positiven Aspekte so sehr, dass meine Fraktion dem natürlich zustimmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 69

13.15

Präsidentin Uta Barbara Pühringer (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

13.15

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Geschichte dieses Gesetzes, das Sie hier beschließen werden – und es gibt dazu so viel Einverständnis, dass sehr viele Bundesräte jetzt offensichtlich gar nicht da sind. Ich nehme das grundsätzlich als Kompliment für dieses Gesetz, weil sonst nämlich das Kontroversielle größer wäre.

Gestatten Sie mir folgende ironische Bemerkung: Die Tatsache, dass wir hier 18 Prozent des Bruttonationalproduktes bewegen, bewegt mich natürlich auch etwas, weil es umgekehrt proportional zur Anwesenheit der Bundesräte hier in diesem Plenum ist. – Das sei aber nur als Nebenbemerkung gesagt.

Ich denke trotzdem, das ist hier – ich sage gleich dazu, es war im Nationalrat nicht anders – keine Ausnahme, und ich möchte nur noch sagen: Dort, wo möglicherweise die Kapitalien so groß werden, dass man sie sozusagen nicht mehr greifen kann, hat möglicherweise fast jeder Mensch das Problem, dazu Stellung zu nehmen, und zwar in dem Sinne, dass man gar nicht be greift, wie viel Geld das ist.

Lassen Sie mich trotzdem Folgendes dazu sagen: Dieses Gesetz verdient auf Basis der Verhandlungen, die dazu stattgefunden und an der wesentliche Parlamentarier teilgenommen haben, bei denen aber auch die Vertreter der Länder und der Gemeinden zu einem Kompromiss gekommen sind, wie ich meine, das Prädikat "einmalig".

In diesem Sinne geht das Gesetz auf eine Entschließung des Nationalrates vom November 2000 zurück, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, Verhandlungen mit den Ländern und Gemeinden aufzunehmen und diese bis längstens 1. September 2002 abzuschließen. – Wie wir am heutigen Datum ablesen können, sind wir diesbezüglich sogar etwas vor der Zeit, sofern Sie hier im Bundesrat diesem Gesetzesbeschluss zustimmen werden. Ich denke, das ist durchaus als positives Zeichen zu werten.

Das, was wir heute tun, ist, eine einheitliche Rechtsgrundlage für das Vergabewesen in ganz Österreich zu schaffen; wesentliche Aspekte wurden bereits von Vorrednern erwähnt. Zu Stande gekommen ist das – noch einmal gesagt – durch das konstruktive Zusammenwirken aller Beteiligten.

Was sind sozusagen die Eckpfeiler dieser historischen Einigung? – Einerseits sind es die Vorgaben, die der Nationalrat gemacht hat, andererseits aber auch die Forderungen des Grundlagenpapiers der Länder, die inhaltlich voll eingearbeitet wurden. Statt zehn wird es daher in Zukunft nur mehr ein Vergabegesetz als Grundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge geben. Ich meine, dass das in Zukunft durchaus für die KMUs, bestimmt aber für alle Beteiligten an diesen Wettbewerben ein Wettbewerbsvorteil, jedenfalls ein Vorteil gegenüber dem, was bisher den Auftragnehmern vorlag, sein wird.

Dazu hat es auch – das wurde auch schon erwähnt – einen Abänderungsantrag seitens des Nationalrates für den Bereich der Sonderregelungen für Vergabe geistig schöpferischer Dienstleistungen gegeben, die unter einem Schwellenwert von 130 000 SZR – Sonderziehungsrechte – in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Unternehmen vergeben werden können.

Es ist das also eine Kann-Bestimmung – und wie Sie wissen, bedeutet das in der Politik auch öffentlichen Druck. Das bedeutet weiters, dass das auch, wenn die Demokratie sozusagen in Arbeit ist und gut funktioniert, der Kontrolle durch die Medien, durch die Opposition und so weiter unterliegt. Ich glaube, da ist durchaus der eine oder andere Journalist/Journalistin, Politiker/Politikerin gefordert.

Einen wichtigen Punkt in diesem Bundesvergabegesetz stellt – das ist vor allem im Nationalrat sehr oft angeklungen, als es um Ausführungen betreffend Soziales in diesem Gesetz ging – die Einbeziehung von sozialen und ökologischen Kriterien dar.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 70

Von einer Abgeordneten im Nationalrat wurde in diesem Zusammenhang auch gesagt, dass die österreichische Verhandlungstechnik im Bereich der Gremien der EU "zu lax" gewesen wäre. Ich darf Sie darüber informieren – ich habe mich extra deswegen erkundigt –: Es hat zwei Verhandlungspositionen gegeben. Österreich hat abgecheckt, in welche Richtung das laufen wird, wie sehr diese sehr liberale Fassung zum Tragen käme, und Österreich hat sich von Haus aus auf eine Position zurückgezogen, die letztendlich auch die Billigung der EU gefunden hat.

Das heißt, wir sind hier auf der sicheren Seite gewesen, auch im Bereich der sozialen Kriterien innerhalb dieses Gesetzes, das wir hier haben. Das heißt, dass ich darauf verweisen kann, dass – anders als das im Nationalrat erwähnt wurde – diese Regelungen, die wir hier schaffen und geschaffen haben, durchaus vollinhaltlich den EU-Regelungen entsprechen und nicht quasi am Tag des In-Kraft-Tretens schon wieder außer Kraft getreten wären.

Im Zuge der Erarbeitung des Bundesvergabegesetzes wurde eine Reihe von Vorteilen für die Länder festgemacht; das ist der Rechtsschutz für Länder- und Gemeindevergaben im Bereich der Länder. Die Bundesbeschaffung GmbH räumt ein, dass wir auch im Bereich der Länder über die Bundesbeschaffung GmbH Vergabeverfahren für die Länder und Gemeinden abwickeln können. Und weiters dürfen Bundesgesetze im Bereich des materiellen Vergaberechtes nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

Für den Rechtsschutz wird das Bundesvergabeamt verantwortlich sein. Das ist – das sei festgehalten – ein möglichst schlanker Verwaltungsapparat. Vorteile für die KMU sind zu erwarten, die anfallenden Gebühren sollen und müssen auch erträglich sein.

Einem Vorschlag, der besonders von Länderseite eingebracht wurde, nämlich die Nutzung elektronischer Medien, wurde Rechnung getragen. Das heißt, dass wir auch die Zukunft dieses Vergaberechtes im Bereich dieses Gesetzes verankert haben.

Auch das neue Instrument der Rahmenvereinbarungen soll vor allem der Bundesbeschaffung GmbH weitere Möglichkeiten zu kostengünstiger Beschaffung für den Bund geben.

Ich glaube, es werden heute hier in den Redebeiträgen noch einige und andere Vorteile eingebracht werden. In diesem Sinne glaube ich, dass wir stolz sein können auf das, worauf wir uns geeinigt haben, und ich würde mir wünschen, dass innerhalb dieses Gremiums möglichst viele Gesetze so verabschiedet werden könnten wie das Bundesvergabegesetz heute. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ.)

13.22

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.22

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Das neue Vergaberecht gehört zu jenen Gesetzesbeschlüssen, bei denen die schmückende Beifügung einer "tiefgreifenden Reform" wirklich am Platz ist. Parteiübergreifenden Konsens und gleichzeitige Übereinstimmung mit allen Ländern gibt es nicht unverdientermaßen.

Ich möchte anknüpfend an die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs ausdrücklich hervorheben, in welcher Weise sich das auf Grund einer Nationalratsentschließung eingesetzte Political Steering Committee unter Leitung der Nationalratsabgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer um diese Lösung verdient gemacht hat. Sie war eine redliche Maklerin zwischen den naturgemäß unterschiedlichen Standpunkten und hat die Anliegen der Länder in der Endphase der Verhandlungen mit großer Sensibilität aufgenommen.

Ich denke, dass dieser neue Weg der Gesetzesvorbereitung die Qualität wesentlich verbessert hat und auch bei anderen komplexen Vorhaben beschritten werden sollte.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 71

Kernpunkt der Reform ist aus meiner Sicht nicht so sehr die Neukodifizierung des Vergaberechtes unter notwendiger Berücksichtigung der Rechtsprechung, insbesondere des Verfassungsgerichtshofes und von EU-Richtlinien, sondern die bereits mehrfach erwähnte Zusammenführung der bisher geteilten Gesetzgebungszuständigkeit für das Vergabewesen.

Neun Landesgesetze mit EU-bedingt immer geringeren Unterschieden und immer stärkeren Verweisungen auf das Bundesvergabegesetz waren wirklich keine sinnvolle Verkörperung von Bundesstaatlichkeit mehr. Dazu kommt, dass das Vergaberecht als Mittel der lokalen oder regionalen Wirtschaftspolitik weitgehend ausgedient hat. Ich bin auch überzeugt davon, dass über kurz oder lang die Zeit für ein europaweit einheitliches Vergaberecht kommen wird, das über Richtlinien hinausgeht, weil ebenso wenig wie die Unterschiede zwischen Graz und Eisenstadt, jene zwischen Salzburg und Rosenheim verständlich zu machen sein werden. Die Diskussion, die wir innerstaatlich geführt haben, ob es Sinn macht, zehn Vergabegesetze zu haben, wird auch europaweit zu führen sein, ob es Sinn macht, 15 unterschiedliche Vergaberegelungen in den einzelnen Nationalstaaten zu haben.

Wenn Gliedstaaten eine Gesetzgebungszuständigkeit an den Bund übertragen, gehört die Möglichkeit der Mitwirkung an der weiteren Ausübung dieser Zuständigkeit zu den Wesensmerkmalen eines Bundesstaates. In der Regel, aber keineswegs zwingend, wird diese Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung im Wege einer zweiten parlamentarischen Kammer ausgeübt. In Österreich ist sie zwar grundsätzlich dem Bundesrat übertragen, daneben gibt es aber heute schon mehrere eigenständige Mitwirkungsrechte der Länder.

Sowohl die Einrichtung anderer als der im B-VG aufgezählten Bundesbehörden in den Ländern als auch die bundesgesetzliche Übertragung von Aufgaben an die Unabhängigen Verwaltungssenate bedürfen vor ihrer Kundmachung der ausdrücklichen Zustimmung der Länder.

In Nebenabreden zu 15a-Vereinbarungen über die Krankenanstaltenfinanzierung und in Finanzausgleichsverhandlungen wurde die Erlassung von Bundesgesetzen etwa im Krankenanstalten- und Schulbereich ausdrücklich an das Einvernehmen mit den Ländern gebunden, und auch die 15a-Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus sichert den Ländern vom Bundesrat losgelöste Mitwirkungsrechte bei Gesetzgebungsvorhaben des Bundes.

Die mit dem Bundesvergabegesetz in Zusammenhang stehende Änderung der Kompetenzverteilung des B-VG knüpft an diese Beispiele an. Vor einer Kundmachung künftiger bundesgesetzlicher Regelungen im Vollziehungsbereich der Länder ist es notwendig, dass alle neun Länder ausdrücklich zustimmen. Dieses Zustimmungsrecht der Länder tritt aber nicht an die Stelle des Bundesrates, sondern neben ihn und lässt sein Einspruchsrecht unangetastet. Es kann diesem sogar mehr Gewicht verleihen, weil die Zustimmungsverweigerung am Ende des Gesetzgebungsprozesses für sich allein einen Konflikt zwar deutlich macht, ihn aber noch nicht löst. Eine frühzeitige Rückverweisung an den Nationalrat mit dem Zustimmungsrecht der Länder im Rücken hat sowohl Gewicht als auch Problemlösungskapazität.

Das soll aber nicht über das seit längerer Zeit zu beobachtende Faktum hinwegtäuschen, dass die Länder ein Zustimmungsrecht lieber selbst in der Hand behalten, als in die Hand des Bundesrates zu legen, weil sich zumindest dessen Mehrheit an politische Vereinbarungen auf Bundesebene gebunden fühlt, solche Rechte nicht auszuüben, womit sie für die Länder letztlich wirkungslos werden.

Ebenso wie bei den bisherigen Zustimmungsrechten der Länder überlässt es auch der vorliegende Gesetzesbeschluss der Verfassungsautonomie der Länder, das für die Erteilung der Zustimmung zuständige Landesorgan selbst bestimmen zu können. Mangels einer gesonderten Regelung wird das die Landesregierung sein, nicht – das sei an die Adresse des Herrn Kollegen Schennach gesagt – die Landeshauptleute-Konferenz, es ist aber wie beispielsweise in Salzburg auch denkbar, dass sich der Landtag das vorbehält. Ein solches Mitwirkungsrecht des Landtages ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, weil es sich ja um eine früher von ihm selbst und nicht von der Landesregierung ausgeübte Zuständigkeit handelt.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 72

Der Nationalrat hat anlässlich der Beschlussfassung des Bundesvergabegesetzes eine Entschließung verabschiedet, mit welcher der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ersucht wird, "zu beobachten, in welcher Weise sich die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte auswirkt, insbesondere ob es hiedurch zu unvertretbaren Verfahrensverzögerungen kommt, und hierüber innerhalb von zwei Jahren ab In-Kraft-Treten des Gesetzes dem Nationalrat einen Bericht zu erstatten".

Nachdem von künftigen Änderungen des Vergabegesetzes auch die Länder maßgeblich betroffen sein werden, erscheint es notwendig, diesen Bericht auch dem Bundesrat vorzulegen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen betreffend die Vorlage eines Berichtes über die Auswirkungen des Bundesvergabegesetzes

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird ersucht, zu beobachten, in welcher Weise sich die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte auswirkt, insbesondere ob es hiedurch zu unvertretbaren Verfahrensverzögerungen kommt, und hierüber innerhalb von zwei Jahren ab In-Kraft-Treten des Gesetzes nicht nur dem Nationalrat, sondern auch dem Bundesrat einen Bericht zu erstatten.

*****

Meine Damen und Herren! Die Länder haben in die Reform des Vergaberechtes viel Goodwill für eine Kompetenzbereinigung eingebracht. Ich verbinde dies mit dem Hinweis, dass solche Bereinigungen keine Einbahnstraße sein können, weil es genügend Beispiele gibt, bei denen sich der Bund aus Doppelgleisigkeiten mit den Ländern zurückziehen könnte. Vielleicht kann das Modell des Bundesvergabegesetzes auch in dieser Hinsicht Vorbild für künftige Gesetzesvorhaben sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.29

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Der von den Bundesräten Weiss und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Vorlage eines Berichtes über die Auswirkungen des Bundesvergabegesetzes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.30

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit 15 Monaten im Haus, habe selten so viel Übereinstimmung erlebt und so viel Richtiges zu einer Gesetzesvorlage gehört wie heute. Dass dem Ende 1999, Anfang 2000 nicht so war, dürfte den meisten hier auch bewusst sein. Es gab großen Unmut in der Wirtschaft und es gab auch großen Unmut bei den Wissenschaftlern. Man fürchtete, dass, wenn es zu keiner Einigung kommt, der Standort Österreich darunter leiden könnte.

Das uns heute vorliegende Gesetz kann sicher als eine schwierige Geburt bezeichnet werden, aber es zeigt, dass man in der Lage ist, auch schwierige Materien in Form von Verhandlungen und Kompromissen zufrieden stellend zu führen, und dass diese Lösungen dann hier im Haus doch von allen mitgetragen werden können.

Die wichtigsten Punkte – einige wurden schon angeführt – aus unserer Sicht sind, dass es zu einer bundeseinheitlichen Regelung gekommen ist, dass das Einfließen von Öko- und Sozialstandards möglich war, dass die Einführung eines Auftragnehmer-Katasters gesetzlich verankert ist und dass dieses Gesetz auch die Nutzung elektronischer Medien zulässt. Wir sehen


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 73

darin auch einen Qualitätssprung mit einem entsprechenden Kostensenkungspotenzial. Sie, Herr Staatssekretär, haben ja schon auf die 18 Prozent des Bruttonationalproduktes hingewiesen. Selbst wenn man nur 1 oder 2 Prozent annimmt, was an Einsparungen möglich wäre, handelt es sich dabei um beträchtliche Summen.

Diese bundeseinheitliche Regelung ist natürlich für die Anwender und für die Betroffenen ein großer Vorteil. Ein Gesetz mit gleichem Vollzug in allen Bundesländern, mit einer wesentlichen Erleichterung für Auftragnehmer, die in Gesamtösterreich tätig sind, einer wesentlichen Erleichterung auch des Rechtszuganges sowie mit Vereinfachungen im Verwaltungsablauf kommt letzten Endes der österreichischen Wirtschaft im Allgemeinen zugute.

Die Berücksichtigung von sozialpolitischen Aspekten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist im Gesetz verankert, ob das mit Leben erfüllt wird, hängt letztendlich von den Auftraggebern ab. Lieber wäre es mir und uns Sozialdemokraten gewesen, wenn das Wörtchen "kann" durch das kräftige Wort "muss" ersetzt worden wäre, Herr Staatssekretär!

Ein Auftragnehmer-Kataster, der im Gesetz verankert ist, bietet den Auftraggebern die Möglichkeit, auf Daten der Auftragnehmer zugreifen zu können, um eventuelle Verstöße – in welcher Form auch immer – aufzuzeigen und auch rasche Konsequenzen ziehen zu können.

Alles in allem ist mit dem vorliegenden Gesetz ein Qualitätssprung gelungen. Es ist als Erfolg zu werten, dass es statt zehn Vergabegesetzen nur mehr eines als Grundlage für die Vergabe von öffentlich-rechtlichen Aufträgen gibt. Es ist auch unbestritten, dass die Rechtssicherheit für alle Beteiligten einen höheren Stellenwert bekommen hat. Nicht unbedeutend sind auch mögliche Kostenersparnisse. Auf Grund der neuen Vergaberichtlinien können vielleicht 1 bis 2 Prozent eingespart werden, und dabei handelt es sich um beträchtliche Summen.

Interessieren würde mich allerdings, Herr Staatssekretär, wie unsere Bundesregierung mit diesem Bundesvergabegesetz EU-weit umgeht. Sie haben zwar vorhin in Ihrer Wortmeldung schon darauf hingewiesen, dass es akkordiert wäre, aber uns liegen Informationen vor, dass vor wenigen Tagen in Brüssel auch eine Änderung der EU-Vergaberichtlinien verhandelt wurde. Sollte jener Richtlinien-Entwurf, der dort auf der Tagesordnung gestanden ist, umgesetzt werden, dann würde das natürlich für unser Bundesvergabegesetz einen deutlichen Rückschritt bedeuten (Staatssekretär Morak: Darum ist es eine Kann-Bestimmung!), denn – das wollte ich gerade sagen – die EU-Regelungen sind eher so gestaltet, dass sie soziale und ökologische Standards bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gar nicht zulassen.

Das würde bedeuten, dass das in die Zukunft gerichtete Bundesvergabegesetz, das wir heute beschließen, morgen unter Umständen seine Wertigkeit verloren hätte. Wir hoffen das nicht, und wir wünschen den Vertretern der Bundesregierung bei den Verhandlungen mit der EU alles Gute. Vielleicht kann dieses zukunftsweisende Bundesvergabegesetz auch in die EU-Richtlinien einfließen, sodass es dann zur Zufriedenheit aller zum Tragen kommen kann.

In diesem Sinne stimmen wir diesem Gesetz zu. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall. – Danke.

Wir kommen damit zur Abstimmung.


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 74

Da der vorliegende Beschluss in dessen Artikel 14b eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes enthält, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. – Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Weiss und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Vorlage eines Berichtes über die Auswirkungen des Bundesvergabegesetzes vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/178 – BR/02)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (666/A und 1128/NR sowie 6656/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (781 und 1129 sowie 6657/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 8 und 9 hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Bericht des Finanzausschusses betreffend Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz liegt schriftlich vor, ich komme daher zum Beschluss:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 75

Der Bericht betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird, liegt ebenfalls schriftlich vor. Ich komme zum Beschluss:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 76

Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.38

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das von der Bundesregierung im letzten Jahr gemeinsam mit den Ländern erarbeitete Verwaltungsreformpaket geht über die im Dezember beschlossenen Verwaltungsreform- und Deregulierungsgesetze weit hinaus. Beide nun zu behandelnden Gesetzesbeschlüsse gehören zu der langen Reihe jener Gesetzgebungsvorhaben, die als in vielen Gesetzen verstreute Einzelmaßnahmen derzeit in der Gesetzgebungspipeline sind.

Das Bundeshaushaltsgesetz verankert die bisher befristete Flexibilisierung der Haushaltsführung auf Dauer. Das ist ein gutes Beispiel, dass die Befristung von Gesetzen eine sinnvolle Regelungstechnik sein kann. Es macht auch Druck auf die Umsetzungsbereitschaft, wenn man weiß, man muss eine bestimmte Zeit von zwei, drei Jahren nutzen, um nachher zeigen zu können: Es geht und es bewährt sich.

Einer Anfragebeantwortung des Finanzministers im Nationalrat war zu entnehmen, dass von dieser Flexibilisierung bisher lediglich in sieben Organisationseinheiten Gebrauch gemacht wurde. Das ist verhältnismäßig wenig, und mich würde jetzt interessieren, Herr Staatssekretär, welche Perspektiven es gibt, diese Möglichkeit der flexiblen Haushaltsführung möglichst flächendeckend ausrollen zu können.

Das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz rundet die im Bereich des Finanzministeriums vorgesehenen Reformen der Finanzämter-Struktur und der Vereinfachung ab, wobei die rechtsstaatliche Bedeutung des unabhängigen Finanzsenates die verwaltungsreformatorische Bedeutung deutlich übersteigt.

Im Begutachtungsverfahren wurde von den Ländern durchwegs die Zweckmäßigkeit der vorgesehenen Zentralisierung bei einem Senat mit sieben Außenstellen in Zweifel gezogen. In besonders intensiver Weise wurde das vom Land Niederösterreich kritisiert, das ja keine eigene Finanzlandesdirektion hat. Es wurde verlangt, man möge im Interesse der Bürgernähe eine solche Außenstelle auch für Niederösterreich einrichten. Dem ist bisher nicht Rechnung getragen worden.

Dieses nun gefundene System eines einzigen Senates mit sieben Außenstellen ist ohne Zweifel eine Gratwanderung der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit. Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Das Finanzministerium hat dafür gehalten, dass es billiger komme, Außenstellenleiter zu haben als mehrere Präsidenten unabhängiger Finanzsenate bei den Finanzlandesdirektionen. Diese Betrachtungsweise mag hier in Wien verständlich sein, weil mit der Funktion des Präsidenten womöglich gleich ein Dienstwagen und ein hohes Einkommen verstanden würde. (Bundesrat Gasteiger: Gaugg!) Es ginge natürlich auch schlanker, aber es ist zu respektieren, dass das Finanzministerium diesbezüglich eine andere Betrachtungsweise hat.

Aus der Sicht meines Landes gab es auch einen tragfähigen politischen Kompromiss: eine Lösung, die notwendig ist, um es an dieser Streitfrage nicht scheitern zu lassen. Wir stimmen daher beiden Gesetzesbeschlüssen zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.42

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.42

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist mir fast schon peinlich, es geht wieder um eine Verfassungsbestimmung, der wir zustimmen werden und wieder sozusagen im interfraktionellen Wirtschaftsrednerteam Weiss/Aspöck/Hoscher. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )  – Das ist hervorragend, das besprechen wir dann, darüber können wir reden.

Sowohl das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz als auch die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes – es wurde bereits erwähnt – bedeuten auch für uns sinnvolle Weiterentwicklungen im Bereich des Abgabenrechts im weiteren Sinne wie auch des Budgets beziehungsweise des Budgetvollzugs.

Es wurde bereits ausgeführt, dass sich durch die Errichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, eines unabhängigen Finanzsenates, der dem Unabhängigen Verwaltungssenat nachgebildet ist, für die zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren für Steuerangelegenheiten, Zoll, Finanzstrafsachen die Chance ergibt, Verfahren zu verkürzen und durch einheitlichere Vorgangsweisen auch mehr Rechtssicherheit zu erzielen. Was mich dabei ein bisschen in der Diktion stört, nämlich in der Diktion der Erläuterungen der Regierungsvorlage, ist das dort angeführte Ziel, man wolle "faire" – unter Anführungszeichen – Verfahren erreichen, denn das impliziert natürlich, dass die bisher abgeführten Verfahren von den Beamten nicht fair erledigt worden wären, und davon kann, so glaube ich, keine Rede sein.

Wir werden dem unabhängigen Finanzsenat natürlich unsere Zustimmung geben, da dies, wie eingangs erwähnt, eine sinnvolle Weiterentwicklung ist, etwa durch die Beseitigung der Mischverwendung in Fach- und Rechtsmittelagenden. Ob es allerdings auch tatsächlich zur beabsichtigten Verringerung der Arbeit für die Höchstgerichte kommen wird, bleibt abzuwarten. Ich glaube nicht, dass die Anfechtungen vor den Höchstgerichten in ihrer Mehrzahl dadurch begründet sind, wer den Verwaltungsakt erledigt hat, also welches Organ, sondern in welcher Art und Weise er inhaltlich erledigt wurde. Und daran ändert eine formale Organisationsänderung noch nicht unmittelbar etwas, aber zumindest gibt es die Chance durch eine einheitlichere Vorgangsweise.

Gewisse Akzeptanzprobleme zumindest in der Optik könnten meiner Meinung nach in der Praxis auch daraus entstehen, dass in Hinkunft ein Teil der Vorsitzenden und sonstigen hauptberuflichen Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates als so genannte Quereinsteiger aus dem Stand der Wirtschaftstreuhänder kommen sollen. Ich glaube, die fachliche Eignung ist hier in der Regel unbestritten, ohne Zweifel wird man aber große Sorgfalt anlegen müssen bei der konkreten Auswahl, um etwa Interessenkonflikte und Abgrenzungsprobleme zum Beispiel mit bestehenden Rückkehrrechten und derartigen Dingen zu vermeiden.

Etwas eigenartig finde ich es auch, wenn in den Erläuterungen den Oberbehörden schon von vornherein praktisch aufgetragen wird, dafür Sorge zu tragen, dass Amtsbeschwerden beim Verwaltungsgerichtshof durch die Abgabenbehörden erster Instanz eher selten – wie es heißt – eingebracht werden. Ich glaube, dass die Sinnhaftigkeit von solchen Amtsbeschwerden nicht in ihrer Anzahl begründet sein kann.

Es wurde bereits erwähnt, dass ein zentraler Punkt des Paketes, das wir hier behandeln, in der Flexibilisierungsklausel liegt, die auch in Wirklichkeit der Grund dafür ist, dass der unabhängige Finanzsenat nicht schon früher mit Zweidrittelmehrheit, mit Verfassungsmehrheit beschlossen werden konnte. Die Flexi-Klausel wurde 1999 befristet eingeführt, hat sich in der Praxis, wenn auch in wenigen Fällen angewandt, aber dort, wo sie angewandt wurde, mit Einsparungen zwischen 3,7 und 10,9 Prozent durchaus bewährt; das ist wahrlich keine Kleinigkeit, wenn man den täglichen Budgetvollzug kennt.


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Dementsprechend hat Finanzminister Grasser auch bereits früh – ich glaube Anfang 2001 – die Absicht verkündet, diese Flexi-Klausel unbefristet in Geltung zu setzen. Dem Vernehmen nach hat es dazu im Ministerrat nicht weniger als dreimal Zustimmung gegeben, trotzdem wurde dann die entsprechende Vorlage im Finanzausschuss des Nationalrates überraschend zurückgezogen; wie man hört auf Druck des Landwirtschaftsministeriums, aber ich glaube, da brauchen wir uns nicht weiter zu verbreitern. Tatsache bleibt allerdings, dass es ohne das so genannte Junktim der Sozialdemokraten – wobei Junktim der falsche Ausdruck ist, denn die Sozialdemokraten haben nichts dafür bekommen, dass sie dieses Junktim errichtet und zugestimmt haben – nicht so schnell dazu gekommen wäre.

Der nunmehr beschlossene Kompromiss ist, so denke ich, tragfähig. Man wird innerhalb einer Befristung sehen, wie er sich bewährt. Ich glaube, dass auch die Flexi-Klausel in manchen Bereichen durchaus ein zusätzliches Instrument oder ein alternatives Instrument zu Ausgliederungen, die man ansonsten vielleicht nicht machen müsste, sein könnte.

Man kann nicht sagen, dass Ausgliederungen an sich schon etwas Gutes sind, der Regierung fehlt aber das Bewusstsein, dass Ausgliederungen eben an sich keinen Wert darstellen. Zudem erliegt man der Verlockung, durch Ausgliederungen den für die Reputation in der Europäischen Union bedeutsamen Maastricht-Schuldenstand zu reduzieren, und das ist ein zusätzlicher Anreiz, auch dort auszugliedern, wo es eigentlich nicht angebracht ist.

Kollege Lindinger ist leider im Moment nicht im Raum, aber ich möchte ihm sagen: Das war ein vollständiges Zitat und ein richtiges Zitat des sicherlich nicht unserer Partei angehörenden Rechnungshofpräsidenten.

Ich bin froh, dass wir beiden Materien zustimmen können und zustimmen werden, auch wenn das in diesem Fall bedeutet, dass ausgerechnet die Opposition dem Finanzminister den Rücken stärkt, aber in diesem Fall werden wir das gerne tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

13.47

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.48

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich auch zu diesen Punkten sehr kurz fassen.

Nach den ausführlichen Darlegungen meiner beiden Vorredner, die eigentlich auf alle wesentlichen Aspekte beider Gesetze eingegangen sind, möchte ich nur an einem Beispiel, das aus dem unabhängigen Finanzsenat kommt, zeigen, wie anders diese Bundesregierung im Vergleich zu früheren Bundesregierungen denkt und handelt.

Ein Beispiel: Wenn ich heute gegen eine Entscheidung einer Bundespolizeidirektion oder einer Bezirkshauptmannschaft Einspruch erhebe, dann ist es automatisch einmal so, dass im Falle meines Unterliegens die Berufungsentscheidung, also die Rechtsmittelentscheidung, natürlich mit der Strafe höher ausfällt, und außerdem habe ich auch noch Kosten zu tragen. – Das ist – daran sind wir als Bürger dieser Republik gewöhnt – so normal wie das Amen im Gebet.

Schaut man sich das genauer an, dann spiegelt sich in solchen Dingen noch das alte Bild, das alte Denkschema wider: da die Obrigkeit, der Staat, und da der Untertan, heute auch gerne der "kleine Bürger" genannt.

Beim Finanzsenat, meine Damen und Herren, gibt es das nicht mehr. Der unabhängige Finanzsenat, neben allen anderen Vorzügen, die von den Vorrednern bereits dargelegt wurden, kennt weder Gebühren noch Kostenersatz im Falle des Unterliegens.


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Das heißt, jener Staatsbürger, der sich beschwert fühlt und normalerweise Auskunft einholt, der bisher immer wieder darauf hingewiesen werden musste, dass er auch verlieren könnte und ihn dann das Ganze noch eine Stange mehr kostet, braucht dies in Hinkunft nicht mehr zu fürchten.

Ich hoffe auch – um beim Vergleich zu bleiben, ich spreche die automatische Erhöhung in anderen Verwaltungsverfahren an, Herr Staatssekretär –, dass dieser Aspekt bei den unabhängigen Finanzsenaten nicht zum Tragen kommen wird und dass man dort nicht Vorschreibungen automatisch erhöht. Da spiegelt sich das neue, moderne und zukunftsorientierte Denken unserer heutigen Regierungsmitglieder wider.

Meine Damen und Herren! Man kann dem Herrn Finanzminister, dem Herrn Staatssekretär, allen, die daran mitgewirkt haben, zu diesem Teil einer groß angelegten Reform – der Finanzminister hat ausdrücklich betont, dass es sich auch hiebei nur um einen Teil seiner Reformpläne handelt – nur gratulieren! Wir werden gegen die Vorlagen natürlich keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.51

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Staatssekretär Dr. Alfred Finz. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.51

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich zunächst für diese allgemeine Zustimmung zum neuen unabhängigen Finanzsenat bedanken. In erster Linie bedeutet die Einrichtung eines unabhängigen Finanzsenates eine Verbesserung des Rechtsschutzes und in zweiter Linie eine Verbesserung auch im Hinblick auf eine Verwaltungsreform.

Worin liegt die Verbesserung des Rechtsschutzes? – Bisher wurde die Rechtsmittelinstanz von den Finanzlandesdirektionen wahrgenommen. In den Finanzlandesdirektionen waren die dortigen Beamten praktisch mit zwei Dingen beschäftigt: Einerseits arbeiteten sie in der Rechtsmittelinstanz, andererseits waren sie auch im so genannten Fachbereich Ansprechpartner für die Finanzämter.

Wenn ein Finanzamt bezüglich der steuerlichen Behandlung eines Falles eine Frage hatte, dann fragte man in der Finanzlandesdirektion nach, diese gab Auskunft, wie man das aus der Sicht der Finanzlandesdirektion beurteilte, und dann konnte es passieren, dass derselbe Beamte, der in einem bestimmten Fall vorher eine Rechtsauskunft gegeben hatte, diesen Fall wieder auf dem Schreibtisch hatte, aber diesmal in einer anderen Rolle, nämlich als Richter in der Berufungsinstanz.

Das war zu verbessern. Das war auch die Kritik vor allem von Seiten der Lehre im Sinne der Menschenrechtskonvention, wonach man in eigener Sache nicht Richter sein darf. – Darin liegt also eine wesentliche Verbesserung.

Es gibt aber noch weitere Verbesserungen. Es gibt zum Beispiel mehr Einzelrichter-Entscheidungen. Das dient der Schnelligkeit des Verfahrens. Weiters wurden verkleinerte Senate eingeführt. Auch das dient einer Beschleunigung des Verfahrens. Es wurde auch die gesamte Kosten- und Gebührenfrage in einem befriedigenden Sinne, wie bereits von einem Vorredner dargestellt, geregelt.

Vor allem wollen wir über die EDV eine durchgängige Entscheidungsevidenz aufbauen. Bisher gab es nur fallweise eine Entscheidungsevidenz, etwa dann, wenn über bestimmte Fälle in der Fachliteratur geschrieben wurde. Wir wollen jetzt aber eine Entscheidungsevidenz über alle Fälle – natürlich anonymisiert – aufbauen und wollen auch so dem Rechtsschutzgedanken dienen. – Ich glaube, im Großen und Ganzen ist das wirklich eine gelungene Regelung.

Einen Punkt möchte ich noch anführen, weil Herr Bundesrat Hoscher darauf Bezug genommen hat: Der Ausdruck "faires Verfahren" bezieht sich darauf, dass jetzt ein so genanntes kontradiktorisches Verfahren eingeführt wird. Das heißt, die Partei und das zuständige


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Finanzamt, das den Bescheid erlassen hat, werden gleichwertig vor dem neuen unabhängigen Finanzsenat auftreten, und es wird praktisch keine bevorzugte Behördenstellung mehr geben. Das ist als Verbesserung der Fairness gedacht.

Die verwaltungsreformatorischen Verbesserungen sehe ich darin, dass wir mehr Einzelrichter-Entscheidungen haben – dadurch benötigen wir in etwa höchstens den gleichen Personalstand wie bisher – und dass wir die gesamte Logistik bei den bisherigen Finanzlandesdirektionen einrichten. Es werden also keine eigenen Overhead-Kosten entstehen.

Ein weiteres Argument wird im Sinne einer Regionalisierung angeführt: Wir haben deshalb eine Behörde mit Außenstellen in den Finanzlandesdirektionen eingeführt, weil wir besonders darauf achten wollen – und das war in der Vergangenheit eher nicht der Fall –, dass wirklich eine einheitliche Rechtsprechung gegeben ist. Dies ist leichter herzustellen, wenn es eine Behörde ist. Das ist die Idee, die dahinter steckt.

Ich möchte zum zweiten Bereich kommen. Wieso hat es etwas länger gedauert, bis die so genannte Flexi-Klausel weiter verlängert wurde? – Herr Bundesrat Weiss hat es schon angedeutet: Die Flexi-Klausel wurde – so gut sie auch war, und ich bekenne mich dazu – in der Vergangenheit nur von wenigen Ressorts angewendet, und zwar von zwei Ressorts mit mehreren Dienststellen: vom Landwirtschaftsressort – daher ist von dort auch ein Einspruch gekommen – und vom Justizministerium. In letzter Zeit ist noch das Finanzministerium mit der Finanzprokuratur dazu gekommen.

Trotz der guten Sache und trotz der Ersparniserfolge war keine entsprechende Verbreitung gegeben, und zwar aus folgendem Grund: Obwohl es eine dezentrale Fach- und Budgetverantwortlichkeit gab, war eine Übermacht, eine Vormachtstellung des Finanzministeriums geben. Das sage ich, obwohl ich Angehöriger des Finanzministeriums bin. Es war eine Übermacht gegeben.

Das Finanzministerium hat im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachminister mitgewirkt, wenn ein flexibilisierter Bereich eingeführt wurde. Da war das Einverständnis da, und das war auch gut so. Aber wenn dann zu entscheiden war: Gibt es Überschüsse, und was geschieht mit den Überschüssen?, dann war nur mehr der Finanzminister allein zuständig. Er konnte sagen: Von den erwirtschafteten Überschüssen bleibt ein bestimmter Anteil im Unternehmen, der Rest geht ins Finanzministerium oder unter Umständen bleibt er auch im Fachressort. Aber der zuständige Fachminister konnte nicht mitentscheiden. Wenn es aber Verluste gab, dann war das allein die Angelegenheit des Fachministers.

Außerdem war bei dieser Regelung der Kürzungsanteil der flexibilisierten Bereiche nicht sichergestellt. Sie wissen: Wir haben derzeit noch immer einen Kurs der Budgetkonsolidierung. Es hat mitunter aus konjunkturellen Gründen eine allgemeine Kürzung von Ausgaben gegeben. Dann wurde das linear umgelegt, die flexibilisierten Bereiche wurden davon aber ausgenommen, und jener Fachminister, der in seinem Zuständigkeitsbereich einen flexibilisierten Bereich hatte, musste dann noch die Tranche, die auf diesen flexibilisierten Bereich eben nicht entfallen ist, in seinem Budget unterbringen. – Das war der Grund, warum sich niemand mehr für diese Flexi-Klausel interessiert hat.

Genau diese Punkte wurden berechtigterweise vom Land- und Forstwirtschaftsminister beeinsprucht. Das hat nun zu der Regelung geführt, dass in allen Bereichen, also auch bei der Entscheidung über Überschuss oder Verlust, die Entscheidung: Was fließt ins allgemeine Budget, und was bleibt im Ressortbudget? jeweils im Einvernehmen zu erfolgen hat. – Ich finde, jetzt passt die Entscheidung, und jetzt kann man wirklich empfehlen, dass diese Klausel von allen angewendet wird.

Herr Bundesrat Hoscher! Ich möchte noch, weil Sie die Ausgliederungen angesprochen haben – als mein Hobby oder mein Steckenpferd oder meinen Zuständigkeitsbereich –, darauf eingehen. Ich betone grundsätzlich, dass eine Ausgliederung keinen Selbstzweck hat. Maastricht-Ausgliederungen wurden aber schon lange vor dieser Bundesregierung getätigt. Sie


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wurden unter Finanzminister Klima vorgenommen, und sie wurden unter Finanzminister Staribacher gemacht – in diesem Fall weiß ich nicht, ob er welche gemacht hat; er war zu kurz im Amt, er hat nicht einmal ein Budget gemacht. Aber auf jeden Fall wurden sie auch unter Herrn Bundesminister Edlinger vorgenommen.

Wir haben keine Ausgliederungen nach Maastricht mehr gemacht. Wir haben nur mehr die Aufgabe, die von unseren Vorgängern gemachten Maastricht-Ausgliederungen – zum Beispiel die SchIG – zu reparieren. Und wir prüfen sehr genau, ob und inwieweit sich eine Ausgliederung als sinnvoll darstellt. Wir haben daher eigens eine Evaluierung aller bisherigen Ausgliederungen vorgenommen, haben neue Grundsätze für die Ausgliederungen ausgearbeitet, sodass ich glaube, dass unsere neuen Ausgliederungen wirklich auch den Anforderungen des Rechnungshofes entsprechen.

Ich bin sehr häufig mit dem Herrn Rechnungshofpräsidenten in einem Dialog – egal, ob im Rechnungshofausschuss oder auf anderer Ebene, etwa bei Vorträgen. Ich finde, die neuen Ausgliederungen können sich sehen lassen, bringen eine beweisbare, nachhaltige Einsparung von öffentlichen Geldern und stellen somit auch einen Beitrag zur Verwaltungsreform dar. – Ich danke, dass ich das Wort erteilt bekommen habe. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.00

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.00

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Zu den Ausgliederungen: Das war, wie gesagt, ein Zitat des Rechnungshofpräsidenten.

Zu einem anderen Steckenpferd, das manchmal offensichtlich in Ihrer Fraktion zu herrschen scheint, zum Budget des Herrn Dr. Staribacher: Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Ditz noch Ihrer Fraktion angehört. Wenn ja, dann fragen Sie ihn bitte, wie viel Prozent des Klima-Ditz-Budgets auf den Entwurf des Kollegen Staribacher zurückgegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (1067 und 1100/NR sowie 6658/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1068 und 1101/NR sowie 6647 und 6659/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1069 und 1102 sowie 6648 und 6660/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird (950 und 1103/NR sowie 6661/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zu den Punkten 10 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 bis 13 hat Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ihnen liegt der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird, vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zweitens zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem


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das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden. Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme drittens zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden. Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der vierte Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird, liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Harald Reisenberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.05

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich beschäftige mich heute mit der KAG-Novelle, die durchaus von verschiedenen Seiten zu beleuchten ist, mit ihren positiven, aber – leider Gottes – auch negativen Seiten.

Gesundheit ist das höchste Gut auf Erden. Das ist ein alter Spruch, der oft gesagt wird. Dieses höchste Gut aber zu einem politischen Spielball werden zu lassen, kann man nur als Negation der Thematik oder politische Kleingeldsuche der übelsten Art beschreiben, und das ist wirklich etwas Schlimmes. Wenn ich mir auch in diesem Gesetz die eine oder andere Hopp-oder-Tropp-Regelung ansehe, die darin zu finden ist, Herr Staatssekretär, dann frage ich mich wirklich: Wo befinden wir uns? – Da gibt es etwas, was ich nach wie vor in keiner Weise nachvollziehen kann: Wenn man sich bei den Patienten mehr oder weniger das Geld dafür holt, um Kunstfehler der Ärzte zu versichern, dann kann mir niemand erklären, wie das auch nur im Mindesten logisch sein kann.

Das wäre im Prinzip so, als ob ich die Prämie für jemanden zahlen sollte, für den Fall, dass er mir mit dem Auto hineinfährt. Oder anders gesagt, es gibt ein paar Möglichkeiten, wie zum Beispiel Naturereignisse, die man gar nicht versichern lassen kann, oder wenn, dann sehr teuer. Oder vielleicht – wir leben ja Gott sei Dank in Österreich und nicht am Meer – lasse ich mich gegen Haifischangriffe versichern, also gegen etwas, mit dem ich eigentlich nicht rechnen muss. Aber wenn etwas passiert, dann sollte das doch in der Hand jener liegen, denen es passiert.

Ärzte sind auch nur Menschen, keine Frage. Ich sage immer: Wenn ein Metallarbeiter mit dem Werkzeug falsch hantiert, dann kann er ein neues Stück Metall, ein neues Arbeitsstück nehmen und es wieder gutmachen. Beim Menschen ist das schwieriger, aber die Möglichkeit eines Fehlers muss einem Arzt natürlich genauso zugestanden werden.


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Aber die Schuldfrage sozusagen "per Versicherungsklausel" – unter Anführungszeichen – umzukehren, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist etwas, wozu ich nur sagen kann: Nicht einmal Münchhausen wäre auf solch eine Geschichte gekommen, und nicht einmal das sprichwörtliche Schilda hätte solch eine Regelung beschlossen! Aber wir haben eine blau-schwarze Regierung, und da geht das offensichtlich sehr salopp, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber einige wirklich gute Punkte, die auch von uns nur befürwortet werden können, wie zum Beispiel die Ethikkommission. Vertreter der Behinderten sind nun verbindlich aufgenommen. Das ist eine sehr gute Sache, das ist nur zu unterstützen, nur zu unterschreiben. Zu begrüßen ist unter anderem auch die Beurteilung von neuen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Damit will man die Medikamentenkosten in den Griff bekommen – ebenfalls eine Maßnahme, die sehr gut ist, genauso wie die Bewertung neuer medizinischer Methoden.

Da ich die Ehre habe, in meinem Freundeskreis auch ein paar Mediziner zu haben, die mir das immer wieder bestätigen, weiß ich: Bei dem großen Wissen der Medizin, das es heute gibt, kann man, auch wenn man alles wissen will, nicht einmal die Hälfte wissen. Ich weiß also, wie schwierig dieser Bereich ist. Tagtäglich gibt es neue Erkenntnisse, tagtäglich einen weiteren Fortschritt, und die Methoden, die heute durchaus Standard sind, waren vielleicht vor ein paar Jahren noch gar nicht vorstellbar. Daher halte ich die vorliegende Regelung nicht nur für gut, sondern auch für sehr wichtig, weil sie uns allen viel Positives für die Zukunft beschert.

Zu den Patienten der Sonderklasse: In Zukunft wird der Spitalskostenbeitrag 0,73 € pro Tag betragen. Das ist natürlich eine schlechte Lösung, weil sie an der Lösung anknüpft, die wir schon bisher für eine schlechte Lösung gehalten haben. Ich befinde mich mit dieser Meinung in guter Gesellschaft: Herr Staatssekretär Waneck selbst hat diese Lösung als "bestenfalls eine Zwischenlösung" bezeichnet. Sie kann keinesfalls endgültig sein, so waren seine Worte.

Ich frage mich nur: Wenn wir hier schon Änderungen machen – ich stehe schon dazu, dass es notwendig ist, aber ich habe es mir anders vorgestellt! –, warum machen wir dann nicht gleich eine Lösung, die zufrieden stellend und auch zukunftsweisend sein kann? Warum suchen wir nicht eine Lösung, die patientenfreundlich und unabhängig von der Brieftasche des Einzelnen – oder von der Art und Weise, wie er im Spital untergebracht ist – geregelt ist?

Weiters wird geregelt, dass Patienten in den Unfallkrankenanstalten der AUVA gegebenenfalls Leistungen aus den Mitteln der verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung bekommen. – D’accord.

In Zukunft dürfen jenen Patienten mit fremder Staatsangehörigkeit – aus EWR-Staaten – nur mehr die amtlich festgesetzten Pflegegebühren verrechnet werden. Früher sind die tatsächlichen Kosten verrechnet worden, aber das ist EU-rechtswidrig, daher ist dies sicherlich auch kein Diskussionspunkt.

Die Krankenanstalten werden in Zukunft verpflichtet, beim Einsatz von Medikamenten auch auf die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Bedacht zu nehmen. Das macht Sinn, Herr Staatssekretär! Das macht Sinn, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, da sind wir uns alle einig: So lange – das scheint mir bei diesem unserem System auch gewährleistet zu sein – das nicht auf Kosten der Patienten geht, so lange ist es nur zu befürworten und gut. Aber – leider Gottes kommt auch hier wieder ein ganz großes "Aber" – nicht gemeinnützige, private Krankenanstalten sind von dieser Regelung ausgenommen! – Das entspricht wieder einmal dem Sittenbild dieser blau-schwarzen Koalition.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Sie können sich erinnern, es ist ja erst ein paar Wochen her, dass wir hier in diesem Haus, in diesem Gremium – auch ich durfte dazu sprechen – über das Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz diskutiert und dieses beschlossen haben. Ich durfte damals auch dazu Stellung nehmen und zeigte meine Verwunderung über die eine oder andere Auswahl: Manche so genannten privaten Krankenanstalten sind im Grunde genommen eine Arztpraxis mit ein, zwei Betten, und nicht mehr. Aber


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man hat sich durchgerungen, das in dieser Art und Weise zu machen. Aber wir geben genau diesen privaten Krankenanstalten, die nun von einer ökonomischen Verschreibungsweise ausgenommen werden, öffentliche Gelder.

Bei allen anderen ist das gut, in Ordnung und befürwortenswert. Nur in diesem Bereich brauchen wir das nicht, dort kann man nach wie vor machen, was man will, weil man eben ein privater Krankenanstaltenverein ist?! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist etwas, was ich weder verstehen noch akzeptieren kann. Da werden keine Eulen nach Athen getragen, nein, da wird Wasser in Privatswimmingpools geschüttet!

Wenn wir das Ganze nach grundsätzlichen Voraussetzungen betrachten – wir haben einen Staatssekretär, der aus dieser Gilde kommt; er hat den Eid des Hippokrates abgelegt, den alle Ärzte leisten –, dann muss man feststellen, das ist für diese Regierung offensichtlich ein Fremdwort.

Sehr theatralisch – vielleicht wäre der eine oder andere durchaus dazu berufen, es gut im Theater bringen zu können – müsste man ausrufen: Gott schütze unsere Gesundheit – und lasse uns zumindest bis zu den nächsten Wahlen nicht krank werden!

Meine Damen und Herren! Die Regierungsparteien sind ihrem Ruf als Sargnägel dieses Gesundheitssystems wieder einmal gerecht geworden. Deshalb wird meine Fraktion diesem Gesetz beziehungsweise dieser Novelle nicht zustimmen.

Bleiben Sie gesund, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

14.12

Vizepräsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Margarethe Aburumieh. – Bitte, Frau Bundesrätin.

14.13

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Theatralisches, Herr Kollege Hoscher, haben Sie geliefert. Wir haben das nicht nötig. Wenn Sie von einem politischen Spielball sprechen, dann muss ich sagen: In den letzten 30 Jahren war die Gesundheitspolitik der Sozialdemokraten leider nicht einmal ein Spielball, denn Sie von der SPÖ haben uns ein ziemlich marodes System übergeben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich stehe dazu, dass die vier vorliegenden vom Nationalrat beschlossenen Gesetzesmaterien – das sind das KAG, das Ärztegesetz, das Hebammengesetz und das Bundesgesetz, mit dem öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben werden – sicherlich keine spektakulären Beschlüsse sind, sondern eigentlich kleine Änderungen. Sie sind aber dennoch sehr bedeutende Mosaiksteine im Gefüge der Gesundheitspolitik dieser Regierung und tragen im Detail betrachtet auch massiv zur Qualitätssicherung bei.

Wir ändern im Krankenanstaltengesetz – lassen Sie mich das kurz replizieren – mit § 8 die Zusammensetzung der Ethik-Kommission. Sie wissen, Ethik-Kommissionen gibt es bereits, und zwar sind sie bei den Ämtern der Landesregierungen angesiedelt. Die Aufgabe dieser Ethik-Kommission ist es, vor der Anwendung einer neuen Methode im Krankenanstaltenbereich oder auch bei der Einführung neuer Medizinprodukte entsprechende Richtlinien zu erarbeiten. So ist zum Beispiel für alle niederösterreichischen Krankenanstalten beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eine für das gesamte Bundesland zuständige Ethik-Kommission tätig.

Behinderte Menschen haben spezifische Interessen und Bedürfnisse. Sie sind natürlich von der Anwendung neuer Arzneimittel besonders betroffen. Die Änderung im Gesetz ist, dass in den Grundsatzbestimmungen jetzt ein Behindertenvertreter vorgesehen ist.

Der § 19 schafft die Arzneimittelkommissionen. Es ist allen bekannt, dass in den letzten Jahren gerade auf dem Arzneimittelsektor, vor allem auf Grund des immer rascheren medizinischen und technischen Fortschrittes sowie der immer größer werdenden Palette von Arzneimitteln, die


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Kosten deutlich stärker als in den anderen Bereichen des Gesundheitswesens gestiegen sind. Man will diese Kostenexplosion in den Griff bekommen, und daher wird es auch im Krankenanstaltenbereich zu entsprechenden Maßnahmen kommen.

Im niedergelassenen Bereich gibt es bereits Vorgaben hinsichtlich der zweckmäßigen und ökonomischen Verschreibweise von Arzneimitteln in Form von Richtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Künftig wird es das auch im Krankenanstaltenbereich geben, und zwar in Form einer Clearing-Stelle, die über Auswahl und Einsatz der entsprechenden Arzneimittel zu befinden hat.

Das heißt, die Arzneimittelkommission wird nicht nur eine Liste erstellen, sondern diese wird ständig adaptiert werden müssen. Sie wird auch Richtlinien über die Beschaffung und über den Umgang mit den Arzneimitteln in den Krankenanstalten zu erstellen haben. Die Träger der Krankenanstalten sind wiederum verpflichtet, dass sie die in dieser Liste enthaltenen Arzneimittel in der Krankenanstalt verwenden und dass Abweichungen von diesen erstellten Listen besonders dokumentiert beziehungsweise begründet werden müssen.

Wenn Sie, Herr Kollege Reisenberger, meinen, die Privaten seien davon ausgenommen, dann muss ich Sie enttäuschen: In den Privatspitälern gibt es diese Arzneimittelkommissionen schon längst auf freiwilliger Basis. Dort hat man uns vorgelebt, dass man Spitäler auch sehr wirtschaftlich betreiben kann.

Sie wissen, ich komme aus Niederösterreich. Das Melker Krankenhaus ist ein Gemeindespital. Wir haben seit sieben Jahren eine Arzneimittelkommission auf freiwilliger Basis. Das, was man dort bereits probiert hat – in vielen Häusern hat es sehr positive Richtlinien, aber auch Einsparungen gegeben –, wird jetzt Gesetz für all jene, die dies noch nicht haben. Sie wissen, dass sich die Länder mit ihren Artikel-15a-Vereinbarungen an dieses Gesetz halten werden. Es wird also gut sein, wenn es auch in den Wiener öffentlichen Spitälern ab jetzt Arzneimittelkommissionen gibt.

Zum § 27a, der Sie auch ein bisschen gestört hat: Dabei geht es darum, dass künftig 0,73 € auch von den Patienten der Sonderklasse pro Verpflegstag zu bezahlen sind, und zwar in den Topf, der für die verschuldensunabhängige Patientenentschädigung eingerichtet wurde. Ich kann nur mehr kurz darauf verweisen; ich habe bereits zum letzten Gesetzentwurf gesprochen, den Sie zitiert haben, zur Patienten-Charta. Sie wissen, dass darin der Patientenanwalt geregelt ist, der sich um die Fälle kümmert, dass das auch Ländersache ist und dass eben jetzt alle darin einzahlen.

Die Anzahl solcher Fälle ist sehr gering, und leider ist eben nicht immer verifizierbar, wer in solch einem Fall "schuld" – unter Anführungszeichen – ist. Daher zahlt diesen Beitrag jeder, und jede Krankenanstalt, die einzahlt, nämlich auch die unter § 40 fallenden, kann diese verschuldensunabhängige Patientenentschädigung in Anspruch nehmen.

