Stenographisches Protokoll

723. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 23. Juni 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

723. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 23. Juni 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 23. Juni 2005: 9.03 – 18.21 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geän­dert wird

2. Punkt: Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Pla­nung von Lärmminderungsmaßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz – Bun­des-LärmG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinarge­setz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002 und das Militärbe­fugnisgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 – WRÄG 2005)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das SE-Gesetz, das Handelsgesetzbuch, das Bankwesen­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz, das Genos­senschaftsrevisionsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz entsprechend der Entschließung des Nationalrats vom 29. Jänner 2004 zur Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft geän­dert werden (Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 – GesRÄG 2005)

7. Punkt: Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 2005 – KartG 2005)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert werden (Wettbewerbsgesetznovelle 2005)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebühren­gesetz, das Rechtspflegergesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Be­zirksgerichte in Graz geändert wird

11. Punkt: Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Men­schenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maß­nahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird

13. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien im Bereich der Kultur und der Bildung

14. Punkt: Kulturbericht 2003 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (For­schung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates

16. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Bildung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates

17. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Jahresvorschau des BMLFUW 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates

18. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvorschau des BMJ 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommis­sion für 2005 sowie des operativen Jahresprogramms des Rates für 2005

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005)

20. Punkt: Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHD-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005)

22. Punkt: Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammen­gesetzes

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Tierarzneimittel­kontrollgesetz, das Bangseuchen-Gesetz, das Rinderleukosegesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Bienenseuchengesetz geändert werden (Veterinärrechtsänderungs­gesetz 2005)

26. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 3

27. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 2. Halbjahr 2005

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend die Zurücknahme des Mandatsverzichts von Bundesrat Ing. Siegfried Kampl ...................................................................................... 12

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Er­satzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 13

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Mandatsverzicht eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ................................................................................................................... 14

Schlussansprache des Präsidenten Mag. Georg Pehm .......................................... 30

Unterbrechungen der Sitzung ...............................................................................  92, 94

27. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ord­ner für das 2. Halbjahr 2005 ............................................................................................................................. 160

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Fragestunde (113.)

Inneres .......................................................................................................................... 16

Dr. Franz Eduard Kühnel (1435/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Stefan Schenn­ach, Mag. Susanne Neuwirth

Reinhard Todt (1440/M-BR/05); Mag. Harald Himmer, Roland Zellot, Elisabeth Kerschbaum

Engelbert Weilharter (1444/M-BR/05); Eva Konrad, Helmut Wiesenegg, Helmut Kritzinger

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (1436/M-BR/05); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum, Günther Prutsch

Angela Lueger (1441/M-BR/05); Dr. Franz Eduard Kühnel, Roland Zellot, Stefan Schennach

Stefan Schennach (1439/M-BR/05); Adelheid Ebner, Mag. Bernhard Baier, Roland Zellot

Gottfried Kneifel (1437/M-BR/05) – zurückgezogen

Helmut Wiesenegg (1442/M-BR/05); Christine Fröhlich, Engelbert Weilharter, Eva Konrad

Ing. Hermann Haller (1438/M-BR/05); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kersch­baum, Harald Reisenberger

Ernst Winter (1443/M-BR/05); Franz Wolfinger, Engelbert Weilharter, Eva Konrad


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 34

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 34

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (595/A und 998 d.B. sowie 7303/BR d.B. und 7317/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 35

Berichterstatter: Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ................................................. 35

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 36

Redner/Rednerinnen:

Herwig Hösele .............................................................................................................. 36

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 39

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 44

Stefan Schennach ........................................................................................................ 47

Dr. Peter Böhm (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 50

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 51

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 54

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 54

Eva Konrad ................................................................................................................... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 60

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz – Bundes-LärmG) (857 d.B. und 976 d.B. sowie 7304/BR d.B.)                60

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 60

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 60

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 62

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................  63, 67

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 64

Manfred Gruber ............................................................................................................ 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (587/A und 977 d.B. sowie 7305/BR d.B.) ....................              68

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................... 68

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 68


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler .............................................................................................................. 68

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 70

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 72

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 75

Stefan Schennach ........................................................................................................ 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 77

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitions­lagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002 und das Militärbefug­nisgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 – WRÄG 2005) (949 d.B. und 955 d.B. sowie 7302/BR d.B. und 7306/BR d.B.) .......................................................... 78

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 78

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 78

Redner/Rednerinnen:

Harald Reisenberger .................................................................................................... 78

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 81

Stefan Schennach ........................................................................................................ 84

Roland Zellot ................................................................................................................. 86

Bundesminister Günther Platter ................................................................................ 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 91

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert wird (956 d.B. sowie 7307/BR d.B.)                         91

Berichterstatter: Johann Giefing .................................................................................. 91

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 91

Redner:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 92

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das SE-Gesetz, das Handelsgesetzbuch, das Bankwe­sengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsrechtsände­rungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz entsprechend der Entschließung des Nationalrats vom 29. Jänner 2004 zur Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft geändert werden (Gesellschaftsrechtsänderungsge­setz 2005 – GesRÄG 2005) (927 d.B. und 985 d.B. sowie 7308/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 92

Berichterstatter: Johann Giefing .................................................................................. 93


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 6

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellge­setz 2005 – KartG 2005) (926 d.B. und 990 d.B. sowie 7309/BR d.B.) ................................................................................................................. 93

Berichterstatterin: Angela Lueger ................................................................................. 93

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbes­serung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert werden (Wettbewerbsgesetznovelle 2005) (942 d.B. und 991 d.B. sowie 7310/BR d.B.)                                                                                                                                               93

Berichterstatterin: Angela Lueger ................................................................................. 93

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................... 94

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 94

Michaela Gansterer ...................................................................................................... 95

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 96

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ................................................................. 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................................... 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 99

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005) (928 d.B. und 986 d.B. sowie 7311/BR d.B.) ........................................ 99

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 100

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geändert wird (602/A und 989 d.B. sowie 7312/BR d.B.) ............................................................................................................... 100

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm ................................................................................ 100

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 100

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ........................................................................................................... 101

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................. 102

Stefan Schennach ...................................................................................................... 102

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 104

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 105

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 107

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend das Zusatz­protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, ins­besondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (825 d.B. und 987 d.B. sowie 7313/BR d.B.) ............................................................................... 107

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 107

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird (601/A und 988 d.B. sowie 7314/BR d.B.) ............................................ 107

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 107

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 108

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 108

Edgar Mayer ................................................................................................................ 109

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 110

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 112

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben........................................................................................................ 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 114

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien im Bereich der Kultur und der Bildung (815 d.B. und 954 d.B. sowie 7315/BR d.B.) ............................................................... 114

Berichterstatter: Günther Molzbichler ....................................................................... 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................... 115

14. Punkt: Kulturbericht 2003 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-282-BR/2005 d.B. sowie 7316/BR d.B.) .............................................................................. 115

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 115

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 115

Redner/Rednerinnen:

Günther Molzbichler .................................................................................................. 116

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg .......................................................................... 118


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 8

Stefan Schennach ...................................................................................................... 120

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-282-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 124

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Forschung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-278-BR/2005 d.B. sowie 7238/BR d.B.) ............................................................................................................... 124

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 124

16. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Bildung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates (III-279-BR/2005 d.B. sowie 7239/BR d.B.)                     124

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 124

17. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Jahresvorschau des BMLFUW 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-277-BR/2005 d.B. sowie 7300/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 124

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 125

18. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvorschau des BMJ 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäi­schen Kommission für 2005 sowie des operativen Jahresprogramms des Rates für 2005 (III-281-BR/2005 d.B. sowie 7301/BR d.B.) ....................              124

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 125

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 125

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................. 126

Andrea Fraunschiel .................................................................................................... 127

Ernst Winter ................................................................................................................ 128

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 128

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 130

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, den Bericht III-278-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 132

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, den Bericht III-279-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, den Bericht III-277-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, den Bericht III-281-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 132

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 9

Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geän­dert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005) (944 d.B. und 957 d.B. sowie 7318/BR d.B.) ............................................................................................................... 132

Berichterstatter: Ing. Siegfried Kampl ....................................................................... 132

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 133

Redner/Rednerinnen:

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................... 133

Sonja Zwazl ........................................................................................................  134, 145

Eva Konrad ................................................................................................................. 136

Roland Zellot ............................................................................................................... 138

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 139

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 141

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 143

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 145

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend das Rah­menübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (890 d.B. und 958 d.B. sowie 7319/BR d.B.)                     145

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 146

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 146

Redner/Rednerinnen:

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 146

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 147

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlas­sung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ....................................................................................... 148

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHD-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005) (941 d.B. und 959 d.B. sowie 7320/BR d.B.) ............................................................... 148

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 149

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes (950 d.B. und 961 d.B. sowie 7321/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 148

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 149

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (603/A und 963 d.B. sowie 7322/BR d.B.) ................. 148

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 149


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 10

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 149

Redner/Rednerinnen:

Angela Lueger ............................................................................................................ 150

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 151

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 152

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 153

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 21, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (617/A und 962 d.B. sowie 7323/BR d.B.)                     155

Berichterstatter: Edgar Mayer ..................................................................................... 155

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 155

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Bangseuchen-Gesetz, das Rinderleukosegesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Bienenseuchengesetz geändert werden (Veterinärrechtsänderungsge­setz 2005) (947 d.B. und 964 d.B. sowie 7324/BR d.B.) ............................................................... 155

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 155

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tierge­sundheit und Tierquarantäne (943 d.B. und 965 d.B. sowie 7325/BR  d.B.)                     155

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 155

Redezeitbeschränkung gemäß § 47 Abs. 5 GO-BR ................................................. 156

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden .................................................................................................................. 156

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................. 157

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 158

Roland Zellot ............................................................................................................... 158

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 160

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 160


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 11

Eingebracht wurden

Anfrage der Bundesräte

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Homosexualität und Schule (2320/J-BR/05)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Tauernbahn wichtiger denn je (2115/AB-BR/05 zu 2306/J-BR/05)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung des Feuerbrandes im Obstbau (2116/AB-BR/05 zu 2309/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulen als Zukunftsinvestitio­nen (2117/AB-BR/05 zu 2311/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zukunftskommission präsen­tiert – Bildungsministerium verschleppt (2118/AB-BR/05 zu 2312/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Bahnverbin­dung Waidhofen a.d. Thaya–Slavonice (2119/AB-BR/05 zu 2310/J-BR/05)


09.03.02


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Guten Morgen! Ich eröffne die 723. Sitzung des Bun­desrates.

Das Amtliche Protokoll der 722. Sitzung des Bundesrates vom 25. Mai 2005 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Hans Ager, Ana Blatnik, Anna Elisabeth Haselbach, Ewald Lindinger und Mag. John Gudenus.

09.03.38Einlauf

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Eingelangt sind drei Schreiben des Kärntner Landtages betreffend die Zurücknahme des Mandatsverzichtes von Bundesrat Ing. Siegfried Kampl und über die Wahl von Gerwald Kitz zum Ersatzmitglied von Bundesrat Ing. Siegfried Kampl sowie über den Mandatsverzicht von Mag. Christof Neuner als Ersatzmitglied des Bundesrates Roland Zellot.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

zu Ldtgs.ZI. 5-2/29

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien

Klagenfurt, am 30.5.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Abgeordnete zum Bundesrat für das Land Kärnten Ing. Siegfried KAMPL hat dem Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages DI Jörg Freunschlag mit heutigem Schrei­ben bekanntgegeben, dass er die am 17. Mai 2005 gemachte Verzichtserklärung zu­rück nimmt. Ing. Siegfried KAMPL bleibt daher Bundesrat des Landes Kärnten.

Ich ersuche um gefällige Kenntnisnahme und weitere Veranlassung.

Hochachtungsvoll

Anlage

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 13

Abschrift

des handschriftlich verfassten Schreibens

Siegfried Kampl

Reichenhaus 3

9342 Gurk

Gurk, 30. Mai 05

An den

Präsidenten des Kärntner Landtages

Dipl.-Ing. Jörg Freunschlag

Betrifft: Rücknahme meiner Verzichtserklärung

Sg. Herr Präsident!

Ich ziehe mit heutigem Datum meine vom 17. Mai 2005 gemachte Bundesratsver­zichtserklärung zurück. Somit bleibt mein Bundesratsmandat aufrecht.

Mit freundlichen Gruß

Siegfried Kampl

*****

Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

zu Ldtgs.ZI. 5-4/29

Betreff: Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates gem. Art. 35 Abs. 1 und 2 B-VG

Herrn

Mag. Georg Pehm

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Weg 3

1017 Wien

Klagenfurt, am 7.6.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner 16. (verlangten) Sitzung am 7.6.2005 folgende Wahl in den Bundesrat gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 B-VG vorgenommen:

Auf Vorschlag des Freiheitlichen Landtagsklub Kärnten wurde zum Ersatzmitglied von Bundesrat Ing. Siegfried Kampl, Gerwald KITZ, 9103 Diex Nr. 6 gewählt.

In der Anlage wird eine aktuelle Liste der vom Kärntner Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 14

Anlage

Ergeht nachrichtlich an:

Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda, Dr. Karl Renner Ring 3, 1017 Wien

*****

Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder

vom Kärntner Landtag gewählt

Stand: 7.6.2005

29. Gesetzgebungsperiode

F:

1. KAMPL Siegfried Ing., geb. 12.8.1936, Landwirt, 9342 Gurk, Reichenhaus 3

Ersatzmitglied: KITZ Gerwald, geb. 30.9.1968, Landwirt, 9103 Diex Nr. 6

SPÖ:

2. MOLZBICHLER Günther, geb. 15.1.1953, Angestellter, 9800 Spittal/Drau, St. Sig­mund-Strasse 16a

Ersatzmitglied: TAURER Karoline, geb. 10.11.1965, Angestellte, 9814 Mühldorf 93

F:

3. ZELLOT Roland, geb.22.2.1955, Bundesheer-Bediensteter, 9500 Villach, Prosso­witscherstrasse 23

Ersatzmitglied : NEUNER Christof Mag., geb. 15.1.1953, Kaufmann, 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 28

SPÖ:

4. BLATNIK Ana, geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin, 9072 Ludmannsdorf 49

Ersatzmitglied : ABRAHAM Anna-Maria, geb. 8.7.1951, Angestellte, 9112 Griffen, Wal­lersberg 29

*****

Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI ]örg Freunschlag

zu Ldtgs.Zl. 5-5/29

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 15

Klagenfurt, am 14.6.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Ersatzmitglied für den Abgeordneten zum Bundesrat Roland Zellot, Mag. Christof NEUNER hat mit sofortiger Wirkung auf die weitere Ausübung seines Mandates als Ersatzmitglied zum Bundesrat verzichtet.

Ich ersuche um gefällige Kenntnisnahme und weitere Veranlassung.

Hochachtungsvoll

DI Freunschlag

Anlage

*****

Freiheitlicher Landtagsklub, Landhaus, 9020 Klagenfurt, Österreich,

Tel: +43/463-513 272.

13.06.2005

An den Präsidenten des

Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

Landhaus

9020 Klagenfurt

Betrifft: Verzicht auf mein Mandat als Bundesrat-Ersatzmitglied

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß § 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, BGBl. Nr. 361/1988, ver­zichte ich mit sofortiger Wirkung auf mein Mandat als Ersatzmitglied des Bundesrates.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Mag. Christof Neuner

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt über die Entschließung des Bundespräsidenten Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 22. bis 28. Juni 2005 der Bundesminister für Finanzen, Mag. Karl-Heinz Grasser, durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, Dr. Alfred Finz, vertreten wird.

09.04.36Fragestunde

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 9.04 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 16

die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstre­cken werde.

Bundesministerium für Inneres

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Bundes­ministerin für Inneres.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Kühnel, um die Verlesung der An­frage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Meine Frage lautet:

1435/M-BR/2005

„Wie weit ist die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie bereits umgesetzt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Mit der im Dezember 2004 im Parlament beschlossenen SPG-Änderung und mit der Vorbereitung von „Team 04“ ist diese Zusammenlegung der beiden Wachkörper Polizei und Gendarmerie voll im Gange. Sie ist so weit vorbereitet und ausgearbeitet, dass die Umsetzung wie vorge­sehen mit 1. Juli 2005 planmäßig erfolgen kann.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte schön.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Wie viele Polizeibeamte konnten durch diese Reform aus dem administrativen Bereich auf die Straße „umgeschichtet“ werden, um es etwas vulgär auszudrücken?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Im Konzept ist vorgesehen, dass nach Abschluss der Personalverfahren mehr als 500 Bedienstete in administrativer Verwen­dung frei werden. Die genaue Zahl wird erst nach Abschluss der Personalverfahren genannt werden können.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weilharter gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Inwieweit sind die vorgesehenen Kompetenz- und Planstellenveränderungen mit der Personalvertretung akkordiert? (Bundesrat Wiesenegg: Alle!)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sowohl der Aufbau als auch die Ablauf­organisation ist im Rahmen des Personalkonzepts mit der Personalvertretung verhan­delt. Mir ist es ein sehr großes Anliegen, dass diese Verhandlungen gut abgestimmt sind und vor allem alle Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes auch voll ein­gehalten werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der öffentlichen Debatte ist zu entnehmen, dass es bei den unterschiedlichen Dienst-


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Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 17

zeitsystemen zwischen Polizei und Gendarmerie noch deutlich hapert. Wie ist der aktuelle Stand betreffend die Zusammenführung dieser unterschiedlichen Dienstzeit­systeme?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Auch diese Verhandlungen sind im Laufen, sind zum Teil abgeschlossen oder ausgehandelt. Ein Teil wird noch weiter ver­handelt. Bei der Gendarmerie ist es weitgehend abgestimmt, bei der Polizei gibt es in den Dienstsystemen noch Modelle, Vorschläge und Abstimmungen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Mag. Neuwirth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Wie viele Ausschreibungen für die 5 300 vom Bundesministerium genannten Funktionen sind mit heutigem Tag noch offen, also noch nicht endgültig entschieden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich kann nur eine runde Zahl nennen, aber ich werde Ihnen die genaue Zahl gerne schriftlich nachreichen. Es sind von den rund 5 200 rund 5 000 ausgeschrieben, also in Behandlung, und im Herbst werden, insbesondere im Wiener Raum, bei der Polizeidirektion Wien, noch einige Besetzun­gen notwendig sein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen zur 2. Anfrage. Ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Todt, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1440/M-BR/2005

„Wie ist die österreichische Position zur Vorratsspeicherung von Telefondaten und Internetkontakten für mindestens ein Jahr?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Diese Frage der Vorratsdatenspeiche­rung – Telefondaten und Internetkontakte – ist ressortmäßig nicht im Bundesministe­rium für Inneres gelagert.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Gibt es eine Zusatzfrage? (Bundesrat Todt: Nein, danke!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Auf der europäischen Ebene liegt ein Rahmenbeschluss über die Vorratsspeicherung von Daten vor. Da gibt es jetzt eine interministerielle Arbeitsgruppe. Ist Ihr Ressort da eingebunden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Diese interministerielle Arbeitsgruppe ist vom Bundesministerium für Justiz eingerichtet worden. Unter Koordination der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit werden auch Vertreter des Innenressorts vertreten sein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Zellot gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 18

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Bundesministerin! Welche Daten werden bereits jetzt wie lange gespeichert?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich muss feststellen, dass diese Frage nicht in mein Ressort fällt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Um jetzt nicht eine Frage zu stellen, die nicht in Ihr Ressort fällt, möchte ich Folgendes fragen – vielleicht können Sie mir trotzdem, obwohl es nicht unbedingt direkt damit zusammenhängt, eine Antwort geben –:

Wir haben eine Anfrage an Sie gestellt, und zwar eine überparteiliche Anfrage der niederösterreichischen BundesrätInnen bezüglich der kleinen Grenzübergänge, wo ein Vertrag mit Tschechien derzeit im Innenministerium aufliegt. Ich möchte gerne wissen, ob dies noch vor den Ferien behandelt wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Wir sind in laufenden Verhandlungen und hoffen, dass es im Sommer noch zu einer Klärung in kleinen Bereichen kommt. Wir sind in laufenden Verhandlungen mit unseren Nachbarn, um diese Dinge jetzt zu klären.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen damit zur 3. Anfrage. Ich bitte den Anfra­gesteller, Herrn Bundesrat Weilharter, um Verlesung der Anfrage. – Bitte schön.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

1444/M-BR/2005

„Wie aus der Tiroler Tageszeitung zu entnehmen ist, floriert zurzeit der Drogenhandel in Innsbruck. Laut Kriminalpolizei zum Großteil durch aus Marokko stammende Dro­gendealer hervorgerufen. Welche konkreten Schritte werden Sie gegen die dort aus­ufernde Drogenproblematik setzen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Wir müssen leider feststellen, dass seit mehreren Monaten tatsächlich marokkanische Dealer großteils aus Italien einreisen, eingereist sind. Sie fallen besonders dadurch auf, dass sie sehr wechselnde Identitäten haben, und Abschiebungen scheitern oft daran, dass ihre Identität nicht klar identifizier­bar ist.

Es wurde in diesem Zusammenhang eine Task Force eingerichtet, eine Sonderkom­mission, die den Einsatz aller Bereiche koordiniert und die hier auch versucht, den Informationsfluss mit allen anderen Behörden, wie zum Beispiel Asylbehörde und Jus­tiz, sicherzustellen.

Es ist natürlich Ziel, dass man zum einen die Hintermänner aufdeckt, aber vor allem auch einen Verfolgungsdruck ausübt, mit Schwerpunktaktionen, damit der Aktions­radius dieser Gruppe von Verbrechern eingeschränkt wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 19

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesminister! Sind die technischen und personellen Ressourcen hierfür überhaupt gegeben?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sicherlich. Wir haben hier alles einge­setzt, was möglich ist. Es ist die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität West personell auch so ausgestaltet, dass sie diese lokale Arbeit mit den lokalen Kräf­ten wirkungsvoll unterstützen kann. Die Observationsstelle West und die Cobra sind technisch bestens ausgestattet und werden hier zur Bekämpfung mit herangezogen. Es wird in den nächsten Tagen und Wochen dort auch ganz spezifisch eine Hotspot-Aktion geben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Konrad gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Laut „Standard“ von 20. Juni werden gegen Angehörige der Innsbrucker Polizei schwere Vorwürfe wegen Misshandlung eines marokkanischen Staatsangehörigen erhoben. Wie ist der Stand der Ermittlungen in diesem Fall, und wie gedenken Sie hier vorzu­gehen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich werde Ihnen das gerne schriftlich mitteilen. Ich kann Ihnen den aktuellen Stand jetzt nicht so darstellen, werde es aber gerne schriftlich tun.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wiesenegg gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Minister! Diese Anfra­ge des Kollegen Weilharter fußt auf einer Ausgabe älteren Datums der „Tiroler Tages­zeitung“, und es geht hier um den Rapoldipark.

Meine Frage an Sie, Frau Minister: Sie wissen wahrscheinlich, dass hier Verfahren anhängig sind. Warum man grundsätzlich nur auf Marokkaner kommt, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie können also nicht feststellen, ob es sich wirklich um Marokkaner handelt? Aber das ist nicht meine Frage. Meine Zusatzfrage lautet: Es sind Verfahren anhängig. Gibt es schon konkrete Ergebnisse in der Sache Rapoldipark in Innsbruck?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Zur ersten Frage: Es sind nicht aus­schließlich Marokkaner, aber es sind auffallend viele. Es liegt wahrscheinlich daran, dass hier die günstige Anbindung zu Italien – zumindest auf Grund der Erhebungen – gegeben ist und der Dealerverteilerknoten dort gelagert ist, sodass diese Gruppe so stark auftritt.

Es sind einige Verhaftungen durchgeführt worden, aber leider eskaliert es weiter. Ich nehme an, dass Sie auch den Vorfall der heutigen Nacht kennen. Es ist das eine Pro­blematik, die wir jetzt ganz massiv mit Ausleuchtung, mit verschiedenen anderen Methoden noch angehen müssen, wie es auch in anderen Orten, zum Beispiel hier in Wien, vorgenommen wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Kritzinger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Bundesminister! In Bezug auf Inns­bruck: Das hat natürlich großen Ärger verursacht. Wir wissen das alles. Aber ich möchte Sie fragen: Wie schaut die Suchtgiftlage im gesamten Bundesgebiet aus?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich habe das generell da, zum Beispiel den Anstieg der Anzeigen. 35 Prozent in Innsbruck, das ist ein besonders starker An­stieg, wobei Drogenkriminalität und Drogenanzeigen meistens mit Aufklärung Hand in Hand gehen.

Die Gesamtkriminalität ist stark reduziert, und man sieht, dass es hier sehr unter­schiedliche Vorgangsweisen gibt. Ich glaube, dass genau dieser Anstieg auch zeigt, dass es eine ausdrücklich verstärkte Bemühung des Polizeiapparates war, denn da­durch sind so viele Vorfälle zur Anzeige gebracht worden.

Es haben sich im Vorjahr rund 100 Marokkaner, die man als Marokkaner identifizieren konnte, als Gruppe im Bereich der Suchtgiftkriminalität bewegt. Es sind hier eine Men­ge Anzeigen, Verhaftungen, Abschiebungen erfolgt. Einige davon haben auch unter Asylbewerbung eine aufschiebende Wirkung erreicht.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger, um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage:

1436/M-BR/2005

„Wie hat sich die Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Der Vergleichszeitraum Jänner bis Mai 2004 zu 2005 zeigt einen Rückgang von 3,95 Prozent. Das sind 12 000 Straftaten. Hervorzuheben ist der starke Rückgang bei den Eigentumsdelikten. Hier ist eine Redu­zierung von 7,54 Prozent eingetreten, wobei man – und das hervorzuheben ist auch sehr wichtig – die Aufklärungsquote schon von 38,8 auf 39,4 Prozent im heurigen Jahr steigern konnte.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte schön.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Es sind natürlich eine Menge von Instrumenten eingeführt worden. Ich glaube, ganz besonders wichtig ist die Strategie­vereinbarung zwischen dem Bundeskriminalamt und den Behördendienststellen in den Bundesländern. Wir haben hier nunmehr die flächendeckende Verfügbarkeit der Hot­spots am Sicherheitsmonitor. Das heißt, man kann sehr genau, sehr kurzfristig verfol­gen, wo die Schwerpunkte der Kriminalität liegen, und daher auch schnelle Maßnah­men setzen.

Es wird auch die Präventionsarbeit sehr stark vorangetrieben, und vor allem halte ich es für sehr wichtig, dass die internationale Zusammenarbeit nunmehr Früchte zu tra­gen beginnt. Auch die punktgenaue Einteilung der Streifenplanung, die Vernetzung des


Bundesrat
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Informationsflusses auf lokaler, aber auch auf supranationaler Ebene, und hier auch die Nutzung von Europol, hat, so glaube ich, zu dieser Trendwende geführt.

Natürlich haben auch zusätzliche Möglichkeiten nach der neuen Regelung, wie Video­überwachung, oder auch die Umsetzung von „Team 04“ zu Verbesserungen geführt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl zu Wort gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Bun­desminister! Sie haben erwähnt, Vermögensdelikte haben nicht zugenommen, aber Unterschiede in den Bundesländern sind schon festzustellen.

Meine Frage: Da Medienberichten zufolge die Vermögensdelikte signifikant zuge­nommen haben, welche Möglichkeiten sehen Sie, um dieser Entwicklung entgegenzu­steuern?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Die Vermögensdelikte sind zurückge­gangen. Es haben jene gegen Leib und Leben leicht zugenommen, man kann sagen, sie sind gleich geblieben. Ganz besonders stark zugenommen hat die Kriminalität im Bereich Geldfälschung und Vertrieb von Geldfälschung. Allerdings sind da in Summe die Werte geringer als im Vorjahr, weil hier jede Banknote eine doppelte Deliktsituation darstellt, und diese Delikte haben massiv zugenommen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Ich möchte gerne wissen, ob sich die Parameter für diese Kriminalstatistik in den letzten Jahren verändert haben. Sie haben jetzt gerade erwähnt, bei der Geld­fälschung ist es so, dass eine Banknote, die irgendwo auftaucht, zweimal als Delikt gezählt wird. Gibt es da sonst noch Parameter, die sich geändert haben?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Der Parameter hat sich nicht geändert, allerdings die Tatsache, dass nunmehr ganz genau dokumentiert wird. Es hat die Arbeit im Rahmen der Kriminalstatistik, die genaue Aufarbeitung sehr stark zugenom­men. Dadurch sind auch sehr viel mehr Kriminaldelikte nachweislich evident, weil sie in die Kriminalstatistik eingeführt werden. Ich halte das für sehr wichtig, und Vergleichs­zahlen sind Vergleichszahlen. Wir können uns sehr schwer international vergleichen, weil hier andere Parameter laufen. Allerdings sind wir auch international derzeit in Absprache, um diese Instrumentarien, die ja in der Verfolgung, in der Kriminalitätsver­folgung eine wichtige Rolle spielen, stärker aufeinander abzustimmen, besser mitein­ander vergleichbar zu machen, um auch in der Nachverfolgung, insbesondere, wie ich eben vorhin gesagt habe, im Bereich der Geldfälschung, dem konsequenter nachzu­gehen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Prutsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesminister! Wie hat sich die Ausländerkriminalität im steirischen Grenzland entwickelt?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Diese Zahlen habe ich jetzt leider nicht zur Verfügung. Ich werde sie Ihnen aber gerne schriftlich geben.

 



Bundesrat
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Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen damit zur 5. Anfrage. Ich bitte die Anfra­gestellerin, Frau Bundesrätin Lueger, um Verlesung der Anfrage. – Bitte schön.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Meine Frage lautet:

1441/M-BR/2005

„Wie bewerten Sie den angekündigten Antrag des BZW für den Wiener Gemeinderat, dass alle U-Bahnstationen und auch die Verkehrsmittel selbst zu Schutzzonen erklärt werden sollen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich bitte um Verständnis, dass ich, wenn Sie „Bewertung“ im Sinne einer Kommentierung verstehen, hier grundsätzlich davon Abstand nehme. Eine rechtliche, eine tatsächliche Durchführbarkeit müsste auf jeden Fall, wenn der Antrag gestellt wird, geprüft werden. Das ist selbstverständlich. Nach dem SPG ist die entsprechende Beurteilung der Sicherheitsbehörde erster In­stanz – im konkreten Fall der Bundespolizeidirektion Wien – erforderlich, und dem kann man auch in diesem Sinne nicht vorgreifen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bun­desrätin.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Wie beurteilen Sie die Schutzzone am Karlsplatz generell, aber insbesondere hinsichtlich der Verdrängung der Suchtgiftkrimi­nalität in die Opernpassage?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Die Schutzzonen haben ihre präventive Wirkung deutlich gezeigt. Insbesondere die Daten betreffend die Schutzzone Karlsplatz zeigen, dass die Anzahl der Wegweisungen, die Anzahl der Betretungsverbote dort klar nachzuweisen ist und dass diese damit eine Bereinigung in diesem Feld gebracht haben. Das heißt, der Spielplatz, der Zugang der Kinder und Jugendlichen zu ihren Schulen ist damit sichergestellt. Ich habe auch vor kurzem in einem Gespräch mit den Elternvertretern und mit den Schülern selbst gesehen, dass sie das als sehr positiv sehen.

Die so genannte Verdrängung in andere Bereiche wird als negativ empfunden, und wir haben mit der Polizeidirektion Wien eine Absprache, dass hier nun im Umfeld Maßnah­men gesetzt werden, um das auch weiterhin nicht nur in den Griff zu bekommen, son­dern vor allem auch mit den dort ansässigen Geschäften und den dortigen Bereichen gemeinsame Vorgangsweisen abzustimmen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Bundesminister! Als wie erfolgreich beurteilen Sie das Mittel der Schutzzone zum Schutz von Kindern und Jugendlichen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich kann nur nochmals unterstreichen, dass ich glaube, dass die Schutzzone die Norm der Trennung der Abhängigenszene von der Jugendszene voll und ganz erreicht hat. In der Schutzzone hat die Exekutive auch ein probates Mittel an der Hand, bereits im Vorfeld mögliche gegen Kinder und


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Jugendliche gerichtete Handlungen abzustellen oder dagegen tätig zu werden. Ich glaube, dass derartig präventive Maßnahmen generell sehr schwer in Zahlen nach­weisbar sind, weil diese Handlungen einfach dann nicht mehr stattfinden. Aber grund­sätzlich, in der Beobachtung gerade jener, die davon selbst betroffen waren, wird das Mittel der Schutzzonen als sehr, sehr positiv empfunden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Zellot zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Bundesministerin, Sie haben ja schon einige Dinge über die Schutzzonen gesagt. Welche Erfolge können durch die bereits eingerichteten Schutzzonen aus Ihrer Sicht verzeichnet werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich kann nur nochmals das anführen, was ich jetzt gesagt habe, weil manche Handlungen einfach nicht stattfinden und daher anhand von Zahlen schwer nachweisbar sind. Aber selbst die Zahlen zeigen, wenn ich den Karlsplatz als Beispiel heranziehe, dass trotz vermehrter Kontroll- und Streifen­tätigkeit die Anzahl der Delikte gesunken ist. Normal ist, dass durch stärkere Kontrollen die Zahl der Delikte ansteigt. In diesem Fall ist sie gesunken, nämlich von 53 auf 44 Delikte.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie viele Schutzzonen nach § 36a gibt es derzeit, und welche sind im Laufe dieses restlichen Jahres an welchen Orten noch geplant?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Wir haben derzeit nach § 36a SPG acht Schutzzonen, davon zwei in Wien – eine am Karlsplatz und eine in der Diefen­bachgasse – und sechs in Niederösterreich, wobei wir deutlich feststellen, dass es in Niederösterreich noch keine Wegweisungen gegeben hat. Das heißt, man wird das genau evaluieren, und es stellt sich die Frage, ob es dann in dieser Form notwendig ist. An den beiden Plätzen in Wien, Karlsplatz und Diefenbachgasse, haben diese Wegweisungen und Verbote stattgefunden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen zur 6. Anfrage. Ich ersuche den Anfra­gesteller, Herrn Bundesrat Schennach, um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1439/M-BR/2005

„Treten Sie nach wie vor für eine Anpassung der Dauer des Zivildienstes an jene des Wehrdienstes ein, wie Sie das in der ZIB 2 vom 22. Dezember 2004 angekündigt ha­ben?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Herr Bundesrat! Ich möchte aber klar­stellen: Anpassung ist nicht Gleichstellung! Auch das ist immer wieder interpretiert worden. Ich habe immer von einer Anpassung des Zivildienstes gesprochen, und ich glaube, durch die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate ist diese An-


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passung nunmehr zu vollziehen. Daher liegt ja ein Gesetzentwurf im Nationalrat, der auf Grund der Verkürzung des Wehrdienstes in der Bundesheerreform auf sechs Mo­nate Maßnahmen im Zivildienstbereich auf Grundlage des Mehrheitsbeschlusses der Zivildienstreformkommission in Form einer Verkürzung auf neun Monate vorsieht.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Zwei Länder, nämlich Oberösterreich und Wien, zahlen an Verpflegsgeld 11,60 €. Ist es für Sie vorstellbar, dass diese Rege­lung von Oberösterreich und Wien eine generell gesetzlich und bundesweit verankerte Größenordnung ist, damit dieses Thema: Wie viel erhalten Zivildiener nun tatsächlich, und können sie ihren Lebensbedarf davon decken?, endlich zufrieden stellend geregelt wird?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Es gab einige Klagen, die behandelt wurden beziehungsweise werden, wobei es immer um die Angemessenheit, wie es ja im Zivildienstgesetz vorgeschrieben ist, geht; das wird von den einzelnen Trägern un­terschiedlich behandelt. Wir haben derzeit ein Verfahren laufen, das, wie wir glauben, im Herbst abgeschlossen sein wird. Dieses Verfahren ist sicherlich abzuwarten, um dann die Antwort zu geben, ob da eine Grenze der Angemessenheit im finanziellen Be­reich festgelegt wird. Eine solche Aussage wäre dann ja auch bindend. Wenn das nicht der Fall ist, wird zu überlegen sein, mit den Trägern gemeinsam eine Untergrenze ein­zuziehen. Eine Obergrenze festzulegen, wäre unserer Ansicht nach nicht sehr sinnvoll.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Ebner, bitte.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Ministerin, wann unge­fähr wird der Zeitpunkt sein, wo das Verpflegsgeld für Zivildiener gesichert ist, sodass diese davon auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundeministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Diese Regelung ist gleichgeschaltet mit der beim Wehrdienst, und genauso ist es zu handhaben, denn der Zivildienst ist ein Wehrersatzdienst. Die diesbezüglichen Regelungen sind daher die gleichen wie die im Wehrdienstgesetz festgelegten, das heißt, Familienbeihilfe, Unterstützung, Wohnbei­hilfe et cetera sind genauso geregelt wie beim Wehrdienst.