Durch § 29 erfolgt eine Angleichung an das EU-Recht. Dieser Paragraph korrigiert die Rechtslage der passiven Dienstleistungsfreiheit dahin gehend, dass, wenn sich der Dienstleistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat begibt, für Staatsangehörige von EWR-Vertragsparteien im Sinne des europarechtlichen Gleichbehandlungsgebotes nicht die tatsächlichen Behandlungskosten in Rechnung zu stellen sind, sondern diesen Personen wie nicht sozialversicherten Österreichern die amtlich festgesetzten Pflegegebühren zu verrechnen sind.

Das waren jene Punkte, die durch die uns vorliegende und vom Nationalrat bereits beschlossene Novelle des Krankenanstaltengesetzes geändert werden. Ich würde Sie bitten, diesen Punkten die Zustimmung zu geben.

Zur Neuregelung im Hebammengesetz darf ich erwähnen, dass es sich nur um Kleinigkeiten handelt, dass diese Novellierung aber von der Interessenvertretung der Hebammen als ein absolut großer Schritt akzeptiert wird. Für Hebammen war bisher die Verschreibung von Arzneimitteln, die sie für ihre Berufsausbildung benötigen, durch sie selbst nicht möglich. Hebammen durften zwar im Rahmen ihrer Berufsausübung bestimmte Arzneimittel ohne ärztliche


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Anordnung anwenden und waren auch verpflichtet, diese vorrätig zu halten; der Bezug dieser Arzneimittel war Hebammen bisher jedoch nur auf Grund einer ärztlichen Verschreibung möglich. In der Praxis bedeutete das, dass die Hebamme das, was sie an Medikamenten brauchte und vorrätig halten musste, vorher vom Arzt verschreiben lassen musste. Das wird durch die vorliegende Novelle jetzt dahin gehend geregelt, dass die Hebamme berechtigt ist, die im Rahmen ihrer Berufsausübung benötigten Arzneimittel auf Grund einer eigenen Verschreibung in der Apotheke zu beziehen. Inhaltlich deckungsgleich müssen wir das natürlich auch im Rezeptpflichtgesetz ändern.

Ein weiterer Punkt im Hebammengesetz ist das Übereinkommen mit der Schweiz betreffend die gegenseitige Anerkennung der Ausbildung.

Ferner wurde eine Anpassung an die Praxis insofern vorgenommen, als die direkte Einhebung des Gremialbeitrages durch das Österreichische Hebammen-Gremium im Gesetz verankert wurde.

Zum Ärztegesetz wird meine Kollegin sprechen. – Ich darf nur noch erwähnen, zu welcher Änderung es durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird, kommt:

Wir haben seit 1960 das Gesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung mit Polio-Oralimpfstoff. Bis zum Jahr 1999 wurde in Österreich Kindern ab dem vierten Lebensmonat eine Schluckimpfung mit diesen Poliovakzinen verabreicht. In bestimmten Fällen wurde aber diese Polio-Oralimpfung durch eine Impfung mit Salk-Impfstoff mittels Injektion ersetzt. Es gibt Studien, aus denen hervorgeht, dass auf Grund der Polio-Oralimpfung zum Beispiel in Amerika in acht bis zehn Fällen Impfstoff-Poliomyelitis, allerdings im Verhältnis 1 zu 800 000, aufgetreten ist, wobei ein direkter Zusammenhang zwischen der Schluckimpfung und der Lähmungserscheinung bestand.

Wir haben in Österreich eine Umstellung dahin gehend vorgenommen, dass die Polio-Impfung ab dem dritten Lebensmonat erfolgt und jetzt in eine Sechsfachimpfung integriert ist, die ebenso kostenlos ist und im Impfplan enthalten ist. Daher ist das bestehende Gesetz obsolet geworden.

Ich bitte Sie, diesen Änderungen im Gesundheitsbereich Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

14.24

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.24

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Reisenberger replizieren. (Ruf bei der SPÖ: Das denke ich mir!) Mir kommt es so vor, als ob das Programm für die SPÖ-Fraktion von Qualtinger geschrieben worden wäre (Bundesrat Gasteiger: Geh!): Sie wissen nicht, wohin, aber Sie glauben, Sie sind schneller dort!

Es begann schon beim ersten Tagesordnungspunkt: Sterbehospiz – positiv, aber dagegen. (Bundesrat Reisenberger: Ein bisschen mitdenken, dann wird es funktionieren!) Es ging so weiter bei der Novelle zum Krankenanstaltengesetz: positiv, aber dagegen; Entsendung eines Behinderten in die Ethik-Kommission: positiv, aber dagegen (Bundesrat Reisenberger: Sinnlos!); Schaffung einer Arzneimittelkommission: positiv, aber dagegen. – Meine Damen und Herren! Dazu kann man wirklich nur sagen: Qualtinger hat den Weg für die Sozialdemokraten vorgegeben oder ihr Programm geschrieben.

Man muss dazu aber noch etwas sagen – zumal Sie schon erkennen, dass all das positiv ist –: 30 Jahre lang hätten Sie Zeit gehabt, in diesem Bereich Veränderungen herbeizuführen! (Bundesrätin Haunschmid: Das können wir Ihnen nicht oft genug sagen! – Bundesrat Gasteiger: Das ist so langweilig! – Bundesrätin Haunschmid: Das müssen wir Ihnen immer


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wieder sagen!) 30 Jahre, Herr Kollege Gasteiger, sind wirklich eine sehr lange Zeit. (Bundesrat Gasteiger: Sagt, was ihr das nächste Mal besser machen wollt, denn lang seid ihr eh nicht mehr da!)

Meine Damen und Herren! Nun einige Anmerkungen zum vorliegenden Tagesordnungspunkt, zur Änderung des Krankenanstaltengesetzes:

Was die Aufnahme eines Behindertenvertreters in die Ethik-Kommission betrifft, so gehen meine Fraktion und ich davon aus, dass es sich da um einen sehr wichtigen Schritt handelt. Wir erachten ihn deshalb als wichtig und richtig, weil eben die Behinderten und deren Vertreter ihre Bedürfnisse am kompetentesten einbringen können und weil dies sicherlich auch ein notwendiges Signal – auch im Sinne einer Aufwertung – an jene Gruppe von Mitmenschen ist, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat.

Der zweite wesentliche Punkt in dieser Novelle ist die Installierung einer Arzneimittelkommission, durch die es in Summe zu einer Senkung der Kosten, nämlich der Medikamentenkosten kommen wird, und zwar bei gleicher Qualität, also ohne dass ein Qualitätsverlust damit verbunden wäre.

Beides, meine Damen und Herren, die Entsendung eines Behindertenvertreters in die Ethik-Kommission und die Senkung der Medikamentenkosten, hat auch der SPÖ-Gesundheitssprecher im Nationalrat, Abgeordneter Lackner, als positiv bewertet. Alteriert hat sich Lackner – und heute eben Reisenberger – lediglich über den Behandlungsbeitrag in der Höhe von 0,73 € in der Sonderklasse.

Meine Damen und Herren! Gerade für die Schaffung einer Rechtssicherheit oder eines so genannten Rechtsschutzes nimmt sich wohl der Beitrag in der Höhe von 0,73 € mehr als gering aus. Hier, Herr Kollege Reisenberger, gehen Sie sowie Abgeordneter Lackner und die gesamte SPÖ-Fraktion sicherlich einen falschen Weg, und Sie verkennen auch die finanzielle Dimension.

Meine Damen und Herren! Ich sage das aus über 20-jähriger Berufserfahrung in der Versicherungswirtschaft. Ich kenne keinen Versicherungskunden, der nicht bereit ist, ein paar Cent auszugeben, um Rechtssicherheit, einen Rechtsschutz und eine Haftung ihm gegenüber zu erreichen. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie irren sich deshalb, und Sie gehen da von falschen Dimensionen aus, weil Sie nicht bereit waren, sich die Relationen anzuschauen. Die Bereitschaft, für die Sonderklasse im privaten Bereich rund 1 200 € im Jahr auszugeben, ist in Österreich durchaus groß. Dagegen nimmt sich der Tagesbeitrag in der Höhe von 0,73 €, der noch dazu mit 28 Tagen limitiert ist, mehr als gering aus. Ich würde meinen, dieser Betrag ist eigentlich gar nicht nennens- oder erwähnenswert.

Meine Damen und Herren! Hier liegen nicht nur Kollege Reisenberger, der jetzt das Plenum verlassen hat, und Kollege Lackner, sondern die gesamte SPÖ falsch. Ich glaube vielmehr, Herr Kollege Gasteiger, Ihnen von der SPÖ geht es in dieser Causa nur um reine Fundamentalopposition. Fundamentalopposition geht Ihnen über alles! Fundamentalopposition kommt wieder einmal vor den Menschen, vor den Patienten. Das ist, so glaube ich, die einzige Erklärung für Ihre Haltung in dieser Frage.

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Erlauben Sie mir auch noch eine Bemerkung zur Änderung im Hebammengesetz! Hiebei handelt es sich auch um eine klare Regelung, durch die die Kompetenzen in Hinkunft eindeutig festgeschrieben werden, sowohl für die Hebammen, aber auch, was die Zuständigkeit der Ärzte betrifft. Hebammen dürfen nämlich auf Grund der vorliegenden Gesetzesnovelle jene Medikamente in den Apotheken beziehen, die sie für ihre Berufsausübung benötigen.

Daher, meine Damen und Herren, ist auch diese Gesetzesänderung als vernünftig zu betrachten. Es ist nicht so, wie es die SPÖ immer wieder darstellte und dabei die Hebammen gegen die Ärzte auszuspielen versuchte. Das war ein misslungener Versuch im Klassenkämpferstil, Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen. Er hat auch nicht gefruchtet, denn


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beide Berufsgruppen – Hebammen ebenso wie Ärzte – wissen sehr wohl, dass dies ein notwendiger Reformschritt ist.

Meine Fraktion wird daher diesen Vorlagen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.31

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte, Herr Staatssekretär.

14.31

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich bin sehr dankbar dafür, dass heute ein paar Begriffe genannt wurden, die offensichtlich noch immer nicht verstanden werden. Wenn sie hier nicht verstanden werden, dann sind sie natürlich dazu geeignet, in der Öffentlichkeit missverständlich interpretiert zu werden. Es ist schade, dass Herr Abgeordneter Reisenberger jetzt nicht im Saal ist, weil ich ihm das gerne sozusagen erklärt hätte, aber ich nehme an, es wird ihm mitgeteilt werden.

Er hat in seiner Rede die Begriffe "Kunstfehler" und "verschuldensunabhängig" in einen Topf geworfen beziehungsweise den Unterschied zwischen diesen Begriffen nicht verstanden. Es ist völlig klar: Bei einem Kunstfehler liegt das Verschulden einer bestimmten Person oder eines Teams oder wessen auch immer vor, jedenfalls aber ein erkennbares, mit den Folgen des Gesetzes zu ahndendes Fehlverhalten. – Das ist ein Kunstfehler. Für diesen Bereich haben wir in Österreich eine ausgezeichnete Rechtsprechung, und das funktioniert auch. Wir haben auch entsprechende Institutionen, mit denen auch im Wege von Schiedsverhandlungen, wenn es kompliziert wird – und bei medizinischen Fragen handelt es sich um komplizierte Fragen –, den Patienten sehr wohl und auch rasch – und das seit vielen Jahren – zu ihrem Recht verholfen wird.

Der andere Bereich ist verschuldensunabhängig. Verschuldensunabhängig heißt, dass man einen Schuldigen nicht ausfindig machen kann, obwohl klar ersichtlich ist, dass der Betroffene einen Schaden erlitten hat. Dafür wurde diese neue Regelung geschaffen. – Ich strapaziere jetzt nicht die 30 Jahre einseitige Herrschaft im Sozialwesen, sondern ich strapaziere 30 Jahre Juristentag: Als ich dort diese Lösung zum ersten Mal präsentieren konnte, bin ich dort – im Gegensatz zur Opposition – nicht auf Kritik gestoßen, sondern die Teilnehmer haben mir applaudiert und gesagt, sie hätten 30 Jahre lang ergebnislos diskutiert, wie etwas in dieser Richtung gemacht werden könnte, und jetzt kommt jemand und erreicht das in acht Monaten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Da ich ein Pragmatiker und nicht nur ein Theoretiker bin, weiß ich, dass eine Lösung, die endlich einmal ins Haus steht und umgesetzt wird, natürlich Korrekturen und einer Verbesserung bedarf. Aber ich muss einmal etwas tun, und ich muss dann darüber sprechen. Einer dieser Fehler ist jetzt korrigiert worden, nämlich dass eine Patientengruppe aus meiner Sicht völlig irrationalerweise ausgegliedert war. Das war aber ein Fehler der Artikel 15a-Vereinbarung, und ich bin sehr dankbar, dass das von den Bundesländern erkannt wurde und dass man das korrigieren konnte. – So weit dazu.

Jetzt noch zu einem weiteren Irrtum, und zwar bezüglich der Medikamente: Medikamentenkommissionen – das wurde von einer Vorrednerin schon angeschnitten – hat es in einigen Bereichen schon gegeben, vor allem in privaten Spitälern, vor allem auch in Spitälern, die privat und gemeinnützig sind – auch diese fallen nämlich unter die privaten Krankenanstalten –, weil sie auf Grund einer deutlichen Schlechterstellung in der finanziellen Zuwendung schon seit vielen Jahren gezwungen waren, ökonomisch zu handeln, und zwar so ökonomisch zu handeln, dass sie die gleiche Leistung bieten. Das lässt sich heutzutage anhand des LKF-Systems bestens beweisen: Wenn jemand für dieselbe Leistung auch die gleichen Punkte erbringt, dann hat er die Leistung erbracht – hat unter Umständen aber trotzdem ökonomischer gehandelt.


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In diesen Spitälern hat man schon – ich selbst war ärztlicher Direktor eines solchen Spitals – im Jahre 1995 eine solche Kommission eingeführt. Es war nur im öffentlichen Bereich – mit einigen lobenswerten Ausnahmen – nicht möglich, das umzusetzen. Daher war es zweckmäßig, das, was im niedergelassenen Bereich schon seit zwei Jahren funktioniert – und dort interessanterweise freiwillig auf Grund von Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern, nämlich Krankenkassen und Ärzten –, jetzt mit leichtem Druck, nämlich gesetzlichem Druck, auch im Spital umzusetzen.

Was ist jetzt der Unterschied? – In einem Bereich, im öffentlichen Bereich, habe ich Krankenhäuser, die zwar nach dem LKF wirtschaften, aber im Endeffekt hohe Subventionen brauchen. Im niedergelassenen Bereich habe ich einen – zwar inzwischen von der Opposition bemängelten – bestimmten Betrag, der ausschließlich nach dem LKF-System geht, wo nichts mehr dazukommt. Das heißt, dort liegt es schon im grundlegenden Interesse, das günstigere Medikament zu verschreiben, was auch im Allgemeininteresse ist – wobei ich aber dazu sagen muss: Selbst wenn das nicht der Fall ist, betrifft es nicht die Allgemeinheit, sondern wird das von einer privaten Versicherung abgedeckt, sodass auch dort sozusagen der Kaiser letztlich das Recht verloren hat. – Das sei einmal zur Begriffsklärung gesagt.

Es gibt hier keinen Unterschied: Es gibt weder eine Schlechterstellung eines Patienten noch gibt es eine Besserstellung von privaten Krankenanstalten.

Zum Gesamtwerk darf ich Folgendes sagen: Es sind zwar nur kleine Maßnahmen, aber es muss nicht immer spektakulär sein. Die Wirkung ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Wir gehen in Österreich davon aus, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben – darin sind sich alle hier einig. Es ist daher nicht notwendig, es zu zerstören, es zu revolutionieren; es muss aber permanent verbessert werden. Das ist in den letzten zehn Jahren, so würde ich sagen, ziemlich ins Stocken geraten, dadurch gibt es diesen Reformstau. All das muss jetzt nachgeholt werden, und daher muss man diese Verbesserung durchführen.

Erwähnt wurden bereits die Arzneimittelkommission, die neue Regelung betreffend die Ethik-Kommission – etwas Selbstverständliches – und die Verbesserung der verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung.

Es gibt in diesem Bereich aber noch etwas, was wir uns hinter die Ohren schreiben müssen: Wir mussten EU-Recht umsetzen und müssen jetzt sozusagen ausländische Patienten billiger behandeln, als die eigenen Patienten behandelt werden können, weil wir nicht in der Lage sind, über die Landesfonds jene Kostenwahrheit herzustellen und daher auch jene Kosten zu verrechnen, die es dann auch möglich machen würden, dass auch der ausländische Patient – der uns lieb und recht ist – im Krankheitsfall dasselbe zahlt wie ein österreichischer Patient und nicht noch von uns subventioniert wird.

Daher wäre es notwendig – und das ist meine Bitte an Sie, die Sie aus den Bundesländern kommen, von den Bundesländern delegiert sind –, im Bereich Ihrer Fonds dafür zu sorgen, dass dort nicht das Leistungssystem verwaschen wird, indem man eine Punktebewertung macht, die, früher ausgehend von umgerechnet 7 Cent pro Punkt, bis auf 3 Cent heruntergespielt wird. Dann tritt nämlich das ein, dass zwar subventioniert wird, dass aber letztlich auch jeder ausländische Patient damit subventioniert wird und diese Mittel dadurch dem österreichischen Gesundheitssystem entzogen werden. Ich bitte Sie also, dahin gehend tätig zu werden, dass die Landesfonds zumindest einen höchstmöglichen Prozentsatz über diese Fonds direkt mit dem KAG verrechnen.

Auch die Novelle zum Hebammengesetz ist nicht so ohne, weil es sich dabei im Grunde um einen Tabubruch handelt. Ich sage das hier als Arzt, weil ich von Seiten meines Berufsstandes großer Kritik ausgesetzt war, weil jetzt eine Hebamme praktisch selbst Medikamente verschreiben kann. Sie kann diese nicht für sich verschreiben, sie kann sie auch nicht generell zu irgendwelchen Behandlungen verschreiben, sondern sie kann sie nur dort verschreiben und bekommen, wo sie sie jetzt mühsam auf bürokratische Art und Weise erwerben musste, zum Teil letztlich dann sogar auf einem halb illegalen Weg, indem sie selbst zum Arzt ging, der ihr


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das verschrieb, damit sie jene Medikamente hat, die sie dann im Rahmen ihrer Berufsausübung für andere braucht. Ich glaube daher, dass mit dieser Gesetzesänderung ein Weg gegangen worden ist, der auch pragmatisch ist und der einen entsprechenden Erfolg darstellt.

Zum Abschluss darf ich – weil dies angesprochen wurde – noch Folgendes sagen: Wir haben es zum Beispiel, was die Ausgaben am Arzneimittelsektor betrifft, sehr "unspektakulär" – wenngleich oft unter viel Kritik – zuwege gebracht, dass wir, ausgehend von den höchsten Steigerungsraten in ganz Europa, die weit über dem Durchschnitt lagen, nunmehr bei den Steigerungsraten seit drei Jahren permanent im untersten Bereich liegen – und das ohne Gewalt, mit Vernunft, mit Verhandeln, mit Zähigkeit und mit Ausnützen aller Möglichkeiten. Wir sind so weit – ich darf das hier betonen –, dass zum Beispiel Schweden im März dieses Jahres unser Modell der ökonomischen Verschreibung zum Gesetz erhoben hat.

Wir glauben, wir brauchen dieses Gesetz nicht, weil wir genügend vernünftige Menschen, auch Ärzte, in diesem Land haben, die sich einer ökonomischen Vernunft beugen. Es soll aber kein Zwang sein, denn es gibt natürlich Ausnahmen, bei denen es notwendig ist und auch möglich sein soll, teure Medikamente zu verschreiben, nämlich dann, wenn bestimmte Unverträglichkeiten eintreten. Diese Freiheit muss erhalten bleiben. – Der Erfolg gibt uns Recht: Die regionalen Krankenkassen kalkulieren in ihren Budgets derzeit bereits nur mehr mit Steigerungen von 4 bis 6 Prozent und können das auch einhalten.

Zum Abschluss noch einen letzten Satz. Ich habe das vielleicht missverstanden: Es wurde hier sozusagen der Regierung empfohlen, sich an den hippokratischen Eid zu halten. – Die Regierung braucht sich nicht an den hippokratischen Eid zu halten, denn die Regierung hat ihn nie geleistet. Ich persönlich habe ihn geleistet. Ich gehöre einer Regierung an. Wenn der Fall eintreten würde, dass ich diesen Eid verletzen müsste, würde ich sofort zurücktreten. Ich halte die Regierung, der ich angehöre, aber für eine gute Regierung und sehe keinen Anlass dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.40

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Herta Wimmler. – Bitte, Frau Bundesrätin.

14.41

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es ist schon sehr ausführlich über die Änderungen im Krankenanstaltengesetz, im Hebammengesetz und im Bereich der Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung gesprochen worden.

Ergänzend möchte ich festhalten, dass im Krankenanstaltengesetz nun endlich auch verankert ist, dass eine Behindertenvertretung in der Ethik-Kommission verbindlich vorgesehen ist. Gerade für behinderte Menschen gibt es immer wieder neue Medikamente, Arzneimittel und Heilbehelfe, zu denen sie ohne Behindertenvertretung schwerer Zugang haben. Die gesetzliche Verankerung einer Behindertenvertreterin oder eines Behindertenvertreters ist so wichtig, dass selbst ein Mehraufwand an Kosten gerechtfertigt ist. Ich denke, das ist unser Beitrag zu einem sozialen Österreich.

Ich möchte mich aber im Kernpunkt meiner Ausführungen der Ausbildung zum Beruf des Zahnarztes widmen. Die Ausbildung zum Beruf eines Zahnarztes, wie sie bis jetzt bei uns erfolgte, ist mit den EU-Zahnärzterichtlinien nicht vereinbar. Gemäß diesen gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen ist der Beruf eines Zahnarztes von dem eines Allgemeinmediziners getrennt. Das setzt ein eigenes Zahnmedizinstudium voraus, das in Wien, Graz oder Innsbruck möglich ist. Damit laufen auch die derzeit angebotenen zahnärztlichen Lehrgänge aus und werden keinen weiteren promovierten Medizinern angeboten. Somit wird im Gemeinschaftsrecht eine klare Abgrenzung zwischen beiden Berufen geschaffen.

Was sind nun die gravierenden Änderungen im Studium? – Ich möchte das noch einmal kurz erörtern: Bis jetzt war es so, dass ein promovierter Arzt für Allgemeinmedizin anschließend einen zwei- oder auch dreijährigen Lehrgang für die Ausbildung zum Zahnarzt belegen musste.


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Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes und der später erwähnten Übergangslösungen braucht der zukünftige Zahnarzt ein Studium des Vorklinikums und muss die theoretischen Fächer der Allgemeinmedizin abschließen, und nicht mehr das ganze Klinikum. Dadurch wird die Ausbildung wesentlich kürzer und leichter. Ich glaube, ich gehe richtig in der Annahme, dass Kieferoperationen weiterhin von Spezialisten durchgeführt werden.

Die Übergangslösungen beinhalten, dass alle Studierenden, die ab Jänner 1994 ihr Medizinstudium begonnen haben, nicht mehr zur zahnärztlichen Fachprüfung zugelassen werden können. Die letzte Aufnahme erfolgte im März 2001. Sollten aber Kandidaten durch Karenz, Krankheit oder Wiederholungsprüfungen daran gehindert sein, diesen Termin einzuhalten, werden die Übergangslösungen außer Kraft treten, und es wird möglich sein, zu dieser Prüfung dann noch anzutreten.

Qualitätsverschlechterungen bei der Zahnbehandlung gibt es durch diese Gesetzesänderung nicht. Die Erfahrungen aus Ländern wie Deutschland, die diese Ausbildung schon lange praktizieren, sind positiv.

Es sind heute, abgesehen von EU-konformen Änderungen, wichtige Gesetze beschlossen worden. Ich verstehe nicht ganz, warum die Opposition zum Beispiel der Familienhospizkarenz nicht zugestimmt hat und bei einem weiteren Punkt, dem Tagesordnungspunkt 10, noch zögert.

Meine Meinung ist, dass Sie eben einen gewissen Prozentsatz der Arbeit der Regierung ablehnen müssen. "Christlich-sozial" heißt aus meiner Sicht: christlich sozial handeln statt jammern. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. )

14.45

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Gstöttner.

14.45

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Beim Tagesordnungspunkt 13 betreffend die Abschaffung der Schutzimpfungen gegen die übertragbare Kinderlähmung ergibt sich für mich eine Frage. Ich bin mir zwar sicher, dass das eine Maßnahme ist, die wohl überlegt ist, aber ich gehöre jener Generation an, die in der Pflichtschulzeit miterlebt hat, dass Freunde schwer erkrankt sind, die heute noch daran leiden; auch einen Todesfall gab es an unserer Schule. Daher bin ich bei diesem Thema etwas verunsichert.

Meine Frage an Sie ist folgende: Sind die Maßnahmen, die hier als Ersatz vorgesehen sind, ausreichend, beziehungsweise sind sie zeitgemäßer als die bisherigen?

14.46

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wollen Sie antworten, Herr Staatssekretär? – Bitte.

14.46

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es gibt ein WHO-Programm, das bis zum Jahr 2000 die Eradikation der Polio vorgesehen hätte. Es ist weitestgehend gelungen. Man hat das Ziel dann auf das Jahr 2003 und weltweit auf das Jahr 2005 verlegt.

Es ist richtig, dass bis zum Jahr 1999 bis zum vierten Lebensmonat die Schluckimpfung verabreicht wurde. In gewissen Fällen hat es immer schon gewisse Probleme gegeben, sodass man trotzdem impfen musste. Man hat das jetzt weltweit auf diese Impfung mit Totimpfstoff umgestellt, sodass eine Änderung einfach zeitgemäß ist und wir damit auch den Empfehlungen der WHO folgen.

14.47

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke schön. – Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmungen über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (967 und 1104/NR sowie 6662/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Klaus Peter Nittmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des


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Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen vor, wegen seiner Bedeutung möchte ich ihn trotzdem zu Gehör bringen.

Das österreichische Gentechnikgesetz, BGBl. Nr. 510/1994, beruhend unter anderem auf den beiden Gentechnikrichtlinien des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, 90/219/EWG, sowie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Mikroorganismen in die Umwelt, 90/220/EWG, trat in seinen wesentlichen Teilen am 1. Jänner 1995 in Kraft. Die besonders hohe Entwicklungsgeschwindigkeit der Gentechnologie bringt es mit sich, dass laufend normative Anpassungen an den technischen Fortschritt vorgenommen werden müssen.

Mit dem Entwurf soll die Richtlinie 98/81/EG des Rates vom 26. Oktober 1998 zur Änderung der Richtlinie 90/219/EWG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen umgesetzt werden.

Gleichzeitig werden im oben genannten Bereich (Geschlossene Systeme) die bisherigen Bestimmungen über die Beteiligung der Öffentlichkeit (Anhörungsverfahren) im Lichte des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, geändert.

Zweck des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates ist die – EG-konforme – rechtliche Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik mit dem Ziel der Aufrechterhaltung eines weiterhin hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Kraml. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.52

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt heute eine Novelle zum Gentechnikgesetz vor, der wir unsere Zustimmung nicht geben werden. Unserer Meinung nach sollte zuvor noch eine Enquete über diese Thematik abgehalten werden, vielleicht wäre dann ein so genannter nationaler Konsens möglich.

So wie die Novelle aber jetzt vorliegt, gibt es einfach zu viele Interpretationsmöglichkeiten, und auch die rechtlichen Lücken, die noch vorhanden sind, müssen geschlossen werden. Es sind nämlich genau diese rechtlichen Unsicherheiten, die dann immer wieder zu Handlungen führen, die wir alle miteinander nicht wollen, und das kann gerade im Gentechnikbereich fatale Folgen haben.

Meine Damen und Herren! Auch im Industrieausschuss des Nationalrates wurde die Abhaltung einer Enquete zum Thema Gentechnik angeregt, und soweit ich informiert bin, bremst diesbezüglich die ÖVP.

Wer die täglichen Meldungen in den Medien verfolgt, die sich immer wieder mit Schauergeschichten im Bereich der Gentechnik befassen, den wundert die Angst der Bevölkerung nicht mehr. Und wie es bei den meisten komplexen Themen ist, so gibt es auch bei der Gentechnik differenzierte Meinungen bis hin zu reinen Gegensätzen und absoluter Ablehnung.

Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite stehen die Befürworter – das sind die großen Konzerne –, die vehement versuchen, eine Lockerung zu erreichen oder die gesetzliche Basis so zu richten, dass sie in ihrem Sinne arbeiten können, und auf der anderen Seite stehen die


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Bürgerinnen und Bürger, die vor der Gentechnik eigentlich Angst haben und nicht so recht wissen, wohin die Reise gehen soll.

Wer sich die Vorkommnisse der letzten Zeit zu Gemüte geführt hat, sieht, dass die Bevölkerung sehr wohl Recht hat, dass diese Angst auch begründet ist. Erinnern wir uns zurück: Im Vorjahr gab es in Oberösterreich das Problem des gentechnisch verunreinigten Maises, der ausgebracht worden ist. Und wie es bei solchen Problemen üblich ist, wurde die Kompetenz hin- und hergeschoben – vom Land Oberösterreich zur Bundesregierung und bei der Bundesregierung zwischen dem Landwirtschaftsministerium und dem Gesundheitsministerium –, anstatt dass sofort gehandelt worden wäre.

Meine Damen und Herren! Es vergeht keine Woche, in der wir keine Horrormeldungen hören. Die erste Meldung, die ich zum Beispiel heute Morgen, als ich ins Auto gestiegen und nach Wien gefahren bin, gehört habe, war, dass angeblich 80 Prozent der Proben von abgepacktem Fleisch in den Supermärkten von Keimen befallen sind. Das geht jetzt schon einige Jahre so dahin, wobei die Beschwichtiger meinen, es sei nicht gefährlich.

Na ja, wenn das Fleisch mit Phäkalkeimen und mit Salmonellen durchsetzt ist, dann kann ich dazu nur Mahlzeit sagen. Oder der mit Nitrofen verseuchte Futterweizen, der an die Biobetriebe verkauft worden ist ... (Bundesrat Hensler: Wo gibt es den?) – Diesen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, das darf ich wohl noch sagen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir dürfen doch sagen, was rund um uns passiert.

Das ist das Problem, dass man in der Landwirtschaft immer die Scheuklappen auf hat (Bundesrat Fasching: Sie haben die Scheuklappen auf!), dass man nicht über die Grenzen schaut. (Bundesrat Hensler: Sie haben die Scheuklappen auf!) Es wäre wichtig für Sie, dass Sie einmal über die Grenzen schauen! (Bundesrat Dr. Nittmann  – in Richtung ÖVP –: Lasst ihn doch einmal ausreden!)

Meine Damen und Herren! Für mich ist das kein Versehen, sondern für mich sind das einfach kriminelle Methoden, die da vorgefallen sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! All diese Fälle zeigen also, wie wichtig gerade im Gentechnikbereich und auch im Lebensmittelbereich ganz konkrete Richtlinien sind. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Dr. Nittmann und Schennach. )

Es muss auch die Wirtschaft wissen, wo es langgeht, und es muss auch der Konsument wissen, wohin die Reise geht.

Meine Damen und Herren! Das Saatgut ist auch ein Problem. Ich habe die Saatgutverordnung gelesen und sehe darin, dass es eine 0,5-prozentige Anreicherung oder Verunreinigung geben kann. Ich sage, das ist eine zufällige Verschmutzung, die gewünscht wird, und 0,5 Prozent machen bei 1 000 Kilogramm, bei einer Tonne, auch schon wieder 5 Kilo aus. Ich glaube, dem muss einfach Einhalt geboten werden. (Bundesrat Fasching: Wie würden Sie es vorschlagen?)

Meine Damen und Herren! Wenn 0,1 Prozent bei den Biobauern möglich ist, dann muss es auch woanders gehen. Es kann mir niemand weismachen, dass 0,5 Prozent in der normalen Landwirtschaft gebraucht werden und 0,1 Prozent im Biobereich möglich ist. Das gibt es einfach nicht. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Fasching: Sie haben keine Ahnung, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren! Es wird heute noch ein Vier-Parteien-Entschließungsantrag eingebracht werden, der sich mit der Verlängerung des Moratoriums bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen befasst. Ziel dabei ist, gentechnikfreie Zonen in Österreich zu schaffen. Auch die Oberösterreicher und die oberösterreichischen Landtagsparteien, so habe ich in den "Oberösterreichischen Nachrichten" gelesen, setzen sich mehrheitlich für ein gentechnikfreies Oberösterreich ein. Auch diesbezüglich steht, soweit ich informiert bin, die ÖVP auf der Bremse. (Bundesrat Fasching: Sie haben wirklich keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Die "Oberösterreichischen Nachrichten" haben geschrieben, dass die


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ÖVP auf der Bremse steht. Sie müssen doch wissen, was Ihr Klubobmann Stockinger macht. (Bundesrat Fasching: Die ÖVP steht hinter den Bauern!)

Meine Damen und Herren! Nun wieder zurück zu den profaneren Dingen des Lebens: Nitrofen, Antibiotika, Quecksilber, Arsen, Salmonellen, Herbizide, Fungizide, Pestizide – all das finden wir (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler ) in unseren Nahrungsmitteln, Herr Kollege Steinbichler! All das ist natürlich im erlaubten Rahmen, manchmal gibt es ein paar Ausreißer, wie es immer so schön heißt, aber insgesamt ist all das für uns nicht gefährlich.

Meine Damen und Herren! Im heutigen "Kurier" steht unter dem Titel "Nahrungskette" – ich zitiere – Folgendes: "Längst genügt, dass ein Tomatenbauer in Spanien üppig Pestizide oder Herbizide spritzt, in belgischen Tierfabriken und Legebatterien mit Dioxin verpanschte Kraftnahrung verfüttert oder in Deutschland geschlampt wird – und schon isst ganz Europa vom Giftcocktail jenseits aller strengen Toleranzgrenzen." – Zitatende. (Bundesrat Fasching: Wer ist in Deutschland Landwirtschaftsministerin?)

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, dass Zeitungskommentare zumeist ein bisschen überzeichnen, aber in diesem Fall haben sie sicher des Pudels Kern getroffen.

Meine Damen und Herren! Wichtig wird für uns sein, dass wir gentechnikfreie Zonen bei uns in Österreich erreichen, ich glaube, dass sich das auch für unsere Landwirte bezahlt macht und dass das auch eine Chance für unsere Landwirtschaft ist. Wir haben bisher noch keine Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen gehabt und auch noch keine Neuzulassung von gentechnisch veränderten Produkten. So, meine Damen und Herren, soll es auch weiterhin bleiben. – Auf Grund der bereits eingangs angeführten Punkte stimmen wir dieser Vorlage nicht zu. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dr. Nittmann und Schennach.)

15.00

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Fritz Grillitsch. – Bitte, Herr Bundesrat.

15.00

Bundesrat Fritz Grillitsch (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion zeigt wieder einmal, dass wir eigentlich in Österreich seit mehr als 20 Jahren einen sehr erfolgreichen Weg in der Agrarpolitik gegangen sind, nämlich den Weg der Nachhaltigkeit, mit bäuerlichen Strukturen in diesem Lande und indem die Konsumenten wissen, wer wo wie produziert. (Bundesrat Kraml: Nicht immer!) Es herrscht volle Nachvollziehbarkeit bei den Bauern. Das hat der BSE-Fall im Waldviertel gezeigt, bei dem innerhalb kürzester Zeit mittels Rinderkennzeichnung festgestellt wurde, dass es sich bei der Kuh Lama um eine waschechte Waldviertlerin gehandelt hat. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Fehler, die es gegeben hat, sind nachher passiert. Daher hat die österreichische Bundesregierung auch einen Schritt gesetzt, um diese Fehler auszumerzen und um die Nachvollziehbarkeit und Sicherheit für den Konsumenten tatsächlich bieten zu können. Falls Sie es noch nicht wissen: Es gibt seit 1. Juni die Lebensmittelagentur, die jetzt auf Grund des Skandals in Deutschland festgestellt hat, dass Österreich derzeit nicht davon betroffen ist. Das sollten wir so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen, wer derzeit in Deutschland die Verantwortung trägt: eine rot-grüne Regierung und Frau Ernährungsministerin Künast (Bundesrat Kraml: Die macht das sehr gut!), die sagt, alles müsse Bio sein, aber kosten dürfe es nichts. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Auch wir in Österreich werden uns nicht auseinander dividieren lassen (Bundesrätin Mag. Trunk: Wer ist wir?) zwischen Bio und nicht Bio, weil wir auch diesbezüglich einen sehr erfolgreichen Weg gehen. (Zwischenruf des Bundesrates Kraml. )

Wir haben in Österreich eine standardisierte Produktion, ich sage ganz bewusst: nicht konventionell, sondern eine standardisierte Produktion, wonach die Bauern verpflichtet sind, nach gewissen Auflagen und Anforderungen zu produzieren. Bereits 70 Prozent der Bauern nehmen mit 90 Prozent der Fläche an einem Umweltprogramm teil. Da sind wir Europameister und


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vorbildhaft unterwegs, und das lassen wir uns von niemandem madig machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Für mich gibt es drei Segmente, derer wir uns zu bedienen haben und bei denen wir uns herausgefordert fühlen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Bedienungsladen!) – Das ist vielleicht etwas für Sie, nicht für uns. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie haben gesagt: Wo wir uns zu bedienen haben!) – Es gibt Bedingungen, angesichts derer wir uns herausgefordert fühlen, Frau Kollegin! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist etwas anderes!) Sie als Konsumentin trifft das auch, wenn Sie den Konsumenten Sicherheit bieten wollen. Das ist das standardisierte Segment – das habe ich schon gesagt –, das werden Marken- und Qualitätsprodukte sein, und das werden selbstverständlich Bioprodukte sein. Aber wenn irgendjemand von uns fordert, wir sollten politisch regeln, wo der Konsument einkauft, dann muss ich sagen, sind wir überfordert. Es wird jeder Konsument mit seinen Sehnsüchten am Markt die Antwort geben.

Daher bin ich sehr froh, dass es heute diesen Vier-Parteien-Antrag betreffend die Verlängerung des Moratoriums für die Gentechnik gibt. Wir sollten die Gentechnik nicht zum Opfer des Populismus werden lassen und den Konsumenten nicht noch mehr verunsichern, meine Damen und Herren! In dieser Frage ist die Wissenschaft ganz einfach die Ausgangslage auch für die Politik.

Die Sicherheit und Gesundheit der Menschen, aber auch die Nachvollziehbarkeit sind das Ziel unserer Politik. Wir sind in Wahrheit mit folgender Realität konfrontiert: Es gibt ein immer rasanteres Ansteigen des internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs, und es gibt die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes. Die USA und zahlreiche andere Länder außerhalb der EU bauen gentechnisch veränderte Nutzpflanzensorten bereits in großem Umfang an, und daher, glaube ich, ist es ganz einfach notwendig, dass wir in Bezug auf – da sollten wir als Österreicher auch in der Europäischen Union eine Schrittmacher-Rolle einnehmen, und das tun wir auch – möglichst hohe Standards und eine lückenlose Kontrolle gemeinsam vorgehen, aber – das sage ich auch dazu – wir müssen auch die Wettbewerbsgleichheit sichern. Nicht nur international und auf EU-Ebene sind wir gefordert, sondern auch national und auf anderen Ebenen sind wir gefragt. Sämtliche Beteiligte im Verlauf der Nahrungsmittelkette – von den Saatgut-Produzenten beginnend bis zur verarbeitenden Industrie, bis hin zu den Händlern – müssen ihre Verantwortung im Zusammenhang mit der Gentechnik wahrnehmen.

Es darf nicht sein, dass die Verantwortlichkeit ausschließlich einer einzigen Gruppe, und zwar den Bauern, aufgebürdet wird. Die Frage der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit geht für mich Hand in Hand mit jener der Haftung. Daher, glaube ich, ist die Entwicklung von vernünftigen, handhabbaren Lösungen beruhend auf einer lückenlosen Umsetzung des Prinzips vom Stall bis hin zur Ladentheke, wie es eben mit der Lebensmittelagentur gewährleistet wird, im Sinne der Rückverfolgbarkeit ganz wesentlich.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend sei gesagt: Wir sollten länder- und sektorübergreifende Zusammenarbeit suchen als Voraussetzung für Transparenz und Sicherheit, die den Erwartungen der Konsumenten entspricht.

Es gibt seit 1999 in der Europäischen Union ein so genanntes Moratorium bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen. Alle Genehmigungen für das Züchten, den Anbau und das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Organismen werden ausgesetzt, so lange keine klaren Regelungen über Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit festgelegt wurden. Das Thema Gentechnik läuft leider leicht Gefahr, als Instrument, wie wir es heute wieder gesehen haben, zur Verunsicherung der Menschen in unserem Land missbraucht zu werden.

Daher glaube ich, dass dieser Vier-Parteien-Antrag ein besonderer Erfolg ist, und ich bedanke mich hier auch als praktizierender Bauer und auch im Sinne der Konsumenten, weil wir Sicherheit und Kalkulierbarkeit brauchen.

Ich darf nun folgenden


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Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Fritz Grillitsch, Johann Kraml, Stefan Schennach und Kollegen zur Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert,

mit aller Kraft für eine Verlängerung des Moratoriums bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU einzutreten,

zur Unterstützung der Aufrechterhaltung des Moratoriums bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen Studien zu beauftragen, in welchen die gesundheitlichen, technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Fragen in diesem Zusammenhang zu klären sind und alle Möglichkeiten der Einrichtung gentechnikfreier Regionen in Österreich zu evaluieren sowie

insbesondere im Bereich der Haftung bei unabsichtlichen Freisetzungen von GVO die offenen Rechtsfragen bis Herbst 2002 zu klären."

*****

Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Lindinger, Grillitsch, Kraml und Schennach eingebrachte Entschließungsantrag zur Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

15.09

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Eines ist schon spannend: Wenn nur das Wort Landwirtschaft fällt, dann geht es hier zu wie in einem Bienenstock. Das ist unglaublich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na schon wieder.

Die Landwirtschaft ist quasi sakrosankt. Das Sakrosankt-Erklären der Landwirtschaft und des bäuerlichen Gewerbes ist schon etwas Faszinierendes. Es hat mich auch immer wieder fasziniert, dass es kein Gesetz in dieser Republik gibt, bei dem es nicht eine landwirtschaftliche Ausnahmebestimmung gibt, und es ist schon ganz egal, welcher Bereich das ist. Dabei hat Kollege Kraml ... (Bundesrat Grillitsch: Sie sind stolz auf die Landwirtschaft!) – Natürlich, wir alle sind stolz auf die Landwirtschaft. Sie ist nur so übernervös. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sind nicht nur Bauern, sie sind auch Landschaftspfleger, sie sind so vieles! Ich verstehe auch nicht, warum Sie immer so (Zwischenrufe bei der ÖVP) – nein, Moment – übernervös reagieren, wenn nur irgendjemand ein Wort mit "L" beginnt, weil das könnte sich auf "Landwirtschaft" ausgehen; das verstehe ich nicht.

Aber wissen Sie, warum dem so ist, Herr Kollege Steinbichler? – Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass die Vertreter der Bauernschaft und die Bauern oft nicht deckungsgleich in ihren Meinungen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Die Vertreter der Bauernschaft ... (Bundesrat Grillitsch: Sagen Sie ein Beispiel!) – Nein! Wir haben darüber sogar schon diskutiert, mein Lieber! – Nun kommen wir aber zurück.

Wir haben hier eigentlich kein landwirtschaftliches Thema, sondern wir diskutieren über die Gentechnik. Kollege Kraml hat das von der anderen Seite beleuchtet, indem er vor allem auf die Konsumenten fokussiert hat. Erlauben Sie mir auch, ein bisschen von den Produzenten wegzu


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gehen und das mehr von der Konsumentenseite her zu betrachten! Da kann man es sich nicht so einfach machen, Herr Kollege Grillitsch, und sagen: Das ist ein Thema, mit dem missbraucht wird, mit dem manipuliert wird, mit dem die öffentliche Meinung manipuliert wird. – Ich glaube, diese berechtigte Sorge der Bevölkerung vor der Gentechnologie ist genauso berechtigt wie jene vor der Atomtechnologie. Und immer geht es um diesen einen Kern. (Beifall der Bundesräte Dr. Aspöck und Dr. Nittmann. )

Die vorliegende Novelle zu diesem Gentechnikgesetz ist eine Adaptierung – das wird wahrscheinlich auch der Herr Staatssekretär so sehen –, um das EU-Recht zu implementieren oder um eine entsprechende EU-Rechtsregelung umzusetzen. Das ist in einigen Fällen – zu Ihrem Erstaunen sage ich das jetzt – positiv, nämlich hinsichtlich der Verfahrensvereinfachungen und der Deregulierungsbestimmungen. Aber das Problem ist – ich mache das nicht gerne, denn ich springe auf keinen Zug auf, von dem ich nicht weiß, wohin er fährt –, dass nach wie vor das EU-weite Kennzeichnungsrecht fehlt.

Bei einer solch riskanten Technologie – solch riskanten Technologie! – ist es einfach angebracht, die Verfahren transparenter zu machen und auch die Öffentlichkeit daran zu beteiligen. Zu Ihrem Vertrauen in die Lebensmittelagentur kann ich nur sagen: Gott in Ehren, aber die Lebensmittelagentur ist mit Sicherheit nicht der Schutzgarant.

Trotzdem bin ich froh, dass wir heute – alle vier Fraktionen – ein Moratorium ... (Zwischenruf des Bundesrates Grillitsch. ) – Nein, Herr Kollege Grillitsch! Sehen Sie, Herr Kollege Grillitsch, das ist unser Unterschied: Ich weiß es nicht, aber Sie wissen es. Sie sagen: Wir in der Landwirtschaft machen alles richtig, seit 20 Jahren haben wir den richtigen Weg beschritten! – Das haben Sie gesagt. Dann hätten wir aber in den letzten 20 Jahren nie irgendwelche Landwirtschaftsskandale gehabt! Ich sage das nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Grillitsch: Sie verunsichern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Schweine-Skandal, Skandal beim Hühner-Fleisch und so weiter und so fort!

Ihr, aber auch von mir sehr geschätzter EU-Kommissar Fischler hat eine Philosophie, die Sie sich auch ein bisschen auf Ihren Lippen zergehen lassen könnten. Er sagt: Bio-Landbau und Gentechnik in der Landwirtschaft als Nebeneinander sind problematisch. Wir brauchen größere Flächen, weil die Gefahr der Verunreinigung extrem ist. Nun kommt die EU und erklärt – wir haben heute schon eine Zahl gehört – die Grenzwerte: Bei Raps sind es 0,3 Prozent, bei den Pflanzen 0,5 Prozent, und die Bio-Bauern sagen: Nein, das geht nicht! – Und diejenigen, die sagen: 0,1 Prozent muss der Grenzwert sein!, vertreten Sie!?

Die gentechnikfreien Zonen kleinräumig einzurichten, das wird nicht funktionieren, das wissen Sie auch. Aber auf all das gibt diese Novelle hier keine Antwort, und deshalb hätten wir uns gewünscht, in einem breiteren Ausmaß auf all diese Fragen, wie das jetzt weitergeht – nicht weil wir es wissen, Herr Kollege Grillitsch; Sie wissen es, wir wissen es noch nicht –, einzugehen, und deshalb hätten wir viel lieber in einem wesentlich breiteren Dialog diese Risken, diese Verunsicherungen, auch die Überlegungen, wie schütze ich Konsumenten tatsächlich, erörtert und hätten einen größeren Wurf gemacht als nur eine kleine Adaptierung zum EU-Recht. Nun springen wir auf einen Zug auf, von dem ich nicht weiß, wohin er geht.

Trotzdem ein Dankeschön an alle Fraktionen, dass wir zumindest hinsichtlich des Moratoriums diesen überlegten Weg gehen – diesen überlegten Weg gehen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. )

15.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. – Bitte.

15.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die heute zu beschließende Novelle soll EU-Recht umsetzen. Es sind im Wesentlichen Deregulierungsbestimmungen, die der Verfahrensvereinfachung dienen sollen.


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Bei diesem Gesetz sind zwei wesentliche Gesichtspunkte auseinander zu halten: Das eine ist das gentechnisch veränderte Saatgut, von dem heute ausschließlich gesprochen wurde, und das andere sind gentechnisch hergestellte Medikamente. Das sind zwei verschiedene Dinge: Das eine wird im Labor unter klinischen Bedingungen hergestellt und das andere unter freier Natur mit der Hand des Bauern.

Österreich hat eine gentechnikfreie Landwirtschaft, und dabei soll es auch bleiben – das ist das Wollen aller, ob von Toleranzgrenzen abgesehen wird oder nicht. Die Frage ist nur: Wie lange kann Österreich etwa als einziges Land in unserer mitteleuropäischen Gegend ein gentechnikfreies Land bleiben? Wie lange kann Österreich dabei bleiben, wirklich gentechnikfreies Saatgut zu verwenden? – Die internationalen Saatgut-Anbieter werden zweifelsohne diese Produkte auf den Markt bringen, und sie werden auch in Österreich auf den Markt kommen. Ich bin mir nicht so sicher, ob von der EU – wenn solches Saatgut verkauft wird – das Anbieten solchen Saatgutes nicht erzwungen werden kann.

Weiters: Gentechnisches Saatgut oder gentechnisch verändertes Saatgut wird nicht allein durch den Handel verbreitet, auch der Pollenflug – wie es eben in der Natur zur Fruchtbildung vorgesehen ist – ist grenzüberschreitend, egal, ob man das haben will oder nicht. Wer will den Pollenflug davon abhalten, österreichisches Saatgut und österreichische Pflanzen zu bestäuben? – Dann haben wir es da!

Der Preisdruck über preiswerte Gen-Saaten wird sicher auch noch ein gewichtiges Argument sein.

Es ist also, wenn ich jetzt das hier Gesagte zusammenfasse, eine EU-weite Lösung anzustreben, eine EU-weite Lösung ist gefordert, denn dieses Problem kann auf die Dauer nicht allein national gelöst werden. Wir können ein gentechnikfreies Österreich nicht als eine weitere Auflage einer Insel der Seligen schaffen, das wird auf Dauer nicht genügen. Aber wir sollten alles tun, um es zu erreichen!

Anders ist der Einsatz der Gentechnologie in der Medizin zu sehen: Es wird heute mit gentechnischen Methoden Insulin erzeugt, es werden Interferone erzeugt, auch Blutgerinnungsmittel. Es werden etwa, so habe ich mir sagen lassen, weit über 100 Medikamente mit dieser Technologie erzeugt. Wollen wir auf diese Medikamente verzichten? Wollen wir darauf verzichten, dass die Technik Verfahren gefunden hat, die manche dieser Produkte – Insulin und Interferone – in wesentlich reinerem Zustand herstellen kann, als es mit den üblichen Technologien bis jetzt machbar war?

Ich glaube und weiß, dass diese Novelle vieles einschränkt, sie nützt aber gerade dadurch der wissenschaftlichen Forschung. Es werden Sicherheitsstufen geändert, die die Verfahrensdauer erleichtern, aber auch zum Teil verschärfen. Meine Damen und Herren! Dies ist ein enormer Fortschritt in dieser Technologie, und davon reden wir eigentlich.

Diese Novelle soll die medizinische Forschung nicht behindern, sondern fördern. Die Gentechnologie ist eines der stärksten Hoffnungsgebiete der Medizin. Die Fortschritte, die dort erzielt worden sind, sprechen für sich. Diese gilt es weiter auszubauen, auch im Hinblick auf die Sicherheitsvorkehrungen. Eine verantwortungsbewusste Regierung wie die derzeitige, die blau-schwarze Regierung, wird sich diesem Auftrag nicht verschließen.

Sie wird sich aber durchaus verschließen, wenn verantwortungslose Großexperimente mit Saatgut auf österreichischen Feldern gemacht werden sollen. Rot-grün in Deutschland unter Federführung der grünen Ministerin Künast lässt 50 Tonnen gentechnisch verändertes Saatgut im Freilandbau zu, meine Damen und Herren! Aber rot-grün hat auch in Deutschland einer Beteiligung im Afghanistan-Krieg zugestimmt. Da ist ein bisschen Gentechnik auch noch zumutbar. (Bundesrat Todt: Was hat Afghanistan mit Gentechnik zu tun? Das möchte ich gerne wissen! Sagen Sie das einmal! Sagen Sie das einmal! Was hat das damit zu tun? Was hat das damit zu tun?) – Denken Sie nach, vielleicht kommen Sie drauf! (Bundesrat Todt: Sagen Sie es mir! Sa


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gen Sie es mir doch! Nicht nachdenken! Sie sagen es jetzt!) – Hören Sie zu, dann werden Sie nachher schlauer sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist schon etwas Heuchelei, sich immer hier herzustellen und zu sagen, eigentlich stimmen wir zu und sind wir einverstanden, aber wenn es dann zur Abstimmung kommt, dann stimmen Sie immer dagegen. (Bundesrat Kraml: Was haben denn Sie gemacht? – Bundesrat Todt: So wie Sie immer dagegen gestimmt haben in der Opposition!)

Außerdem, Herr Kollege Todt, ist das eigentlich ein großes Lob für diese blau-schwarze Regierung, wenn die Sozialdemokraten immer sagen: Eigentlich haben Sie ja Recht, das ist ja gut, aber wir können nicht zustimmen. (Bundesrat Todt: Wer hat das gesagt?)

Das haben wir heute nicht zum ersten Mal gehört, sondern schon einige Male, an und für sich ist man dafür, aber bei der Abstimmung ist man dann dagegen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ist der Meister Puppenspieler gar nicht da? – Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. )

Es würde mich nicht wundern (Bundesrat Todt: Behandeln Sie Gesetze vernünftig, dann würde es funktionieren!), wenn die rot-grünen Minister in Deutschland und bei uns ob dieser Vorgangsweise schamrot würden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Todt: Bei Ihnen mit Sicherheit!)

Ich glaube, dass die Farbe Schamrot – das ist eine rote Farbe mit grünen Tupfen drinnen – vielleicht als neue gemeinsame Parteifarbe kreiert werden könnte. (Bundesrat Todt: Immer noch besser als blau-schwarz! Immer noch besser als blau-schwarz!)

Unser Land Österreich ist landwirtschaftlich eine genfreie Zone, und so soll es auch bleiben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Täuschen Sie sich nicht, der Österreicher wird schon erkennen, dass Sie Ihre Zustimmung inhaltlich geben, aber dann bei der Abstimmung die Hand unten lassen! Das ist Heuchelei zur Potenz. (Bundesrat Todt: Wie viele Wahlen haben Sie gewonnen in der letzten Zeit?)

In der Medizin wird die Gentechnik akzeptiert. Diese Novelle ist ein Fortschritt in der Handhabung notwendiger Gentechnik und kein Instrument, Gensaatgut auf Österreichs Feldern auszubringen. Deswegen wird meine Fraktion diesem Gesetz auch zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

15.23

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Im Grunde genommen sprechen Sie über zwei völlig verschiedene Dinge. Das eine ist die Novelle zum Gentechnikgesetz, das andere ist der Vier-Parteien-Antrag an die Bundesregierung.

Nun zum Ersten: Es wurde gesagt, es sei dies eine Anpassung an EU-Recht, die schon längst hätte erfolgen sollen und die bereits zur Einleitung eines Verfahrens beim EuGH geführt hat. Das heißt, wir kommen hier einer wichtigen Sache nach, um nicht sozusagen in die Rolle des bösen Buben zu fallen.

Wenn man gegen diese Novelle ist, dann muss ich sagen, ist man im Grunde gegen die gesamte EU, denn dann schwimmt man auch gegen EU-Recht.

Zur Erläuterung aber, weil das nicht gefallen ist, was genau geschieht: Es geht um nichts anderes als um die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen. Bereits das Gentechnikgesetz von 1994 war EU-mäßig richtungsweisend, und wir haben im Grunde nur im Verfahrensbereich jene Anpassungen vorgenommen, die einfach notwendig sind.


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Damit Sie auch wissen, um welche Zahlen es sich handelt, sage ich Ihnen Folgendes: Es handelt sich praktisch um Veränderungen im Bereiche der Sicherheitseinstufungen. Da hat es seit 1995 insgesamt 421 Verfahren gegeben, wobei kein Einziges in der höchsten Sicherheitsstufe, drei in der dritten Stufe und die meisten in der untersten Stufe waren.

Es ist nunmehr auch auf Grund eines wissenschaftlichen Ausschusses die Stufeneinteilung und Einreichung geregelt, vor allem wenn es sich um Stufe 3, was wahrscheinlich fast nicht vorkommen wird, und um Stufe 4 handeln würde, dass die Einstufung überprüft wird. Das heißt, all das sind Verfahrensmaßnahmen.

Noch eine Besserung hat es gegeben, zu der heute eine leise Kritik angeklungen ist, nämlich die Beteiligung der Öffentlichkeit, die früher zum Beispiel nur über schriftlichen Antrag möglich war, heute kann jeder teilnehmen. Auch das ist eine wesentliche Verbesserung, um Transpa-renz herzustellen.

Damit ist der Zweck der Novelle nicht nur die rechtliche Anpassung, sondern auch die Notwendigkeit, sich nach dem Stand von Wissenschaft und Technik mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des hohen Niveaus in Österreich gesetzlich abzusichern und diesen fortzusetzen.

Die zweite Sache, das Moratorium, nehme ich gerne als Auftrag nicht nur des Nationalrates, sondern auch des Bundesrates an, sich mit den in diesem Antrag formulierten Wünschen an die Bundesregierung zu identifizieren.

Ich kann all das voll unterstützen, und wir werden alles dazu beitragen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir in Bezug auf EU-Kennzeichnung sehr wohl tätig sind. Es gab gestern diesbezüglich EU-Verhandlungen im Europäischen Parlament. Der Umweltausschuss hat sich den österreichischen Forderungen nach umfassender technologischer Kennzeichnung angeschlossen. (Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Wir treten auch dafür ein, dass die neue Freisetzungsrichtlinie streng umgesetzt wird beziehungsweise weiterhin alle Anträge, wenn nicht überhaupt abgelehnt, so doch überaus kritisch geprüft werden.

Das heißt, wir nehmen da eine ganz strenge Position ein. Wir haben zum Beispiel auf Grund der Studie in Oberösterreich auch gesehen, dass eine regionale Freisetzung zu Versuchszwecken in Österreich praktisch undurchführbar ist, sodass es zweckmäßig wäre, Österreich generell zur genfreien Zone zu erklären.

Noch etwas darf ich sagen: In der parlamentarischen Diskussion wurde auch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit oft kritisiert. Sie hat bereits kurze Zeit nach ihrer Errichtung ihre volle Wirksamkeit und Berechtigung durch die zuletzt genannten Umstände bewiesen, und ich glaube, auch diesbezüglich sind wir den richtigen Weg gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.27


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688. Sitzung / Seite 102

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Bitte.

Berichterstatter Dr. Klaus Peter Nittmann: Ich wollte nur sagen, die Bedenken, die vorgetragen wurden, sind sicherlich gewichtig. Ich ersuche die SPÖ aber dennoch, dem Beschluss des Nationalrates die Zustimmung zu geben.

Ich möchte auch fairerweise sagen, dass Kollege Kraml Recht hat. In Oberösterreich ist es tatsächlich so, dass der Antrag auf Einrichtung gentechnikfreier Zonen in Oberösterreich bis jetzt am Einspruch der ÖVP gescheitert ist. Das muss man sagen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Schennach. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Lindinger, Grillitsch, Kraml und Schennach auf Fassung einer Entschließung zur Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums vor.

Ich lasse jetzt über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/179-BR/02)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden (1036 und 1107/NR sowie 6663/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden (1046 und 1108/NR sowie 6664/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten geändert werden, sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 15 und 16 hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden.


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Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken darf.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juni 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme gleich zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf die Antragstellung beschränken darf.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vortage am 4. Juni 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

15.32

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Tierärztegesetz wurden die Änderungen gemeinsam mit der Interessenvertretung vorbereitet. Es wurden Regelungen getroffen, denen wir ohne weiteres auch zustimmen können.

Beim Fleischuntersuchungsgesetz und beim Tierseuchengesetz hat es die Bundesregierung verabsäumt, das Veterinärrecht sowie das Konsumentenschutzgesetz grundsätzlich neu zu regeln. Da gibt es eine Reihe von Problemen, über die nicht diskutiert wird. Ich möchte Sie an Vorfälle erinnern, die vor kurzem passiert sind, und zwar wurden 120 Tonnen minderwertiges Fleisch aus Tschechien und aus Polen illegal importiert, umetikettiert und als Biofleisch in Österreich mit Bauernhofgarantie verkauft. Das war in Martinsberg. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Das habe ich nicht behauptet, es waren sicherlich Ihnen nicht unbekannte Betriebe, die Ihnen durchaus auch nahe stehen.

Die Zollfahndung ermittelt, Strafanträge wurden gestellt. Ich frage mich, was uns Konsumenten das Veterinärrecht und das Fleischuntersuchungsgesetz eigentlich bringen. Gibt es nach diesem Gesetz dann mehr Kontrollen? Wird sichergestellt, dass es zu solchen Umetikettierungen nicht mehr kommen kann? – Auch die von Ihnen viel gerühmte Ernährungsagentur wird nichts ändern.

Es gibt jetzt aktuelle Beispiel in Bezug auf den Nitrofen-Skandal. Dieser zeigt eigentlich den Kompetenzwirrwarr in Österreich und ein paar Fakten auf. Einige 100 Kilo Nitrofen verseuchtes Putenfleisch wurden nach Österreich importiert. Eine Tiroler Firma hat im Jänner und im Februar die Nitrofen-Puten importiert. Laut einem Sprecher des Niedersächsischen Agrarministeriums muss davon ausgegangen werden, dass das Fleisch kontaminiert war. Es wurde untersucht, wir wissen aber nicht, ob die Nitrofen-Puten zu Schnitzel oder zu Wurst verarbeitet wurden. In Anbetracht dieser Untersuchungen teilt der Geschäftsführer der Ernährungsagentur, Walter Schuller, den österreichischen Konsumenten lapidar mit – ich zitiere –: Es wird schon keiner tot umfallen bei einmaligem Genuss von Nitrofen-Fleisch. – Das sagt der Geschäftsführer der Ernährungsagentur, also derjenige, der für die Kontrollen verantwortlich ist, damit die Konsumenten Lebensmittel gesund verzehren können. (Bundesrat Reisenberger: Da müssten die Bauern sofort aufsteigen! An euch bleibt es hängen! – Bundesrat Freiberger: Das ist ein Skandal!)


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Er ist an sich für die Sicherheit der Nahrungsmittel in Österreich verantwortlich. Unsere Zweifel bei der Gründung dieser Ernährungsagentur waren damals schon berechtigt. Gerade von einem Geschäftsführer, der für die Sicherheit der Nahrungsmittel verantwortlich ist, erwarten wir uns ganz einfach umgehendes Handeln, eine qualifizierte Stellungnahme und nicht nur eine lapidare Mitteilung an die Konsumenten, es werde schon keiner tot umfallen, wenn er das isst. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Nitrofen-Affäre war mit Sicherheit nicht der letzte Lebensmittelskandal. Pestizidpaprikas, Nitrofen-Puten, Antibiotika-Lachse, Antibiotika-Schweine und so weiter und so fort – diese scheinen schon im Prinzip auf der Tagesordnung zu bleiben. Ich denke mir, auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzes oder der Zustimmung durch Ihre Fraktion wird sich daran nichts verändern. Wir werden es wieder mit diesen Dingen zu tun haben. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. )

Herr Bundesminister Haupt redet sich auf die Ernährungsagentur aus, wenn man ihn fragt, wie heute zum Beispiel der "Standard" berichtet. Obwohl sein Ministerium seit mehreren Tagen gewusst hat – ich hätte gerne eine Antwort darauf, Herr Staatssekretär –, dass Nitrofen-Puten nach Österreich gelangt sind, kommt von der Ernährungsagentur der Hinweis, die neue Behörde habe keine Informationspflicht. Das ist, gelinde gesagt, ein Wirrwarr und verunsichert die Konsumenten auf das Äußerste. Statt Regelungen für Konsumenten zu schaffen ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Eine halbe Pute nur!) – Sie sagen, nur eine halbe Pute. Ich hätte gerne, dass ich keine halbe Pute mit Nitrofen essen muss. Das hätte ich gerne. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Kaufen Sie österreichische Qualität, dann brauchen Sie es nicht zu essen!) – Sie können sie ruhig essen, aber ich möchte keine essen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt noch einmal ganz klar und deutlich sagen: Statt eine klare Regelung für Konsumenten zu schaffen, beschließt die Regierungsmehrheit Gesetze, die nicht gewährleisten, dass in den Verarbeitungsbetrieben nicht weiter umetikettiert wird, sodass man nicht weiß, ob Putenschnitzel oder Putenwurst Nitrofen verseucht war.

Bei der Jubelveranstaltung – ich möchte nur noch ein Beispiel nennen – der Ernährungsagentur hat ein Referent gesagt: Vom Boden bis zum Blut wird alles kontrolliert, und die Konsumenten können sicher sein. – Der Herr Chef sagt, es werde schon keiner tot umfallen, wenn er einmal ein Nitrofen-Schnitzel isst. Ich bezweifle die Effizienz und die Kompetenz dieser Ernährungsagentur. Ich glaube auch nicht, dass das Tierseuchengesetz und das Fleischuntersuchungsgesetz für die Konsumenten Verbesserungen bringen. Wir Sozialdemokraten lehnen daher die Zustimmung zu diesem Gesetz ab. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

15.39

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mir eine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Schennach erlauben. Kollege Schennach hat gesagt, ihn wundere, dass immer bei der Landwirtschaft – einem Thema mit "L" – die Emotionen in diesem Raum besonders hochgehen. Das ist angesichts der Breite der österreichischen Landwirtschaft, angesichts dieser Vielfalt ganz klar: von Ackerbau über Weinbau bis zu Urlaub am Bauernhof, Forstwirtschaft, Viehhaltung, Schweinehaltung. Das muss man emotioneller diskutieren als zum Beispiel ein Angestelltenthema oder ein Thema über Kollektivlöhne. Herr Kollege Todt! Das ist klar, das ist eine viel breitere Thematik. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. )

Herr Kollege Schennach! Ich hoffe, dass wir durch unsere Beiträge auch bestätigen, dass wir das Fachwissen haben, glaubwürdig zu sein. Ich freue mich, dass ich nach Kollegen Todt reden darf. Alles, was Kollege Todt jetzt richtigerweise angeprangert hat, prangen auch wir Bauern an. Es waren keine österreichischen Bauern, die rumänisches Fleisch hereingebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es waren keine österreichischen Bauern, die umetikettiert haben, es waren keine österreichischen Bauern, die Nitrofen gefüttert haben. Wir wollen nichts anderes, als – vielleicht kann ich dann noch zum Abschluss darauf zurückkommen – auf den Feinkostladen Österreich Appetit machen. Diesen können wir anbieten, und dazu sind einige Gesetze notwendig. (Bundesrat Todt: Aber Sie sind schon einer Meinung, dass wir Kontrollen brauchen!) – Herr Kollege! Aber wie! Was glauben Sie, wie mir die Rolle des Konsumentenschutzes fehlt! Ich möchte Sie fragen: Was sagt denn der Konsumentenschutz, wenn solche Schweinereien passieren? – Das wären unsere Verbündeten in der bäuerlichen Landwirtschaft. Warum wird dieser Missstand nicht aufgezeigt? Wo sind die Konsumentenschützer? Sind sie auf den Lohnlisten der internationalen Handelsmafia? (Bundesrat Todt: Die Kompetenzen sind alle an das Landwirtschaftsministerium und an das Sozialministerium abgegeben worden!) – Ich frage, Herr Kollege, ich weiß es nicht, ich frage. (Bundesrat
Konecny: Sie sollten es aber wissen!)

Das ist das ganz Interessante, Herr Kollege Konecny: Es hat eines BSE-Skandals bedurft, dass wir draufgekommen sind, dass in den Würsten Separatorenfleisch verarbeitet wird, das dann mit dem Hochdruckreiniger von den Knochen geblasen wird. Das soll natürlich ordentliches, kontrolliertes Fleisch sein. (Zwischenruf des Bundesrates Todt. )

Lieber Kollege Todt! Du weißt ganz genau, dass man Separatorenfleisch nur in der Verarbeitung einsetzen kann und dass EU-weit der Einsatz von Separatorenfleisch verboten ist. (Bundesrat Todt: Warum schreiben Sie es dann nicht ins Gesetz hinein? Herr Kollege Steinbichler! Warum schreiben Sie es nicht ins Gesetz?) Ich hoffe, dass die Konsumentenschützer endlich auch – heute wurde der Blick über die Grenzen hinweg angesprochen – über die Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten, um diese mafiosen Methoden abzustellen, weil ich überzeugt bin, dass der Konsument in Frankreich, dass der Konsument in Großbritannien und der Konsument in Griechenland den gleichen Anspruch stelle wie der österreichische Konsument.

Jetzt habe ich ein Problem, jetzt muss ich mir meine Unterlagen holen. (Der Redner geht zu seinem Platz und holt seine Unterlagen. – Allgemeine Heiterkeit.)

In der Hitze des Gefechtes habe ich sie leider vergessen, Herr Kollege, aber das sind keine Bauernzeitschriften.

C + C WEDL, ein internationaler "Wirtepfleger", hat Ochsenroastbeef Angus Brasil angeboten und liefert das den Gastwirten – 90 Prozent der Wirte kaufen ein. Ich hoffe, dass die brasilianische Landwirtschaft nach österreichischen Standards produziert.

Interspar: Bestpreis – spanische Pfirsiche. Ich hoffe, dass die Spritzmittel in Spanien ähnlich streng kontrolliert werden wie in Österreich, kein Problem. Wir haben nämlich das Problem, dass, wenn bei uns in Österreich wieder die Saisonfrüchte – jetzt mit den Erdbeeren – produziert und verkauft werden, wir besonders viel Importware im Land haben, und dann wird der Preis gedrückt.

Das wollen wir Bauern nicht, das gebe ich ganz offen und ehrlich zu. Da sind wir sehr glaubwürdig, und deshalb glaube ich, Herr Kollege, dass wir es mit solchen Gesetzen wie jenem bezüglich Ernährungsagentur, mit den heute zu beschließenden Gesetzen, mit den Rahmenbedingungen, der Verbesserung der Bestellung der Beschautierärzte, der Kontrolle, mit der geschlossenen Kontrolle, lückenlosen Kontrolle, mit der AMA-Rinderdatenbank, der Fleischdatenbank von der Geburt über Fütterung, Haltung bis zum Teller, zur Verarbeitung schaffen, dass wir glaubwürdig mit unseren Konsumenten den Feinkostladen Österreich aufrecht erhalten.

Das wäre ein Ziel, und wir haben viele offene Punkte. Wir könnten das Schächten ansprechen. Zum Beispiel ist das etwas, was mir nicht gefällt. Ich möchte nicht, dass meine Tiere geschächtet werden, ich kann aber nicht in den Schlachthof mitfahren. Ich weiß nicht, was damit passiert. Das sind Geschichten, die man ansprechen muss. (Zwischenruf des Bundesrates Todt. ) Dann kann man sich auf den Glauben berufen, auf die internationale Glaubensfreiheit, gibt es bei den Tieren gleiches Recht oder nicht. – Ich will das jetzt nicht in die Diskussion einbringen, weil es nicht das ursprüngliche Thema ist. Aber ziehen wir doch an einem Strang. Ich bin überzeugt, wir


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haben sehr viel Arbeit, und wir, die Landwirtschaft, können tatsächlich – das wurde heute schon angesprochen – auch als Kulturlebensraumerhalter und -gestalter einen wesentlichen Beitrag leisten.

Wenn wir es schaffen, Herr Kolleg Todt – da sind Sie ein wichtiger Partner –, die Konsumentenschützer, alle, die eine wesentliche Rolle spielen, in diesen täglichen Ablauf einzubinden, dann bin ich davon überzeugt, dass letztlich die Konsumenten und Produzenten zu einen erfolgreichen Abschluss kommen werden, und zu diesem lade ich ein. Deshalb gibt es die heutigen Gesetze, denen wir zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

15.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gasteiger. – Bitte.

15.44

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Eigentlich möchte man meinen, dass man zum Tierseuchengesetz, aber ganz speziell zum Fleischuntersuchungsgesetz einen All-Parteien-Antrag zusammenbringen müsste, da doch die Fleischuntersuchung, so denke ich, etwas sehr Wesentliches ist. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Überhaupt kein Problem!) Fleisch ist etwas, das Sie, Herr Kollege Gruber, ich und viele andere auch zu uns nehmen. Aber es ist nicht so.

Im ursprünglichen Entwurf des Fleischuntersuchungsgesetzes hat man entsprechend reagiert, um die unappetitlichen Vorkommnisse am Schlachthof von Unterstinkenbrunn, die im September des Vorjahres an die Öffentlichkeit gekommen sind, in Zukunft zu verhindern. Es ist wirklich ungeheuerlich, Kollege Steinbichler, dass Kontrolltierärzte ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. ) – Was haben Sie gesagt? Gauner waren das, Kollege Gruber? – Gut, Gauner waren das. Sie sagen das, Kollege Gruber, nicht ich!

Es ist wirklich ungeheuerlich, dass Kontrolltierärzte, die es gewagt haben, die groben Missstände im Schlachthausbetrieb aufzuzeigen, einfach ihres Amtes enthoben wurden – und das mit der Duldung des Landes Niederösterreich. Als Ersatz wurden dann ein paar weniger unbequeme Tierärzte von den Gemeinden angestellt. Bekannt wurde die ganze Sache natürlich dadurch, dass der Schlachthofbetreiber ein ÖVP-Gemeinderat gewesen ist. Das heißt, er hat sich im Grunde genommen selbst den Tierarzt ausgesucht. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Schwarze Schafe gibt es überall!)  – Ach so. Auch wenn die Änderung des Fleischuntersuchungsgesetzes eine kleine Verbesserung im Bereich der Bestellung von Beschautierärzten mit sich gebracht hat, Herr Staatssekretär, bleibt doch der Druck auf den Beschautierarzt bestehen. Das ist ja ganz logisch, oder?

Immer noch kann es passieren, dass der Tierarzt bei jenen Tieren, die er vorher im Stall kritisiert und bemängelt, reagieren muss, wenn er nachher beschaut. Das kann laut Gesetzentwurf passieren. Ich möchte aber nicht wissen, wie der Bauer darauf reagieren wird, wenn der Tierarzt so vorgeht. Es liegt tatsächlich eine eindeutige Interessenkollision vor, und da müssen unbedingt weitere Trennungen, seien es auch nur räumliche, vorgenommen werden. Es wäre eine Möglichkeit, dass zum Beispiel der Beschautierarzt (Bundesrat Grillitsch: Sagen Sie mir ein Beispiel, ganz konkret!) – ich sage es ja, zuhören! – nicht aus diesem Gemeindebezirk, aus diesem politischen Bezirk kommt, dass er von wo anders herkommt, dann ist er keinem Druck von dem Bauern oder vom wem auch immer ausgesetzt. Das ist nur eine Möglichkeit, aber Sie sind sehr kreativ, Herr Kollege Grillitsch, Sie werden da sicher noch mehrere Möglichkeiten finden. Ich lege Ihnen das auch ans Herz, da Möglichkeiten und Lösungen zu suchen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist ein grundlegender Fehler, die gesamte Kontrolle nicht dorthin zu verlagern, wo sie eigentlich hingehört. Sie gehört zu den Gesundheitsbereichen in den Ländern, das heißt, zu den Gesundheitslandesrätinnen und Gesundheitslandesräten draußen in den Ländern.

Produzenten dürfen sich nicht selbst kontrollieren, sonst kommt genau das heraus, wovon wir zuerst geredet haben. Kollege Steinbichler hat gesagt, er will das Ganze auch nicht, bezie


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hungsweise er will nicht einen solchen Saustall. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Auch in der EU hat man dieses Problem erkannt und diesen Bereich mit der Gründung der Europäischen Lebensmittelagentur dem Kommissar für Lebensmittel und Gesundheit übertragen. (Bundesrat Steinbichler: Wollen Sie präzisieren, was ich gesagt habe?)  – Dass Sie einen solchen Saustall auch nicht wollen, oder? (Bundesrat Steinbichler: Wir wollen ja keinen Saustall!)  – Genau das habe ich gesagt, das wollen Sie ja auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist für mich sehr bedauerlich, dass Sie offensichtlich nicht einmal daran denken, diese unglückliche Kompetenzverteilung zu verändern. Das ist sehr schade. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Schennach. )

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. – Bitte.

15.49

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Rechnungshof hat nach einer Überprüfung in den Jahren 1999 und 2000 der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs Reformvorschläge gemacht. Diese Reformvorschläge sind unter dem Titel Verwaltungsreform vorgelegt worden. In der Bundeskammer selbst wurden diese Vorschläge diskutiert, und mit einer Zustimmung von 80 Prozent wurde der Schaffung einer Österreichischen Tierärztekammer und einer Verkleinerung der Kammergremien zugestimmt. Das heute zu beschließende Bundesgesetz trägt diesen Beschlüssen Rechnung. Es ist letztlich eine Vereinfachung der Kammerverwaltung.

Es ist die Errichtung von Außenstellen in den Bundesländern vorgesehen, und somit wird auch dem Föderalismus in diesem Gesetz Rechnung getragen.

Darüber hinaus werden aber auch andere relevante Änderungen, wie zum Beispiel beim ATP-Durchführungsgesetz oder beim Rindfleisch-Ettikettierungsgesetz, vorgenommen. Das zu beschließende Gesetz ist seinem Inhalt nach EU-konform. Viele Mängel werden durch dieses Gesetz beseitigt, insbesondere bei der Vollziehung des Fleischuntersuchungsgesetzes. Gerade daran ist viel Kritik geübt worden. Es ist die Aufsicht über die Beschautierärzte von den Gemeinden auf die Amtstierärzte übertragen worden, womit aber dieses Gesetz eine klare Kompetenzabgrenzung schafft.

Dieses Gesetz ist im Großen und Ganzen konsistent, ist ein Fortschritt, ein Schritt in die richtige Richtung, und wir werden daher diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich höre gerade, dass Kollegin Haunschmid, die als Nächste zu Wort gemeldet ist, am Weg hierher ist. Ich würde sagen, wir bringen diesen Moment Geduld auf. Aber wenn sie zu lange nicht erscheint, dann verwirkt sie ihr Rederecht. Bitte, das ist keine Bosheit von mir, sondern das schreibt die Geschäftsordnung vor: Wer nicht im Saal ist, verwirkt sein Rederecht. Ich hoffe daher, dass sie gleich kommen wird. (Bundesrätin Haunschmid betritt in diesem Moment den Sitzungssaal.) Bitte, da ist sie schon! (Bundesrätin Haunschmid: Entschuldigung! Nicht tragisch! – Bundesrat Konecny, replizierend: Für uns schon!)

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

15.52

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Das war ein Missverständnis! Entschuldigung! Ich habe gesagt: Wenn so viele reden und so viele dafür sind, wenn die Sozialdemokratie als demokratische Partei ohnehin jetzt allem zustimmt, dann brauche ich überhaupt nicht mehr zu reden. (Beifall bei der SPÖ.) Aber anscheinend ist das nicht der Fall! Also werde ich mich doch bemühen, hier meine Ausführungen zu machen.


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Es geht in meiner Sache nur um das Fleischuntersuchungsgesetz, das ich als Unternehmerin und auch als Touristikerin natürlich sehr begrüße, weil es uns doch einen enormen Schutz bietet und weil dadurch auch gewährleistet ist, dass die Kontrolle lückenlos stattfindet. Ich meine, dass das wichtig ist. Wenn Sie die letzten Meldungen von heute gehört haben, dann werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass es gar nicht schnell genug gehen kann, dass dieses Gesetz verabschiedet wird, damit eine lückenlose Fleischuntersuchung durchgeführt werden kann.

Ich begrüße selbstverständlich auch die Errichtung der neuen Agentur, mit der wir auch sichergestellt bekommen, dass von der Scholle bis hinauf das Beste für uns getan wird und daher gewährleistet wird, dass der "Feinkostladen Österreich" total geschützt wird. Ich glaube, ich brauche Ihnen allen nicht zu sagen, denn das wissen wir alle – auch die Sozialdemokratie wird mir da zustimmen –, dass der "Feinkostladen Österreich" für uns eines der größten Aushängeschilder, und zwar auch auf dem Tourismussektor, in den weiten Gebieten der Welt ist. Abgesehen davon haben wir auch hervorragende Leute, die dafür arbeiten.

Ich halte dieses Gesetz auch im erweiterten Schritt für wichtig, auch wenn Kritik von der Sozialdemokratie wegen der Aufhebung des Bazillenausscheidergesetzes gekommen ist, bezüglich welcher ich von meinen Kollegen erfahren musste, dass da eine Hetzkampagne von Seiten der Sozialdemokratie stattgefunden hat beziehungsweise aufgewiegelt worden ist, weil wir das Bazillenausscheidergesetz abgeschafft haben. Da darf ich Sie beruhigen: Es ist im Fleischuntersuchungsgesetz, das heißt, im Fleischhygienegesetz stärker als je verankert. Es kann nämlich in Österreich niemand mehr, nicht einmal ein Bediensteter, ohne ärztliches Zeugnis eine Arbeit antreten.

Aber eines muss ich zugeben: Es wird durch die Kontrolle natürlich der Unternehmer mehr gefordert, weil er die Verantwortung voll zu übernehmen hat dafür, dass er auch gesunde Mitarbeiter beschäftigt. Das ist natürlich eine zusätzliche Aufgabe und bestimmt auch ein Risiko für den Unternehmer. Aber ich glaube, da gehen wir einen gemeinsamen Weg.

Meine Damen und Herren! Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesen Regelungen auch das wieder vom Tisch bekommen, was heute in den Medien steht, nämlich dass die Untersuchungen in den Großmärkten ergeben haben, dass es immer wieder passiert, dass schlechtes Fleisch und schlechte Ware in den Verkaufsläden sind, und zwar ausländisches Fleisch.

Daher ist es ein Gebot der Stunde, darüber nachzudenken und daranzugehen, dass wir da unsere Verantwortung wahrnehmen, nämlich dass wir selbst uns davor schützen. Das heißt in erster Linie – das ist ein Appell! –, vorwiegend österreichische Ware zu kaufen, österreichische Ware zu genießen. Dann kann so etwas nicht passieren, und dann werden auch mehr ausländische Waren von der Bildfläche verschwinden.

Ich bedanke mich für dieses großartige Gesetz im Namen aller meiner Kollegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte über diese beiden Punkte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir stimmen zuerst ab über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betref


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fend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Mai 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend unglaublichen Postenschacher auf Kosten der SteuerzahlerInnen (1938/J-BR/02)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun – da der Herr Bundesminister schon da ist, schon zwei Minuten vor 16 Uhr – zur Verhandlung der dringlichen Anfrage der Bundesräte Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend unglaublichen Postenschacher auf Kosten der SteuerzahlerInnen.

Diese dringliche Anfrage ist in der Zwischenzeit allen Bundesräten zugegangen. Es erübrigt sich daher eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich bitte Herrn Bundesrat Konecny als Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort zu ergreifen. – Bitte.

15.59

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit dieser dringlichen Anfrage in eine Diskussion eingeschaltet, die sich seit gut zwei Wochen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern in zunehmendem Maße auch innerhalb der Regierungsparteien, namentlich innerhalb einer Regierungspartei, in großer Breite und mit in dieser Auseinandersetzung, die wir heute hier führen, wohl kaum überbietbarer Schärfe abspielt.

Die Bundesgesetzgebung hat vor geraumer Zeit die Weichen gestellt, um aus der bisherigen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der bisherigen Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ein einheitliches Institut zu machen. Dafür wurde eine Fülle guter und berücksichtigungswürdiger Argument vorgebracht, nicht zuletzt jenes, dass es hiebei zu einer Verwaltungsvereinfachung und zu einer beträchtlichen Einsparung kommen werde.

Es war klar – manchmal sind sogar wir bereit, an das Gute in dieser Regierung zu glauben, auch wenn die Enttäuschung immer auf dem Fuß folgt –, dass naturgemäß eine neue Leitung dieses geeinten Institutes gefunden werden muss. Der Verdacht, dass auch hier das, was in der österreichischen Bevölkerung und in den österreichischen Medien "Umfärbung" genannt wird, stattfinden wird, war zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, aber man meinte, dass man vielleicht doch einmal auf Seiten der Regierungsparteien zu einer anderen Vorgangsweise kommt. Doch daran war von allem Anfang an ganz offensichtlich nicht gedacht. Deshalb haben sich Personen – unter ihnen auch, ausweislich eines schriftlichen Protokolls und ausweislich einer in


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der Öffentlichkeit klaren Aussage des Hofrates Dr. Wetscherek, der Herr Bundesminister – zusammengefunden, um einmal Tacheles zu reden und sich im trauten Kämmerchen – daher steht auch auf dem Protokoll sechsmal "vertraulich", "nicht kopieren", "nicht weitergeben"; ich weiß jedoch nicht, was "FPC 5" heißt, was auch draufsteht; vielleicht können Sie, Herr Bundesminister, mir das dann zusätzlich beantworten – auszumachen, wer in der neuen Pensionsversicherungsanstalt etwas werden muss.

Die ganze Vorgangsweise – jener Rauchvorhang, dem man offensichtlich für die Öffentlichkeit vorbereitet hat – ist in dieser Besprechung zur Lächerlichkeit degradiert worden. Natürlich – wir haben gesetzliche Regelungen – ist ausgeschrieben worden. Besonders interessant ist, dass man auch einen Personalberater herangezogen hat. Ich wundere mich darüber, dass sich eine namhafte Persönlichkeit für diese Vorgangsweise hergegeben hat, aber der Betroffene wird schon wissen, warum, oder man wird dieser Person schon gesagt haben, was sie tun muss. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Unterstellung!)

Wenn in einer Geheimbesprechung die Rolle, die ein unabhängiger Personalberater spielen soll, auf Punkt und Beistrich wie in einem Drehbuch festgelegt wird, dann ist er das, was dieses Drehbuch nahelegt: ein Chargendarsteller dritter Ordnung! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Zu der erwähnten Sitzung, an der der Herr Bundesminister seiner Erinnerung nach nicht teilgenommen hat, meinte er, über die Qualität des Protokolls – wir haben es ja nicht verfasst! – gebe schon die irrige Behauptung Aufschluss, dass er dort gewesen sei. Wie Sie sich das mit Hofrat Wetscherek ausmachen, der ganz klar gesagt hat, dass Sie dort waren, das weiß ich nicht, aber vielleicht werden Sie uns auch das verraten, Herr Bundesminister!

Dort jedenfalls ist Herr Gaugg zum Vize-Generaldirektor designiert worden – um es einmal freundlich zu sagen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Im Überleitungsausschuss – ich sage dazu: Respekt vor jenen Kolleginnen und Kollegen, die dem Diktat dieses Protokolls nicht so ganz gefolgt sind! – ist er dann mit 12 zu 11 Stimmen – keine wirklich überzeugende Mehrheit, aber sie reicht natürlich – in diese Funktion auch bestellt worden. – Das ist einmal der erste Komplex von diesen Sachverhalten.

Meine Damen und Herren! Da wird unter dem Anschein einer Ausschreibung, einer ordentlichen Postenvergabe, unter dem Anschein der Einschaltung eines unabhängigen Personalberaters in Wirklichkeit unter der Budel ausgepackelt, wer da zum Zug kommt. Das widerspricht jeder gesetzlichen Vorschrift!

Herr Bundesminister! Ich würde schon gerne wissen – wir fragen Sie das auch –, wie Sie eigentlich Ihrer aufsichtsbehördlichen Aufgabe nachkommen wollen, wenn Sie Teil einer solchen Mauschelei waren?! (Beifall bei der SPÖ.) Ihre Unabhängigkeit, Ihre Unbefangenheit als aufsichtsbehördliches Organ muss ich in diesem Zusammenhang schon sehr in Zweifel ziehen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

In diese Funktion berufen wurde Herr Abgeordneter Gaugg, Sozialsprecher seiner Fraktion im Nationalrat, der noch ein paar Tage davor, und zwar nach Veröffentlichung des Protokolls, einen sozialdemokratischen Abgeordneten der Geisteskrankheit geziehen hat, als dieser meinte, nun sei ja wohl klar, dass er stellvertretender Generaldirektor wird. Wer da an geistigen Unzukömmlichkeiten leidet, das will ich nicht beurteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kraml: Das ist der Gaugg!).

Wahr ist, dass es genau so gekommen ist, wie es im Protokoll steht und wie das dieser meiner Kollegen im Nationalrat prophezeit hat. Offensichtlich hat er einen direkten Draht zur Prophetie. Aber Kollege Gaugg hat sich damals noch gegen diese Unterstellung zur Wehr gesetzt und mit ungeheuren verbalen Rundumschlägen all das dementiert. So kam es nicht, es kam anders.

Kollege Gaugg hat eine, wie jeder von uns, lange politische Biographie, und ich glaube nicht, dass ihn irgendjemand anderer so treffend charakterisiert hat wie Generaldirektor Meran, nicht gerade bekannt ist als ein "Häuptling schnelle Zunge", der gemeint hat, es handle sich bei


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Gaugg um einen Mitarbeiter, der sein Butterbrot von beiden Seiten beschmieren will. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Genau diese Eigenschaft, nämlich dass Kollege Gaugg auf zwei Butterseiten fallen möchte, hat sich auch in diesem Fall herauskristallisiert! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. )

Nein, das konnte er schon relativ früh, lieber Kollege, Ex-offo-Verteidiger Ihres Kärntner Mitstreiters. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. ) Ah, kein Verteidiger! Der vorherige Zwischenruf war kritisch! Das habe ich nicht bemerkt. Entschuldigung!

Kollege Gaugg hat sich diese Charakterisierung durch Herrn Meran dadurch verdient, dass er es immerhin zuwege gebracht hat, bei seinem Ausscheiden – nein, das war eine Streitfrage –, bei der vorläufigen Einstellung seiner segensreichen Tätigkeit für die BKS zugleich die Abfertigung zu nehmen und sich ein Rückkehrrecht versprechen zu lassen. (Rufe bei der SPÖ: "Wahnsinn"!) Das ist die "Abfertigung ganz neu". Da hat er weit all das überholt, was es seither an sozialrechtlicher ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Die Bank für Kärnten und Steiermark war über diesen Verlust – auch wieder ausweislich der in zahlreichen Prozessaussagen aufrecht erhaltenen Qualifikation des Herrn Meran – nicht wirklich unglücklich. Herr Meran hat auch gemeint: "Wir haben mit ihm – Gaugg – schlechte Erfahrungen gemacht!" (Oh-Rufe bei der SPÖ.) "Wir wollen ihn weg haben! Das ist das Wichtigste für uns!"

Mag sein, dass dieselbe Überlegung auch für die FPÖ-Nationalratsfraktion eine Überlegung war, nämlich: Schlechte Erfahrungen haben Sie gemacht, vielleicht wollen Sie ihn weghaben, und vielleicht ist das das Wichtigste für Sie! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Herr Kollege Gaugg hat dann die Bank für Kärnten und Steiermark auf Wiederbeschäftigung geklagt – auch wieder eine solche Doppelbutterbrotaktion! Das war jene Zeit, als der bekannte, namhafte Arbeitnehmervertreter der blauen Couleur tagtäglich einmal die Arbeiterkammer abgeschafft hat. Aber er hat sich durch zwei Instanzen die Prozesskosten von dieser verhassten Einrichtung – das waren damals immerhin 100 000 S – finanzieren lassen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Zum Nehmen war dieser Verein immer noch gut genug, abschaffen hätte man ihn ja nachher auch können! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kraml: Das ist kein guter Charakter!)

Kollege Gaugg hat sich also in die Funktion des stellvertretenden Generaldirektors wählen lassen. Diejenigen, die ihn gewählt haben, werden schon gewusst haben, warum sie ihm ihre Stimme gegeben haben. Ich werde das nicht in jedem Einzelfall erfahren. Aber Kollege Gaugg hat dann – und da hat sich möglicherweise die freiheitliche Parlamentsfraktion in ihrem Wunsch, ihn nur um jeden Preis loszuwerden, verrechnet, denn bei seiner Doppelbutterbrottaktik hat er natürlich nicht im Traum daran gedacht, aus dem Nationalrat auszuscheiden, und er hat das heute und gestern und vorgestern und vorvorgestern täglich einmal bekräftigt – auf seine ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Das spottet jeder Beschreibung: die Schmierenkomödie, die Sie da spielen!)

Herr Kollege! Es steht Ihnen frei, eine eigene Meinung zu haben, Sie können sie auch hier vom Rednerpult aus gerne äußern, aber wahr ist, dass Herr Kollege Gaugg mit seiner Doppelbutterbrottaktik nun einerseits – das ist beim Brotschneiden ein bisschen schwierig, denn inzwischen gewinnt dieses Brot sogar eine dritte Seite (Heiterkeit bei der SPÖ)  – im Nationalrat seinen Bezug haben will, natürlich in der neuen Pensionsversicherungsanstalt als stellvertretender Generaldirektor amtieren will – wenn er einmal hinfindet, das ist ja bisher noch nicht der Fall gewesen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ)  – und mit dem kollektivvertragsmäßigen Bezug eines stellvertretenden Generaldirektors nicht zufrieden ist. (Oje-Rufe bei der SPÖ.)

Sehen Sie: Wenn man ein Freiheitlicher ist und auf ein neues Spielfeld kommt, dann ändert man vermutlich als Erstes die Spielregeln. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist nur die Beschreibung der alten, roten Spielregeln!) Herr Kollege Gaugg, der also, wenn er sein Amt im Nationalrat einigermaßen Ernst nimmt – man kann natürlich sagen: Da tut er nichts!, aber das würde


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ich nicht behaupten –, die Interessen des Volkes vertritt, ist offensichtlich nicht mit dem zufrieden (Bundesrat Dr. Nittmann: Das sagt der Vertreter der sozialistischen Nehmerfraktion!), was ihm die innerbetrieblichen Regelungen der Pensionsversicherungsanstalt anbieten, und hat so seine Vorstellungen von einem Sondervertrag, der eine ordentliche Zuwaage enthalten soll. (Bundesrat Dr. Nittmann: Da hat Vranitzky auch Erfahrungen mit seinem Sondervertrag gemacht!)

Sie haben Recht, nur: Es ist nicht wahr, aber es macht nichts, denn es geht um etwas ganz Anderes. Das macht auch nichts. Aber Sie haben einen Zwischenruf gemacht, der sogar im Protokoll stehen wird. Sie werden es in Ihrer Biographie erwähnen können. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das war nichts Anderes! Da können Sie Schmäh führen so viel Sie wollen, Herr Schmalzbrot-Professor!)

Kollege Gaugg hat damit ein Ansinnen gestellt, das naturgemäß auch in den Regelungen vorgesehen ist. Dass sich im Zuge der Neuregelung des Sozialversicherungswesens das Zustimmungserfordernis von einer großen, breiten Versammlung im Hauptverband auf die Geschäftsführung verlagert hat, mag man ja für einen Zufall halten, aber möglicherweise haben wir es in Wirklichkeit mit einer "Lex Gaugg" zu tun, die man damals schon vorsorglich beschlossen hat, damit den Akt ja niemand Falscher in die Hand bekommt.

Es geht sicherlich auch darum, welche Qualifikationen für diese Funktion vorliegen. Herr Bundesminister! Wir fragen Sie daher natürlich, wie jemand, der sich um eine Funktion dieses Ausmaßes und dieser Bedeutung bewirbt, entsprechende Voraussetzungen für etwas mitbringt, wofür auch – in der Ausschreibung ist das gestanden – Leitungserfahrung und Ähnliches erforderlich ist.

Ich erwähne nur am Rande, dass es in der Sozialversicherung und daher auch in diesem Institut eine Dienstprüfung, die B-Prüfung gibt, vor der sich jeder, der in diesem Bereich tätig ist, zu Recht fürchtet, weil sie eine der schwierigsten Prüfungen, die es im Dienstbereich gibt, ist, die aber selbstverständlich die Voraussetzung dafür ist, dass jemand in die Spielklasse aufsteigt, aus der heraus er sich dann um Leitungsfunktionen bewerben kann. Ich brauche nicht hinzuzufügen, dass Kollege Gaugg diese Prüfung naturgemäß nicht gemacht hat. Er hat sich natürlich qualifiziert, denn er hat Folgendes bewiesen: Buchstabieren kann er, von A bis Z, und zu N und I ist ihm auch noch etwas eingefallen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Soweit die gewissermaßen verfahrensrechtlichen Themata.

Kollege Gaugg ist ganz offensichtlich nicht nur jemand, der sein Butterbrot von beiden Seiten beschmiert und der schaut, ob man auf der Rinde auch noch ein bisschen Butter unterbringen kann (Bundesrat Dr. Nittmann: Er hat wenigstens keine Butter auf dem Kopf, Herr Professor!), sondern er ist auch jemand, der eine bestimmte, ihm vielleicht gar nicht bewusste Rolle in einem Machtspiel innerhalb der FPÖ spielt. So hat zum Beispiel Frau Riess-Passer, die Ihnen als Ihre Parteivorsitzende nicht ganz unbekannt sein dürfte, zur Causa Gaugg gesagt, natürlich wisse Jörg, was das eine Woche vor dem Parteitag für sie bedeutet, und außerdem wollte er unbedingt, dass Gaugg diesen Job bekommt, aber diesmal werde sie sich das nicht mehr gefallen lassen. (Bundesräte der SPÖ halten Kopien von Zitaten in die Höhe.)

Für die weitsichtigen Kollegen halten es meine Parteifreunde hoch. Die Kurzsichtigen können auch gerne ein persönliches Exemplar haben.

Ich sage es noch einmal: Das hat niemand aus der SPÖ gesagt, sondern das ist eine Feststellung, die Frau Riess-Passer getroffen hat. Sie wird wissen, warum. Wir können an Frau Riess-Passer in ihrer Eigenschaft als Bundesparteivorsitzende keine dringliche Anfrage stellen, und als Vizekanzlerin hat sie das nicht gesagt. Da hätte sie ja "der Herr Landeshauptmann von Kärnten" sagen müssen und nicht "der Jörg".

Es bleibt also Ihnen überlassen, das zu erfragen. Ich weiß nicht, ob die Geschäftsordnung des Bundesparteitages der FPÖ dringliche Anfragen vorsieht. (Zwischenruf des Bundesrat Dr. Böhm. ) – Herr Kollege Böhm! Wenn es Sie wirklich interessiert, dann stellen Sie diese An


Bundesrat
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frage. Ich kann Ihnen eine Antwort darauf weder geben noch sie Ihnen besorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Gaugg selbst hat ja auch eine außerordentlich originelle Formulierung für die Bredouille, in die er sich – oder andere ihn, das weiß ich nicht – gebracht hat, gefunden. Er hat eine originelle Formulierung gefunden, indem er eben meint, es handle sich nicht um eine Causa Gaugg, sondern es handle sich um eine Causa bestimmter Führungspersönlichkeiten. – Jetzt weiß ich auch wieder nicht, wen er damit meint. Aber der Herr Bundespräsident wird es ja wohl nicht gewesen sein, und Herr Dr. Gusenbauer auch nicht.

Also welche Führungspersönlichkeiten Herr Gaugg damit meint, das müssen Sie wiederum ihn fragen. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesminister bereit ist, dazu gewissermaßen sekundierend Auskünfte zu geben, oder ob er das kann. Ihn selbst, Kollegen Gaugg, können wir natür-lich auch nicht befragen. Aber dazu haben Sie wieder die besten Möglichkeiten.

Ich komme noch einmal zur Frage der Qualifikation zurück. Da tritt also ein angebliches Team an, unter anderen Hofrat Wetscherek, den man nicht unbedingt mögen muss, aber der zweifellos ein Fachmann der Pensionsversicherung ist, der mit großer Mehrheit von anderen Fach-leuten der Sozialversicherung im Überleitungsausschuss in diese Funktion gewählt wurde.

Was man davon zu halten hat – auch Hofrat Wetscherek können wir hier nicht befragen –, wenn er meint, den Kopiloten könne er sich nicht aussuchen, ob darin vielleicht auch ein Werturteil versteckt ist, das entzieht sich naturgemäß meinem Wissen.

Aber wenn sich der neue stellvertretende Generaldirektor gleich mit einem Rundumschlag einstellt und meint, besagter Generaldirektor Wetscherek sei derzeit mit dem Zudecken gewisser Dinge überbeschäftigt – wahrscheinlich hat er den richtigen Hauseingang zugesperrt und darum hat Gaugg nicht hineingefunden (Bundesrat Kraml: Oje!)  –, dieser habe zugedeckt (Beifall bei der SPÖ), dann ist das das "Vertrauensverhältnis", das ich mir zwischen einem Tandem, das ein großes Reformwerk in Angriff nehmen soll, vorstelle. (Bundesrat Dr. Nittmann: Erbärmlich! Eine traurige Vorstellung!)

Dann führt sich Herr Gaugg, offenbar um seine Sachkenntnis zu illustrieren, mit dem nächsten Rundumschlag ein, nämlich mit der Mitteilung, es habe dort, wo Herr Wetscherek bisher Generaldirektor war, acht Dienstwagen gegeben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das haben wir alles schon im "NEWS" gelesen! Ist das ein Rezitationsabend?) Herr Dr. Wetscherek, dem ich das mehr glaube – aber das ist ein rein persönliches Werturteil –, hat sich veranlasst gefühlt, Herrn Gaugg darauf hinzuweisen, dass dieser offenbar Krankentransportwagen mit Dienstwagen verwechselte. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Schmierentheater! Sie bleiben ein Schmierenkomödiant! Ihr Rezitationsabend aus "NEWS" ist wirklich erbärmlich!)  – Okay, mag schon sein. Die Kritiken, Herr Kollege, überlassen wir den Außenstehenden und nicht den Attackierten.

Sehen Sie, das ist genau der Punkt! Hier wird jemand mit aller Gewalt in einen Posten gepresst, der für diesen Posten keine Voraussetzungen mitbringt. Er wird nach einer politischen Einigung – und ich kann die andere Seite nicht davon freisprechen, an dieser Einigung mitgewirkt zu haben – mit an Bord genommen, offenbar als Beiwagerl, so nach dem Motto: Er wird schon nicht stören, und die Arbeit macht eh Wetscherek. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Dann ist dieser Mann aus Gründen, die sich meiner Kenntnis entziehen, von seinen Parteifreunden enttäuscht und darüber verärgert, weil die Gage so niedrig ist, er ist böse, weil er den Eingang nicht findet, und beginnt einen Rundumschlag, für den er dann zwischen die Mühlsteine, die sich in der FPÖ ein paar Tage vor dem Bundesparteitag in hoher Umdrehungsgeschwindigkeit bewegen, zu kommen droht. (Bundesrat Dr. Nittmann: Diese selbstverliebte Rhetorik!)

Meine Damen und Herren! Ich habe viel gegen Kollegen Gaugg, aber auf der Ebene, dass man sich mit einem politischen Gegner auseinander setzt, dessen Meinung man nicht teilt. Man findet seinen Stil mehr oder weniger angenehm oder auch bewundernswert – in diese Versuchung bin ich bei Kollegen Gaugg nicht gekommen –, aber dort, wo die ... (Bundesrätin Haunschmid:


Bundesrat
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Glauben Sie, Sie sind sympathisch?)  – Sie müssen mich nicht mögen, liebe Frau Kollegin! Das ist nicht das Ziel meiner politischen Tätigkeit. (Bundesrat Dr. Nittmann: Haben Sie überhaupt ein Ziel, außer uns Zeit zu stehlen?) Aber wenn dieser Mann, der seine Wähler hat und daher legitimerweise im Nationalrat sitzt, dorthin geschickt wird, wo Fachleute gefragt sind, wo er nicht auf Grund einer legitimen Qualifikation (Bundesrat Dr. Nittmann: Gehen Sie ins Theater! Zum Tschauner!), sondern auf Grund einer ganz üblen Absprache entsorgt, aufgebaut oder hinaufgehoben wird, dann ist das ein grober Skandal! Dies ist nämlich eine Verletzung all dessen, was es in diesem Land bei der Besetzung von Spitzenfunktionen gibt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Ja, Sie können herzhaft lachen, Herr Kollege! Niemand in diesem Land leugnet, und ich habe nicht die Absicht das zu tun ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Nein, der Punkt ist Folgender: Jeder, der in diesem Land mit Hilfe seiner politischen Freunde in eine Funktion aufgestiegen ist – das hat es gegeben, das gibt es und das wird es geben –, hat im Rahmen dieser Funktion, wenn er nicht sehr bald abgelöst wurde – das hat es auch gegeben –, gute Arbeit geleistet. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist ja bei Ihnen auch so!)

Herr Kollege Nittmann! Kollege Sallmutter hat großartige Arbeit im Hauptverband geleistet. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Das glauben aber auch nur Sie!) Ich mache Kollegen Gaugg nicht zum Vorwurf, dass er Mandatar der FPÖ ist. Auch Mandatare der FPÖ sind nicht notwendigerweise für eine Verwaltungsfunktion unqualifiziert. Diese Unterstellung ist in dem, was ich sage, ausdrücklich nicht beinhaltet. – Nein! Der, der unqualifiziert ist, ist einfach Kollege Gaugg! Punkt! (Bundesrätin Haunschmid: Warum wissen Sie das? – Bundesrat Dr. Nittmann: Vorverurteilung!) Er ist nicht deshalb unqualifiziert, weil er FPÖ-Mandatar ist, sondern weil er genau jenes Anforderungsprofil nicht erfüllt, das in der Ausschreibung enthalten war, weil er sich, nachdem er schon bestellt ist, darüber beklagt, dass es kein Anforderungsprofil gegeben hat. Das heißt, er ist bereits in einer Funktion tätig, von der er keine Ahnung hat, was er tun soll. – Also diese Voraussetzungen für eine Bestellung sind einfach ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ging ganz offensichtlich um Folgendes: dort einen FPÖler hinzusetzen – aus welchem Grund auch immer! (Bundesrat Dr. Nittmann: Das verwechseln Sie mit der Stellenbeschreibung!)

Herr Kollege Gaugg ist – und er hat das schon bei anderen Gelegenheiten bewiesen – ein Doppelbutterbrotbestreicher. (Bundesrat Dr. Nittmann: Er hat keine Butter am Kopf, Herr Professor!) Sie haben gesagt, dass das ganz gut schmeckt. Das hat aber einen Nachteil: Man kann es so schlecht halten (Heiterkeit bei der SPÖ), und das wird Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, noch viele Probleme bereiten. (Bundesrat Dr. Nittmann: Überhaupt nicht!) Der doppelt bebutterte Gaugg lässt sich so schlecht halten, da bekommt man immer fettige Finger. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Absolut inferior!)

16.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Haupt zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.27

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zur dringlichen Anfrage, die Herr Professor Albrecht Konecny soeben für seine Fraktion vorgetragen hat, einige grundsätzliche Dinge vorausschicken.

Zuerst einmal: Sie haben sich lang und breit mit der Qualifikation des Kollegen Gaugg auseinander gesetzt. Ich bin durchaus dankbar dafür, dass die sozialdemokratische Fraktion heute diese dringliche Anfrage gestellt hat, weil ich damit auch aus meiner misslichen Situation komme, die bis zum heutigen Tag bestanden hat, nämlich nicht öffentlich transparent machen zu können, was ich aus internen Prüfberichten meiner Prüfer weiß und was ich aus den Tätigkeiten in der Öffentlichkeit und im Nationalrat gewusst habe und daher zu sehr vielen Vorwürfen den Mund halten musste – um das volkstümlich auszudrücken. Es freut mich, heute, nachdem das Spannungsfeld zwischen persönlichem Datenschutz und den Möglichkeiten, davon Gebrauch


Bundesrat
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oder nicht Gebrauch zu machen, ausjudiziert ist, hier im Rahmen der Verantwortung, die ich bei Anfragebeantwortungen habe, einmal klar und deutlich das sagen zu können, was in Diskussion steht.

Sie, Herr Professor, haben sich lang und breit mit der Qualifikation des Kollegen Gaugg auseinander gesetzt. Es ist für mich als Aufsichtsbehörde immer interessant, beide Bewerber zu sehen, die schlussendlich in der Stichwahl sind. Sie, Herr Professor Konecny, haben in Ihrem Redebeitrag die Dienstprüfung als eine der schwierigsten Dienstprüfungen, die es in der Republik gibt, angeführt. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass beide Bewerber, die zur Wahl gestanden sind, diese Dienstprüfung nicht haben.

Ich glaube daher, Herr Professor, wenn man fair wäre und es sich auch nicht um einen Abgeordneten einer bestimmten Fraktion handelte, dann sollte man auch diese Tatsache so in der Öffentlichkeit transportieren. (Bundesrat Konecny: Aber es hat andere Bewerber gegeben, die sie sehr wohl hatten!) Damit, sehr geehrter Herr Professor, relativiert sich, so glaube ich, auch sehr vieles, was Sie im Zusammenhang mit dem Anforderungsprofil gesagt haben.