Die Grundgebühr wird angepasst an den Sold des Soldaten. Und was die Verpflegung der Zivildiener betrifft, so wird das derzeit im Bereich Zivildienst an und für sich besser als im Bereich Militärdienst gehandhabt, denn dort ist nur dann, wenn ein Militärdienst Leistender außerhalb des Garnisonortes verpflichtet wurde, ein höherer Satz festge­legt.

Das zur Frage betreffend Verpflegskosten, wobei, wie gesagt, abzuwarten ist, wie die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes dazu aussehen wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Baier, bitte.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Durch welche Maßnahmen würden Sie – zusammenfassend – meinen, dass eine Attraktivierung des Zivildienstes in Zukunft erreicht werden könnte?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Dazu: Eine Verkürzung auf neun Mona­te; bei einer eventuellen freiwilligen Verlängerung, abgestimmt natürlich mit dem Trä-


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ger, eine Erhöhung dieser Entschädigung auf 500 €. Weiters: Eine Kompetenzbilanz auszustellen über die Fähigkeiten, die in dieser Zeit erworben werden; ebenso ein Praxisnachweis.

Die Intentionen gehen in die Richtung, dass in diesem Bereich auch eine eventuelle Möglichkeit der – das muss aber erst in anderen Gesetzesmaterien geregelt werden – Anerkennung von Praxiszeiten in der Krankenpflege, im Behindertenbereich im Rah­men dieser Ausbildungen bestehen soll. Diesbezüglich sind entweder Gesetzesmate­rien zu erarbeiten beziehungsweise Artikel-15a-Verträge mit den Bundesländern zu schließen.

Vorgesehen sind auch flexiblere Zuweisungstermine, um so noch besser auf die Be­dürfnisse junger Menschen Rücksicht zu nehmen. Ebenso ist eine Beschwerdemög­lichkeit, eine Schlichtungsstelle bei den Ländern, vorgesehen, was auch notwendig ist, damit diese jungen Menschen, die oft erst sehr kurz dabei sind, eine kompetente Anlaufstelle haben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Zellot, bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Bundesministerin, da Sie meine geplante Frage großteils bereits beantwortet haben, ziehe ich diese zurück.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen damit zur 7. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kneifel, um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin, Sie haben bereits im Zuge der Beantwortung mehrerer Zusatzfragen das Thema Schutzzonen ausreichend beantwortet – ich ziehe deshalb diese Anfrage zurück. (Bundesrat Boden: Das geht nicht!)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen daher zur 8. Anfrage.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um Verlesung der An­frage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Seit Monaten wird das von Ihrem Ministerium versprochen, daher meine Frage:

1442/M-BR/2005

„Wann werden die offenen systemisierten Planstellen bei der Polizei im Bezirk Reutte besetzt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Zur Abdeckung des Unterstandes des Exekutivdienstes im Bezirk Reutte ist folgende Vorsorge getroffen worden: Am 1. Jän­ner 2005 sind fünf Zolloptanten – nach dem Ressortwechsel – nach der Grundausbil­dung dem Bezirk Reutte zum Exekutivdienst zugewiesen worden. Am 1. Dezember 2005 werden beim Landespolizeikommando 15 ExekutivbeamtInnen nach Absolvie­rung der Grundausbildung in der Verwendungsgruppe E2c ausgemustert. Weitere 70 E2c-AspirantInnen sind bis Ende 2005 in der Grundausbildung aufgenommen und werden nach deren Absolvierung im Bundesland Tirol, und zwar im Außendienst, zur Verfügung stehen.

Ebenso wurde der Auftrag erteilt, für das Jahr 2006 25 Neuaufnahmen im Exekutiv­dienst vorzusehen. Des Weiteren werden Versetzungsansuchen von Exekutivbeam-


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tInnen zum LGK Tirol derzeit geprüft; diese Ansuchen sind durchwegs aus anderen Bundesländern.

Weitere Exekutivbedienstete, Sondereinheiten und die Einsatztruppe, die ja heute hier schon mehrfach genannt wurde, sind zur Bekämpfung so genannter Kriminalitäts­brennpunkte eingesetzt. Die Observationsaußenstelle des Bundeskriminalamtes und die EKO Cobra West versehen auch im Bezirk Reutte zusätzlichen Exekutivdienst.

Die sukzessive Personalverstärkung im Bezirk Reutte hat begonnen – und wird fortge­setzt werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Wiesenegg.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Wie sollen bei den LKW-Kontrollstellen in Tirol, und hier besonders in meinem Bezirk in Musau, Kontrollen durchgeführt werden, wenn die nötigen Exekutivbeamten dazu fehlen, die für den Bezirk Reutte dann auch abgestellt werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Wir werden die Kontrollstellen in Tirol besetzen. Das ist eine Notwendigkeit, damit sie auch funktionieren. Unabhängig davon stehen wir derzeit in Verhandlung mit den Bundesländern. Die Landeshauptleute­konferenz hat bereits einen Grundsatzbeschluss gefasst, dass die Personalkosten bei weiteren Kontrollstellen – es sind ja weitere auch in Tirol geplant – vorweg von den Strafgeldern abgezogen werden und dass dann erst die Strafgelder den Ländern zuflie­ßen, denn sonst könnten wir diesen massiven Ausbau der Kontrollstellen, die in ganz Österreich verlangt werden, nicht weiter durchführen. Es wird derzeit gemeinsam so­wohl durch das Finanzministerium als auch durch das Wirtschafts- und das Verkehrs­ministerium, als auch durch das Innenressort eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die hoffentlich sehr schnell dann auch verabschiedet werden wird. Dann können wir ganz systematisch die notwendigen Kontrollplätze auf hochrangigen und eventuell auch auf nachrangigen Straßen besetzen und den Ausbau fortsetzen. (Bundesrat Wiesenegg: Da wird das Land Tirol ein Auge drauf haben! ...!) – Bitte? Ich habe es nicht verstan­den.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Es kann auch keine weitere Zusatzfrage mehr von Ihnen gestellt werden, Herr Bundesrat.

Zur nächsten Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Fröhlich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wird es durch die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie eine Einbuße an Planstellen geben?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Durch die Zusammenlegung wird es keine Einbußen bei Planstellen geben. Es werden in diesem Bereich keine Planstellen eingespart. Es wird jedoch eine Verschiebung von Planstellen von den Verwaltungs­bereichen, von den Stabseinheiten hin zu den operativen Organisationseinheiten erfol­gen, und das wird insbesondere die Exekutive, die Dienststellen auf lokaler Ebene ver­stärken.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weilharter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



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Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Ich beziehe mich nochmals auf die Hauptfrage: Wie sieht dies für das Bundesland Steiermark aus?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: In der Steiermark sind derzeit 86 Poli­zei- und Gendarmerieschüler in Ausbildung, wobei diese 86 heuer und im nächsten Jahr fertig werden. Im Jahr 2004 wurden aus dem Außendienst 128 Zollwachebediens­tete in die Exekutive eingeführt, diese haben die Exekutive verstärkt. Das war eine sehr große Zahl.

Im letzten beziehungsweise im heurigen Jahr gab beziehungsweise gibt es 50 Verset­zungen aus anderen Bundesländern in die Steiermark; Ende Oktober 2005 werden 15 neue Exekutivbeamte bei der Polizei in Graz verstärkt eingesetzt werden. Neuaufnah­men im heurigen Jahr: Es sind 70 neue ExekutivbeamtInnen aufgenommen worden, ein Teil davon hat bereits im April mit ihrer E2c-Grundausbildung begonnen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Konrad gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Meine Frage wurde schon beantwortet, ich ziehe sie hiermit zurück.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen damit zur 9. Anfrage. Ich bitte Herrn Bun­desrat Ing. Haller als Anfragesteller um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin!

1438/M-BR/2005

„Wie haben sich die Asylzahlen seit dem Beitritt der östlichen Nachbarn mit 1.5.2004 entwickelt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Herr Bundesrat! Die Zahlen sind sehr erfreulich: Im Jahr 2004 ist gegenüber 2003 – am 1. Mai letzten Jahres war ja dieser Schnittpunkt Erweiterung und neues Asylgesetz – die Zahl der Asylwerber um 32,88 Prozent zurückgegangen; die einzelnen Monate sind da sehr unterschiedlich. Im heurigen Jahr zeigt ein Vergleich der bisherigen Monate gegenüber jenen 2004 wieder­um einen Rückgang von 27,15 Prozent.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Wie funktioniert die Zusam­menarbeit nach der Dublin-II-Verordnung?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Die Dublin-II-Verordnung ist grundsätz­lich als sehr gut zu beurteilen. Wir haben von Jänner bis Mai dieses Jahres 2 120 Kon­sultationsverfahren eingeleitet; 78 Prozent davon wurden sehr unkompliziert kurzfristig positiv erledigt, da gibt es eine Zustimmungsquote.

Die meisten Konsultationsverfahren betreffen die Slowakei, Polen, Ungarn, auch Deutschland mit 10 Prozent sowie die Tschechische Republik.

Wir haben mit den neuen Mitgliedstaaten Slowenien, Ungarn und Slowakei bereits Arbeitsabsprachen gemäß Artikel 23 Dublin-II-Verordnung abgeschlossen. Diese Ar-


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beitsabsprachen bieten einfach einen Mehrwert im Dublin-Vollzug, der sehr schwierig ist – das muss man jetzt in der Form auch sagen –: Fristverkürzungen, Erleichterungen im Überstellungsbereich und auch bei der Beweisregelung. Mit Tschechien verhandeln wir derzeit.

Tatsache ist, dass, wie gesagt, 78 Prozent Zustimmungen erfolgen, das waren in diesem Jahr 1 650 Asylwerber. Tatsächlich konnten 15 Prozent der Personen, das sind 205, überstellt werden. Die Gründe sind folgende: Untertauchen zu 35 Prozent; die Feststellung von Traumatisierung 30 Prozent; aufschiebende Wirkung 15 Prozent.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Bun­desminister! Wie viele Asylanträge wurden im letzten Jahr aus der Schubhaft heraus gestellt?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Es gibt darüber keine statistischen Auf­zeichnungen, weil bei Asylanträgen nicht verzeichnet wird, von wo aus und durch was sie gestellt wurden. Wir haben aber eine derartige Aufzeichnung aus Wien, da kann ich diese Zahl nennen: In Wien gab es 2004 zirka 3 000 Schubhäftlinge, 334 von ihnen haben aus der Schubhaft heraus einen Asylantrag gestellt, das sind rund 10 Prozent.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Wie viele zusätzliche Mitglieder sind für den Unabhängigen Bundesasylsenat geplant? Und wie viele davon werden juristische MitarbeiterInnen sein?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Es wird von der Abwicklung in der gesetzgebenden Körperschaft abhängen, welche Form diese Instanz – UBAS oder Gerichtshof – haben wird: Es gibt die Berechnungen nach UBAS-Form, und dazu sind 15 bis 20 Richter notwendig. Darüber hinaus gibt es auch einen wissenschaftlichen Stab, der ungefähr die gleiche Zahl benötigt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Reisenberger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister Prokop! Wie viele offene Asylverfahren gibt es mit Stichtag 1.6.2005 in Österreich? Und was werden Sie unternehmen, um diesen „Rückstau“ schnellstmöglich abzubauen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte schön, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich habe hier die Zahlen für einen an­deren Stichtag vorliegen. Jene, die Sie jetzt nachgefragt haben, reiche ich Ihnen gerne nach. Mit Stichtag 31.12.2004 gab es: Asylanträge 24 634; offene Verfahren 37 243, davon in erster Instanz 11 992, in der Rechtsmittelfrist 1 263 und in der zweiten Instanz 24 028.

 


Was wollen wir dagegen tun? – Es ist ja eine gesetzliche Vorlage vorgesehen, um die­se Verfahren, das heißt, alles, was neu hereinkommt, deutlich schneller abzuwickeln. Die Altverfahren müssen natürlich nach den alten Bestimmungen abgewickelt werden, dazu wiederum wird mehr Personal eingesetzt.


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Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen damit zur 10. und letzten Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Winter, um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister!

1443/M-BR/2005

„Wann werden in Österreich Reisepässe mit biometrischen Merkmalen realisiert?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Gemäß der Verordnung Nr. 2252/2004 des Rates der Europäischen Union müssen die Reisepässe mit biometrischen Merk­malen ausgestattet sein. Die Frist dafür ist in verschiedenen Phasen festgesetzt. Diese Verordnung wurde im Dezember 2004 beschlossen, sie tritt am 20. Tag nach der Kundmachung in Kraft. Danach haben wir eine Frist von 18 Monaten, das heißt: Am 28.8.2006 müssen diese Reisepässe mit einem integrierten Funkchip versehen sein und auch biometrische Merkmale des Bildes des Inhabers haben.

Danach folgt eine zweite Frist, die vom Zeitpunkt der Kundmachung, welche in nächs­ter Zeit erfolgen wird, dann nochmals 18 Monate dauert. In insgesamt etwa 36 Mo­naten also – das wird ungefähr Ende 2008 sein – müssen die Reisepässe zusätzlich die Fingerabdrücke am Chip gespeichert haben. Das heißt: Mit diesen beiden bio­metrischen Merkmalen wird der Pass sicherlich deutlich fälschungssicherer sein und vor allem die Möglichkeit der besseren Nachverfolgung von organisierter Kriminalität, von illegaler Migration, aber vor allem auch von Terrorismus bieten.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

 


Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Mit welchen Mehrkosten müssen die Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft rechnen, wenn sie um einen Pass mit ebendiesen biometrischen Merkmalen ansuchen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Das ist an und für sich eine Frage, die an das Finanzministerium zu richten ist. Die Rechnungen sind erstellt, es sind Mehr­kosten gegeben. In welcher Form diese dann von jenen Behörden, die die Pässe aus­stellen, und jenen, die die Vorgaben erstellen, geteilt beziehungsweise getragen wer­den, wird derzeit verhandelt. Wir bemühen uns darum, dass es zu keinen Mehrkosten für den Passinhaber kommt; kosten wird es um einiges mehr, das wird dann von den Partnern zu tragen sein. Es wird gerade daran gearbeitet, das Finanzministerium ist in Verhandlungen und wird einen Vorschlag machen. Von unserer Seite her gilt: Die Machbarkeit, die Umsetzbarkeit liegt voll im Zeitplan.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfinger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesminister! Sie haben zwar auf die vorige Frage schon einiges beantwortet; ich möchte meine Frage trotzdem stellen: Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht, einen neuen EU-Sicher­heitsreisepass einzuführen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Das ist an und für sich ein weltweiter Wunsch. Ganz starken Druck haben die USA gemacht, man denke an die Ereignisse


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vom 11. September 2001! Die Anschläge vom 11. März 2004 in Madrid haben das auch für Europa sehr, sehr wichtig gemacht. Das sind die Gründe, denn die Fälschun­gen werden immer perfekter – und dieser Chip kann im Vergleich zu den früheren Reisedokumenten Fälschungen sehr massiv unterbinden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weilharter gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesminister! Welche biometrischen Merkmale sollten aus Ihrer Sicht in den Reisepass aufgenom­men werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Das Bild ist der erste Schritt, und das ist problemlos zu machen, es ist jetzt schon umsetzbar und hilft auch sehr im Bereiche der Fälschungssicherheit. Fingerprints sind im Stadium der Abstimmung, wie weit das wirklich umsetzbar ist. Wir glauben daran, dass auch die Fingerprints absolut machbar und möglich sind. Österreich wäre bereits in der Lage, diese auf dem Chip zu spei­chern.

Es gibt dann noch mehrere andere Vorstellungen bezüglich Erkennungsdaten, etwa mit dem Auge – ich glaube, das geht dann zu weit.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Konrad gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ist durch den vermehrten technischen Aufwand mit einer längeren Wartezeit für die An­tragstellerinnen und Antragsteller zu rechnen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Bei uns wird es die Nationalbank – Pardon! Bei uns wird das die Staatsdruckerei machen. Dort wird gesagt, man könne diese Pässe in zwei Tagen ausstellen. Es bedeutet also fast keine Verlängerung der Wartezeit.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Damit ist die Fragestunde beendet.

09.52.07Schlussansprache des Präsidenten

 


9.52.31

Präsident Mag. Georg Pehm: Meine sehr geehrten Damen und Herren! In wenigen Tagen enden jene sechs Monate, in denen nun das Burgenland den Vorsitz in diesem Hohen Haus innehatte. Es ist mehr als eine Tradition, wenn vor der Übergabe der Prä­sidentschaft an das nächste Bundesland von dieser Stelle aus einige grundsätzliche Fragen angesprochen, kurz Bilanz gezogen und vor allem „Danke schön!“ gesagt wer­den kann.

Ich habe dabei lange überlegt, unter welches Vorzeichen dieses halbe Jahr zu stellen ist. Ist es ein positives Vorzeichen, ein negatives Vorzeichen? Ist diese abschließende Erklärung in Moll oder in Dur zu intonieren? Eine eindeutige Antwort darauf für die gesamte Zeit dieser sechs Monate habe ich nicht gefunden, wohl aber für einige Themenbereiche, auf die ich deshalb eingehen möchte.

So muss wohl zunächst in Moll und sogar mit einiger Bitterkeit gesagt werden, dass der Bundesrat in den letzten Wochen schwer unter Druck geraten ist. Die völlig inak­zeptablen Aussagen der Bundesräte Ing. Kampl und Mag. Gudenus haben dem Anse-


Bundesrat
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hen des österreichischen Bundesrates schweren Schaden zugefügt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist in der Tat bitter: Statt darüber beraten zu können, wie der Bundesrat aufzuwer­ten ist – wie ein ausgeformtes Stellungnahmerecht durchgesetzt oder wie Zustim­mungsrechte ausgeweitet werden könnten, oder wie die Direktwahl von Bundesräten aussehen oder das Prinzip der Subsidiarität in dieser Europäischen Union wirksam gestaltet werden kann –, stand der Bundesrat zuletzt in der Geiselhaft von Aussagen zweier Uneinsichtiger.

Ich bedauere es sehr, dass Bundesrat Kampl und Bundesrat Gudenus nicht bereit sind, das zu tun, was mit Sicherheit getan werden muss, nämlich zurückzutreten. Ein­mal mehr fordere ich sie dazu auf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Demgegenüber ist ein eindeutig positives Vor­zeichen vor die Arbeitsbilanz dieses Hohen Hauses in diesem Halbjahr zu setzen. Im­merhin wurden in den sechs Plenarsitzungen die Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland und eine Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers debattiert, mehr als 30 schriftliche Anfragen eingebracht, mehr als 50 Gesetzesbeschlüsse und fast so viele Staatsverträge verhandelt. Die Ratifikation des europäischen Verfassungs­vertrages stellte hierbei sicherlich den Höhepunkt in diesen sechs Monaten dar.

Als Präsident des Bundesrates habe ich mich auch sehr darum bemüht, dieses Hohe Haus bei verschiedenen Feierlichkeiten und Gedenkveranstaltungen in diesem Halb­jahr gut zu vertreten, zwei davon möchte ich hervorheben:

Ein wichtiges Signal ist gerade in diesem Jubiläumsjahr von der Veranstaltung am Ge­denktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialis­mus ausgegangen.

Einen anderen besonderen Moment stellte die Auftaktveranstaltung zum Gedankenjahr dar, in der auch dem Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt wurde, zu sprechen. Es konnte dabei die zentrale Rolle der Bundesländer bei der Wiedererstehung unserer Republik angesprochen und dieser Beitrag in der Live-Übertragung durch den ORF auch in besonderer Weise gewürdigt werden. Die Bundesländer stellten damals einen Eckpfeiler für das Entstehen der einheitlichen Republik dar, und sie sind heute ein Eckpfeiler für eine gute Weiterentwicklung unserer Republik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch sehr positiv und jeweils in einem sehr freundschaftlichen Klima sind die interparlamentarischen Kontakte in den letzten sechs Monaten verlaufen. Als Gäste in Österreich durften wir den Präsidenten des Großen Staatshurals der Mongolei begrüßen – der übrigens mittlerweile Präsident seines Lan­des geworden ist –, es war die Präsidentin des belgischen Senats, der Präsident des Senats der Tschechischen Republik sowie der Präsident des Ausschusses der Regio­nen bei uns im Haus.

Auf Einladung des Bundesrates stattete auch der Vorsitzende des Föderationsrates der Russischen Republik, Sergej Mironov, dem Bundesrat einen Besuch ab. Es war bewegend, mit ihm gemeinsam die Befreiungsfeierlichkeiten in Mauthausen besuchen und daran teilnehmen zu können.

An Auslandsreisen wiederum galt es, vor allem die nachbarschaftlichen Beziehungen Österreichs zu stärken. Anzuführen ist dabei zunächst das Grenzlandtreffen mit Mit­gliedern des tschechischen Senats in Znaim, an dem mit dem Präsidium auch Bun­desrätinnen und Bundesräte aus Niederösterreich teilgenommen haben. Im Rahmen des Besuchs der Präsidialkonferenz beim Völkerhaus des Parlaments von Bosnien-Herzegowina sowie des Gesprächs mit dem Repräsentantenhaus und dem Staatsprä-


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sidium konnte auch den österreichischen Soldaten bei EUFOR ein Besuch abgestattet werden.

Beim Arbeitsbesuch im belgischen Senat mit Kollegen Weiss standen die Themen Föderalismus, Subsidiarität, europäische Entwicklung im Vordergrund. Im Rahmen der Tagung der Parlamentspräsidenten der EU-Mitgliedstaaten in Budapest konnte gleich­zeitig auch ein intensiver Gedankenaustausch mit dem Präsidenten des deutschen Bundesrates durchgeführt werden.

Den Abschluss des Kontaktprogramms bildete ein Besuch bei unserem Nachbarn Slo­wenien, wo Gespräche mit den Präsidenten des Staatsrates und der Staatsversamm­lung durchgeführt werden konnten. Und schließlich vertrat ich den Bundesrat bei der Tagung der Parlamentspräsidenten der Länder der Regionalen Partnerschaft in Bled.

Wie Sie verstehen werden, stellte die Inauguration des neuen ukrainischen Staatsober­hauptes, des Präsidenten Viktor Juschtschenko, auch für mich persönlich einen großen Moment dar. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, bei diesem Festakt den Herrn Bundes­präsidenten vertreten zu dürfen.

Aber egal, wo und egal, mit wem ich in diesen letzten sechs Monaten ins Gespräch ge­kommen bin, stets wurde von unseren ausländischen Gesprächspartnern betont, dass Österreich ein befreundetes Land ist, mit dem man ausgezeichnet zusammenarbeitet, dass man die Leistungen der Bevölkerung hoch anerkennt und dass man natürlich auch unsere Kulturschätze in besonderem Maß schätzt. Das ist das Lob, das natürlich sehr gut tut und das ich gerne weitergebe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorsitzführung unter der rot-goldenen Fahne hat natürlich auch dem Burgenland zusätzliche Möglichkeiten eröffnet, unsere Visitenkarte nach außen zu tragen, in Dur zu spielen und pannonische Klänge zu vermitteln. Ich denke dabei etwa an die Vorsitzübernahme im Jänner oder an die aus­ländischen Gäste des Bundesrates, die in das Burgenland gekommen sind, oder auch daran, dass sich das Burgenland hier im Hohen Haus mit einer sehr gelungenen Ver­anstaltung als „Technologieland mit Zukunft“ präsentieren konnte.

Umgekehrt wiederum statteten zahlreiche Gruppen aus dem Burgenland dem Parla­ment in den letzten sechs Monaten einen Besuch ab. Das reichte von Schülergruppen bis hin zu Gruppen von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Ich bin mir da sehr sicher: Diese vielfachen persönlichen Kontakte von Staatsbürgern und Politikern hier im Parlament tragen in besonderer Weise dazu bei, den Bundesrat in ein positives Bild zu rücken. Diesen Ansatz gilt es in Zukunft noch viel besser zu nutzen, als dies heute der Fall ist.

Man sagt, in der Politik gäbe es keine Dankbarkeit, Dankbarkeit sei in der Politik keine Kategorie. Das stimmt nicht – und schon gar nicht soll das heute stimmen. Ich möchte ausführlich und aufrichtig danken, denn ich habe viel bekommen in den vergangenen sechs Monaten.

So habe ich besonders wertvolle Unterstützung von Frau Vizepräsidentin Anna Elisa­beth Haselbach und vom Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss bekommen. Sie waren beide ein wichtiger Halt, nicht nur bei verschiedenen rechtlichen oder protokollarischen Fragen oder bei der Beurteilung von verschiedenen Situationen, vor allem habe ich viel von ihnen gelernt. Vielen Dank an Sie beide! (Allgemeiner Beifall.)

Ein besonderer Dank gilt auch den Fraktionsvorsitzenden dieses Hohen Hauses. In den vergangenen Monaten gab es gleich mehrere schwierige Situationen zu bewälti­gen, klare Haltungen zu zeigen. Es galt, für den Bundesrat, für seine Glaubwürdigkeit, für das Ansehen Stellung zu nehmen. Dafür, dass dies in Offenheit, in einem kollegia­len, in einem lösungsorientierten Klima geschehen ist, möchte ich Ihnen, den Frakti-


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onsvorsitzenden Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Professor Peter Böhm und Stefan Schennach sehr, sehr herzlich danken. Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nicht billiger Lobgesang, sondern ehrliche Aner­kennung ist es, mit der ich sage, dass ich viele Kolleginnen und Kollegen hier in die­sem Haus kennen und schätzen lernen konnte, die ihre Aufgabe sehr kompetent und mit großem Einsatz ausführen und aus der Überzeugung heraus hier arbeiten, dem Staat und den Menschen zu dienen.

Es ist auch nicht schwierig, eine Sitzung hier zu leiten, wenn Sie alle mithelfen, dass dies in entsprechender Form geschehen kann, und es konnte in diesen sechs Monaten auch geschehen. Für Ihr Verständnis, für Ihre Mithilfe, für das, was ich von Ihnen lernen konnte und auch für dieses Lächeln zwischendurch, wenn Sie ans Rednerpult gekommen sind, dafür möchte ich mich ebenfalls ganz herzlich bei Ihnen bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Mit großer Sicherheit hat es schon Vorsitzperioden gegeben, die für alle Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter des Bundesratsdienstes sowie für viele weitere Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus weniger anstrengend waren. Ich möchte mich bei jedem Einzelnen und bei jeder Einzelnen für die Unterstützung des Bundesrates und für die Unterstützung für mich in der Funktion des Präsidenten sehr herzlich bedanken. Ich habe es ausschließlich so erlebt, dass sie ihre Aufgaben mit großem Einsatz, sehr fachkundig und auch in höchstem Maße loyal durchgeführt haben.

Stellvertretend für alle, die mit und für den Bundesrat arbeiten, möchte ich mich bei Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda und bei Frau Vizedirektorin Dr. Alice Alsch-Harant in besonderer Weise bedanken. Danke schön für Ihre Unterstützung! (All­gemeiner Beifall.)

Ich wiederhole auch sehr gerne meinen Dank an den Burgenländischen Landtag, der mich als Erstgereihten in dieses Hohe Haus entsandt hat. Ich danke Herrn Landes­hauptmann Hans Niessl für die einzigartige Chance, die ich erhalten habe. Ich danke meiner Familie, meiner Frau, meiner Tochter, meinen Freunden für viel Verständnis in den vergangenen sechs Monaten.

Ich danke besonders aber auch Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von den Medien. Selbstverständlich sind Politiker und Politikerinnen nicht immer einer Meinung mit Ihnen, und das ist auch eine Stärke unserer Demokratie. Dafür, dass Sie sehr verantwortungsvoll mit Ihren Möglichkeiten umgehen, darf ich mich sehr herzlich be­danken und Sie gleichzeitig darum ersuchen, dem Bundesrat auch weiterhin offen und interessiert gegenüberzustehen. Ich danke Ihnen jedenfalls für die Zusammenarbeit. Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit 1. Juli wird nun das Bundesland Kärnten den Vorsitz übernehmen. In der Öffentlichkeit wird Herr Landtagspräsident Mitterer als neuer nächster Präsident des Bundesrates genannt. Ein entsprechender Beschluss des Kärntner Landtages wird jedoch erst nächste Woche getroffen werden können. Auch wenn es sozusagen noch nicht fix ist, wünsche ich Ihnen, Herr Kollege Mitterer, in Ihrer neuen Funktion ab 1. Juli viel Erfolg und alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf aber auch sagen, dass Sie zweifellos vor einer besonders schwierigen Aufga­be stehen, denn mit großer Sorge müssen wir beobachten, dass in den letzten Wochen viele Menschen in der Bevölkerung, eine Reihe namhafter Zeitungskommentatoren, selbst Verfassungsexperten davon sprechen, der Bundesrat gehöre abgeschafft.

Diese Signale müssen wir sehr ernst nehmen, zumal eine Umfrage des Meinungsfor­schungsinstitutes OGM für die ORF-Sendung „Report“ kürzlich ergeben hat, dass der-


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zeit 36 Prozent der Befragten für eine Abschaffung des Bundesrates eintreten, 30 Pro­zent sind dagegen, 34 Prozent haben dazu keine Meinung.

Ebenso ernst zu nehmen ist der weitere Befund von OGM. Demnach konnten die Frage, ob die politischen Aufgaben und Tätigkeiten des Bundesrates klar erkenntlich seien, nur 9 Prozent der Befragten mit Ja beantworten. Für 91 Prozent sind die Auf­gaben und Tätigkeiten weniger klar erkenntlich. Anders gesagt: Neun von zehn Öster­reicherinnen und Österreichern wissen nicht, was der Bundesrat, was wir hier tun.

Diesen Bildern oder, besser gesagt, diesen Nichtbildern vom Bundesrat müssen wir wirksam etwas entgegensetzen. Dazu gehört aus meiner Sicht unter anderem,

dass sich der Bundesrat erstens auch weiterhin klar und glaubwürdig von Unbelehr­baren abgrenzt und hierbei konsequent ist;

dass wir zweitens unsere Vorschläge für eine wirksame Aufwertung des Bundesrates permanent in Diskussion bringen und auf diese Aufwertung auch in den jeweiligen Parteien drängen und

dass wir drittens eine offensive Informations- und Medienarbeit für den Bundesrat entwickeln, um mehr als bisher nach außen zu tragen, welche Rolle, welche Aufgaben uns die Verfassung zugedacht hat.

Ich bin überzeugt davon, dass die Akzeptanz des Bundesrates in der Bevölkerung dann deutlich steigen wird, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen, was wir für sie tun können und dass wir selbstverständlich noch mehr für sie und für die besonderen Bedürfnisse der Regionen tun wollen.

Wir agieren hier aus einer Grundhaltung heraus, die sagt: Ohne Bundesrat gäbe es weniger Demokratie, weniger gute Gesetze, weniger bürgernahe Politik.

Daher bitte ich Sie: Treten wir lautstark, selbstbewusst und offensiv für den Bundesrat, für den Föderalismus und für mehr Bürgernähe in der Politik ein. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

10.10

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2115/AB bis 2119/AB verweise ich auf die im Sitzungs­saal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 11).

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates sowie jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände sowie die Berichte der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft beziehungsweise der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvorschau der genannten Ministerien auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2005 sowie des operativen Jahres­programms des Rates für 2005 und die Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der


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Schriftführer und der Ordner für das zweite Halbjahr 2005 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 bis 8, 9 und 10, 11 und 12, 15 bis 18, 21 bis 23 sowie 25 und 26 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.11.571. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (595/A und 998 d.B. sowie 7303/BR d.B. und 7317/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

 


10.12.16

Berichterstatter Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz geändert wird, vortragen.

Die Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen haben am 27. April 2005 einen Antrag im Nationalrat betreffend eine Änderung der Bundesverfas­sung, und zwar des Art. 36 Abs. 2 B-VG gestellt, womit der Vorsitzende des Bundes­rates vom Bundesrat selbst aus dem Kreis der Bundesräte jener Partei, welche den Erstgereihten entsandt hat, gewählt werden sollte.

In der Sitzung des Verfassungsausschusses des Nationalrates am 7. Juni 2005 wurde auf Grund eines Antrages der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Josef Bucher eine neue Fassung beschlossen. Danach sollte der Landtag die Möglich­keit erhalten, zu beschließen, dass der Vorsitz von einem anderen Bundesrat dersel­ben Partei ausgeübt werden soll.

Schließlich wurde in der Sitzung des Nationalrates vom 9. Juni 2005, der zweiten Lesung, durch die Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen ein gesamtändern­der Abänderungsantrag eingebracht, der vom Nationalrat auch beschlossen wurde. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Nach dem geltenden Art. 36 Abs. 2 B-VG fungiert als Vorsitzender des Bundesrates der an erster Stelle entsendete Vertreter des zum Vorsitz berufenen Landes.

Durch den vorgeschlagenen Art. 36 Abs. 2 soll den Landtagen die Ermächtigung ein­geräumt werden, zu beschließen, dass der Vorsitz von einem anderen der auf die mandatsstärkste (...) Partei (...) entfallenden Vertreter des Landes geführt werden soll. Dadurch kann ein Landtag auf Umstände reagieren, die eine Vorsitzführung durch den an erster Stelle entsendeten Vertreter als untunlich erscheinen lassen. Das von einem


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solchen Landtagsbeschluss betroffene Mitglied des Bundesrates ist damit zwar von der Vorsitzführung ausgeschlossen, behält jedoch sein Mandat. ...“

Dieser Beschluss des Nationalrates stellt zwar eine Änderung der Bundesverfassung dar, enthält jedoch keine Einschränkung der Zuständigkeit der Länder in Gesetzge­bung oder Vollziehung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke sehr.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke auch für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herwig Hösele. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.16.15

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte und Beschlussfassung wird hoffentlich ein konstruktiver verfas­sungsrechtlicher Schlusspunkt hinter eine mehrmonatige Diskussion gesetzt, die der Reputation der österreichischen Politik im Allgemeinen und der des Bundesrates im Besonderen leider sehr geschadet hat.

Die wichtigsten Repräsentanten der Republik, der Herr Bundespräsident, der Herr Bun­deskanzler, die Vorsitzenden der allgemeinen Vertretungskörper, überhaupt sehr viele wichtige Verantwortungsträger – ich möchte auch die Stellungnahmen unseres Frakti­onsvorsitzenden Ludwig Bieringer in Erinnerung rufen –, sie alle haben zu unsäglichen Aussagen, die zu diesen Diskussionen geführt haben, klare, eindeutige und richtige Worte gefunden, deren Inhalt ich zustimmend unterstreiche.

Wer gerade im Gedankenjahr 2005 beispiellose Gräueltaten verharmlost und relati­viert, der leugnet den Grundkonsens des neuen demokratischen Österreich. Das neue Österreich nach 1945 ist für mich auch die konstruktive Antithese zu menschenver­achtendem Nationalsozialismus und Totalitarismus jeder Art. Dieser Grundkonsens ist für mich auch persönlich Teil der österreichischen Identität. Zu diesem Grundkonsens sollten sich alle nicht nur vorbehaltlos bekennen, sondern ihn auch ganz selbstver­ständlich leben, wobei allen Versuchungen vordergründiger und primitiver parteipoliti­scher Instrumentalisierung zu widerstehen ist.


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Nun zum so genannten Anlassgesetz, das trotz aller politästhetischen Bedenken von nahezu allen als notwendig erachtet wurde, insbesondere auch vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes.

Ein kleiner Gedanke zum Thema Anlassgesetz: Für jedes Gesetz sollte ein Anlass be­stehen. Hier gab es einen besonders dringlichen Anlass. In den letzten Jahren haben wir bisher nur eine – zumindest für mich nachvollziehbare – die Institution des Bundes­rates direkt betreffende Verfassungsänderung beschlossen. Sie erfolgte 2003 und brauchte 83 Jahre. Aus den „Ersatzmännern“ für Bundesratsmitglieder wurden richti­gerweise im Art. 35 Abs. 1 „Ersatzmitglieder“, was, glaube ich, eine längst überfällige Regelung war.

Die heute erfolgende Neuregelung betreffend den Vorsitzenden des Bundesrates ist auch aus föderalistischer Sicht sachgerecht. Nach der Ausschusssitzung am letzten Dienstag hat uns der Vertreter des Bundeskanzleramtes, Verfassungsdienst, Mag. Lanner, in einem Gespräch darauf aufmerksam gemacht, dass schon im ersten Kommentar zur Bundesverfassung von Kelsen zur Frage der Vorsitzführung der ganz besonders wichtige föderalistische Aspekt dargelegt wurde.