Wenn man sich die Karriere beider Personen ansieht, die zur Stichwahl gestanden sind, so werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass ein gelernter Industriekaufmann auf der einen Seite und ein gelernter Bankkaufmann auf der anderen Seite keine sehr großen Unterschiede in der Qualifikation haben.

Wenn man bedenkt, dass Herr Kollege Gaugg seine berufliche Karriere in der Bank für Kärnten begonnen hat, dort die Abteilung für die Überprüfung der Bonität von Wirtschaftsbetrieben geleitet hat, einfaches Mitglied der damaligen Personalvertretung war und in der Überleitungsphase des Instituts zur Bank für Kärnten und Steiermark schlussendlich zum Zentralbetriebsrat gewählt wurde, dann kann man sich auch vorstellen, warum der neue Vorstand der Bank für Kärnten und Steiermark einem solchen Zentralbetriebsrat, der als Einzelfraktion zum Zentralbetriebsrat aufgestiegen ist, schlussendlich nicht die Zustimmung gegeben hat: weil er für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer da war und offensichtlich in einer schwierigen Zusammenlegungsphase und noch dazu in der Einführungsphase der Bank für Kärnten und Steiermark am Aktien- und Kapitalmarkt den hohen Herren des Institutes nicht immer nach dem Mund geredet hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage das so wertfrei, weil ich auch glaube, dass man dort, wo sich Kandidaten beworben haben, auch ihre Qualifikationen fair bewerten sollte.

In der Präambel zur Anfrage haben Sie die Bestellung des Personalberaters Dr. Jenewein meiner Ansicht nach falsch dargestellt. Sie haben in Ihren Ausführungen einiges von dem, was in der Präambel zur Anfrage steht, so dargestellt, wie es wirklich war, aber ich wiederhole für das Protokoll: Tatsächlich hat das Institut Jenewein nicht der Herr Sozialminister, sondern der Überleitungsausschuss und das Präsidium des Überleitungsausschusses unter Vorsitz von Obmann Haas bestellt und niemand anders.

Ich bitte Sie daher auch um Verständnis dafür, dass ich Ihnen die Anfrage, welchen Auftrag dieser Überleitungsausschuss der Firma Jenewein gegeben hat, nicht beantworten kann, weil das entsprechende Wort- und Schriftprotokoll der Sitzung – um auch die Qualität der dort Agierenden darzustellen – heute, 14 Tage nach der Sitzung – meine Beamten sitzen hier hinter mir, Sie können sie befragen –, noch nicht in meinem Hause eingetroffen ist. (Bundesrat Konecny: Ich bin zufrieden, wenn Sie es mir zugänglich machen, wenn es Ihnen vorliegt!)

Ich sage das in aller Klarheit, um das für Sie nachvollziehbar zu machen. Herr Professor Konecny! Ich sage aber auch deutlich – ich habe das auch sehr vielen anderen Vertretern gegenüber gesagt –, dass meine Haltung als Aufsichtsbehörde – denn die Frage von Seiten Ihrer Fraktion ist ja, welche Haltung ich als Aufsichtsbehörde vertrete – klar nachvollziehbar ist.

Ich ziehe die Einschauberichte meiner Kontrollorgane, die Einschauberichte der Innenrevision und die des Rechnungshofes heran. Natürlich ist die Wahl zwischen Herrn Kollegen Gaugg und Herrn Kollegen Freitag nur knapp ausgefallen. Im derzeitigen Aufgabenbereich des stellver


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tretenden Generaldirektors – also im Aufgabenbereich des Herrn Kollegen Freitag – liegen das seit Jahren vom Rechnungshof kritisierte Gut, die Realitäten, die Bauverwaltung und sämtliche Rehabilitationseinrichtungen.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass im Verhältnis dazu, was in den letzten zehn Jahren an Realitätengewinnen in Wien von seriösen Realitätenbesitzern zu erzielen war, nach Auskunft maßgeblicher Beteiligter – einschließlich der Kammern – im Bereich dieser ein unterdurchschnittlicher Ertrag erzielt wurde. Ich mache Sie weiters auf die Rechnungshofkritik in Zusammenhang mit der negativen Rendite des Gutes Aflenz aufmerksam.

Ich meine, wenn man eine tatsächliche Überprüfung auf Grund der Leistungen – so wie Sie es gesagt haben – vornimmt, dann hat man bei aller Fairness zu sagen, dass Herr Kollege Freitag in diesem Bereich ein Erbe angetreten hat, das nicht er allein, sondern selbstverständlich auch sein Vorgänger als stellvertretender Generaldirektor in diesem Bereich zu verantworten hat.

Ich mache Sie weiters im Zusammenhang mit der Dienstprüfung darauf aufmerksam, dass nach der derzeitig gültigen Dienstordnung eine Dienstprüfung von jedem innerhalb von drei Jahren nachgeholt werden kann. Ich glaube daher, wenn man bei Herrn Kollegen Freitag annimmt, dass er diese Dienstprüfung innerhalb von drei Jahren abgelegt hätte, ist es auch legitim, dass Herr Kollege Gaugg zumindest die gleiche Chance bekommt, diese Dienstprüfung nachzuholen, denn hier sind die Regelungen der Dienstordnung eindeutig und klar. (Zwischenrufe bei der SPÖ.  – Bundesrätin Haunschmid   – in Richtung SPÖ  –: Aha, da ist ein Unterschied zwischen Freitag und Gaugg?)

Herr Professor! Sie wissen genauso wie ich, dass die Dienstprüfung nicht Gegenstand der Ausschreibung war und sich daher nicht nur Herr Kollege Gaugg, sondern auch andere externe Personen in entsprechender Form beworben haben.

In der nächsten Woche findet im Übrigen im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Ehrung von maßgeblichen ehemaligen leitenden Mitarbeitern des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger statt. Ich gehe davon aus, dass man hervorragende Leistungen erbracht hat, wenn man die höchste Ehrung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bekommt, denn sonst wäre das für mich nicht nachvollziehbar. Zumindest einer der Geehrten in der höchsten Stufe hat nie eine Dienstprüfung abgelegt. – Dies sagt einiges über die Qualifikation und das Erfordernis der Dienstprüfung aus.

Sehr geehrter Herr Professor! Sie wissen allerdings so gut wie ich, dass eine Gesetzesänderung erfolgt ist und dass die Dienstprüfung nunmehr auch für leitende Funktionäre vorgeschrieben ist. Daher haben auch leitende Funktionäre, die bis dato keine Dienstprüfung abgelegt hatten, nach Dienstantritt die Dienstprüfung nachgemacht. Wenn ich jene Fälle ansehe, in denen die Prüfung bis dato nachgemacht wurde, kann ich sagen, dass das für die Leitenden, die ohne Dienstprüfung bestellt worden waren, kein Problem dargestellt hat, sondern sie haben sie mit Erfolg abgelegt. – Ich habe da zwei Fälle aus meiner nächsten Umgebung im Kopf.

Ich möchte aber auch hinzufügen, dass für diese Dienstprüfungen eine eigene Dienstordnung der Prüfungsablegung existiert, die besagt, dass in diesem Falle die Dienstprüfung nicht mit einem entsprechenden Besuch der Akademie des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger verbunden ist, sondern dass die Dienstprüfung vor einem entsprechenden Sondergremium abgelegt werden kann, was ich für durchaus sinnvoll erachte. Ich halte es tatsächlich nicht für gerechtfertigt, wenn ein leitender Angestellter, wenn er wirklich ein Experte ist, die Zeit für einen meiner Ansicht nach sinnlosen Schulbesuch – verzeihen Sie mir diese drastische volkstümliche Ausdrucksweise! – verschwenden muss.

Sie haben die Frage der Dienstautos releviert. Wenn Sie die neue Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten als solche betrachten, so hat Herr Kollege Gaugg Recht, und es handelt sich nicht um Rettungsautos. Von den dortigen Dienstfahrzeugen ist im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eines in Verwendung des derzeitigen Leiters, eines in Verwendung des stellvertretenden Leiters und eines in Verwendung des leitenden


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Arztes. Ein anderes Fahrzeug wird immer benützt, um die Außenstellen zu besuchen und um beispielsweise Besucher abzuholen. – Dies ist bei einem solch großen Unternehmen eine durchaus sinnvolle Angelegenheit.

In der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gibt es drei Dienstfahrzeuge, die niemandem ad personam zugeteilt sind und daher aus meiner Sicht auch dem Modell der Sparsamkeit mehr entsprechen als Dienstfahrzeuge, die überwiegend von einem genutzt werden und nicht im Sinne eines Fahrzeugpools von allen anderen genutzt werden können.

Sehr geehrter Herr Professor! Sie wollten in Ihrer Anfrage von mir wissen, ob ich Privilegien kenne. Ich möchte das jetzt in der Diskussion über die Präambel auch klar sagen: Es gibt selbstverständlich für mich persönlich und auch allgemein sehr unterschiedliche Sichtweisen davon, was Privilegien sind.

Meiner Meinung nach bilden die Forderungen von Herrn Kollegen Gaugg – wenn ich seine Vorstellungen nachvollziehe, die er seinerzeit dem Überleitungsausschuss bekannt gegeben hat und die im Papier der Firma Jenewein dokumentiert sind – eine durchaus vorstellbare Regelung, nämlich dass er einen Sondervertrag ohne Pensionsregelung mit einer ASVG-Pension und einer Pensionskassenregelung haben möchte. Dies ist nicht als Privileg zu betrachten, denn Sie wissen ganz genau, dass sehr viele ASVG-ler, die keine Pensionskassenregelung haben, die Dienstrechtsregelungen des Bereiches durchaus als Privileg betrachten.

Wenn ich mir die Zusammensetzung der Gehälter in der Dienstordnung ansehe, so ist für mich manches dort auch nur schwer nachvollziehbar, wie etwa, dass man, seit Dienstnehmer in diesen Gremien Bildschirmarbeit zu leisten haben, lange gebraucht hat, diese Bildschirmarbeit endlich auch – was die Anrechnung betrifft – in den Lohnvertrag mit hineinzunehmen und sie nicht für die "kleinen" Verdiener als Zulage ohne Pensionsabsicherung zu behandeln, während für höhere Dienstränge durchaus sinnvolle Pensionsregelungen einschließlich der Zulagen geschaffen wurden.

Ich wäre als Aufsichtsorgan höchst interessiert daran, die Dienstregelungen zu Gunsten der sehr vielen "kleinen" Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unteren Dienstklassen zu verbessern und bei den "Großen" innerhalb der Sozialversicherungsanstalten einiges leistungsgerechter neu zu regeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.  – Bundesrat Ing. Franz Gruber: Da bekommt aber die SPÖ Probleme!  – Bundesrat Konecny: ... Gaugg als Beginn des Privilegienabbaus!  – Bundesrätin Haunschmid: Da hättet ihr Probleme damit, gell?!)

Ich nehme an, dass mir dann von mancher Seite im österreichischen Parlament wieder vorgeworfen wird, dass ich in das Vertragsrecht und in das Kollektivvertragssrecht eingreife, was mir als Sozialminister nicht zusteht. Wenn Sie mich schon nach Privilegien fragen, dann möchte ich auch das darstellen, was aus meiner Sicht durchaus als Privilegien zu betrachten ist.

Sie haben mich auch gefragt, welche Vorkehrungen ich als Aufsichtsorgan getroffen habe. Ich habe im Rahmen der Diskussion sowohl über die Einkommenshöhe als auch über die Möglichkeit, beide Funktionen durch Herrn Kollegen Gaugg zu bekleiden, ein Gutachten von Univ.-Prof Dr. Heinz Mayer eingeholt, das ich am heutigen Tage übermittelt bekommen habe.

Universitätsprofessor Dr. Heinz Mayer sagt übrigens im gleichen Sinne wie die Beamten meines Hauses auch, dass beide Funktionen verfassungsmäßig in keinem Widerspruch stehen und auch dienstordnungsmäßig keinen Widerspruch darstellen. (Zwischenruf des Bundesrates Würschl. )

Bezüglich der Besoldung ist sogar in der derzeitig geltenden Dienstordnung klargestellt, dass die Pensionsversicherungsanstalt verpflichtet ist, einem Mitarbeiter, der ein Mandat ausübt, die nötige Freizeit zu geben, um dieses Mandat ausüben zu können. Für den Genuss dieser Freizeit sind laut Dienstordnung in der entsprechenden Dienststufe dem Dienstnehmer 25 Prozent seines Gehaltes vorzuenthalten. (Bundesrat Konecny: Wissen wir! Und daher muss er ein neues kriegen, damit er nicht ... muss!)


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Sehr geehrter Herr Professor! Ich halte daher manche Diskussionen um angebliche Gehälter, die Herr Kollege Gaugg bekommt, durch von Ihnen apostrophierte Experten der Sozialversicherung wie zum Beispiel den ehemaligen Vorsitzenden des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für nicht seriös.

Wenn jemand – so wie Sie es sagen – aus Ihrer Sicht ein Experte des Sozialversicherungswesens ist, dann sollte er eigentlich so kurz nach Zurücklegen seiner Funktion die Dienstordnung nicht so weit vergessen haben, dass er in der Diskussion die Höhe von Abzügen – ähnlich wie Abgeordnete dieses Hohen Hauses – nicht kennt, obwohl sie in der Sozialpartnerschaft klar verankert sind.

Ich kann mich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier um die Person von Herrn Kollegen Gaugg und nicht um einen Bewerber, der gleich zu behandeln ist wie sehr viele andere auch, geht. Ich sage aber gleich dazu: Es hat auch noch andere Diskussionen, nämlich um die Inkompatibilität von Dienststellungen, Aufsichtsratstätigkeiten und Nebentätigkeiten anderer Bewerber in der Öffentlichkeit gegeben.

Ich habe einen zweiten angesehenen Universitätsprofessor Österreichs, der im Übrigen wie Heinz Mayer auch nicht im Ruf steht, Gefälligkeitsgutachten für die Republik zu erstellen, gebeten, mir diese Fragen zu erläutern. Ich sage es in aller Klarheit: Es gibt eine Reihe von Beschwerden aus dem ärztlichen Bereich, dass dort Nebentätigkeiten im Einklang zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber ausgeübt werden, die sich auch aus meiner Sicht zum Nachteil der Versicherten auswirken. Dies mündet in der Praxis in Beschwerden, und ich hätte höchstes Interesse daran, dass diese Nebentätigkeiten endlich eingestellt werden.

Ich als Aufsichtsbehörde habe allerdings nicht das Recht, das zu verlangen. Dieses Recht hat nur die Pensionsversicherungsanstalt ihren Dienstnehmern gegenüber. Ich habe daher diese Frage jetzt auch relevieren und feststellen lassen, ob ich nicht unter Umständen doch als Aufsichtsbehörde in jenen Punkten, in denen Neubesetzungen stattfinden, auch gewisse Rechte bekomme. Im ärztlichen Dienst gibt es sehr viele Beschwerden von österreichischen DienstnehmerInnen, die in Begutachtung stehen und die sich oftmals schlecht und in ihrer Behandlung nicht als Patienten, sondern als Untertanen und oftmals noch schlechter behandelt fühlen. Wenn ich mir die Beschwerden, die mir und auch innerhalb der Volksanwaltschaft dem ehemaligen SPÖ-Klubobmann Dr. Kostelka vorgelegt werden, ansehe, möchte ich versuchen, hier einiges abzustellen.

Es gibt eine Reihe von solchen Nebentätigkeiten, die, wie ich glaube, nicht nachvollziehbar sind: etwa einerseits Gemeindearzt und andererseits privater und öffentlicher Begutachter zu sein. (Bundesrat Dr. Böhm: Unvertretbar!)

Ich kann Ihnen ein persönliches Beispiel nennen, das nachvollziehbar ist: Ich habe innerhalb von drei Wochen von ein und demselben Gutachter für die private Krankenversicherung, die Zusatzversicherung und für die öffentlich-rechtliche Versicherung bezüglich meines Arbeitsunfalls um 32 Prozent unterschiedliche Beurteilungen über meine bleibende Invalidität bekommen.

Ich glaube daher, Sie werden mir Recht geben, dass, wenn solche Unterschiede in der Begutachtung von ein und derselben Person im gleichen Fall möglich sind, solche Doppelverwendungen im ärztlichen Bereich kontraproduktiv sind. Auch das Verständnis der Österreicherinnen und Österreicher für das Begutachtungssystem der Pensionsversicherungsanstalten wird genauso wie im Bereich der Bundessozialämter in meinem Bereich nicht erbracht werden.

Ich bin daher nicht unglücklich darüber, dass Sie diese Frage aufgeworfen haben, sondern nehme dies zum Anlass, mir mit einem Rechtsgutachten, das ich in Auftrag gegeben habe, auch diese Frage von einem unumstrittenen Fachmann in diesem Bereich erhellen zu lassen, um dann – wenn ich dieses Gutachten habe – als Aufsichtsbehörde vielleicht mehr für die Versicherten tun zu können, als ich es heute kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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Eine ähnliche Frage betrifft auch Aufsichtsratsfunktionen, die in diesem Bereich auch vorhanden sind und mich ebenso stören wie manche Abgeordnete, was ich einigen österreichischen Medien bezüglich dieses Punktes entnehme.

Sehr geehrter Herr Professor! Sie haben auch gefragt, was es mit der ominösen Sitzung auf sich hat. Sie haben sicherlich genau und gewissenhaft ... (Bundesrat Konecny: Beantworten Sie irgendwann die konkreten Fragen auch?  – Bundesrat Dr. Böhm: Kommt schon!  – Bundesrat Ing. Franz Gruber: In den nächsten zwei Stunden passiert alles!) – Ich darf zunächst einmal von meinem Recht Gebrauch machen, meine Meinung darzustellen. Ich werde die Fragen selbstverständlich auch konkret beantworten. Sie können mich damit nicht aus dem Konzept bringen, dafür bin ich zu lange im Parlament gewesen. Ich werde also mit Sicherheit wie geplant vorgehen.

Sie haben sicherlich das Stenographische Protokoll der 104. Nationalratssitzung gelesen, und Sie werden, wenn Sie das ordnungsgemäß getan haben, mit Sicherheit bemerkt haben, dass ich mich dort auf den Wahrheitsgehalt dieses Protokolls bezogen habe und den Wahrheitsgehalt des Protokolls bezüglich der dort genannten Zeiten meiner angeblichen Anwesenheit überprüft habe. (Bundesrat Würschl: Also lügt der Herr ...?)

Herr Professor! Sie wissen, dass ich bis 17.41 Uhr im Sozialausschuss war. (Bundesrat Kon


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e
cny: Wer hat denn das Protokoll geschrieben? ... Unwahrheit!) Die Mitglieder des Sozialausschusses wissen, dass wir dann noch für die Nachverhandlungen betreffend das Karenzgesetz eine Terminvereinbarung getroffen haben, und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, würde ich meinen, dass ich um etwa 18 Uhr die Räumlichkeiten meines Klubs betreten habe.

Ich habe nie bestritten – auch den Medien gegenüber nicht, aber manche haben es nicht als populär empfunden, das so darzustellen, und dafür kann ich nichts –, im Klub der freiheitlichen Fraktion einige Teilnehmer der angeblichen Sitzung getroffen zu haben. Dort habe ich mich im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des ASVG über den Stand der Dinge im Überleitungsausschuss erkundigt. (Bundesrat Konecny: Wer war denn dieser falsch schreibende Klubsekretär?)

Ich habe mich bei Herrn Wetscherek, Herrn Haas und bei allen anderen, von den Direktoren der beiden Anstalten beginnend, erkundigt. Es hat eine ganze Reihe von Sitzungen gegeben. Wenn Sie das ASVG in der derzeit gültigen Form gelesen haben, werden Sie mir Recht geben, Herr Professor, dass ich als Aufsichtsbehörde sogar die Verpflichtung habe, mich kundig und schlau zu machen, wie der entsprechende Stand der Dinge ist und der Vorgang abläuft.

Ich werde mir das von niemandem verbieten lassen, sondern ich werde mit jedem, der mir persönlich behilflich ist, meine aufsichtsbehördlichen Funktionen wahrzunehmen, sprechen, egal, ob das der Leitende der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten oder der Leitende der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ist, ob das der Leitende des Überleitungsausschusses ist oder seine Stellvertreter, oder ob das die neuen Personen sind, die im Ausschuss für die Vorbereitung der endgültigen Wahl bestellt wurden. Ich werde es mir auch nicht nehmen lassen, mich bei leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beider Anstalten, ob sie im ärztlichen Bereich, im EDV-Bereich (Ruf bei der SPÖ: ... im FPÖ-Klub!) oder in anderen Bereichen tätig sind, darüber zu informieren, wie der Stand der Dinge in beiden Häusern ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich werde es mir auch von niemandem nehmen lassen, mich im Einklang mit dem Gesetz auch bei der Controlling-Gruppe des Hauptverbandes und bei all jenen, die damit direkt und indirekt zu tun haben, über ihren Eindruck und ihr Gefühl zu erkundigen, genau so, wie ich mich bei den Aufsichtsorganen meines eigenen Hauses selbstverständlich immer über ihren Eindruck des derzeitigen Zustandes der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten informiere.

Ich sage das in dieser Klarheit, damit dann nicht wieder neue Geheimsitzungen existieren oder auftauchen. Ich habe mich selbstverständlich auch ... (Bundesrat Konecny: Wir haben ja keine einberufen!)   – Ich auch nicht. Ich habe bis heute noch nicht einmal ein Protokoll – das sage ich Ihnen auch dazu –, sondern ein Abgeordneter Ihrer Fraktion des österreichischen Nationalrates hat mir das ihm in der 104. Sitzung übermittelte Protokoll in den Couloirs des Parlaments zum Lesen gegeben.

Es wies allerdings einen entscheidenden Unterschied zu dem Faksimile auf, das Sie heute hier in Ihrer Anfrage vorlegen: Es hatte nämlich oben noch eine Zeile mit einer Faxnummer von der Stelle, von der aus es offensichtlich übermittelt worden war, wenn ich mich richtig daran erinnere. – Das möchte ich der Vollständigkeit halber auch noch hinzufügen.

Ich sage auch in aller Klarheit, weil Sie mich gefragt haben, ob ich rechtliche Schritte unternehme: Wenn mir jemals jemand namentlich bekannt wird, der dieses Protokoll oder angebliche Protokoll – über den Wahrheitsgehalt habe ich mich schon mehrfach eindeutig und klar geäußert – verfasst hat, werde ich mich selbstverständlich mit allen Individualrechten – ganz egal, welcher Fraktion des Nationalrates oder welcher sonstigen Gruppierung der Betreffende angehört – zur Wehr zu setzen wissen.

Ich sage aber auch sehr deutlich, dass ich selbstverständlich privat einen Rechtsvertreter beauftragt habe, die entsprechenden Presseartikel dahin gehend zu bewerten, ob sich im Lichte dieses "getürkten" Dokumentes Klagefähigkeiten ergeben oder nicht, und wenn die entsprechenden Bewertungen vorliegen, habe ich nach dem österreichischen Presserecht und nach Einhaltung der entsprechenden Fristen das Recht, meinem subjektiven Rechtsempfinden Nachdruck zu verleihen.

Ich betone das, denn ich denke nicht daran, mich einerseits für Dinge in die Öffentlichkeit zerren zu lassen, die ich im Rahmen meiner gesetzlichen Verpflichtung, also im Rahmen des ASVG wahrgenommen habe, und auf der anderen Seite Interpretationen unterstellt zu bekommen, die mit der tatsächlichen Sachlage aus meiner Sicht nichts zu tun haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nein dazu, dass Sie auch der Firma Jenewein einiges übermittelt haben ... (Bundesrat Konecny: Moment! Kommen Sie noch auf unsere Fragen zurück oder haben Sie den Herrn Wetscherek absichtlich ...?) – Nein! Ich bin noch immer beim sonstigen Teil! Ich werde dann selbstverständlich die Fragen der Reihe nach beantworten. Nur Geduld! Wenn ich richtig informiert bin, habe ich genügend Zeit (Bundesrat Konecny: Sie haben jede Menge Zeit! So lange, bis Sie sich in einen Wirbel hineingeredet haben!), endlich meinen Standpunkt darzulegen, dass er auch nachvollziehbar wird und nicht mehr geeignet ist, in der Öffentlichkeit anders dargestellt zu werden, als er tatsächlich ist.

Ich habe hier von meinen Mitarbeitern etwas von Karl Haas, Vorsitzender des Überleitungsausschusses, bekommen. Darin heißt es: An den Überleitungsausschuss vom 27. Mai 2002 zum Tagesordnungspunkt 12: Überantwortete Bestellung des Leitenden Angestellten und des Leitenden Angestelltenarztes der Pensionsversicherungsanstalt sowie der Ständigen Stellvertreter. Abschlussbericht. – Ich nehme an, dass Sie diesen Abschlussbericht zur Kenntnis bekommen haben. Ansonsten ist das aber sicherlich auch für Sie nachvollziehbar.

Es heißt weiter: Die Ausschreibung erfolgte termingerecht, 3. April bis 5. Mai 2002, in mehreren Zeitungen und im Internet der Sozialversicherung. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist haben zwei Sitzungen des Bewerbungskomitees stattgefunden. Beigezogen war das Personalberatungsunternehmen Jenewein&Partner. Insgesamt haben sich für den Leitenden Angestellten-Stellvertreter 31 Personen und für den Leitenden Arzt-Stellvertreter 21 Personen beworben. Für den Leitenden Angestellten-Stellvertreter sind 31 Bewerbungen, fünf aus der PV der Arbeiter, zwei aus der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und 24 Externe, eingegangen. Für den Leitenden Arzt-Stellvertreter gab es 21 Bewerbungen: sechs Bewerbungen aus der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, sechs aus der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, eine vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, eine von der Gewerblichen Wirtschaft und sieben Externe.


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Nach dem Studium der Unterlagen wurden jene Personen, die den formalen Anforderungen der Ausschreibung zu entsprechen schienen, zu einem Gespräch mit Herrn Dr. Jenewein eingeladen – acht Bewerber für den Leitenden Angestellten-Stellvertreter und 13 für die Ärzte; allen anderen Bewerbern wurde abgesagt.

Resümee der Gespräche ist eine Kandidatenliste von zwei Kandidaten für den Leitenden Angestellten und vier Kandidaten für den Ständigen Stellvertreter des Leitenden Angestellten, wobei eine Bewerbung nicht aus den beiden Häusern kommt. Für den Leitenden Arzt wurden drei – zwei interne, eine externe Bewerbung – und für den Ständigen Stellvertreter des Leitenden Arztes vier Kandidaten – zwei interne, zwei externe Bewerbungen – vorgeschlagen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass keine Reihung der Kandidaten erfolgte, da eine solche Reihung ausschließlich von unserer Strategie-Entscheidung abhängig ist. – So weit der Vorsitzende des Überleitungsausschusses, Haas.

Das genaue Wortprotokoll dieser Sitzung – das habe ich schon gesagt – ist mir bis heute noch nicht zugegangen, aber ich bin gerne bereit, mich dann, wenn mir auch das Protokoll zugeht, zu den weiteren Stellungnahmen in der Anfrage zu äußern.

Was will ich mit dem Verlesen dieser Seite sagen? – Erstens: Ich glaube, das Beratungsbüro Jenewein hat zumindest in der Privatwirtschaft, wie Sie es auch richtigerweise gesagt haben, einen guten Ruf.

Zweitens: Die Kandidatenlisten-Erstellung hat nicht das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (Bundesrat Konecny: Habe ich nicht behauptet!), sondern haben die vom Überleitungsausschuss bestellten Neun gemacht. Die Wahl wurde durch die stimmberechtigten Mitglieder durchgeführt.

Von meinen Beamten, die während der Sitzung als Vertreter des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen die Kontrolle durchgeführt haben, habe ich gehört, dass die Wahlen geheim erfolgt sind. Wie Sie daher in der Präambel die Stimmen der einen oder anderen Fraktion zuordnen können, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe weder ein Detektivbüro beauftragt noch habe ich vor, irgendwas in dieser Richtung in Gang zu setzen, um festzustellen, wer die Stimme pro und wer die Stimme kontra für den einen oder anderen Kandidaten abgegeben hat oder wessen Stimme ungültig war. Das Einzige, das nachvollziehbar ist, ist der Kandidat, der nicht an der Abstimmung teilgenommen hat. Alle anderen Untersuchungen halte ich einer Demokratie für unwürdig und daher für müßig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich habe aber, wenn ich Ihre Rede richtig verstanden habe, auch den Eindruck gewonnen – im Unterschied zu dem, was ich aus der Präambel zur Anfrage herausgelesen habe –, dass Sie offensichtlich die gleiche Einstellung auch zur Bewertung von Stimmen, die geheim abgegeben worden sind, haben. Ich glaube daher, dass es für die Bewertung auch müßig ist.

Ich darf darauf hinweisen, dass auch bei den Leitenden Ärzten unterschiedliche Abstimmungen erfolgt sind und dass der nunmehr gewählte Leitende Arzt, der in Ihrer Anfrage unter den Versorgungspositionen zu sehen ist, eine klare Stellung hat. Er wurde durch die Wahl zum Stellvertretenden Leitenden Arzt, und daher meine ich, dass sich diese Anfragebeantwortung in diesem Punkt zumindest für den gewählten und ernannten Stellvertretenden Arzt der PVA eigentlich erübrigt hätte – ohne hier Kritik an der Anfrage selbst zu üben.

Ich darf nunmehr in die Anfragebeantwortung eingehen.

Die Fragen 1, 2, 3, 4 und 5 habe ich, so glaube ich, in der Präambel ... (Bundesrat Konecny: Nein, 4 nicht, da habe ich Ihnen zwischengerufen!) – Ach so, Kollege Wetscherek! (Bundesrat Konecny: Ja!) Selbstverständlich!

Sehen Sie sich die entsprechende Aussage in den "Salzburger Nachrichten" genau an: Er hat, wenn ich das noch richtig im Kopf habe bei dem vielem Hin und Her, gemeint, dass er nicht wisse, wer wann und zu welchem Zeitpunkt teilgenommen hat. (Bundesrat Konecny: Ich habe es


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im Kopf!) – Wer und wann zu welchem Zeitpunkt teilgenommen hat! Er hat allerdings ausgesagt, dass er mich an diesem Tag getroffen hat (Bundesrat Konecny: Nein, hat er nicht gesagt!)  – ein Umstand, den ich auch nie anders gesehen habe. (Bundesrat Konecny: Wetscherek hat gesagt, Sie waren dort! Er hat nicht gesagt, er hat Sie gesehen!) Ich habe tatsächlich Herrn Kollegen Wetscherek und andere, die in diesem Protokoll vorkommen, am Abend dieses Tages, wie ich in meiner Einleitung ausgeführt habe, in den Klubräumlichkeiten getroffen. Hier sehe ich keinen Widerspruch!

Bezüglich Klagslegitimation und der entsprechenden Klageschritte habe ich Ihnen, so glaube ich, klar Auskunft gegeben.

Zur Frage 6: "Welche Schritte haben Sie als Aufsichtsorgan unternommen, um den Wahrheitsgehalt in der Causa festzustellen?"

Ich habe Ihnen mitgeteilt, dass ich für zwei strittige Fragen Rechtsgelehrte eingesetzt habe, um Begutachtungen durchführen zu lassen. Ein Gutachten ist eingetroffen ... (Bundesrat Konecny: Die Frage ist: Haben Sie festgestellt, ob diese Sitzung stattgefunden hat, auch wenn Sie angeblich nicht dort waren?)

Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Nachdem ich den Wahrheitsgehalt des Protokolls aus eigener Sicht kenne, habe ich es als müßig erachtet, weitere Forschungen diesbezüglich anzustellen. (Bundesrat Konecny: Müßig, das ist gut! Ja, ja, sehr müßig!)

Ich hoffe, damit auch die Frage 8 für Sie nachvollziehbar beantwortet zu haben. Wenn ich nämlich auf Kosten des Steuerzahlers alles untersuchen würde, was in den österreichischen Medien behauptet wird und von dem ich selbst weiß, dass es nicht so stattgefunden hat, würde ich, so glaube ich, Steuergeld verschwenden und nicht sparsam verwenden.

Zur Frage 9:

Ich hoffe, Sie haben es nachvollziehen können: Es hat keine Reihung der Bewerber gegeben, es wurden Wahlvorschläge für einzelne Positionen gemacht. Ich darf Sie nochmals auf das von mir verlesene Protokoll des Obmannes Haas verweisen.

Zur Frage 10: "Wie lauten die qualifikatorischen Begründungen für die ersten drei Kandidaten für den Generaldirektorsposten und seinen Stellvertreter?"

Ich darf Sie nochmals an das Protokoll von Obmann Haas verweisen: Die Firma Jenewein hat lediglich die Namen von möglichen Kandidaten bekannt gegeben und keine Qualifikationsreihenfolge im Sinne von erstgereiht, zweitgereiht oder drittgereiht erstellt. (Bundesrat Konecny: Das ist auch nicht die Frage!)

Ich sehe die Frage so, und ich beantworte sie so, wie ich sie sehe. Wenn Sie sie anders sehen, Herr Kollege, werden Sie sicherlich nachfragen. (Bundesrat Konecny: Ich werde es Ihnen sagen, keine Sorge!)

Zur Frage 11: "Wie beurteilen Sie als Aufsichtsbehörde die Qualifikation von Abg. Gaugg im Hinblick auf die in der erfolgten Ausschreibung zitierten Qualifikationserfordernisse?"

Der Überleitungsausschuss hat die Qualifikation des Abgeordneten Gaugg offensichtlich bejaht. Ich werde mich mit der Angelegenheit befassen, wenn entsprechende Anträge zur Zustimmung vorgelegt werden.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass ich bis heute das Protokoll nicht bekommen habe. Ich darf Sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass mir von meinem Aufsichtsorgan mitgeteilt worden ist, dass es eine Sitzungsunterbrechung gegeben hat, dass vor der Sitzungsunterbrechung die Wahl von Seiten der Fraktion der sozialdemokratischen Vertretungen in Zweifel gezogen worden ist, aber nach der Sitzungsunterbrechung diese Zweifel wieder zurückgenommen worden sind.


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Im Übrigen ist auch die Wahl des Stellvertretenden Arztes von meiner Fraktion zunächst in Zweifel gestellt worden; auch das ist nach der Sitzungsunterbrechung zurückgezogen worden.

Beide Vorgänge sind mir bis dato durch Telefonate mit meinem Aufsichtsorgan und nicht durch Protokolle bekannt geworden, um das zu präzisieren.

Zur Frage 12: " Welche Verwendung wird für die nicht zum Zug gekommenen, derzeit amtierenden Generaldirektoren und Generaldirektoren-Stellvertreter (Ferdinand Ehrenstein, Dr. Margarete Krösswang und Robert Freitag) in der neuen Pensionsversicherungsanstalt gefunden werden?"

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Entscheidung darüber trifft der Überleitungsausschuss. Das Gesetz dazu ist eindeutig, einschließlich der Aufteilungen für diesen Bereich. Meines Wissens hat man im Überleitungsausschuss eine Aufteilung in sechs große Amtsbereiche vorgenommen. Ich bin aber vorsichtig damit, zu sagen, dass das, was derzeit in Vorbereitung ist, dann auch die Mehrheit des Überleitungsausschusses findet. Auf jeden Fall ist es Angelegenheit des Überleitungsausschusses, und dieser wird das sicherlich entsprechend vorbereiten.

Zur Frage 13: "Entspricht es den Tatsachen, dass laut Dienstordnung es zu keiner bezugs- und verwendungsrechtlichen Verschlechterung für diese Personen kommen darf?"

Ja! – Ich halte das im Übrigen – das sage ich auch klar dazu – für eine tatsächliche Privilegierung, weil in vielen Bereichen der Wirtschaft solche Positionen zeitlich befristet ausgeschrieben werden und dann nach Erfolg oder Nichterfolg weiterbestellt werden können. Sicherlich aber ist ein Nicht-Herunterfallen von einer einmal innegehabten Position in der freien Wirtschaft in den meisten Unternehmungen nicht denkbar.

Zur Frage 14: "Wie lässt es sich mit den Sparzielen der Bundesregierung vereinbaren, dass es bezugsrechtlich drei Generaldirektor-Stellvertreter geben wird?"

Ich darf hinzufügen: In der neuen Pensionsversicherungsanstalt wird es zwei Positionen geben. Es wird den Generaldirektor und den Generaldirektor-Stellvertreter geben. Die drei genannten Personen, die in der Besoldungsstufe der Generaldirektor-Stellvertreter sind, werden, wenn die Dienstordnung von den Sozialpartnern nicht einvernehmlich geändert wird, das bekommen, was ihnen laut Dienstordnung zusteht. Ich gehe davon aus, dass die Pensionsversicherungsanstalt auch ein seinen Dienstnehmern gegenüber verpflichteter Dienstgeber bleibt und dass diese besoldungsrechtlich so behandelt werden, wie es die Dienstordnung vorsieht.

Ich nehme nicht an, dass eine Dienstordnungsänderung in diesem Bereich erfolgt, wiewohl ich darauf hinweisen darf, dass ich großes Interesse daran hätte, dass die gesamte Dienstordnung adaptiert und neu geregelt wird. Das ist aber leider nicht Angelegenheit des Sozialministeriums und des Gesetzgebers, sondern der Vertretungen der Pensionsversicherungsanstalt und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Zur Frage 15: " Welchen Akt gibt es hinsichtlich der erfolgten Bestellungen in Ihrem Ministerium?"

Derzeit gibt es noch keinen, weil auch die entsprechenden Protokolle und Anträge noch nicht eingetroffen sind. Damit erübrigt sich, glaube ich, auch die Beantwortung der Frage 16.

Zur Frage 17: " Wann haben Sie gemäß der gesetzlichen Bestimmungen Ihre Zustimmung zu den Bestellungen erteilt?"

Ich persönlich habe das noch gar nicht, da mir die Anträge nicht vorliegen. Aber man kann nach der derzeitigen Rechtslehre auf Grund der Nicht-Beeinspruchung durch mein Aufsichtsorgan annehmen, dass, nachdem bei der Wahl selbst die anwesenden Fraktionen keine Einsprüche mehr aufrechterhalten haben, die Zustimmung meines Organs auch als Zustimmung unseres Hauses interpretiert werden kann.


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Zur Frage 18: "Werden Sie als Aufsichtsbehörde die Zweckmäßigkeit der Bestellungen überprüfen?"

Meine Aufgabe, Herr Kollege, ist es, die Rechtmäßigkeit der Bestellung zu überprüfen. Wenn ich vorhin die Rechnungshofberichte und die dortige Kritik angeführt habe, wissen Sie, dass ich in manchen Bereichen die Zweckmäßigkeit anders gesehen habe als die tatsächliche Bestellung. Mir steht es aber nur zu, die Gesetzmäßigkeit und nicht die Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Daher kann ich als Aufsichtsorgan nur in dem Fall tätig werden, in dem ich auch vom Gesetz her die Ermächtigung habe, nämlich im Gesetzmäßigkeitsbereich und nicht im Zweckmäßigkeitsbereich.

Ich sage auch sehr klar Folgendes, wenn Sie mich persönlich als Minister nach der Zweckmäßigkeit fragen: Ich bin absolut der Meinung, dass es sinnvoller gewesen wäre, innerhalb der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten das, was man in der Wirtschaft als Zusammenführungsmanagement bezeichnet, einzusetzen, mit diesem auf Zeit die Aufgaben zu erledigen und dann den neuen Organen der Selbstverwaltung die Neugestaltung der Pensionsversicherungsanstalt zu überantworten. Ich sage aber auch sehr deutlich, dass diese meine persönliche Auffassung innerhalb der Sozialpartner leider nicht mehrheitsfähig war.

Zur Frage 19: "Wie lautet der Auftrag an den Personalberater Jenewein in dieser Angelegenheit im Detail?"

Ich bin gerne bereit, dies bei der Pensionsversicherungsanstalt zu hinterfragen, und wenn mir die Antwort zugeht, diese allen Fraktionen des Bundesrates zur Verfügung zu stellen.

Zur Frage 20: "Wurde diese Leistung ausgeschrieben? Wenn nein, warum nicht?"

Nein. Es wurde auf Anregung beschlossen, eine Personalvertretungsfirma mit einzubeziehen. Den konkreten Auftrag hat das Präsidium der Pensionsversicherungsanstalt beschlossen. Eine Ausschreibung war nicht erforderlich, da es sich um einen Dienstleistungsauftrag handelt. Die ausschreibenden Personen, den Personenkreis habe ich Ihnen in der Präambel klar und deutlich, so wie in der 104. Sitzung des Nationalrates, genannt und umschrieben.

Zur Frage 21: "Welche Leistungen hat der Personalberater Jenewein in dieser Angelegenheit erbracht?"

Er hat geeignete Kandidaten ohne Reihung für die ausgeschriebenen Positionen überprüft und ausgewählt.

Zur Frage 22: "Wer war der Auftraggeber?"

Der Auftraggeber war der Überleitungsausschuss.

Zur Frage 23: "Welche Kosten sind für die Inanspruchnahme des Personalberaters Jenewein für wen entstanden?"

Nach meinem derzeitigen Informationsstand handelt es sich um 50 000 € zu Lasten der Pensionsversicherungsanstalt, aber ich werde Ihnen, falls sich mein Wissensstand nach Durchsicht der noch zu übermittelnden Dokumente diesbezüglich ändern sollte, das gerne mitteilen.

Zur Frage 24: "Welche Vorerfahrungen hat der Personalberater Jenewein im Bereich der Sozialversicherung?"

Jenewein ist, wie Sie auch in Ihren Stellungnahmen durchaus zugeben, zweifelsfrei ein renommiertes Personalberatungsunternehmen und hat auch Erfahrungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Ich nehme an, dass dieses gute Renommee, das das Institut Jenewein hat, den Überleitungsausschuss dazu bewogen hat, dieses Institut zu beauftragen.

Zur Frage 25: " Haben der Generaldirektor und sein Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt Anspruch auf einen Dienstwagen?"


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Ich darf Ihnen dazu mitteilen, sie haben keinen Anspruch darauf, aber die Dienstwägen sind zu ihrer jeweiligen Verfügbarkeit. Über die Unterschiede in der Philosophie der Verfügbarkeit zwischen beiden Häusern habe ich Sie schon informiert.

Zur Frage 26: "Welche Aufgabe hat der Generaldirektor-Stellvertreter konkret?"

Derzeit ist die Geschäftsordnung für die Pensionsversicherungsanstalt in Ausarbeitung. Die derzeitigen Generaldirektoren-Stellvertreter haben konkrete Aufgabenbereiche, die im jeweiligen Organigramm der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dargelegt sind.

Was den Bereich Angestellte angeht, so habe ich das schon skizziert. Der Stellvertreter hat die Hausverwaltung, die Rehabilitation, die entsprechende Liegenschaft in Aflenz und viele andere Bereiche zu betreuen, der Generaldirektor den juristischen Bereich, den Bereich der Landesstellen, den Bereich der Leistungserbringung, den EDV-Bereich und so weiter. Dazu kommt dann noch – frei schwebend in der Hierarchie – der Ombudsmann der Pensionsversicherungsanstalt.

Eine ähnliche Aufteilung ist auch in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter nachvollziehbar.

Für die neue Anstalt und für die neu ausgeschriebenen Funktionen gibt es derzeit noch kein gültiges Organigramm; es ist, wie ich bereits gesagt habe, in Ausarbeitung. Eine entsprechende Stellungnahme zu den Aufgaben kann daher erst dann gegeben werden, wenn die befugten Gremien auch die inneren Dienstobliegenheiten für die Zukunft klar dargelegt haben.

Es liegt mir allerdings, wie ich schon skizziert habe, ein Plan vor, sechs große Abteilungen zu schaffen, die dann von den jeweiligen Personen ihren Verfügungsbereichen zugeordnet werden.

Zur Frage 28: " Ist der Abgeordnete Gaugg Sprecher des Vorstandes, da er sich in der Öffentlichkeit über interne Vorgänge in der Pensionsversicherungsanstalt äußerte?"

Kollege Gaugg ist Bediensteter der Sozialversicherungsträger, aber er ist auf der anderen Seite auch nach wie vor Abgeordneter zum Nationalrat und Sozialsprecher. Daher ist es immer schwer zuzuordnen, ob jemand in seiner Funktion als Sozialsprecher eine Aussage tätigt oder in seiner Funktion als Angestellter einer Anstalt. (Bundesrat Konecny: Der Kollege Gaugg ist überhaupt schwer zuzuordnen!)

Herr Kollege! Die mir nachvollziehbaren Äußerungen des Kollegen Gaugg, die mir bis dato persönlich zur Kenntnis gekommen sind (Bundesrat Konecny: Für Sie sind sie nachvollziehbar? Das wundert mich!)  – für mich nachvollziehbaren, habe ich ausdrücklich gesagt! –, sind zumindest in den Berichten des Rechnungshofes und in sehr vielen Diskussionen im österreichischen Nationalrat auch schon zu früheren Zeiten so oder ähnlich gefallen. Auch ich bin vom Kollegen Gaugg in ähnlicher Form schon mehrfach kritisiert worden, ohne gleich beleidigt zu sein.

Zur Frage 29: "Ist Ihnen als Aufsichtsorgan bekannt, in welchen Angelegenheiten der Abg. Gaugg heftige Kritik an seinem Generaldirektor Wetscherek äußerte?"

Ich habe so wie Sie die Kritik aus den Medien beziehungsweise heute Ihren Ausführungen hier entnommen. Von Seiten des Kollegen Wetscherek und von Seiten des Kollegen Gaugg sind mir solche Äußerungen nicht bekannt.

Über manche Dinge, die in den österreichischen Medien stehen – verzeihen Sie mir! –, habe ich meine eigenen Ansichten.

Zur Frage 30: "Welche Privilegien sind Ihnen in der Pensionsversicherungsanstalt bzw. in den bisherigen Pensionsversicherungsanstalten bekannt?"


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Ich glaube, das habe ich in der Präambel bereits ausreichend beantwortet, in jenen Details, die mir als Privilegien erscheinen, bis hin zur Unkündbarkeit und zum Weiterführen der Verträge in der gleichen Dienststufe auch dann, wenn man lege artis einen Nachfolger bekommen hat und auf Grund seines Dienstalters weiterhin im Hause bleibt.

Zur Frage 31: "Entspricht es der Wahrheit, dass – wie Abg. Gaugg behauptete – es in der Pensionsversicherungsanstalt acht Dienstfahrzeuge mit acht Schoffören gibt?"

Zu den Dienstfahrzeugen – zu den drei in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und jenen im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten – habe ich, glaube ich, schon ausführlich Stellung genommen. Ich darf noch hinzufügen, bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gibt es primär einen Wagen für den Chefärztlichen Dienst, einen Wagen für Generaldirektor Wetscherek und einen Wagen für Generaldirektor Freitag.

Alle Angestellten versteuern, wenn die Mitteilung von meinen Beamten richtig ist, im Übrigen die 500 € pro Monat ordnungsgemäß, so wie es das Gesetz vorschreibt. Das sage ich dazu, um hier eventuellen Fragen nach steuerlichen Privilegien in diesem Zusammenhang vorzubauen.

Zur Frage 32: "Wer hat einen Anspruch auf diese Dienstfahrzeuge?"

Primär steht niemandem ein persönlicher Dienstwagen zur Verfügung. Sie werden nach Maßgabe des Bedarfes für Dienstfahrten eingesetzt, aber das privilegierte Zugangsrecht zu einzelnen Fahrzeugen habe ich bereits ausführlich geschildert.

Zur Frage 33: "Wer sind die handelnden Personen in der Spitzenpolitik, die laut Gaugg einen Sündenfall in dieser Angelegenheit geleistet haben?"

Sehr geehrter Herr Professor! Sie werden mir als langjähriger Kenner dieses Hohen Hauses Recht geben, wenn ich Dinge, die nicht in den Verwaltungsbereich meines Hauses und daher nicht in meine Kompetenz fallen, hier auch nicht beantworte. (Bundesrat Konecny: ... könnte es auch sein!) Ich bin aber gerne bereit, zu diesen Fragen dann, wenn mir der Zeitpunkt richtig erscheint, eine höchstpersönliche Stellungnahme, getrennt von diesem Amte, für jene in den eigenen Reihen abzugeben, die es hören wollen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Reisenberger das Wort. – Bitte.

17.14

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war jetzt wirklich beeindruckend und profimäßig, die Zeit verstreichen zu lassen, viel zu erzählen, nett zu betonen und im Prinzip nichts zu sagen. Herr Minister! Sie beherrschen das hervorragend! Dazu unsere Gratulation! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier tatsächlich die Qualifikation von zwei Personen, die in Frage gestanden sind, von Gaugg und Freitag, als im Prinzip nahezu gleichwertig darstellen, dann bin ich froh, dass Sie nicht auch in anderen Bereichen über die Qualifikation von Personen urteilen müssen, denn allein der Werdegang dieser zwei Personen ist gänzlich unterschiedlich.

Ein Mann wie Freitag, der jahrelang in diesem Institut nicht nur gearbeitet hat, sondern an führender Stelle tätig gewesen ist und ein Kenner dieser Materie ist, unterscheidet sich sehr wohl von einem Herrn Gaugg, der, wie man seinem Lebenslauf entnehmen kann, immer wieder versucht hat, nicht nur auf die zwei Butterseiten zu fallen, die mein Kollege hier beschrieben


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hat, sondern auch auf eine dritte. Offensichtlich ging es bei ihm immer nur darum, mindestens drei Positionen zu haben, um damit auskommen zu können.

Das heißt, da ist weniger die Frage der Qualifikation im Vordergrund gestanden, sondern es ist offensichtlich tatsächlich um die Frage gegangen: Wie bringen wir den unter? Wie können wir ihn jetzt endlich einmal ruhigstellen? – In der Zwischenzeit fiel er ja auch da und dort in den eigenen Reihen durchaus unangenehm auf, indem er unangenehme Bemerkungen von sich gab.

Die Dienstprüfung ist nach drei Jahren nachzuholen. – Gut. Die Frage ist nur, ob man es macht oder nicht.

Eines verstehe ich überhaupt nicht, Herr Minister: Wenn alles so schlecht war, was wir gehabt haben, wenn wir alles neu machen wollen, warum legt man dann bei einer Neubestellung nicht als Qualifikation von Haus aus fest, dass diese Prüfung absolviert sein muss? – Das gilt für Freitag genauso wie für Gaugg oder sonst irgendwen. Nur: Wenn wir es schon haben wollen, warum machen wir es dann nicht? (Beifall bei der SPÖ.)

Da hat man schon vorher überlegt, aber natürlich hat man es lieber gelassen, denn man wusste ja, wem man diesen Posten geben wollte.

Einen Sondervertrag als eine durchaus legitime Sache zu bezeichnen, Herr Minister, ist legitim; das ist gar keine Frage. Es aber gleichzeitig als eine Art Privilegienabbau zu bezeichnen, ist für mich eine Chuzpe in Reinkultur! Ärger geht es nicht! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Dass man mit dem bescheidenen Betrag in der Höhe von 131 000 € nicht auskommen kann, wenn man ein Funktionär der FPÖ ist, die sich selbst eine Beschränkung gegeben hat, daraus kann ich nur einen Schluss ziehen: dass der Fonds, in dem das alles hineinkommt, zum Bersten voll ist oder solch eine Lücke hat, dass man ihn füllen muss. Das heißt, man will eine Parteikasse mit diesen Geldern füllen, um in der Öffentlichkeit als die Guten dazustehen. Das kann ich nicht als Privilegienabbau bezeichnen, ganz im Gegenteil! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann ich es mir nicht vorstellen! (Bundesrat Gasteiger: Die müssen dem Haider seine Reisen finanzieren!)

Universitätsprofessor Mayer sagt: Verfassungsrechtlich, dienstrechtlich ist alles okay, kein Thema. Dazu hätten wir wahrscheinlich nicht einmal einen Universitätsprofessor gebraucht. Als Menschen, die sich in der Politik bewegen und mit diesen Dingen seit Jahren immer wieder befasst sind, ist uns das durchaus klar.

Es gibt allerdings noch ein paar andere Aspekte. Das ist eine Frage der Moral, und es ist eine Frage, die uns natürlich nur am Rande interessieren wird und interessieren kann: Wie sieht das in der eigenen Partei aus? – Die Vorsitzende eurer Partei, die Frau Vizekanzlerin, meint – und wir kennen diesen Spruch –: Natürlich weiß Jörg, was das eine Woche vor dem Parteitag für mich bedeutet, und außerdem wollte er unbedingt, dass Gaugg diesen Job bekommt. Aber diesmal werde ich mir das nicht mehr gefallen lassen.

In kurzer Zeit wird sich auch die Frau Vorsitzende hier den Fragen stellen müssen. (Bundesrat Konecny: Vielleicht braucht sie noch einen Job!) Vielleicht braucht sie noch einen Job. Vielleicht wird man sich hier wiederum dem "einfachen Parteimitglied" aus Kärnten anvertrauen und sagen: Jörgerle, was sollen wir denn machen?, wir sind offensichtlich alleine hilflos. Aber als Kärntner hat man natürlich andere Verbindungen dazu, ich nehme an, auch andere Einstellungen, denn man sieht, dass es in der eigenen Partei durchaus unterschiedliche Meinungen darüber gibt, ob etwas vertretbar ist oder nicht.

Das heißt also: Moral, Selbstverwaltung – wie auch immer man das bezeichnen will, worum es geht. Wir kommen wieder auf das zurück, was ich hier schon einmal sagen musste – nicht durfte, musste  – : Was Recht ist, wollen wir bestimmen. Nicht das, was Recht ist, muss Recht


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bleiben, sondern wir suchen uns aus, was Recht ist. Aufsichtsbehörde beauftragt Selbstverwaltung, sich anzuschauen, wie weit man mittels Weisungsrecht eingreifen kann.

Herr Minister! Ich stelle mit blankem Entsetzen fest, dass Sie nicht nur im Bereich der Sozialversicherung demokratische Rechte mit einem Handstrich weggewischt haben. Sie wissen genauso gut wie jeder, der hier sitzt, dass die Besetzung der Sozialversicherung von den Arbeiterkammerwahlen abhängig war.

Es ist halt ein Pech, dass es im Bereich der Arbeiterkammern Menschen gegeben hat, die genau gewusst haben, wer sie vertritt und dass das nicht die Freiheitlichen sind und im großen Bereich auch nicht die ÖVP ist, sondern dass das im ganz großen Bereich die Sozialdemokraten, die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Um die damit folgenden Bestellungen nicht akzeptieren zu müssen, hat man mit einem Handstreich das Ganze verändert, und Sie haben eine neue Auslegung gemacht. – Herr Minister! Das verstehe ich nicht. Das ist nicht zu verstehen. Man schafft sich ganz einfach Gesetze, so wie es einem gerade passt. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Wer weiß, wie es in zwei Jahren ausschauen würde, würde es nächstes Jahr nicht Wahlen geben. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen sehr wohl all das nicht vergessen und Ihnen die Rechnung dafür auch präsentieren werden.

Die Beantwortung der Fragen durch Sie, Herr Minister, war sehr kurz und sachlich, das hat gepasst. Auch hier habe ich ein paar interessante Feststellungen gehört.

Zur Frage 6: "Welche Schritte haben Sie als Aufsichtsorgan unternommen, um den Wahrheitsgehalt in dieser Causa festzustellen?" – Ein Gutachten über die Sitzung ist müßig. Da geht es eigentlich um die Glaubwürdigkeit, um die Ehrenhaftigkeit von Menschen, von Personen. – Das finden Sie müßig. Das sollten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht vergessen. Es ist eine müßige Geschichte, so etwas überhaupt zu verfolgen.

Dass es keine Reihung bei den Bewerbern gegeben hat und dafür ein doch relativ großer finanzieller Aufwand von einer Firma eingesetzt wurde, ist auch ganz interessant. Wenn die Firma Jenewein – nennen wir sie jetzt einmal so – drei Namen heraussucht und das der ganze Auftrag und die ganze Aufgabenstellung war, dann bin ich der Meinung, dass das eigentlich hinausgeschmissenes Geld war. Im Grunde genommen hat es, wie wir alle in der Zwischenzeit wissen – teilweise bestätigt, teilweise nicht bestätigt –, bei den so genannten Gesprächen – ich sage es im Klartext: bei der Geheimsitzung – ohnehin schon klare Absprachen gegeben, wer was in welcher Position wird. Somit muss ich eigentlich sagen: Schade um das Geld.

Wenn Sie auf die Frage: "Wann haben Sie gemäß der gesetzlichen Bestimmungen Ihre Zustimmung zu den Bestellungen erteilt?" geantwortet haben: Im Prinzip noch gar nicht, aber auf Grund dessen, dass unsere Parteien noch keinen Einspruch erhoben haben, ist anzunehmen und so weiter und so fort!, dann, muss ich sagen, hätten wir auch ganz einfach sagen können: Wir haben uns ohnehin zusammengesetzt, wir haben es uns ausgemacht! Warum sollten wir jetzt gegen etwas sein, was genau so gelaufen ist, wie wir es uns vorgestellt haben?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Sie berufen sich natürlich – und ich bin davon ausgegangen – auf § 460 ASVG, die Informationspflicht an den Minister. Den Überleitungsausschuss haben Sie auch erwähnt sowie Vorsitzenden Karl Haas. Es hat auch Berichte gegeben. Bei der Geheimsitzung, um die es geht, hat es allerdings keinen Vorsitzenden dieser Kommission gegeben, da war Karl Haas nicht anwesend. Daher – das sage ich hier ganz klar und deutlich – können Sie sich nicht darauf berufen, dass diese Sitzung eine war, die im Bereich des § 460 ASVG zu finden ist.

Ewald Wetscherek hat es klar und deutlich nicht nur einmal formuliert: Zumindest zeitweise war das Beisein des Herrn Bundesministers Haupt gegeben. (Bundesrat Konecny: Nicht nachher!) Nicht im Nachhinein, sondern während der Sitzung zeitweise! 104. Nationalratssitzung am 23. 5.: War nicht dabei, sagt der Herr Minister.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon die Frage zu stellen: Wer informiert uns in einer Art und Weise, die mit der Wahrheit nicht ganz auf du und du steht? – Nur so kann es sein, dass es solch unterschiedliche Aussagen gibt, die auch in einem Interview Ihr Schützling offensichtlich ganz anders sieht als Sie.

Lassen Sie mich hier ganz kurz aus einem "NEWS"-Interview zitieren:

"NEWS" fragt: "Haben Sie das Gefühl, dass Sie von Ihren Parteifreunden gelegt wurden?"

Gaugg: "Es war sicher von Einzelnen der Versuch da. Dass ein Aktenvermerk an die Öffentlichkeit gespielt wurde, war sicher nicht gut für mich." (Bundesrat Gasteiger: Oh je!)

Und dann weiter: "Dieser Aktenvermerk, der von NEWS erstmals veröffentlicht wurde, belegt, dass bereits im Vorfeld Ihrer Wahl alles zwischen Schwarz und Blau ausgepackelt wurde. Jörg Haider hat das als ,inakzeptablen Sündenfall’ bezeichnet."

Was hat Gaugg dazu gesagt und geantwortet? – "Wenn sie Profis gefragt hätten, wäre das nicht passiert. Aber das ist kein Sündenfall Gaugg, sondern ein Sündenfall der handelnden Personen in der Spitzenpolitik."

Herr Minister! Er spricht Sie an. Sie müssen ihn klagen, oder Sie stehen als Lügner da. Anders kann es nicht sein. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Es sagen alle nicht die Wahrheit!)

Die Vorbereitung für diesen politischen Deal – wollen wir ihn einmal so bezeichnen – war natürlich schon längere Zeit vorher klar und deutlich gegeben. Es gibt ein paar Anzeichen, die nur verstärken, dass da sehr genau und sehr langfristig schon vorher abgekartet wurde, wie die Sache laufen soll. Zum Beispiel wurde eine Mitarbeiterin des FPÖ-Klubs bereits gut zwei Wochen vor Amtsantritt des Herrn Kollegen Gaugg in der PVA beschäftigt, um bereits im Vorfeld vorarbeiten zu können, um sich dort auch entsprechend einnisten zu können. (Bundesrat Gasteiger: Das gibt es ja nicht! Das ist ungeheuerlich! Wahnsinn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Doppel- und Dreifachbezüge – man kann es nicht oft genug sagen – sind also für Herrn Gaugg eine Grundvoraussetzung, um überhaupt in seiner politischen Tätigkeit weitermachen zu wollen. Ich sage hier wollen und nicht können, denn darum kann es nicht gehen. Wenn man sich den Sondervertrag mit 200 000 €, was der Herr Minister als Privilegienabbau bezeichnet, anschaut, dann, muss ich sagen, ist das bitte mehr, als der Herr Bundespräsident verdient. (Bundesrätin Haunschmid: Das habt ihr 30 Jahre gemacht!) Das ist also kein Lapperl, man müsste sich damit durchaus ein paar Sparbücherl anlegen oder zumindest den Topf, von dem ich zuerst gesprochen habe, recht fleißig füllen können. Aber ich sehe nicht ein, warum auf Kosten der Allgemeinheit ein Parteitopf in dieser Art und Weise gefüllt werden soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Unterschied bei den Regierungsparteien sehe ich vor allem in der Abstimmung, als es darum ging, wer gewählt wird. Die ÖVP, natürlich in erster Linie vom ÖAAB, Fraktion Christliche Gewerkschafter, hat doch einen Funken von Anstand gezeigt. Ich gehe davon aus, denn Rechnen haben wir alle gelernt – und da braucht man nicht zu hinterfragen, wer wirklich wie abgestimmt hat –, dass es doch etliche waren, die gesagt haben: Nein, das bringe ich nicht zusammen, dass ich diese Person wähle und ihr auch noch meine Stimme gebe. Leider Gottes waren es nicht alle, aber einige haben noch Charakter. (Bundesrat Konecny: Einer zu wenig!) – Einer zu wenig. Nun ja, so ist es nun einmal.

Gaugg muss versorgt werden. Wir haben das schon längere Zeit mitbekommen, die Öffentlichkeit hat es mitbekommen, vor allem die eigene Partei, die Freiheitlichen haben es offensichtlich auch mitbekommen. Ihr tut mir ja Leid, es ist wirklich nicht einfach, wenn man so eine Person hat, die am besten im Buchstabieren ist und da ganz tolle Ideen hat, die halt sehr gestrig sind. (Bundesrat Dr. Nittmann: Besser als Edlinger! Für Edlinger würde ich mich genieren!) – Kollege Nittmann! Das ist ganz lustig, wir können hier lang diskutieren. Nur jemandem zu unterstellen, dass das bei Ihnen noch gefehlt hätte, so wie es Edlinger gemacht hat, und dann zu sagen, er


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hätte "Sieg Heil!" gesagt, nein, nicht bös’ sein, aber das ist ein Niveau, das sehr tief ist. Ich habe Sie höher eingeschätzt. (Zwischenruf von Bundesrätin Haunschmid. ) Sie nicht, Frau Kollegin, bei Ihnen passt es. Herr Nittmann! Bei Ihnen hätte ich es nicht geglaubt. (Beifall bei der SPÖ.)

Gaugg muss versorgt werden, darüber ist man sich einig. Zuerst wurde er als Sallmutter-Nachfolger in der Sozialversicherung angekündigt, am goldenen Tablett serviert. – Das hat nicht funktioniert. Dann würde er als Oberchristl-Nachfolger als Vizepräsident der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse gehandelt. – Die haben auch gesagt, offensichtlich auch die eigenen Leute: Nicht mit uns, so spielt es nicht!

Jetzt ist er Vizepräsident der Pensionsversicherungsanstalt. – Na ja. Berufliche Fähigkeiten: Bank für Kärnten und Steiermark. Herr Minister! Sie haben zuerst erzählt, welch tolle Sachen er offensichtlich geleistet hat, und man wollte sich von ihm nur trennen, weil er wahrscheinlich auf Grund seiner politischen Fähigkeiten und Einflüsse für die Bank gefährlich geworden wäre.

Offensichtlich hat es schon ein bisschen anders ausgesehen, ansonsten wäre nicht in allen Instanzen dieser Firma Recht gegeben worden. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. ) – Ich komme schon noch dazu!

Man muss dabei noch bedenken, welche "Persönlichkeit" – unter Anführungszeichen – dieser Herr Gaugg ist, der auf der einen Seite lauthals herausschreit: Nieder mit der Arbeiterkammer! Die brauchen wir nicht! Die wollen wir nicht!, der die Menschen auffordert, die Beiträge nicht zu bezahlen, aber auf der anderen Seite selbstverständlich hingeht und sagt: AK, du vertrittst mich! In zweiter Instanz musst du es, das steht so drinnen! Und ich lass mich von dir vertreten, ob es dir gefällt oder auch nicht! (Bundesrat Dr. Nittmann: Stimmt nicht!)

So ist dieser Herr Gaugg, ein toller Mann, mit dem man in der Partei natürlich eine Freude haben kann. Auch Sie können Ihre Freude damit haben, gar keine Frage.

Wir haben gehört – das ist heute auch bereits gesagt worden, und auch das sollte man noch einmal wiederholen –: der frühere Generaldirektor der Bank für Kärnten und Steiermark Maximilian Meran – zwei Seiten vom Butterbrot beschmieren. Du hast es auch bereits gesagt: Er sucht die dritte Seite. Ich glaube, er hat die dritte Seite bereits gesucht und gefunden. Er versucht jetzt, rundherum zu schmieren. Es ist dabei nur eines: dass er alle seine Parteifreunde rund um sich offensichtlich auch fest mit anschmiert. Das sieht die Öffentlichkeit auch. Dabei viel Erfolg und viel Glück! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte auch nicht verschwiegen werden: Um Einfluss oder zumindest Information zu bekommen, verabsäumt es dieser Herr Abgeordnete Gaugg seit 15. 3. 1999 nicht, eine so genannte Anstellung – Kollegen bei der Arbeiterkammer Kärnten meinen, dass es ein Scheinarbeitsverhältnis ist – bei einer ABC-Werbeagentur zu haben. Der Grund dafür ist, dass er im Vorstand der Arbeiterkammer Kärnten tätig sein kann. – Das ist auch eine Charaktersache! Herzlichen Glückwunsch dazu!

Postenschacher, Geheimabsprachen, Erinnerungslücken: Herr Minister! Ein Amtskollege von Ihnen hat heute Vormittag einen schönen Spruch gesagt: "Ein kleiner Schritt zurück kann manchmal einen großen Schritt nach vorne bedeuten." – Herr Bundesminister! Machen Sie den kleinen Schritt: Treten Sie zurück! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

17.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Herbert Haupt das Wort. – Bitte.

17.33

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Kollege! Sie haben gemeint, dass das Rechtsgutachten des Herrn Dr. Mayer überflüssig wäre, weil ohnehin jeder in der Politik über die Rahmenbedingungen Bescheid wisse. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, dass sich das Rechtsgutachten


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des Herrn Dr. Mayer selbstverständlich auch mit der Dienstordnung und den dortigen Verfügungen befasst.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass sich Dr. Mayer auch klar über die Dienstordnung und die dortigen Besoldungsmöglichkeiten ausgedrückt hat. Offensichtlich im Unterschied zu Ihnen oder anderen, die hier die Diskussion führen, steht dort klar, dass bei Doppelfunktionen 25 Prozent des Bezuges abzurechnen sind und auf Wunsch des Arbeitsnehmers bis zu 100 Prozent nachgesehen werden können. Ich kann genauso wenig wie Sie heute beurteilen, welche Lösung die Pensionsversicherungsanstalt und Kollege Gaugg treffen werden.

Ich sage das in der Klarheit und in diesem Umfang, denn ich halte es auch für legitim und sinnvoll, wenn man von der Dienstordnung her weiß, dass zumindest 25 Prozent abgezogen werden. Sie haben so wie manche von Ihrer Fraktion unseren Fonds, den wir freiwillig mit Beträgen, die über den entsprechenden Einkommensgrenzen liegen, speisen, hier wieder ins Treffen geführt. Ich kann Ihnen sagen – und ich glaube, die Zahl lässt sich durchaus sehen –, dass wir im letzten Jahr 1,6 Millionen Schilling aus diesem Fonds zur Auszahlung gebracht haben und dass wir uns dafür nicht genieren müssen, dass wir von unserem eigenen, uns legitim zustehenden Gehalt 1,6 Millionen Schilling für soziale Projekte aufwenden. (Bundesrat Gasteiger: Für den Haider seine Reisen oder für was?)

Ich möchte das ganz wertfrei in den Raum stellen und sage auch ganz wertfrei: Im Unterschied zu anderen Fonds, die in der Öffentlichkeit von anderen Ministern und Kanzlern und Vizekanzlern versprochen worden sind, gibt es bei unserem Fonds wenigstens Zahlen darüber, wie viel wir für Sozialprojekte zur Verfügung gestellt haben. Vom Klima-Fonds habe ich bis heute derzeitige Zahlen noch nicht gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Josef Saller. Ich erteile ihm das Wort.

17.35

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Man ist es in Österreich zumindest bis jetzt offensichtlich gewohnt gewesen, dass Spitzenpositionen in der Sozialversicherung mit sozialdemokratischen Gewerkschaftern besetzt werden. (Bundesrat Gasteiger: So ist es nicht!) Nun ist es anders geworden, und jetzt kommt der große Aufschrei der Sozialdemokraten. Es gibt in diesen Dingen einfach keine Erbpacht. Es ist sehr bedauerlich, dass das gelungene Superprojekt der Zusammenlegung der Versicherungsanstalten dadurch in den Hintergrund gerät – das muss man sagen –, weil offensichtlich die Personaldebatte jetzt das Wichtigste ist.

Es ist also festzuhalten: Die Regierung hat die Reformmöglichkeit erkannt und Einsparungsmöglichkeiten gesehen. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!) Es geht immerhin um das zweitgrößte Budget nach dem Bundesbudget. Es sind 6 000 Personen betroffen, weiters 2,5 Millionen Versicherte und 1,5 Millionen Pensionisten. Diese Reform war mit der SPÖ in der Vergangenheit einfach nicht möglich. Das muss man sagen und darstellen. (Bundesrat Gasteiger: Das wird schon seine Gründe gehabt haben!) Es kann nicht sein, dass jetzt diese Leistung durch diese Personaldebatte "zugedeckt" wird.

Festzuhalten ist auch noch, es gibt keine Änderung der Mehrheitsverhältnisse. (Bundesrat Gasteiger: Was dann?) In den Vorständen bleiben die Mehrheitsverhältnisse gleich. Es ist die demokratische Wahl des Vizepräsidenten erfolgt, und diese Wahl und Entscheidung hat der Überleitungsausschuss gemacht. Das ist bereits dargestellt worden. Die Bestellung ist ordnungsgemäß ausgeschrieben worden. Leider ist aber für viele eben nicht das gewünschte Ergebnis eingetreten. Daher kommt der Aufschrei.

Wenn die Vorgespräche als so rechtswidrig dargestellt werden, dann, muss ich sagen, stimmt das nicht: Vorgespräche zu verschiedensten Themen hat es immer gegeben, gibt es und wird es auch künftig geben. Sie sind notwendig und unabdingbar. Daher sollte man in dieser Angele


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genheit die Kirche im Dorf lassen und das Positive in der Gesamtreform sehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Würschl das Wort. – Bitte. (Bundesrat Dr. Nittmann: Werden wir sehen, ob es noch tiefer werden kann als bisher!)

17.38

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers doch eines richtig stellen: Wir haben diese dringliche Anfrage nach § 61 nicht eingebracht, um Herrn Gaugg in ein schiefes Licht zu bringen oder über ihn negativ zu diskutieren (Bundesrat Dr. Aspöck: Na eh nicht!), sondern wir wollen politische Sauereien der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir wollen das der Öffentlichkeit aufzeigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden dieses Thema so lange auf der Tagesordnung lassen, bis es sauber gelöst wird. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Für dich haben Sie auch einen Posten geschaffen! – Bundesrat Dr. Nittmann: Ein Satz – eine Lüge!) Es wird auch so sein – ich vermute, dass hier doch noch gewisse ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist unglaublich!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vermute, dass auch noch gewisse Dinge passieren werden, die etwas unangenehmer für gewisse Personen werden, denn ich glaube oder vermute, dass auch der Staatsanwalt in nächster Zeit aktiv werden wird müssen, weil bereits der Verdacht im Raum steht, dass gewisse geschäftliche Absprachen für die Zukunft getätigt worden sind. (Bundesrat Gasteiger: Oh!) Es wird sehr gut sein, wenn Herr Dr. Martin Graf, der selbst Rechtsanwalt ist, mit dem Staatsanwalt spricht, da er doch ein bisschen fachkundiger mit diesen Fragen umgehen kann. (Bundesrat Dr. Nittmann: Äußern Sie sich genauer! – Beifall bei der SPÖ .)

Geschätzte Damen und Herren! Wie ich eingangs bereits gesagt habe, steht nicht Herr Gaugg im Mittelpunkt der ganzen Geschichte, denn ich würde meinen, dass jeder von uns gewisse politische Vorstellungen hat, dass jeder von uns gewisse berufliche Vorstellungen hat und dass auch jeder gewisse Begehrlichkeiten hat. Herr Gaugg hat natürlich besondere Begehrlichkeiten, das ist uns allen bekannt.

Aber, liebe Damen und Herren, Herr Gaugg ist natürlich schon ein Sonderfall. Ein Punkt ist zum Beispiel nicht erwähnt worden, aber das soll den Typ des Herrn Gaugg auch kennzeichnen. Er war nämlich in Klagenfurt, keiner kleinen Stadt, der Landeshauptstadt Kärntens, Vizebürgermeister. Gleichzeitig hat er ein großes Referat innegehabt, nämlich das Stadtwerkereferat. Da ist Herr Gaugg dann auf die Idee gekommen, dass er auch gleichzeitig Bankangestellter sein will, und dabei hat er natürlich fürchterlich ins Gras gebissen, denn solch eine Unverfrorenheit kann selten jemandem einfallen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Wenn wir jetzt das Agieren des Herrn Gaugg in der Pensionsversicherungsanstalt betrachten, dann, muss ich sagen, ist dieses auch eigenartig. Er hat zuerst einmal das Büro nicht gefunden. Bevor er das Büro gefunden hat, hat er bereits seinen neuen Arbeitgeber beschimpft. Er hat zwar bis heute noch keinen Aufgabenbereich, wie der Herr Bundesminister sagt, hat aber gleichzeitig schon besondere Gehaltswünsche geäußert. Natürlich habe ich auch aus dem Umkreis des Herrn Gaugg gehört, dass er nicht daran denkt, gewisse Qualifikationen nachzuholen, wie etwa die B-Prüfung. Das dürfte doch ein wenig zu anstrengend sein. (Bundesrat Dr. Nittmann: Für jemanden wie Sie vielleicht!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich will jetzt, wie gesagt, die Causa Gaugg als abgeschlossen betrachten und auf das eigentliche Thema eingehen, also darauf, warum wir uns hingesetzt und diese dringliche Anfrage formuliert haben. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Herr Kollege! Du sitzt auf einem Posten, den es gar nicht geben dürfte!)


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Geschätzte Damen und Herren! Uns geht es darum, hier mit dieser dringlichen Anfrage erstens einmal die inhaltliche Sauerei aufzuzeigen (Bundesrat Dr. Nittmann: Aber nicht durch euch Sozialisten!), und zweitens geht es uns darum, das Sittenbild der ÖVP und der FPÖ der Öffentlichkeit eindeutig vor Augen zu führen. Hier in diesem Bereich sitzen die alten pragmatisierten Packler. Diese kennen wir. (Bundesrat Dr. Nittmann: Da stehen die Bonzen!) Da sitzen die alten Packler. Diese Partei hat bis heute in den letzten Jahren keine Wahl gewonnen (Bundesrat Ledolter: Eine Frechheit sondergleichen von jemandem, der selbst im Glashaus sitzt!): 27 Prozent österreichweit, in Kärnten eine Minderheitsfraktion von 17 Prozent – aber Sie sind ausgewachsene Postenschacherfiguren. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das sagst gerade du! – Beifall bei der SPÖ.)

Vor mir, sehr geehrte Damen und Herren, sitzen die so genannten Neunehmer, zwei Meter entfernt Frau Wintermann. Ohne besondere pädagogische Qualifikation packelt sie für sich selbst den Landesschulinspektor aus. Ein typisches Beispiel für diese neuen Nehmer! (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid.  – Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte einen Appell an die Regierungsparteien. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mieser Verleumder!) Ich bitte Sie dringend, betrachten Sie die Republik Österreich, betrachten Sie öffentliche Einrichtungen nicht als Selbstbedienungsladen! (Bundesrat Konecny: Herr Präsident! Ich mache darauf aufmerksam, es ist der Zwischenruf "Verleumder" gefallen! – Bundesrat Dr. Nittmann: Richtig, das ist er auch!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein weiterer Punkt, der mich persönlich tief betroffen macht, ist, dass es nämlich nicht ausreicht, die ganze Geschichte zwischen ÖVP und FPÖ auszupackeln, sondern man bedient sich auch eines so genannten Personalberatungsbüros, Jenewein, die etwas auf den Tisch legen sollen, was vorher ausgepackelt worden ist. Ich würde meinen, dass es eine ungeheuerliche Sauerei ist, wenn für eine Manipulation Steuergelder im Ausmaß von 50 000 € eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde auch meinen, dass die Berufsvertretung gut beraten wäre, bei diesem Personalberatungsbüro über einen Lizenzentzug nachzudenken. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Bieringer. )

Geschätzte Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Auf Grund dieser ungeheuerlichen Postenschacherei würde ich meinen, dass der Herr Bundesminister mehr als rücktrittsreif ist. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie sind auftrittsreif als Büttenredner!) Ich würde meinen, dass diese Postenbesetzung auf Grund gesetzeswidriger Vorgangsweisen gesetzeswidrig ist und damit nichtig wäre. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie muss der Neid weh tun!) Ich würde dringend den neuen Nehmern empfehlen, dass sie endlich darangehen, parteiintern – und sie haben eine gute Möglichkeit dafür am Parteitag am kommenden Wochenende – gewisse Dinge zu klären.

Ich lese zum Beispiel, dass das einfache Parteimitglied Dr. Haider von einem Sündenfall redet. (Bundesrätin Haunschmid: Ihre Postenschacherei die ganze Zeit!) Er redet von einem Sün-denfall! Herr Gaugg und Herr Haupt meinen, dass Herr Gaugg das Mandat behalten solle, also ein Abkassierer bleiben oder weiter sein soll. Ich würde meinen, dass es angebracht wäre, darüber nachzudenken, wie man eigentlich mit der Aussage des Herrn Westenthaler oder mit der von Frau Riess-Passer umgeht, die meinen, dass ein Mandat mit dieser Funktion unvereinbar sei.

Ich komme zur letzten Bemerkung. Geschätzte Damen und Herren! Ich persönlich habe bei dieser Causa zwei Sichtweisen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie haben nur eine!) Die eine Sichtweise wäre jene, die ich als Mandatar, Österreicher oder Steuerzahler habe, dass ich meine, dass es ungeheuerlich ist, dass man sich Posten auf diese Art und Weise zuschiebt. Auf der anderen Seite bin ich eigentlich sehr froh darüber und ich würde die beiden Parteien bitten, dass uns die Typen, die heute schon genannt wurden, weiterhin erhalten bleiben, denn ich bin Parteisekretär. Da sind wir sehr gut unterwegs, denn das ist der Stoff, mit dem wir Sozialdemokraten die kommenden Wahlen gewinnen werden. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46


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Ordnungsruf

Vizepräsident Jürgen Weiss: Für den Zwischenruf "mieser Verleumder", der für mich unzweideutig zu hören war, erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Nittmann einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bitte, Beifallskundgebungen zu unterlassen.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

17.47

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zur vorliegenden heutigen dringlichen Anfrage kann ich meine Ausführungen recht kurz halten, um die Quantität meiner Antwort der inhaltlichen Qualität der Anfrage anzupassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es nämlich irgendjemanden gibt, der nicht legitimiert ist, den Vorwurf des unglaublichen Postenschachers zu erheben, so ist es nachgerade die Sozialdemokratische Partei Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Nicht zuletzt den durch die dringliche Anfrage angesprochenen institutionellen Bereich, die Leitung der Sozialversicherungsanstalten, all dies hat die SPÖ seit jeher als ihre Domäne, um nicht zu sagen Erbpacht angesehen und in diesem Sinne rein personalpolitisch agiert. (Bundesrat Reisenberger: Legitim gewählt!) Erregt es Sie deshalb so sehr, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wenn sich einmal ein Mitglied der FPÖ um eine Leitungsfunktion in dem bisher von Ihnen so dominierten Einflussbereich bewirbt? Gilt denn für Freiheitliche ein diesbzügliches Berufsverbot?

Die allgemeinfachliche Qualifikation wird man Reinhart Gaugg ja wohl kaum absprechen können, ist er doch seit vielen Jahren mit Sozialpolitik generell und mit Fragen des Sozialrechts im Besonderen intensiv befasst. Wäre er kein Fachmann auf diesem Gebiet, hätte ihn meine Fraktion gewiss nicht zum Sozialsprecher gewählt. (Bundesrat Kraml: Bin ich mir nicht sicher!) Er war und ist noch Arbeiterkammerrat und war Zentralbetriebsrat der Bank für Kärnten und Steiermark. Wie wir schon gehört haben, dürfte sein engagiertes Eintreten für die Arbeitnehmer der Chefetage nicht genehm gewesen sein. Als Stadtrat und Vizebürgermeister in Klagenfurt hatte er eindeutig Managementfunktionen und somit Leitungserfahrung und konnte sein Amt, insbesondere auch die von ihm geleiteten Stadtwerke mit besten auch budgetären Ergebnissen übergeben.

Lassen Sie mich aber auch noch einige offene Worte zu Ihrem weiteren Vorwurf sagen, dass Reinhart Gaugg bisher auf sein Mandat als Nationalratsabgeordneter nicht verzichtet hat!

Zunächst ist klarzustellen – das war ja heute schon Thema –, dass zwischen der Funktion als stellvertretender Generaldirektor der neuen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeitnehmer und dem Abgeordnetenmandat eindeutig keinerlei rechtliche Unvereinbarkeit besteht. Das ist nicht nur meine persönliche Rechtsauffassung in Auslegung des Unvereinbarkeitsgesetzes, sondern wird auch durch das heute schon erwähnte Gutachten von Professor Heinz Mayer bestätigt. Professor Mayer ist ein renommierter Verfassungsrechtler, der nicht im Rufe steht, der Freiheitlichen Partei besonders nahe zu stehen, beziehungsweise hätte dieser einen so renommierten Ruf zu verlieren, als dass man ihm vielleicht ein Gefälligkeitsgutachten unterstellen könnte. Das steht also fest.

Nimmt Gaugg daher sein Recht als Angestellter wahr, zugleich politischer Mandatar zu bleiben, und lässt er sich nicht unter Entfall der Bezüge gänzlich vom Dienst freistellen, greift die Reduktion der Dienstbezüge um 25 Prozent ein! Eine davon klar zu unterscheidende, ganz andere Frage ist die nach der politischen Optik. Aber diese hat jeder Abgeordneter in seiner persönlichen Verantwortung selbst zu beurteilen. Hiezu vertritt die Freiheitliche Partei durchgängig die klare Auffassung, dass sie auf die Wahrnehmung eines vom Wähler erteilten Mandats als parlamentarischer Abgeordneter keinen wie immer gearteten Einfluss nimmt.


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Es ist bemerkenswert, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, das kritisieren, denn es beweist nur, dass Sie das in Ihrer Partei offensichtlich ganz anders halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das wurde ja jüngst auch im Fall Ihres Nationalratsabgeordneten Leikam überaus deutlich. Ein solches repressives Vorgehen entspricht aber nicht unserem Demokratieverständnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Deshalb erachte ich alles in allem, zusammenfassend die von Ihnen gestellte dringliche Anfrage in weiten Teilen als doppelbödig, müssten Sie doch die darin postulierten Maßstäbe an Ihr eigenes langjähriges Verhalten anlegen, das ebendiese von Ihnen propagierten Grundsätze klar und sträflich missachtet hat. Die Kritik daran, dass die FPÖ-Spitze keinen unzulässigen Druck auf Abgeordneten Gaugg ausübt, sein Mandat zurückzulegen, entlarvt das insofern eigenwillige Demokratieverständnis der SPÖ. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.

17.54

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Vorab kann man gleich einmal zur Kenntnis nehmen, dass sich die ÖVP – Herr Bundesratskollege Saller hat das zum Ausdruck gebracht – hier nicht sehr in die Seile geworfen hat, um den Koalitionspartner aus dieser Peinlichkeit, aus dieser Patsche oder aus dieser Affäre zu helfen. Das ist eine wohltuende Geste gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite: Es gibt immer solche Momente von Einbekenntnissen. Ich habe mir zwei Zwischenrufe aus den freiheitlichen Sitzreihen aufgeschrieben, die dann sicher auch im Protokoll nachlesbar sind. Der eine Zwischenruf – ich weiß jetzt nicht, bei welcher Rede, ob es während der Rede des Anfragebegründers oder jener des Kollegen Reisenberger war – lautete: Das ist ja nur die Beibehaltung der alten Spielregeln! – Na wenn das kein Einbekenntnis dieser alten Spielregeln ist, die die FPÖ jahrelang landauf, landab angeprangert hat! (Bundesrat Dr.  Aspöck: Wäre!) Und jetzt hört man den Satz: Das ist ja nur die Beibehaltung der alten Spielregeln! – Gut, so soll es sein. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das wäre die Beibehaltung der alten Spielregeln!)

Es hat aber noch einen interessanten Zwischenruf gegeben: Wer selbst Dreck am Stecken hat! – Soll nicht anderen Dreck anrühren, damit könnte man den Satz vervollständigen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!)

Nichtsdestotrotz zeigen diese Zwischenrufe etwas: Wir haben seit zwei Jahren einen Postenschacher, der sich durch alle Institutionen, die in irgendeiner Nähe zum öffentlichen Bereich stehen, vollzieht, von der ÖIAG über ÖBB, AUA und ORF bis jetzt zur PVA. Herr Kollege! Auf dem Speisezettel oder der Serviette der FPÖ stehen aber noch andere Namen – es gibt nämlich noch weitere Begehrlichkeiten –: Flughafen Wien, OMV und Post. All das können Sie nicht abstreiten. Dort wollen Sie überall parteinahe Leute hineinbringen, dort wollen Sie Leute draußen haben. Jetzt ist eben die PVA dran.

Der Herr Minister hat gesagt – ich glaube, zu Herrn Professor Konecny –: Es geht Ihnen ja gar nicht darum, ob die Bewerber gleich behandelt wurden, es geht Ihnen ja nur um Gaugg. Ich sage: Richtig, es geht um beides: Es geht darum, dass eine Reihe von Bewerbern – auf die gehe ich noch ein – ungleich behandelt wurde und es geht im Speziellen auch um den dann gefundenen Gaugg, denn er hat nicht auf Grund seiner Qualifikation, sondern auf Grund von Vorabsprachen, von Zusagen auf höchster Ebene eine sehr hohe und sehr wichtige Funktion bekommen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das eine schließt das andere ja nicht aus! – Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny.  – Bundesrat Dr. Nittmann: Auch wenn Professor Konecny lacht!)

Herr Minister! Auf Grund des Aktes müssten Sie als Sozialminister diese Wahl aufheben, denn diese Wahl kam auf Grund von Vorabsprachen zu Stande. Sie haben da enormen Handlungsbedarf! Aber das Problem ist – und Sie bekommen das jetzt nicht so einfach weg –, dass Sie selbst ein Teil dieser Absprache sind. Sie sagen, Sie waren nicht dort. Möglicherweise war einer


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Ihrer Vertreter dort. Vielleicht haben Sie jemand hingeschickt, der Ihr besonderes Vertrauen hat, sodass man dann in das Protokoll "Mag. Herbert Haupt, Bundesminister" geschrieben hat. Aber wenn dieses Papier gefälscht ist, dann müssen alle diese Personen zu einer Anzeige schreiten: Herr Minister Herbert Haupt, Herr Abgeordneter Martin Graf, Herr Nationalratsabgeordneter Max Hofmann, Herr Nationalratsabgeordneter Walter Tancsits, Herr Landtagspräsident Johann Römer, Herr Dr. Wetscherek, Kommerzialrätin Brigitte Engelhardt, Rudolf Habeler, Volker Knestel, Michel Jakob und Pressesprecher Gerald Groß.

Sie alle müssten sagen: Das ist ein Fake! Wir bringen eine Klage ein, gegen wen auch immer, gegen unbekannt, weil ein solches Fake zu Stande gekommen ist. Nur so kann man das klären. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist ja keine Klagslegitimation!) So lange das nicht passiert, solange ist Herr Minister Haupt Teil dieser Vorabsprachen. Ob vielleicht der Pressesprecher mit dem Herrn Minister als eins identifiziert wurde, all das kann ich nicht sagen, aber, Herr Minister, wenn diese vertrauliche Aktennotiz stimmt, dann frage ich mich: Wie wollen Sie Ihre Kontrollaufgabe, Ihre Kontrollpflicht, Ihre aufsichtsbehördliche Funktion in diesem Falle ausüben? – Das wird so nicht gehen. Oder belehren Sie uns eines Besseren, und heben Sie diese Wahl, die auf Grund von Vorabsprachen zu Stande gekommen ist, auf!

Herr Kollege Nittmann! Dass es diese Vorabsprachen gibt, belegt nicht nur das, was Sie als Fake bezeichnen, sondern wenn Westenthaler und Riess-Passer sagen: Ausgemacht war nach der Bestellung der Rücktritt, dann deutet das doch wieder darauf hin, dass es da vorher eine Absprache gab. (Bundesrat Dr. Nittmann: Nur unter der Bedingung, dass er es wird!) Und wenn Herr Gaugg sagt, er fühle sich von einigen FPlern gelegt, dann geht das in dieselbe Richtung.

Wir haben also hier eine ganze Reihe von Indizien, die das, was in diesem vertraulichen Papier steht, erhärten, nämlich dass es Absprachen gab.

Jetzt kommt der "Mister Scheinheilig" ins Spiel. Herr Haider sagt: Was hat man denn dem armen Gaugg angetan? Was hat man ihm angetan? Das ist ein inakzeptabler Sündenfall! – Ja gar nichts hat man ihm angetan! Wenn es ein Sündenfall war und er Manns genug ist und politische Größe hat, dann muss er doch sagen: Ich nehme so einen Posten nicht an, der vorher ausgepackelt worden ist! Ganz einfach wäre diese Sache zu lösen gewesen. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn es so gekommen wäre, hätte auch der "Mister Scheinheiligkeit" aus Kärnten vielleicht einmal etwas Positives erreicht.

Aber er kann nicht anders: Wenn schon einmal etwas ausgepackelt ist, dann muss man auch zugreifen, am besten zwei oder gleich drei Mal. Diese Bereitschaft, so eine große Bürde zu tragen, ist schon beeindruckend. Ich bin bereit, beide Ämter zu tragen, hat er gesagt. – Aber warum muss man denn gleich die Zahl der Vizedirektoren verdoppeln? Lässt die Bürde, die hier zu tragen ist, vielleicht Arbeit übrig, die dann andere übernehmen müssen? – Wenn der Kärntner Spitzenkandidat im Parlament wieder das schwere Packerl zu tragen hat, dann muss wahrscheinlich jemand anderer zugreifen.

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Wie Sie es drehen und wenden, diese Direktorenbestellung ist einfach eine Farce. Es haben sich 32 Kandidaten für den Posten des Generaldirektors beworben, 21 für die Stelle des Chefarztes. Durch diese Form der Vorabsprachen und dieses Ausmachen der Positionen auf höchster Ebene sind alle diese Leute geschädigt worden. Das sind immerhin ungefähr 50 Personen, die geglaubt haben, sie bewerben sich auf Grund ihrer Qualifikationen. Und damit man das Ganze behübscht, kosmetisch garniert und diese hässlichen Schmisse, die das Ganze hat, ein bisschen übertüncht, setzt man eine Personalberaterfirma ein, die – der Betrag ist, so glaube ich, noch gar nicht gefallen – 50 000 € für die ganze Aktion bekommen hat. (Präsidentin Pühringer übernimmt den Vorsitz.)

Dieser "Fisch" stinkt, meine Damen und Herren, und das riecht die Bevölkerung seit langem – und Sie verdeutlichen es durch die Posse, die Sie selbst seit Tagen in den Medien spielen.


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Meine Damen und Herren! Ich habe mir immer gedacht, dass die ÖVP bibelfester oder im Glauben sattelfester ist. (Bundesrat Bieringer: Das glaube ich schon!) Das habe ich auch immer geglaubt, Herr Kollege! (Bundesrat Bieringer: Da haben Sie richtig geglaubt!) Na ja, aber dass Sie Ostern zu einem Ganzjahresfest machen, so ist für mich neu: Sie praktizieren nämlich das ganze Jahr das Um- und Einfärben von neuen Posten. Eierfärben tut man ja eigentlich nur zu Ostern. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Aber vielleicht beweisen Sie dadurch Ihre Bibelfestigkeit, indem Sie darauf hinweisen wollen, dass das kein christlich legitimierter Brauch ist. Das könnte vielleicht sein. Dann ist es allerdings ein anderer Brauch, und Sie wissen, dieser Brauch heißt Postenschacherei.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss noch etwas, was ich beachtlich finde: Ich habe wie Sie alle die Aussagen des Herrn Gaugg in der neuesten Ausgabe des "NEWS" gelesen. Diese Wehleidigkeit, die aus diesen Zeilen trieft – das muss man ja direkt sagen –, ist schon beachtlich. Die ist beachtlich! (Bundesrat Dr. Nittmann: Weil es ungerecht ist!) Nein, Herr Kollege Nittmann, lassen Sie mich den Satz fertig sagen. Ich bin immer froh, wenn Sie Zwischenrufe machen, es ist immer eine sehr spannende Sache mit Ihnen. Aber lassen Sie mich jetzt nur sagen: Diese Wehleidigkeit von einem Mitglied einer Partei ist wirklich beachtlich – einer Partei, die gnadenlos Menschen, ob zu Recht oder zu Unrecht, in dem letzten Jahrzehnt in diesem Land verfolgt hat, öffentlich hingestellt hat. Und da sagt dann Herr Gaugg von ebendieser Partei: Meine Schmerzgrenze ist angesichts des medialen Trommelfeuers und unfairer Attacken erreicht!

Was glauben Sie, wie das Personen getroffen hat, die nicht die Öffentlichkeit eines Herrn Gaugg gehabt haben, wenn zum Beispiel ein Schuldirektor als Säufer hingestellt wurde, der keine Möglichkeit hatte, das medial zu korrigieren, wo Sie Jahr für Jahr ...? (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso nicht? Dem steht auch das Medienrecht zu?) – Das Medienrecht, aber nicht die große politische Bühne! Lieber Herr Kollege Böhm! Sie wissen, wie unterschiedlich Recht angewandt werden kann. Aber diese Wehleidigkeit von einer Partei, die niemals nachgefragt hat, ob sie jemand zu Recht oder zu Unrecht verdächtigt oder verfolgt, finde ich beachtlich. – Aber bei Herrn Kollegen Gaugg ist es leider zu Recht. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Bitte, Herr Bundesrat.

18.06

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich stelle hier ein Taferl mit dem Ausspruch des Herrn Gaugg auf, um Ihnen in Erinnerung zu rufen, dass er meinte: Wenn sie Profis gefragt hätten, wäre das nicht passiert. Aber das ist kein Sündenfall Gaugg, sondern ein Sündenfall der handelnden Personen in der Spitzenpolitik. (Der Redner stellt eine Tafel mit dem vorgetragenen Zitat vor sich auf das Rednerpult.)

Meine Damen und Herren! Das ist wirklich ein Postenschacher der Extraklasse. (Bundesrat Bieringer: Ich kann es nicht lesen, Herr Kollege, Sie müssen es anders aufstellen! Ich kann den Schlusssatz nicht lesen!) Ich borge es dir dann, du wirst noch zum Schlusssatz kommen.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die "Kronen Zeitung" am 31. Mai titelt: ein neuer Star im Privilegienstadl, und damit die FPÖ und Herrn Gaugg meint, wenn ... (Bundesrat Konecny übergibt Bundesrat Bieringer ein Blatt mit besagtem Zitat.) – Jetzt hat es Herr Klubobmann Bieringer auch bekommen, jetzt kann er den letzten Satz auch lesen. – Es wird alles dem Motto untergeordnet: Rot raus, Schwarz-Blau rein. Kollege Schennach hat es vorhin gerade gesagt und minutiös aufgezählt. Das beginnt mit der ÖIAG und umfasst alles, was sich in der Nähe von öffentlichen Bereichen befindet. Erinnern wir uns an die Strukturänderung im Hauptverband und die damit verbundenen Personalbesetzungen! Für dort war der Herr Gaugg ebenfalls vorgesehen. Das ist dann doch nicht ganz gelungen. Und jetzt ist die PVA, die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeitnehmer, dran. Wenn man in diesem Bereich drei stellvertretende Direktoren einrichtet, dann, kann man sagen, ist wirklich der Spargedanke


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verloren gegangen. Es ist ein zusätzlicher Posten geschaffen worden, um einen FP-Günstling in solch eine Position zu bringen.

Die Entstehungsgeschichte war doch etwas eigenartig, hat noch vor zirka sechs Wochen der betroffene Abgeordnete Gaugg seine Nominierung heftigst dementiert. Er ist von SPÖ-Abgeordneten im Nationalrat darauf angesprochen worden, nachdem bekannt geworden ist, dass für ihn dieser Posten in der neuen PVA zur Verfügung stehen soll. Damals hat er noch ziemlich lautstark geantwortet: Ist Ihnen nicht gut?, oder: Bist du geisteskrank? In solchen Zwischenrufen, die im Protokoll nachzulesen sind, hat er diese bereits abgesprochene Postenbesetzung heftigst dementiert.

Er hat dann aber einen sehr raschen Gesinnungswandel und Meinungsumschwung vollzogen. Er ist seit 3. Juni Vizedirektor der PVA. Das war zwar mit Hindernissen verbunden, weil er nicht gleich hingefunden hat, aber er hat dann doch seinen Dienst angetreten. Er hat gleich seine Gehaltsvorstellungen präsentiert, die nicht von schlechten Eltern sind. Wenn du, Herr Minister, sagst, dass das zum Privilegienabbau in dieser Versicherung beiträgt, dann empfinde ich das als eine besonders kühne Aussage, denn 200 000 € Jahresgage für einen Vizedirektor sind mit Verlaub ein außerordentliches Privileg.

Das, was der Kollektivvertrag den Vizedirektoren zugesteht und im Falle des Kollegen Gaugg anzuwenden wäre, wären 131 000 € jährlich, was noch immer, so glaube ich, eine sehr ordentliche Honorierung für diese Position darstellt. Kollegen Gaugg ist das zu wenig. Er legt deshalb sein Nationalratsmandat nicht zurück, und das ergibt den Umstand – und das ist Fakt! –, dass er seit Anfang Juni den Nationalratsbezug und den Bezug des Vizedirektors in der PVA bekommt, was zusammen sicher ein höheres Gehalt ergibt, als du oder deine Ministerkollegen zurzeit verdienen, oder vielleicht sogar ein höheres Gehalt ergibt, als der Bundeskanzler bekommt.

Ich glaube, da liegt ein echter Privilegienskandal vor. Das ist wirklich ein Skandal, der sich auf Grund dieser Situation ergibt.

Gaugg hat offenbar tatsächlich geglaubt, dass diese Phantasiegehälter und angeblichen Privilegien, die er in der Sozialversicherung immer angeprangert hat, solange er noch Oppositionspolitiker war, wirklich den Tatsachen entsprechen. Er hat anscheinend damit gerechnet, dass man sich mit einer solchen Position eine goldene Nase verdienen kann.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es zeigt sich jetzt, welches Sittenbild diese Partei hat, die sich stets als Saubermacher-Partei bezeichnet hat, und es zeigt sich, welche Geisteshaltung Gaugg selbst in dieser Frage hat.

Er hat aber auch gleich prominente Mitstreiter bekommen. Du, Herr Bundesminister, hast uns heute auch gesagt, dass diese Posten für dich nicht unvereinbar seien. Du unterstützt somit diese Ämterkumulierung. Auch der selbst ernannte "Rächer der Enterbten" und Porschefahrer aus Kärnten meint, dass das eine mit dem anderen gar nichts zu tun habe. Das kann man in der APA vom 29. 5. nachlesen. Er hat das dann ein bissel eingeschränkt und gemeint, die Vorgangsweise bei der Vorbereitung dieser Postenbesetzung sei ein "Sündenfall".

Hingegen behaupten Parteichefin Riess-Passer und Klubobmann Westenthaler ständig, dass Gaugg sein Mandat zurücklegen werde. Die Frau Vizekanzlerin hat gesagt: Sobald Gaugg den Posten des Vizedirektors antritt, wird er sein Mandat zurücklegen. – Das ist schon einige Tage überfällig.

Meine Damen und Herren! Es wird sehr interessant sein, am kommenden Parteitag der FPÖ die Diskussion über Postenschacher und Privilegien zu verfolgen. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Diskussion am Parteitag verlaufen wird. Die Frau Vizekanzlerin ist ja nicht sehr glücklich darüber. Laut "NEWS" hat sie gesagt: Natürlich weiß Jörg, was das eine Woche vor unserem Parteitag für mich bedeutet. Außerdem wollte er unbedingt, dass Gaugg diesen Job bekommt, aber diesmal werde ich mir das nicht mehr gefallen lassen.


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Die Parteichefin geht hier also einen anderen Weg als der Herr Landeshauptmann aus Kärnten. Ich bin auf die Diskussion bei diesem Parteitag wirklich schon sehr gespannt.

Meine Damen und Herren! Herr Gaugg ist kein Unbekannter, was Ämterkumulierung betrifft; es ist in zwei, drei Debattenbeiträgen bereits gesagt worden. Er ist von seinem Typ her anscheinend jemand, der diesen Weg konsequent verfolgt. Mitte der neunziger Jahre war Gaugg in Klagenfurt Vizebürgermeister und Stadtwerke-Referent und karenzierter BKS-Beschäftigter. 14 Tage, bevor seine Karenzierung abgelaufen ist, hat er dem Unternehmen mitgeteilt, dass er zusätzlich zu seiner politischen Funktion und zu seiner geschäftsführenden Funktion als Referent seinen Job in der Bank wieder antreten möchte. Es ist heute schon mitgeteilt worden, dass auf dem Gerichtsweg entschieden wurde, dass diese Jobs unvereinbar sind. Das hat dann sogar der Oberste Gerichtshof bestätigt.

Was aber für Herrn Gaugg bezeichnend ist, ist, dass er sich in diesem Prozess durch die Kärntner Arbeiterkammer vertreten hat lassen, obwohl er vorher immer gewettert hat, die Arbeiterkammern gehörten abgeschafft. Darüber hinaus hat er einen Aufruf getätigt, die Arbeitnehmer sollten die Arbeiterkammerumlage nicht mehr bezahlen. – Dies sei nur als bezeichnender Beitrag zum konsequenten Verhalten des Herrn Gaugg erwähnt.

Einen weiteren Rohrkrepierer hat er gelandet – und das kann ich Ihnen nicht ersparen –, als er mit einigen anderen angetreten ist, eine FPÖ-eigene Gewerkschaft, die FGÖ zu gründen; ich würde sie als eine rein gelbe Gewerkschaft bezeichnen. Er hat sich nämlich nicht nur seine Ziele sehr hoch gesteckt, es war ihm auch nicht zu dumm, einen Brief an die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer zu schreiben, in dem er erklärt, dass er mit seiner Gewerkschaft-Neu ein Gegengewicht zur Arbeiterkammer und zum ÖGB darstellen möchte. Ich will Ihnen nicht das Ganze vorlesen, er schreibt dann am Ende: Zusammengefasst könnte man also sagen: Die FGÖ vertritt arbeitende Menschen, also natürlich auch Sie und Ihre Interessen, für die wir auch im Parlament immer wieder großes Verständnis aufbringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist sehr bezeichnend dafür, wen Kollege Gaugg tatsächlich vertritt. Eines ist damit ganz sicher dokumentiert: dass es ihm nicht um die Interessen der Arbeitnehmer geht, sondern dass er die Interessen der Unternehmer vertritt. – Aber in erster Linie vertritt er seine eigenen Interessen.

Die Beschäftigten sind Gott sei Dank diesem Unfug nicht aufgesessen, und das Projekt FGÖ, FPÖ-Gewerkschaft, ist wegen Erfolglosigkeit sofort wieder eingeschlafen.

Meine Damen und Herren! Abschließend noch eine kurze Bemerkung: Für die PVA ist die Besetzung Gaugg mehr als entbehrlich. In beiden Anstalten, die jetzt zusammengeführt wurden, arbeiten hervorragend qualifizierte Personen, die sicherlich in der Lage sind, diese neue PVA zu managen. Es braucht mit Sicherheit keinen Parteigünstling Gaugg in dieser Anstalt! (Beifall bei der SPÖ.)

18.17

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Gerd Klamt das Wort. – Bitte

18.17

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Zunächst einmal sei an die SPÖ generell gesagt: Kehren Sie doch vor der eigenen Türe! Und speziell zum Herrn Kollegen Würschl aus Kärnten möchte ich sagen: Die Angriffe auf Frau Kollegin Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann waren mehr als entbehrlich! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist aber keine Antwort!) Sie ist jetzt provisorisch bestellte Landesschulinspektorin. Sie hat hohe Qualifikationen. Sie ist ausgebildete Juristin. Sie war Professorin. Sie war als Stadträtin für den Schulbereich verantwortlich. – Und sie wird sich einer Objektivierung stellen.

Hätten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, seinerzeit immer so hohe Qualitätsstandards bei Stellenbesetzungen angesetzt wie wir, wäre der Repa


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raturbedarf in Österreich deutlich geringer! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Nun zum Thema dieser dringlichen Anfrage: Die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten ist eine große Herausforderung für die Zukunft. Herr Bundesrat Professor Konecny hat in seiner Wortmeldung von einer “Spielwiese” gesprochen. Ich nehme dieses Wort auf und sage: Es stört die Sozialdemokratie anscheinend, dass auf dieser "Spielwiese", die deutlich sozialdemokratisch dominiert war, auf einmal ein blauer Spieler auftritt. Das ist die Wahrheit, und das sollten Sie ehrlich zugeben! (Bundesrat Dr. Böhm: Das steht dahinter!)

Der Lebenslauf von Reinhart Gaugg muss auch jene, die ihm nicht wohl wollen, davon überzeugen, dass er das Anforderungsprofil für den Vizegeneraldirektor der neuen Pensionsversicherungsanstalt voll erfüllt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Durch die B-Prüfung!)

Erfahrungen im Bankmanagement als Zentralbetriebsrat und als Chef der Klagenfurter Stadtwerke sind aus meiner Sicht in Verbindung mit langjähriger politischer Tätigkeit wirklich eine gute Voraussetzung zur effizienten Ausübung der ausgeschriebenen Tätigkeit in der Pensionsversicherungsanstalt.

Vieles in dieser neuen Pensionsversicherungsanstalt muss nicht nur weiter verwaltet werden, sondern überhaupt neu gestaltet werden. Und Reinhart Gaugg ist ein Kämpfer, ein Kämpfer für die Belange der Arbeitnehmer (Rufe bei der SPÖ: Für sich selber! – Bundesrat Konecny: Für beide Seiten des Butterbrotes!), ein Kämpfer für die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Staate Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Er ist unbequem (Bundesrätin Mag. Trunk: Der FPÖ! Uns ist er Wurscht!), und er wird sich aus meiner Sicht sehr gut in diesem neuen Bereich durchsetzen. (Bundesrat Winter: Weiß er schon, wo er arbeitet?) Dies mag einigen im Pensionsversicherungsbereich nicht angenehm sein, für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Bundesrätin Mag. Trunk: Die so heftig gewählt haben!) wird das aber sicher Vorteile bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche Reinhart Gaugg, wenn er diesen Job nach all diesen Diskussionen überhaupt noch annimmt, für seine zukünftige Tätigkeit als Hecht im Karpfenteich viel Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

18.22

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. – Bitte, Frau Bundesrätin.

18.23

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich habe wirklich nicht die Absicht, dieses Thema jetzt zeitlich noch zu verlängern, aber ein paar Dinge muss ich doch klarstellen. Wenn man hier versucht, mich anzuschütten, dann muss ich die Möglichkeit haben, auch ein paar Worte dazu zu sagen. (Bundesrat Konecny: Natürlich!)

Wenn mir Herr Kollege Würschl öffentlich vorwirft, ich sei in jeder Hinsicht völlig unqualifiziert, dann darf ich ein paar Punkte anführen, ohne dass ich meinen Lebenslauf präsentiere; das werde ich nicht tun, denn dafür ist das nicht das richtige Forum. (Bundesrat Gasteiger: Das würde uns schon interessieren!)

Dass ich Lehrerin bin, dürfte Ihnen mittlerweile auch schon bewusst geworden sein, Herr Kollege Würschl! Dass ich aber auch einen Neulehrer-Lehrgang besucht habe, das dürften Ihre Forschungen noch nicht ergeben haben. Ich erkläre das jetzt für diejenigen, die das vielleicht nicht so genau wissen, was das ist.