Ich darf aus diesem Kommentar, den mir Mag. Lanner heute dankenswerterweise mitgebracht hat, folgende Sätze zitieren – Kelsen –:

„Die Regelung des Vorsitzes im Bundesrate hat extrem föderalistischen Charakter. Dem Land kommt der Vorsitz zu und nicht einer einzelnen Person als solcher. Nur als Repräsentant des Landes übt der jeweils Vorsitzende diese Funktion aus. Alle Länder haben auf den Vorsitz das gleiche Recht ohne Rücksicht auf ihre Größe. Sehr im Widerspruch zur Art der Vertretung der Länder im Bundesrat ist hinsichtlich des Vor­sitzes das Prinzip der arithmetischen Gleichheit der Bundesländer durchgeführt.“

Das ist eine Frage, die uns immer wieder beschäftigt hat: ob nicht alle Länder gleich viele Bundesräte stellen sollten. Also das wird hier auch ausdrücklich festgestellt. – Ich zitiere weiter:

„Zur Besetzung der Stelle des Vorsitzenden bedarf es keines besonderen Berufungs­aktes: Die Person des Vorsitzenden ist unmittelbar durch das Gesetz bestimmt. Die diesbezügliche gesetzliche Norm knüpft an die Vorschrift an, daß die Wahl in den Bundesrat nach dem Proporzsystem erfolgt. Dabei wird von der Voraussetzung ausge­gangen, daß die Parteien des Landtages für diese Wahl eine Liste aufstellen, so wie dies für die Wahl zum Nationalrat statuiert ist.“

Ich mache es etwas ausführlicher, weil ich zu einem kleinen Teil einer Änderung komme, die in der öffentlichen Diskussion gar nicht so bewusst geworden ist, die aber auch mit der heutigen Novelle mit geregelt wird.

„Der an erster Stelle in derjenigen Liste verzeichnete Kandidat, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt hat, übt für das Land den Vorsitz aus. Damit ist zugleich gesagt, daß die relativ stärkste Partei im Landtage zugleich mit der größten Zahl der Bundesratsmandate auch das Recht auf den Vorsitz hat, wenn das Land an die Reihe kommt. Den Fall, daß zwei gleich starke Parteien bei der Wahl der Bundesratsvertreter an erster Stelle stehen, regelt die Verfassung nicht.“

Durch die heutige Verfassungsänderung wird dies so geregelt, wie es eigentlich im Kommentar vorher beschrieben wird: Wenn es Mandatsgleichstand gibt – wir haben einen solchen Fall auch schon gehabt –, entscheidet die Stimmenstärke, und wenn es auch Stimmengleichstand gibt, gilt die Losentscheidung. Damit ist auch hier klarge­stellt, wie in diesem Fall der Modus zu treffen wäre.


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Ich glaube, es ist ein wohl durchdachtes föderalistisches Prinzip. Es wurde oft in Dis­kussion gezogen, dass eine halbjährige Vorsitzführung zu kurz sei. Ich glaube, wenn man neun Bundesländer hat und es damit ermöglicht wird, dass innerhalb einer Legislaturperiode, sowohl des jeweiligen Landtages als auch der ersten Kammer des Hauses, eine Vorsitzführung der einzelnen Bundesländer erfolgen kann, ist dies auch ein wichtiges Zeichen der Gleichwertigkeit aller Bundesländer.

Wenn ich an dem Prinzip festhalten möchte, nämlich dass das jeweilige Bundesland entscheiden soll, wer den Vorsitz führt, dann muss ich die Entscheidung den Landta­gen überlassen und kann sie nicht an den Bundesrat delegieren, der den Mehrheitswil­len eines Bundeslandes konterkarieren könnte. Insofern war der Vorschlag der Grünen aus meiner Sicht gut gemeint, aber aus föderalistischer Sicht nicht zielführend.

Der in der Nationalratsdebatte eingebrachte Vorschlag der SPÖ hätte implizit auch die Abschaffung des freien Mandates bewirkt, wenn ein Bundesrat gegen seinen Willen abberufen werden könnte.

So war der Vorschlag, auf den sich dann alle vier Parlamentsparteien im Nationalrat einigen konnten und der von der Volkspartei ausgearbeitet wurde, die wirklich födera­listisch sachgerechte und konstruktive Lösung zu diesem Thema.

Ich darf zum Thema freies Mandat eine kleine, persönlich differenzierte Anmerkung machen. Einerseits steht das freie Mandat immer in einem gewissen Spannungsver­hältnis zur so genannten Fraktionsdisziplin, andererseits ist es gerade diese Fraktions­disziplin, die im Bundesrat meistens zur Abstimmung entlang der Parteigrenzen und nicht entlang der Ländergrenzen führt.

Persönlich könnte ich mich durchaus damit anfreunden, dass in speziellen Fällen ein gebundenes Mandat seitens des Landes zu erfüllen wäre, etwa auf Basis eines quali­fizierten Landtags- oder Landesregierungsbeschlusses – es hat bekanntlich schon ähnliche Passagen in Regierungsprogrammen und Entschließungen gegeben, die hier in diesem Haus gefasst wurden –, noch dazu, wo ein Mitglied des Bundesrates nicht direkt vom Volk gewählt wird wie ein Nationalratsabgeordneter oder ein Landtagsabge­ordneter, wo ich das freie Mandat ganz besonders anerkenne, sondern ein Mitglied des Bundesrates meist genauso gewählt wird wie ein Mitglied einer Landesregierung.

Wir fassen heute einen im Interesse des Ansehens des Bundesrates, der Republik und der Politik in Österreich wichtigen Beschluss. Er bringt, wie ich schon gesagt habe, zusätzliche Klarstellungen, wer als Nummer eins das Bundesland vertritt, und auch grammatikalische Berichtigungen, nämlich im Zusammenhang mit der Funktion der Vizepräsidenten: Da wurde bis jetzt die Einzahl verwendet, jetzt wird das im Plural dargestellt.

Der heutige Beschluss – Sie gestatten, dass ich abschließend noch zwei, drei Ge­danken dazu ausführe – sollte aber, und das hat der Herr Präsident auch in seiner Erklärung angesprochen, Anstoß sein für weiterführende mögliche Reformschritte zur Stärkung des Bundesrates. Denn Bundesstaat und Bundesrat sind, wie wir wissen, seit Beginn der Republik, des Bundesstaates Österreich im Jahr 1920 ein unbefriedigender Kompromiss. Alle Redner in der Sitzung, in der die Bundesverfassung Ende Septem­ber 1920 beschlossen wurde, machten darauf aufmerksam. Der sozialdemokratische Redner hat damals in aller Offenheit gesagt – es hat sich die Position mittlerweile wesentlich gewandelt, aber ich muss darauf hinweisen, weil das ja ab ovo unser Problem ist; ich zitiere –:

„Und wenn wir auch den Bundesrat überhaupt für eine überflüssige Einrichtung halten: da er nicht zu vermeiden war, ist er hier in seiner Kompetenz doch auf ein Minimum beschränkt und wird die Gesetzgebung nicht zu verhindern vermögen.“


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Das ist eigentlich seit 1920 ein außerordentlich unbefriedigender Zustand. Es hat sich einiges gebessert durch das Zustimmungsrecht. Aber ich möchte darauf verweisen, dass Reformvorstellungen, die im Bundesrat einstimmig als Gesetzesinitiative be­schlossen wurden – auch darauf hat der Herr Präsident verwiesen –, wie die frühzei­tige Einbindung in das Gesetzgebungsverfahren durch das Stellungnahmerecht, letzt­mals beschlossen im ersten Halbjahr 2003, im Nationalrat einfach jahrelang unbearbei­tet liegen gelassen werden, während andererseits, wenn es notwendig und geboten erscheint, eine Verfassungsänderung wie die heute hier von uns zu beschließende innerhalb weniger Tage möglich ist. Hier schiene es mir doch außerordentlich nützlich und wichtig, diese Diskrepanz zu schließen. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch dazu, wo es zwar vielerlei unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wohin der Bundesrat als echte Länderkammer reformiert werden sollte, aber allgemeiner Kon­sens auch im Österreich-Konvent darüber bestand – ich zitiere nur diesen entscheiden­den einen Satz –:

„Es besteht Einvernehmen darüber, dass in diesem Bereich ein besonders dringender Änderungsbedarf besteht, weil der Bundesrat derzeit seine primäre Aufgabe, die Inter­essen der Länder in der Bundesgesetzgebung zu wahren, nicht ausreichend effektiv wahrnehmen kann, ...“

Es gibt aber auch keine zweckmäßige Alternative, in Form der unmittelbaren Mitwir­kung der Länder selbst, zur Mitwirkung der Länder im Wege des Bundesrats. Das ist auch die Meinung des damaligen Konventsausschusses gewesen – wir waren beide dort und haben das auch einstimmig mitgetragen –, dass es keine zweckmäßige Alter­native zum Bundesrat an sich gibt, sondern es geht um die bestmögliche Ausgestal­tung.

So ist leider der Österreich-Konvent insgesamt ohne Konsens zu Ende gegangen. Nachdem nun im Zusammenhang mit der EU-Verfassung eine Nachdenkpause allge­mein notwendig geworden ist, könnten wir diese Zeit nützen und die Hausaufgaben in Österreich, auch in Bezug auf die Reform des Bundesstaates und des Bundesrates, erledigen.

Der österreichische Publizist Alfred Payrleitner, der auch einer der wesentlichen pub­lizistischen Wegbereiter des Österreich-Konvents war, hat darauf heute in einem Kommentar des „Kurier“ hingewiesen und auf ein mögliches „Mondfenster“ in diesem Zusammenhang aufmerksam gemacht.

Ich würde dies in unserem gemeinsamen Interesse sehr begrüßen. Vor allem aber soll vom heutigen Beschluss des Bundesrates aus meiner Sicht ein klares Signal aus­gehen: Der Bundesrat ist unverzichtbar, aber nicht unveränderbar. Die überwältigende, große Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses leistet verantwortungsbewusste, gute und seriöse Arbeit, im Interesse der Demokratie und der Republik Österreich.

Wir wollen gemeinsam alles dazu beitragen, um die Reputation der Länderkammer durch unsere Arbeit weiter zu verbessern, im Interesse der Demokratie in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

10.30


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pro­fessor Konecny. – Bitte.

 


10.30.38

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das ist heute kein Ruhmestag: nicht für Österreich, nicht für die Demokratie – und auch nicht für den Bundesrat. Es ist dies ein Tag, an dem, zu­mindest ich, vor allem eines empfinde: Trauer. Was sonst soll man empfinden, wenn


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sich gerade in jenem Jahr, das Österreich ausdrücklich dem Gedenken gewidmet hat, Politiker in aller Öffentlichkeit zu jenen Lügen, Verdrehungen und Verfälschungen der Vergangenheit bekennen, deren gemeinsames Ziel es ist, die blutigste Geißel des 20. Jahrhunderts, den Nationalsozialismus, schönzureden!

Kollege Hösele hat im Wesentlichen über die Stellung des Bundesrates gesprochen; das ist nicht meine Absicht, denn diese Novelle ist nicht das Ergebnis eines Nach­denkprozesses über die Stellung und die Zukunft unserer Kammer, sondern lediglich ein Reagieren auf ganz konkrete politische Vorfälle. Ich kann nicht über diese Verfas­sungsänderung sprechen, ohne auch heute entscheidend auf den Anlass und die Vor­geschichte hiezu einzugehen. Und damit muss ich über zwei Mitglieder dieses Hauses sprechen – und nicht nur über jenes eine, das von dieser Verfassungsänderung betroffen ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Bundesrat Gudenus, der es – aus welchen Gründen immer – vorgezogen hat, hier heute nicht zu erscheinen, hat zwar nicht im Bundesrat, aber in aller Öffentlichkeit die Existenz von Gaskammern als Mittel der nationalsozialistischen Massenvernichtung in Zweifel gezogen. Und er hat dann noch die dümmliche Bemerkung hinzugefügt, Gas­kammern hätten „nicht im Dritten Reich“ existiert, sondern „nur in Polen“. – Das ist erstens schlichtweg falsch und ignoriert zweitens die unleugbare Tatsache, dass jene Gaskammern, die tatsächlich auf dem Gebiet des heutigen Polen in Betrieb waren, dort von den Vertretern eben jenes Dritten Reiches hingebaut wurden.

Bundesrat Kampl hat Deserteure aus der Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschland als „teilweise Kameraden-Mörder“ diffamiert und von einer „brutalen Nazi­verfolgung“ nach 1945 gesprochen, und er hat das mit seinem persönlichen Schicksal verknüpft. So wie Gudenus hat auch Bundesrat Kampl in der Öffentlichkeit danach deutlich gemacht, wie sehr er – allenfalls mit kleinen sprachlichen Korrekturen – zum Inhalt dieser Äußerungen steht.

In diesem Zusammenhang hat mir Bundesrat Kampl eine sehr unwillkommene Ehre angetan, indem er mich zum Zeugen für seine Haltung aufgerufen hat, hätte doch ich selbst dazu aufgefordert, so Bundesrat Kampl, die so unterschiedlichen und leidvollen Schicksale einmal auszusprechen. – Ja, dazu habe ich tatsächlich aufgefordert, aber es ist der Schmerz, der ausgesprochen werden muss, um überwunden zu werden –nicht aber der Hass, der auch noch falsche Schuldzuweisungen mit transportiert! (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Kampl, Sie sind wahrlich alt genug, um jene Geschichten, die man Ihnen in Ihrem Milieu erzählt hat, endlich einmal auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) So, wie die historische Forschung jenen von Ihnen behaupteten Vorfall am Eismeer nicht kennt, bei dem angeblich Überläufer ihre Kameraden getötet haben sollen, werden Sie auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Lebensgeschichte Ihres Vaters eine andere ist als die, die er Ihnen und die Sie uns erzählt haben!

Diese Einsicht mag sehr schmerzlich sein für Sie, Herr Bundesrat Kampl, das verstehe ich, aber: Wir können nicht die Wahrheit vergewaltigen, um Sie vor Schmerz zu be­wahren! Die Akten, die inzwischen auch Sie kennen sollten, beweisen etwas ganz anderes: Ihr Vater war illegaler Nazi. Einen politischen Fehler zu begehen – wenn man ihn richtig stellt – ist nichts, was einen Menschen schändet. Ihr Vater, Herr Bundesrat Kampl, war nach 1938 ein, nach Aussagen der Ortsbewohner, nicht sehr umgänglicher Ortsgruppenleiter. Und er war vor allem eines: ein Denunziant. Er hat einer ehrlichen Frau eine viermonatige Haftstrafe nach dem „Heimtückegesetz“, eben durch seine De­nunziation, „besorgt“ – und diese Frau konnte von Glück reden, dass sie nicht ins KZ kam, sondern „nur“ im Gefängnis gelandet ist!


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Wie andere NS-Amtsträger wurde Ihr Vater für zwei Jahre von der britischen Besat­zungsmacht interniert. Das Strafverfahren, das wegen dieser Denunziation gegen ihn angestrengt worden war, ruhte während dieser Zeit; nach seiner Freilassung wurde er jedoch dessentwegen angeklagt. Und die Akten beweisen das Gegenteil einer „Nazi­verfolgung“: Die zehnmonatige Freiheitsstrafe, zu der Ihr Vater verurteilt wurde, musste er nicht absitzen; sie galt als durch die Internierung verbüßt.

Ich ziehe nicht in Zweifel, dass für einen Achtjährigen, der gerade erst die Mutter ver­loren hatte, das plötzliche Verschwinden des Vaters ein traumatisches Erlebnis war. Wen aber, Herr Kampl, wollen Sie dafür anklagen?! – Jene, die selbstverständlich für eine gerechte Sühne für die Verbrechen der Nazi-Zeit – in allen ihren Abstufungen – zu sorgen hatten und damit auch für eine Bestrafung der einzelnen Täter, wie es eben auch Ihr Vater war? – Nein: Da müssen Sie sich schon, so schmerzlich das auch sein mag, an die wirklich Schuldigen halten: jene, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass Österreich nationalsozialistisch wurde, jene, die als große und kleine Rädchen diese Macht- und Gewaltmaschinerie in Betrieb gehalten haben!

Ich will nicht beurteilen, wie groß oder klein die Rolle Ihres Vaters dabei war, jedenfalls: Eine Rolle hat er dabei gespielt.

Ich sage sehr ehrlich dazu, dass ich in diesen letzten Wochen nicht nur sehr oft Trauer empfunden habe, sondern oft und oft auch – verzeihen Sie mir dieses harte Wort! – Ekel. Ekel nicht nur über die Meinungen, die geäußert wurden, sondern auch über die Begleitumstände.

Es kann ja nun wirklich keiner sagen, dass jene Partei, die Gudenus in den Bundesrat entsendet hat, diese seine Meinung nicht schon vorher gekannt hätte! Gudenus ist ein Wiederholungstäter! Und wie man solche Probleme lösen kann – ekelerregend, sage ich –, haben wir gesehen: Gudenus gehört der FPÖ nicht mehr an, aber nicht weil sie ihn hinausgeworfen hätte, sondern weil er ausgetreten ist, um seiner Partei „nicht zu schaden“. – So etwas nenne ich stille Kameraderie!

Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Kampl: Ihre Partei wird doch wohl gewusst haben, wofür Sie stehen. Herr Landeshauptmann Haider wird doch gewusst haben, welche Auffassung jener Mann vertritt, von dem er sich 1986 in Innsbruck auf Schultern tragen ließ. Und auch Sie haben Ihre Partei verlassen, um ihr „nicht zu schaden“. – Dieselbe stille Kameraderie!

Ich wiederhole: FPÖ und nun BZÖ waren es, die diese beiden in den Bundesrat ent­sendet haben, obwohl sie wissen mussten, mit wem sie es da zu tun haben. Oder haben sie es vielleicht gerade deshalb getan? Das Doppelspiel, das da ablief, war ja wirklich der absolute Gipfelpunkt: Während die eilfertigen Distanzierungen und Bekun­dungen von Betroffenheit nur so aus den Medien tropften, haben führende Vertreter dieses politischen Lagers gleichzeitig ihre „Sympathie“, ihr „Verständnis“, ihre „Unter­stützung“ bekundet!

Da gibt es offenbar zwei Argumentationsebenen, zwei Zielgruppen, wie man heute sa­gen würde: für die große demokratische Öffentlichkeit eine ganz billige Distanzierung, für das kleine, aber offenbar für Jörg Haider unverzichtbare rechtsextreme Potential in Kärnten die emotionale Identifizierung.

Wenn ich von Ekel spreche: Es blieb dem Herrn Landeshauptmann Haider vorbehal­ten, in diesem Zusammenhang das wirklich hetzerische Bild von Frauen, die vor KZlern den Boden aufwaschen mussten, in die Welt zu setzen. Das ist Ekel erregend – abge­sehen davon, dass es lügenhaft ist.

Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle daran zu erinnern, dass auch Herr Haider einen Vater hat und auch dieser eine Geschichte hat: ein Mann und eine Geschichte, die


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ganz offensichtlich nicht aufgearbeitet ist. Ein Mann, der als SA-Angehöriger an einem Überfall auf einen österreichischen Grenzposten teilnahm und wegen der Ermordung eines Zollbeamten rechtskräftig verurteilt wurde. Dass er seine Strafe nie abzusitzen hatte, das steht auf einem anderen Blatt. Was er seinem Sohn darüber erzählte, hätte ich gerne gewusst.

Ich muss mich auch mit großem Ernst an die größere Regierungspartei, die ÖVP, wen­den. Sind Sie wirklich der Meinung, dass mit dem Austritt dieser beiden Bundesräte aus der Partei Ihres Koalitionspartners und Ihres Quasi-Koalitionspartners jetzt auf ein­mal alles wieder in Ordnung ist? – Sie tragen genauso Verantwortung; nicht Verant­wortung für diese beiden Bundesräte, aber dafür, wen Sie in die Regierung geholt haben. Das ist eine politische Bewegung, in der es nicht nur diese zwei gibt, sondern wohl auch manch andere mit derselben Auffassung, nämlich solche, die mit diesen Auffassungen nicht hinter dem Berg halten, wie Volksanwalt Stadler, und solche, deren vorrangige Qualifikation darin besteht, dass sie in der Öffentlichkeit besser den Mund halten können als unsere beiden Bundesratskollegen.

Wir sind mitten in einem Jahr – darauf wurde verwiesen –, in dem wir das Werden der Zweiten Republik bedenken wollten. Dazu gehört auch deren blutige Vorgeschichte. Die ÖVP hat hier etwas zu bedenken. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns nicht mit eilfertigen Distanzierungen abspeisen würden, sondern als Ergebnis Ihres Bedenk­prozesses Selbstkritik üben würden, nach der Sie sich vielleicht auch wieder etwas leichter in den Spiegel schauen können.

Für viele, nicht nur für die Opposition, war vom ersten Augenblick an klar, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, weil klar ist, dass Politiker, die sich durch ihre Äußerungen in die Nähe des Nazismus rücken, nicht an der Spitze des Bundesrates stehen können.

Aber ich habe von allem Anfang an – dazu stehe ich auch heute noch – eine Haltung vertreten, die klar im Gegensatz zu der jetzt von uns, mit unseren Stimmen, zu be­schließenden Lösung stand. Wenn auch das Argument nicht völlig von der Hand zu weisen ist, dass der Republik nun eine Blamage erspart wird, so wird sehr viel offen­kundiger doch jenen eine Blamage erspart, die Herrn Kollegen Kampl politisch zu verantworten haben. Auch heute noch bin ich davon überzeugt, dass es im Sinne einer wehrhaften Demokratie richtiger wäre, einen Präsidenten Kampl zu ignorieren und, wie ich sagte, unter Quarantäne zu stellen. Damit hätten wir deutlich machen können, wo­für wir stehen, und gleichzeitig unter der Führung von zwei bewährten Vizepräsidenten unsere Aufgabe problemlos erfüllen können. Aber natürlich: Dazu hätte es einer ge­meinsamen Vorgangsweise von zumindest drei Fraktionen bedurft. Und diese war nicht herzustellen.

Es war dann die Angst vor einer sechsmonatigen Dauerkrise, die die beiden Regie­rungsparteien, nachdem alle Versuche, Kollegen Kampl zum Rücktritt zu bewegen, ge­scheitert waren, zuletzt doch für eine verfassungsrechtliche Lösung eingenommen hat, die sie einige Wochen davor noch empört abgelehnt hatten.

So wenig eine Anlassgesetzgebung jemals zu begrüßen ist, so ist zuletzt doch eine gemeinsame Lösung gefunden worden, die in einem zentralen Punkt die zentrale For­derung der Sozialdemokraten erfüllt. Denn es ist nun jene Fraktion, die den Erstgereih­ten vorgeschlagen hat, die ihn auch durch einen anderen Bundesrat ersetzen kann. Damit bleibt einerseits sichergestellt – auch das ist wichtig, Kollege Hösele –, dass eine Landtagsmehrheit keiner Partei vorschreiben kann, durch wen sie im Bundesrat vertreten ist, aber andererseits ist damit auch klargestellt, dass die politische Verant­wortlichkeit beim Verursacher liegt, der dann für eine angemessene Besetzung des Bundesratspräsidenten zu sorgen hat.


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Keine Frage: Zu den Opfern dieser Auseinandersetzung gehört auch der Bundesrat. Im Gegensatz zum Kollegen Hösele bin ich der Meinung, dass dies nicht der Augenblick ist, um einmal mehr über dessen notwendige Aufwertung zu sprechen und Reformvor­schläge auszubreiten.

Aber es muss doch Folgendes festgehalten werden: Der Bundesrat kann sich seine Mitglieder nicht aussuchen. Nicht der Bundesrat demontiert sich, er wird von jenen demontiert, die fachlich, politisch, emotional oder moralisch nicht qualifizierte Mitglieder in ihn entsenden. Dafür, dass es das alles gibt, trägt nicht der Bundesrat die Verant­wortung, sondern eben jene, die diese Mitglieder des Hauses delegiert haben.

Wenn ich schon beim Ekel war: Es gehört schon eine besondere Portion Unverfroren­heit – in diesem Zusammenhang hätte ich fast Chuzpe gesagt – dazu, wenn ausge­rechnet jener Kärntner Landeshauptmann, der dem Bundesrat durch seine zweifelhafte Personalpolitik diese Krise beschert hat, als seinen Beitrag zu ihrer Bewältigung die Abschaffung des Opfers seiner Politik, nämlich des Bundesrates, vorschlägt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir werden mit dem heutigen Beschluss den Weg dafür freimachen, dass der Kärntner Landtag rechtzeitig vor dem 1. Juli unseren künftigen Kollegen Mitterer zum Bundes­ratspräsidenten designieren kann. Es wurde schon gesagt, es wird eine außerordent­lich schwierige Aufgabe für ihn werden, aber ich wünsche ihm aus ganzem Herzen und aus ehrlicher Überzeugung dafür viel Erfolg.

Wir bekommen also einen anderen Präsidenten als Bundesrat Kampl, der sich selbst disqualifiziert hat. Aber was hat sich sonst geändert? – Die beiden, Kampl und Gu­denus, bleiben weiterhin Mitglieder dieses Hauses, Herr Gudenus vermutlich nur bis Oktober, Kollege Kampl für eine Reihe weiterer Jahre. Und sie, die alle Rücktritts­forderungen beharrlich ignorieren, werden also weiterhin über das Schicksal unseres Landes bestimmen. Sie werden das angesichts der politischen Verhältnisse in diesem Haus in einer sehr entscheidenden Art und Weise tun.

Im Plenum des Bundesrates stellen die beiden Oppositionsfraktionen gemeinsam 30 Bundesräte, die ÖVP zusammen mit den Mitgliedern von FPÖ und BZÖ ebenfalls 30. Aber weil es ja weiterhin eine freiheitliche Bundesratsfraktion gibt, gibt es eine Regierungsmehrheit von 32 Stimmen. Kollege Böhm hat uns darüber informiert, dass die freiheitliche Fraktion auf der Basis einer grundsätzlichen Zustimmung zum Regie­rungsprogramm arbeiten will.

Kann es wirklich sein, das wir die Entscheidungen, das politische Urteil des Bundesra­tes von den Meinungen von zwei Angehörigen abhängig machen, deren Auffassungen wir alle übereinstimmend verurteilt haben? – Ich habe gegenüber einem möglichen Präsidenten Kampl eine Politik der Quarantäne vorgeschlagen. Ich möchte das auch für den Bundesrat tun. Ich sage ganz ehrlich und entschlossen dazu, dass ich das nicht tun kann, ohne ausdrücklich festzuhalten, dass es von mir und meinen Parteifreunden ein Fehler war, bei der Abstimmung über unseren Neuwahlantrag das Ergebnis von einer dieser Stimmen abhängig zu machen und dies auch noch zu bejubeln. Ich ent­schuldige mich dafür, vor allem bei denen, die uns damals kritisiert haben, nicht bei denen, die sich über das Abstimmungsergebnis geärgert haben. Es war politisch falsch.

Von diesem Augenblick an wollen wir aber an einem festhalten: Wann immer eine Ab­stimmung stattfindet, bei der jene Seite, mit der die SPÖ zu stimmen beabsichtigt, nur mit einer oder beiden dieser Stimmen gewinnen würde, werden wir unsere Präsenz so reduzieren, dass diese Stimmen zuletzt doch nicht ausschlaggebend sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Wir lehnen diese Bundesregierung ab, wir lehnen zentrale Elemente ihrer Politik ab. Aber das macht uns nicht blind dafür, dass diese Gegnerschaft keine Partnerschaft mit politischen Meinungen mit einschließen kann, die wir zutiefst verurteilen. Das ist unsere Seite.

Ich wende mich aber auch an die Seite der Regierung, vor allem an die ÖVP. Und ich frage: Wie wollen Sie das denn halten? Wollen Sie wirklich die Vorschläge Ihrer Regie­rung mit den Stimmen solcher Verbündeter hier im Bundesrat durchdrücken?

Unser Land hat es wahrlich nicht verdient, dass die letzte Entscheidung darüber, wie der Bundesrat abstimmt, bei zwei Personen liegt, deren politische Ansichten wir alle – das haben wir zumindest bekundet – in gleicher Weise verabscheuen. Wer diese Stim­men für sein politisches Projekt benützt, wer sich zur Mehrheitsbildung von ihnen ab­hängig macht, der wird sich auch sagen lassen müssen, dass seine Verurteilung und Ablehnung solcher Meinungen wohl nicht sehr tief verankert sein kann.

Wir Sozialdemokraten haben uns für eine Haltung entschieden, mit der wir bewusst in Kauf nehmen, dass einige Maßnahmen der Regierung, die wir zumindest hätten ver­zögern können, von einer durch unsere Mitwirkung zustande gekommenen Mehrheit hier beschlossen werden.

Politik, das weiß jeder, erfordert manchmal taktische Maßnahmen, sie verlangt auch nach Kompromissen, bei denen einem selbst nicht immer wohl ist. Aber es gibt eine Grenze: Und die Grenze liegt dort, wo man seine eigenen demokratischen Grundsätze preisgeben müsste, dort, wo der Ekel vor einem selbst beginnen würde. Zu solch einer Selbstverleugnung und Selbstbeschädigung sind wir Sozialdemokraten jedenfalls nicht bereit. Für uns ist die Ablehnung solcher Auffassungen keine Frage der Taktik, son­dern eine unumstößliche Überzeugung. Das sind wir jenen schuldig, die damals ihr Leben für die Freiheit Österreichs einsetzten, und das sind wir auch jener jungen Generation schuldig, der wir eine Republik übergeben wollen, die nicht mehr von brau­nen Flecken verunstaltet wird.

Die Generation der Nachgeborenen hat ihre Eltern oft genug gefragt: Was habt denn ihr in der Nazi-Zeit gemacht? – Bundesrat Kampl war nicht der Einzige, der keine oder keine ehrliche Antwort auf eine solche Frage bekommen hat. Ich sage ganz persönlich: Wenn mich meine Enkel einmal fragen, was ich getan habe, als sich die Rechtfertiger des Nationalsozialismus wieder zu Wort meldeten, dann möchte ich ihnen eine ehrliche Antwort geben können – eine Antwort, die beginnt mit den Protesten gegen die Kriegs­verbrecherfreisprüche zu Beginn der sechziger Jahre, mit Borodajkewicz, und die hof­fentlich zu Ende ist mit den Fällen Gudenus und Kampl. Ich möchte ihnen eine Antwort geben können, die ehrlich ist und auf die meine Kinder und ich stolz sein können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich er­teile ihm das Wort.

 


10.54.39

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich werde bemüht sein, von der parteipolitischen Polemik meines Vorredners wieder wegzukommen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Das verstehe ich!) und auch von seiner inhumanen Diktion von „Menschen unter Quarantäne stel­len“. Auf dieses Niveau werde ich mich nicht begeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie können gerne eine inhumane Diktion wählen. Ich überlasse das Ihnen, es richtet sich ja von selbst. (Bun-


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desrat Konecny: Wenn Sie in dem Zusammenhang von „inhuman“ sprechen ...!) – Das überlassen Sie bitte mir!

Das hier und heute zur Beschlussfassung anstehende Verfassungsgesetz stellt mich und damit auch meine Fraktion in einer sehr schwierigen staatspolitischen Situation des Bundesrates zugleich aber auch vor ein grundlegendes rechtsstaatliches Problem.

Es geht mir, wie eingangs erwähnt, nicht um die tagespolitische Vorgeschichte, die ich daher bewusst nicht erneut aufrollen will. Aus ihrer Sicht haben das ja Repräsentanten anderer Fraktionen, vor allem nicht zuletzt mein Vorredner, bereits äußerst intensiv und durchaus nicht hinlänglich objektiv getan. Dazu wäre viel zu erwidern, was ich mir aber bewusst versage.

Offensichtlich wird mit dieser kurzfristig geplanten Verfassungsänderung ein aktuelles politisches Ziel angestrebt – konkret: Herrn Bundesrat Ing. Siegfried Kampl an der nach der bis heute bestehenden Verfassungsrechtslage vorgesehenen Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat zu hindern.

Das ist jedoch eben das – das, muss ich fairerweise sagen, haben meine Vorredner auch schon angesprochen –, was prominente Verfassungsjuristen als Anlassgesetzge­bung bezeichnen. Nun kann man dagegen einwenden – und ich stimme darin Herrn Kollegem Hösele durchaus zu –, dass auch schon in der parlamentarischen Vergan­genheit viele wichtige Gesetzes- und auch Verfassungsänderungen ebenso sehr aus rein zeitpolitisch aktuellem Anlass beschlossen worden sind; letztlich hat jedes Gesetz einen Anlass, sonst würde es sich ja wohl erübrigen.

Freilich ist es im vorliegenden Fall mehr als bloße klassische Anlassgesetzgebung. Es ist in gewisser Weise auch Maßnahmengesetzgebung, weil es – das wurde ja auch offen angesprochen – um die politisch-institutionelle Reaktion auf Äußerungen eines bestimmten Mandatars und ihre Sanktionierung geht, dessen kraft Verfassungsge­setzes automatische Übernahme des Vorsitzes in der öffentlichen Meinung heute uner­wünscht ist. Somit grenzt diese Verfassungsänderung, vom zeitlichen Anwendungs­bereich her betrachtet, sogar an ein Individualgesetz, wiewohl sie in ihrer inhaltlichen Neuregelung durchaus allgemein verbindlich formuliert ist. Nicht zufällig sprechen ja auch die Medien unverhüllt von einer „Lex Kampl“.

Quer durch die Parteien haben anerkannte Repräsentanten zumindest demokratie- und verfassungspolitische „Bauchschmerzen“, wie sie es genannt haben, bekundet, was sie alle ehrt. Ich stehe nicht an, hier auch den Bundesgeschäftsführer der SPÖ Darabos zu nennen wie auch verschiedene Abgeordnete der ÖVP und der Grünen. Auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Universitätsprofessor Korinek hat sich in diesem Sinne geäußert, wenn er auch das Gesetz aus politischen Gründen für noch akzeptabel erachtet hat.

Dessen ungeachtet sei ausdrücklich betont: Der Sachgehalt der Neuregelung als solcher wäre an sich für meine Fraktion mit allem Für und Wider durchaus akzeptabel. Dem entsendenden Landtag beziehungsweise der in ihm entsendungsberechtigten mandatsstärksten Fraktion eine Umreihung des Erstgereihten auf der Landtagsliste, der zum Vorsitz im Bundesrat designiert ist, einzuräumen, das erscheint uns durchaus vertretbar, kann es doch auch in anderen Fällen, aus gesundheitlichen Gründen, aus Anlass von Unfällen, sogar Todesfällen, zu einem Ausscheiden kommen, aber es kann eben auch ein Ausscheiden aus politischen Gründen geben. (Bundesrat Reisenber­ger: Das ist ja unglaublich!)

Der Grund hingegen, dass es im Nachhinein untunlich erscheint, erscheint mir insofern fragwürdig, da es den Betreffenden allzu abhängig von seiner eigenen Fraktion macht. Was die Umreihung als solche betrifft, dürfte sie eben erst in der Zukunft eingreifen.


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Gegen eine solche Neuregelung wäre überhaupt nichts einzuwenden. Zu hinterfragen ist dabei, ob sich die Entsendung von Mitgliedern, gemeint als Listenerste, etwa bisher nicht an der künftig vorgesehenen Funktion und Position orientiert hat. Das wäre ja dann eine dem Landtag beziehungsweise, präziser gesagt, der entsendenden man­datsstärksten Fraktion zuzurechnende Fehlleistung gewesen. Das musste man sich auch schon bisher überlegen.

Sachpolitisch vertretbar wäre in diesem Zusammenhang nach meinem Dafürhalten auch durchaus der Vorschlag der Grünen, den Bundesrat selbst mit qualifizierter Mehr­heit, natürlich pro futuro, in eine solche Entscheidung zumindest mit einzubinden. Natürlich muss das letzte Wort beim betreffenden vorsitzführenden Land liegen.

Hier und heute geht es aber darum, das in einem aktuellen Fall bereits gegenwärtig durchzuziehen, nämlich die nachträgliche Umreihung. Darin sehe ich indes, wie schon gesagt – und das ist für mich verfassungspolitisch unvertretbar –, einen legislativen Akt mit einem gewissen rückwirkenden Charakter – das zwar nicht im Sinne einer absolu­ten Rückwirkung mit voller Eingriffsintensität, weil damit nicht in eine bereits erworbe­ne, angetretene Rechtsposition eingegriffen beziehungsweise diese aberkannt werden soll, aber doch mit einer relativen Rückwirkung in dem Sinne, dass in eine ex lege, hier sogar ex constitutione bereits anwartschaftlich erlangte Rechtsposition nachträglich, und zwar unmittelbar vor ihrer Realisierung, und das ohne jeden Zweifel mit Absicht, eingegriffen werden soll.

Mit der in einer langjährigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs erarbeiteten Recht­sprechung zum Vertrauensschutz ist das jedenfalls unvereinbar. Die realistischen Chancen einer Anfechtung des Betroffenen vor dem Verfassungsgerichtshof, die ihm offen bleibt, möchte ich bewusst nicht kommentieren – auch deshalb, weil wir heute eine an sich verfassungswidrige Regelung mit einem formellen Verfassungsgesetz immunisieren, das heißt der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entziehen.

Indirekt – zumindest dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Sanktion für politisch unerwünschtes Verhalten gesetzt werden soll – greift ein solches verfassungsrecht­liches Sondergesetz auch in das freie Mandat ein. Ich hebe nochmals hervor: auch das wohl eher indirekt, nicht geradezu direkt.

Einen solchen Umgang mit der Verfassung lehnen alle akademischen Lehrer als rechtsstaatswidrig ab. Wovor ich aber im Hörsaal einer rechtswissenschaftlichen Fakul­tät warnen muss, das kann ich auch im Hohen Haus nicht glaubhaft vertreten, ist ja jeder Abgeordnete den Gesetzen und vor allem der Verfassung der Republik, aber auch seinem demokratiepolitischen Gewissen verpflichtet.

Allerdings steht für uns außer Streit, dass ein breiter politischer Konsens mit ver­fassungsändernder Mehrheit darüber herrscht, eine solche Verfassungsänderung zu beschließen. Das gilt auch für unseren Koalitionspartner, und es trifft nicht zuletzt auch auf die freiheitliche Nationalratsfraktion, mit Ausnahme der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, zu. Das anerkennen und respektieren auch wir freiheitlichen Bundesräte, und zwar aus allgemeinpolitischen, aus staatspolitischen Erwägungen – nicht etwa aus vordergründig parteipolitischen oder gar finanziellen Erwägungen, wie uns böswilliger­weise unterstellt wurde.

Ebenso sehr steht für uns fest, dass wir kein Abstimmungsverhalten setzen wollen, das, entgegen unserer Absicht, etwa gar als Distanzierung von unserem voraussicht­lich neuen Bundesratspräsidenten Peter Mitterer verstanden werden könnte.

Ich begrüße ihn aus diesem Anlass, weil er uns ja schon heute im Hohen Haus die Ehre gegeben hat, und ich sichere ihm unsere volle Unterstützung zu – das gerade


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deshalb, weil er sich eine solche haus- und parteiinterne Ausgangslage weder subjek­tiv gewünscht noch objektiv verdient hat.

Aus all diesen Gründen werden wir dem politischen Willen der parlamentarischen Mehrheit, einschließlich unserer Nationalratsfraktion, nicht durch Contravoten entge­gentreten. Auf der anderen Seite werden Sie aber verstehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich persönlich nicht für ein Verfassungsgesetz stimmen kann, das ich aus den dargelegten Gründen für rechtsstaatswidrig halte.

Ich kann nicht hier im Parlament für etwas eintreten, gegen das ich mich der Art und dem Stil nach auf akademischem Boden, wie meine renommierten Kollegen des Ver­fassungsrechts, bewusst ausspreche. An diesem rechtsstaatlichen Credo festzuhalten, sollte mir zugebilligt werden. Was ich aber selbst nicht vertreten kann, darf ich wohl folgerichtig und billigerweise auch den Kollegen meiner Fraktion nicht zumuten. Sie hat sich daher aus eigener, von mir nicht beeinflusster verfassungs- und demokratiepoli­tischer Verantwortung dazu entschlossen, an der Abstimmung über dieses Sonderge­setz, die Lex Kampl, nicht teilzunehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.05.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich vor zwei Monaten um 16.01 Uhr hier an dieses Rednerpult trat, um die Dringliche Anfrage betreffend Wehrmachtsdeserteure beziehungsweise dieses traurige Kapitel der öster­reichischen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg darzustellen, hätte ich nie geglaubt, dass wir eine Diskussion über Monate erleben werden, eine Diskussion, die in poli­tische Niederungen abgleitet, die das Gedenkjahr bei Gott nicht verdient hat.

Es wäre schön gewesen, wenn wir heute eine Notmaßnahme, eine Notwehraktion hät­ten setzen können, denn seit jener Beratung über die Wehrmachtsdeserteure ist noch immer nichts geschehen, ist noch immer kein Konsens gefunden worden. Das hätte es verdient, dass eine Notwehrmaßnahme gesetzt worden wäre – aber nicht eine solche Debatte!

Kollege Böhm! Es geht hier nicht um juristische Auseinandersetzungen. (Bundesrat Dr. Böhm: Um rechtsstaatliche Fragen!) Ich werde darauf auch noch eingehen. – Aber wir können diese Debatte und diesen Beschluss nicht losgelöst von einer Debatte be­trachten, die es in diesem Land gegeben hat und die diese Institution, den Bundesrat, bis an den Rand der Lächerlichkeit geführt hat.

Meine Damen und Herren! Dass wir, dass der Nationalrat, der Kärntner Landtag und auch der Bundesrat eine Notwehrmaßnahme benötigen, ist nichts anderes, als dass man sich gegen die Oberhoheit des Gurker Stammtisches wehren muss, denn wenn die ganze Republik, vom Bundespräsidenten abwärts, appelliert, auffordert, beschließt, dass jemand die politische Verantwortung für untragbare Aussagen zu tragen hat, die Konsequenzen daraus zu ziehen hat, aber diese nicht zieht, weil die Freunde am Stammtisch sagen: Du bleibst hart, du bleibst, du gehst in das vierthöchste Amt des Staates!, dann muss es möglich sein, eine solche Notwehrmaßnahme zu setzen. Und sie muss gesetzt werden, denn die Republik kann nicht in diese Geiselhaft genommen werden. (Präsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vorsitz.)

Da geht es nicht um das private Befinden einer Person. Wenn schon der Kollege Hösele gesagt hat, der Präsident des Bundesrates vertritt sein Land und wird entsandt


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von seinem Land, dann ist es keine private Entscheidung, ob man bleibt oder nicht – vor allem dann, wenn klar ist, dass man nicht das Land vertritt.

Meine Damen und Herren! Egal, ob Kollege Kampl oder Gudenus – in Deutschland, in Frankreich und in Großbritannien wäre die Zeit bis zum Rücktritt in Stunden zu rechnen gewesen. Wir aber diskutieren hier seit zwei Monaten. Das ist unerträglich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich will in keiner Weise auf die Motive eingehen. Ich glaube – und das ist das Einzige, was ich dazu sage –, dass es sicherlich so ist, dass beim Herrn Kampl die Sozialisation jegliche Einsicht verhindert. Aber, meine Damen und Herren: Die Widerlichkeit zum Quadrat – die Widerlichkeit zum Quadrat! – stellen die Handlungen und Aussagen des Kollegen Gudenus dar. Das heißt, die Leugnung der Ausschwitz-Lüge, die Kasperliade dieses Mauthausen-Besuches sind unerträglich. Es ist unerträglich, wenn ein Mitglied, ein Mandatar bezüglich der Opfer, der zu Skeletten Abgemagerten, die auf den an den Wänden hängenden Fotos an das unfassbare Leid erinnern sollen, sagt: Die Burschen schauen eh ganz gut aus! – Meine Damen und Herren, das ist Widerlichkeit zum Quadrat! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das bedeutet nicht, Herr Kollege Böhm, dass irgendetwas daran menschenverachtend ist, wenn der Herr Kollege Konecny sagt: Quarantäne muss her! Über Gudenus muss eine geistige Quarantäne verhängt werden, denn Gudenus macht das nicht deshalb, weil er bereits dem Altersirrsinn oder der Demenz nahe ist oder weil die Stupidität in der Uniformkammer des Bundesheeres einen Abbau nach sich gezogen hat (Bundes­rat Kneifel: Das ist unerhört!), sondern er provoziert ganz bewusst: Er nimmt das Gedenkjahr „60 Jahre nach Kriegsende“ zum Anlass, bewusst Provokation in diesem Land zu betreiben. Wo er auftritt, provoziert er. Er macht das bewusst, und deshalb bedarf es dieser klaren und deutlichen Worte.

Das ist nicht unerhört, Kollege Kneifel. Unerhört ist etwas anderes! (Bundesrat Kneifel: Mit dem Bundesheer hat das nichts zu tun! Das ist mein Einwand!) Ich werde Ihnen das gerne erklären. Es hat mit dem Bundesheer natürlich nichts zu tun. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) Ich habe ja gesagt, dass es mit dem Bundes­heer nichts zu tun hat. Sie müssen zuhören! Genau das habe ich gesagt. (Bundesrat Kneifel: Ich habe genau zugehört! Sie haben sich über das Bundesheer ...!) Sie sind ein bisschen leicht erregbar. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) Das habe ich gerade gesagt. Sie können es nachlesen. Ich habe gesagt: Es hat mit dem Bundesheer nichts zu tun! Nichts anderes habe ich gesagt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen nun eine Notwehraktion setzen, eine Verfas­sungsänderung vornehmen – wobei ich sagen muss, dass ich über das, was wir heute da machen, nicht wirklich begeistert bin. Ich sehe es als Notwehr, so quasi: Augen zu und stimm dafür!, denn es ist niemandem, mit dem ich in den letzten zwei Monaten gesprochen habe, erklärbar, wie die Zweite Kammer des Hohen Hauses einem Kanin­chen gleich vor der Schlange sitzt und nichts machen kann. Sie kriegt einen Präsiden­ten – vierter Mann oder vierte Frau im Staat – und kann sich dazu nicht äußern, kann da nichts machen.

Dann müssen wir, muss die ganze Republik, um Kampl zu verhindern, ein Rädchen in Bewegung setzen, vom Nationalrat über den Bundesrat bis zum Landtag, um eine Verfassungsänderung zu machen, und bei dem, was da rauskommt, heißt es: Der Bundesrat, Sie, meine Damen und Herren, haben auch künftig nichts damit zu tun!

Wir haben nichts damit zu tun. Wir haben nicht einmal die Möglichkeit, mit einem über­wältigenden Quorum – meinetwegen von 85 Prozent oder 80 Prozent oder 75 Pro­zent – zu sagen: Liebes Land, wer immer du bist, ob Kärnten, Niederösterreich oder


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Tirol, ganz egal, wir wollen diesen Präsidenten oder diese Präsidentin aus diesen oder jenen Gründen nicht! Wir wollen es auch künftig nicht!

All die Diskussionen, die wir hatten, sind immer davon ausgegangen: Ja, das födera­tive Prinzip gilt, das vorsitzführende Bundesland bestimmt gemäß der Stärke den Prä­sidenten! – Aber es muss im 21. Jahrhundert doch möglich sein, der Zweiten Kammer der Gesetzgebung zumindest die Chance zu geben, sich zu äußern und einem Land zu sagen: Bitte, aus diesen oder jenen Gründen überlegt das oder jenes!

Auch Kärnten hat offensichtlich überlegt, wen es schickt, und dann ist irgendetwas passiert. Immer werden wir da sitzen und sagen: Wir können ja nichts machen!

Wenn man noch dazu die Praxis der Landeshauptleute betrachtet, die oft und vielfach quasi in der nächsten Umgebung Vertraute suchen, was auch richtig und manchmal gut ist, und es nicht unbedingt der Mehrheitswille eines Landtages ist, dann muss man sagen: Ja, bitte, machen wir doch eine Gesetzesänderung, die dem Land, der stärks­ten Partei des Landes selbstverständlich das Vorschlagsrecht lässt, aber die dem Bun­desrat künftig zumindest eine Möglichkeit in die Hände gibt, eine Meinungsäußerung zu tätigen oder einen Mechanismus auszulösen. Das aber passiert hier nicht!

Kollege Hösele! Nicht alles – und das ist die Regel Nummer eins im politischen Kate­chismus –, was die ÖVP ertrotzt, ist auch gut und ist auch sinnvoll. Sie wissen, wie die Diskussion war: Weitestgehend hätten sich drei Gruppierungen im Hohen Hause zu einer fortschrittlicheren Lösung gefunden, aber die ÖVP hat sich für diese Regelung ausgesprochen, die heute hier von uns allen beschlossen werden wird – aber nur des­halb in dieser Form beschlossen wird, um endlich einen Schlussstrich darunter zu ziehen, dass der Bundesrat mit Kampl oder Gudenus gleichgestellt wird, nur deshalb, damit es hier zumindest die Möglichkeit für eine Art Feuerwehraktion gibt. Das ist der Grund, warum es heute von zumindest drei Fraktionen beschlossen wird.

Kollege Böhm! Dass Sie jetzt hinausmarschieren, sehe ich als Flucht vor einer Verant­wortung, die Ihre Fraktion hier zu tragen hat. Wir alle sind hier seit zwei Monaten Gegeiselte von zweien Ihrer fünf Mitglieder.

Die größte Chuzpe – ich könnte auch Schmierenkomödie oder Farce sagen – ist, dass Sie in Ihrem Brief an uns alle geschrieben haben: Es ist der gemeinsame politische Wille aller fünf, eine gemeinsame Fraktion zu sein! – Ich halte das für eine Schmieren­komödie, sage ich Ihnen ganz offen und ehrlich.

Ich frage Sie: Wo ist hier eine Distanzierung? – Sie nehmen den Herrn Gudenus, der in Mauthausen vor den Fotos sagte: Die feschen Burschen!, mit fröhlichem Herzen und im Wissen all dessen in Ihre Fraktion auf und sind offensichtlich stolz darauf (Zwi­schenruf des Bundesrates Dr. Böhm), dass der Herr Gudenus noch Mitglied dieser Fraktion ist. Wenn Sie genug Mut hätten, dann würden Sie den Herrn Gudenus heute noch aus dieser Fraktion entfernen und nicht dazu an alle Fraktionen schreiben: Es ist der gemeinsame politische Wille, eine Fraktion zu sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist ein beredtes Zeichen, dass die Mitglieder Ihrer Fraktion hinausgehen und schweigen! Ich bin froh, dass es die Wiener Staatsanwalt­schaft anders sieht, und hoffe, dass es hier zu einer Verurteilung kommen wird. (Bun­desrat Dr. Böhm: Was hat das heutige Gesetz damit zu tun?) Wir reden hier politisch, Herr Kollege Böhm, falls Sie das noch nicht gemerkt haben, denn die Politik Ihrer Frak­tion führt nämlich zu dieser Gesetzesänderung. Es ist der Hintergrund, um den es geht, und es nicht die Gesetzesänderung, die im Vordergrund steht.

Ich bin froh und hoffe sehr und gehe davon aus, dass es zu einer Verurteilung des Herrn Kollegen Gudenus kommen wird, aber auch zu einem Disziplinarverfahren im


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Rahmen des Bundesheeres – und das, Kollege Kneifel, ist eine Frage des Bundes­heeres –, zu dem es kommen muss. Es muss endlich einmal dem Herrn Gudenus klar­gemacht werden, dass man nicht ungestraft die Opfer des Zweiten Weltkrieges, des Nationalsozialismus landauf und landab verhöhnen kann – dann nämlich hat es Fol­gen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal auf die hier vor zwei Monaten durchge­führte Debatte über die wirklich unerträgliche Haltung Österreichs gegenüber den Wehrmachtsdeserteuren zu sprechen kommen. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich: Wenn es über diesen Sommer und vor der Gedenkfeier, die wir hier im Bundesrat zur Wiedererrichtung der Republik haben werden, nicht endlich zu einer Einigung aller Fraktionen kommt, dann wird – und das verspreche ich heute und hier – in der nächs­ten Sitzung dieses Thema wieder in aller Breite auf der Tagesordnung stehen.

Es geht nicht an, dass das Thema und das Schicksal der Deserteure des Dritten Rei­ches weiter und weiter und weiter verschleppt werden. Es geht nicht an, dass die Opfer sozialrechtlich benachteiligt werden, während ihre Schergen dafür Pension beziehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Mich interessiert in diesem Gedenkjahr nicht das Schicksal der Träger von Blutorden nach 1945, sondern ausschließlich das Schicksal und die Gerechtigkeit gegenüber jenen, die Opfer, Verfolgte, Ermordete, Angehörige der Opfer des Naziregimes waren, und dass sie heute ein letztes Mal, nämlich auch noch lebend und in vollem Bewusst­sein, Rehabilitation erfahren dürfen. Das ist die hohe und hehre Aufgabe dieses Ge­denkjahres.

Deshalb, meine Damen und Herren – und das sage ich hier wirklich in aller Deutlichkeit und zu allen Fraktionen, insbesondere zu Ihnen, Kollege Bieringer –: Sprechen Sie mit der Justizsprecherin, mit der Parteiführung Ihrer Partei! Es kann nicht angehen, dass diese Dinge weiter verschleppt werden. Der Bundesrat hat zwei lange Monate an einer unsäglichen Debatte zu leiden gehabt, die dadurch ausgelöst wurde.

Meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt: Diese wechselnden Sympathiebekundun­gen für den Kollegen Kampl, für seine „brutale Naziverfolgung nach 1945“ und die „Kameradenmörder“ – damit meinte er jene, die die Maschinerie Hitlers geschwächt haben, jene, die den Mut hatten, gegen den absoluten Willen Hitlers, der meinte, Sol­daten können sterben, Deserteure müssen sterben, aufzustehen –, diese wechsel­seitigen Sympathieerklärungen von blauer, oranger und extrem brauner Seite haben mich an dieser Debatte am meisten verwundert. Das zeigt mir eines: dass es zwar Parteitrennungen gibt, aber vielfach auch trotz Parteitrennungen und unterschiedlicher Modefarbe immer noch derselbe Geist in einer Partei mit verschiedenen Flügeln herrscht – und das ist bedauerlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.22


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf; sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berich­tigten Sachverhaltes zu beschränken. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.22.53

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Kollege Schennach hat die Behauptung aufge­stellt, ich hätte den Kollegen Gudenus in die Fraktion „aufgenommen“. – Das ist unrich­tig! Ich fand ihn in der Fraktion vor, er gehört ihr an. Es würde mir jede rechtliche Mög-


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lichkeit ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Also bitte!)

Kollege Schennach hat gesagt, ich habe ihn in die Fraktion „aufgenommen“. (Bundes­rat Konecny: Das ist ja ungeheuerlich!) – Das bestreite ich. (Bundesrat Prutsch: Gleich und gleich gesellt sich gern!) Es fehlt mir jede rechtliche Möglichkeit, ein Mit­glied aus der Fraktion auszuschließen. (Bundesrat Konecny: Was heißt das? Würden Sie ihn hinausschmeißen?) Ich habe keine rechtliche Möglichkeit, jemanden auszu­schließen! (Bundesrat Prutsch: Gleich und gleich gesellt sich gern!)

Zu der weiteren Behauptung, ich hätte in dem Schreiben, in dem ich den Fortbestand der Fraktion mitgeteilt habe, von einem politischen Willen gesprochen, zu der Unter­stellung, damit hätte ich mich mit Meinungen, mit Verhaltensweisen identifiziert: Ich habe in den verschiedensten Interviews gegenüber den Medien klargestellt, dass ich mich von den Äußerungen des Kollegen Gudenus eindeutig distanziere! (Bundesrat Konecny: Sehr weit geht das nicht, die Distanzierung!)

Der „politische Wille“ war eine Antwort darauf, dass schon zuvor einmal in der Präsi­dialkonferenz aus Anlass der Spaltung der ehemals gemeinsamen FPÖ in FPÖ und BZÖ die Vorstellung geherrscht hat, das sei ja jetzt keine einheitliche Fraktion mehr. Der „politische Wille“, auf den ich hingewiesen habe, hat sich ausschließlich darauf bezogen, dass diese fortbestehende Fraktion nach wie vor auf dem Boden des Regie­rungsprogramms steht (Bundesrat Konecny: Gratuliere!) und diese politische Linie, so lange sie besteht, fortsetzen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prutsch: Ohne Moral! Wo bleibt die Moral? Unglaublich!)

11.25


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.25.25

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Anlass des Gesetzesbeschlusses ist eigentlich nichts Neues und nichts anderes zu sagen. Wenn die Republik in seltener Einmütigkeit zu einer Verfassungsänderung Zuflucht nimmt, ist diese Antwort an Deut­lichkeit wohl nicht mehr zu übertreffen.

Herr Professor Konecny hat in seinem Debattenbeitrag zu Recht an die Verantwortung jener erinnert, die Mitglieder des Bundesrates entsenden; konkret hat er damit offenbar den Kärntner Landtag gemeint. Ich komme nicht umhin, ihn daran zu erinnern – nicht gewusst haben kann er es ja eigentlich kaum –, wer Herrn Kollegen Kampl im Kärntner Landtag als Mitglied des Bundesrates gewählt hat. (Bundesrat Konecny: Sie wissen, dass dafür nur die Stimmen der eigenen Fraktion verantwortlich sind!) Ja, aber umso mehr wäre es möglich gewesen, demonstrativ zu sagen: Wir von den Kärntner Sozial­demokraten wählen Herrn Kollegen Kampl nicht, weil wir ihn kennen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gerade weil es nicht not­wendig gewesen wäre.

Natürlich ist auch richtig, dass die Sozialdemokratie in Kärnten auf Grund des Verhält­niswahlrechtes in der Landesregierung sitzen würde, auch ohne Koalitionsvereinba­rung, aber wenn eine Regierungszusammenarbeit mit dem BZÖ angeblich so schlecht für Österreich ist, dann frage ich mich: Wie schlecht müsste das eigentlich erst in Kärnten sein? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Richtig!)

Jeder hat seine Verantwortung zu tragen – auch wir, aber auch Sie! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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Die Verfassungsänderung ist von vielen verfassungspolitischen Skrupeln begleitet und wird als so genanntes Anlassgesetz mit spitzen Fingern in die Hand genommen. Die freiheitliche Fraktion will sie, vermutlich aus unterschiedlichen Gründen, gar nicht erst in die Hand nehmen.

Zunächst gehen zahlreiche Gesetze auf einen ganz konkreten Anlass zurück. Ich erwähne beispielsweise spektakuläre Verkehrsunfälle mit Alkoholisierung oder Waffen­gebrauch. Viele Gesetze haben auch ein ganz punktuelles Ziel. Und so manche Be­stimmung unserer Rechtsordnung hat, der so genannten Lex Kampl vergleichbar, zumindest informell sogar einen Namen.

Tatsächlich problematische Anlassgesetzgebung im eigentlichen Sinne wäre es gewe­sen, die Wirkungen der Verfassungsänderung auf das zweite Halbjahr zu beschränken. Sie wirkt aber ganz allgemein und trägt auch noch anderen Gesichtspunkten als dem Anlassfall Rechnung.

Die Verfassungsänderung führt – und da knüpfe ich an die Ausführungen von Herrn Kollegen Hösele an – stärker als bisher vor Augen, dass der Vorsitz im Bundesrat, anders als in sonstigen parlamentarischen Gremien, eigentlich nicht einzelnen dafür gewählten Personen zukommt. Artikel 36 der Verfassung spricht seit jeher davon, dass im Vorsitz die Länder halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge wechseln. Der Vorsit­zende ist, wie die Bundesverfassung auch sprachlich fein differenziert, genau genom­men gar kein Präsident, er führt lediglich diesen Titel.

In diesem Zusammenhang bitte ich unsere Kolleginnen um Verständnis dafür, dass ich der Einfachheit halber die männliche Funktionsbezeichnung und nicht kumulativ auch die weibliche verwende. Ich glaube nämlich auch gar nicht, dass uns eine Dame einen solchen Anlassfall bereitet hätte.

Der Bundesratspräsident übt diese Funktion vertretungsweise für sein Land aus. In die Rechte und Pflichten einer solchen Vertretung – auch im Zusammenhang mit den Mit­gliedern spricht die Verfassung ja nicht von Abgeordneten, sondern immer nur von Vertretern des Landes – spielt die seit 1920 offene Frage hinein, was der Bundesrat seinem Wesen nach eigentlich ist.

Die einen sehen im Bundesrat ein rein parlamentarisches Organ eines Zweikammer­systems, das sich von der ersten Kammer lediglich durch die Größe, durch die Art der Wahl und demzufolge gelegentlich auch durch die parteipolitische Zusammensetzung und in Österreich leider auch durch wesentlich geringere Rechte unterscheidet.

Andere – und ich zähle mich da durchaus dazu – sehen im Bundesrat ein Organ, mit dem die Länder Einfluss auf die Bundesgesetzgebung nehmen können. Das führt dann notwendigerweise zu der Schlussfolgerung, dass die Länder auf diese vertretungs­weise Mitwirkung Einfluss haben müssen – ebenso, wie ein Privater Einfluss auf jene haben will, die ihn vor Behörden oder in Rechtsstreitigkeiten vertreten.

Der Bundesrat ist von dieser Seite her betrachtet – ich sage dazu: es gibt natürlich auch andere Sichtweisen – kein unabhängiges Schiedsgericht der Bundesgesetz­gebung, sondern ein Vertretungsorgan mit den sich daraus ergebenden Besonder­heiten.

Es würde zu weit führen – und es ist heute auch nicht der Tag dazu –, diese Dis­kussion zu vertiefen, und daher möchte ich nur kurz aufzeigen, an welchen Stellen diese nach wie vor unentschiedene Grundsatzfrage überall sichtbar wird.

Interessant war, dass der sozialdemokratische Klubobmann – ich meine jetzt natürlich Cap und nicht Konecny – seinen sogar auf die jederzeitige Abberufbarkeit der Bun­desräte zielenden Vorschlag ausdrücklich damit begründet hat, dass das Bundesrats-


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mandat ja nur ein entsendetes Mandat sei. Mit der Verfassungsänderung wird das jedenfalls hinsichtlich des Vorsitzführenden etwas deutlicher gemacht, als man das bisher gewohnt war. Das finde ich – unabhängig vom Anlassfall – nicht schlecht.

Auf Kritik ist verschiedentlich gestoßen, dass selbst im Vorsitzhalbjahr ein Wechsel möglich ist, was faktisch auf die Abberufbarkeit eines Präsidenten durch seinen Land­tag hinausläuft. Das ist ohne Frage ungewöhnlich, aber letztlich nur konsequent. Wenn man verhindern will, dass eine bestimmte Person Präsident wird, kann man nicht gut dafür sein, dass er es unter später bekannt gewordenen gleichartigen Umständen auch bleibt.

Dabei ist noch Folgendes zu beachten. Entgegen mancher Meinung kann der Landtag auch künftig keine nachträgliche Umreihung der Bundesräte vornehmen, sondern er kann lediglich eine andere Person als die erstgereihte mit der Vertretung des Landes im Vorsitz des Bundesrates betrauen. Demzufolge fällt der Vorsitz beim Ausscheiden des Präsidenten an den Erstgereihten zurück – und nicht an das Ersatzmitglied des Präsidenten. Wenn man diesen eigentlich von vornherein nicht gewollten Effekt ver­meiden will – Zweck der Übung ist ja, das zu vermeiden –, muss man dem Landtag die Möglichkeit geben, auch nachträglich eine Änderung vornehmen zu können.

Klarer wäre vermutlich allerdings gewesen, dem Landtag eine tatsächliche Umrei­hung zu ermöglichen.

Eine starke Rückkoppelung an den Landtag kann auch dann relevant werden, wenn sich dieser von einer Person – auch aus anderen Gründen als den in den letzten Wochen aktuell gewordenen – nicht mehr richtig vertreten fühlt. Wenn ein erstgereihter Bundesrat seine Partei verlässt und eine so genannte Einmannfraktion bildet, wird man von ihm wohl kaum die Vertretung der Landtagsmehrheit beziehungsweise seiner frü­heren Landtagsfraktion erwarten können. – Auch in einem solchen Fall kann die Wiederherstellung der Vertretungsfähigkeit Bedeutung bekommen.

Ich sehe auch nicht, was die Einbindung des Bundesrates in diesen Vorgang bringen sollte – außer einer gewissen Optik. Das würde nämlich keineswegs dazu führen, dass wir die Personen besser kennen, als es dem eigenen Landtag möglich ist, und es ist auch keineswegs anzunehmen, dass wir – im Gegensatz zu einem Landtag – bei der Auswahl einer Person irrtumsfrei wären.

Wünschenswert wäre natürlich – damit komme ich zum Begriff „Anlassgesetzgebung“ zurück –, dass solche Reformen nicht unter dem Druck sonstiger politischer Ausweg­losigkeit, sondern gründlich durchdacht und nach ausführlicher Diskussion in einem systematischen Zusammenhang angegangen werden. Diesen Maßstäben kommen leider allerdings auch viele andere Gesetze nicht zur Genüge nach; das muss man sagen. (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Bei aller Problematik solcher Gesetzgebungsakte darf man die Wertung aber auch nicht auf den Kopf stellen. Problematisch ist nicht in erster Linie der Vorgang einer An­lassgesetzgebung, sondern problematisch bleibt wohl in erster Linie, dass eine solche Regelung notwendig wurde. Ebenso wie das private Zusammenleben der Menschen braucht auch das Verhalten in staatlichen Organen und Funktionen einen Grundkon­sens des nicht ausdrücklich Regelungsbedürftigen.

Wenn wir darüber nachzudenken beginnen, welches Repertoire an Missbrauchsmög­lichkeiten ein Verantwortungsträger theoretisch entwickeln könnte und mit welcher kasuistischen Perfektion man dem entgegenwirken müsste, dann rufen wir sozusagen dem Zauberlehrling gleich Geister, denen wir nicht mehr Herr würden.

Dabei wäre es – abschließend gesagt – ganz einfach: Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem, was man – ich gebe zu, es klingt etwas altmodisch – Staatsräson


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nennt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

11.36


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung bekannt sind. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.36.38

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Jawohl, Herr Präsident, die Bestimmun­gen sind mir hinlänglich bekannt.

Ich berichtige Kollegen Böhm, der behauptet hat, Gudenus – das wäre fast eine poli­tische Bemerkung, mache ich natürlich nicht – sozusagen schon immer in seiner Frak­tion „vorgefunden“ zu haben und keine Möglichkeit zu haben, ihn von dieser auszu­schließen.

Da mittlerweile Herr Klubdirektor Zögernitz selbst hier im Sitzungssaal ist, zitiere ich Zögernitz. (Bundesrat Dr. Kühnel: Doktor Zögernitz!) – Ja, Herr Dr. Zögernitz; danke schön, Herr Oberst Kühnel, Herr General Kühnel.

Dr. Zögernitz meinte in seinen Erläuterungen – wir können das ja dann sozusagen gleich festzurren –, dass im Bundesrat die Zugehörigkeit zu einer Fraktion freiwillig und ein Austritt aus derselbigen jederzeit zulässig sei. (Bundesrat Dr. Böhm: Der Austritt!) Ebenso könne, Herr Kollege Böhm, eine Fraktion einen Mandatar jederzeit ausschlie­ßen. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)

Ich frage Sie jetzt, Herr Kollege Böhm: Werden Sie und Ihre Mitglieder – vielleicht kön­nen Sie uns das im Laufe der heutigen Sitzung noch mitteilen – innerhalb Ihrer Fraktion den Antrag stellen, Herrn Gudenus auszuschließen, und darüber innerhalb Ihrer Fraktion abstimmen lassen? Oder denken Sie nicht daran, das zu tun?

Der Gesamtklub ist eine Sache, die Fraktion hier im Bundesrat eine andere; das ge­schieht freiwillig. Sie in Ihrer Fraktion, Herr Kollege Böhm – Sie sind vier Leute –, können jederzeit einen solchen Antrag stellen. Benachrichtigen Sie uns bitte heute im Laufe dieser Sitzung darüber, ob Sie gedenken, in Ihrer Fraktion den Antrag zu stellen, Herrn Gudenus auf Grund seiner Äußerungen hinsichtlich der „Ausschwitz-Lüge“ sowie der Verhöhnung der Opfer von Mauthausen aus Ihrer Fraktion auszuschließen! Ja oder nein? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.38


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.38.39

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Bundesratskolleginnen und -kol­legen! Ich glaube, jeder hat es in einer Wochenzeitung gelesen: Da war von einem „Herrn K.“ die Rede, der – heute würde man sagen: als Autostopper – von einer Frau mitgenommen wurde, die während dieser Fahrt ihren Unmut über das NS-Regime zum Ausdruck brachte. Die Aussagen dieser Frau wurden dann zur Anzeige gebracht, und es kam zu einer Verurteilung nach dem „Heimtückegesetz“. Die Ironie des Schicksals dieses „Herrn K.“ war, dass er einige Zeit darauf selbst vom NS-Regime als Straftäter erfasst wurde, weil er „schwarz“ geschlachtet hat; damals eine Straftat nach einem Wirtschaftslenkungsgesetz. Wenn ich da jetzt in der Diktion des Sohnes von „Herrn K.“ bleiben würde, der ja unter uns weilt, müsste ich eigentlich sagen – obwohl sich


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„Herr K.“ da gegen ein Unrechtsregime gewandt hat, indem er eben dieses Wirtschafts­lenkungsgesetz missachtet hat –, „Herr K.“ sei ein „Wirtschaftsdeserteur“ gewesen.

Und da komme ich jetzt zum Punkt. Hier wurden Deserteure, die sich gegen ein Un­rechtssystem gewandt haben, in einer Weise dargestellt, dass uns eigentlich die Worte fehlen sollten.

Die Worte hat aber ein Ludwig Baumann gefunden bei einem Denkmal am Friedens­platz in Bonn, das man 1989 für die Deserteure aufgestellt hat. Dort hat er gemeint:

„Mein Freund Kurt Oldenburg und ich desertierten 1942, weil wir Hitlers Krieg nicht mehr mitmachen wollten.“ Er wurde dann an der Grenze verhaftet und in Bordeaux sofort zum Tode verurteilt. – Und da müssen Sie wissen, meine Damen und Herren, das findet sich bereits in Hitlers „Mein Kampf“, wo für alle Deserteure die Todesstrafe gefordert wird.

Deshalb waren mir diese etwas weitläufigen Ausführungen von Professor Böhm nicht ganz klar. Es hat ja in diesen kriegsgerichtlichen Verfahren nicht einmal ein Mindest­maß an rechtlicher Garantie für verfahrensrechtliche Normen gegeben.

Diese beiden zum Tode Verurteilten – damit nicht genug – wurden dort inhaftiert und – ich zitiere jetzt wörtlich –: „Gequält haben sie uns so, weil wir zusammen mit Geiseln einen Ausbruch geplant hatten. Es waren cirka 90 Männer, einige von ihnen noch Kinder. Eines Tages wurden die Angehörigen der Geiseln auf den Gerichtshof getrie­ben, und wir, die zum Tode Verurteilten ..., mußten zur Abschreckung dabei sein. Und da sah ich Frauen und Mütter, die ihre Männer und Kinder in den Arm nahmen, sie schrieen und wollten sie nicht loslassen. Ich sah Soldaten der Wehrmacht, die sie brutal auseinanderrissen – und die Geiseln wurden alle brutal umgebracht. Von da an habe ich den Krieg und den Faschismus gehaßt.“ – So weit diese Szene.

Jetzt muss ich wirklich noch einmal traurigerweise auf Professor Böhm zurückkommen. Ich hätte mir nämlich heute von Ihnen als Rechtswissenschafter erwartet, dass Sie Ihren historischen Kollegen Radbruch zitieren, der sehr klare Worte zum Nationalsozia­lismus gefunden hat, nämlich wie sich ein Mensch verhalten kann, wenn Unrecht ein solch unerträgliches Ausmaß annimmt.

Diese Radbruch’sche Regel, die Sie, Herr Professor Böhm, wahrscheinlich hier aus dem Ärmel schütteln könnten, wenn Sie wollten, darf ich hier zitieren.

„Der Begriff des ,gesetzlichen Unrechts‘ wurde von Radbruch unter dem Eindruck der Unrechtserfahrungen mit dem Nationalsozialismus geprägt“, heißt es hier.