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Für jemanden, der in technischen oder kaufmännischen Berufen unterrichten will, gibt es keine klassische Lehrerausbildung. Daher ist für Personen, die man aus der Wirtschaft für die Schule gewinnt – weil es eben keine klassische Lehrerausbildung dafür gibt –, ein eigener Neulehrer-Lehrgang geschaffen worden. Dieser dauert mehrere Wochen, findet an verschiedenen Orten Österreichs statt, auch ein Selbststudium gehört dazu, das heißt, man muss eine eigene Arbeit verfassen, und so weiter. Der Lehrgang umfasst die Bereiche Pädagogik, Didaktik, teilweise Schulrecht, und ich habe selbstverständlich den kompletten Abschluss dieses neuen Lehrganges.

Wenn Sie mir vorwerfen, dass ich nicht die rein klassische Lehrerausbildung habe, dann müssen Sie das zum Beispiel auch Ihrer Kollegin Sommer vorwerfen, denn sie ist auch Diplomkaufmann und meines Erachtens eine gute Landesschulinspektorin. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie ist aber auch objektiviert!) – Dazu komme ich gleich.

Ich – das hat auch schon Kollege Klamt gesagt – habe nie gesagt, dass ich mich davor scheue, mich einer Objektivierung zu unterziehen (Bundesrat Gasteiger: Der Jörgl wird es schon machen!), weil ich meine, dass das immer unsere Forderung war, und ich stehe dazu. Wenn jemand anderer besser sein würde oder sein wird – damit muss man im Leben rechnen –, dann werde ich mit Anstand auch wieder in meinen Beruf als Lehrer zurückkehren, den ich im Übrigen sehr gerne ausübe, weil mir die Kinder und das Schulsystem sehr wichtig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der övp.)

Ich möchte weiters sagen: Ich habe im Gegensatz zu Herrn Kollegen Würschl an verschiedenen Schulen unterrichtet, an unterschiedlichen Standorten. Ich habe an einer HLW in Wolfsberg unterrichtet, an einer Tourismusschule in Villach und an einer HLW in Klagenfurt. Ich bin auch mehrere Kilometer täglich gefahren, zig Kilometer, das heißt, ich kenne auch das Problem des Pendelns bei den Lehrern.

Ich habe aber zum Beispiel auch im Pädagogischen Ausschuss des Landesschulrates in Kärnten mitgewirkt. Ich habe im Kollegium des Landesschulrates mitgewirkt. Und, nebenbei gesagt, ich war als Stadträtin auch für den Schulbereich verantwortlich. Ich war als Landtagsabgeordnete Schulsprecherin.

In meiner Funktion als Schulressortleiterin, als Stadträtin, habe ich sehr oft mit Ihrer Gattin, Herr Würschl, zu tun gehabt, die, glaube ich, wenn Sie sie fragen, von mir sagen wird, dass ich eine sehr faire und gute Schulpolitik betrieben habe, denn ich habe die klassische Schulunterrichtsmethodik genauso akzeptiert wie die Montessori-Methodik Ihrer Gattin. (Bundesrat Gasteiger: Wen interessiert das denn?) Das wirst du mir bestätigen können, dass das so gewesen ist. Es kann mir also niemand vorwerfen, dass ich im Schulbereich keine Erfahrung oder zu wenig Erfahrung hätte.

Wenn jemand kommt, der meine Funktion besser kann oder macht, werde ich es akzeptieren. Ich werde mich selbstverständlich einem entsprechenden Objektivierungsgremium stellen, und dort sollen aber auch andere ihre Qualitäten präsentieren müssen.

Ich bin auch noch Juristin, was aber kein Nachteil sein soll, denn Sie wissen selbst, mit wie vielen Rechtsmaterien wir im Schulwesen jetzt immer zu tun haben. Ich bin froh, dass ich auf Rechtspraxis sowohl bei Gericht als auch in der Privatwirtschaft bei einem Anwalt verweisen kann. (Bundesrat Gasteiger: Das ist ein Lebenslauf!)

Dass ich Sozialstadträtin gewesen bin, ist auch nichts Schlechtes, und das kommt mir heute sehr zugute. Kalmieren, ein bisschen ausgleichen, das ist etwas, was man durchaus braucht. Mediation ist ein Wort, das man leben und nicht nur als Schlagwort irgendwohin plakatieren sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass ich auch Veröffentlichungen gemacht habe, will ich gar nicht erwähnen, weil ich das ohnehin für selbstverständlich halte. Seminare im In- und Ausland besucht zu haben halte ich auch für normal, wenn man sich weiterbilden will.


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Aber ich bin noch jemand: Ich bin ein Mensch – und das werden mir jene Leute bestätigen, die mich näher kennen –, der Verständnis für die Schwächen der Menschen, weiters große Freude an der Schulentwicklung und vor allem daran hat, mit der Jugend zu arbeiten. Das ist etwas, das man vielleicht lernen kann, aber ich bin der Meinung, dass man das im Herzen mitbekommen muss. Es gibt vielleicht einige, die möglicherweise auch eine pädagogische Ausbildung haben, die aber die Freude an der Bildungsarbeit nicht haben.

Zum Schluss kommend, Herr Würschl: Ich würde mich freuen, wenn im Schulwesen in Kärnten wieder einmal Ruhe einkehren könnte, damit wir gut arbeiten können. Wenn Sie bedauerlicherweise nicht immer wieder Wirbel hineinbringen und teilweise ein Spitzelwesen einführen würden – ich habe es schon einmal gesagt –, dann hätten wir viel mehr Möglichkeiten, an der Weiterentwicklung der Kärntner Bildungslandschaft zu arbeiten.

Ich muss Ihnen sagen, meine Kollegen im Schulbereich, die großteils in unterschiedlich politischen Lagern angesiedelt sind, sind gute Kollegen, egal, ob sie der SPÖ oder der ÖVP zugehörig sind, und sie alle haben die Parteipolitik aus der Bildungspolitik herausgenommen. Deshalb funktioniert die Zusammenarbeit gut. Ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie einmal zu diesem Bereich zurückkommen, Herr Kollege, aber ich habe das Gefühl, dass Sie schon zu lange nicht mehr Lehrer waren. Das ist meine Sorge, dass Sie gar nicht mehr wissen, wie eine Tafel ausschaut. (Bundesrätin Mag. Trunk: Die gibt es schon lange nicht mehr!) Sie sind offenbar sofort nach Abschluss der Lehrerausbildung Funktionär geworden. (Bundesrat Konecny: Sie müssen schon lange nicht mehr in einer Klasse gewesen sein!)

Ich habe das deshalb gesagt, weil man sich Symbole leichter merkt, Herr Professor Konecny! (Bundesrat Konecny: Ich schaffe es auch ohne Symbole!) Sie schaffen wahrscheinlich vieles, Sie schaffen es auch, Professor zu werden. Es gibt vieles im Leben, was der eine so, der andere so schafft. Das ist aber nicht mein Thema.

Ich möchte nur sagen, dass ich mir wünschen würde, dass wieder Ordnung in die Bildungspolitik kommt, weil ich glaube (Bundesrat Konecny: Ihre Art von Ordnung ist eine Drohung! – Bundesrat Gasteiger: Thema verfehlt!), dass wir alle gerne für die Schulen arbeiten. Die Direktoren, die wir in Kärnten haben, sind gut qualifizierte Leute, die wirklich versuchen, das Schulwesen weiterzubringen, Schüler zu bekommen, was im Moment ohnehin nicht so einfach ist, weil es einen Geburtenschwund zu verzeichnen gilt. (Bundesrat Gasteiger: Was hat Herr Gaugg mit den Geburten zu tun?)

Wenn Sie uns Postenschacher vorwerfen, dann sage ich Ihnen: Das ist wirklich lächerlich! Es hat in den letzten Jahren über 70 Leiterbestellungen gegeben, und davon sind nachweislich sechs der FPÖ zuzurechnen, 17 Nullgrupplern, 31 der Sozialdemokratie und 20 der ÖVP. – Angesichts dessen frage ich Sie wirklich ... (Bundesrat Konecny: Wie kommt man zu solchen Daten ohne Spitzelakt?)

Wie man zu diesen Daten kommt, sage ich Ihnen gerne. Es hat eine Pressekonferenz von Herrn Würschl und Herrn Altersberger gegeben, und daraufhin wurde repliziert, und diese Daten liegen jetzt offenbar entsprechend vor. (Bundesrat Konecny: Aber wo liegen sie? – Im Personalakt! Nullgruppler, Roter, Schwarzer, Blauer ...!)

Wir, die FPÖ (weiterer Zwischenruf des Bundesrates Konecny ), haben keinen Metternich, wir haben kein Metternichsches Spitzelsystem. (Bundesrat Konecny: Wo haben Sie die Daten her?) Ich zitiere aus dem "Standard". (Bundesrat Weilharter: Vom Würschl! – Bundesrat Konecny: Nein, nein!)  – Sie müssen auch nicht zuhören. Ich weiß, Ihnen ist das unangenehm, Herr Professor Konecny! (Bundesrat Konecny: Sie haben das als Gegenargument verwendet! Wo haben Sie die Daten her?)  – Das, bitte, steht im "Standard". (Präsidentin Pühringer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Professor Konecny! Es ist Ihnen jetzt unangenehm, weil ich vielleicht vorher etwas gesagt ... (Bundesrat Konecny: Nein, das ist eine Ungeheuerlichkeit!)


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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Darf ich bitten, einander nicht so anzuschreien?(Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Bitte.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (fortsetzend): Abschließend würde ich noch einmal ... (Bundesrat Konecny:  ... Spitzelmethode!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Professor Konecny! Bitte noch einmal: Ich ersuche, einander nicht so anzuschreien. (Bundesrat Gasteiger: Sie soll zum Thema reden!)

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (fortsetzend): Abschließend möchte ich sagen, dass wir in Kärnten ein ordentliches Bildungssystem haben (Bundesrat Gasteiger: Das interessiert ja niemanden hier!), dass wir von allen Seiten in allen Bereich versuchen, ... (Bundesrat Gasteiger: Das interessiert ja niemanden da heroben!)

Es kann sein, dass für Sie das nicht interessant ist! Schule und Bildung sind für Sie vielleicht nicht wichtig, das mag sein (Bundesrat Gasteiger: Das ist euer Problem in Kärnten, aber nicht das Bundesrats-Problem!), aber für andere ist es wichtig, und ich möchte, dass das auch ehrlich behandelt wird und dass ich da nicht mit Vorwürfen konfrontiert werde, die nicht stimmen. (Bundesrat Gasteiger: Das ist euer Problem in Kärnten, aber nicht das Bundesrats-Problem! Kapier das endlich! Das interessiert doch keinen Menschen, der Lebenslauf!)

Aus diesem Grund habe ich mich zu Wort gemeldet, um das einmal aufzuklären. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.33

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Professor.

18.33

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Ich habe nicht die Absicht, mich mit der letzten, etwas eigenartigen Wortmeldung der Frau Kollegin auseinander zu setzen. Ich habe mir aber in der Zwischenzeit die Originalunterlage besorgt, und ich muss sagen, Herr Bundesminister: Sie gehen auf einem sehr schmalen Grat spazieren, auch wenn ich zugebe, dass Sie bei der Beantwortung einer dringlichen Anfrage nicht unter Wahrheitspflicht stehen.

Sie haben hier in Ihrer Antwort den Eindruck zu erwecken versucht, Sie seien zwar irgendwann einmal im FPÖ-Klub gewesen an jenem ominösen 14. Mai, aber Sie hätten mit Sicherheit an keiner Sitzung teilgenommen, und Herr Hofrat Wetscherek habe gesagt, er habe Sie an diesem Tag getroffen, aber ob das bei der Sitzung war, wisse er auch nicht.

Zu einem Zeitpunkt, als Ihre Erinnerung noch etwas frischer gewesen sein dürfte, Herr Bundesminister, haben Sie etwas anderes gesagt – so am 24. 5., erschienen dann am 25. 5. –, und Wetscherek hat auch etwas ganz anderes gesagt, als Sie hier wiederzugeben versuchten. Er sagte: Es hat zwar wegen des zeitgleichen Sozialausschusses ein Kommen und Gehen geherrscht, doch hat auch der Minister an der Sitzung teilgenommen. – Zitatende.

Wetscherek hat nicht gesagt, er habe Sie irgendwann einmal an diesem Tag gesehen, nein, Sie haben laut Aussage Wetscherek an der Sitzung teilgenommen!

Man hat Ihnen das am 24. 5. – und da war die Erinnerung eben noch frischer als heute – vorgehalten, und Sie sagten damals wörtlich: Ich bin erst gegen Ende – gegen Ende heißt nicht nach Ende, sondern eindeutig vor Ende, und ich glaube, da haben wir keinen Unterschied im Sprachgebrauch, Herr Minister –, ich bin erst gegen Ende der Sitzung dazugestoßen und habe mich bei einigen Teilnehmern nach dem Stand der Sitzung erkundigt. – Zitatende.

Ich gehe davon aus, dass die Anwesenden Sie wahrheitsgetreu informiert haben; das tut man eigentlich gegenüber seinem eigenen Minister. Das heißt, Herr Minister, Sie haben nach Ihren eigenen Aussagen, wie lange auch immer, als jenes Organ, das letztlich dort für die Dienst


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aufsicht zuständig ist, an einer Sitzung teilgenommen, bei der diese Postenvergabe – wir sagten es schon – "ausgepackelt" wurde. Sie sind nicht – das steht zumindest nicht im Protokoll – protestierend aufgesprungen und haben gerufen: Seid ihr alle wahnsinnig geworden, so kann man doch keinen Leitungsposten vergeben! Nein, Sie sind korrekterweise als Teilnehmer dieser Sitzung angeführt, und ganz offensichtlich waren Sie bereit, die dort vereinbarten – "ausgepackelten" – Ergebnisse mitzutragen.

Herr Bundesminister! Sie haben uns heute eine in höchstem Maße "nachgefärbte" – um keinen unangenehmeren Ausdruck zu verwenden – Version des Geschehens an jenem 14. Mai erzählt. Demnächst werden wir erfahren, dass Sie an diesem Tag das Parlament nicht betreten haben, wenn noch ein bisschen Zeit vergangen ist und Ihre Erinnerung noch schwächer geworden ist.

Herr Bundesminister! Sie waren Teil einer Sitzung, und Sie haben vor Ende der Sitzung die Ergebnisse mitgeteilt bekommen, an deren Diskussion Sie möglicherweise tatsächlich nicht beteiligt waren – ich war wirklich nicht dort, das kann ich bezeugen, und das werden wohl auch alle Anwesenden bezeugen. Sie, Herr Minister, haben die Ergebnisse dieser Vereinbarung durch Ihre Teilnahme am Rest der Sitzung sanktioniert, und das ist sehr knapp neben einem Amtsmissbrauch.

Herr Bundesminister! Sie werden sich nicht nur mit öffentlichen, sondern auch mit formellen Rücktrittsaufforderungen auseinander zu setzen haben. Ich würde Sie einladen, heute oder nach einer Nacht, in der Sie darüber geschlafen haben, eine konsistente Version des Geschehens am 14. Mai einmal öffentlich zu machen. Ihre widersprüchlichen Aussagen bringen uns nicht in Probleme, Herr Bundesminister, nur in zunehmendem Maße Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Professor Böhm, bitte.

18.38

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dringliche Anfragen in Ehren – das ist ein Recht der Parlamentarier, nicht zuletzt einer parlamentarischen Opposition. Sie können auch scharf sein, sie können auch so polemisch sein, wie jetzt zuletzt üblich von Seiten der Sozialdemokratischen Partei, aber sie müssen sich in Grenzen halten.

Wenn Sie unbelegt, weil durch die Fakten und die Darstellung nicht geklärt, hier den Vorwurf des Amtsmissbrauchs (Bundesrätin Mag. Trunk: Belegt!)  – überhaupt nicht! –, also den Vorwurf eines Verbrechens erheben, dann ist das nicht nur eine Frage des Ordnungsrufes, sondern das ist auch eine Frage, ob das nicht auch für Sie rechtliche Konsequenzen haben müsste. – Diesen Stil müssten Sie sich abgewöhnen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.39

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Aspöck.

18.39

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Haupt! Herr Bundesminister Scheibner! Verehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Doppelverdiener in diesem Hause! Laut Würschl sind Sie Abkassierer. Sie alle haben einen zweiten Job. – Auf dieser Ebene wird heute diskutiert.

Eine weitere Ebene, die ganz typisch für die vom Klubvorsitzenden Professor h. c. Konecny in letzter Zeit gesetzten Agitationen ist, ist, dass er über Personen redet, die hier nicht anwesend sind, die kein Rederecht haben, die sich nicht wehren können. Das ist der neue Stil, den Herr


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688. Sitzung / Seite 145

Professor h.c. Konecny hier eingeführt hat, meine Damen und He
rren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Herr Professor h.c. stützt sich in seinen Anschuldigungen auf ein gefälschtes Papier, wie wir von Herrn Sozialminister Haupt gehört haben. Er übersieht offensichtlich – ich unterstelle das ganz bewusst –, dass bei den Bewerbungs- und Berufsvoraussetzungen auch der Konkurrent eine Prüfung nicht hatte, von der er meinte, dass diese so schwer zu erlangen sei.

Im Großen und Ganzen, meine Damen und Herren, bringen solche Ausführungen, die eigentlich nichts anderes als Gift in diesem Hause verspritzen sollen, nur eines zum Ausdruck: Herr Professor h.c. Konecny ist der Meinung, dass Freiheitliche grundsätzlich keine Spitzenpositionen in diesem Lande besetzen sollen, sondern dass die Erbpacht der Roten auch weiterhin manifestiert bleiben soll! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.41

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wortmeldungen dazu liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Johanna Schicker, Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1939/J-BR/02)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Johanna Schicker, Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Ankauf von neuen Kampfflugzeugen (1940/J-BR/02)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Johanna Schicker und KollegInnen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung sowie an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Johanna Schicker als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

18.42

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Es freut uns zwar immer wieder, wenn Sie bei uns sind, Herr Staatssekretär – er hört mir nicht zu; er hört mir nicht zu (Bundesrat Konecny: Muss er ja nicht! – Bundesrat Dr. Aspöck: Es wäre höflicher, zu warten, bis der Minister sich verabschiedet hat!)  –, aber es wäre trotzdem schön, wenn auch der Herr Finanzminister einmal zu uns käme, um die Fragen zu beantworten, denn es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Dr. Aspöck, dass wir Fragen an jene stellen, die sich nicht wehren können. Es wäre schön, wenn der Herr Finanzminister anwesend wäre, um die Fragen zu beantworten. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich alle beruhigt haben, dann kann ich anfangen.

Zur dringlichen Anfrage: Zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung – Herr Bundesminister, Sie wissen das! – lehnen die Beschaffung von Kampfflugzeugen durch diese Regierung ent


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schieden ab. Die SPÖ hat daher einen Antrag zum Stopp des Abfangjägerankaufs eingebracht. Ich möchte das wie folgt begründen:

Die Veränderung der politischen Situation in Europa durch den Fall des "Eisernen Vorhanges" 1989 hat auch zu einer neuen sicherheitspolitischen Herausforderung geführt. Österreich ist nun nur mehr von Nachbarn umgeben, von denen keine Gefährdung für unsere Sicherheit ausgeht, die mit Kampfflugzeugen bekämpft werden müsste. (Lebhafte Zwischenrufe der Bundesräte Bieringer und Weilharter. )

Warten Sie ab! Es sagt niemand, dass man für die Luftraumüberwachung Kampfflugzeuge braucht, Herr Klubobmann! Warten Sie ab, ich setze fort.

Die Begründung für den Kauf der neuen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Unruhe im Saal.)  – Frau Präsidentin! Das hat mit Zwischenrufen nichts mehr zu tun. (Bundesrat Konecny: Einfach hineinschreien! Ungeheuerlich!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die Unruhe ist mittlerweile schon so groß, dass es unmöglich ist, zu reden. Frau Kollegin Schicker, einen Augenblick.

Es ist so unruhig, man kann hier oben fast nicht mehr unterscheiden, was von wo kommt, und ich würde wirklich bitten, jene, die am Wort sind, reden zu lassen, und sich dann, wenn man etwas dazu zu sagen hat, zu Wort zu melden.

Vielleicht können wir jetzt wieder von einem etwas ruhigeren Pegel ausgehen. – Bitte setzen Sie fort, Frau Bundesrätin!

Bundesrätin Johanna Schicker (fortsetzend): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Sie kennen mich, ich bin sicher immer gerne bereit, auf Zwischenrufe einzugehen, aber hier einen Dialog mit jemandem zu führen, ist auch nicht sinnvoll, und das müsste der Herr Klubobmann der ÖVP auch wissen. – Danke schön.

Ich darf nun fortsetzen. Die Begründung für den Kauf der neuen Kampfflugzeuge beruht jedoch auf der Basis der seinerzeitigen Draken-Beschaffung, aber damals war noch "Kalter Krieg", meine Damen und Herren!

Die Frage nach der Notwendigkeit der neuen Kampfflugzeuge im Hinblick auf die Teilnahme an einem künftigen europäischen Sicherheitssystem ist unseres Wissens nach bis heute unbeantwortet geblieben, Herr Bundesminister! Dies ist für uns deshalb von ganz besonderer Bedeutung, weil in Österreichs nächster Nachbarschaft ohnehin rund 1 390 Kampfflugzeuge – wir haben das ganz genau aufgelistet und zusammengezählt; Sie können es uns glauben – stationiert sind. Ich betone: nur in den Nachbarländern Österreichs, in angrenzenden Ländern. Das sollte einem zu denken geben!

Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zu den Auswirkungen auf unser Budget kommen!

Schon bisher wurde gegen die Budgetgrundsätze der Kostenwahrheit und der Kostenklarheit gröbstens verstoßen, weil die wahren Kosten für den Betrieb der Anfangjäger immer wieder verschleiert wurden.

Warum haben Sie, Herr Minister, dem Nationalrat im Sommer des Vorjahres keine entsprechende Antwort gegeben? – Ich bin schon sehr gespannt, ob Sie mir oder uns diese Frage heute ausreichend beantworten werden können.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, kaufen durch diese Regierung nun mindestens 24 einsitzige Kampfflugzeuge zu einem Kaufpreis von 1,8 Milliarden €, ohne die zu erwartenden Gesamtkosten inklusive Wartung und Betrieb zu kennen. Sie sagen ja zu Kosten, die Sie nicht kennen! Eine solche Vorgangsweise lehnen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf das Entschiedenste ab.


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Herr Verteidigungsminister! Nun möchte ich noch zu Ihrer Verantwortung kommen. Die Beschaffung von Kampfflugzeugen in der derzeitigen budgetären Situation des Landesverteidigungsministeriums erscheint mir äußerst verantwortungslos. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Die Zahlen Ihres Gesamtbudgets liegen uns vor. Sie betragen rund 1,75 Milliarden € pro Jahr. Die Vorbelastungen für Ihr Budgetkapital betragen laut Aufzeichnungen rund 727 Millionen € (Bundesrätin Haunschmid: Leider! Dank euren Schulden!), wie uns, der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, durch den Herrn Rechnungshofpräsidenten am 26. 4. 2002 mitgeteilt wurde.

Meine Damen und Herren! Das sind schon 42 Prozent des Verteidigungsbudgets. Ich betone: 42 Prozent. Wenn Sie nun diese unnötigen Kampfflugzeuge um 1,82 Milliarden € kaufen, dann steigen die Vorbelastungen auf 2,55 Milliarden €, das sind gleich 35 Milliarden Schilling. Das sind rund 146 Prozent des gesamten Verteidigungsbudgets. Ich glaube, das ist Ihnen noch gar nicht bewusst geworden. (Zwischenrufe der Bundesräte Haunschmid und Weilharter. )

Das bedeutet die völlige Überschuldung, aber das ist Ihnen ja egal, Frau Kollegin! Das bedeutet die völlige Überschuldung! Im Volksmund – ich fühle mich als Vertreterin des Volkes – würde man dazu sagen: Konkurs! Das ist ein klassischer Konkurs, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Den haben Sie verursacht!)

Sie alle – Sie sind mitverantwortlich, meine Damen und Herren – riskieren durch diesen unverantwortbaren Kauf von Kampfflugzeugen, dass wir keinen Spielraum mehr für wirklich notwendige Beschaffungen im Bereich des Bundesheeres haben. (Bundesrätin Haunschmid: Wer würde da als Erstes dagegen schreien?!)

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sie kürzen auf der einen Seite Sozialleistungen radikal, um das Nulldefizit zu erreichen. Auf der anderen Seite – hören Sie mir ganz genau zu! – machen Sie mit dieser unsinnigen Rüstungsausgabe enorme Schulden für die Zukunft. Aber diesen Widerspruch werden Sie uns und der österreichischen Bevölkerung in Ihrer Beantwortung sicher ausführlich auflösen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist nichts im Vergleich zu den 2 100 Milliarden Schilling Schulden, die wir von Ihnen geerbt haben!)

Sie verwenden als wesentliches Argument für die Beschaffung von Kampfflugzeugen immer wieder die so genannten Kompensationsgeschäfte. Ich möchte maßgebliche Ökonomen zitieren, die diese Geschäfte – das konnte man ja überall lesen – als "Voodoo-Ökonomie" kritisiert haben. Das waren maßgebliche Ökonomen, ich kann es Ihnen dann heraussuchen; es steht vielleicht sogar in der Anfrage.

Sie, meine Herren, erklären uns und der Bevölkerung, dass Sie aus einem Euro auf der Ausgabenseite plötzlich zwei Euro – und diesen Ausspruch, dieses Zitat werden Sie kennen, Herr Bundesminister – auf der Einnahmenseite machen.

Meine Herren auf der Regierungsbank! Wenn das wirklich so gute Geschäfte sind, warum kaufen wir dann nicht gleich hundert solcher Kampfflugzeuge? – Damit könnten wir doch neue Sozialleistungen finanzieren! Die Ambulanzgebühren könnten wir abschaffen! Die Studiengebühren könnten wir abschaffen! Die Unfallrentenbesteuerung könnten wir aufheben! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und die Steuern- und Abgabenquote könnten wir auch nachhaltig senken, wenn das so ein Geschäft ist, Herr Kollege! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend festhalten, dass Kompensationsgeschäfte nie gratis sind! Es gibt keine Kompensationsgeschäfte, die gratis sind, denn sie erhöhen in irgendeiner Form den Angebotspreis. Und wie die Vergangenheit auch schon bewiesen hat, mussten österreichische Unternehmen bei Gegengeschäften derart billig anbieten, um zum Zug zu kommen, dass sie zu diesem letztlich vereinbarten Preis auch auf dem freien Markt problemlos hätten verkaufen können.


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Nun noch kurz zu den Besonderheiten im Ablauf der Ausschreibung: Uns, den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, erscheint es besonders auffällig, dass ausgerechnet die Werbeagentur des Ex-FPÖ-Bundesgeschäftsführers Gernot Rumpold einen 850 000 €-schweren PR-Auftrag für den "Eurofighter" bekommen hat. (Bundesrat Kraml: Ein gutes Geschäft!) Das ist zu hinterfragen. Sogar Ihr FPÖ-Klubobmann Ing. Peter Westenthaler sieht in dieser Vorgangsweise – diesmal zitiere ich eine Aussage im "profil", weil Sie ja Aussagen, die bei "NEWS" publiziert werden, immer negieren – eine ganz schiefe Optik.

Ein besonderes Schwergewicht wird auch der Entscheidung des Herrn Finanzministers – er ist heute leider nicht da –, des Ex-Pressemanagers von Magna-Steyr, zukommen. Meine Damen und Herren! Der Magna-Konzern – jetzt hören Sie bitte ganz genau zu, meine Damen und Herren! – von Frank Stronach ist einer der größten Lieferanten der EADS-Muttergesellschaft Daimler-Chrysler. Schon ist dort die Rede von einem Entwicklungsauftrag für ein ganz neues Auto im Wert von 60 Millionen €. – Da lässt sich einiges hinterfragen! (Bundesrat Kraml: Gute Geschäfte!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Verwunderung hat daher die sozialdemokratische Bundesratsfraktion zur Kenntnis genommen, dass zwischenzeitig die Entscheidung für die Beschaffung von Kampfflugzeugen verschoben wurde. Ich frage Sie, warum? – Herr Bundesminister! Meine Herren auf der Regierungsbank! Sie werden uns heute sicherlich die Hintergründe für diese Verschiebung bekannt geben können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus der Summe meiner Argumente ist nun auch nachvollziehbar, warum zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung die Beschaffung von Kampfflugzeugen durch diese Regierung entschieden ablehnen.

Sie haben sich bis jetzt der Diskussion mit der Bevölkerung nicht gestellt. Sie haben mit Ihren Stimmen unseren Antrag im Landesverteidigungsausschuss des Nationalrates am 7. Mai 2002 vertagt. Sie lehnen die Abhaltung einer Volksabstimmung ab. Sie schieben den Termin für das Abfangjäger-Stopp-Volksbegehren mitten in die Ferienzeit, weil Sie genau wissen ... (Bundesrat Weilharter: Reden Sie mit Bürgermeister Strannach!)

Sie geben ihm den Termin nicht vor. Aber Sie von der Regierung verlegen ihn mitten in die Ferienzeit, weil Sie genau wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung dieses Volksbegehren unterstützen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte, daran teilzunehmen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Heute werden Sie die Fragen der besorgten Österreicherinnen und Österreicher beantworten müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.55

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich zunächst der Herr Bundesminister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.55

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Schicker! Wir kennen uns schon seit einigen Jahren. Ich habe Sie auch immer als sachliche Politikerin im Europarat und auch hier im Bundesrat kennen gelernt. Deshalb nehme ich natürlich das Angebot des Diskurses und der Diskussion an, auch wenn ich bei aller Wertschätzung und bei allem Respekt ganz subjektiv ein paar Unschärfen erkennen musste: bei den Argumenten, die jetzt eingebracht worden sind, aber auch bei den Argumenten, die in der dringlichen Anfrage als Begründung verwendet wurden.

Ich hoffe – zumindest bei Ihnen persönlich bin ich mir fast sicher; bei Ihrer Fraktion können wir darüber diskutieren –, dass es eine unbeabsichtigte Unschärfe gewesen ist, dass Sie gerade bei Ihrem ersten Satz für die Begründung dieser dringlichen Anfrage und auch Ihrer Gegnerschaft gegenüber diesem Projekt gesagt haben: Zwei Drittel der Österreicher lehnen die Abfangjäger ab, und daher, deshalb sind Sie gegen dieses Projekt.


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Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass eine Partei wie die Sozialdemokraten nicht nur deshalb, weil sie glaubt, dass das Meinungsklima gegen ein wichtiges Projekt der Regierung ist, eine Kampagne gegen dieses wichtige Projekt, damit gegen das österreichische Bundesheer und damit gegen die Sicherheitsinteressen des Landes einleitet. Ich hoffe, das war eine unbeabsichtigte Unschärfe, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine weitere Unschärfe erkenne ich in der Begründung der Anfrage. Sie sagen, Österreich sei nur von Nachbarländern umgeben, die EU- oder NATO-Mitgliedsländer sind. – Sie vergessen dabei Liechtenstein, die Schweiz, Slowenien und die Slowakei. Meines Wissens sind diese Länder nicht Mitglieder der Europäischen Union und auch nicht Mitglieder der NATO. (Bundesrat Todt: Liechtenstein hat bekanntlich "viele" Abfangjäger!)  – Aber, Herr Kollege, sie sind jedenfalls nicht, so wie es in Ihrer Anfrage behauptet wird, Mitglieder der NATO oder der Europäischen Union.

Sie sagen, 1 390 Abfangjäger seien in unserer Umgebung stationiert. (Heiterkeit des Bundesrates Todt. – Herr Bundesrat, weil Sie sich so lustig machen: Ich glaube, dass bei einer so wichtigen Initiative, wenn es um die Sicherheitsinteressen Österreichs geht, wenn es darum geht, Projekte zu verwirklichen, und wenn Sie dagegen ein wichtiges parlamentarisches Instrument hier einleiten – das ist Ihnen selbstverständlich unbenommen! –, es doch im Interesse der Sache wäre, dass man ein bisschen auf die Genauigkeit achtet und zumindest die Mitgliedschaften unserer Nachbarländer richtig in diese Anfrage miteingebracht hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Bundesrätin Schicker! Sie haben gesagt, 1 390 Abfangjäger seien in unserer Umgebung stationiert. Ich kann das nicht nachprüfen, ich weiß es nicht, aber ich sehe das nicht als Argument gegen die Beschaffung in Österreich, denn wenn es um die Sicherheit der nationalen Interessen ginge, würde ich auch nicht damit argumentieren, dass in unseren Nachbarländern vielleicht 20 000 Funkstreifenwagen angesiedelt sind und wir deshalb in Österreich für unsere Polizei eine derartige Beschaffung ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie hier die Verantwortung des Bundesministers angesprochen und gesagt haben, ich sei verantwortungslos, weil ich diese Beschaffung durchführen möchte, muss ich feststellen: Meine Verantwortung als Verteidigungsminister der Republik Österreich ist es, den Gesetzen zu folgen, den gesetzlichen Aufträgen zu folgen und alles zu tun, was notwendig ist, um die Souveränität und die Sicherheit unseres Landes zu Lande und in der Luft zu garantieren, Frau Kollegin Schicker! Das ist meine Verantwortung, und dieser Verantwortung komme ich auch nach. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin! Ich glaube, es wäre die Verantwortung jedes politischen Repräsentanten, jedes Volksvertreters, dass er alles dazu tut, damit die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit der Republik Österreich aus dem Parteienstreit herausgehalten wird, dass man nicht versucht, wichtige Aufgaben der Republik anderen Aufgaben gegenüber zu stellen oder diese gegeneinander auszuspielen.

Sie haben Recht: Es ist eine Aufgabe, eine Verantwortung, das Sozialsystem zu sichern, die Pensionen zu garantieren, die Ausbildung unserer Jugendlichen sicherzustellen. Aber zumindest ebenso wichtig ist es, auch die Sicherheit und die Souveränität unseres Landes zu garantieren. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun! Wir alle müssen uns dazu bekennen, dass wir sowohl das eine im Sozialbereich als auch das andere im Sicherheitsbereich sicherzustellen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Bundesrätin Schicker! Ich sage Ihnen, für mich war es sehr beeindruckend, ich war vor wenigen Tagen ... (Bundesrätin Schicker: Ich kann Sie nicht hören, weil mir Kollegin Haunschmid ins Ohr hineinschreit!) – Ich hoffe, ich kann sie übertönen.

Ich war vor wenigen Tagen in Afghanistan und habe dort miterleben können, was Krieg und Gewalt anrichten können, und wie wichtig es ist, dass wir auch gemeinsam Sicherheitspolitik und Krisenmanagement betreiben.


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Was für mich so beeindruckend gewesen ist, war eine Aussage. Die Leute dort haben nichts, sie leben in Ruinen, sie wissen nicht, wie sie das Essen für die Familie für den nächsten Tag bekommen können, sie haben keine Arbeitsplätze, sie haben keinen Strom, kein Wasser, sie haben nichts. Sie leben wie im Mittelalter – das Resultat von dreißig Jahren Krieg.

Wenn man die Bevölkerung dort fragt, was ihr sehnlichster Wunsch für die Zukunft ist ... (Bundesrat Boden: Abfangjäger!)  – Ich hoffe, wir können hier einen normalen Diskurs führen und müssen nicht auf einer derartigen Ebene argumentieren, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie die Menschen dort fragen, was sie als ihr höchstes und wichtigstes Ziel sehen, dann ist es nicht in erster Linie Arbeit, dann ist es nicht einmal Geld, dann sind es nicht einmal Lebensmittel oder Infrastruktur, sondern das wichtigste Gut, das diese Menschen wollen, ist Sicherheit  – Sicherheit, ohne die alles andere zweitrangig, ja nicht möglich ist. – Auch das sollten wir bei derartigen Diskussionen nicht vergessen. Und das ist unsere Verantwortung, Frau Kollegin!

Wenn Sie die Vorbelastungen im Landesverteidigungsbudget ansprechen, so gebe ich Ihnen Recht: Selbstverständlich, gibt es eine hohe Vorbelastung des Budgets durch Beschaffungsvorhaben, die sich auf viele Jahre aufteilen. Das ist aber ein natürlicher Faktor in jedem Verteidigungsbudget, weil derartige Beschaffungen naturgemäß auf viele Jahre aufgeteilt werden. Kein Land der Welt – das wäre auch völlig unsinnig; einige wenige arabische Ölländer können das vielleicht tun – nimmt Milliardenbeträge in die Hand und kauft damit militärisches Großgerät.

Aber ich sage Ihnen, der momentan größte Brocken für die Vorbelastung des Verteidigungsbudgets stammt aus der SPÖ-geführten Regierung. Das war das Mech-Paket. Es war aber sinnvoll, dass man das geleistet hat. Ich als Oppositionsabgeordneter habe auch gegen die Strömung in der Bevölkerung dieses Mech-Paket mit unterstützt. Im Rahmen der verantwortungsvollen Oppositionspolitik der Freiheitlichen haben wir damals dieses Projekt unterstützt.

Das ist der Hauptpunkt der Vorbelastungen im jetzigen Verteidigungsbudget. Ich verstehe nicht, dass Sie mir gerade das, was wir alle damals gemeinsam – Regierung und Opposition – beschlossen haben, jetzt zum Vorwurf machen.

Da Sie auch den Prozentsatz dieser Vorbelastungen am Gesamtbudget angesprochen haben, darf ich das wohlmeinend als Ihre Meinung verstehen, dass das Verteidigungsbudget zu gering ist. Hier treffen wir uns, Frau Bundesrätin Schicker! Arbeiten wir alle gemeinsam für ein höheres Verteidigungsbudget! Argumentieren wir nicht in der Öffentlichkeit, was man angeblich alles mit diesen Mitteln finanzieren könnte! Wenn das Beschaffungsbudget um einiges höher wäre, dann könnte dieser Prozentsatz der Vorbelastungen in Zukunft sehr viel niedriger sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben auch die Sanierungsnotwendigkeit angesprochen. Natürlich haben wir in den letzten zwei Jahren eine Sanierungsnotwendigkeit gehabt, aber, Frau Bundesrätin, Sie wissen, warum. Hätte es nicht die Schuldenpolitik der letzten 30 Jahre gegeben, meine Damen und Herren (Widerspruch bei der SPÖ)  – das sind die Fakten, Herr Bundesrat –, dann müssten wir jetzt nicht 100 Milliarden Schilling an Zinsen pro Jahr für diese Schulden bezahlen! Ich betone: 100 Milliarden Schilling Zinsen! Dann bräuchten wir uns auch nicht darüber zu unterhalten, was ein Projekt kostet, das vielleicht ein bis zwei Milliarden pro Jahr in diesem Bereich ausmacht.

Da wir schon bei den Kosten sind, Frau Kollegin, gestehe ich Ihnen zu: Natürlich kostet dieses Projekt eine schöne Stange Geld, keine Frage. Aber bei der Argumentation Ihrer Fraktion, Ihrer Partei in den letzten Wochen, frage ich mich schon, wo die Realität ist. Es wurde immer wieder gesagt, was man denn alles finanzieren könnte, wenn man nur auf dieses Projekt der Abfangjäger verzichten würde! Da wurde aufgezählt: eine Steuerreform im Ausmaß von 30 Milliarden, ein Infrastrukturpaket – die Regierung hat eines um 100 Milliarden beschlossen – um 10 Milliarden pro Jahr, Kindergartenplätze könnte man finanzieren, die Ambulanzgebühr könnte


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man streichen, die Pensionen könnte man sichern, und die Unfallrentenbesteuerung könnte man streichen.

Wenn Sie das alles zusammenrechnen, dann kommen Sie sicherlich auf einen Betrag in der Höhe von 40 bis 50 Milliarden Schilling pro Jahr, Frau Kollegin! All das wollen Sie mit einem Projekt finanzieren, das 20 oder 25 Milliarden kostet – wir werden sehen; wir wissen die Preise noch nicht endgültig – und auf sieben, acht oder zehn Jahre gerechnet finanziert werden muss, also 2,5 Milliarden pro Jahr kostet?!

Diese Ökonomie ist mir, ehrlich gesagt, noch fremd. Vielleicht könnten Sie uns hier beraten, denn diese Geldmaschinerie könnten wir ganz gut brauchen, um etwa die Zinsen für die Schulden abdecken zu können. Wir wüssten gerne, wie man Projekte, die 50 Milliarden Schilling pro Jahr kosten, mit einem Projekt finanzieren kann, das 2, 2,5 Milliarden Schilling pro Jahr an Aufwendungen erfordert. – Das ist eine "höhere Mathematik", die ich nicht nachvollziehen kann.

Frau Bundesrätin! Sie haben dann in Ihrer Anfragebegründung noch weitere Kritikpunkte angemeldet. Ein Reformkonzept für die Flieger wird da gefordert, und die Rechnungshofkritik an der Planung und Beschaffung wird erwähnt. Das sind zwei Punkte, die gelöst sind. Sie wissen es, und Ihre Fraktion – dafür bin ich sehr dankbar – hat zumindest im Nationalratsausschuss dem Begleitgesetz für unsere Reorganisation des österreichischen Bundesheeres zugestimmt, weil damit all diese Strukturprobleme gelöst werden. Die gesamten Luftstreitkräfte werden neu organisiert, und auch das Beschaffungswesen wird auf eine neue Basis gestellt. Diese Forderungen haben wir also längst erfüllt.

Wenn Sie dann noch sagen, das Beschaffungskonzept stamme aus der Drakenzeit, dann muss ich feststellen, das ist halbrichtig, Frau Bundesrätin Schicker, denn das Beschaffungskonzept für diese aktuelle Beschaffung stammt natürlich aus der jüngsten Zeit, weil die Planungsgrundlagen und die technische Leistungsbeschreibung jetzt aktuell erstellt worden sind, bevor die Unternehmungen eingeladen worden sind, Angebote zu stellen. (Bundesrätin Schicker: Damals war aber der politische Hintergrund ein anderer! Da hat es nämlich den Kalten Krieg noch gegeben!)

Womit Sie aber Recht haben, Frau Bundesrätin Schicker, ist der Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung. Die Grundsatzentscheidung für die Neubeschaffung eines Drakennachfolgers ist nicht in der jetzigen Bundesregierung gefallen. Sie ist voriges Jahr im Landesverteidigungsrat bestätigt worden, aber sie ist zu diesem Zeitpunkt nicht erstmals getroffen worden, sondern die erstmalige Beschlussfassung ist in einer Regierung erfolgt, in der auch Freiheitliche mit dabei gewesen sind. Das war das Kabinett Sinowatz/Steger Mitte der neunziger Jahre, als Sie sich klar zu dieser Nachbeschaffung bekannt haben. (Rufe: Mitte der achtziger Jahre!)  – Ja, richtig.

Damals hat es den Kalten Krieg gegeben, und ich sage Ihnen, für dieses Bedrohungsszenario war das sogar die falsche Entscheidung. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny .)  – Nein, Herr Bundesrat, es war die falsche Entscheidung. Damals als neutrales Land zwischen den Blöcken hätten wir militärische Luftverteidigung betreiben müssen gegen einen Angriff von außen, so wie die Schweiz das in ihren Konzepten gehabt hat. Damals war es so, dass 24 Abfangjäger bei weitem zu wenig gewesen sind. Jetzt aber geht es um die Luftraumüberwachung, um die Überwachung der Souveränität unseres Landes in Friedenszeiten. Und genau dafür sind diese 24 Abfangjäger voll geeignet und notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben das Szenario des Kalten Krieges angesprochen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Das erste Mal, als diese Abfangjäger auch sichtbar zum Einsatz gekommen sind, als plötzlich alle Kritiker verstummt sind, als man nach diesen Abfangjägern gerufen hat, war nicht in der Zeit des Kalten Krieges, sondern zwei Jahre nach Ende des Zerfalls des Kommunismus – was wir alle hoffentlich begrüßt haben –, nämlich 1991, als die ersten serbischen MIGs über Graz erschienen sind.

Damals hat es keine Diskussion über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Luftstreitkräfte gegeben. Und in allen Regierungen ist auch diese Notwendigkeit mit eingebracht worden. Auch


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688. Sitzung / Seite 152

Ihre Fraktion, Ihre Partei hat bei den Regierungsverhandlungen mit der Österreichischen Volkspartei noch im Jänner 2000 die Neubeschaffung von Abfangjägern in das provisorische, in das konzipierte Programm mit aufgenommen.

Also inwiefern fehlt hier die Aktualität? – Ich kann Ihnen sagen, es ist eine gesetzliche Verpflichtung, die Souveränität unseres Landes auch in der Luft überwachen zu können. Es ist auch eine aktuelle Notwendigkeit gegeben. Seit dem 11. September haben wir 15 Alarmfälle gehabt, bei denen ein Luftfahrzeug, das nicht registriert war oder zu dem es keine Funkverbindung gegeben hat, in unseren Luftraum eingedrungen ist, worauf es entsprechende Abfangjagden oder entsprechende Alarmstarts gegeben hat.

Das ist ein aktuelles Einsatzszenario, also eine Notwendigkeit. Hätten wir diese Entscheidung nicht getroffen, dann hätte das sehr ernste Auswirkungen gehabt! Dabei spreche ich nicht über die Angehörigen der Fliegerdivision und darüber, wie viele Arbeitsplätze gefährdet gewesen sind. Ich sage nichts über das Know how, das wir gerade durch die Drakenbeschaffung bekommen haben und das verloren gegangen wäre. Ich sage nichts über die internationale Reputation, die verloren gegangen wäre, sondern ich sage nur eines: Wir hätten ab dem Jahr 2005 keine Möglichkeit mehr gehabt, unsere Souveränität, unsere Sicherheit in der Luft auch überwachen zu können. Genau darum geht es, Frau Kollegin, und das wissen Sie in Wahrheit sehr genau.

Wenn Sie die Kosten pro Einsatz hier auflisten, so mag es ganz nett sein, das so zu betreiben, aber ich sage Ihnen ganz offen: In der Sicherheitspolitik ist es eine schwierige Sache, das so zu behandeln; denn wie bewerten Sie umgekehrt eine Bedrohung, einen Einsatz oder die Auswirkungen eines Einsatzes, wenn das dafür notwendige Gerät nicht vorhanden ist? – Vielleicht kommt es zu solch einem Einsatz nur einmal in hundert Jahren, aber wenn dann die notwendige Vorsorge nicht getroffen worden ist, wenn dann das Gerät, das Personal, die Kapazitäten nicht vorhanden sind, dann kann das vielen Menschen das Leben kosten! Wie setzen Sie das eine gegenüber dem anderen an?

Ich erwähne 1991: Was hätten wir gemacht, wenn diese Entscheidung damals – lesen Sie einmal die Nationalratsprotokolle durch, wie man damals argumentiert hat! – nicht getroffen worden wäre?

Rechnen Sie es anders um: Was hätte vielleicht verhindert werden können, wenn man nicht erst nach Galtür daraufgekommen wäre, dass wir neue Transporthubschrauber brauchen, sondern zu dem Zeitpunkt, als ich es im Nationalrat verlangt habe, nämlich lange Zeit davor, Frau Kollegin? (Bundesrätin Schicker: Da waren wir aber auch gar nie dagegen!) Sie waren nie dagegen? – Aber Sie haben es nicht gemacht! (Bundesrat Konecny: Der Minister hat es nicht gemacht! Der war nicht von uns!) Sie waren aber in der Regierung, meine Damen und Herren! Darum geht es: Man muss Vorsorge betreiben! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Der Fasslabend!)

Frau Kollegin! Was würden Sie denn einem Landwirt sagen, der Ihnen erklärt, er hat jetzt zehn Jahre lang keine Hagelschutzversicherung gehabt, es hat nicht gehagelt, er ist stolz drauf, wie viel Geld er sich erspart hat, und er würde jedem Landwirt empfehlen, dass er das Gleiche tut? Ist das eine vernünftige Lösung? (Bundesrat Mag. Hoscher: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)  – Ich glaube nicht. Wir haben Vorsorge zu betreiben und nicht mit merkwürdigen Kostenspielerein zu argumentieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Sie sagen dann noch, die Gegengeschäfte seien ein Flop. Sie haben dann von Voodoo-Ökonomie gesprochen. Ich glaube, es war Professor Streissler, der das gesagt hat – das steht nicht in Ihrer Anfrage, aber ich glaube, es war Professor Streissler. Er hat aber gesagt, in einer funktionierenden Ökonomie ist es Voodoo-Ökonomik – und da hat er ja Recht! (Bundesrat Konecny: Der Gudenus hat sich hineinreklamiert. Der hat auch "Voodoo-Ökonomie" gesagt!) –Ja, das ist fein, aber ich sage Ihnen: Wenn die Ökonomie in Europa, aber auch weltweit so


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wäre, dass wir einen wirklich freien Markt haben, auf dem sich einzig und allein die Qualität und der Preis durchsetzen, dann wäre das richtig.

Aber wir alle wissen – und Sie wissen es auch, weil Sie auch in Ihrer Partei Ökonomen und auch sehr erfolgreiche Gewerbetreibende haben –, dass das eben nicht so ist und dass es eben nicht nur die Qualität ist, die vor allem Großkonzerne zu einer Entscheidung veranlasst, sich an Standorten entsprechend anzusiedeln oder Aufträge zu vergeben, sondern dass es eben auch andere Kriterien sind. Für ein kleines Land wie Österreich sind es diese Gegengeschäfte, die ein wichtiges Argument dafür sein können, dass auch Österreich, dass auch österreichische Firmen in Bereiche der Hochtechnologie, der Forschung und Entwicklung hineinkommen können, die ihnen ansonsten verschlossen bleiben würden.

Erkundigen Sie sich einmal bei Ihren eigenen Wirtschaftstreibenden! Sie werden sehen, dass man sehr darauf wartet, dass die Bundesregierung diese Entscheidung trifft. Ich glaube, es ist uns schon jetzt etwas gelungen: Sie haben alle auch gesagt, 200 Prozent an Gegengeschäften sei unmöglich. – Wir haben bei diesen drei Anbietern zwischen 100 und 200 Prozent an Gegengeschäften bekommen!

Sie haben in Ihrer Anfrage auf Professor Clement hingewiesen, der am Industriewissenschaftlichen Institut tätig ist. Das Wirtschaftsministerium, das für den gesamten Bereich der Gegengeschäfte zuständig ist, hat auf Grund einer Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes die Synergien berechnet, die durch alle Gegengeschäfte, die auf Grund von Heeresaufträgen seit dem Jahr 1978 umgesetzt worden sind, erzielt wurden. Es ergeben sich da ganz interessante Zahlen: Gesicherte Arbeitsplätze: 46 800; Sozialversicherungsbeiträge: 523 Millionen €; Steueraufkommen: 1,146 Milliarden €; positiver Effekt auf die Handelsbilanz: 2,3 Milliarden €; Wertschöpfung insgesamt: 4,08 Milliarden €. – Durch Gegengeschäfte für Heeresaufträge seit dem Jahr 1978!

Ich glaube, das ist eine Erfolgsgeschichte, angesichts der man sagen kann: Das österreichische Bundesheer kostet nicht nur Geld, bringt nicht nur Sicherheit für die Österreicher, sondern unterstützt auch in einem sehr schönen Ausmaß die österreichische Wirtschaft. Darüber sollten wir uns alle doch freuen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben die Beschaffung auch nicht verschoben, Frau Kollegin Schicker, sondern wir befinden uns in der Planung. (Bundesrätin Schicker: Es hat aber Mitte Mai geheißen vorher!) Aber ich sage Ihnen: Mir ist es nicht wichtig, diese Entscheidung so rasch wie möglich, sondern so gut wie möglich zu treffen! Ich habe überhaupt keine Präferenz. Für mich als Verteidigungsminister ist es nur wichtig, dass ich diesen gesetzlichen Auftrag erfüllen kann, und das mit einem guten Gerät, zu einem möglichst niedrigen Preis und – das ist nicht meine Kompetenz, sondern die des Wirtschaftsministeriums – zu einem möglichst hohen Wert an Gegengeschäften. Das ist mein Wille. Wichtig ist für mich weiters – das ist auch klar –, dass diese Entscheidungen nachvollziehbar sind, dass sie dokumentiert sind und dass wir alle Fragezeichen, die sich noch ergeben, ausräumen können – das ist auch wichtig für die nachvollziehende Diskussion. Das ist wichtig, und das tun wir auch gerade. Wenn wir damit fertig sind, dann wird es auch die entsprechende Entscheidung geben, über die wir alle dann wieder diskutieren können. Ich glaube, es wäre nicht sinnvoll, es davor zu tun. Auf diese Entscheidung haben kein Parteitag oder sonst irgendein Ereignis einen Einfluss, sondern einzig und allein diese fachlichen und sachlichen Voraussetzungen.

Meine Damen und Herren! Ich sage es noch einmal: Es handelt sich um eine Nachbeschaffung. Sie wissen das in Wirklichkeit auch. Ich habe mit vielen Ihrer Kollegen in Vier-Augen-Gesprächen über diese Dinge diskutiert, und da gibt man mir auch durchaus Recht. Es macht mich etwas betrübt, dass man es in Österreich nicht schafft – ich war gestern in der Schweiz bei einem offiziellen Besuch, da sieht man das ein bisschen anders –, die Interessen der Sicherheit des Landes aus dem parteipolitischen Hickhack herauszuhalten. Ich würde mir wünschen, dass wir, so wie wir es bei der Sicherheitsdoktrin fast geschafft hätten – leider dann doch auch wieder nicht –, bei den Heeresbudgets und bei den Heeresbeschaffungen einen Konsens in diese Richtung erzielen können.


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Aber ich sage Ihnen eines, und ich bin darauf sehr stolz: Diese Bundesregierung stellt sich der Verantwortung im Sinne der Sicherheit unseres Landes! Wir sind nicht dazu da, uns einzig und allein nach Meinungsumfragen zu richten. Ich sage Ihnen, wir haben auch eine Meinungsumfrage – es ist dabei immer wieder auch die Frage, was man fragt und wie man fragt –, laut der sich eine Mehrheit der Österreicher für die Luftraumüberwachung ausspricht. Es geht nicht um Meinungsumfragen, denn dann könnte man Meinungsforscher auf die Regierungsbank setzen und bräuchte keine Politiker. Uns geht es darum, das Notwendige, das Sinnvolle im Interesse der Republik Österreich zu tun, auch wenn es vielleicht einmal kurzfristig nicht populär ist. – Ich sage "kurzfristig", denn Sie werden sehen, dass die Österreicher sehr wohl, so wie sie hinter ihrem Bundesheer stehen, auch hinter diesem Projekt, der Beschaffung neuer Flugzeuge, stehen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich komme damit zu Ihren Fragen und zu deren Beantwortung.