Radbruch schreibt wörtlich: „Wenn die Ermordung politischer Gegner geehrt, der Mord an Andersrassigen geboten, die gleiche Tat gegen die eigenen Gesinnungsgenossen aber mit den grausamsten, entehrendsten Strafen geahndet wird, so ist das weder Gerechtigkeit noch Recht. Wenn Gesetze den Willen zu Gerechtigkeit bewußt verleug­nen, zum Beispiel Menschenrechte Menschen nach Willkür gewähren und versagen, dann fehlt diesen Gesetzen die Geltung, dann schuldet das Volk“ – auch der Deser­teur, möchte ich hier einwenden – „ihnen keinen Gehorsam, dann müssen auch die Juristen“ – auch Sie, Herr Professor Böhm, darf ich jetzt einwerfen –„den Mut finden, ihnen den Rechtscharakter abzusprechen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Und was den zweiten Kollegen Ihres Klubs, Ihrer Fraktion, wie immer Sie das jetzt rechtlich darstellen möchten, anlangt, bin ich als Oberösterreicher natürlich ganz be­sonders betroffen. Denn sich am Gedenktag, der hier in diesem Hause stattfindet, in die Gedenkstätte Konzentrationslager Mauthausen zu begeben und sich dort mit eini­gen älteren Herrschaften an Fotos von Insassen in dieser schrecklichen Zeit zu delek­tieren und dann zu meinen, weil man selbst eine eher schlanke Statur hat, dass man


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eigentlich viel schlechter ausschaue als die dort, das ist wirklich eine Verunehrung dieser Gedenkstätte!

Ich kann mich eigentlich nur dem Kollegen Schennach anschließen und sagen, dass ich hoffe, dass Sie, Herr Professor, wenigstens den Mut finden, heute hier bekannt zu geben, dass Herr Oberst in Ruhe Gudenus nicht mehr Ihrer Fraktion, Ihrem Klub ange­hört. Ich hoffe, Sie haben diesen Mut! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Weil Kollege Kneifel vorhin das Bundesheer kurz angesprochen hat: Ich ziehe hier wirklich meinen Hut vor General in Ruhe Trauttenberg, der am Montag, glaube ich, im „profil“ zitiert wurde bezüglich eines offenen Briefes an Gudenus. Ich habe mir diesen offenen Brief besorgt – das war nämlich ein Leserbrief, der in der Zeitung „Die Presse“ abgedruckt war – und muss sagen, ich glaube – und damit möchte ich dann auch schon meine Ausführungen schließen –, viel klarer kann man das nicht zum Ausdruck bringen.

Trauttenberg schreibt:

„Offener Brief an John Gudenus“.

„Ich höre, dass Du das Thema Gaskammern debattieren, prüfen möchtest.“

Im weiteren Brief lädt er ihn zu einem Besuch in der Gedenkstätte Hartheim ein. Ober­österreich hat ja leider mit St. Georgen an der Gusen einen Ort – Gottfried, du bist in diesem Bezirk zu Hause, ich glaube, du weißt das –, wo es schlimm zugegangen ist. Man hat sich dort wirklich bemüht – es ist auch, was die dortige Bevölkerung betrifft, geboten, das hier einmal auszusprechen –, das wirklich auch aufzuarbeiten, Schriften herauszubringen, Veranstaltungen durchzuführen, Schulklassen zu informieren und so weiter.

Trauttenberg meint in diesem offenen Brief weiter: „Ich könnte Dir die ehemalige Gas­kammer im Schloss zeigen“ – im Schloss Hartheim –, „wo sogar noch die letzten Reste der Gasleitung zu erkennen sind, wir könnten gemeinsam die Vernehmungsprotokolle der österreichischen Behörden von Betriebspersonal nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes lesen.

Wir könnten im Gedenkraum die mittlerweile 24.000 erfassten Namen der ca. 30.000 Opfer lesen, solche von Behinderten jeden Alters, von Kriegsinvaliden, von arbeits­unfähigen Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Wir könnten uns aber auch über das Gemütsleben von Gauleiter Eigruber unterhalten, der zumindest einmal mit anderen NS-Parteibonzen durch ein Guckloch in der Tür der Gaskammer den Todeskampf der Opfer beobachtete.“

Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.46


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.46.21

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist zweifellos Anlassgesetz­gebung, über die wir heute hier diskutieren. Das ist an und für sich etwas, was politisch nicht gerade gerne gemacht wird, aber es gibt eben Anlässe, die einem keine andere Wahl lassen. Einen solchen Anlass haben wir heute zu diskutieren, und zwar nicht rein juristisch, wie Herr Kollege Böhm dies probiert hat, sondern vor allem politisch.


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Was ist passiert? – Herr Bundesrat Kampl hat ursprünglich überhaupt nicht einge­sehen, dass mit seinen Aussagen etwas nicht in Ordnung war. Er sah zuerst keinen Grund, zurückzutreten. Diese Meinung hat er dann geändert, wahrscheinlich auf Grund von Druck aus seiner eigenen Partei. Dann hat er sich jedoch durch die Rede des Prä­sidenten Pehm derart beleidigt und provoziert gefühlt, dass er seinen Rücktritt wieder rückgängig gemacht hat. – Das scheint eine Kärntner Spezialität zu sein, kommt dies doch bei Angehörigen des Bundeslandes Kärnten öfter vor als bei anderen; aber das nur am Rande.

Das kann für mich aber nur heißen, dass Herr Bundesrat Kampl von Anfang an nicht wirklich eingesehen hat, dass seine Aussagen inakzeptabel sind und dass jemand, der solche Aussagen tätigt, nicht dazu geeignet ist, ein hohes Amt in diesem Staate auszu­üben.

Ich freue mich, dass Präsident Pehm auch heute wieder klare Worte gefunden und nicht irgendetwas zurückgenommen hat von dem, was er beim letzten Anlass zu diesem Thema gesagt hat. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Gesetz, das heute hier beschlossen wird, wird allerdings kaum dazu führen, dass der Bundesrat in Zukunft in der Öffentlichkeit nicht weiter im Zusammenhang mit Kampl und Gudenus, mit diesen beiden Personen, diskutiert wird. Das wird auch wei­terhin geschehen. Was dieses Gesetz kann, ist, sozusagen das Schlimmste zu verhin­dern, nämlich zu verhindern, dass ein Herr Kampl Präsident des Bundesrates wird. In der öffentlichen Wahrnehmung wird es den Bundesrat aber keinesfalls weiterbringen.

Es ist eigentlich unglaublich, wie sehr dieses Thema in der Öffentlichkeit präsent ist. Es ist mir jetzt sehr oft passiert, und zwar nicht in politischen Zusammenhängen, sondern sogar abends in Lokalen, beim Ausgehen, dass ich von Leuten angesprochen wurde, die fragen: Du bist doch im Bundesrat, was ist denn dort los? Diese Personen waren völlig fassungslos, dass eine Diskussion in dieser Art, in diesem Umfang im Jahr 2005 tatsächlich noch geführt werden muss. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich denke auch, wie heute schon gesagt worden ist, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was Herr Kampl sagt, und dem, was Herr Gudenus sagt, denn Herr Bundesrat Gudenus macht das eindeutig, um zu provozieren. Anstatt endlich zurück­zutreten, sorgt Herr Bundesrat Gudenus inzwischen beinahe wöchentlich für neue Schlagzeilen, wie gerade vorgestern wieder im „Falter.“ Diese Aussagen finde ich der­art abstoßend, dass ich darauf verzichte, sie zu zitieren; sie sind ohnehin heute schon von anderen hier gebracht worden.

Allerdings: Ähnliche Aussagen habe ich vor wenigen Monaten bei einer Veranstaltung der Burschenschaft Brixia in Innsbruck gehört, wo darüber diskutiert wurde: Mai 1945 – Befreiung oder Niederlage? Da sind ganz ähnliche Aussagen gefallen. Das hat mich auch damals entsetzt, das war damals allerdings ein eher geschlossener Rahmen von Burschenschaftern, von alten Herren, die sich da in ihrer Gesinnung gegenseitig be­stärkt haben. Das war keine öffentliche Veranstaltung in dem Sinn, und das waren auch keine Angehörigen des Parlaments; insofern ist das noch eine andere Sache.

Bundesrat Gudenus leistet, wie ich meine, durch seine ständigen Äußerungen zumin­dest – wahrscheinlich ganz im Gegensatz zu seinen ursprünglichen Absichten – einen Beitrag dazu, dass in Österreich jetzt endlich wieder einmal über die Vergangenheit diskutiert wird, und zwar hoffentlich auch über die eigene. Herr Bundesrat Gudenus leistet zwar unfreiwillig einen solchen Beitrag, es ist aber dennoch so.

Ich glaube, es haben nicht viele Leute damit gerechnet, dass dieses Gedankenjahr – noch dazu in dieser Form – dazu verwendet wird, über die Vergangenheit zu diskutie­ren. Nötig ist das meiner Meinung nach sehr wohl, denn die österreichische Aufarbei-


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tung der eigenen Geschichte ist meinem Empfinden nach noch nicht in ausreichender Form erfolgt.

Das Gesetz, das heute hier beschlossen wird, wird auch nichts daran ändern, dass zwei FPÖ-Bundesräte, ein BZÖ-Bundesrat und zwei keiner der beiden Parteien ange­hörenden Bundesräte nach wie vor eine Fraktion bilden und damit nichts anderes tun, als der ÖVP die Regierungsmehrheit zu sichern, denn einen anderen Grund kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen dafür, dass fünf Menschen, die mindestens drei völlig verschiedenen – auch nach ihrer eigenen Definition – Gruppen angehören, der einen Partei und die anderen wiederum einer anderen, eine Fraktion bilden.

Wenn diese fünf Personen ohnehin eine politische Meinung, eine politische Absicht vertreten, dann könnten sie genauso gut in einer Partei sein; sind sie aber nicht. Daher kann ich mir nicht vorstellen, warum sie das sonst machen – außer, um eine Regie­rungsmehrheit zu sichern und weitere Blamagen in diesem Gremium ihrer Ansicht nach zu verhindern.

Da frage ich mich schon: Wie ist das für die ÖVP? Ist das nicht peinlich? Wie fühlt man sich als ÖVP, wenn eine Regierungsmehrheit an Menschen wie Bundesrat Gudenus hängt? Ist das ein angenehmes Gefühl? – Ich kann mir das nicht vorstellen!

Auch wenn sich einzelne Angehörige der ÖVP sehr wohl von den Meinungen, die von Kampl und Gudenus verbreitet wurden, distanziert haben, schaut die Realität doch noch immer so aus, dass eine Regierungsmehrheit der ÖVP genau durch diese Perso­nen gesichert wird.

Es hat mich sehr gefreut, dass Herr Bundesrat Konecny heute davon gesprochen hat, dass das Verhalten der SPÖ bei der Abstimmung damals, als Gudenus mit der Oppo­sition gestimmt hat, „unangebracht“ war. Da hat Kollege Konecny sehr Recht, und es freut mich, dass er das hier so klar gesagt hat, wobei man da schon auch dazusagen muss, dass das ein Einzelfall war. – Bei der ÖVP hingegen passierte es ständig, dass eine Mehrheit durch Herrn Gudenus gesichert wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Von der ÖVP habe ich jedoch bisher keine Distanzierung dieser Art ver­nommen. Ich finde, eine solche wäre auch von ÖVP-Seite her durchaus angebracht.

Ich glaube nicht, dass durch dieses Gesetz dem Bundesrat – wie einer meiner Vorred­ner gesagt hat – tatsächlich eine Blamage „erspart“ wird. Eine solche Blamage ist schon passiert, und das wird auch weiterhin, wie ich glaube, in der Öffentlichkeit disku­tiert werden.

Das Problem ist also nicht gelöst, sondern es wurde lediglich vertagt, es ist nicht mehr ganz so akut. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass im nächsten halben Jahr die Stimmung eine andere werden wird. Herr Gudenus – ich glaube, Herr Kampl wird nicht mehr sehr viel zu diesen Themen sagen – wird sich da sicherlich nicht zurückhalten. Ich bin ja geradezu schon gespannt darauf, was uns Herr Gudenus noch alles an abstrusen historischen Weltansichten präsentieren wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Teil einer Generation, der die Schrecken und Verbrechen der NS-Zeit aus Erzählungen sowie selbstverständlich auch aus dem Geschichtsunterricht bekannt sind. Meine Eltern sind selbst erst in der Nachkriegszeit geboren; meine Großeltern haben diese Zeit erlebt, haben die eine oder andere Sache erzählt. Aber nichts von dem, was mein Großvater mir erzählt hat, hätte mich dazu gebracht, dass ich quasi jene verteidigen würde, die damals auf der Seite der National­sozialisten gestanden sind.

Ganz im Gegenteil: Aus den Erzählungen meines Großvaters habe ich zumindest das tiefe Gefühl und die tiefe Überzeugung mitbekommen, dass das, was passiert ist, schrecklich war, dass nicht jede einzelne Person in vollem Ausmaß verantwortlich für


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das ist, was geschehen ist, dass wir jedoch diese Verantwortung mittragen müssen, und nicht, wie es in diesem Saal und ganz im Gegenteil hier passiert ist, diese Verant­wortung relativieren dürfen.

Ich bin Teil einer Generation, die sich aber auch nicht der Diskussion über die Rolle Österreichs sowie über die eigene Vergangenheit versperrt – das waren eher die Vertreter meiner Vorgängergeneration –, wir sind aber natürlich sehr froh darüber, dass es Vergangenheit ist. Wir sind weiters froh darüber, dass es einen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, der eigentlich genau das nicht ermöglichen sollte, was passiert ist, genau nicht ermöglichen sollte, zu versuchen, NS-Verbrechen zu relativieren.

Aber auch für mich und meine Generation gibt es immer wieder Situationen, in denen man das Gefühl hat, quasi in einer „Zeitreise“ in die Vergangenheit versetzt zu werden. Ich möchte Ihnen jetzt etwas erzählen, was sich vor einigen Monaten zugetragen hat.

Ich war in einem Lokal in Innsbruck, das nicht unbedingt ein Lokal ist, das von Leuten aus der rechten Szene frequentiert wird, um das so zu sagen. Plötzlich betrat eine Gruppe von Burschenschaftern diesen Raum, und ich dachte zuerst: Naja, die sind jetzt hier, um zu provozieren; schauen wir einmal, wie sie sich verhalten. Nach wenigen Minuten hat einer dieser Burschenschafter, in einer eher unbemerkten Ecke, den „Hitler-Gruß“ vollführt.

Ich war entsprechend entsetzt, habe diesen Burschenschafter dann zur Rede und die banale Frage gestellt: Kommst du dir nicht blöd vor, 60 Jahre später?! – Darauf habe ich die Antwort erhalten: Nein, nein, ihr von der Party-Generation, ihr werdet schon lernen, ihr werdet merken, das kommt alles wieder, wir warten nur auf den richtigen Zeitpunkt!

Diese Aussage von einem Burschenschafter hat mich nicht sonderlich überrascht, was mich allerdings entsetzt hat, waren die Reaktionen von vielen anderen Leuten in diesem Lokal, die das sehr wohl mitbekommen und mir dann geraten haben, wohl­meinend: Das musst du ignorieren, die gehen von selbst weg! – Meine Antwort war: Sie wurden 60 Jahre lang ignoriert; sie stehen mitten im Lokal und tun das immer noch!

Ich weigere mich, die Einstellung solcher Menschen zu ignorieren, und ich weigere mich auch, die Tatsache zu akzeptieren, im Jahre 2005 abends in einem Lokal mit rechtsradikalen Weltanschauungen konfrontiert zu werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist es eine absolut abstoßende Vorstellung, in einem Land zu leben, wo solche Dinge möglich sind – und nicht mit einem entspre­chenden Aufschrei geahndet werden. Für mich ist es auch eine abstoßende Vorstel­lung, in einem Land zu leben, in dem Menschen wie Kollege Kampl derartige Ansichten über Geschichte haben – und noch dazu ein hohes Amt in unserem Staat hätten über­nehmen sollen. Ich bin wirklich froh darüber, dass das jetzt doch nicht geschieht.

Ich finde es wirklich abstoßend, was Kollege Gudenus zu dieser Tatsache immer wie­der von sich gibt – und bin wirklich froh darüber, dass er heute nicht hier ist. Ich finde, er sollte das fortsetzen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.56


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.


Bundesrat
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Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhellig­keit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.57.302. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungs­maßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz – Bundes-LärmG) (857 d.B. und 976 d.B. sowie 7304/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

 


11.57.49

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen, Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich brauche daher nicht näher darauf einzugehen.

Der Ausschuss stellt daher den Antrag, gegen diesen Gesetzesbeschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.59.14

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem vorliegenden Bun­des-Umgebungslärmschutzgesetz wird für Österreich eine jahrzehntelange Chance eines wirksamen Lärmschutzes versäumt. Wenn man sich die Unterlagen der Fach­leute näher anschaut, so kann man schon jetzt eine Reihe sehr kritischer Anmerkun­gen erkennen.


Bundesrat
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Was ist jedoch der Kerninhalt dieser EU-Umgebungslärmrichtlinie? – Kerninhalt ist die Einführung von so genannten strategischen Lärmkarten. Was darf man unter den so genannten Lärmkarten verstehen? – Diese strategische Lärmkarte ist eine graphische Darstellung, mit deren Hilfe die Lärmbelastung aus verschiedenen Lärmquellen, insbe­sondere aus dem Verkehrslärm und dessen Ausbreitung, flächenbezogen dargestellt wird. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Darauf aufbauend werden dann so genannte Aktionspläne mit Maßnahmen zur Lärm­minderung sowie zum Schutze ruhiger Gebiete ausgearbeitet und umgesetzt. Diese Karten sind dann alle fünf Jahre zu überprüfen beziehungsweise zu überarbeiten. Auf der Grundlage dieser strategischen Lärmkarten sind Aktionspläne zur Vermeidung und Verminderung von Lärm auszuarbeiten.

Wir unterscheiden sechs verschiedene Lärmarten, nämlich jene von Autobahnen, von Schnellstraßen, von Landesstraßen, von Eisenbahnen, von Industrieanlagen, von Stra­ßenbahnen sowie von Flughäfen. Diese verschiedenen Lärmarten sollen in den so genannten Lärmkarten aufgezeichnet werden. Leider passiert dies nicht in Ab- bezie­hungsweise Übereinstimmung mit den verschiedensten Stellen. Und es gibt derzeit keine Koordinierung mit den einzelnen Bundesländern.

Im Mittelpunkt dieses Lärmschutzgesetzes steht weiters ein nachvollziehbarer, die Um­weltbelastungen mindernder Umweltschutz. Umfassende Strategien, wie zum Beispiel die Vermeidung von Verkehrslärm oder die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, sind nicht Inhalt dieses Gesetzes und werden nicht in Betracht gezogen.

Verschiedene Punkte, wie die der Lärmkarten, sind sicher als sehr gut zu bezeichnen. Was wird jedoch in der Realität passieren? – In diesem Gesetz gibt es einige Un­gerechtigkeiten. So werden zum Beispiel von bestimmten größeren Industrie- und Gewerbeanlagen in den Aktionsplänen Maßnahmen eingefordert werden, während ein angrenzender Gewerbebetrieb, zum Beispiel ein lärmendes Sägewerk, unangetastet bleibt. Eine effektive Lärmbekämpfung gibt es jedenfalls nicht.

Auch die rechtliche Situation betreffend Lärmbekämpfung ist ausgesprochen unbefrie­digend. Die verfassungsrechtliche Lage in Österreich lässt keine bundeseinheitliche Umsetzung für alle von dieser EU-Richtlinie erfassten Lärmquellen zu.

Die nötigen Regelungen für die Landesstraßen und die der Ballungsräume werden durch Landesgesetze umzusetzen sein. Wie die einzelnen Bundesländer dabei vorge­hen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Sollten Probleme wegen einer Lärmbeläs­tigung entstehen, wird man möglicherweise in die Situation kommen, dass man wegen Nichtzuständigkeit vom Verkehrsminister zum Wirtschaftsminister oder Umweltminister oder zu einem weiteren Minister gereicht wird – eine bürokratische Hürde, die den betroffenen Bürgern nichts nützt. Unsere Forderung wäre daher, dass die Lärmkarten zusammengeführt werden – sicherlich schwierig, aber machbar.

Auch die Wirksamkeit der gesetzten Lärmschutzaufwendungen wird nicht nachvollzieh­bar kontrolliert werden.

Hohes Haus! Dieses Gesetz ist mit Mängeln behaftet. Offensichtlich geht es nur um die Mindestumsetzung einer EU-Richtlinie, keinesfalls aber um eine wirksame Lärmbe­kämpfung in Österreich.

Keine Zustimmung finden auch die durchgesetzten Sonderinteressen, wie die um min­destens fünf Dezibel zu hohen Grenzwerte für die Flughäfen sowie die Messmethode, die den Schwellenwert für den umweltfreundlichen Schienenverkehr um fünf Dezibel erhöht und jenen für den Straßenverkehr um fünf Dezibel absenkt.


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Das nun vorliegende Gesetz ist allerdings wenig dazu geeignet, zur Modernisierung der Lärmschutzpolitik in Österreich beizutragen. Es konnten die Umweltinteressen und damit die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger keinesfalls durchgesetzt werden.

So ist zum Beispiel auch der Schutz von Ruhezonen und damit der Wohngebiete nur unzureichend verankert beziehungsweise auch die Absenkung der Lärmgrenzwerte auf WHO-Niveau ausgeklammert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel eines umfassenden Lärmschutzes in Österreich, wie es die EU vorgibt, wurde jedenfalls klar verfehlt. Unsere Fraktion kann daher diesem Gesetz keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Diesner-Wais das Wort.

 


12.05.10

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus! Wenn meine Vorrednerin, Kollegin Ebner, gesagt hat, eine jahrzehntelange Chance wurde verge­ben, so möchte ich das so sehen, ich denke mir, eine immer da gewesene Chance zu nützen wurde jetzt in Angriff genommen. Ich möchte wirklich unserem Herrn Minister herzlichen Dank dafür aussprechen, dass er es getan hat.

Ich glaube, Lärm ist ein sensibles Thema, und jeder Mensch geht anders damit um. Für den einen ist der erträgliche Pegel geringer, für den anderen höher, dies ist also unterschiedlich.

Ich wohne neben der Franz-Josefs-Bahn, und der Zuglärm ist für mich ein gewohnter Lärm, den ich gar nicht mehr bewusst wahrnehme. Wenn aber Besucher da sind, die bei mir übernachten, so empfinden sie ihn als störend und werden bei jedem Zug wach.

Massive Kritik kommt mir auch stets von den Bürgern, die an der Durchzugsstraße wohnen, wo sehr viele Holzfuhrwerke fahren, zu Ohren. Ähnliche Ergebnisse zeigen auch Umfragen, bei denen 73 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen ange­ben, dass der Verkehrslärm die größte Lärmbelästigung für sie ist.

Da muss man der Regierung, glaube ich, aber zugute halten, dass in den letzten Jah­ren sehr viel an Lärmschutzmaßnahmen an den Hauptverkehrsrouten gesetzt wurde. Im heurigen Jahr haben wir 52 Millionen € für den Lärmschutz an Autobahnen und Schnellstraßen veranschlagt und weitere 10 Millionen für den an Bundesstraßen.

Mit diesem Gesetz setzen wir die EU-Richtlinie um, nein, ich glaube, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter, denn Österreich war in Bezug auf Umweltschutz bereits in vielen Dingen Vorreiter, und so ist es auch diesmal. Mit diesem Gesetz setzen wir einen Schritt in Richtung Sichtbarmachung von Lärm. Das ist ein wesentlicher Schritt, ein Schritt in die richtige Richtung. Es werden der Umgebungslärm von Straßen, Eisen­bahnen, ziviler Fluglärm und Lärm von industriellen Anlagen in den Ballungsräumen flächendeckend erhoben und bildlich in Lärmkarten dargestellt.

In einem zweiten Schritt geht es dann um den Schutz und die Vermeidung. Es werden Aktionspläne anhand der Lärmkarten erstellt, um so zur Lärmvermeidung beitragen zu können. Ein neuer Schritt ist auch die Information der Bürger, denn diese Lärmkarten werden dann im Internet veröffentlicht.

Wir sind uns alle bewusst, dass Lärm lästig ist und gesundheitliche Schäden hervor­rufen kann, wobei die Folgekosten die Allgemeinheit tragen muss. Es wird aber auch


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die Lebensqualität vieler vermindert. Deshalb ist es, wie ich meine, besonders wichtig, dass wir mit diesem Gesetz einen Anfang machen, um so die Situation vieler Öster­reicher und Österreicherinnen zu verbessern.

Gestern wurde das Mediationsverfahren am Flughafen Schwechat für den Bau der dritten Start- und Landebahn abgeschlossen. Auch dort herrscht die Meinung vor, dass dieses Gesetz eine gute Errungenschaft ist.

Wir von der ÖVP nehmen unsere Verantwortung wahr, für die Wirtschaft, für die Land­wirtschaft, für die arbeitende Bevölkerung, auch in der Freizeit, für das Wohlbefinden und die Gesundheit unserer Bürger. Wir treten dafür ein, und daher stimmen wir auch diesem Gesetz zu. Es würde mich auch freuen, wenn die Fraktion der SPÖ und auch die grüne Fraktion zustimmen und nicht nur lärmend aufbegehren würden, was zwar nicht zum Umgebungslärm zählt, und die Zustimmung zu einer Möglichkeit der Lärm­bekämpfung verwehren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.

 


12.09.30

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz – ein wichtiger Meilen­stein in der österreichischen Umweltpolitik, und zwar aus verschiedenen Gesichtspunk­ten, wenn ich auch durchaus zugebe, dass noch weitere Schritte folgen müssen.

29,1 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, ein hoher Wert, fühlen sich durch Lärm belästigt. 73,5 Prozent davon nennen den Verkehrslärm als zentralen Verur­sacher. Aber es ist auch interessant, dass seit 1970 dieser Wert, nämlich Belästigung durch Lärm, um die Hälfte gesunken ist. Das heißt, auch in der Vergangenheit sind bereits viele Maßnahmen in Richtung Lärmminderung und Lärmschutz gesetzt worden, etwa an Hauptverkehrsadern, beim Bahnverkehr, auch im Bereich Straßenverkehr.

Was ist das Neue am Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz? – Wir setzen damit eine Vorgabe der Europäischen Union um. Ein zentraler Punkt ist, um auch auf die Aus­führungen meiner beiden Vorrednerinnen einzugehen, dass es mit diesem Bundes­gesetz erstmals gelungen ist, auch eine heftige Debatte, die seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten geführt worden ist, darüber zu beenden, wer für die Lärmbekämpfung in Österreich zuständig ist. Es gab keine einheitliche Materiengesetzgebung, keine klare, keine eindeutige Zuordnung, sondern diese war aufgeteilt auf die Länder, das BMVIT, das Umweltministerium, also ganz breit gestreut. Es gab keine gebündelte Verantwortung. Mit diesem Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz führen wir jetzt diese unterschiedlichen Zuständigkeiten zusammen, konzentrieren wir diese Zuständig­keiten, wenn auch natürlich die Umsetzung und Durchführung dort bleiben, wo sie in einem föderalen Land sind. Gemeinsam mit den Bundesländern und mit verschiedenen Ministerien ein Bundesgesetz zusammenzufassen ist ein erster wichtiger Schritt. Wir werden uns auch bemühen, weitere Schritte zu setzen und auf diesem Weg weiter voranzukommen.

Was sind die wichtigsten Neuerungen dieses Bundes-Umgebungslärmschutzgeset­zes? – Es wird erstmals die Lärmbelastung aus Schienen- und Straßenverkehr, Flug­verkehr und auch durch größere Industrieanlagen in Ballungsräumen flächendeckend erhoben. Wir haben auf Basis dieses Gesetzes in Zukunft die Möglichkeit, Daten zu­sammenzufassen, Lärmkarten zu erstellen, Ergebnisse bildlich darzustellen und damit natürlich auch die Frage, welche Antwort geben wir im Hinblick auf die Bekämpfung, auf eine klare Basis zu stellen.


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Zweiter Punkt: Es werden dann aufbauend auf diesen Plänen Aktionspläne mit Maß­nahmen zur Lärmminderung von den jeweils zuständigen Ministerien zu erarbeiten sein. Lärmkarten – erster Schritt, entsprechende Aktionspläne mit Maßnahmen aus­arbeiten – zweiter Schritt.

Der dritte Punkt – und das ist ein Thema, das uns gerade auch hier beschäftigen soll –: Es wird die Frage der Lärmkarten, der Information eine massive Bürgerbeteiligung nach sich ziehen, umfassende Information der Bürgerinnen und Bürger. Das Lebens­ministerium wird dabei die entsprechende Koordination der Daten übernehmen.

Es gibt dazu auch einen ganz klar festgelegten Zeitplan, den ich kurz ansprechen will. 31. Mai 2007: strategische Umgebungslärmkarten erstellt, in einer ersten Teilstrecke für Haupteisenbahnstrecken mit mehr als 60 000 Zügen, mit mehr als 6 Millionen Kfz pro Jahr und so weiter. Zweiter Schritt: 31. Mai 2008: Ausarbeitung der Aktionspläne für die großen Ballungsräume, für Großflughäfen und Hauptverkehrsrouten auf der Basis dieser strategischen Umgebungslärmkarten. Bis 31. Mai 2012 Erarbeitung von Umgebungslärmkarten für die anderen Flughäfen mit internationalem Flugverkehr, das ist Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg. Und dann 31. Mai 2013: Erarbei­tung der Aktionspläne für die Gebiete der zweiten Phase der Erstellung der strategi­schen Umgebungslärmkarten.

Sie sehen also, ein ganz klar festgelegter Zeitplan mit ganz klar festgelegten Grund­lagen zur Bekämpfung der Lärmproblematik in Österreich. Ein wichtiger Meilenstein in der Umweltpolitik, erstmals Konzentration, erstmals eine strategische Antwort. Und ich denke, das kann sich auch international sehen lassen.

Was wir jetzt noch tun müssen, ist, dafür zu sorgen, dass vor allem auch – und das sage ich in der Länderkammer ganz bewusst – die Bundesländer in ihrem Verantwor­tungsbereich die entsprechenden Ergebnisse beisteuern, um diesen ambitionierten Zeitplan auch einhalten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

12.13


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.13.51

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde jetzt sicher nicht lärmend hier vorne stehen, aber ich möchte trotzdem meine Meinung kundtun, und ich hoffe, Frau Kollegin Diesner-Wais, du hast damit kein Problem.

Du hast vorher gesagt, die Züge auf der Franz-Josefs-Bahn, neben der du wohnst, hörst du fast nicht mehr. Es mag schon sein, dass man sich daran gewöhnt. Es ist aber sicher nicht so, dass es deshalb nicht gesundheitsschädlich sein kann, was du, wie ich annehme, auch weißt. Der Störfaktor steht somit auf der einen Seite, das andere ist die Gesundheitsgefährdung, die man nicht wegdiskutieren kann, auch wenn man die Eisenbahn nicht mehr hört.

Du hast des Weiteren gesagt, dass wir mit diesem Gesetz hier eine Vorreiterrolle ein­nehmen. Das wundert mich etwas, denn die EU-Richtlinie hätten wir eigentlich schon vor einem Jahr umsetzen sollen. Warum wir jetzt plötzlich eine Vorreiterrolle einneh­men, wenn wir mit einem Jahr Verspätung die EU-Richtlinie entsprechend umsetzen, das hätte ich gerne von dir erklärt, liebe Frau Kollegin Diesner-Wais.

Herr Minister! Es freut mich, wenn Sie sagen, dass diesem Meilenstein noch viele Schritte folgen müssen. Meiner Meinung nach setzt dieses Gesetz einfach nicht das um, was der Name vermuten ließe. Dem Namen nach handelt es sich um ein Bundes­gesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärm-


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minderungsmaßnahmen. Unter Erfassung von Umgebungslärm würde ich zumindest großteils eine Messung von Lärm verstehen. Ich habe auch im Ausschuss nachgefragt, wo angedeutet wurde, dass keine großartige Messung vorgesehen ist, sondern dass der Lärm zum Großteil berechnet wird. Erfassung ist für mich aber Messung.

Umgebungslärm wäre die Summe des Lärms. Lärm kommt nicht nur von Bundesstra­ßen und von großen Eisenbahnlinien, sondern Lärm kommt sehr wohl auch von Lan­desstraßen. Das Problem ist allerdings, dass viele Lärmquellen zusammenkommen. Wenn man jetzt sagt, man teilt die Kompetenz, der Bund erfasst seine Lärmquellen und erstellt seine Lärmkarte und das Land erfasst seine Lärmquellen, dann ist das meiner Ansicht nach nicht wirklich die richtige Vorgangsweise. Ich hätte es sehr schön gefunden, wenn sich da wirklich eine zentrale Kompetenz herausgestellt hätte. Das ist leider nicht passiert.

Weiters findet sich im Gesetzestitel der Passus: die Planung von Lärmminderungs­maßnahmen. Im Gesetz steht das Ziel festgeschrieben, dass man schädlichen Auswir­kungen von Umgebungslärm soweit erforderlich und insbesondere in Fällen, in denen das Ausmaß der Belastung zu gesundheitsschädlichen Auswirkungen führen könnte, vorbeugen oder entgegenwirken möchte. Da werden Sie mit den geplanten Geldern in Höhe von 1,5 bis 4,5 Millionen € nicht auskommen, fürchte ich. Das reicht nicht einmal für die Planung von Lärmschutzmaßnahmen in allen Fällen.

Was ich überhaupt als Chuzpe finde, ist der Kurztitel dieses Gesetzes, nämlich Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz, denn durch die Planung und durch Lärmkarten alleine schütze ich nicht vor Lärm. Da muss ich schon noch andere Maßnahmen set­zen, und davon sind wir mit diesen 1,5 bis 4,5 Millionen weit entfernt.

Sie haben es auch schon angedeutet, es muss auch noch eine Landesgesetzgebung dazu geben. In den Erläuterungen steht: „Eine in technischer Hinsicht abgestimmte Vorgangsweise, die dazu führt, dass letztlich strategische Umgebungslärmkarten des Bundes und jene der Länder ... kompatibel sind und eine einheitliche Öffentlichkeits­information und Wahrnehmung der Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission ermöglicht, ist aber wünschenswert.“ – Wünschen würde ich mir auch sehr viel. Ich denke mir, es ist ein bisschen zu wenig, sich etwas zu wünschen. Man hat es in der Debatte, die zuletzt bezüglich der Kompetenzen beim Feinstaub stattge­funden hat, gesehen, dass da Bund und Land nicht immer einer Meinung sind, über­haupt wenn es um das Geld geht. Also ob das dann wirklich kompatibel ist, wenn man einfach nur hineinschreibt, das ist wünschenswert, das sei einmal dahingestellt.

Ich würde mir zum Beispiel ein Umgebungslärmschutzgesetz wünschen, das den Ver­ursacher von Lärm dazu verpflichtet, Lärmschutzmaßnahmen nach dem neuesten Stand der Technik installieren zu lassen und auch zu bezahlen. – Das ist mit diesem Gesetz nicht der Fall. Ich würde mir einen einheitlichen Grenzwert zum Schutz der Gesundheit wünschen, der zwingend einzuhalten ist. Und ich würde mir wünschen, dass die Priorität des Lärmschutzes schon in der Raumordnung berücksichtigt wird und natürlich auch in der Verkehrsplanung. (Zwischenruf.) – Oberösterreich kann etwas dazu sagen, aber eben nur Oberösterreich.

Statistik Austria sagt, 1,7 Millionen ÖsterreicherInnen leiden unter Verkehrslärm, 2 Pro­zent des Bruttoinlandsproduktes gehen auf Grund von Lärmbelastungen verloren. Da gibt es eine ganze Menge zu tun. Die WHO-Lärmgrenzwerte sind bekannt, und man weiß auch, wann die Gesundheit wirklich in Gefahr ist. Insbesondere bei Kindern wissen wir, dass Lärm besonders gefährlich ist. Da gibt es Konzentrationsstörungen, Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das findet man alles auf der Homepage der WHO, das braucht man nicht mehr neu zu erfinden.


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Mögliche Maßnahmen gegen den Lärm sind auch bekannt, vor allem im Verkehrsbe­reich. Es gab da auch einen Entschließungsantrag der Grünen, den braucht man nur genauer durchzulesen, da stehen sehr viele Maßnahmen. Meiner Meinung nach müss­ten diese Maßnahmen dann eben an der Wurzel ansetzen, nämlich die Entstehung des Lärms vermindern. Insofern möchte ich gerne eine „Wurzelbehandlung“ und nicht nur ein „Röntgenbild“, indem ich den Verkehrslärm oder den Lärm irgendwo erfasse und die entsprechenden Daten ausstelle.