Die Fragen 1 bis 7 gehen davon aus, dass eine Typenentscheidung bereits getroffen worden ist. Ich habe Ihnen gesagt, sie ist noch nicht getroffen. Deshalb kann ich diese Fragen nicht beantworten.

Zur Frage 8:

Die Kompensationsgeschäfte fallen in die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums und haben mit der militärischen Bewertung nichts zu tun. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Kalkulation der Anbieter, vor allem die Preiskalkulation, uns nicht offen gelegt wird und wir sie deshalb auch nicht in der Öffentlichkeit offen legen können.

Zu den Fragen 9 und 10 kann ich Ihnen klar sagen, dass unrechtmäßige Zuwendungen, egal, an wen, strafrechtswidrig sind und nach dem Strafgesetzbuch zu ahnden sind. Ich wundere mich schon sehr, dass hier immer wieder solche Verdachtsmomente geäußert werden. Ich gehe nicht davon aus, dass diejenigen, die diese Verdachtsmomente äußern, selbst in der Vergangenheit diesbezüglich irgendwelche Erfahrungen gemacht haben (Heiterkeit des Bundesrates Dr. Aspöck  – Bundesrat Konecny: ... wir haben sie zurückgewiesen!), sondern ich gehe davon aus, Herr Bundesrat und meine Damen und Herren, dass wir uns alle an die Gesetze halten, dass wir uns an unsere verfassungsrechtlichen Aufträge halten und dass wir alles dazu tun werden, dass diese Gesetze von allen auch umgesetzt und eingehalten werden.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir sowohl in die Angebotseinholung als auch in den Vertrag eine privatrechtliche Klausel hineinnehmen werden, dass, sollte es zu solchen strafrechtswidrigen Handlungen kommen, dies auch auf den Kaufvertrag eine Auswirkung haben, nämlich die Nichtigkeit desselben zur Folge haben wird.

Zur Frage 11 kann ich Ihnen sagen, dass es sich nicht um eine Entscheidungskommission handelt, sondern im Bundesministerium für Landesverteidigung ist eine Bewertungskommission eingerichtet worden. Die Entscheidung trifft der Bundesminister in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Die Kontakte erfolgen im Zuge eines rechtskonformen Vorgehens durch die zuständige Dienststelle. Alle Verfahrensschritte werden selbstverständlich protokolliert und sind daher nachvollziehbar.

Ich muss Sie bei der Frage 12 um Verständnis dafür bitten, dass die Veröffentlichung der Namen der Mitglieder dieser Bewertungskommission aus Gründen des Daten- und Personenschutzes nicht möglich ist.

Zur Frage 13 kann ich Ihnen noch einmal sagen, dass die Kompensationsgeschäfte in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums liegen.

Zur Frage 14 kann ich Ihnen sagen, dass die angesprochene Feststellung im Rahmen einer Presseinformation getätigt worden ist, allerdings nicht in der hier behaupteten Form. Ich kann hiezu sagen, dass alle Angebote mit Mängel behaftet waren und alle drei Anbieter in gleicher Weise aufgefordert wurden, ihre Angebote entsprechend nachzubessern und diese Mängel zu beheben. Es hat also eine Bietergleichbehandlung gegeben, und klarerweise haben wir im


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Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten ein großes Interesse daran gehabt, dass wir bei dieser wichtigen Beschaffung einen möglichst breiten Wettbewerb haben.

Zur Frage 15:

In der Fragestellung werden die Begriffe Ausgaben und Kosten etwas vermengt. Es ist richtig, dass wir einmal in einer Anfragebeantwortung gesagt haben, dass wir die kalkulatorischen Kosten für den Betrieb der Draken nicht angeben können, weil, wie Sie wissen, in der öffentlichen Verwaltung die Kameralistik angewendet wird und es deshalb sehr schwierig ist, die Kosten in dieser Form zu berechnen.

Wir haben aber gemeinsam mit dem Rechnungshof ein Modell entwickelt, um diese kalkulatorischen Kosten doch zumindest in irgendeiner Weise – auch wenn das in gewissem Maße eine Milchmädchenrechnung sein mag – vergleichbar darzustellen. Es war dies gewissermaßen eine Fleißaufgabe, und wir haben das in einer weiteren Anfragebeantwortung auch bereits mit eingebracht. Ich kann Ihnen sagen, dass diese kalkulatorischen Berechnungen etwa 60 Millionen € pro Jahr umfassen. Da sind aber alle Kosten, auch anteilige Kosten des Verteidigungsministers und des Kommandanten der Fliegerdivision, enthalten, so wie das etwa ein Unternehmen bei seinen eigenen Kosten berechnen würde. Die darin enthaltenen budgetwirksamen Gesamtaufwendungen und -ausgaben betragen durchschnittlich etwa 12 Millionen € pro Jahr.

Bei der Frage 16 geht es um die Kosteneinschätzung für den Einsatz der neuen Kampfflugzeuge. Auch hier kann ich Ihnen nur sagen, dass die Typenentscheidung noch nicht getroffen worden ist. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich hier um neues Gerät handelt, das im Betrieb und vor allem in der Wartung wesentlich günstiger sein wird als das alte Gerät. Ich darf darauf hinweisen, dass der Draken nur mehr in Österreich im Dienst ist und dass sich vor allem die Ersatzteilbewirtschaftung bereits äußerst kostspielig und problematisch gestaltet.

Bei der Frage 17 muss ich auch auf die Typenentscheidung verweisen, die noch nicht erfolgt ist.

Zur Frage 18:

Im Hinblick auf den europäischen Sicherheitskonnex kann ich Ihnen sagen, dass die Hauptaufgabe dieser Flugzeuge, nämlich der Schutz der Souveränität Österreichs, nichts mit der europäischen Entwicklung zu tun hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass auch alle anderen vergleichbaren europäischen Länder im Hinblick auf ihre Friedensaufgaben diese eigenen Sicherungsaufgaben auch in Zukunft mit eigenem Gerät erfüllen werden.

Was wir prüfen werden – und das wäre durchaus sinnvoll –, ist, ob wir nicht einen Teil dieser Kapazität auch für die Erreichung der EU Headline Goals im Rahmen der ESVP einmelden können. Das können wir aber erst dann, wenn wir auch wissen, welches Gerät und in welcher Zahl uns zur Verfügung steht. Da werden dann auch nicht ganz bestimmte Flugzeuge oder Maschinen – denen auch eine der weiteren von Ihnen gestellten Fragen gilt – definiert, sondern das ist ein Beitrag, der eingemeldet wird.

Ich als Verteidigungsminister sage Ihnen als politisch Verantwortliche, die Sie dann auch die Auslandseinsätze mit beschließen: Wir sollten ein Interesse daran haben, dass wir möglichst viel an modernem Gerät in diesen Topf der Europäischen Union, in den wir vergleichbare Beiträge einzubringen verpflichtet sind, auch einmelden können, denn in einem Krisenfall ist es mir lieber – vor allem, wenn es um das Risiko der eigenen Soldaten geht –, möglichst viel Gerät zu entsenden, dafür aber möglichst wenige Soldaten. Derzeit ist es so, dass wir viele Soldaten entsenden mussten, weil wir wenig Gerät zur Verfügung haben. Schweden etwa, ein vergleichbares Land, hat nicht einmal die Hälfte der Zahl der Soldaten einmelden müssen, weil die Schweden über entsprechendes Gerät – auch Flugzeuge – verfügen, das sie eingebracht haben.

Zur Frage 19:


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Ich habe schon gesagt, der Zeitplan orientiert sich an rein sachlichen Erfordernissen und an keinen anderen Kriterien. Sie werden auch sehen – das kann ich jetzt schon sagen –, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht zu Beginn oder im Verlauf der nächsten Woche diese Entscheidung treffen oder veröffentlichen können, sondern es wird dann erfolgen, wenn alle Kriterien entsprechend bearbeitet sind.

Zur Frage 20: Warum mussten die Vorgaben überarbeitet werden? 

Der Draken ist mit Ende 2005 außer Dienst zu stellen. Es ist nicht meine Verantwortung, Frau Kollegin, dass diese Nachfolgeentscheidung für den Abfangjäger so spät getroffen worden ist. Sie wissen wahrscheinlich – ich weiß es, weil ich auch damals schon in den entsprechenden Gremien vertreten war –, dass diese Entscheidung Mitte der neunziger Jahre getroffen werden hätte müssen. Dann hätten wir kein Problem mit Übergangslösungen.

So ist es aber unser Ziel, den Zeitraum zwischen der Außerdienststellung des Draken und der vollen Inbetriebnahme des neuen Flugzeuges so kurz wie möglich zu halten. Wir haben deshalb auch die Firmen aufgefordert, entsprechende Übergangslösungen anzubieten. Diese waren aber nicht dazu geeignet, diesen Bereich kostengünstig und effizient abzudecken, und deshalb war ein neuer Lieferplan notwendig. Aber das ist ja der Sinn eines derartigen Beschaffungsverfahrens, dass wir alle Möglichkeiten ausloten und dort, wo wir sehen, dass etwas unvernünftig ist, auch von diesen Planungen abgehen können.

Zur Frage 21:

Da es keine Zwischenlösung gibt, kann ich Ihnen auch keinen endgültigen Preis für diese Zwischenlösung nennen. Was wir versuchen werden, ist – aber auch das hängt von der Typenentscheidung ab –, wenn die Lieferung nicht zeitgerecht in der für uns erforderlichen Stückzahl möglich ist, dass wir eine Kooperation mit den jeweiligen Armeen, die dieses Gerät schon im Dienst haben, eingehen, damit in Österreich derartige Flugzeuge bereits auf einer Mietbasis, aber mit eigenen Piloten und eigener Infrastruktur, zum Einsatz kommen können.

Zur Frage 22:

Die von Ihnen angesprochene "Überbrückungslösung", bei der Kampfjets von firmeneigenen Technikern und Ingenieuren gewartet werden, ist nicht vorgesehen. Deshalb kann ich Ihnen auch den Hintergrund dieser Frage nicht beantworten, und deshalb entfällt auch die Beantwortung der Frage 23.

Zur Frage 24 betreffend die zweisitzigen Jets:

Diese wurden optional angeboten; das Hauptangebot waren die 24 Einsitzer. Eine Entscheidung, ob und in welcher Zahl wir diese Flugzeuge anschaffen, ist ebenfalls nicht getroffen worden. Auch das hängt natürlich von den Rahmenbedingungen, vor allem vom Preis ab.

Zur Frage 25:

Diese habe ich Ihnen, so glaube ich, beantwortet, vor allem, was die Abfangjäger angeht. Wir haben aber auf jeden Fall auch vor, Lufttransportkapazität einzumelden. Sie wissen ja, dass es gelungen ist, drei Transportflugzeuge der britischen Luftstreitkräfte vom Typ Herkules anzuschaffen.

Zu den Fragen 26 bis 28 betreffend die Lenkwaffen:

Die zu beschaffenden Lenkwaffen sind für alle Typen gleich, und zwar Kurz- und Mittelstrecken-Lenkwaffen vom Typ Sidewinder und AMRAAM. Es wird für eine Luftraumüberwachung eine ausreichende – und eine minimale – Zahl angeschafft. Eine genauere Auskunft kann ich Ihnen hier aus Gründen der militärischen Sicherheit nicht geben. Auch die Anschaffungskosten richten sich nach den Angeboten der Firmen, wir werden aber versuchen, möglichst viele der Sidewinder, die jetzt schon beim Draken in Betrieb sind, auch für das neue Flugzeug zu verwenden.


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Die Frage 29 fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen. Ich weiß aber, dass das Bundesministerium für Finanzen die notwendigen Rahmenbedingungen selbstverständlich nach der Typenentscheidung, wenn man auch weiß, wie viel Geld hiefür aufzuwenden ist, schaffen wird und entsprechende Vorsorge betreibt.

Ich hoffe, dass ich diese Fragen nicht nur erschöpfend, sondern auch ausführlich und ausreichend beantwortet habe und dass ich vielleicht das eine oder andere Argument einbringen konnte, um auch bei Ihnen ein Umdenken zu erreichen, denn – und dies vielleicht noch als kleines scherzhaftes Argument –: Ich habe mir einmal gedacht, als ich bei der Übernahme des neuen Schützenpanzers mit dabei gewesen bin und wir alle das sehr begrüßt haben: Was würde ich jetzt sagen, wenn ich damals aus parteitaktischen Interessen beim Mech-Paket dagegen gewesen wäre?

Sie haben ja das Ziel, auch einmal wieder in eine österreichische Bundesregierung zu kommen – ich persönlich wünsche mir natürlich, dass das noch einige Zeit dauern wird, aber Ihre persönlichen Absichten werden sicherlich in diese Richtung gehen. Wenn Sie sich nun diese Lieferzeiten vor Augen führen, dann werden Sie merken, es könnte durchaus einmal sein, dass Sie dann Zehntausenden oder vielleicht Hunderttausenden Österreichern, die, wie beim Flugtag in Zeltweg vor zwei Jahren, unseren Luftstreitkräften, unseren Piloten zugejubelt haben und stolz auf das Gerät sind, erklären müssen, warum Sie damals bei der Beschaffung dagegen gewesen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.30

Vizepräsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Alfred Finz zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

19.30

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich brauche nicht mehr auf die allgemeinen Ausführungen einzugehen, da Herr Bundesminister Scheibner dazu bereits sehr ausführlich Stellung genommen hat. Ich möchte betonen, dass ich mich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließe. Ich beschränke mich daher auf die Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zu den Fragen 1 und 2 betreffend den Kaufpreis:

Da der Bundesminister für Landesverteidigung noch keinen Kaufpreis weiß, weiß natürlich auch das Finanzministerium noch keinen Kaufpreis. (Bundesrat Kraml: Lauter unbekannte Zahlen! – Ruf bei der SPÖ: ... unwissend!)

Die Fragen 3 und 4 betreffen Details dieses Kaufpreises, Zahlungsfristen und dergleichen. – Da dem Finanzministerium weder die Firmenanbote noch die Typenentscheidung bekannt sind, können auch diese Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt selbstverständlich nicht beantwortet werden. (Ruf bei der SPÖ: Na, Sie wissen nicht viel!)

Frage 5 bezieht sich auf die Frage, ob damit das Nulldefizit gefährdet ist. – Wir vom Finanzministerium gehen wie bei allen Fragen davon aus, dass wir trotz umfangreicher neuer Aufgaben – Aufgaben, die notwendig sind und zu denen wir uns auch bekennen – den Stabilitätskurs als einzig richtigen Budgetkurs beibehalten. Wir wollen vom Kurs einer 30-jährigen Defizitwirtschaft eindeutig und endgültig abgehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Entschuldigen Sie, ..., aber Sie wissen noch nicht, wie Sie es bedecken werden!)

Frage 6 bezieht sich auf den Bedeckungsvorschlag. – Da das Projekt noch nicht entschieden ist, konnte das Finanzministerium allenfalls zu treffende haushaltsrechtliche Maßnahmen selbstverständlich noch nicht in die Wege leiten. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Frage 7 bezieht sich wieder auf die Typenentscheidung. Ich verweise hiezu auf die vorige Antwort. Die Typenentscheidung im eigentlichen Sinn wird ausschließlich durch den Bundes


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minister für Landesverteidigung getroffen. Es gibt laut dem Bundesministeriengesetz eine klare Trennung, wer wofür verantwortlich ist.

Frage 8 bezieht sich darauf, ob eine allfällige Skepsis gegenüber der Erfindung von Mehrausgaben nun plötzlich gewichen sei. – Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die grundsätzliche Entscheidung über den Ankauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen durch die Bundesregierung. Die Bundesregierung erachtet diesen Ankauf aus sicherheitspolitischen Überlegungen für notwendig. Im Übrigen sind Fragen nach den persönlichen Befindlichkeiten nicht vom Fragerecht gemäß § 24 der Geschäftsordnung des Bundesrates umfasst.

Frage 9 bezieht sich auf die budgetäre Situation im Landesverteidigungsministerium, insbesondere auf die Vorbelastungen. – Vorbelastungen werden normalerweise über das Jahresende abgewickelt, um den Haushalt fortzuführen, weil es Lieferfristen gibt, weil man trotzdem Bestellungen vornehmen muss. Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung hat richtigerweise ausgeführt, dass wir es im Rahmen der Landesverteidigungsbudgets mit Investitionen im militärischen Bereich zu tun haben, die sich über Jahre erstrecken. Daher haben Vorbelastungen dort einen anderen Charakter und sind natürlich nach den einzelnen Geschäften zu beurteilen. Sie dürfen nicht mit demselben Maßstab gemessen werden wie in einem anderen Ministerium.

Frage 10: "Wie hoch sind diese mit Stand Mai 2002?"

Der Stand der Gesamtvorbelastung im Kapitel 40, militärische Angelegenheiten, beträgt mit Stichtag 31. Mai 2002 639 Millionen €. Das gilt bis zum Jahr 2011.

Zur Frage 11: "Haben Sie diese Vorbelastungen im Einzelnen genehmigt?"

Die Vorbelastungen werden vom Finanzministerium gemäß den gesetzlich vorgesehenen Mitbefassungsregeln nach § 45 des Bundeshaushaltsgesetzes genehmigt. Außerdem wird darüber quartalsweise dem zuständigen Ausschuss des Nationalrates selbstverständlich berichtet.

Die Fragen 12 und 13 beziehen sich wieder auf Detailunterlagen betreffend Life Cycle Costs, Lebenszyklus und so weiter. – Wir haben derartige Unterlagen nicht. Diese wurden für jenen Zeitpunkt, zu dem die Typenentscheidung gefallen sein wird, zugesagt, aber wie bereits bekannt ist diese noch nicht getroffen worden.

Die Fragen 14, 15, 16 und 17 beziehen sich auf die Kompensationsgeschäfte. – Wie bereits Medienberichten zu entnehmen war, hat es substanzielle Nachbesserungen bei den Offset-Angeboten gegeben. Im Übrigen verweisen wir darauf, dass Fragen nach Kompensationsgeschäften in die Kompetenz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit fallen. Für konkrete Gegengeschäftsangebote gilt natürlich die Vertraulichkeit – Geschäftsgeheimnis, Betriebsgeheimnis.

Zur Frage 18, wie wir die Kompensationsgeschäfte beurteilen:

Der Ankauf der Flugzeuge soll Vorteile für die österreichische Wirtschaft bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes betonen, weil das Gegengeschäft so negativ beurteilt wird – Sie haben das Beispiel gebracht: Kaufen wir 100 Flugzeuge, dann können wir uns damit sogar Sozialleistungen finanzieren –:

Bei den Kompensationsgeschäften geht es meiner Ansicht nach in erster Linie darum, dass wir High-Tech-Industrien, die wir anders nicht bekommen würden, in unser Land bekommen. Die militärische Forschung und Entwicklung hat eben einen High-Tech-Bereich, der erst viel später in den zivilen Bereich Eingang findet. Daher ist es für uns, für die österreichische Volkswirtschaft, auch interessant, dass wir diesen technisch innovativen Bereich, den wir sonst gar nicht erhalten würden, in unser Land bekommen. Das ist der Hauptzweck.

Natürlich muss man dann beim Kaufpreis in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit einkalkulieren, dass durch Gegengeschäfte letztlich auch Arbeitsplätze im Inland geschaffen


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werden – Arbeitsplätze, mit denen wiederum Steuereinnahmen verbunden sind – und dass dieser Ankauf insgesamt gesehen bei weitem nicht so teuer kommt, wie er zu sein scheint. Aber natürlich ist ein Ankauf immer zu finanzieren – er dient jedoch der militärischen Sicherheit.

Ich hoffe, dass ich alle Anfragen zur Zufriedenheit beantwortet habe. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

19.37

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zuerst, Herr Bundesminister, möchte ich Ihnen eine Graphik aus dem "Kurier" überreichen, in der die Anzahl der Kampfflugzeuge unserer Nachbarländer genau aufgelistet ist. (Der Redner überreicht Bundesminister Scheibner die Graphik. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Scheibner.  – Bundesrat Konecny: Sie ist zumindest veröffentlicht! Sie können sie gerne berichtigen lassen! – Bundesrätin Schicker: Schweden und Finnland habe ich weggelassen, weil sie keine Nachbarländer sind, aber sonst müsste die Rechnung aufgehen, die ich aufgestellt habe!)

Zur Frage der Beschaffung der Kampfflugzeuge: Ich möchte zuerst einmal betonen, dass ich der vollen Überzeugung bin – Sie haben das auch angesprochen –, dass der Einsatz des österreichischen Bundesheeres insbesondere bei Friedenseinsätzen im Rahmen der UNO beziehungsweise im Rahmen anderer internationaler Vereinigungen hervorragend ist. Ich meine auch, dass die Anschaffung von Transportkapazitäten in diesem Rahmen eine wichtige Beschaffung ist, und wir unterstützen das selbstverständlich auch und haben nichts dagegen.

Bei den so genannten Kampfflugzeugen ist das etwas anders. Sie haben davon gesprochen, dass Sie in Afghanistan waren. Ich denke, dass die Menschen dort nur eines wollen: Sicherheit und Frieden. Friede und Sicherheit sind aber nicht mit Kampfflugzeugen erreichbar. Für die Erreichung von Sicherheit und Frieden ist vielmehr sehr viel Arbeit, die in diesem Land wartet, erforderlich. Daher sind auch unsere Soldaten dort, um die Bevölkerung zu unterstützen, die Parteien auseinander zu halten und entsprechend zu arbeiten. Das ist eine sehr langwierige Angelegenheit, da gebe ich Ihnen völlig Recht, und ich unterstütze auch diesen Einsatz, denn dieser ist ganz wichtig. Gerade für diese Einsätze brauchen wir aber keine dieser Kampfflugzeuge.

Sie haben von der Beschaffung der Mechanisierung gesprochen. Dazu darf ich sagen, dass diese der ÖVP-Verteidigungsminister, wenngleich in einer ÖVP-SPÖ-Koalition, vorgenommen hat, und zwar in Anbetracht der Situation des Kalten Krieges.

Dafür ist Herr Fasslabend jetzt der Panzerminister. (Bundesminister Scheibner: Das war 1997!) Na ja, ihm gehören die Panzer. Zu Ihnen gehören die Kampfflugzeuge, und Sie sind dann der Kampfflugzeugminister.

Zur Zwischenlösung und zu dem, worüber ich von Ihnen nichts gehört habe, möchte ich gerne aus einer Aussendung zitieren: Die Änderungen der Übergangslösung bei der Draken-Nachfolge sind nach Ansicht des Beschaffungsexperten im Verteidigungsministerium, Heribert Wagner, im Sinne des Gesamtprojekts nötig gewesen. Wegen der Zwischenlösung darf ja nicht die Beschaffung von 24 Fliegern scheitern, sagte er am Dienstag Abend vor Journalisten. Das europäische Eurofighter-Konsortium hätte mangels einer Zwischenlösung im ersten Angebot eigentlich aus dem Wettbewerb ausgeschieden werden müssen, räumte Wagner ein. (Bundesrat Konecny: Oh!)

Wie erklären Sie sich das? – Darauf hätte ich gerne eine Antwort, wie das mit den Entscheidungen und diesen Zwischenlösungen ist; denn irgendwie bin ich ein bisschen verwirrt. Ihre Antworten haben mich vom Prinzip her nicht überzeugt und mir auch nicht gezeigt, wie es sich damit verhält. Aber Sie können das gerne noch aufklären.


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Im Prinzip handelt es sich bei dieser Beschaffung um die größte staatliche Einzelinvestition der Nachkriegszeit; noch nie ist in Österreich so viel Geld ausgegeben worden. Ich denke, diese Ausgaben haben wenig Sinn. Es gibt viele Menschen, die vom Grundsatz her gegen diese Ausgaben sind und die Sie vorher auch entsprechend belastet haben, denn eines Ihrer Credos in der Bundesregierung war ja das Nulldefizit.

Die Frage, die sich mir auch stellt, ist: Brauchen wir diese Kampfflugzeuge, wenn man die sicherheitspolitische Lage Österreichs in Europa betrachtet? – Hiezu sagen Experten, dass die Bedrohung Österreichs abnehme. Das Heeresnachrichtenamt kam im Juni 2001 zu einem eindeutigen Schluss: Die Streitkräfteentwicklung im Umfeld Österreichs spiegelt generell bereits langfristig erkennbare Tendenzen in ganz Europa wider. Die Streitkräfte der Nachbarstaaten werden vor dem Hintergrund der geringen bis nicht mehr vorhandenen Bedrohung und Kürzungen der Militärhaushalte weiter reduziert.

Ich frage mich, warum wir, wenn das abnimmt, tatsächlich diese Milliardenausgabe nötig haben, warum wir diese Ausgabe brauchen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist alles erklärt worden! – Bundesrat Konecny: Nicht sehr überzeugend, Herr Minister! In der Tat! – Bundesminister Scheibner: Das tut mir Leid! – Bundesrat Konecny: Aber wir sind die Adressaten Ihrer Argumente! – Weitere Zwischenrufe.) Es geht nicht darum, dass man etwas nicht hören will, sondern ich habe mir das sehr genau angehört und habe auf viele unserer Fragen keine eindeutigen Antworten bekommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso?)

Ich möchte jetzt noch einmal zu diesem Bedrohungsbild kommen. Von den technischen Möglichkeiten her gesehen verfügen nur noch Russland, Rest-Jugoslawien und in sehr begrenztem Umfang die Ukraine – sie haben einige Stück als Zerfallsprodukte des ehemaligen kommunistischen Blocks – über Fluggerät, das in der Lage wäre, österreichischen Luftraum zu bedrohen. Politisch betrachtet, ist eine Bedrohung des Luftraums seitens Russlands nur im Fall einer neuerlichen und aggressiven Systemkonfrontation zwischen Ost und West möglich. Herr Bush war bekanntlich in Russland, und er hat Russland an den Tisch der NATO geholt. Gemeinsam wurde dies auch in Italien in einem großen Akt besiegelt. Dieses Bedrohungsbild gibt es also vom Grundsatz her nicht mehr. Daher frage ich mich, warum diese Kampfflugzeuge dennoch notwendig sind.

Man argumentiert damit, dass man bestimmte Dinge verhindern muss. Ein jüngeres Szenario aus der US-Literatur hat dieses Motto: postmoderner Terrorismus Marke Sportflugzeug, das Radar unterfliegt und Massenvernichtungsmaterial ... und so weiter. Da möchte ich daran erinnern, dass es auch mit Kampfjets nicht gelungen ist, genau diese Dinge zu verhindern. Es ist außerdem nicht gelungen, zu verhindern, dass ein Pilot – wie auch immer, und welche Handlungsweise er auch gesetzt hat – in den Pirelli-Tower geflogen ist und dort Unheil angerichtet hat. Das wird wahrscheinlich auch mit den österreichischen Kampfjets, die angeschafft werden, nicht verhindert werden können. Wofür brauchen wir sie also?

Noch ein weiterer Punkt zu den Kompensationsgeschäften: Hiezu möchte ich zwei an sich der Österreichischen Volkspartei angehörende Herren zitieren, und zwar zunächst Herrn Leitl. Herr Leitl sagt in einer Aussendung Folgendes: "Skeptisch äußerte sich Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl zu den Erwartungen, dass der Ankauf von Abfangjägern für die österreichische Wirtschaft Kompensationsgeschäfte in größerem Umfang bringe. In einem Interview in der Freitagausgabe der ‚Oberösterreichischen Nachrichten’ warnte Leitl vor Euphorie in diesem Zusammenhang" – weil das immer wieder genannt wird.

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung meint ebenfalls am 20. 4. in der "Neuen Kronen Zeitung": "Die Abfangjäger-Gegengeschäfte entpuppen sich vorerst als Flop. Befürchtungen bewahrheiten sich." – Und dennoch, Herr Bundesminister, sind Sie für den Kauf!

Jetzt noch einmal zu den Kosten, und zwar zu einer interessanten Aufstellung, einer Kostenschätzung über den Einsatz der Abfangjäger: Wenn in Zukunft die gleiche Einsatzhäufigkeit wie in den letzten fünf Jahren – 48 Einsätze – anfällt, dann sind das über den Lebenszyklus der neuen Abfangjäger, nämlich zwanzig Jahre, insgesamt 192 Einsätze. Wenn man die Anschaf


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fungskosten durch die Zahl der Einsätze dividiert – und so weiter und so fort –, kommt dabei heraus, dass jeder Einsatz 9,5 Millionen € kosten wird.

Anders gesagt heißt das: Die gesamte Unfallrentenbesteuerung kostet die invaliden Menschen 145 Millionen € im Jahr – das sind rund 15 Flüge mit den Kampfjets. Die Abschaffung der gesamten beitragsfreien Mitversicherung kostet die Menschen rund 18 Millionen € im Jahr – damit werden rund zwei Flüge mit den Abfangjägern finanziert. Die Ambulanzgebühr kostet die Menschen rund 72,7 Millionen € im Jahr – damit werden rund acht Flüge der Kampfjets finanziert. Die Studiengebühren kosten die Menschen 1,6 Milliarden Schilling oder 117 Millionen € – damit werden zwölf Flüge mit den Abfangjägern finanziert. Die Autobahnvignette kostet die Menschen 14,4 Millionen € – das sind eineinhalb Flüge, die damit finanziert werden. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Und die SPÖ-Schulden, das wären 300 Blindflüge?)

Herr Bundesrat! Wir reden jetzt, hier und heute, als Opposition über die Anschaffung von Kampfflugzeugen. (Bundesrat Bieringer: ... auf Autobahnkilometer!) Sie regieren jetzt, und wir reden jetzt über diese Dinge, die in dieser Regierung jetzt geschehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Darüber reden wir jetzt! Ich verstehe überhaupt nicht ... (Bundesrat Schöls: Haben Sie eine Meinung zur Landesverteidigung, eine verantwortungsbewusste?) – Ich habe natürlich eine Meinung zur Landesverteidigung, aber das ist jetzt nicht Gegenstand der Debatte.

Ich verstehe überhaupt nicht, warum ich ... (Bundesrat Schöls: Das ist Ihr Problem! Damit müssen Sie fertig werden!) Ich verstehe Sie eigentlich nicht, und ich brauche Ihnen auch keine Antwort zu geben. Das ist nicht notwendig. Ich rede über andere Dinge und nicht über diese Fragen. Sie regieren jetzt, Sie müssen sich jetzt die Fragen gefallen lassen, und wir mussten sie uns vorher gefallen lassen. So ist das ganz einfach in der Demokratie, und so wird das auch immer sein, dass es auf der einen Seite Regierungsparteien und auf der andere Seite Opposition gibt. (Bundesrat Schöls: Das nenne ich Logik!) Als Opposition hätte ich gerne eine Auffassung dazu gehört und die Frage gestellt, wie das mit den Kampfflugzeugen ist. (Beifall des Bundesrates Kraml.  – Bundesrat Schöls: Ist das von der Opposition abhängig oder von Ihrer politischen Verantwortung? Das frage ich Sie! – Bundesrat Boden: ... wisst nichts mehr! Alles vergessen! – Ruf bei der ÖVP: Haben sie dir nichts davon erzählt?) – Auf die Frage dieser Geschichte komme ich ein bisschen später zu sprechen!

Ich denke aber, dass die Frage von Kampfflugzeugen und die unzulängliche Beantwortung auch damit zu tun haben, dass sich der Herr Bundesminister bei diesem ganzen Beschaffungsakt eigentlich nicht ganz wohl fühlt. In seiner eigenen (Bundesminister Scheibner: Sagen Sie mir, welche Frage ich nicht beantwortet habe!) Partei gibt es die unterschiedlichsten ... (Bundesminister Scheibner: Welche Frage habe ich nicht beantwortet?) – Sie haben sie für mich nicht zureichend beantwortet. (Bundesminister Scheibner: Welche? Sagen Sie mir, welche Frage ...!) Ich habe Ihnen schon einen Punkt gesagt. (Bundesminister Scheibner: Die habe ich alle gesagt!) Gut, dann muss ich es zur Kenntnis nehmen, wie es ist. (Bundesminister Scheibner: ... diese Frage gestellt!)

Deswegen sage ich Ihnen trotzdem, warum zum Beispiel jetzt in der Öffentlichkeit über diese Kampfflugzeuge nicht diskutiert wird. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Machen Sie einen Vorschlag!) Es gibt die unterschiedlichsten Auffassungen. Ich möchte gerne in Erinnerung rufen, dass zum Beispiel Frau Vizekanzlerin Riess-Passer gemeint hat, dass im Rahmen der Steuerdiskussion die Steuerreform Priorität vor der Beschaffung von Abfangjägern habe. (Bundesminister Scheibner: Oder beides!)  – Gut.

Herr Bundesminister Grasser hat sich skeptisch über die Beschaffung von Abfangjägern in dieser Legislaturperiode ausgesprochen. (Bundesrat Schöls: Was hat denn der Herr geschäftsführende Klubobmann Cap für eine Meinung? Wenn er eine hat!) Es ist kein Geld im Budget. Außerdem zeigte sich Grasser von den Kompensationsgeschäften nicht überzeugt.

Herr Landeshauptmann Haider spricht sich, so wie die Vizekanzlerin, dafür aus, die Steuerreform gegenüber der Frage der Abfangjägerbeschaffung vorzuziehen. Dafür sollten nur die Voraussetzungen geschaffen werden, die Abwicklung des Kaufs stehe nicht vor 2004 oder


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2005 zur Diskussion. (Bundesminister Scheibner: ... ist auch so!) Ja, aber trotzdem gibt es diesbezüglich sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen Ihren Parteimitgliedern (Bundesrat Schöls: Wer hat denn da den Auftrag zu vergeben?) , Ihren Regierungsmitgliedern und Ihnen. (Bundesrat Schöls: ... Partei ausgeschlossen worden wie Leikam?) Sie sind ja 100-prozentig für die Beschaffung, alle anderen sind eigentlich nicht dafür. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wo sind Ihre verteidigungspolitischen Vorschläge, Herr Kollege?)

Ich möchte nur gerne aufzeigen, wie unterschiedlich da die Auffassungen sind. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wo sind Ihre Vorschläge?) Am 24. 8. 2001 hat Grasser seine Bedenken gegen Abfangjäger vor einer etwaigen Kaufentscheidung erneut geäußert. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Was ist Ihr Konzept, Herr Kollege?) Und jetzt kommt das, was Herr Finz bestritten hat: Vor einer etwaigen Kaufentscheidung bedürfe es der Freigabe durch den Finanzminister, die Entscheidung sei also noch nicht gefallen und so weiter und so fort. Sie reden ja bereits über Geld. Aber Sie sagen in Ihrer Anfragebeantwortung, dass Sie nicht wüssten, wie viel das kostet, Herr Staatssekretär!

Das ist eine sehr interessante Geschichte. Hier wird von den Regierungsmitgliedern der Freiheitlichen Partei und der ÖVP ständig darauf hingewiesen, wie das mit Abfangjägern oder mit Kampfflugzeugen sei. Es wird über Geld geredet, und trotzdem gibt es keine budgetären Vorsorgen. Das ist sehr interessant! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Ihr Konzept ist, den Luftraum nicht zu verteidigen, oder?)

Es gibt noch jede Menge Zitate, ich könnte noch sehr viel zitieren über diese Fragen und darüber, wie unterschiedlich die Auffassungen sind. Besonders ein Zitat möchte ich gerne noch bringen. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Ihr Konzept: den Luftraum nicht zu überwachen!) Der freiheitliche Bundesrat und Oberst – jetzt beantworte ich einmal etwas mit einem anderen –, John Gudenus spricht sich strikt gegen den Kauf von neuen Abfangjägern aus. Aus seiner Sicht wäre der 1,8 Milliarden teure Kauf nicht vertretbar und vergeudetes Geld. Nach seinen Angaben gibt es in weiten Teilen des Militärs Skepsis gegenüber der Anschaffung neuer Abfangjäger. Stattdessen sollte Luftraumüberwachung mit modernen Radareinrichtungen durchgeführt werden – ich meine auch, das würde reichen –, die FPÖ dürfe sich der Stimmung im Volk gegen Abfangjäger nicht verschließen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Das ist nur ein Beispiel. Kollege Gudenus ist jetzt nicht da, wahrscheinlich musste er (Bundesrat Konecny: Der ist bei den Gegenstimmen!) die Sitzung jetzt betreffend diese dringliche Anfrage kurzfristig verlassen.

Es gäbe noch jede Menge zu zitieren. Ich möchte aber zum Schluss Herrn Staatssekretär Finz fragen – im morgigen "Kurier" steht: Grasser meint, dass das Nulldefizit wackelt –, wenn jetzt dieses Dogma, dieser Altar des Nulldefizits, der aufgebaut worden ist, zu wackeln beginnt, kann man sich in Anbetracht dieser Situation tatsächlich diesen Ankauf der Kampfflugzeuge überhaupt noch leisten. Das hätte ich Sie noch gerne gefragt. Sie bezeichnen sich ja – Sie haben ein Interview als zukünftiger ÖVP-Landesparteiobmann gegeben – als "Anwalt der Steuerzahler". Wenn Sie der Anwalt der Steuerzahler sind, dann frage ich Sie jetzt: Kann man sich diesen Deal überhaupt leisten? Kann man sich diese Kampfflugzeuge überhaupt leisten? Und wie stehen Sie zu der Leistung als Anwalt der Steuerzahler? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Herr Bundesminister! Ich hätte noch gerne gefragt, wie das Gerät jetzt überhaupt zu bezeichnen ist. Sind das Überwachungsflugzeuge? Sind das Kampfjets? Sind das Abfangjäger? Oder was ist das überhaupt? (Bundesminister Scheibner: Wie Sie wollen!) – Wie ich will – ich kann das also interpretieren, wie ich will. (Bundesrat Konecny: Ach, "wie Sie wollen"! Da können wir es uns aussuchen!) Ich kann mir jetzt aussuchen, wie ich es will! Das heißt, das sind jetzt die Kampfjets (Bundesrat Konecny: ... die eierlegende Wollmilchsau!), die im Rahmen der europäischen Verbände gemeinsam den bösen Feind, den es in Europa nach meiner Auffassung nicht mehr gibt, bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.56


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
688. Sitzung / Seite 163

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

19.57

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion ist meiner Ansicht nach sehr klar, und ich glaube, man muss dazu auch sehr klare Äußerungen machen. Es wäre natürlich ideal, wenn wir im Paradies leben würden und alle diese Dinge nicht bräuchten. Die Realität ist, wir brauchen sie, und wir brauchen heute noch eine Luftraumüberwachung in Österreich. Es wäre natürlich wunderschön, wenn es schon ein voll geeintes Europa mit einer gesamteuropäischen Landesverteidigung geben würde! Das ist aber nicht der Fall. (Bundesrat Bieringer: Das wollen sie auch nicht!) Deswegen ist die Notwendigkeit da, dass wir die Möglichkeit haben, unseren Luftraum zu überwachen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist aus verschiedensten Gründen notwendig. Ich möchte ein bisschen zurückgehen: Es wurde schon vom guten Kollegen Konecny richtig gesagt, keine Verwechslungen zwischen der Zeit des Kalten Krieges und dem Folgenden anzustellen, aber der Landesverteidigungsrat hat mehrfach für die Nachbeschaffung entschieden, erstmals schon 1985, und zwar anlässlich der damaligen Draken-Beschaffung. Wir brauchen das wegen des Schengen-Vertrages, wir sind absolut gezwungen und haben die Verpflichtung, den Luftraum zu kontrollieren und zu sichern.

Wir haben in Europa im jetzigen Moment natürlich die Realität, dass kein Staat bereit ist, die Luftraumüberwachung in Österreich durchzuführen. Das sind Realitäten, mit denen wir leben müssen, und deshalb müssen wir auch richtig handeln. Sicherheit kostet Geld, und Sicherheit ist, so glaube ich, eine wesentliche Sache, sodass sie aus jedem Parteienstreit herausgehalten werden muss! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

Ich glaube, dass gerade bei den Sozialdemokraten immer das Bewusstsein vorhanden war, dass eine Landesverteidigung sehr wohl notwendig ist. Ich denke da an viele Gespräche mit dem langjährigen Wehrsprecher der Sozialdemokratischen Partei, Anton Gaál. Ich muss aber auch sagen – und dies wurde heute hier schon gesagt –, dass die erste Anschaffung der Draken noch in der Zeit des Kalten Krieges, damals unter einer SPÖ- und FPÖ-Regierung, erfolgte. (Bundesrätin Schicker: Da gab es noch Feinde! Die haben wir nicht mehr!) Es war selbstverständlich – das wurde heute auch schon erwähnt – in einer Absprache, wäre es zu einer Fortsetzung der großen Koalition im Jänner 2000 gekommen – ich habe die schriftlichen Unterlagen hier und könnte sie vorlesen, aber ich glaube, sie sind allgemein bekannt –, auch die SPÖ für die notwendige Luftraumüberwachung und für die Anschaffung modernen Gerätes.

Ich glaube auch und hoffe selbstverständlich, dass wir in Europa rasch weiterkommen. Vor zehn Jahren hätte kaum jemand angenommen, dass Österreich so rasch in die EU kommt. Vor drei Jahren hätte kaum jemand geglaubt, dass wir heute mit dem Euro bestens arbeiten können.

Ich hoffe deswegen auch, dass wir genauso, wie wir es für die innere Sicherheit in den Staaten, aber auch in Gesamteuropa brauchen, eine gemeinsame Verteidigung im europäischen Raum zu Stande bringen. Die Realität wird dies auch sein, weil kein Weg daran vorbeiführt. Es kann heute die innere Sicherheit nicht mehr nur in einem Staat gehalten werden. Die Polizei braucht das – man hat die Europol-Bestimmungen und so weiter –, und wir brauchen das auch für die Verteidigung. Ich habe mir hier schon ein paar Mal erlaubt, dies privat zu sagen, dass ich schon seit etlichen Jahren bedauere, dass wir nicht in der europäischen Verteidigung verankert und auch nicht in der NATO sind.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich glaube, der Weg führt in die richtige Richtung, und wir brauchen jetzt die Luftraumüberwachung. Wir müssen uns ganz klar darüber sein, wenn wir im Rahmen dieser europäischen Verteidigung tätig sind, müssen wir auch ernst zu nehmende Partner für die Leute sein. Wir können dort nicht mit ehrenvollen, traditionellen Schützenvereinen auftauchen, sondern wir müssen auch zeigen, dass wir selbst in der Lage und bereit sind, uns für die Sicherheit des gesamten Kontinents – und heute geht es schon weit über den Kontinent hi


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688. Sitzung / Seite 164

naus – voll einzusetzen. Dazu brauchen wir eine Luftraumüberwachung, dazu brauchen wir auch das nötige Gerät, und das sind diese Abfangjäger, die es möglich machen, den Luftraum in Ordnung zu halten. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm und Haunschmid. )

20.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

20.02

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Als einer, der in der Region Aichfeld-Murboden wohnt und tagtäglich mit der militärischen Geschichte – nämlich auch in meinem Job als AMS-Leiter – konfrontiert ist, aber auch als Reserveoffizier des österreichischen Bundesheeres kenne ich die Szene rund um die Abfangjäger oder Kampfjets, wie immer man sie nennen möchte, genau. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Landwehrstammregiment aufgelöst – ich war bis 1995 Zugskommandant im Rang eines Oberleutnants, Jägerbataillon 18. Im Zuge der Umstrukturierung wurde das Bataillon aufgelöst. Ich habe meine Wehrpflicht erfüllt, nämlich die 90 KÜ-Tage abgeleistet, und befinde mich derzeit im Vorruhestand eines Reserveoffiziers. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: ... schon in der Friedensbewegung!)

Die gesamte Diskussion über die Abfangjäger, die in der Region stattfinden wird, aber auch jetzt stattfindet, muss man gesamteuropäisch sehen. Die Diskussion um das Bedrohungsbild, welches es nicht mehr gibt, ist in dieser Frage ganz anders zu sehen. Die Alternativen und Gegenvorschläge müssen und sollen akzeptiert werden. Der eine soll den anderen nicht ausspielen, es gibt Alternativen zu diesem geplanten Ankauf. Nicht nur wegen der Belastung in der Region – ich werde später darauf eingehen, die Übung "Amadeus 2000" zeigt uns, was auf uns zukommt – möchte ich auf strukturelle Probleme innerhalb des Bundesheeres einmal grundsätzlich eingehen und Sie, Herr Bundesminister, fragen: Ist die Finanzierung dieser Truppen gesichert, bevor wir uns andere Szenarien leisten?

Generaltruppeninspektor Horst Pleiner sagte im Februar im "Kurier", dass es zu einer Veränderung des Szenarios gekommen ist: Das Feindbild ist ein anderes geworden. Das wissen wir alle, und das heißt, auch die Strategien sind neu auszurichten. Das Mech-Paket, das Sie erwähnt haben, wurde seinerzeit klarerweise unter der SPÖ-ÖVP-Koalition beschlossen. Sie werfen uns immer wieder vor, dass wir in unseren Ressorts früher überproportional finanzielle Mittel ausgegeben haben. Das Mech-Paket unter Minister Fasslabend hat genauso Belastungen für das jetzige Budget beinhaltet, wobei wir jetzt wissen, dass wir das Mech-Paket in dieser Größenordnung nicht mehr benötigen. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Ich zitiere Generaltruppeninspektor Horst Pleiner: "Eine der letzten Taten des vormaligen VP-Verteidigungsministers Werner Fasslabend war die Beschaffung von 114 Kampfpanzern ‚Leo-pard’, 90 Raketenjagdpanzern ‚Jaguar’, die Bestellung von 110 Schützenpanzern ‚Ulan’ und die Modernisierung der Artillerie. Doch die Panzergrenadierbrigaden blieben Stückwerk. Es fehlen Aufklärungsmittel, es gibt keine gepanzerte Fliegerabwehr. Die Schützenpanzer sind verrottet ..." (Bundesminister Scheibner: Schützenpanzer sind im Mech-Paket ...!) Ja, aber sie verrotten. (Bundesminister Scheibner: Das sind die alten! Jetzt kommen dann die neuen ...!) – Ja, ich komme dann ... (Bundesrat Schöls: Wann kommen Sie denn dazu?) – Lassen Sie mich ausreden, Kollege Schöls, lassen Sie mich ausreden!

Ich zitiere weiter: "Auch die nun hochmoderne Artillerie bleibt stumm, weil die LKW für den Munitionsnachschub fehlen. Selbst die Behebung dieses Mangels würde international keine besondere Anerkennung bringen. Es gibt bei den europäischen Nachbarn Überkapazitäten an Artillerie. Deshalb hat man in Brüssel die österreichischen Artilleriebataillone als Beitrag zur EU-Eingreiftruppe dankend abgelehnt."


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688. Sitzung / Seite 165

Herr Bundesminister! Was wir in der Ausrüstung brauchen, ist aufgezählt. Wir brauchen entsprechende Ausrüstungsgegenstände, die auch international und im Ausland einsatztauglich sind. Für den Katastrophenschutz brauchen wir Gerät. Wir brauchen multifunktionelle Transportkapazitäten. Die Erfahrungen bei Auslandseinsätzen haben gezeigt, dass die österreichische LKW-Flotte nicht einsatztauglich ist.

Transportmaschinen – dazu gratuliere ich Ihnen! Mit der Anschaffung von Transportflugzeugen wurde der nötige Raum für den Transport unserer Soldaten in das Ausland sichergestellt. Ich denke auch an den Bereich der Katastropheneinsätze. Die Anschaffung entsprechender Transporthubschrauber auf Grund der Erfahrung von Galtür hat gezeigt, dass wir diese Hubschrauber ... (Bundesminister Scheibner: Sind Sie dagegen?) – Ich sage dazu, das war in Ordnung. Das heißt aber, dass dafür entsprechende finanzielle Mittel und Kräfte für internationale Operationen auch zukünftig bereitgestellt werden müssen. Sie wissen, dass dieses Gesamtpaket 863 Millionen € oder 11,9 Milliarden Schilling kosten wird.

Wir wissen aber auch, dass die Vorbelastung Ihres Budgets – Kollegin Schicker hat es gesagt – derzeit bei 40 Prozent liegt. Wenn man jedoch weiß, dass die Personalkosten 60 Prozent Ihres Budgets ausmachen, dann frage ich Sie, wie Sie all das finanzieren möchten.

In der Zeitschrift "Der Soldat" schreibt ein gewisser "Observer" einen Leitartikel. Ich weiß nicht, wer er ist, ich weiß nur so viel: Er ist ein hoher Offizier im Brigadiersrang im Verteidigungsministerium. (Bundesrat Schöls: Er weiß es doch!) Er schreibt: "Das Bundesheer ist finanziell am Ende. Das Investitionsvolumen – so hört man aus dem Verteidigungsministerium – sei ‚Minus-Null’. Der Betrieb des Heeres kann selbst bei allergrößten Sparmaßnahmen nicht mehr normal aufrechterhalten werden. Restriktionen in allen Bereichen sind angesagt. Übungen – das unverzichtbare Muß einer jeden Armee, will sie ihre Einsatzbereitschaft erhalten – können kaum noch stattfinden. Die materielle Not ist himmelschreiend ..." – und so weiter und so fort. Ich glaube, Sie kennen diesen Artikel.

Weiters: "Was soll denn diese Art von Politik, ..." (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Sie müssen zum Punkt kommen! – Bundesrat Schöls: Er will ja kommen ...!) Ja, ich weiß, dass Sie es nicht hören wollen. – Es heißt also weiter: "Was soll denn diese Art von Politik, bei der man Ziele setzt, internationale Versprechen für eine Beteiligung an der EU-Truppe abgibt, aber das Heer weiterhin aushungert?" – Das heißt, es gibt nicht einmal mehr für die notwendigsten Dinge entsprechendes Geld. (Bundesrätin Haunschmid: Das hat es die ganzen 30 Jahre nicht gegeben bei Ihnen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derzeit führt das Bundesheer in unserer Region die so genannte Übung "Amadeus 2000" durch. Kampfflieger aus Frankreich, der Schweiz und Italien üben Luftraumüberwachung, es ist dies ein Vorgeschmack auf das, was uns noch bevorsteht. Tagtäglich hört man in der Region, was sich da abspielt. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Aber Günther, du hast doch gerade gesagt, wir müssen üben!) Makabres Detail am Rande: Jets ließen Pfarrer verstummen.

Ja, es ist so! Das ist die Wahrheit, das spielt sich ab bei uns in der Region, meine Damen und Herren! Ihr seht es nicht, ihr hört es nicht, ihr wohnt nicht dort. Bitte fahrt einmal hin! Gestern war Bundeskanzler Schüssel in der Steiermark, aber nicht in unserer Region, sondern in Hartberg; dort hört er die Jets ja gar nicht. Zu der Aussage von Kollegin Klasnic – "ich vertraue darauf, dass wir leise Flieger kaufen" – muss ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall! Ganz andere Dimensionen nehmen diese Flieger an.

Kürzlich hat eine sehr interessante Diskussion im Aichfeld stattgefunden. Anwesend waren: Abgeordneter Gradwohl, SPÖ, Herr Kogler von den Grünen und Herr Brigadier Jung von den Freiheitlichen. Nicht anwesend: die ÖVP – wie in der gesamten Diskussion in unserer Region ist die SPÖ nie anwesend. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schöls. ) – Die ÖVP, Entschuldigung! (Ruf bei der ÖVP: Wie der Schelm denkt!) Das war ein Freud’scher Versprecher. Die ÖVP war nicht anwesend!


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688. Sitzung / Seite 166

In dieser Diskussion, die sehr sachlich abgelaufen ist, wurden Pro und Kontra dargestellt. Das Ergebnis in der Region war, dass sich sowohl Gegner als auch Befürworter nicht emotionell, sondern sachlich auseinander setzen sollen und müssen. Auch die Zwischenbemerkungen hier zeigen, dass eine alternative Denkungsart nicht erlaubt und nicht gewünscht ist.

Hinsichtlich Kompensationsgeschäfte würde ich mich freuen und hoffe darauf – insbesondere als Leiter der AMS-Geschäftsstelle in Judenburg, weil es derzeit in unserer Region eine sehr hohe Arbeitslosigkeit gibt –, dass wir, wenn das Projekt zu Stande kommt – ich hoffe natürlich nicht –, Nutznießer ... (Heiterkeit bei der ÖVP.) Wenn, ja! Es ist schon beschlossen. Tut nicht so, es ist ja schon beschlossen! Also muss man in Alternativen denken. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.) Wenn wir schon den Lärm haben, dann sollen wir, wenn es dazu kommt, auch Nutznießer sein, und nicht andere Regionen!

In diesem Sinne hoffe ich trotzdem, dass das Volksbegehren im Juli entsprechend für uns ausgeht und wir diese Abfangjäger nicht kaufen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

20.15

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich bin den Sozialdemokraten eigentlich sehr dankbar: Sie waren immer politisch kalkulierbar und einschätzbar. Wenn man den heutigen Tagesverlauf hernimmt, dann muss man sagen, sind sie umso leichter kalkulierbar und einschätzbar, und sie haben das heute hier einige Male belegt.

Sie sind für die Familienhospiz – und stimmen dagegen. Sie sind für die Entsendung eines Behindertenvertreters in die Ethik-Kommission – und stimmen dagegen. Sie sind für eine Novelle des Krankenanstaltengesetzes – und stimmen dagegen. Meine Damen und Herren! Sie brechen mit den parlamentarischen Usancen und haben versucht, uns eine parteipolitische Veranstaltung "aufs Auge" zu drücken: Sie verlängern hier die Sitzung mit drei "Dringlichen", damit dort niemand teilnehmen kann! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben in der kleinen Koalition 1983 bis 1986 die erste Generation der Überwachungsflugzeuge angeschafft – heute sind Sie dagegen. Sie haben in der von Ihnen formulierten und nicht mehr zum Tragen gekommenen Regierungserklärung vereinbart, dass eine Nachbeschaffung erfolgen muss – heute sind Sie dagegen. Meine Damen und Herren! Das ließe sich wirklich stundenlang fortsetzen! Ich sage: Die SPÖ ist mehr als kalkulierbar. (Bundesrat Konecny: Tun Sie es! Sie haben nur 20 Minuten!) Sie sind leicht einschätzbar, Sie sind wirklich entlarvt.

Zur Begründung der heutigen "Dringlichen": Sie haben die Diktion "Kampfflugzeuge" gewählt und fragen dann: Was ist es? Sind es Kampfflugzeuge? Sind es Überwachungsflugzeuge?

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie beklagen – auch das ist in der Präambel nachzulesen –, dass in den letzten fünf Jahren nur 48 Einsätze geflogen wurden. Ich frage Sie von der SPÖ allen Ernstes: Wollen Sie mehr Einsätze? Verlangen Sie mehr Luftraumverletzungen? – Dann sagen Sie es uns, dann begründen Sie es! Wenn das nicht Ihre Absicht ist, meine Damen und Herren von der SPÖ, dann formulieren Sie präziser, dann nehmen Sie eine Position ein, und bleiben Sie dabei! Dann werden Sie auch Ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen.