Die Kosten der Auswirkungen von Lärm im Gesundheitsbereich tragen nicht die Verur­sacher allein, die trägt die Allgemeinheit. Die Kosten der Auswirkungen von Lärm auf die Wirtschaft trägt auch nicht der Verursacher, sondern die Wirtschaft. Ich würde mir wünschen, dass Sie diese Kosten einmal erfassen und sich dann überlegen, ob der Lärmschutz in Österreich nicht mehr wert sein sollte als diese 1,5 bis 4,5 Millionen € jährlich für die Erstellung einer Lärmkarte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.20


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.20.28

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte jetzt das, was meine Vorrednerin gesagt hat, nicht wiederholen. Ich sehe das ähnlich.

Herr Bundesminister! Ich möchte das konkret an einem Beispiel zeigen. Es ist wun­derbar, wenn man sagt: Wir wollen erheben, wir wollen wissen, wir wollen Karten zeichnen; wir wissen dann, wie viele Dezibel es dort sind und wie viele hier, und was alles passiert. Ich darf es Ihnen anhand des Beispiels der Tauernbahn im Gasteinertal zeigen: Wir wissen alles! Wir kennen die Belastung im Ausmaß von 79 Dezibel in der Nacht. Wir wissen, dass dort 110 Züge fahren. Wir wissen, dass die Bahn ausgebaut werden soll und dass dort in Zukunft 200 Züge fahren sollen. Wir wissen, dass sich in diesem Tal zwei Kurorte und ein dritter Ort, Dorfgastein, befinden mit 2,5 Millionen Übernachtungen im Jahr. Wir wissen also alles.

Wir haben drei Jahre lang ein Mediationsverfahren gemacht, mit einem Aufwand von ungefähr 5 Millionen Schilling. Das alles liegt vor. Das Infrastrukturministerium hat unterschrieben, die ÖBB haben unterschrieben, die Salzburger Landesregierung hat unterschrieben, die Gemeinden haben unterschrieben, der Alpenverein hat unter­schrieben, Bürgerinitiativen haben unterschrieben. Es ist ein unhaltbarer Zustand für die Kurorte, es geht um den Ausbau der Bahn et cetera – wir wissen das alles! (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Macht es!)

Ja, jetzt sage ich es Ihnen! Darum wäre es mir wichtig, dass Sie diese Ihre Anliegen und genau dieses Gesetz dem Herrn Infrastrukturminister und dem Herrn General­direktor der ÖBB vorlegen, jenen Leuten, die letzten Endes darüber entscheiden, auch dem Herrn Finanzminister ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie stimmen ja heute da­gegen!) Ja, Herr Bundesminister, weil es auch keinen Sinn ergibt, bitte! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eine Abordnung von Gasteiner Politikern war beim Herrn Generaldirektor der ÖBB. Wissen Sie, was die Antwort war? – Ja, wir stehen zu dem, aber 2020 können Sie wie­der kommen, dann reden wir darüber! Wenn das Politik ist, wenn das Verkehrspolitik ist, gleichzeitig mit Umweltschutz ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das Gesetz zwingt sie dann! Und Sie stimmen dagegen!) Aber da würde ich mir schon wünschen (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Stimmen Sie zu!), dass Sie innerhalb der Regierung mit Ihrem Infrastrukturminister sprechen. Ich würde gerne hören, was der Herr Infra-


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strukturminister dazu sagt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie stimmen ja dagegen! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Was wollen Sie denn mit 1,5 Millionen € machen? – Anhand der Praxis – darum habe ich mich gemeldet, ich wollte mich ursprünglich nicht melden – sieht man, wie es dann in Wirklichkeit ausschaut. Es tut mir Leid, wenn ich das sagen muss, aber in Gastein brauchen Sie nichts zu erheben, dort brauchen Sie keinen Lärm­kataster zu erstellen. (Bundesrat Kneifel: ... ist ja kein Widerspruch!) Wir wissen alles: Wir kennen die Lärmbelastung, wir kennen die Gesundheitsbelastung, wir kennen die Belastung für die Kurorte.

Bei uns müsste jemand sagen: Jawohl, jetzt muss etwas gemacht werden!, und nicht erheben. Erhoben haben wir schon vor zehn Jahren, und wie schädlich der Lärm in dem Ausmaß ist, wissen wir schon lange. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

12.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das Wort.

 


12.23.47

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Präsident! Herr Bundesrat Gruber! Ich wollte mich auch nicht ein zweites Mal zu Wort melden, möchte aber ganz kurz Stellung nehmen. Was Sie jetzt gesagt haben, erzwingt ja förmlich heute eine Zustimmung zu diesem Gesetz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Denn dieses Gesetz, das Sie heute ab­lehnen, gibt die Lärmkarten vor und regelt dann die Maßnahmen, die zu setzen sind! (Bundesrat Gruber: Ja!) Aber Sie sagen, es wird nichts gemacht, deswegen lehnen Sie das Gesetz ab. Also das geht politisch so nicht zusammen. (Bundesrat Mag. Him­mer – in Richtung Bundesrat Gruber –: Da können Sie jetzt zustimmen!)

Ich wollte Ihnen das nur sagen. Ich kenne die Situation in Ihrer Region, das ist mir alles klar. Offensichtlich macht das BMVIT nichts, machen die ÖBB nichts, zu der Sie ja sicherlich auch gute Kontakte haben, und so weiter und so fort. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Jetzt schaffen wir eine gesetzliche Grundlage, und Sie stimmen nicht zu! Das ist eine interessante Ausgangsposition. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Bravo!)

12.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Rufe bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Stimmt jetzt zu! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Gruber gibt als Einziger von der SPÖ-Fraktion ein Zeichen der Zustimmung. – Bravo­rufe und Beifall bei der ÖVP.) – Der Antrag ist angenommen.


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12.25.163. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (587/A und 977 d.B. sowie 7305/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger. Ich bitte ihn um den Be­richt.

 


Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Ich bringe den Bericht des Um­weltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich auch zu diesem Punkt den bekannten Antrag zur Abstimmung, wonach bei der Debatte die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stadler das Wort.

 


12.26.24

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Ich muss zum vorangegangenen Punkt noch etwas sagen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Dann muss ich noch einmal etwas sagen! – Heiterkeit.) Nein, Herr Minister, jetzt brauchen Sie nichts mehr zu sagen. Aber mir fällt ein Zitat von Herrn Minister Grasser, ein bisschen geändert, ein: Ein schöner Tag für Herrn Minister Pröll beginnt mit einer Stimme von der SPÖ! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ja, genau! – Heiter­keit.) Sie waren wirklich so froh. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Aber ich bin schon früher aufgestanden ...!) Vielleicht war das die erste schöne Meldung, nicht? (Bundes­rat Dr. Kühnel: Aber Sie können auch gerne mitstimmen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Kollege Kühnel, Sie haben wahrscheinlich von dem, was der Genosse Gruber gesagt hat ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Ihre Kommentare werden Sie in Wien im 1. Bezirk auf einer anderen Seite haben, aber sicher nicht bei dem, was Herr Gruber gesagt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns bei diesem Tagesordnungs­punkt mit einem Thema, das in den letzten Wochen und Monaten sehr viel diskutiert wurde, das sicher auch in Zukunft noch oft auf der Tagesordnung stehen und in der Bevölkerung für sehr viel Gesprächsstoff sorgen wird. Es geht um den Feinstaub, um


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die Belastung durch den Feinstaub für unsere Bevölkerung und um die Frage: Was kann, ja was muss man dagegen tun?

Meine geschätzten Damen und Herren, das hat seinen Grund. Die Gesundheitsgefähr­dung durch Feinstaub wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse immer klarer greifbar. Eine aktuelle Bewertung der Gesundheitsauswirkungen von Feinstaub durch die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat gezeigt, dass eine erhöhte PM10-Belastung zu vermehrten Erkrankungen des Atmungs- und Herz-Kreislauf-Systems führt. Nach Zahlen der WHO verursacht Feinstaub in Österreich jährlich mehr als 2 400 vorgezo­gene Todesfälle, rund 2 600 Fälle chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, mehr als 20 500 Bronchitisfälle bei Kindern sowie mehr als 55 000 Asthmaanfälle.

Diese Zahlen machen eines deutlich – und ich glaube, in dem Punkt sind wir uns alle einig –: Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Es ist sicherlich richtig, dass auch in der Vergangenheit Maßnahmen, die zu einer Reduktion der Feinstaubbe­lastung führen, getätigt wurden. Diese von der Regierung dargestellten Maßnahmen zur Reduktion von Feinstaub-Emissionen betreffen allerdings hauptsächlich PKW, die aber vergleichsweise einen geringeren Anteil an der Gesamtemission haben. Den größten Teil emittierte die Industrie mit einem Anteil von 39 Prozent. Daher erscheinen für unsere Fraktion die dargelegten Mittel für Fördermaßnahmen, die für die nächsten Jahre zur Verfügung gestellt werden, lediglich als Tropfen auf den heißen Stein.

Ein wesentlicher Punkt, der in dieser Angelegenheit sicher auch angesprochen werden muss, ist die Landwirtschaft. Auch die Landwirtschaft hat einen wesentlichen Anteil an der Gesamtemission. Wie aktuellen Daten des Umweltbundesamtes zu entnehmen ist, stößt die Landwirtschaft in Österreich aus Verbrennung und Aufwirbelung insgesamt sogar etwas mehr Feinstaub als der gesamte Verkehr aus. Ich möchte wirklich beto­nen ... (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Ja, das ist auch für Herrn Kollegen Tief­nig etwas ganz Neues. Aber jetzt hast du es gehört, und ich glaube, die Daten des Umweltbundesamtes brauchen wir nicht zu bezweifeln.

Sie haben richtig gehört: vom gesamten Verkehr, das heißt also von PKW, LKW, Bahn, Schiffen und Flugzeugen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Schiffe auch?) Der Anteil der Land­wirtschaft an der Gesamtbelastung der Luft lag nach den Daten für das Jahr 2002 bei mehr als 21 Prozent, der Anteil des gesamten Verkehrs bei etwa 20 Prozent. (Bun­desrat Dr. Kühnel: Die Marine!) Herr Kühnel, im 1. Bezirk stellt die Landschaft wahr­scheinlich nicht diese Umweltbelastung dar. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber es gibt ja außer einem Wiener Bezirk auch noch etwas anderes, Herr Kollege Kühnel. Sie können sich jedoch ruhig bei Ihrem Kollegen Tiefnig erkundigen, der versteht unter Landwirtschaft sicher etwas anderes als Sie im 1. Wiener Bezirk.

Ich möchte das hier feststellen und behaupte daher, bei Maschinen wie denen in der Landwirtschaft, die so viele Russpartikel ausstoßen, muss auch rasch etwas getan werden. Das wäre eine sinnvolle Investition in die Umwelt und in die Gesundheit der Menschen.

Das von Ihnen, Herr Minister, vorgelegte Feinstaubprogramm sieht lediglich Fördermit­tel in Höhe von 7,5 Millionen € vor, die hauptsächlich in der Industrie eingesetzt werden sollen, verteilt auf die nächsten zwei Jahre. Derzeit – wenn man sich die Landwirtschaft ansieht – vergütet der Staat den Landwirten den Diesel für stark emittierende und veraltete Traktoren und Erntemaschinen mit 50 Millionen € in Form des Agrardiesels. Daher stelle ich fest, dass das Feinstaubprogramm des Herrn Ministers im Vergleich zum Agrardiesel weit zu gering dotiert ist.

Es ist zu bedauern, dass es bei den Verhandlungen über einen gemeinsamen Vier-Parteien-Feinstaubantrag im Nationalrat zu keinem Ergebnis gekommen ist. Es liegen genug konkrete Vorschläge für eine Feinstaubstrategie auf dem Tisch; die ÖVP hätte


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sich nur ein wenig bewegen müssen. Das ist leider nicht geschehen – zum Schaden für die Bevölkerung, die weiter unter der enormen Feinstaubbelastung zu leiden hat!

Meine geschätzten Damen und Herren! Zum Schluss kommend, möchte ich noch eines festhalten, weil Sie immer sagen: die SPÖ macht nichts, sie schimpft nur: Die SPÖ hat als erste Partei bereits Anfang dieses Jahres im Parlament einen Antrag eingebracht, der ein strategisches Gesamtpaket des Bundes und der Länder zur Sen­kung der Emissionen von Feinstaub und Schwebestaub fordert. Darin sind eine Reihe konkreter Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung in den Bereichen Verkehr, In­dustrie und Gewerbe, Landwirtschaft und im Energiebereich enthalten. Leider haben die Regierungsparteien unseren Antrag im Ausschuss des Nationalrates abgelehnt.

Andererseits haben einige Bundesländer diesen Antrag als Initialzündung für eigene Aktivitäten sehr wohl genutzt, was man vom Umweltminister leider nicht behaupten kann. Dabei hätte ein kurzer Blick in die aktuelle Studie des Umweltbundesamtes ge­nügt, Herr Minister, meine geschätzten Damen und Herren von den Regierungspar­teien, um die richtige Richtung zu erkennen. Dort ist zu lesen – und ich habe es ja schon in ein paar Beispielen ausgeführt –:

Für die Feinstaubbelastung sind viele und verschiedene Verursacher verantwortlich, und nur ein breites Bündel von Maßnahmen kann daher zu einer Reduktion von Fein­staub führen. Die Ablehnung dieses SPÖ-Antrages durch die Regierungsparteien zeige ganz deutlich die Ratlosigkeit und den fehlenden Mut zur Aktivität. – Zitatende.

Von rechtzeitigen, geeigneten und vor allem ausreichenden Maßnahmen dieser Regie­rung gegen den Feinstaub kann keine Rede sein, so wie auch in dieser Vorlage, die wir heute hier beschließen sollen und die – das möchte ich gleich sagen – unsere Fraktion ablehnen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.34


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.34.26

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Um auf den vorigen Punkt zurückzu­kommen: Wir haben gesehen, unser Minister hat Überzeugungskraft. Ich hoffe, er wird sie auch bei Ihnen noch nutzen. (Bundesrat Stadler: Wollen Sie mich überzeugen?) Herrn Gruber kann man gratulieren, denn er hat politischen Weitblick.

Aber um jetzt auf Sie (in Richtung Bundesrat Stadler) zurückzukommen (Bundesrat Stadler: Versuchen Sie, zu überzeugen!): Sie haben sich jetzt in der Diskussion über den Feinstaub auf die Landwirtschaft als Sündenbock eingeschossen, und das gefällt mir überhaupt nicht. (Bundesrat Stadler: Das habe ich nicht gemacht!) Ich habe das so empfunden. (Bundesrat Stadler: Dann haben Sie nicht zugehört! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Ich denke mir (Bundesrat Schennach: Straßenverkehr!), wenn wir die Ballungsräume hernehmen, in denen eigentlich der Verkehr stattfindet, haben wir dort eine wesentlich höhere Belastung als im ländlichen Raum. Wenn Sie jetzt so auf die Landwirtschaft hinpecken, möchte ich dem entgegenhalten, dass die Landwirtschaft schon einiges vorzuweisen hat, was sie macht (Bundesrat Stadler: Ich habe nicht auf die Landwirt­schaft „hingepeckt“!), und zwar die Minimal-Bodenbearbeitung eigentlich überall, oder die Begrünung, die wir haben. Und wenn Sie von veralteten Traktoren und veralteten Erntemaschinen sprechen, so glaube ich, es geht zwar der Landwirtschaft nicht beson­ders gut, aber es ist immer noch der Stolz da, dass mit neuen und relativ guten Gerä­ten gefahren wird. Daher muss ich das, was Sie hier der Landwirtschaft unterstellen,


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schärfstens zurückweisen. (Bundesrat Stadler: Es geht nicht nur um den Ausstoß von Maschinen, sondern ...! Das müssen Sie doch auch sehen!)

Da Sie auch die Dieselölrückvergütung ansprechen, möchte ich dazu Folgendes sa­gen: Wir waren jahrzehntelang im Wettbewerbsnachteil gegenüber Europa, und Gott sei Dank ist es jetzt geglückt, dass wir diese Rückvergütung bekommen haben.

Aber jetzt zu dem heutigen Gesetz: In den letzten Monaten wurde – das ist auch von meinem Vorredner schon angesprochen worden – über die Feinstaubproblematik heiß diskutiert. Ich glaube, wir können unserem Herrn Lebensminister Pröll wirklich herzli­chen Dank aussprechen, denn er hat zu einem Feinstaub-Gipfel geladen, um diese Sa­che einfach sachlich in Angriff zu nehmen. Wir wissen alle – wie auch schon angespro­chen wurde –, dass der Feinstaub eine gefährdende Wirkung hat, und dies wird durch die WHO belegt. Man spricht von 2 600 Fällen chronischer Bronchitis bei Erwachsenen und 20 500 Bronchitisfällen bei Kindern. Daher müssen wir, glaube ich, alles daranset­zen, um die Feinstaubbelastung, wo es nur geht, zu minimieren. (Bundesrat Stadler: Genau! Das wäre das Richtige!) Ja, wir sind dabei! (Bundesrat Stadler: Überall! Nicht nur bei den PKW!)

Es muss natürlich auch eines gesagt werden: Wie alle Emissionen, so macht auch der Feinstaub vor keiner Grenze halt, keiner Grenze zu unseren Nachbarn, keiner Grenze zu unserem Bundesland, keiner Grenze zur Gemeinde. Daher glaube ich, es müssen alle bestrebt sein, einen Beitrag zu leisten. (Bundesrat Schennach: Nicht nur in Ober­österreich!) Und auch Wiener – hören Sie zu! (Bundesrat Schennach: Wien? – Heiter­keit bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

In Niederösterreich befassen wir uns bereits ausführlich mit den Maßnahmen und mit einem Maßnahmenkatalog zur Vermeidung von Feinstaub. Selbst in den Schulen wird schon einiges getan, und zwar gibt es dort Versuche, wie man zum Beispiel die Kehrmaschinen verbessern kann, sodass nicht so viel Feinstaub beim Kehren entsteht. Doch wir können feststellen, dass in den Städten rund um Wien – Klosterneuburg, Mödling und so weiter – diese Belastung am höchsten ist. Daher der Appell ... (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Das ist Niederösterreich!) Nein, das kommt alles von Wien über die Grenze! (Ironische Heiterkeit und Oh-Rufe bei der SPÖ.) Die Wiener Luft ist doch nicht so gut, und daher ist es mein Appell an Sie, in diese Richtung auch etwas zu leisten.

Die Bundesseite beschränkt sich nicht nur auf eine Maßnahme, sondern es wird ein ganzes Bündel angeboten. Jetzt hören Sie zu, was schon alles gemacht wird. (Bundes­rat Stadler: Bitte! Ich bin schon ganz neugierig, Frau Kollegin!)

Seit 1. Jänner 2004 gilt die Einführung von schwefelfreien Kraftstoffen, und das flä­chendeckend. Mit 1. Juli 2005 haben wir – auch hier im Bundesrat – die NoVA-Sprei­zung beschlossen, und zwar ist das eine Förderung von Partikelfiltern bei Diesel-PKW. Das ist der erste Schritt, glaube ich, für eine flächendeckende Ausstattung. Damit spielen wir europaweit wieder eine Vorreiterrolle, und wir würden uns wünschen, dass Europa diesem Beispiel folgen würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu erwähnen sind auch die Biotreibstoffrichtlinie und der Ausbau der Schiene, und nun die Fördermaßnahmen zur Feinstaubreduktion mit 7,5 Millionen € für die nächsten 18 Monate speziell im industriellen Anlagebereich und bei den Baumaschinen. (Bun­desrat Reisenberger: Auch für Wien!) Auch für Wien! Gerade die Umrüstung von Bau­maschinen bringt speziell in städtischen Ballungszentren – also auch für Wien, beson­ders für Wien – sehr viel, da sie an den hohen Emissionen nicht ganz unbeteiligt sind.


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Ich denke, diese vielen Maßnahmen sind ein guter Anfang für die Umwelt und unsere Mitmenschen, um gesunde Luft auch in Zukunft sichern zu können. Dafür sollen wir unseren Ministern noch einmal Dank aussprechen. (Ruf bei der SPÖ: Bussi!)

Abschließend ein Appell: Es kann jeder Einzelne von uns einen kleinen Beitrag leisten, denn wir wissen, dass die Feinstaubbelastung in einem Raum, in dem geraucht wird, um ein Vielfaches höher ist als jene, die durch den Verkehr hervorgerufen wird. Daher: Denken Sie alle selber daran, bevor Sie das nächste Mal etwas von anderen fordern! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist aber wirklich lustfeind­lich!)

12.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.41.05

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Als Raucherin fühle ich mich jetzt natürlich angesprochen. Das hast du, Kollegin Diesner-Wais, wahrscheinlich auch deshalb gesagt, weil ich als Nächste komme; könnte sein. Ich kann dir nur sagen: Ich bin heute mit der Schnell­bahn nach Wien gekommen, und wenn ich auch mit der Schnellbahn nach Hause fahre und nicht mit dem Auto, dann kannst du mit mir darauf wetten, dass ich mit meiner Zigarette weniger Feinstaub erzeuge als du, wenn du mit dem Auto fährst. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Schennach: ... aber in Nie­derösterreich!)

Darüber kann man diskutieren, und es wird meines Wissens heute auch noch über ein Gesetz diskutiert, wie man gegen das Rauchen vorgehen möchte. Diese Diskussion haben wir später, daher sollten wir die Diskussion zu beiden Punkten vielleicht doch getrennt führen. (Bundesrätin Diesner-Wais: Aber Rauchen erzeugt auch Feinstaub!) Ja, es raucht aber etwas anderes auch, nicht nur eine Zigarette.

Ich möchte jetzt ganz gerne ein wenig auf die Jahresvorschau des Bundesministeriums auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission eingehen. An und für sich kommt dieser Tagespunkt etwas später, doch wäre es mir doch lieber, wenn ich es Ihnen erzähle, Herr Minister Pröll, als Frau Minister Gehrer. Ich hoffe, das ist irgendwie möglich, wenn auch nur andeutungsweise. – Sie haben es eilig. Ich werde mich beeilen. Ganz schnell geht’s aber nicht. (Heiterkeit.)

Bei Durchsicht dieser Jahresvorschau – das haben wir schon des Öfteren festgestellt – müssen wir schon bemerken, dass diese im Vergleich zu den anderen Jahresvor­schauen zwar nicht das Gelbe vom Ei ist, aber doch sehr toll ausgestattet ist, und wir werden deshalb auch zustimmen. Diese Vorschau ist übersichtlich, und es gibt fast zu allem einen österreichischen Standpunkt oder einen Standpunkt des Umweltministers, was ich sehr positiv finde. (Bundesrat Schennach: Ich habe es etwas härter kritisiert, aber es ist okay!) Kritisieren kann man auch später.

Ein Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, der aber auch mit Umweltförderung zu tun hat, ist Klimawandel und Kyoto-Protokoll. Meiner Meinung nach muss man einmal die Frage klären, was wichtiger ist: Ist es wichtiger, Handel mit Emissionen zu betrei­ben oder diese JI/CDM-Programme umzusetzen, oder ist es wichtiger, im eigenen Land oder in der EU die Treibhausgase in den Griff zu bekommen? Man hört von Sei­ten der EU in letzter Zeit nur mehr von Emissionszertifikaten. Ich würde mir wünschen, dass man da auch im eigenen Land etwas tut.

Die EU-Umweltagentur hat auch schon festgestellt, dass die EU-25 im vergangen Jahr einen Treibhausgaszuwachs von 1,5 Prozent verzeichnen mussten. Österreich liegt da


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mit 30 Prozent über seinem Klimaschutzziel. Damit sind wir Schlusslicht; hinter uns liegt nur mehr Spanien.

In diesem Zusammenhang ist auch das Umweltförderungsgesetz zu sehen. Nicht, dass ich ein Problem mit diesem Vorgriffsrecht hätte, das man auf diese JI/CDM-Projekte jetzt haben soll. Natürlich ist es auch wichtig, dass es Maßnahmen zur Feinstaubreduk­tion gibt – das fordern wir seit Monaten. Für uns war eher das Problem, dass immer nur Ping-Pong gespielt worden ist zwischen Bund und Land und das Thema großteils heruntergespielt wurde. Wir wollten massive Maßnahmen von Bund, Ländern und Ge­meinden. Halb Niederösterreich ist Sanierungsgebiet – oder wird voraussichtlich zum Sanierungsgebiet, und die Auswirkungen auf Gesundheit und Wirtschaft darf man ein­fach nicht übersehen.

Warum wir jetzt dieser Änderung des Umweltförderungsgesetzes nicht zustimmen können, möchte ich an zwei Punkten festmachen. Einerseits sind die Maßnahmen meiner Meinung nach zu einseitig. Es gibt keine zusätzlichen Mittel, es werden einfach nur die Umweltmittel umgeschichtet. Wenn es erhebliche zusätzliche Mittel dazu gäbe, dann wäre es vielleicht noch einsichtig, wenn man sagt: Ich nehme genau diese zwei oder drei Maßnahmen heraus und setze sie um!, denn dann könnte man ja trotzdem noch sehr viel mehr umsetzen. In diesem Fall ist es aber so, dass es eben keine Mittel zusätzlich gibt, und man müsste bezüglich dessen, was umgesetzt wird, doch eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen. Eine solche habe ich aber nirgends gefunden. Ich weiß nicht: Haben Sie Studien oder Untersuchungen bezüglich des Feinstaubreduk­tionspotenzials von genau diesen Maßnahmen, von diesen Maßnahmen bei den Bau­maschinen und bei den Industriebetrieben? Welchen Anteil des dieselbetriebenen Bau­maschinenparks kann man nachrüsten? Gibt es darüber Studien? Welche Reduktion erwarten Sie sich jetzt von diesen Maßnahmen, die Sie da setzen werden? Und: Wo bleiben jetzt die vielen anderen Maßnahmen, die schon von vielen Seiten vorgeschla­gen worden sind?

In Oberösterreich gibt es meines Wissens hiezu ein Vorzeigeprojekt. Vorschläge im Allgemeinen gibt es sehr viele, zum Beispiel auch vom Umweltbundesamt. Die Land­wirtschaft trägt insofern auch zur Feinstaubbelastung bei, aber nicht unbedingt weil es beim Umackern so staubt, sondern auch die Gülleausbringung stinkt nicht nur, sondern es entsteht dabei auch Ammoniak, und Ammoniak ist eine Vorläufersubstanz.

Wo bleibt die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene? Dazu gibt es immer nur viel heiße Luft, aber Taten sieht man nicht wirklich. Wo gibt es eine Offen­sive für den öffentlichen Verkehr? Reicht wirklich ein Bonus-Malus-System für einen Dieselpartikelfilter aus als Maßnahme im Verkehrsbereich, der doch einen sehr großen Teil des Feinstaubes produziert?

Dazu vielleicht noch zu Kollegin Diesner-Wais: Es stimmt schon, der Feinstaub macht keinen Stopp an den Grenzen; wir importieren auch einen Teil unseres Feinstaubes. Aber es ist ein Teil, und den Teil, den wir importieren, können wir nicht beeinflussen. Wir können Maßnahmen nur dort setzen, wo wir sie beeinflussen können.

Des Weiteren möchte ich schon auch anmerken, dass wir Feinstaub ja auch expor­tieren. Wir können nicht nur sagen, es kommt alles von den anderen, aber wir sind die Braven. Es werden sehr wohl auch bei uns Vorläufersubstanzen emittiert, die dann weiter entfernt auch zu Feinstaub werden. Mann müsste doch auch auf dieser Seite ansetzen.

Meiner Meinung nach sind also die Maßnahmen, die Sie jetzt setzen wollen, einseitig. Sie lassen viele Möglichkeiten aus, und ich verstehe die Prioritätensetzung nicht ganz. Diese ist für mich nicht erklärbar, auch nicht aus den Unterlagen. Diese Maßnahmen gehen auf Kosten anderer Umweltförderungen. Sie haben zwar vollmundig angekün-


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digt, das da jetzt Maßnahmen mit einem Kostenaufwand von 7,5 Millionen € gesetzt werden, haben aber nicht dazugesagt, wo diese 7,5 Millionen bei anderen Maßnahmen eingespart werden. Da es kein zusätzliches Geld gibt, wird es das aber wohl sein.

Ich möchte aber trotzdem noch „zurückgehen“ nach Kyoto. Die Europäische Kommis­sion denkt auch an Initiativen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Ich bin mir nicht sicher, ob das nur die Europäische Kommission ist oder ob auch Österreich daran denkt. (Nach einem Seitenblick auf Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll:) – Offenbar nicht. Es geht um die Einsparung durch Energieeffizienz. Vordringlich ist jedenfalls die ver­stärkte Weiterführung bestehender und geplanter Klimaschutzmaßnahmen auf nationa­ler Ebene. Und da möchte ich gerne von Ihnen, Herr Minister, wissen, ob Sie das auch so sehen. Das steht nämlich hier nicht im Bericht drinnen.

Prinzipiell wäre ja gerade bei der Energieeffizienz auch in Österreich sehr viel möglich. Laut Kommission sind 20 Prozent des Stromes einzusparen, und zwar zu Kosten, die nicht höher sind als die Einsparungen. Das heißt, es wäre eine Win-win-Situation für 20 Prozent des Stromverbrauches. In Österreich besteht besonders hoher Handlungs­bedarf, weil bei uns der Stromverbrauch jährlich um 2 bis 3 Prozent wächst. Die Öko­strom-Förderung liegt nach wie vor auf Eis. Für neue Anlagen, die seit 1. Jänner 2005 genehmigt wurden, gibt es keine Rechtsgrundlage, zu einer Förderung zu kommen.

Was die Atomkraft angeht, so setzt die EU offenbar nur noch auf Sicherheit. – Ich wür­de gerne von Ihnen wissen, ob Sie auch nur auf Sicherheit setzen oder doch irgendwo auch einen Ausstieg oder eine EU-weite Reduktion der Atomenergienutzung ins Auge fassen. Für mich ist das eine Uralttechnologie – ich hoffe, für Sie auch. Ich hoffe auch, Sie sehen die Atomkraft nicht als Strategie gegen den Klimawandel.

Ein größeres Problem habe ich auch noch mit Ihrer Kritik an der Kommission bezie­hungsweise am Kommissionsentwurf beim dritten Element der Aarhus-Konvention, und zwar betreffend den Zugang zu Gerichten. Sie sind da der Meinung – gegen einen Vorschlag der Kommission, der auch vom Parlament begrüßt wird –, dass die Aus­gestaltung des Rechtsschutzes im Wesentlichen dem nationalen Recht überlassen bleiben soll.

Das kann ich nicht ganz verstehen, und vielleicht können Sie mir noch sagen, warum das so sein sollte, denn gerade Verstöße gegen das Umweltrecht betreffen nicht nur die Nachbarschaft, die Anrainer, sondern sehr wohl auch Menschen, die weiter weg wohnen. Das österreichische Rechtssystem ist aber doch in sehr vielen Punkten auf eben dieses Nachbarschafts- und Eigentumsrecht ausgerichtet.

Ihre Einstellung zum Richtlinienvorschlag hat auch einen Protest diverser NGOs her­vorgerufen. Sie sagen ja immer, sie arbeiten so toll mit den NGOs zusammen. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Protest ernst nehmen (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich nehme ihn ernst!) und Ihre Position noch mal überdenken würden, die da drinnen steht, denn meiner Meinung nach muss gerade das Umweltrecht und seine Durchsetzung doch auf europäischer Ebene vereinheitlicht werden.

Zum Thema REACH wäre mir auch noch etwas eingefallen, aber wenn Sie es so eilig haben, Herr Minister, schicke ich Ihnen eine Mail.

Ich darf Ihnen aber jetzt nur auf Grund besonderer Dringlichkeit eine Resolution über­geben, die gestern im Gemeinderat in Gänserndorf eingebracht wurde. Da geht es um den Safaripark Gänserndorf und die Tiere – die restlichen Schimpansen und Labor­affen –, die dort seit eigentlich drei Monaten mehr oder weniger ausgesiedelt werden sollen. Es geht Sie nichts an, meinen Sie vielleicht. – Das Umweltministerium hat inso­fern etwas damit zu tun, als diese Affen ja nicht nach Österreich gekommen wären, wenn das Washingtoner Artenschutzabkommen damals rechtzeitig unterschrieben


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worden wäre. Das ist jetzt nicht Ihre persönliche Verantwortung, sondern das ist die Verantwortung eines Vorgängers. Nichtsdestotrotz ist es so.

Schimpansen sind schützenswerte Affen, und ich denke mir, es müssten sich doch einige Ministerien hier zusammenreden und wirklich einmal konkret etwas unterneh­men. Ansonsten befürchte ich, dass die Tiere früher oder später ausgesiedelt und „ent­sorgt“ werden. (Beifall bei den Grünen.)

12.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


12.53.05

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Zu dem Punkt, den wir jetzt diskutieren – Umweltförderungs­gesetz und die entsprechenden Adaptionen –, auch zum Thema Feinstaub eine kurze Einschätzung.

Erste Frage: Änderungsnotwendigkeit im UFG für JI/CDM-Programm. JI/CDM-Pro­gramme sind ein wesentlicher Bestandteil der Klimastrategie weltweit, auch in Öster­reich. Aber gerade wir in Österreich haben uns dazu entschlossen, nicht ausschließlich und nicht vorrangig auf JI/CDM-Projekte zu setzen, sondern die meisten Maßnahmen im Inland zu setzen, Maßnahmen im Klimaschutz etwa, die wir bereits umzusetzen begonnen haben.

Zu Klimaschutzmaßnahmen im Inland: Bei all den Themen, die Sie kennen – ich möch­te hier auf Grund der Zeit nicht mehr sehr ins Detail gehen –, haben wir Maßnahmen zur Reduktion im Inland gesetzt. 90 Prozent der Zahlungen in der Umweltförderung gehen in klimarelevante Projekte wie Forcierung der Biomasse und vieles andere; Bei­spiel: Beimischung. Ich könnte hier eine Palette aufzählen, die sich sehen lassen kann.

Zweiter Punkt: Es ist im JI/CDM-Programm natürlich auch notwendig, die entsprechen­den Beschlüsse zu treffen, um finanziell auch für die Zukunft planen zu können. Das ist der Gegenstand dieses Tagesordnungspunktes. Es ist notwendig, um das, was wir im internationalen Bereich an Möglichkeiten haben, auch optimal zu nützen.

Ich bin stolz darauf – da Sie NGOs und Bürgerbeteiligung und Diskussion angespro­chen haben –, dass wir all diese Projekte in einem parteiübergreifenden Dialog ge­meinsam beschließen. Das ist ja auch ein wesentlicher Punkt. Die Sozialpartner, alle im Parlament vertretenen Parteien sind hier engagiert, um in der Umweltförderung beim JI/CDM-Programm gemeinsam die Antworten zu geben.

Dritter Punkt: Feinstaub. Mehrere Redner haben eine Feinstaubinitiative angespro­chen. Was ist zu tun? Was sind die Antworten? Auch da liegt ein Antrag vor, dass der Bund eine wichtige Maßnahme setzen soll. Wir brauchen da keine Länderkompetenz­debatte Bund – Länder, wer hat Schuld und wer muss etwas wo lösen, sondern ich habe verschiedene Maßnahmen gesetzt.

Erstens schwefelfreie Kraftstoffe, zweitens ab 1. Juli – also in Kürze – die NoVA-Sprei­zung, von Ihnen oftmals verlangt. Wir haben sie gebracht, und es wird helfen, die neue Flotte im Diesel-PKW-Bereich entsprechend auf Partikelfilter umzustellen. Die Fein­staubproblematik kann ja nicht von einem Tag auf den anderen, quasi mit einem Hebel, gelöst werden, sondern wir steuern dagegen mit den Mechanismen, die wir haben, etwa Steuerbegünstigung für Dieselpartikelfilter und heute 7,5 Millionen €.

Wenn das alles nichts ist, dann lassen wir’s! 7,5 Millionen € – in alter Währung 100 Millionen Schilling, nur um das zu verdeutlichen – in eineinhalb Jahren für die Um-


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rüstung von Baumaschinen insbesondere in städtischen Zentren und für die Reduktion der Feinstaubbelastung durch die Industrie! Die Anträge können nun kommen und in der Umweltförderung konsensual, wenn effizient, dieses Geld bekommen. Das wird uns helfen, den Feinstaub zu reduzieren.

Sie sagen, die Landwirtschaft ist auch ein Thema. – Ja, sie ist ein Thema, aber bitte präzise argumentieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ein Fein­staubproblem, das sich in Österreich und in der Europäischen Union wie folgt darstellt:

Es gibt eine Sockelbelastung über das ganze Jahr. Da hat die Landwirtschaft ihren An­teil, wie alle anderen Bereiche auch: der Verkehr, die Industrie, die da übrigens vor der Landwirtschaft liegt.