Meine Damen und Herren! Ich darf nur anhand eines Beispieles die Haltung der SPÖ dokumentieren. Wir haben zum Beispiel in der Steiermark rund 2 200 Brandbekämpfungs- oder Feuerwehrfahrzeuge. Die Brandbekämpfung selbst beträgt Gott sei Dank lediglich 7 Prozent. Niemand würde deshalb darüber nachdenken und allen Ernstes verlangen: Wir machen keine Nachbeschaffung mehr, wir rüsten die Feuerwehren nicht mehr nach. Niemand würde das tun. Wenn ich aber jetzt der SPÖ-Diktion und SPÖ-Zielrichtung folgen würde, dann müsste ich eigentlich auch beim Feuerwehrwesen sagen: Wir haben nur 7 Prozent Brandbekämpfung, da


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her sollten die Slowenen, die Deutschen, die Portugiesen oder wer auch immer die Brandbekämpfung für die Steiermark übernehmen. – Das wird nicht funktionieren! (Bundesrat Rosenmaier: Von der Feuerwehr hast du nicht viel Ahnung!)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen vielmehr moderne Luftfahrzeuge, nicht um Krieg zu führen, sondern wir wollen unseren Luftraum selbst überwachen und die Souveränität unseres Staates selbst aufrechterhalten. (Bundesrat Freiberger: Mit einem Heißluftballon!)

Meine Damen und Herren! Es ist die Region rund um das Aichfeld als möglicher Standort angesprochen worden: Ich komme wie mein Vorredner auch aus dieser Region, aus dem unmittelbaren Bereich von Zeltweg. Selbstverständlich ist die Wirtschaft dafür, dass eine Nachbeschaffung erfolgt. Die überwiegende Mehrheit in der Region ist dafür, dass eine Nachbeschaffung erfolgt, weil Tausende Arbeitsplätze daran hängen, weil es Aufträge für die Region und vor allem für die Wirtschaft in der Region gibt, weil die Kompensationen für die Region erforderlich sind und weil sich die Region mehrheitlich zur Landesverteidigung bekennt.

Meine Damen und Herren! Es muss noch bemerkt werden, dass die SPÖ-FPÖ-Regierung, also die damalige kleine Koalition, die erste Generation angeschafft und installiert hat. Interessant ist aber, dass seither in diesem Bereich sehr wenig passiert ist – lediglich, dass die SPÖ ihre Position geändert hat, indem sie jetzt nicht nur gegen die Überwachungsflugzeuge, sondern mit ihrer Haltung auch gegen die umfassende Landesverteidigung ist.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Betreiben Sie nicht diese Kindesweglegung in Sachen Landesverteidigung! Das Thema ist zu wichtig und zu ernst. Versuchen Sie auch nicht einen unglücklichen Absprung! Den Fallschirm, den Sie sich erwarten, wird es für Sie in dieser Frage nicht geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

20.21

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Verzeihen Sie mir, Herr Staatssekretär, wenn ich mich heute nicht so sehr mit Ihren Ausführungen befasse! Das ist nicht unhöflich gemeint. Eigentlich müsste es ein Instrument geben, das besagt, jemand kann frühzeitig weggehen, wenn er – in dem Fall auf Grund der Sachlage – nicht sehr viel beitragen kann.

Zwischen der Suche des Vincenz Liechtenstein nach dem Paradies und den Ausführungen des Herrn Verteidigungsministers liegen, so möchte ich sagen, Täler und Berge. Der Herr Verteidigungsminister hat eine sicherheitspolitische Situation gezeichnet, sodass ich mir überlegt habe: Habe ich eigentlich schon irgendwo eine Bunkermiete? – Eine solch krasse Bedrohung, oder zumindest der Versuch, eine solche Bedrohung zu zeichnen, um dann anderes zu begründen, ist schon von ziemlich weit weg herbeigezogen worden.

Lieber Vincenz Liechtenstein! Im Paradies leben wir nicht. Aber wir leben sicherlich in der friedlichsten Zeit, in der unser Land je gelebt hat. Und wir leben sicherlich in der ruhigsten geographischen Gegend, in der man derzeit wahrscheinlich leben kann, nämlich im Herzen Europas, umgeben von Freunden und befreundeten Staaten. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Vincenz Liechtenstein! Es gibt einen Ausspruch, von dem ich mir immer wieder denke: Das ist eine Keule in der politischen Debatte. Wenn jemand sagt: In der Sicherheitspolitik ist die Parteipolitik herauszuhalten, dann frage ich mich: Was heißt das? – Das heißt, und daraus folgt meiner Meinung nach, das darf nicht ernst gemeint sein. Man kann doch nicht sagen – auch der Herr Minister hat es gesagt –, bitte, was tut denn in der Sicherheitspolitik die Parteipolitik. Das heißt: Verzichtet auf eure Meinung und folgt mir, eurem Führer, der sagt, wo es sicherheitspolitisch langgeht! (Bundesrätin Haunschmid: "Führer"?) – Na ja, zum Beispiel Meinungsführer.


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688. Sitzung / Seite 168

Die Sicherheitsinteressen Österreichs sind schon gefährdet, keine Frage, sowohl zu Lande als auch zu Luft und zu Wasser. (Bundesrätin Haunschmid: Zu Wasser?) – Zu Wasser! Aber diese Gefährdung kommt in allererster Linie aus der Atomtechnologie und aus der Gentechnologie. (Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Von einer ernst zu nehmenden militärischen Bedrohung ist nichts zu sehen. Oder unterstellen Sie das der NATO? – Wir sind nahezu nur von NATO-Staaten umgeben, und es werden immer mehr. Vor allem werden die EU-Außengrenzen weit von Österreich entfernt gezogen werden.

Jetzt kommt diese MiG-Geschichte; der Herr Verteidigungsminister hat das auch angesprochen: MiG-Angriff auf Graz. Ich muss über diese Geschichte immer wieder schmunzeln. Erstens war das eine MiG, die sich verflogen hatte und keine kriegerische Absicht gegenüber der steirischen Landeshauptstadt hegte. (Bundesrätin Haunschmid: Und wie haben sie es festgestellt?) Sie hatte das Land wieder verlassen, bevor noch ein Draken aufgestiegen war. Eine Zweite hatte in Klagenfurt Asyl gesucht. Das war die ganze Geschichte. Diese verflogene MiG und die Exil suchende MiG müssen immer für Dutzende Abfangjäger herhalten. Das ist so eine Mär! Sie kennen mich, und Sie wissen, dass ich mich selten aufrege, aber bei solchen Schauergeschichten ist es soweit – tut mir Leid! (Bundesrat Schöls: Aber jetzt schauspielern Sie schlecht!) – Verschlucken Sie sich nicht. (Bundesrat Schöls: Sie haben schon besser gespielt!)

Zur Souveränität Österreichs: Wir müssen die Souveränität Österreichs sichern – aber doch nicht mit 24 Luftraumüberwachungsflugzeugen! Die Souveränität Österreichs, Herr Nittmann, sichern Sie mit drei Dingen: Das Erste ist, dass Sie tatsächlich eine aktive Neutralitätspolitik betreiben, zum Zweiten ist es eine couragierte, offene Außenpolitik, und das Dritte ist – das ist jetzt vielleicht für Ihre Partei oder die Partei des Ministers ganz wichtig – eine offene und aktive Politik der EU-Erweiterung. Dann verschiebt sich der Sicherheitsrahmen Österreichs sehr weit. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit den ersten beiden Punkten haben Sie Recht! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Herr Kollege Himmer! Ich bin innerhalb meiner Partei immer dafür gewesen, dass es auch eine militärische Landesverteidigung gibt. Aber das hat mit Abfangjägern nichts zu tun. Die Sicherheit Österreichs wird durch Abfangjäger nicht verbessert und nicht erhöht. (Bundesrat Dr. Nittmann: Auch nicht durch einen NATO-Beitritt! – Weitere Zwischenrufe.) Tut mir Leid, die wichtigste sicherheitspolitische Maßnahme ist außenpolitisch die Neutralität und in Europa natürlich auch das Netz der sozialen Sicherheit, das wir nur durch ein vereintes Europa schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Was die Bedrohungsszenarien betrifft, so verstehe ich schon, Herr Minister, dass man sich wahnsinnig schwer tut, das zu rechtfertigen. Gegen Terror-Attentate kann man weder mit Kanonen, Panzern noch mit Abfangjägern etwas dagegenhalten, und im Übrigen planen weder Tunesien, Argentinien noch Liechtenstein – (in Richtung Bundesrat Dr. Liechtenstein:) Entschuldigung, ich meine das Land – irgendeinen Übergriff. Auch die EU, Kollege Schöls, schreibt keine Abfangjäger für Österreich vor. Es gibt keine EU-Richtlinie, die besagt (Bundesrat Schöls: Hat auch niemand behauptet!): Liebe Österreicher, schafft euch Abfangjäger an! Das ist nicht so. (Bundesrat Schöls: Hat auch niemand erzählt!) Na ja.

Deshalb kommt immer der Ruf, nicht an die Grünen, aber an die SPÖ – sehr interessiert, trotz der späten Zeit und der langen Debatte –: Wo ist denn diese verantwortliche Oppositionspolitik? – Es ist verantwortliche Oppositionspolitik, meine Damen und Herren, zu verhindern, dass Steuergelder falsch und sinnlos ausgegeben werden! Wir sind da nicht allein. Ich nenne jetzt drei Namen von Ihrer Partei – auch von der ÖVP gibt es diese –: Grasser, Gorbach, Gudenus.

Herr Gudenus! Es ist schon sehr interessant ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Wie meinen Sie?) Es ist schon sehr interessant, dass Sie jedes Mal, wenn wir über die Frage der militärischen Landesverteidigung unter dem Aspekt Abfangjäger sprechen, verstummen. Da verschwinden Sie. Ich weiß, dass Sie eine andere Meinung haben. Aber Sie sind doch ein couragierter Mann des österreichischen Bundesheeres einmal gewesen, Sie sollten zumindest ... (Bundesrat Konecny: Ist er noch! – Bundesrätin Haunschmid: Ist er noch!) "Gewesen" bezüglich Courage –


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 169

er hat sie ja nicht mehr, weil er sie der Parteidisziplin untergeordnet hat! (Bundesrat Schöls: Zuerst zitieren Sie ihn mit einer anderen Meinung, und dann sagen Sie, er hat keine Courage?)

Herr Kollege Gudenus traut sich diese Meinung, die er einmal geäußert hat – dann dürften es Telefonate geworden sein ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Wir hören seither nichts mehr. Sehen Sie, er schaut ja so gequält, Herr Böhm, ziehen Sie es nicht noch in die Länge, es geht einfach nicht, bitte! Ich verstehe es, Herr Gudenus, ich entschuldige mich, dass ich darauf aufmerksam gemacht habe! Ich tue es heute zum vorletzten Mal. (Bundesrat Mag. Gudenus: ... wie heute war ich schon lange nicht mehr, Herr Kollege!) Irgendwann werden wir noch einmal darüber reden müssen, weil Sie an sich sehr interessante Ausführungen gemacht haben.

Ein bisschen noch zum Thema selbst: Die Ankaufssumme, die sich zwischen 1,45 Milliarden € und 1,8 Millionen € bewegt, soll über neun Jahre, so sagt Schüssel, zurückgezahlt werden. Dazu, wie das passieren kann und wie es geschehen soll, gibt es derzeit keine Aussagen.

Auf der anderen Seite sehen wir im Zuge der Ausschreibung eine sehr interessante Sache. Alles, was mit Militärgeschäft zu tun hat, hat auch sehr viel mit Lobbying zu tun, und Lobbying ist immer eine Vermischung zwischen Politik, Wirtschaft und – in diesem Fall militärischen – Interessen. Im Jahre 2000 hatte Saab eine Studie in Auftrag gegeben, in der die wirtschaftlichen Vorteile des Gripen-Kaufs untermauert wurden. Im Oktober 2001 erfolgte die Ausschreibung, nachdem Finanzminister Grasser in der Regierung oder in der Partei weich geklopft worden war. Was dann aufgefallen ist – das kann man ziemlich genau dokumentieren –, ist, dass sich die Propagandastudie in wesentlichen Teilen des Ausschreibungstextes wiedergefunden hat. Praktisch alle in diesem Papier, nämlich in der Saab-Studie, aufgeführten Geschäftsfelder finden sich, fast direkt übernommen, auch im Ausschreibungstext wieder. (Bundesminister Scheibner: Welche hätten Sie nicht gerne drinnen?)

Meine Damen und Herren! Auf diese Sache werden wir und wird mit Sicherheit auch der Rechnungshof ein Auge werfen – da bin ich mir sicher, um – das nenne ich bereits einen ersten Erfolg – Licht in diese Frage zu bringen. Das Nächste sind all die Fragen der Systemeinführungs-Betriebskosten, die sich etwa auf den doppelten Wert der Anschaffungskosten für die ersten zehn Jahre belaufen. Wenn der Saab-Konsortiumssprecher Keenan glaubt, dass der Aufwand für 24 Abfangjäger bei einer Betriebsdauer von 40 Jahren etwa 634 Millionen € ausmachen wird, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren, ob wir dieses Geld für jene Sicherheitsinteressen, die ich am Anfang angesprochen habe und zu denen doch von einigen applaudiert worden ist, nicht besser und sinnvoller verwenden können.

Professor Streissler wurde schon erwähnt, ich möchte auf Grund der jetzigen Uhrzeit nicht mehr näher darauf eingehen. Die ganze Wunderdroge der Kompensationsgeschäfte straft sich selbst. Wir kaufen 24 Flugzeuge als Luftpolizei, um unbekannte und unidentifizierbare Flugobjekte kenntlich zu machen – tagsüber, nachts sind sie blind! Das heißt, wir werden diese Identifizierungen tagsüber vornehmen – bei einem Anschaffungspreis von vielen Millionen und Milliarden.

Meine Damen und Herren! All das geschieht vor dem Hintergrund einer Studie des Verteidigungsministeriums betreffend Ost-eurostrategische Lagebilder und die Bedrohung, und darin stellt das österreichische Bundesheer fest: Unter Berücksichtigung der sicherheitspolitischen Lage in Europa und des unmittelbaren Umfelds ist keine konventionelle militärische Bedrohung für Österreich erkennbar und auch nicht prognostizierbar. (Bundesrat Mag. Himmer: Wir bereiten uns einfach ...!)

Meine Damen und Herren! Bis an die Zähne bewaffnete Staaten gibt es genug, neutrale Vermittler – Herr Himmer, das könnten Sie vielleicht für Ihre Wiener Landespartei sein – gibt es zu wenige. Herr Minister! In diesem Sinne ersuche ich Sie dringend, nehmen Sie von einer solchen mutwilligen Vernichtung von Steuergeldern ohne einen entsprechenden sicherheitspolitischen Hintergrund Abstand! (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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688. Sitzung / Seite 170

20.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

20.34

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Eigentlich gibt es in der österreichischen Militärgeschichte offenbar ein paar Fälle von wirklichem Glück. Irgendwer – ich werde mich schlau machen, wer das war – muss im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Dampierre’schen Kürassierreiter abgeschafft haben. Wenn ich Ihrer Argumentationsweise folge, hätten wir sie noch! Sie hätten ein Bedrohungsszenario erfunden, für das wir die Dampierre’schen Kürassierreiter auch heute noch brauchen würden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Gudenus wurde schon apostrophiert. (Bundesrat Dr. Lindinger: Gegen die roten De-monstrationen wären sie ganz gut gewesen!) – Herr Kollege! Für Ihr demokratiepolitisches Verständnis, das Sie hier geäußert haben, bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich werde gerne bei einer anderen Diskussion darauf zurückkommen. (Bundesrat Freiberger: Da kommt die Wahrheit wieder heraus!)

Wir haben eine dramatische, aber ausnahmsweise einmal erfreulich dramatische Veränderung der sicherheitspolitischen Situation im Zentrum Europas. Der Herr Minister – Papiere, die sein Ministerium in Umlauf bringt – muss sich um diese Frage immer herumschwindeln. Ich habe das nicht wirklich so verstanden – das war das Beckmesserische, das habe ich auch manchmal –, also wir wissen nicht, dass Liechtenstein bei der NATO ist, dessentwegen sind wir zu rügen. Aber es war wohl nicht ernsthaft gemeint, dass von dort die Bedrohung für Österreich ausgeht! (Bundesminister Scheibner: Das habe ich auch nicht gesagt!) Es war nicht so eindeutig, aber ich gestatte mir auch, Sie zu interpretieren, und das ist ein durchaus legitimer kleiner Untergriff, um hier zu attackieren.

Aber bitte: Von wo soll denn wirklich die Bedrohung kommen? (Bundesrat Todt: Von oben!) Das ist bei Fliegern meist so! (Heiterkeit des Redners.) Aber von welchen von oben? – Genau das ist der Punkt. Sie haben es in der klügeren Version gemacht, weil es in der Argumentation oder in der Diskussion immer auch diejenigen gibt, die sagen: Wir brauchen die Abfangjäger wegen der Drogenschmuggler, die dann irgendwo auf einer Waldlichtung landen. Ich habe wegen der Geschwindigkeit des Gerätes, das Sie anzuschaffen beabsichtigen, gewisse Zweifel, ob es für die Bekämpfung von Drogen umladenden Bösewichten auf Waldviertler Lichtungen wirklich das richtige Gerät ist. – Aber Sie haben es nicht verwendet, und daher mache ich es Ihnen nicht zum Vorwurf.

Doch die Wahrheit bleibt, dass große Apparate – und Sie sind eben ein legitimer Vertreter dieses großen Apparates, minus ein paar Dissentern – immer versuchen, ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Wie gesagt, es wird mich niemand verdächtigen, dass ich allzu viele Gemeinsamkeiten mit Kollegen Gudenus habe, außer dass wir uns gerne unter die Gegenstimmen-Menschen mischen, weil sie uns sympathisch sind. Aber davon abgesehen, hält sich die Zahl unserer Gemeinsamkeiten in Grenzen. (Heiterkeit und Beifall der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Die klare Feststellung jedoch, dass sich die geopolitische Situation Österreichs seit der Draken-Abfangjäger-Nachbeschaffung grundlegend zum Vorteil Österreichs verändert hat – quote aus "Aula", was auch nicht mein Leib- und Magenblatt ist –, diesen Satz kann ich ebenso vollinhaltlich unterschreiben wie den Satz, den Divisionär Bernegger gesprochen hat und den auch Sie zitieren: Nach Ende des Kalten Krieges leben wir in einer Zone, in der Kriege undenkbar geworden sind. (Bundesrat Dr. Böhm: Um das geht es auch nicht dabei!) Ach so? (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!) Also kaufen wir Kampfflugzeuge, weil wir keine Kriege führen? (Bundesrat Dr. Böhm: Das sind keine Kampfflugzeuge, primär!)

Herr Kollege! Darauf habe ich schon den ganzen Abend gewartet. Der Herr Minister war klug genug, das nicht zu sagen – Sie nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Er weiß ja, was er gesagt hat – Sie nicht.

Ich zitiere aus dem Protokoll des Rates für Allgemeine Angelegenheiten in Brüssel, in dessen Rahmen auch die erste Sitzung der Verteidigungsminister bereits am 13. 5. als Teil dieser Tagung stattgefunden hat: "Scheibner" – ich wundere mich, dass die Botschaft Sie in einem Proto


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koll so respektlos tituliert, aber bitte, dann kommen einige Mitteilungen – "sagt, der Ankauf von Transportflugzeugen durch Österreich werde auch für die europäischen Kapazitäten relevant sein." – Richtig. "Außerdem plane Österreich, in Bälde Kampfflugzeuge anzuschaffen."

Ich habe das nicht gesagt, mich lädt man dort nicht ein, das hat der Herr Minister gesagt: Und das ist die gegenüber unseren europäischen Partnern abgegebene Bezeichnung unter dem Bild von dieser Maschine: "Kampfflugzeug"!

Herr Kollege Böhm! Offensichtlich gibt es hier Entwicklungen, die nicht einmal ein Fraktionsvorsitzender der FPÖ im Bundesrat mitgeteilt bekommt. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Skandal!)

Wir kommen also zurück zum Bedrohungsszenario und zur Wahrscheinlichkeit von Kriegen in Mitteleuropa. Sie ist nicht null. Der einzige Satz des Herrn Bundesministers, den ich auch vollinhaltlich unterschreibe, ist: Wir urteilen vom gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Es gibt eine Reihe von militärischen Fähigkeiten, die wir nicht, indem wir das Türl zusperren, beenden sollten. Die Aufwuchsfähigkeit – ich glaube, so sagen das die Militärs – muss also in vielen Bereichen gesichert bleiben, weil die gegenwärtige militärische Situation eben die gegenwärtige ist. Aber sie ändert sich nicht schlagartig, eine Veränderung der geopolitischen Lage hat auch ihre Vorlaufzeit, in der wir eine Chance haben, wenn wir die Aufwuchsfähigkeit gesichert haben, uns wieder auf Waffengattungen oder was immer es ist, zu stürzen, die dann vielleicht erforderlich sind. Aber um ehrlich zu sein, dazu brauche ich keine 24 Flugzeuge, die in der Luft sind.

Sie haben – und ich halte das, ich sage das ehrlich, Herr Minister, für ein wirklich disfunktionales und unehrliches Argument – mit der Terrorbedrohung operiert. Es hat im Februar in Spanien ein großes Luftmanöver der wesentlich höher gerüsteten spanischen Luftwaffe gegeben, um genau diesen Fall zu simulieren und festzustellen, was in diesem Land, in dem auch die Anflugszeiträume nach Madrid ein bisschen länger sind als von Bratislava nach Wien, getan werden kann. Das durchaus betrübliche Resultat ist: nichts! Es gibt keine irgendwo organisierbare Möglichkeit, gegen entschlossene Terroristen, die sich derselben Mittel bedienen wie in den USA, mit Abfangjägern oder vergleichbarem Gerät vorzugehen.

Sie können schon sagen, die Feuerwehr sorgt auch für ziemlich unwahrscheinliche Fälle und nicht nur für die verstiegenen Kätzchen vor. Richtig. Aber sie sorgt auch nicht für die Fälle vor, die sie nicht lösen kann.

Herr Minister! Wir haben diesbezüglich eine aktuelle Diskussion. Es gibt einen Bundesbahntunnel, bei dem die Feuerwehr sagt, wir kaufen das Gerät nicht, das für die Sicherung dieses relativ langen und komplizierten Tunnels erforderlich ist. Das können wir uns nicht leisten. Wenn ihr da darin fahren wollt, muss die Bundesbahn das selbst sichern. Die Bundesbahn, in diesem Fall auf das Militär übertragen, entspricht der Tatsache, dass wir eben in einer anderen geopolitischen Lage leben und dass es rund um uns Luftabwehr gibt. Wenn weit hinten aus Kasachstan eine Kampfstaffel gegen Wien vordringt, dann muss diese durch ein paar Lufträume durch. Wenn jemand einen deutschen Touristenflieger, der irgendwo über Wien fliegt, über Ungarn kidnappt, wird er das auch dann nicht sagen, wenn wir ihn anwacheln und anfunken, das heißt, wir haben keine realistische Möglichkeit, das zu verhindern.

Man soll Menschen auch die Wahrheit sagen. Und ich glaube nicht, Herr Minister, dass die zwei Drittel, die sagen, das sei eine falsche Entscheidung, rückständig, dumm und kurzsichtig sind, sondern ich glaube, sie sind nur verteidigungspolitisch weiter als Sie.

Zuletzt: Wenn wir eine solche Entscheidung treffen, nein, wir nicht, wenn Sie eine solche Entscheidung treffen und ignorieren, was seit der Grundsatzentscheidung in der Mitte der achtziger Jahre alles passiert ist – das war relativ viel –, dann stellt sich immer noch das finanzielle Argument.

Herr Staatssekretär! Es ist doch nicht ganz umsonst, dass Sie geschäftsordnungskonform dageblieben sind. Das Spiel, das Sie beide hier gespielt haben, war an sich bemerkenswert. Wir wissen nicht, was es kostet, das Verteidigungsministerium hat es uns noch nicht gesagt. Und: Wir wissen noch nicht, was es kostet, denn wir haben uns noch nicht entschieden. (Zwi


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schenbemerkung von Minister Scheibner. ) – Nein, nein, Herr Minister, es geht um etwas anderes. (Neuerliche Bemerkung von Minister Scheibner. ) Nein, darum geht es nicht, vor allem dann nicht, wenn ich den Herrn Staatssekretär frage. Für Sie mag es eine sehr große Rolle spielen, ob Sie um 10 Millionen € für ein konkretes Produkt mehr zahlen; eine Frage. Aber, mit Verlaub gesagt, bei einem Beschaffungsvolumen von 1,8 Milliarden ist das Wurscht. Wenn ich mich familiär entscheide, meinen mickrigen Mittelklassewagen durch ein Nachfolgemodell zu ersetzen, dann freue ich mich zwar sehr, wenn ich 2 Prozent Skonto oder 3 Prozent Rabatt herausschinden kann, aber die Dimension der Beschaffung muss irgendwie in meinem Budget enthalten sein.

Herr Staatssekretär! Die Dimension müssen auch Sie im Budget haben, aber eine Antwort auf diese Frage haben Sie sich erspart, indem Sie gesagt haben: Wir wissen noch nicht, welches es wird. – So gigantisch auseinander – das kann ich sagen, ohne natürlich eines dieser Kuverts eingesehen zu haben – liegen die Preisvorstellungen nicht. Schenken tut es uns niemand, und das Vierzehnfache verlangt auch niemand, der mit uns ein Geschäft machen will. Haben Sie also für jene 1,8 Milliarden, von denen wir alle hier pausenlos reden, vorgesorgt oder haben Sie nicht vorgesorgt? – Bitte, sagen Sie nicht, 2003 fallen noch keine Kosten an. Das mag auch richtig sein, aber das ist bitte die Haltung eines Kridatars, der ohnehin weiß, dass er im Herbst 2003 die Geschäftsführung in dieser Firma abzugeben hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu guter Letzt – und auch das soll ein klares Bekenntnis sein, und auch in diesem Fall, ich kann es Ihnen nicht ersparen, Herr Kollege (in Richtung von Bundesrat Mag. Gudenus), bin ich Ihrer Meinung –: Wenn wir – und das ist notwendig – ein Bundesheer haben wollen, das die heute gestellten Aufgaben zu erfüllen in der Lage ist, dann brauchen wir Transportkapazitäten. Da haben wir dann Typenentscheidungen zu treffen, wir müssen entscheiden, ob wir dieses oder jenes Angebot annehmen, aber im Prinzip ist für uns klar – das haben wir klar ausgesprochen –: Eine solche Kapazität brauchen wir. Aber wir brauchen noch eine Menge anderer Dinge auch, und zwar nicht deshalb, weil die bösen Roten das verhindern würden, sondern deshalb, weil halt in einem Staatshaushalt mit begrenzten Möglichkeiten beides nicht möglich ist, und deshalb ist eine militärische Prioritätenentscheidung zu treffen, wie Gudenus so richtig sagt.

Wenn wir also unsere Soldaten nach Afghanistan oder in andere Krisenherde schicken, ist zu überlegen: Was brauchen sie für Fahrzeuge, was brauchen sie für eine Ausstattung am Mann, Nachtsichtgeräte und ich weiß nicht, was alles, ich bin kein großer Militärexperte. Ich habe im "Spiegel" diese Woche die schöne Abbildung des deutschen Musterinfanteristen der Zukunft gesehen, der da voll verkabelt ist, mit der Antenne statt der drei Sterne auf der Achselklappe. Ich weiß nicht, ob das die beste Lösung ist, aber in die Richtung geht es wohl.

Herr Minister! Beides, Teddybär und eine vernünftige Ausrüstung, bekommen wir nicht. Das ist in diesem Land nicht finanzierbar. Und wenn ich mich vom Prestigeprojekt Kampfflugzeuge ohne praktischen Nutzen verabschiede und unter anderem mit der Opposition vernünftig rede, dann können wir uns eine Menge von Dingen vornehmen – etwa auch das Mech-Paket –, von denen die Truppe wirklich etwas hat, die das Leben unsere Soldaten schützen.

Ich weiß schon, Appelle sind in diesem Augenblick wirklich nicht mehr das Angemessene. Sie sind auf dieser schiefen Ebene so weit nach unten gerutscht, dass nur noch der Sprung ins Bassin bleibt, also das ist so eine Art Baderutsche. Da werden wir Sie nicht aufhalten können. Da müssten wir auch gegen die Schwerkraft von solchen Verhandlungen ankämpfen. Es ist schade drum. Es ist eine vergebene Chance für eine sinnvolle Ausrüstung unserer militärischen Kräfte zur Selbstverteidigung in dem geringen möglichen Umfang und zu einem friedenserzwingenden, friedenssichernden Einsatz, der unser neutraler Beitrag zur Sicherheit in der Welt sein könnte und sein sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

20.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

20.50

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz nur auf einige an mich gestellte Fragen antworten. Herr


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Bundesrat Kone
cny! Sie haben jetzt zum Schluss gesagt, was unser neutraler Beitrag zu friedenserzwingenden Einsätzen sein kann. Genau da haben wir schon eine Problematik in der Semantik. Aus meinem Verständnis heraus, was ein dauernd Neutraler für Voraussetzungen erfüllen müsste, schließt sich ein Beitrag zu friedenserzwingenden Maßnahmen gegen den Willen einer der Streitparteien, die man als Neutraler streng gleich behandeln muss, aus. (Bundesrat Konecny: Es gibt auch irreguläre Streitparteien, für die die Neutralität nicht gilt!) Aber bei friedenserzwingenden Einsätzen ist es sicherlich eine absolute Notwendigkeit, dass sich ein Neutraler nicht daran beteiligen kann. (Bundesrat Konecny: Wenn ein demokratisch legitimiertes Regime gegen irgendwelche Banden vorgeht, da muss das möglich sein!) Ja, wer definiert das, Herr Kollege Konecny? – Genau das ist das Problem. Aber hier gibt es eben sehr viele Widersprüchlichkeiten in sicherheitspolitischen Betrachtungen.

Genauso ist es bei der Beurteilung eines Bedrohungsbildes, meine Damen und Herren! Es wurde hier jetzt so oft gesagt, wir leben in einer Zeit, in der Kriege nicht mehr möglich sind, und in einem Umfeld, das friedlich ist, in dem es keine Bedrohungen mehr gibt. Das ist alles wunderbar und schön, wenn man das hier hört, ich hoffe nur, dass sich niemand irrt bei diesen Beurteilungen. Das ist immer das Problem, meine Damen und Herren: Beurteilungen kann man rasch abgeben. Eine Zeitung kann die Schlagzeile ändern, wenn sie sich geirrt hat. Auch Meinungsforscher können dann ein anderes Bild erheben, wenn sie sich geirrt haben. Der Politiker, vor allem der Regierungspolitiker, trägt die Verantwortung für die Folgen seines Irrtums.

Natürlich sind Beurteilungen auch dazu da, die Lage einzuschätzen. Das ist auch richtig so. Gott sei Dank – niemand will ein Schreckensszenario zeichnen, das es nicht gibt – gibt es derzeit keine militärische, keine konventionelle militärische Bedrohung gegenüber Österreich. Deshalb werden wir auch bei den Luftstreitkräften nicht 150 Kampfflugzeuge anstreben, wie sie etwa die Schweiz hat, sondern wollen 24 beschaffen. 150 wären vielleicht in der Lage, Luftverteidigung in einem Konflikt möglich zu machen. Das ist aber nicht sinnvoll. (Bundesrat Konecny: Eben!) Auch die Schweiz erkennt, dass sie da in einer Sackgasse ist. Aber die Luftraumüberwachung ist nach wie vor eine Notwendigkeit.

Ich sage Ihnen auch etwas zu diesen Irrtümern. 1989 haben wir auch alle geglaubt, dass Krieg in Europa nicht mehr möglich ist. Zwei Jahre später war der Krieg nicht nur in Europa, sondern an unseren Grenzen. Das österreichische Bundesheer – wenn ich diese Rechnung aufstelle, was ein Luftraumüberwachungseinsatz kostet – war einmal in der Geschichte in einem Fall der militärischen Landesverteidigung nach § 2 lit. a des Wehrgesetzes zum Einsatz gebracht worden. Einmal in der gesamten Geschichte des Bundesheeres! Das war nicht in der Zeit des Kalten Krieges, sondern 1991 während der Slowenienkrise.

Jetzt könnte man auch sagen: 23 Milliarden Schilling pro Jahr – hochgerechnet auf die Existenz des Bundesheeres seit 1955 – für einen militärischen Einsatz der Landesverteidigung! Mit Ihrer Argumentation könnte man sagen, für das eine Mal hätten wir das auch nicht gebraucht. Aber ich glaube, Herr Kollege Konecny, wir sind uns einig, dass ein Bedrohungsfall, mit dem man nicht gerechnet hat, den man auch nicht herbeigesehnt hat, für den wir nicht vorgesorgt haben, damit wir Schutz und Hilfe geben können, so viele Konsequenzen haben kann, die wohl niemand von uns verantworten kann. Das Problem ist, dass es niemand vorhersehen kann. Dazu kann ich Ihnen Hunderte Beispiele geben.

Auch unsere ABC-Abwehrtruppen wurde in den vergangenen Jahren vom Rechnungshof schon einmal kritisiert. Wozu braucht das Bundesheer ABC-Abwehrkapazität für einen Einsatzfall, der auch nicht, Herr Kollege Konecny, realistisch gewesen ist? (Bundesrat Konecny: Fragen Sie Kollegen Finz! Der hat das gesagt, nicht ich!) Es stimmt, dass unsere ABC-Abwehrtruppen für einen anderen Einsatzfall ausgebildet und vorbereitet worden sind, nämlich für den Schutz der eigenen Truppen in einem derartigen atomaren Kriegsfall.

Trotzdem, meine Damen und Herren, waren wir voriges Jahr froh, dass wir diese Truppen gehabt haben. Über 300 Mal sind diese Truppen nach dem 11. September gerufen worden. (Bun-desrat Konecny: Wer stellt das in Frage außer Kollegen Finz!) – Ja, jetzt nicht, damals schon. Einmal sind sie doch gerufen worden!


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Sie haben jetzt die Hubschrauber angesprochen. Vielleicht habe ich mich bei meiner ersten Wortmeldung nicht deutlich ausgedrückt. Ich sage Ihnen, über diese Anschaffung der Transporthubschrauber gab es nicht immer einen klaren Konsens, auch nicht in der Politik. Ich habe es erlebt im Nationalrat. Ich bin nicht kritisiert worden, ich bin ausgelacht worden, Herr Kollege Kone
cny, für meine Forderung, dass unsere Hubschrauberflotte im österreichischen Bundesheer nicht adäquat ist und zu wenig Transportkapazität hat. Ich bin dafür ausgelacht worden!

Nach Galtür war plötzlich der Konsens gegeben. Da war alles richtig und notwendig. Da war auch das Geld kein Problem. Nur zwischen dem Auslachen und dem Konsens sind einige Dutzend Tote gewesen. Ich will heute niemanden dafür verantwortlich machen. Aber die Frage sollten sich jene, die mich damals ausgelacht haben, schon stellen, ob nicht, wenn wir damals Vorsorge getroffen hätten, heute noch einige der Verunglückten am Leben sein könnten. Da stelle ich schon die Frage: Was sind Tote wert? Was ist die Vorsorge wert? Was ist das Menschenleben wert? Kann man das wirklich so gegenüberstellen, wie das auch heute wieder ge-macht worden ist?

Zum US-Terror wollte ich auch noch etwas sagen, weil Sie gesagt haben, das hätte gezeigt, dass man da keine Abhilfe schaffen kann. Ich sage Ihnen, nach unseren Informationen bin ich mir nicht sicher, ob nicht zumindest eine dieser Maschinen mittels militärischer Kapazitäten an einem weiteren Terroranschlag gehindert worden ist. Zweitens sehen wir, das genau dieses Nicht-für-möglich-Halten eines derartigen Einsatzes den Terroristen einen derartigen Einsatz erst ermöglicht. Wenn man Vorsorge betreibt, wenn man die Information hat – das ist auch wichtig, auch darüber wird diskutiert –, hat man vielleicht die Möglichkeit, die Abwehr zum Einsatz zu bringen – nicht sicher, aber vielleicht eine Möglichkeit. Wenn man die Kapazität nicht hat, helfen auch die Informationen nichts, denn dann kann man sicherlich keine Unterstützung, keine Sicherheit geben. (Bundesrat Konecny: Aber wozu oben umadumfliegen?)

Heute, Herr Kollege Konecny, ist das ja fast üblich. Bei fast allen Großereignissen gibt es die entsprechende Luftraumüberwachung permanent. Bei Staatsbesuchen, selbst bei der Fußballweltmeisterschaft gibt es das. Also jetzt plötzlich ist das Allgemeingut. Deshalb, so sage ich, sollte man vorsichtig sein mit derartigen Prognosen, was man ohnehin alles verhindern könnte oder nicht.

Herr Bundesrat Kaltenbach! Etwas wäre mir auch noch ein Anliegen, weil Sie gesagt haben, Sie kommen aus der Region, und die Lärmbelästigung dort wäre schon so stark. Wenn man sagt, man soll keine Ängste schüren, dann bin ich auch dieser Meinung, aber das gilt für alle Seiten. Wenn man dort argumentiert hat, dass es zu einer riesigen Lärmbelästigung kommen wird, dass es dort NATO-Kampfübungen geben wird, nur wegen dieser Neubeschaffung, dann ist das ganz einfach falsch. Wir ersetzen 24 alte durch 24 neue Flugzeuge.

Ich war selbst mehrmals in der Region, habe mit der Bevölkerung und auch mit den Bürgermeistern diskutiert. Ich will jetzt nicht sagen, was ich dort plötzlich an anderen Meinungen gehört habe, aber dort ist auch dargestellt worden, dass es über das Jahr gerechnet derzeit fünf Starts und Landungen von Draken gibt. Natürlich ist alles zur Kenntnis zu nehmen, die Lärmbelästigung gibt es, aber es geht um fünf Starts und Landungen durch den Draken.

Wer beim Flughafen Schwechat wohnt, weiß, was es heißt, wenn fünf Starts und Landungen in zehn Minuten stattfinden. Wenn Sie sagen, wir alle wissen nichts, dann sage ich Ihnen, ich bin neben der Straße aufgewachsen, die die meisten Verkehrsbewegungen in Österreich hat, nämlich am Wiener Gürtel: 100 000 Fahrzeuge am Tag! Wenn Sie mich vor die Alternative gestellt hätten, in Zeltweg aufzuwachsen oder dort, wo ich aufgewachsen bin, hätte ich mich für Zeltweg entschieden. Das kann ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen.

Es wird keine Ausweitung des Flugbetriebs geben, und wenn Sie die Flugübung "Amadeus" kritisieren, dann sage ich Ihnen, das zeigt die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit, zur Kooperation, die überall hier dargestellt worden ist. Aber kooperieren kann man nur, wenn man selbst etwas in diese Gemeinschaft einbringt. Es wird immer so gerne unter den Tisch gekehrt, dass sich die Schweiz an dieser Übung beteiligt hat, weil auch die Schweiz zur Kenntnis nimmt, dass


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diese Luftraumüberwachung in einer Kooperation erfolgen muss, dass man Vorwarnzeiten haben muss, damit man auch entsprechend reagieren kann, wenn es notwendig ist.

Die Sozialdemokraten und auch die Grünen haben immer Wert darauf gelegt, dass man den eigenen Luftraum auch sperrt, wenn es notwendig ist, etwa gegen militärische Flugzeuge. Ja, wie wollen Sie denn diese Sperre überwachen oder zumindest ein Signal setzen, dass wir irgendeine Kapazität haben, um diese Verletzungen zu verhindern? (Bundesrat Konecny macht eine verscheuchende Bewegung mit den Armen.) – Was war das jetzt? (Bundesrat Konecny: Was kann ich machen mit dem Abfangjäger? Wacheln? Was kann ich tun, wen der nicht reagiert?) – Na, ich kann signalisieren, dass wir jedenfalls Maßnahmen dagegen setzen.

Was wir nicht wollen, Herr Kollege Konecny, ist das Konzept meines damaligen Kollegen Kostelka, der als damaliger Klubobmann gesagt hat, wir brauchen keine Abfangjäger, sondern es reichen Radar und Lenkwaffen. Ich möchte nicht zuerst schießen und dann nachsehen, son-dern ich möchte mit diesen Kapazitäten die Bedrohung auch entsprechend realisieren. (Bundesrat Konecny: Was schauen Sie oben nach? Schauen Sie nach, ob der Pilot wirklich schläft und den Autopiloten eingeschaltet hat?) Wenn Sie glauben, dass das die einzige Aufgabe ist, dann lade ich Sie wirklich ein, zu uns in die Einsatzzentrale nach Zeltweg, zu unseren Luftstreitkräften zu kommen. Machen Sie sich einmal ein Bild vor Ort von den hervorragenden Leistungen unserer Piloten, dann werden Sie anders denken! (Bundesrätin Schicker: Wann sind wir eingeladen?)

Aber noch einmal zu Ihnen: Sie sind Infanterist, ich bin auch Infanterist von meiner militärischen Ausbildung her. Sie wissen, was es bedeutet, Infanterie irgendwohin – auch im Sinne der Euro-päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – in eine Krisenregion zu entsenden, in der man keine Lufthoheit hat. Das ist Selbstmord, und es ist unverantwortlich, Soldaten in einen derartigen Einsatz zu schicken. Darum geht es.

Sie haben auch gesagt, das Mech-Paket war nicht notwendig, gleichzeitig kritisieren Sie, dass die Schützenpanzer verrotten. Vorhin haben Sie gesagt, Sie waren für das Mech-Paket. Ich kenne mich jetzt, ehrlich gesagt, nicht ganz aus, was wirklich Sache ist. (Bundesrat Konecny: Das können wir nachher klären!) Tatsache ist: Das Mech-Paket war wichtig und notwendig, obwohl dort, Herr Bundesrat, auch Kapazitäten vorhanden gewesen sind (Bundesrat Konecny: Es sind nur einige Dinge nicht eingehalten worden!), die wir nicht für die militärische Landesverteidigung Österreichs brauchen werden. Den Kampfpanzer "Leopard" brauchen wir – hoffentlich und so, wie wir es jetzt sehen, Gott sei Dank – nicht zur militärischen Landesverteidigung. Trotzdem bin ich froh, dass wir ihn haben, weil das eines der wenigen Bereiche ist, in denen wir auch modernes Gerät in diesen gemeinsamen Topf der Europäischen Union mit einbringen und dieses Wissen und dieses Know-how – und das ist ausgezeichnet – auch entsprechend weitertragen können.

Zu Ihrer Anspielung auf die Vergangenheit der Reiterei möchte ich gar nicht viel sagen. Wir haben aber auch jetzt noch eine Tragtierstaffel, also eine Reiterei im österreichischen Bundesheer (Bundesrat Konecny: Das ist etwas Hervorragendes!); die gleichen Pferde, aber mit einer anderen Funktion. Genau darum geht es. Das Prinzip ist das gleiche: Es geht darum, aufgabenorientiert Sicherheitspolitik zu leisten.

Herr Bundesrat Schennach! Es stimmt natürlich nicht, dass die neuen Flugzeuge nicht nachtflugtauglich sind, das gilt für die alten. Genau deshalb ist es auch notwendig, in eine neue Technologie zu investieren.

Zu den neutralen Vermittlern: Ich kann Ihnen sagen, ich war in meiner Funktion als Verteidigungsminister etwa 30-mal auf bilateralen Besuchen im Ausland, auch in Krisenregionen. Es ist nicht mehr der neutrale Vermittler, der dort gefragt ist, sondern es sind starke Organisationen, wie es hoffentlich die Europäische Union – und wir sind auf einem guten Weg – einmal sein wird, die Sicherheitsgarantien geben können, die auch Druck ausüben können auf Streitparteien, auf Verhandlungslösungen einzugehen. Es kann und soll die Rolle eines Mitgliedslandes der Europäischen Union sein, es kann die Rolle Österreich sein, eine Brückenfunktion zwischen


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Krisenländern, zwischen Krisenherden und Europa auszuüben. Aber das ist nicht mehr die Funktion der neutralen Vermittler, sondern das ist die Funktion von starken Organisationen und glaubwürdigen Teilen dieser starken Organisationen. Wenn wir glaubwürdig Sicherheitspolitik einbringen wollen, dann müssen wir auch im gesamten Spektrum signalisieren, dass wir diesen Beitrag auch einmelden werden.

Ganz zum Schluss noch zur Sorge, die angesprochen worden ist, dass es in der FPÖ eine Uneinigkeit gibt: Ich würde mir wünschen – da gebe ich Kollegen Gudenus Recht –, dass er nicht nur heute hier unterstützt und gelobt wird, sondern auch bei all seinen anderen politischen Initiativen. (Bundesrat Konecny: Das wird er nicht!) Da werden wir einmal sehen, wie das ausschaut.

Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, es gibt eine klare Linie in der Regierung, in der FPÖ, und ich bin sicher, dass es in der SPÖ mehr Befürworter für dieses Abfangjägerprojekt gibt, als es bei den Freiheitlichen Gegner gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

21.04

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Bundesrat! Herr Bundesrat Todt hat an mich die Frage gestellt, ob durch die heurige Budgetsituation der Ankauf der Flugzeuge gefährdet sei. Das sind zwei Dinge, die miteinander nichts zu tun haben.

Wir haben derzeit noch entgegen den Planungen – so wie in ganz Europa, denken Sie an die Budgetnöte in Deutschland, an die Diskussion über den blauen Brief, denken Sie an die Situation in Frankreich, denken Sie an die Situation in Portugal – ein extrem schwaches Wirtschaftswachstum, ein Wachstum, das unter den Annahmen bei der Budgeterstellung gelegen ist. Daher haben wir natürlich entsprechend niedrige Einnahmen. Wir haben aber durch eine Arbeitslosigkeit, die höher ist, als wir angenommen haben, auf der Ausgabenseite höhere Ausgaben im Rahmen der Arbeitsmarktvorsorge.

Jetzt ist eine Entscheidung zu treffen. In wirtschaftlich schwachen Zeiten soll man die so genannten automatischen Stabilisatoren wirken lassen. Was heißt das? – Ich soll in wirtschaftlich schwachen Zeiten nicht höhere Ausgaben durch entweder höhere Einnahmen oder Ausgabenkürzungen woanders abdecken, weil ich dann das Wirtschaftswachstum negativ beeinflussen würde. Und das machen wir. Daher ist unter Umständen damit zu rechnen, dass wir nicht so wie im vorigen Jahr wieder ein Nulldefizit erreichen werden. Für das nächste Jahr gehen aber alle anerkannten Prognosen – siehe Wifo und andere – von einem Wirtschaftswachstum in der Höhe von 2,8 Prozent aus. Es kann sogar mehr sein. In diesem Sinne wird ein Ausgleich stattfinden. Ab wann die Finanzierung stattfinden wird – das wird entweder 2003 oder 2004 sein –, werden wir dann festlegen, wenn die konkreten Bedingungen vorhanden sind.

Herr Bundesrat Konecny! Sie haben beklagt, dass ich keine klaren Antworten gegeben habe. Ja, was haben Sie denn für Fragen gestellt? Wissen Sie nicht mehr, was Sie gefragt haben? – Ich wundere mich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben gefragt oder Ihre Fraktion hat gefragt: Ist Ihnen bekannt, wie hoch der Kaufpreis für die neuen Kampfflugzeuge ist? – Wenn noch nicht einmal die Typenentscheidung getroffen worden ist, wieso sollen wir im Finanzministerium wissen, wie hoch der Kaufpreis ist. Sie haben nicht nach der Dimension gefragt, also danach, wie hoch der Kaufpreis sein könnte. (Bundesrat Konecny: Das ist genau das, was Sie wissen müssen!) Sie sollten doch, wenn Sie Antworten erhalten wollen, bitte auch die entsprechenden Fragen stellen. Dann werden Sie die Antworten erhalten. (Bundesrat Konecny: Ich habe auch gefragt, ob Sie vorgesorgt haben!)

Wenn Sie fragen, um welche Dimension es sich handelt, dann kann ich mir 1,5 Milliarden €, vielleicht 2 Milliarden € vorstellen. Ich weiß es nicht. Ich kenne sie nicht. Erst wenn das Finanz


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ministerium ... (Bundesrat
Konecny: Das hätte ich gerne gleich von Ihnen gehört! Wo liegt die Untergrenze, wo liegt die Obergrenze?) – Das haben Sie aber nicht gefragt. (Bundesrat Konecny: Oh ja!) Sie haben nur gefragt: Ist Ihnen bekannt, wie hoch der Kaufpreis ist? Und dazu gibt es ein klares Nein. (Bundesrat Konecny: Nennen Sie eine Zahl!) Auf klare Fragen – ich komme aus dem Prüfungsgeschäft, aus dem Rechnungshof, und wir haben das immer erlebt – gibt es klare Antworten. Auf unklare Fragen gibt es unklare Antworten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

21.08

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Keine Angst, ich werde es kurz machen. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Konecny müsste eigentlich deprimiert sein. Er könnte einem direkt Leid tun. Es ist wieder kein Interesse des ORF gegeben, die ganze Inszenierung ist wieder voll danebengegangen.

Mir sind zu Ihnen, Herr Konecny, zwei Zitate eingefallen, die ich Ihnen kurz nahe bringen möchte: Wer sich als wertvoll erlebt, braucht sich nicht wichtig zu machen. – Das ist das eine, und das Zweite, das ich Ihnen gerne noch sagen möchte, lautet: Es gibt Hähne, die glauben, die Sonne sei aufgegangen, weil sie gekräht haben. – Da ist die Sonne, den Hahn können Sie selbst interpretieren. (Bundesrat Konecny: Das Problem ist nur, die Sonne ist untergegangen, während ich gesprochen habe!) – Dann haben Sie zu lange geredet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf die Veränderungen, wie sie in der Anfrage angeführt wurden, ist der Herr Minister schon deutlich eingegangen. Sie schreiben: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 braucht es keine Luftüberwachung mehr. Ich möchte Sie da noch einmal an den Jugoslawienkrieg Anfang der neunziger Jahre erinnern. Ich war vor zwei Wochen bei einer Auszeichnungsfeier für verdiente Militärangehörige und frühere Grundwehrdiener, die damals an der Grenze unten gestanden sind und mir erklärt haben ... (Bundesrat Konecny: Aber die waren herunten!) Die waren am Boden, das waren die Bodentruppen. Sie waren wirklich froh, dass sie Unterstützung von oben gehabt haben, denn wenn ein Flieger über sie drüberfliegt, wissen sie nicht, was passiert. Der kann herunterschießen. Gegen Angreifer von vorne oder von hinten kann ich mich noch verteidigen, aber von oben wird es dann schwierig. Das allein ist schon ein Grund, warum man diese Abfangjäger braucht.

Sie können einmal mit den Leuten reden. Sie haben gesagt, Sie sind kein Militärexperte, daher sollten Sie sich bei Militaristen oder bei Leuten, die im so genannten Kriegseinsatz gestanden sind, Informationen holen. (Bundesrat Konecny: Militaristen und Militärexperten sind meistens das Gegenteil!) Das sind Leute, die Grundwehrdiener waren und heute nicht mehr dem Militär angehören, aber die da unten gestanden sind. Die wissen, wovon sie reden. (Bundesrätin Schicker: Diese Zeit ist Gott sei Dank vorbei! – Bundesrat Winter: Fragen Sie den Gudenus!)

Sie müssen den Abfangjägerkauf auch als vorbeugende Maßnahme sehen. Ich bin im Exekutivdienst tätig. Wir empfehlen den Leuten Alarmanlagen. Da kann ich auch nicht sagen: Lassen Sie zuerst einbrechen, und dann installieren Sie die Alarmanlage! Man muss zuerst investieren, damit das Haus und das Eigentum geschützt sind, wenn wirklich ein Angriff kommt. (Bundesrat Konecny: War das ein Vorschlag von Ihnen, Alarmanlagen zu installieren?) Sie werden es wahrscheinlich mit Alarmanlagen machen, aber wenn man Sie dann von oben herunter zusammenschießt, dann schauen Sie durch die Finger. Dann haben Sie Pech gehabt. (Bundesrat Konecny: Warum empfehlen Sie mir das dann?)

In Ihrer Anfrage sind Sie auch unseriös, denn Sie schreiben von 48 Einsätzen in fünf Jahren, und laut Ihren Äußerungen war kein Fall ein wirklich ernster Einsatz. Was spricht eigentlich dagegen, dass in den nächsten Jahren nicht wirklich einmal ein ernster Einsatz sein kann? – Slowenien ist schnell überflogen. Sie wissen, die Jugoslawienkrise ist noch nicht vom Tisch. Da ist es möglich, dass noch Probleme auf uns zukommen. Ich kann das nicht ausschließen. Jedes Menschenleben, das durch nicht gerechtfertigte politische Entscheidungen aufs Spiel gesetzt


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wird, das da zu Schaden kommt, ist mir zu schade. Da sind mir keine Kosten zu hoch, um vorbeugende Maßnahmen zu treffen – analog zu diesem Beispiel mit der Alarmanlage, wie ich es erklärt habe.

Sie wissen genau, wie schnell es gehen kann, dass heute Nachbarn Freunde und morgen Feinde sind. Das ist im normalen Leben auch so, dass Sie heute einen guten Freund nebenan haben, und eines Tages wird gestritten, bis die Fetzen fliegen. Das kann es in der Welt auch geben. Das ist nicht auszuschließen. Ich muss vorbeugende Maßnahmen setzen, um im Ernstfall gerüstet zu sein.

Ich will es wirklich kurz machen. Die Schweiz hat der Herr Minister bereits angesprochen. Als Anrainer der Schweiz habe ich natürlich gewusst, dass sie 150 Flugzeuge haben und der "Kurier" mit 119 wieder einmal falsch liegt – wie in vielen anderen Sachen auch. (Bundesrat Konecny: Wer hat was von 119 gesagt?)

Ich möchte noch kurz zu Kollegen Todt kommen, der sich jetzt so angeregt unterhält. Bei Herrn Kollegen Todt habe ich wirklich den Eindruck gehabt, dass er überhaupt keine Ahnung hat. Es wären nämlich keine Ambulanzgebühren, keine Studiengebühren, keine Vignetten und so weiter notwendig, wenn die SPÖ im Rahmen ihrer 30-jährigen Schuldenpolitik damals vorbeugend gedacht hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 27. Juni 2002, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen neben der Wahl der beiden Vizepräsidenten beziehungsweise der Schriftführer und der Ordner für das zweite Halbjahr 2002 jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 25. Juni, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Ich wünsche Ihnen ein gutes Heimkommen.

Schluss der Sitzung: 21.14 Uhr