Und etwas ist interessant: Die Grenzwertüberschreitungen haben wir in den Wintermo­naten vorrangig in den städtischen Ballungszentren. Zeigen Sie mir einmal einen Trak­tor, der in Wien spazieren fährt und das verursacht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich weiß, wovon ich rede. Ich war Bauernbunddirektor in Wien und kenne die Wiener Landwirtschaft sehr, sehr gut. Wenige fahren dort mit dem Traktor spazieren, sehr geehrte Damen und Herren!

Wir müssen also Folgendes tun: Wir müssen die Sockelbelastung in den Griff bekom­men durch die Maßnahmen, die Sie angesprochen haben, auch in der Landwirtschaft. Das ist auch eine Maßnahme, die wir setzen, aber unser Problem sind die Spitzenbe­lastungen. Und da, meine sehr geehrten Damen und Herren der Länderkammer, weise ich auf einen zentralen Punkt hin:

Wir haben damals mit IG-Luft ein Bundesgesetz für saubere Luft vorgelegt – Frau Bun­desrätin, auch Sie haben das erwähnt: die Kompetenz beim Lärmschutz. Wir haben ein Bundesgesetz vorgelegt, und die Länder, allen voran Wien, haben gesagt: Das kann nicht sein, wir brauchen regional abstimmbare Gesetze zur Bekämpfung der Luftpro­blematiken, wenn etwas auftritt – auch beim Feinstaub. Wir haben das in Länderkom­petenz gegeben, aber jetzt, weil man natürlich bezüglichStadt diskutieren muss, etwas zu tun, was vielleicht nicht populär ist, ist der Bund schuld!

Wir beschließen heute 7,5 Millionen €. Wir haben schwefelfreie Kraftstoffe eingeführt. Wir setzen mit 1. Juli 2005 die Förderung von Dieselpartikelfilter um, wie auch das Land Oberösterreich, wie die Stadt Graz. Warum kann Wien das nicht? Das ist die zentrale Frage!

Es kommt ein neuer Winter – und es kommt eine neue Feinstaubbelastung. Wir wer­den sehr genau darauf achten, welche Antworten gegeben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegt dazu nicht vor. – Herr Kollege Schennach meldet sich jetzt zu Wort. Ich erteile es ihm.

 


12.58.33

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident, Sie müssen meine späte Wortmeldung verzeihen. Ich wollte mich nicht zu Wort melden, aber ich habe auf der Regierungsbank einen sehr mächtigen Minister dieser Bundesregierung, aus Nieder­österreich kommend, sitzen sehen und mir gedacht, ich kann diesen Augenblick doch nicht ungenützt lassen, um händeringend an diesen wichtigen Minister aus Nieder­österreich zu appellieren, von diesem riesigen Unfug – und, Herr Präsident, ich stelle


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auch gleich einen sachlichen Zusammenhang zum Tagesordnungspunkt her –, von der Handymasten-Steuer, Abstand zu nehmen. (Ruf bei der ÖVP: Da waren die Schimpan­sen noch eher in einem sachlichen Zusammenhang!) Es gibt einen sachlichen Zusam­menhang, denn es wurde von allen Rednern betont, dass der Feinstaub etwas mit Verkehr zu tun hat.

Das Mastensystem, die Anbindung an internationale Kommunikationsnetze verringert auch den Verkehr auf der Straße und damit auch die Feinstaubproblematik. Der Bun­desrat selbst hat hier eine Enquete zum Thema „Digital Divide“ abgehalten und dabei auf die Problematik der Regionen hingewiesen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, es kann doch nicht angehen, dass die Bundes­regierung mit den Ländern im Rahmen des Finanzausgleiches keine Einigung erzielt und nun einzelne Bundesländer zu Lasten der Konsumenten, aber auch der wirtschaft­lichen Entwicklung Abgaben entwickeln, die industriepolitischer Unfug sind! (Zwischen­rufe bei Bundesräten der ÖVP.) – Ja, aber ich habe ja gesagt, dass jener Pröll, der jetzt auf der Regierungsbank sitzt, so ein mächtiger Minister ist, dass sein Wort in Niederösterreich nicht nur gehört wird, sondern geradezu Auftrag ist. Ich bitte Sie da­her eindringlich, Herr Minister Pröll (Bundesrat Gruber: Familienzusammenführung!), im Sinne aller, die hier tatsächlich von einer fatalen Entwicklung betroffen sein könnten! Und wenn das nächste Bundesland hier nachrutscht, dann ist das eine fatale Ent­wicklung! – Auf Oberösterreich und den Feinstaub komme ich noch zu sprechen. Auch da kommt noch ein sachlicher Zusammenhang mit dem Thema; und es hat ja auch Kollegin Gansterer gewünscht, das einmal zu hören.

Aber ich bitte Sie eindringlich, Herr Minister Pröll: Nützen Sie Ihre politische Macht in Niederösterreich im Zusammenhang mit dieser Handymastensteuer! Das ist ein Unfug, das ist ein Schaden für ganz bestimmte Regionen – und letztlich wirkt es sich nur auf die Kassen der Endverbraucher aus! Das kann nicht der Sinn sein! Es ist das keine Lenkungssteuer, wie das fälschlicherweise dargestellt wird.

Und nun, Frau Kollegin Gansterer, weil ich das Gefühl hatte, dass dich noch die ober­österreichische Geschichte interessiert (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Gansterer und Roth-Halvax na sicher, ich sehe das fröhliche Lachen! –: Herr Minister Pröll legt heute ein Feinstaubprogramm vor. Eines darf man dabei nicht vergessen: In Ober­österreich ist das im März erarbeitet worden, ein 30-Punkte-Programm als Regierungs­programm in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft, Privatheizun­gen, Baustellen und, und, und, also in 30 Bereichen – mit heute bereits messbaren Fortschritten!

Wenn Sie sich von Oberösterreich in dieser Frage weiterhin so treiben lassen, dann kann ich mir vorstellen, dass auch die Geschichte der Bundesregierung vielleicht ein Erfolg werden könnte. Aber Oberösterreich zeigt Ihnen, wie man Feinstaub in all seinen Bereichen erfolgreich bekämpft! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Kersch­baum: Mit zusätzlichen Mitteln! – Bundesrat Schennach – auf dem Weg zurück zu seinem Sitzplatz –: Mit zusätzlichen Mitteln!)

13.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungs­punkt liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

13.03.024. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebüh­rengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagerge­setz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002 und das Militärbefugnisgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 – WRÄG 2005) (949 d.B. und 955 d.B. sowie 7302/BR d.B. und 7306/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Karl Bader: Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungsaus­schusses zum Wehrrechtsänderungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich auch hier den Antrag zur Abstimmung, wonach die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Reisenberger. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.04.14

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident, ich hoffe, Sie gestatten mir einen Satz im Zusammenhang mit dem Bundesheer, aber nicht direkt mit dem Tagesordnungspunkt.

Kollege Kneifel hat heute gemeint: Was hat denn Gudenus mit Bundesheer zu tun? (Bundesrat Kneifel: Na, na, na, interpretieren Sie mich nicht!) – Dazu darf ich Ihnen sagen: Relativ viel, denn es geht um eine Disziplinarangelegenheit, und Herr Bundes­minister Platter hat bereits am 20. Folgendes in Auftrag gegeben – ich habe es hier vor mir –:

In Bezug auf Oberstleutnant in Ruhe Mag. John Gudenus ersuchen wir den Wiener Landtag um Zustimmung zur disziplinären Verfolgung. – Zitatende.


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Das ist es, worum es geht, und es ist auch wichtig, und es ist gut so. – Ich wollte das nur zur Klarstellung anmerken. Danke, dass ich dies tun durfte. (Bundesrat Bieringer: ... nicht verhindern! So kann man es auch sagen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute einige Dinge über das Bun­desheer zu diskutieren, haben uns einige Dinge aus dem Bereich Landesverteidigung anzuschauen, und ich glaube, man kann feststellen, dass das österreichische Bundes­heer – und damit die Landesverteidigung – ein außerordentlich wichtiges Thema dar­stellt und in diesem Raum, so glaube ich, auch nicht in Frage gestellt wird.

Was aber die Wertigkeit von Maßnahmen betrifft, so gibt es zwischen der Auffassung der Regierung und jener der Opposition doch grundlegende Unterschiede – und darum geht es uns heute auch.

Die konstruktive Mitarbeit und die Zustimmung der SPÖ zum Ergebnis der Bundes­heerreform als solcher bedeutet keinesfalls die Zustimmung zum Beispiel zur Beschaf­fung der Eurofighter. Im Gegenteil! Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen es so gut wie ich – und Sie, Herr Bundesminister Platter, wahrscheinlich am besten von uns allen –: Der Kauf bindet in Zukunft sämtliche Budgetmittel und gefähr­det die Umsetzung der Reform. Diese Reform ist aber lebensnotwendig für das öster­reichische Bundesheer! Andernfalls kommt es zu einem Begräbnis zweiter Klasse, und das kann ja nicht im Sinn des Gesetzgebers und der Österreicherinnen und Öster­reicher sein.

Die Beteiligung des neutralen Österreich an militärischen Einsätzen in Europa kann künftig nur im Einklang mit der UNO und der OSZE erfolgen. Wir haben daher das österreichische Bundesheer auf diese neuen internationalen Aufgaben vorzubereiten. Aber die Umorganisation und die Reorganisation der Zentralstelle fehlt bis dato in Ihren Unterlagen und Konzepten.

Es fehlen vor allem die konkreten finanziellen Festlegungen, die konkreten finanziellen Vorsorgen für die Umsetzung der Reform. Wir wissen, dass diese mindestens 2,5 Mil­liarden € kostet. Sie sprechen im Zusammenhang mit den Kasernenverkäufen sehr vorsichtig davon, dass dabei 1 Milliarde € an Erlösen möglich sein könnte. Dann fehlen für die Finanzierung der Reform – nach Ihrer Rechnung, Herr Minister – immerhin noch 1 bis 1,5 Milliarden €. Das sind in Altwährung immerhin 20 Milliarden Schilling. Wo wollen Sie das hernehmen?

Seit Jahren verlangen wir – und der Rechnungshof fordert das – Beschaffungs- und Ausgabenpläne mit einer Prioritäteneinteilung. – Es gibt sie nicht, Herr Bundesminister!

Wir stellen immer wieder fest, dass es an den Ausrüstungen vor allem für die Kolle­ginnen und Kollegen beim Bundesheer fehlt. Es sind keine Kampfjets, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, Herr Minister, die wir brauchen, sondern zum Beispiel Kampfanzüge, wie uns unsere Soldaten, die in Sarajewo tätig waren, mitteilten. Das aber ist etwas, wofür wir kein Geld haben. Das ist etwas, wo wir offensichtlich Spar­maßnahmen setzen – und das kann es nicht sein.

Gemeinsamkeiten in der Sicherheitspolitik: ja – aber das Ergebnis sieht dann meistens im Detail ein wenig anders aus, als es vorher besprochen wurde, so wie auch im Fall der Regierungsvorlage, die uns heute hier vorliegt. Und das ist das Problem: dass man zwar vorher in Ausschüssen und Besprechungen sehr oft auf einer guten Ebene mit­einander arbeiten kann, aber dass das, was als Gesetzentwurf auf den Tisch kommt, in Wirklichkeit dann eben ganz anders ausschaut.

Änderungen im Militärbefugnisgesetz nehmen Sie nur vor, weil der Verfassungs­gerichtshof Sie dazu verpflichtet hat, Herr Minister. Das bestätigt uns wiederum, wie wichtig es war, dass wir seinerzeit das Militärbefugnisgesetz abgelehnt haben. Es war


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verfassungswidrig, wie so viele Gesetze, die diese Regierung in den letzten Jahren gemacht hat. Und unser Nein bleibt auch weiterhin aufrecht, weil unserer Meinung nach nach wie vor Ungereimtheiten existieren.

Am Dienstag haben wir im Ausschuss eine sehr interessante Diskussion geführt: Bundesrat Kühnel hat sehr sachliche und vom Inhalt her meiner Meinung nach sehr wichtige Fragen gestellt, wie es in Details ausschaut, und als Antwort haben wir be­kommen: Tut mir Leid, aber da ist vieles noch offen! – Und mit einem großen Schlen­kerer sagt man dann: Na ja, wir wollen uns ja nicht so festlegen, damit wir hier nicht wegen jeder Kleinigkeit etwas machen müssen! – Das sind Punkte, die ganz einfach nicht gut sind! Es ist da in Wirklichkeit eine Regelung gemacht worden, die nicht so ist, wie sie sein sollte.

Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Präsenzdienstzeit. – Ja, sechs Monate sind genug! Das haben wir von der SPÖ schon lange gesagt, und dazu stehen wir auch, und wir haben es auch gefordert. Aber unter ÖVP-Verteidigungsministern wie Lichal oder Fasslabend gab es dazu von Ihrer Seite immer ein klares Nein. (Bundesrat Bieringer: Den Rösch, den Lütgendorf, den Kreisky – vergiss die nicht! Nicht Ge­schichtsfälschung betreiben! – Was euch gerade passt, das sagt ihr!)

Wir haben zu dieser Zeit sehr wohl die sechs Monate gehabt, lieber Kollege Bieringer! Erinnere dich: Es hat sie ja gegeben!

Und die Herren Minister machen nach wie vor – wie es in dieser Regierung ja leider fast ständig an der Tagesordnung ist – eine Husch-Pfusch-Bestimmung (Ruf bei der ÖVP: Mein Gott na!), nämlich eine Verordnung, dass der nächste Bundesminister – oder vielleicht sind es auch noch Sie selbst – vor 2008 noch sagen kann: Das war ganz lustig, was wir da gesagt haben, aber das Alte tritt wieder ein oder was anderes!

Haben Sie doch den Mut und machen Sie Nägel mit Köpfen! Machen Sie es gesetzlich! Was spricht denn wirklich dagegen?

Und wenn wir schon bei den sechs Monaten sind, möchte ich schon auch daran erinnern, Herr Bundesminister Platter, dass wir im Sinne der Gleichberechtigung auch für sechs Monate beim Zivildienst sind – ganz klar und deutlich auch beim Zivildienst, denn Zivildienst ist Wehrersatzdienst, und darum sind wir auch für eine sechsmonatige Zivildienstzeit. (Beifall des Bundesrates Konecny sowie bei den Grünen.)

Wir können daher auch nicht verstehen, wieso der Minister beim Bundesheer mit einer Weisung sechs Monate einführen kann, wir aber beim Zivildienst für die Festlegung seiner Dauer eine Zweidrittelmehrheit brauchen. – Da muss eine Änderung gemacht werden, denn die Logik für solche Bestimmungen fehlt doch wohl tatsächlich.

Positiv zu bewerten ist der Ausbildungsdienst für Wehrpflichtige, der bisher nur Frauen zugänglich war. Er gilt nunmehr auch für die Wehrdienst Leistenden, aber auch da gibt es ein größeres Problem: Es haben nämlich Männer im Falle eines Ausstiegs aus die­sem Ausbildungsdienst eine Rückzahlungsverpflichtung von bis zu 3 410 € – also ein riesiges vorhersehbares Problem, das sie sich damit einhandeln könnten.

Besondere Schwierigkeiten sehe ich diesbezüglich im Bereich der Einjährig-Freiwilli­gen-Ausbildung, da diese Ausbildung nur mehr auf Basis dieses neuen Ausbildungs­dienstes erfolgen kann. Wenn nun der junge Soldat im Laufe der Einjährigen-Frei­willigen-Ausbildung ausscheidet, hat er – außer es erfolgt wegen Krankheit – ebenfalls diese enormen Rückzahlungen zu leisten. Diese negative Begleiterscheinung, meine Damen und Herren, ist ganz einfach unverständlich und nicht zu akzeptieren! Ein schlechtes Testergebnis genügt nämlich bereits, und der junge engagierte Soldat muss gehen – und als Strafe bekommt er auch noch eine hohe Rückzahlungsforderung auf den Tisch.


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Diese Konstruktion ist kompliziert, verwaltungsintensiv und erzeugt neue Ungerechtig­keiten; sie findet daher nicht unsere Zustimmung. Und auch wenn wir im Ausschuss am Dienstag gehört haben: Na, das mit der Rückzahlung haben wir alles im Griff, das ist auf dem formalen Weg kein Problem!, so habe ich auch im Ausschuss bereits darauf hingewiesen, und ich sehe es als durchaus logisch: Wir sprechen heute viel von „Gender“, was nicht nur Frauen, sondern auch Männer betrifft – das wissen all diejeni­gen, die sich damit schon auseinander gesetzt haben –, und es stellt sich auch die Fra­ge, ob die Gleichstellungskommission, wenn einer einmal mit diesem Fall an sie her­antritt, sagen würde: Das ist okay, das passt! – Es ist meiner Meinung nach eben nicht okay, und es ist meiner Meinung nach auch vom Gesetz her nicht so, wie es sein soll.

Aber hier können wir natürlich finanzielle Überlegungen breit über den Tisch ziehen, wie Sie es jetzt machen. Die sündteuren Eurofighter-Kampfflieger, die wollen Sie kau­fen, da spielt Geld keine Rolle. Und damit nehmen Sie die Gefährdung der gesamten Bundesheerreform in Kauf, Herr Minister! Ich sage es Ihnen: Laut Finanzvorschau bewegen Sie sich an der Grenze der Fahrlässigkeit, denn dort ist in Wirklichkeit festgestellt worden, dass die Aufrechterhaltung des Betriebes des Bundesheeres nur eingeschränkt möglich ist.

Das muss man den Menschen auch immer wieder sagen – und nicht das, was da so als Schlagzeilen mit „tolle Abfangjäger“ und „Sicherheit“ und „staatstragend“ zu ver­kaufen versucht wird. In Wirklichkeit wird der Betrieb des Bundesheeres mit dem Kauf dieser Geräte nur mehr eingeschränkt möglich sein, und gleichzeitig ist auch die Be­reitschaft oder die Möglichkeit, mit diesem Gerät in die Luft zu gehen, mehr als einge­schränkt.

Daher sind wir gegen diese Rückzahlungsverpflichtung und gegen die Militärbefugnis­gesetze.

Die Attraktivität des Bundesheeres zu steigern – Herr Minister, das sagen Sie immer wieder –, ist gut und findet unsere volle Unterstützung. Gar kein Thema! Ich frage mich nur, warum es auch hier wiederum erst jetzt plötzlich in Erinnerung kommt, dass eine Attraktivität dieses unseres Bundesheeres anzustreben wäre, nachdem man ja doch – jetzt wiederhole ich wieder, Kollege Bieringer, und Sie werden gleich wieder schreien, und du wirst gleich wieder sagen, es hat andere auch gegeben, aber aus der jüngeren Vergangenheit nenne ich nur etwa Lichal oder Fasslabend, ich rede ja nicht von Herrn Scheibner – in diesem Bereich auch zumindest den Versuch, Attraktivität zu schaffen, vermisst hat. Also Kompliment, Herr Minister, Sie versuchen zumindest, es zu machen, und ich glaube, es gibt da einige Punkte, an denen wir gemeinsam arbeiten können, und dort werden Sie auch unsere Unterstützung erfahren.

Zum Schluss sei noch Folgendes gesagt: Denken Sie doch bitte darüber nach, Herr Minister, die teuerste Fehlentscheidung der Zweiten Republik, nämlich den Kauf der Eurofighter, zurückzunehmen! Nützen Sie die Ausstiegsklausel, denn nur so können Sie verhindern, dass diese Reform zu einem reinen Sparprogramm wird, das auf Kos­ten der Sicherheit unseres Landes geht! Geben Sie der Rechtssicherheit eine Chance: Machen Sie Gesetze, die auch als Gesetze bezeichnet werden können! Die Menschen in unserem Land haben es verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.15.45

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir debattieren heute hier das Wehrrechtsän-


Bundesrat
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derungsgesetz, und mein Vorredner hat schon ein wenig in die Vergangenheit geblickt. Ich werde dann auch noch die Gelegenheit haben, dies zu tun, im Besonderen in Be­zug auf jene Punkte, die er bereits ausgeführt hat. Eines kann ich mir aber schon jetzt zu Beginn nicht verkneifen: Da mein Vorredner zuerst von den Ministern Fasslabend, Lichal und so weiter gesprochen hat und dann Herrn Minister Platter in besonderer Weise zur Reform gratuliert hat, darf ich ihm sagen: Ja, der Unterschied zwischen damals und heute ist, dass wir jetzt einen ÖVP-Bundeskanzler haben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Ha, ha, ha! ...!) – Ich verstehe durchaus, dass das für Sie nicht besonders witzig ist. Ich wiederum erheitere mich darüber in hohem Maße.

Zu den Eckpunkten der Bundesheerreform: Ziel dieser Bundesheerreform war es, das österreichische Bundesheer schlanker, effizienter und internationaler zu machen. Die Vorbereitungen liefen in einer Reformkommission, der Bundesheer-Reformkommis­sion, wo alle maßgeblichen politischen Kräfte, aber darüber hinaus auch Kräfte der Gesellschaft und des Militärs eingebunden waren. Und das Ergebnis dieser Reform­kommission kann sich sehen lassen!

Der Unterschied zwischen damals, nämlich der Arbeit in der Reformkommission, und heute hier in der parlamentarischen Debatte ist der, dass die SPÖ in der Reformkom­mission diesen Vorschlägen, die heute in gesetzlicher Form umgesetzt werden sollen, damals zugestimmt hat, heute aber die Zustimmung verweigert. Warum das so ist, kann ich im Detail nicht sagen, ich habe aber die Vermutung, dass hier offenbar wieder einmal der Oppositionsdrang mit einigen durchgegangen ist und dass Sie nicht die sachliche Argumentation und die Sache in den Vordergrund gestellt haben, sondern schlichtweg die Parteiräson wieder einmal als das Allheilmittel ansehen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. – Bundesrat Schennach: ... die Rede schon vorher geschrieben!)

Sehen Sie: Warum wird das Bundesheer schlanker? – Erstens weil die Mobilma­chungsstärke auf Grund der ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Reisenber­ger. – Bundesrat Gruber: ... weniger Geld hat, ...!) – Herr Kollege Reisenberger, glau­ben Sie mir eines: Ich diskutiere mit Ihnen sehr gerne, auch hier von dieser Stelle aus, aber es würde auch Ihnen nicht schaden, wenn Sie hin und wieder einmal zuhörten! Schauen Sie, auch da kann man etwas lernen! Und ich gebe bei Ihnen auch die Hoffnung nicht auf, dass Sie den Grundsatz beherzigen, dass auch Hans vielleicht noch etwas lernen kann.

Also: Die geänderte Bedrohungslage und das -szenario haben es notwendig gemacht, die Mobilmachungsstärke zu ändern. Diese wird von 110 000 auf 55 000 Mann redu­ziert. Aber nicht nur bei den „Indianern“ ändert sich etwas, wenn ich das so salopp formulieren darf, sondern auch bei den „Häuptlingen“: Bisher gab es fünf Brigaden, künftig wird es vier geben – dafür mit besserer personeller und materieller Ausstattung.

Nächster Punkt: die Reduktion der Kommanden im Bereich der oberen Führung. An­ders gesagt: Gleichzeitig werden mehr Soldatinnen und Soldaten direkt bei der Truppe sein als bisher.

Effizienter: Was bringt die Reform an Effizienzsteigerung? – Verwaltungsvereinfa­chung, Verkürzung der Dienstwege, Straffung des Organisationsaufbaus; ich möchte damit nur einige Schlagwörter nennen.

Zur Internationalisierung: Durch den Professionalisierungsschub, der mit dieser Reform möglich wird, wird künftig das Bundesheer strukturell in der Lage sein, verstärkt seinen internationalen Anforderungen gerecht zu werden. Das bedeutet nämlich, dass dann jährlich etwa 1 500 Soldatinnen und Soldaten permanent für den Auslandseinsatz gestellt werden können; mittelfristig wird dies sogar im Ausmaß von zirka 3 000 Sol­datinnen und Soldaten der Fall sein. Wir wissen, wie wichtig und notwendig die inter-


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nationalen Einsätze sind – dies in Zukunft auch noch weiter werden – und dass daher gerade dieser Professionalisierungsschub eine ganz wichtige Grundlage in diesem Zusammenhang darstellt.

Zur Verkürzung des Wehrdienstes: Ja, ab 1. Jänner 2006 wird es für Grundwehrdiener eine ganz grundlegende Änderung geben, und zwar eine, wie ich meine, auch his­torische Änderung. Wir werden uns dieses Datum sehr genau merken, denn es tritt dann die Verkürzung des Wehrdienstes von acht auf sechs Monate in Kraft. (Bundesrat Reisenberger: Haben wir ja schon gemacht!)

Sie werden verstehen, als Jugendvertreter und als Obmann der Jungen ÖVP in Ober­österreich ist es mir ein besonderes Anliegen, das hervorzustreichen. Wir waren es, die am Beginn der Reformkommission den durchaus gelungenen Kreisky-Schlager „Sechs Monate sind genug!“ aufgegriffen und ihn als Forderung in die Reformdiskussion einge­bracht haben.

Künftig wird es also heißen: Neue Lage: 180 Tage! Es wird Wirklichkeit! Herzlichen Dank, Herr Bundesminister Platter, dass Sie in dieser Frage hart geblieben sind – und dies letztlich doch zur Umsetzung kommt! Die Jungen werden es Ihnen ganz sicherlich danken. (Bundesrat Reisenberger: Und was machen wir mit dem Zivildienst?)

Auf Kollegen Reisenberger – weil Sie gerade zu sprechen beginnen – will ich gerne ein wenig replizieren. Ich habe mir das ein bisschen angeschaut: Sie waren 1970, sofern ich richtig informiert bin – ich war damals noch nicht auf der Welt, Sie schon –, 13 Jah­re alt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) 1970 gab es einen Nationalratswahlkampf, da gab es Bruno Kreisky, der mit dem Wahlschlager angetre­ten ist: „Sechs Monate sind genug!“

Als Sie, Kollege Reisenberger, zuvor unserem Fraktionsvorsitzenden Bieringer ent­gegnet haben, das hätten Sie von der SPÖ ohnehin umgesetzt, Sie hätten ja eh die sechs Monate festgelegt (Bundesrat Reisenberger: So ist es!) – und Sie sagen jetzt auch noch: So ist es!, bitte, das muss man doch zu Protokoll nehmen! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) So ist es!, hat er gesagt. Es wurden sechs Monate umgesetzt!, sagt er. Das ist doch typisch für die Politik der SPÖ! (Rufe bei der SPÖ: Geh, jetzt hör’ aber auf!) – Typisch! (Ruf bei der SPÖ: Das überrascht dich aber!) Da sagen wir plakativ: Wir wollen sechs Monate!; dann machen wir eh ein bisschen sechs Monate, über die Hintertüre machen wir dann aber doch acht Monate – und dann er­dreisten Sie sich noch ... (Bundesrat Reisenberger: Waffenübungen gibt es doch jetzt auch!) – Sie wissen genau, dass ich hier vom Grundwehrdienst rede.

Und dann erdreisten Sie sich auch noch, sich hierherzustellen und zu sagen: Ja, das haben wir umgesetzt! (Bundesrat Gruber: Kollege Baier, bleiben Sie doch bei der Wahrheit!) – Ich bleibe bei der Wahrheit, Sie haben mit der Wahrheit nicht viel am Hut! (Bundesrat Gruber: Erzählen Sie keine Schauermärchen!)

Ich sage Ihnen das ja deshalb, weil es auch sein könnte, dass Sie es schlichtweg nicht verstanden haben. (Bundesrat Bieringer: Ja, das wird es sein!) Das könnte ja auch sein, nicht wahr? (Ruf bei der SPÖ: Sie können aber nichts davon begriffen haben!)

Für diese Möglichkeit, dass Sie es schlichtweg nicht verstanden haben, möchte ich noch auf einen Gedankengang einladen. Sie, Kollege Reisenberger; waren damals 13 Jahre alt; dieser Schlager wird sich gut angehört haben. Heute, 35 Jahre später – Sie sind heute 48 – geht es in Erfüllung! Stellen Sie sich das vor! Sie könnten ja direkt sagen: Dass ich das noch erleben darf, dass die ÖVP das, was Kreisky versprochen hat, umsetzt! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenber­ger: ... Realitätsverweigerung ...!)


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In diesem Sinne empfehle ich Ihnen, Herr Kollege Reisenberger – ich diskutiere mit Ihnen besonders gerne, denn mit Ihnen kann man wenigstens diskutieren –, das heute mitzunehmen. (Bundesrat Gruber: Traumwelt, in der Sie leben!) Nehmen Sie diese Freude heute mit. Ich kenne Ihre Familiensituation nicht, vielleicht haben Sie Kinder oder Bekannte und Verwandte und so weiter (Bundesrat Reisenberger: Zwei Kinder, ..., verheiratet, ...! – Heiterkeit), denen man dann sagen kann: Schaut her, das, wofür der SPÖ der Mut gefehlt hat, hat die ÖVP jetzt umgesetzt!

Tun Sie von der SPÖ doch nicht so, als hätten Sie von 1971 bis 1983 keine absolute Mehrheit gehabt! Tun Sie nicht so, dass Sie nicht in dieser Zeit – zwölf Jahre waren es! – durchaus Gelegenheit gehabt hätten, das ganz umzusetzen.

Also: Bleiben wir bei der Wahrheit!, hat Kollege Gruber gesagt – er nickt auch schon, das ist wunderbar! In diesem Sinne empfehle ich Ihnen, heute dieser Reform zuzu­stimmen und diese Wahrheit mitzunehmen. Es ist noch nicht zu spät! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. – Bundesrat Reisenberger: Und was ist mit dem Zivildienst? Seien Sie nicht so feig, sagen Sie etwas zum Zivildienst!)

13.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.25.35

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lieber Herr Kollege Baier! Also es ist hier Nachhilfe angesagt oder zumindest irgendeine Form der Vermittlung. Lustig wird es ja, wenn Sie in Ihrer Argumentation, in Ihrer Begründung von Bedrohungslagen sprechen. Wenn Sie das nämlich wirklich so meinen, dann dürften Sie heute hier nicht sagen: Sechs Mona­te sind genug!, sondern dann wären vier Monate, ja sogar drei Monate genug – wenn Sie die Bedrohungslage für Ihre Argumentation hernehmen.

Aber es ist richtig: Es gibt in der Bundesheerreform eine Übereinstimmung dafür, dass die Zeit des Grundwehrdienstes verkürzt werden muss. Da sind wir ja dafür! Es ist auch schön, dass um diese zwei Monate verkürzt wird, aber bitte auf der Basis von Rechtssicherheit. Dass man beten muss, der Heilige Günther möge lange leben, das bringt es ja nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Meine Damen und Herren! Woher sollen denn die Jugendlichen in ihrer Lebensplanung wissen, wie lang der Herr Minister denkt, eine Weisung schleifen zu lassen, nämlich eine gesetzwidrige Weisung? Das wissen Sie doch alle! (Bundesrat Bieringer: Das ist aber stark!)

Ich gratuliere ihm, er hat Mut; die Zamser haben Mut. Aber es ist natürlich ... (Bundes­rat Bieringer: Sie unterstellen ihm eine gesetzwidrige Weisung!) – Sie wissen ganz genau, Herr Kollege ... (Bundesrat Bieringer: Nehmen Sie das zurück!) – Gut, dann sagen wir so: Es ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich. (Bundesrat Bieringer: Das ist doch unerhört, so etwas!) Sie ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich. (Bundesrat Bieringer: Das ist ja unerhört! Nehmen Sie das zurück!) Ich habe ja gesagt, ich formuliere: Es ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, wenn man ein Gesetz, das den Grundwehrdienst und die Truppenübungen als Gesamtheit sieht, än­dern möchte, dieses Gesetz aber nicht ändert, sondern ein Minister Teile dieses Gesetzes auf Dauer per Weisung außer Kraft setzt und aufschiebt.

Das, lieber Herr Kollege Bieringer, ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, ob ... (Bundesrat Bieringer: Ihrer Meinung nach!) – Ja sicher, Ihrer Meinung nach nicht, aber meiner Meinung nach schon. (Bundesrat Bieringer: Das ist aber etwas anderes als gesetzwidrig!) Es ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, ob das Weisungsrecht


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dazu angetan ist, Teile von Gesetzen à la longue oder auf lange Zeit hinauszuschieben beziehungsweise sie nicht zur Wirkung kommen zu lassen.

Ich muss doch aber den Mut haben, lieber Kollege Bieringer, zu sagen: Ich ändere das Gesetz, wenn ich es so will! Aber es wird nicht gesagt: Lieber Herr Minister, die Reduk­tion ist an sich eine sinnvolle Sache – und lieber Kollege Bieringer, wir haben ja das­selbe Ziel, nämlich eine Verkürzung. Nur die Basis, auf der diese erfolgt, verursacht unsere Differenzen, dass wir zwei uns da jetzt streiten und Sie mich böse anschauen, als ob ich irgendetwas gestohlen hätte.

Ich habe nichts gestohlen (Bundesrat Bieringer: Das habe ich auch nicht gesagt!), aber ich möchte auch nicht, dass ein Verteidigungsminister in die Situation kommt, ein Gesetz per Weisung auf Dauer zu einem Teil nicht wirksam werden zu lassen. Und das ist das Bedenkliche – natürlich meiner Meinung nach. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Truppenübungen sind nämlich im Gesetz immer obligatorisch gewesen. Und diese obligatorischen Truppenübungen werden nun ausgesetzt. Das, lieber Kollege Baier – ich weiß nicht, wo du warst, wo du da dabei warst oder wie auch immer –, das ist die jetzige Debatte, und nicht das, was Kreisky oder Lütgendorf gemacht oder nicht gemacht haben. Das ist alles schön und gut, aber wir sind jetzt nicht in der Geschichts­forschungsabteilung, sondern es geht eigentlich darum: Was trennt uns? Und es trennt uns ja nicht die Ansicht – und deshalb hat es die Bundesheerreformkommission ja gegeben –, dass es gewisse Reduktionen – ich nehme einmal wieder Ihre „Bedro­hungslage“ – gebe.

Meiner Meinung nach könnten wir ganz andere Schritte gehen. Wir könnten ein wirklich schlagkräftiges und gutes, kleines Berufsheer mit einem Milizsystem und einer starken und gut ausgebildeten Truppe für internationale Einsätze festlegen. Das ist meiner Meinung nach das Ziel, auf das wir, die ganze Entwicklung unseres Bundesheeres, zumarschieren sollten, dass wir nämlich irgendwann von der allgemeinen Wehrpflicht und vom Präsenzdienst wegkommen und eine andere Diskussion führen: eine Diskus­sion über ein bestausgebildetes Berufsheer, mit dem ich auch internationalen Einsätze bestreiten kann und zu dem ich auch ein Milizsystem habe. Das ist, glaube ich, letztlich die Zukunft. (Präsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Änderung der Bedrohungslage würde eine Reduktion von fünf auf drei Brigaden rechtfertigen. Das allein ist mir, ehrlich gesagt, zu wenig.

Natürlich, es ist schon richtig, was Kollege Reisenberger gesagt hat: Da werden die obligatorischen Truppenübungen per Weisung um zwei Monate reduziert, und beim Zivildienst geht es auf einmal nicht! Und man kann es doch nicht dabei belassen, zu sagen: Günther Platter ist ein guter Typ, der macht das jetzt, solange er Minister ist; er lässt den jungen Menschen zwei Monate! – Er kann doch diese Weisung jederzeit widerrufen! Und es gibt so etwas wie Lebensplanungen, Überlegungen, wann möchte ich was und wie lange machen. Derartige Lebensplanungen sind derzeit fraglich.

Ich kann meinem 16-jährigen Sohn nicht sagen, wie lange er in vier Jahren Grund­wehrdienst leisten muss, weil ich nicht weiß, wie lange es erstens Günther Platter in der Regierung gibt und wie lange er zweitens beabsichtigt – nach Lust und Laune oder nach politischem Kalkül –, diese Weisung aufrechtzuerhalten. (Bundesrat Dr. Kühnel: Herr Kollege Schennach, was sind Sie für ein Tiroler? ...?) – Sie haben ein dringendes Fragebedürfnis, bitte, Herr Kollege Kühnel! (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind Sie ein Tiro­ler? Dann müssen Sie das Wort eines Tirolers glauben! – Heiterkeit.) – Naja, im Prinzip haben Sie Recht, es gibt immer einen grundsätzlichen Vertrauensvorschuss, das ist richtig! Und den hat er auch.


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Aber das Zweite, worum es hier geht, ist ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Sie wissen nicht, wer in einem Jahr als Verteidigungsminister hier sitzen wird, ich weiß es auch nicht. (Rufe bei der ÖVP: Oja, Günther Platter!) – Sie wissen nicht, ob Herr Minister Platter in zwei Jahren – sollte er dann wieder hier sitzen – aus ganz anderen Gründen seine Weisung widerruft, weil es zum Beispiel sein könnte, dass es ein verfassungsrechtliches Gutachten gibt, das besagt: Es geht nicht an, per Weisung ein Gesetz in zentralen Teilen außer Kraft zu setzen, dazu bedürfe es einer echten Gesetzesänderung.

Wenn das kommt, dann nützt mir sein Tiroler Wort nichts. Und es nützt den Jugend­lichen ebenfalls nicht. Das gehört ordentlich geregelt! Ich weiß ja nicht, was ihr für ein Problem damit habt, Rechtssicherheit herzustellen! (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie haben ein Problem! Wir haben kein Problem! – Bundesrat Bieringer: Genau! Ihr habt eines!) – Ihr habt ein Problem damit, dass Rechtssicherheit gestaltet werden muss! Lebt ihr gerne in Rechtsunsicherheit, in juristischer Rechtsunsicherheit, in einer Le­bensplanungs-Rechtsunsicherheit? (Bundesrat Mag. Baier: Sie haben von Juristerei sehr wenig Ahnung!)

Kollege Baier ist ja ständig mit Karl-Heinz Grasser auf Clubbings. Was sagen Sie da den jungen Leuten? Welche Rechtssicherheiten, welche Lebensplanungs-Sicherheiten außer jene des Abends bieten Sie dort in Oberösterreich den jungen Leuten? (Bundes­rat Mag. Baier: Wir werden Sie in Zukunft einladen!) Sie können gar nichts sagen, und das ist der Kern der Debatte!

Danke, Herr Minister, dass Sie jetzt einmal um zwei Monate reduzieren! – Wollt ihr das hören? Ich sage das gerne: Danke, Herr Minister, dass Sie jetzt um zwei Monate redu­zieren. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Aber machen Sie es mit einer Rechts­grundlage, die auf Dauer hält! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.34


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zellot. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.34.31

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich habe mich mit den Gedanken von Vorrednern nicht befasst, dass das keine Aufwertung des Bundesrates ist, oder auch über diese wehrpolitische Situation, über die Maßnahmen der verschiedenen Gesetze, die hier auf Grund der Bundesheerreform notwendig sind.

Es ist besser, dass viele Diener dieses Staates in Sachen Landesverteidigung nicht zugehört haben, was einige Volksvertreter hier in Hinsicht Diener des Staates von sich geben, die ihren Dienst für Sicherheit, Ordnung, Gerechtigkeit und Anstand im Ausland leisten und als ordnungsgemäßer und gut ausgebildeter Soldat ein gutes Bild unserer Republik abgeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Nach diesen einleitenden Worten, meine geschätzten Damen und Herren, Herr Bun­desminister, möchte ich meine Rede hier nicht über Abfangjäger oder über sechs beziehungsweise acht Monate halten, sondern ich glaube, unser Weg muss sein, dass wir das Ziel, das wir uns setzen, auch erreichen. Und das Ziel ist die Durchsetzung der Bundesheerreform.

Als Kärntner und als Sicherheitssprecher freue ich mich, dass das für unser Bundes­land recht gut ausgefallen ist. Es ist auch deswegen gut ausgefallen, weil unser Bun­desland immer sehr gut besetzt ist, wir haben eine gute Kaderbesetzung. Es gibt andere Bundesländer, wo das nicht so ist. Daher bin ich natürlich stolz darauf. Wir


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haben natürlich Freude damit, und es zeigt auch, dass unser Weg, unser Bekenntnis zur Heimat und zum Bundesheer, nicht umsonst war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, dass einige Dinge, Herr Bundesminister, die nun auf Grund dieser Bundes­heerreform im Wehrgesetz, im Heeresdisziplinargesetz und -gebührengesetz oder auch im Militärbefugnisgesetz und so weiter geändert werden, natürlich gut sind. Aber ich möchte nicht alles nur schönreden, sondern Ihnen, Herr Bundesminister Platter – und wahrscheinlich wird es heute das letzte Mal hier in diesem Hohen Haus sein – einige Dinge sagen, die meiner Meinung nach reformbedürftig sind.

Es wurde ja heute bereits das schöne Wort „Verwaltungsvereinfachung“ angespro­chen. Wir müssen die Papierflut bekämpfen, mit diesen Erlässen, mit den verschiede­nen Befehlen, in denen ein Befehl auf den anderen hinweist – und dann findest du eh schon den sechsten, und der weist wieder auf den anderen hin, und es ändert sich nichts! Ein Kommandant, der sich da wirklich hineinkniet und sagt: Ich will da einmal eine Übersicht bekommen!, verzweifelt dabei. Dieses Problem gehört gelöst.

Herr Bundesminister, eine Verwaltungsvereinfachung an einem einfachen Beispiel: Wir dürfen nicht so stur sein, einen Text, der nach streng militärischer Form eines militäri­schen Schriftstückes, das von Ihrem Ministerium kommt, eine zweite Seite benötigt wird, auf der aber nur mehr der Name oben steht, nicht zu kürzen! Der Kanzleischrei­ber hat mir so etwas einmal gezeigt, er sagte: Roland, ist das jetzt wirklich notwendig, können wir hier nicht sagen, ich schränke das Schreiben so ein, dass alles auf eine Seite geht? – Und Sie, Herr Minister, und auch Ihre Beamten im Ministerium wissen wahrscheinlich, wie viele Schriftstücke da hinausgehen, was man da an Papier einspa­ren könnte! Ich glaube, das wären einige Begleitmaßnahmen in Bezug auf Verwal­tungsvereinfachung.

Es gibt auch eine Anerkennungsprämie auf Grund des Heeresgebührengesetzes. Ich finde es einfach toll, dass sich bei guten Leistungen der Kommandant für diese erzie­herische Maßnahme entscheiden kann; dies hat natürlich Vorbildfunktion in Menschen­führung und Führungsmethodik.

Und da bin ich schon wieder beim Thema, Herr Bundesminister: Ich glaube, es ist unbedingt notwendig, dass speziell – was viele auch angesprochen haben – Soldaten, die im Auslandseinsatz stehen, vor allem aber auch Vorgesetzte im Umgang mit Men­schen gut ausgebildet sind. Man sieht ja leider immer wieder, dass in der Bundesheer-Beschwerdekommission Dinge auftauchen, die in der heutigen Zeit nicht mehr notwen­dig sind, und man wundert sich da oft nur mehr.

Es gibt an der Militärakademie, an der Heeresunteroffiziersakademie die Ausbildungs­sparte Führungsmethodik und Menschenführung für die Ausbildung der Komman­danten.

Ich bitte Sie darum und sage das bewusst, weil ich selbst seit 1985 dort Trainer bin und auch bemerke, dass das Ganze nicht mehr nach vorne geht, sondern ein bisschen zum Stillstand gekommen ist. Ich habe das auch in der Unteroffiziersakademie ge­merkt, und zwar aus dem Grund, weil sehr viele abgesprungen sind und eigentlich keine eigene Verantwortung mehr gegeben ist. Ich glaube, dass diejenigen zu wenig Unterstützung bekommen.

Es ist auch wichtig, dass wir Soldaten für gewisse Aufgaben ins Ausland schicken, die dort unser Land repräsentieren und vor denen alle Achtung haben, weil sie ihre Sache gut machen und ihren Auftrag entsprechend erfüllen.

Das war mein Beitrag zu diesem Wehrrechtsänderungsgesetz. – Herr Bundesminister, seien Sie mir nicht böse, ich glaube, ich habe Ihnen nur positive Dinge aufgezählt, das


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Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 88

war kein Kritikgespräch, denn: Mit einem Vorgesetzten führt man nur ein Rückmelde­gespräch. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.41


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Plat­ter. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.41.11

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal herzlichen Dank für diese Wortmeldungen und durchaus auch herzlichen Dank für Anregungen. Ich bin da sehr, sehr offen und froh darüber, dass man auch von der Praxis her immer wieder die entsprechenden Infor­mationen bekommt, damit man das schlussendlich in die tägliche Arbeit mit einfließen lassen kann.

Ich darf ganz allgemein zu dieser Reform sagen, dass es da eine breite und sehr gute Zusammenarbeit gegeben hat. Wir haben hervorragende Experten – es sitzen zwei hier: General Schätz und Generalmajor Commenda –, die unglaublich viel mit ihrem Team gearbeitet haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass alle Parteien einen guten Weg gegangen sind. Diese Bundesheerreform ist ein Weg des Konsenses. Diese Bun­desheerreform ist ein Weg, der zeigt, dass es uns sehr ernst ist, dass wir dem Bundes­heer die besten Möglichkeiten geben, seine Aufgaben erfüllen zu können, damit wir weiterhin in Sicherheit leben können, damit auch unser Umfeld stabil und sicher ist.

Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass es in der Bundesheer-Reformkommission Einhelligkeit gegeben hat, dass alle Parteien dem die Zustimmung erteilt haben. Ich freue mich darüber, dass alle Eckpunkte, die jetzt in der Reform festgeschrieben wur­den, im Nationalen Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet wurden. Und ich stehe nicht an zu sagen, dass Bürgermeister Zilk da großartige Arbeit geleistet hat. Wir konn­ten alle Punkte dieser Reform einstimmig verabschieden. Im Ministerrat war ebenfalls Einstimmigkeit gegeben.

Ein Punkt waren die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Liegenschaften. Sie wissen, es hat diesbezügliche Listen da und dort gegeben. Jetzt hat es sich bewiesen, was ich immer wieder gesagt habe: Es hat keine Liste gegeben.

Ich habe immer gesagt, ich möchte da auch mit den Landeshauptleuten den Konsens erzielen, auch hier einen gemeinsamen Weg suchen, obwohl das eigentlich nicht not­wendig gewesen wäre. Diese Einhelligkeit und diese Zustimmung der Landeshaupt­leute, das ist, glaube ich, ein guter Weg, der sicherstellt, dass wir diese Reform positiv über die Bühne bringen können.

Herr Bundesrat Reisenberger, Sie haben zwei Punkte angesprochen, einer betraf die Eurofighter, wobei zu sagen ist, dass wir heute keine Eurofighter-Debatte haben. Sie haben gesagt, Eurofighter brauche man nicht, man brauche überhaupt keine Luftraum­überwachung, das sei nicht die Vorstellung der Bundesheer-Reformkommission.

Dazu möchte ich aus dem Bericht der Bundesheer-Reformkommission, Seite 52, zitie­ren:

Die Kommission empfiehlt die Wahrnehmung der permanenten Luftraumüberwachung als Aufgabe im Rahmen des Schutzes der Souveränität. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, was heißt das? – Das heißt doch klar, dass wir eine aktive Luftraumüberwachung durchzuführen haben. Erstens sind wir verfassungsrechtlich verpflichtet, das zu tun, und zum Zweiten hat das die Bundesheer-Reformkommission ebenfalls zum Ausdruck gebracht – und alle Parteien haben dem die Zustimmung er­teilt.


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Ich würde nur um Folgendes bitten: Wenn das schon der Fall ist, und ich heiße das wirklich sehr gut, dann soll man auch in den parlamentarischen Debatten diese Be­schlussfassungen und diese Empfehlungen berücksichtigen.

Der nächste Punkt war, dass gesagt wurde, wir hätten keine finanziellen Mittel zur Verfügung. – Ich möchte Ihnen sagen, was wir dieses Jahr beschaffen. Im Jahre 2005 werden 16 000 Kampfanzüge angeschafft. Das ist nicht eine Frage des Geldes; das Geld ist dafür deponiert! Wir werden also 16 000 Kampfanzüge noch dieses Jahr be­kommen und 8 000 das nächste Jahr, das heißt 24 000 Kampfanzüge. Da geht es nicht ums Geld! Wir haben das alles schon bestellt, und der Zulauf ist klar geregelt.

Wir haben heuer 575 LKW bestellt. 108 neue LKW werden wir heuer schon bekom­men. Darüber hinaus bekommen wir 20 neue Dingos. Die Dingos sind sehr wertvoll für Auslandseinsätze. Besonders beachtlich beim Dingo 2 ist die hohe Schutzklasse, was den Minenschutz betrifft. Wir haben hier die beste Schutzklasse, die es überhaupt gibt. 20 Dingos bekommen wir jetzt, und wir werden noch mehr solcher Dingos bestellen.

Splitterschutzwesten haben wir bestellt, bekommen wir heuer, Kugelschutzwesten, ABC-Bekleidung, Wüstenanzüge und dergleichen mehr.

Und da will mir jetzt jemand sagen, dass wir kein Budget zur Verfügung hätten, dass wir keine entsprechenden Beschaffungsmaßnahmen tätigen?! – Wir machen das sehr wohl! Die absolute Priorität haben das beste Gerät und der beste Schutz für unsere Soldatinnen und Soldaten, die wirklich großartige Arbeit leisten. Ich bedanke mich dafür, dass das heute hier festgestellt wurde.

Daher noch einmal: Es ist ein Weg des Konsenses. Und für mich ist es sehr wesent­lich, wenn wir Auslandsentsendungen durchführen, dass wir da auch diesen Weg des Konsenses gehen. Sie wissen, in Afghanistangibt es eine schwierige Situation; es gibt dort am 18. September Wahlen. Die UNO hat uns gebeten, dass wir uns da beteiligen, weil die Qualität der österreichischen Soldatinnen und Soldaten ausgezeichnet ist. Kofi Annan hat dieses Ersuchen erteilt; Peter Struck aus Deutschland hat das mitgeteilt.

Ich bin froh darüber, dass es einen einstimmigen Beschluss des Ministerrates dazu gibt und dass auch der Hauptausschuss das einstimmig gutgeheißen hat.

So glaube ich schon, dass wir auch in der Debatte, bei allen Überlegungen diesen Weg der Gemeinsamkeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht in Frage stellen sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die wichtigen Eckpunkte der Reform betrifft, sind Sie ohnehin informiert. – Ich möchte jetzt noch auf das Wehrrechtsänderungsgesetz eingehen. Das Wehrrechts­änderungsgesetz ist sehr notwendig im Hinblick darauf, dass wichtige Rahmenbedin­gungen für diese Reform beschlossen werden. Wichtige Rahmenbedingungen sind natürlich die sechs Monate Wehrdienstzeit ab 1. Jänner 2008.

Wenn jetzt jemand behauptet, dass diese Weisung von mir ab 1. Jänner 2006 verfas­sungswidrig ist – ich bedanke mich, dass das schon während der Debatte zurückge­nommen und bestätigt worden ist, dass das nicht verfassungswidrig ist –, dann kann ich nur auf Gutachten hinweisen, wonach es natürlich möglich ist, dass der Verteidi­gungsminister für eine bestimmte Zeit, für eine temporäre Zeit, solche Maßnahmen setzen kann: Aussetzen der Truppenübungen, Verkürzung der Wehrpflicht von acht auf sechs Monate. Temporär heißt, dass ab 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2007 diese Weisung gilt, und am 1. Jänner 2008 tritt das Gesetz in Kraft. Da soll mir jemand sagen, dass sich die jungen Leute dabei nicht auskennen! Sehr wohl kennen sie sich aus, das ist eine klare Angelegenheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ein wesentlicher Punkt dieses Wehrrechtsänderungsgesetzes ist, dass wir eine we­sentliche Besserstellung erreichen, was die Frauen im österreichischen Bundesheer betrifft. Es hat große Kritik, zu Recht große Kritik daran gegeben, dass Frauen, wenn sie sich freiwillig melden, Dienst beim österreichischen Bundesheer zu leisten – das ist also nicht mit dem Grundwehrdiener gleichzustellen, denn da gibt es eine Verpflich­tung –, dass also Frauen, die sich freiwillig bereit erklären, zum österreichischen Bun­desheer zu gehen, für die erste Zeit, für die ersten acht Monate, nur das Gehalt des Grundwehrdieners bekommen, das heißt 250 €.

Viele junge Frauen haben gesagt, das geht sich einfach nicht aus. Von allen Parteien sind Wünsche an mich herangetragen worden, dass es da zu einer Besserstellung kommt. Neu ist jetzt mit dieser Beschlussfassung – und ich würde Sie sehr um Zustim­mung bitten –, dass ab 1. Juli 2005 alle Frauen, die sich bereit erklären, zum österrei­chischen Bundesheer zu gehen, ab dem ersten Tag nicht 250 € im Monat bekommen, sondern 824 € netto. Das ist eine Verdreifachung des Einkommens, womit wir diesen Wünschen sehr engagiert entgegenkommen.

Das ist aber natürlich auch für das österreichische Bundesheer wichtig. Ich möchte, dass wir mehr Frauen im österreichischen Bundesheer haben, die großartige Arbeit leisten.

Jetzt kann man sagen: Was ist mit der Gleichberechtigung, was die Männer betrifft? Das haben wir jetzt auch geregelt. Das heißt, jene Männer, jene Grundwehrdiener, die sich bereit erklären, über den Grundwehrdienst hinaus zwölf Monate im Ausbildungs­dienst zu bleiben, bekommen ab der Meldung schon während der Grundwehrdienstzeit ebenfalls diese 824 € netto. Das ist also auch von der Personalgewinnung her ein ganz besonderer Anreiz. Ich freue mich darüber, dass uns das gemeinsam im Konsens gelungen ist.

So, also da sind wir uns eigentlich alle einig, wie ich gehört habe. Jetzt geht es noch um einen einzigen Punkt: um die Rückzahlung. Aber, meine Damen und Herren, sehen wir doch die Dinge ganz klar! Wenn wir diese Rückzahlung nicht verlangen würden, dann wären ja Tür und Tor für Ungerechtigkeiten in diesem Bereich geöffnet! – Ich unterstelle das bitte niemandem, aber es ist durchaus denkbar, dass jemand sagt: Ich habe eigentlich schon die Absicht, zwölf Monate im Ausbildungsdienst zu bleiben!, und zwei, drei Monate später überlegt er es sich wieder anders und sagt: Ich will nicht blei­ben! – und es gibt keine Konsequenz dabei. Da kommen sich jene, die nur den Grund­wehrdienst geleistet und 250 € bekommen haben, komisch vor.

Daher: Das ist eine Maßnahme im Hinblick auf Gerechtigkeit. Ich bestehe darauf, dass solche Maßnahmen gesetzt werden, sie sind einfach notwendig, und deshalb haben wir diese Rückzahlung mit eingeführt. Wir werden uns das natürlich anschauen: Wie viele Fälle der Rückzahlung sind das? Wie funktioniert das? Muss man eine Evaluie­rung machen oder nicht? Diese gesamte Angelegenheit ist ein Prozess, aber ich bin schon der Meinung, dass das eine sehr vernünftige Maßnahme ist.

Das sind also die wichtigsten Punkte. Dazu kommt noch, dass die Miliz für die Frauen ebenfalls geöffnet wird. Wir haben da also wichtige gesetzliche Beschlussfassungen vor, und ich darf Sie sehr um Ihre Unterstützung bitten, denn es geht darum, dass wir auch eine breite Mehrheit im Bundesrat bekommen und diese Reform so umgesetzt werden kann, wie uns das die Bundesheer-Reformkommission empfohlen hat. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.53


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 91

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.53.355. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert wird (956 d.B. sowie 7307/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Berichterstatter Johann Giefing: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.55.11

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Herr Minister! Mit dem Beschluss des Nationalrates – und jetzt auch des Bun­desrates –, die große Heeresreform mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz und so ge­nannten Nebengesetzen zu finalisieren, ist auch die Änderung des Arbeitsplatz-Siche­rungsgesetzes 1991 verbunden. Mit dieser Vorlage wird der erforderliche Kündigungs- und Entlassungsschutz für den nun auch für Männer möglichen Ausbildungsdienst im Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz verankert.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 92

Herr Bundesminister Platter hat sich eine breite Mehrheit für diese große Heeresreform gewünscht. Dieser Wunsch ist ihm leider von unseren Freunden von der sozialdemo­kratischen und der grünen Fraktion nicht erfüllt worden. Es ist das schade, denn es handelt sich dabei um ein großartiges Gesetz, um einen großen Wurf, der unserem Minister hier gelungen ist – und das nach nur einem Jahr, nachdem die Bundesheer-Reformkommission dieses Papier auf den Tisch gelegt hat. Und da muss man schon anfügen: von einem sozialdemokratischen Vorsitzenden dieser Bundesheer-Reform­kommission, den Sie von der SPÖ jetzt damit etwas haben im Regen stehen lassen.

Dieses Papier, die Realisierung dieser Bundesheerreform 2010 wird also wirklich von einem breiten Konsens getragen, und – das kann man in aller Deutlichkeit sagen – es waren nicht einfache Verhandlungen mit den Landeshauptleuten. Und nach diesem Beschluss möchte ich noch einmal unserem Bundesminister für Landesverteidigung, unserem Günther Platter, ein großes Kompliment und großes Lob für ein besonders gelungenes Werk aussprechen. Vielen Dank dafür!

Wenn man all diese Nebengesetze betrachtet, dann kann man hier anfügen, dass die­se Novelle zum Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 einen kleinen Bestandteil darstellt, weil der Landesverteidigungsausschuss des Nationalrates befunden hat, dass in einem ganz kleinen Bereich, in einem ganz kleinen Segment eine Änderung erforderlich ist.

Wir werden dieser Gesetzesänderung unsere Zustimmung erteilen, nämlich für jene in der Praxis wohl eher selten auftretenden Fälle, in denen Männer erst nach Ableistung ihres sechsmonatigen Grundwehrdienstes zu einem Ausbildungsdienst herangezogen werden, den erforderlichen Kündigungs- und Entlassungsschutz zu gewähren. Dem werden wir zustimmen. – Ich danke Ihnen.

13.58


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich unterbreche nun die Sitzung für vier Minuten.

*****

(Die Sitzung wird um 13.58 Uhr unterbrochen und um 14.02 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich gebe bekannt, dass mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist auch nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.02.356. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haf-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 93

tung, das SE-Gesetz, das Handelsgesetzbuch, das Bankwesengesetz, das Ver­sicherungsaufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz, das Genossenschafts­revisionsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz entsprechend der Entschließung des Nationalrats vom 29. Jänner 2004 zur Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft geändert werden (Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 – GesRÄG 2005) (927 d.B. und 985 d.B. sowie 7308/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 2005 – KartG 2005) (926 d.B. und 990 d.B. sowie 7309/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nah­versorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert werden (Wettbewerbs­gesetznovelle 2005) (942 d.B. und 991 d.B. sowie 7310/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 6 ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. (Bundesrat Dr. Böhm ist nicht im Saal. – Bundesrat Konecny: Der sucht gerade seine Fraktion!) Der Ausschuss­vorsitzende ist Herr Bundesrat Giefing. Ich möchte ihn daher ersuchen, die Bericht­erstattung zu übernehmen. (Bundesrätin Bachner: Weit haben wir es gebracht! Jetzt müssen Sie ihn vertreten!)

14.03.25

 


Berichterstatter Johann Giefing: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz ... (Bundesrat Konecny: Das geht ja nicht, bitte! Herr Präsident! Die SPÖ-Fraktion ist bei Punkt 6, der jetzt verlesen wird, nicht in der Lage, Bericht zu erstatten!) – Ich setze fort. (Bun­desrat Konecny: Als Vorsitzender bist du arm!)

Ich wiederhole noch einmal: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des National­rates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das SE-Gesetz, das Handels­gesetzbuch, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Pensions­kassengesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz, das Genossenschaftsrevisions­rechtsänderungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz entsprechend der Entschlie­ßung des Nationalrates vom 29. Jänner 2004 zur Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich stelle daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Berichterstatterin zu den Punkten 7 und 8 ist Frau Bundesrätin Lueger. Ich bitte um die Berichte zu diesen zwei Punkten.

14.05.06

 


Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen die beiden Berichte des Justizaus­schusses bringen, die Ihnen schriftlich vorliegen.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 94

Der erste Bericht ist der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschrän­kungen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 der Bundes-Verfassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich darf gleich zum zweiten Bericht kommen. Das ist der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wett­bewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert werden.

Der Justizausschuss hat ebenfalls darüber beraten und mit Stimmenmehrheit den An­trag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für beide Berichte.

Bevor wir in die Debatte eingehen, lasse ich feststellen, ob die Beschlussfähigkeit ge­geben ist.

14.06.40Ich unterbreche die Sitzung für 5 Minuten und bitte die Ordner der Parteien zu mir.

(Die Sitzung wird um 14.06 Uhr unterbrochen und um 14.08 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bie­ringer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

14.08.54


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesellschaftsrechts­änderungsgesetz 2005 sollten mehrere Ziele erreicht werden. Neben einer dem europäischen Standard entsprechenden Angleichung sollte vor allem das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft gestärkt werden. Dazu wäre es notwendig gewesen, die Leitlinien des Corporate Governance Kodex nicht auf Freiwilligkeit beruhen zu lassen, sondern die Empfehlungen – nicht alle, aber einige dieser 82 Empfehlungen – sowie einige der 19 Anregungen verpflichtend für österreichische Kapitalgesellschaften und börsenotierte Gesellschaften umzusetzen. Nur so könnte die Qualität der Abschluss­prüfungen verbessert werden. Nur so könnte der Insiderhandel besser bekämpft und eine Sicherheit bezüglich der Verlässlichkeit von Finanzinformationen erreicht werden.


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723. Sitzung / Seite 95

Von der damaligen Ankündigung des Justizministers Böhmdorfer, wichtige Aspekte zu einem Wirtschaftshygienegesetz zusammenzufassen, ist leider genauso wenig übrig geblieben wie von einem ursprünglichen Vier-Parteien-Entschließungsantrag.

Die nun vorliegende Regierungsvorlage erscheint uns Sozialdemokraten als nicht aus­reichend. Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sind wieder einmal auf dem halben Weg stehen geblieben, warum auch immer.

Wir vermissen in dieser Regierungsvorlage die viel zu geringe Reduktion von Auf­sichtsratsmandaten, die sich auf Vorsitzendenmandate beziehen. Wir bedauern die Aufweichung einzelner Bestimmungen des Handelsgesetzbuches. Uns Sozialdemokra­ten fehlt die Transparenz der Vorstandsbezüge sowie die Transparenz betreffend die Eigentümerstrukturen. In dieser von Ihnen heute beschlossenen Regierungsvorlage findet sich keine Aufwertung der Quartalsberichte. Unverständlich erscheint uns auch die Ablehnung bezüglich der Errichtung einer unabhängigen Bilanzkontrollstelle für bör­senotierte Aktiengesellschaften. Auch die Ablehnung Ihrerseits, die Aufsichtsräte einer Effizienzprüfung zu unterziehen, ist kein Signal dafür, mit dieser Regierungsvorlage das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft zu stärken.

Jetzt hat Sie der Mut verlassen. Statt ein Wirtschaftshygienegesetz zu beschließen, wie groß angekündigt wurde, ist es bei einer Alibiaktion von Seiten der Regierung ge­blieben. Daher können wir dieser Vorlage nicht unsere Zustimmung geben. Die Regie­rungsvorlage zum Kartellgesetz und zum Wettbewerbsgesetz wird allerdings unsere Zustimmung finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


14.12.07

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte auch in aller Kürze auf das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz eingehen. Diesem Gesetz geht bereits eine lange und teilweise auch sehr turbulente Geschichte voraus.

Die Großpleiten auf internationaler, aber auch auf österreichischer Ebene ließen das Vertrauen in die Finanzmärkte etwas schwinden. Das war auch der Anlass, warum einige Gesetze verschärft wurden. Das fand bereits im Jahr 2002 statt, in dem die Rechnungslegungsrichtlinien umgesetzt sowie der Empfehlung der EU-Kommission Rechnung getragen wurde, was die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer und die dort festgelegten Grundprinzipien anbelangt. Die externe Rotation sowie die unbeschränkte Haftung für Prüfer wurden ebenfalls damals umgesetzt.

Nun ist wieder eine neue Diskussion entflammt, die die Sinnhaftigkeit der externen Rotation in Frage stellt. Auf Grund dieser schwierigen und sehr komplexen Materie war man sich auf jeden Fall einig, dass man einen Beirat installieren möchte, der aus Poli­tikern und Wissenschaftern besteht und jetzt schon und auch künftig die legistischen Maßnahmen vorbereitet.

Heute liegt so eine legistische Umsetzung zur Beschlussfassung vor. Man hat sich sehr stark an dem Corporate Governance Code orientiert und sich bemüht, ein Maxi­mum an Gesetzen zu verpacken. Bei den Maßnahmen, wo das nicht möglich war, hat man sich mehr an das Prinzip „Comply or Explain“ gehalten. Es werden also keine Ver­bote normiert, sondern die Transparenz urgiert. Sollte also Unvereinbarkeit vorhanden sein, dann ist eine Offenlegung möglich, beziehungsweise können sich die Aktionäre ein besseres Bild machen, ob sie einem Unternehmen vertrauen sollen oder nicht.

Eine absolute Verbindlichkeit des Corporate Governance Code ist zur heutigen Zeit nicht möglich gewesen. (Bundesrat Gruber: Schade! – Bundesrat Konecny: Was


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heißt das?) Ich bin aber sicher, dass das bei der nächsten Novellierung wieder ein Thema sein wird. Ich denke vor allen Dingen, dass jede Verbesserung des Gesell­schaftsrechts, die mehr Transparenz und Offenlegung bringt, begrüßenswert und posi­tiv ist. Daher werden wir diesem Gesetz sehr gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.14


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


14.14.45

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir haben hier drei Gesetzesvorlagen, die alle direkt die Wirtschaft, die ökonomischen Strukturen in unserem Land betreffen. Ich möchte vorab auf die Punkte 7 und 8 eingehen, einerseits auf das Kartellgesetz und andererseits auf die Wettbewerbsgesetznovelle.

Kartelle, die Zusammenschlüsse von Unternehmungen, die in ein und derselben Branche beziehungsweise auch branchenübergreifend tätig sind, und Preisabsprachen in diesem Bereich sind in der Regel zum Nachteil der Wettbewerbssituation generell und der Konsumentinnen und Konsumenten in einer Volkswirtschaft insbesondere. Insofern gilt es, klare Regelungen zu machen, um dies weitgehend zu vermeiden.

Durch das Kartellgesetz, das uns vorliegt, wird das Legalausnahmesystem eingeführt. Auf Grund dieses Systems können die Unternehmungen selbst entscheiden, welche Absprachen sie anmelden und welche nicht. Dadurch wird die Aufdeckung von Kartel­len zusätzlich erschwert, was de facto nicht wünschenswert sein kann. Außerdem wur­den in den Bereichen der Fusionskontrolle notwendige Änderungen nicht durchgeführt.

Das vorliegende Kartellgesetz findet in dieser Form nicht unsere Zustimmung, wobei wir es durchaus begrüßen würden, Frau Ministerin, wenn diesbezüglich entsprechende Schritte zur Stärkung der Konsumentinnen- und Konsumentenposition gesetzt würden.

Bei der Wettbewerbsgesetznovelle haben wir eine Situation, die auch nicht besonders glücklich ist und die Wettbewerbsposition von Unternehmungen mehr oder weniger direkt beeinflusst. Diese Kronzeugenregelung, die hier vorliegt, bietet keine Rechts­sicherheit für die betroffenen Unternehmungen. Dies in der Ermessensentscheidung der Bundeswettbewerbsbehörde zu lassen, welche Namen welcher Unternehmungen bekannt gemacht werden und welche nicht, das halten wir für keine Regelung, um das Wettbewerbsgesetz in dieser Form zu stärken. Auch dieses Gesetz findet nicht unsere Zustimmung.

Zum Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz sei gesagt, dass es eine doch erkleckliche Anzahl von Vorteilen gibt, die geschaffen werden und die Transparenz auf den Kapital­märkten verstärken. Dies gilt insbesondere auch für diese doppelte Anrechnung von Mandaten bei Aufsichtsratsvorsitzenden. Einer unserer Kritikpunkte ist aber, dass die Anzahl der maximalen Aufsichtsratsmandate reduziert und damit die Aufsichtsräte hätten gestärkt werden sollen.

Die verbesserten Informationspflichten sind ebenfalls von Vorteil. Dennoch gibt es einige Bereiche, wie zum Beispiel die fehlende Transparenz bei Vorstandsbezügen, die mangelhaft sind, so etwa auch die weitgehenden Ausnahmen vom Verbot der Über­kreuzverflechtungen. Das alles sind Punkte, die man stärker hätte berücksichtigen sollen.

Es ist Fakt beziehungsweise hinterlässt den Eindruck, Frau Ministerin, dass das ge­setzliche Regelungen sind, die insbesondere der Industriellenvereinigung zugute kom­men oder von dieser begrüßt werden. So sagt auch Veit Sorger: „Die ärgsten Giftzähne


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des Begutachtungsentwurfs wurden im Sinne des österreichischen Kapitalmarktes ge­zogen.“

Ich denke, im Sinne des österreichischen Kapitalmarktes wären Kontrollen und Ver­besserungen der Transparenz wesentlich wichtiger gewesen, als auf dem halben Weg stehen zu bleiben, Frau Ministerin. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.19


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mik­lautsch. – Bitte.

 


14.20.00

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen beginnen mit ein paar Bemerkungen zum Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005. Es wurde von mehreren meiner Vorredner angesprochen, dass der Corporate Governance Code in diesem Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 nicht verpflichtend gemacht wurde, dass also praktisch keine legistische Umsetzung des Corporate Governance Code 1 : 1 erfolgt ist.

Ich darf dazu anmerken, dass der Corporate Governance Code derzeit eine Selbstver­pflichtungserklärung jener Unternehmen ist, die sich praktisch zu diesem Corporate Governance Code verpflichten. Weiters ist der Corporate Governance Code in seiner Ausführung – es gibt Empfehlungen, es gibt verpflichtende Regelungen – jedenfalls nicht so bestimmt, dass er tatsächlich 1 : 1 in das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz hätte übernommen werden können.

Die Basis für das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 war eine Entschließung des Nationalrates vom 29. Jänner 2004, die uns einen recht engen Rahmen vorgege­ben hat, wie dieses Maßnahmenpaket zur Stärkung des Vertrauens in den Wirtschafts­standort Österreich tatsächlich aussehen soll.

Eine Verpflichtung, dass der Corporate Governance Code mit diesem Gesellschafts­rechtsänderungsgesetz 2005 tatsächlich 1 : 1 auch legistisch umgesetzt werden soll, war dieser Entschließung nicht zu entnehmen. Dies war also nicht der politische Wille des Nationalrates.

Ich gebe auch zu bedenken, dass sich seit dem Jahr 2004 alle Unternehmen, die am Prime-Markt hier in Wien notieren, erklären müssen, ob sie den Corporate Governance Code tatsächlich für sich selbst anwenden, ja oder nein. – Also diese Regelung gibt es schon. (Bundesrat Gruber: Jedes Jahr!) Ja, die gibt es schon, aber auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass genau die Punkte, die Sie angesprochen haben, nämlich die Transparenzvorschriften und Ähnliches, Bestandteil des Corporate Gover­nance Code sind.

Es wurde von einem meiner Vorredner, und zwar von Herrn Bundesrat Gruber, be­merkt, dass die Bilanzkontrollstelle nicht enthalten sei. – Ich darf Sie in diesem Zusam­menhang darauf hinweisen, dass sich gerade eine EU-Richtlinie, nämlich die so ge­nannte Transparenz-Richtlinie, in Umsetzung befindet und dass das Finanzministe­rium – das ist nicht meine Kompetenz, sondern die Kompetenz des Finanzministers – gerade an der Einrichtung einer Bilanzkontrollstelle arbeitet. Das wird kommen, aber wir haben noch Zeit für die EU-Richtlinienumsetzung. Also ich kann Sie beruhigen: Das wird in einem Nachfolgepaket dann tatsächlich noch kommen.

Aber gerade diese Transparenz-Forderung, die hier mehrfach gerade von den Damen und Herren der Opposition immer wieder gefordert wurde, war eben in dieser Ent­schließung des Nationalrates dezidiert nicht enthalten.


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Ich darf auch darauf aufmerksam machen, dass das Gesellschaftsrechtsänderungs­gesetz in sehr vielen Punkten eine tatsächliche Verbesserung des Ist-Zustandes her­beigeführt hat. Ich nenne da nur die Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmandate, die eine Person wahrnehmen darf, bei börsenotierten Gesellschaften bis zu 80 Pro­zent. Wir haben da ganz bewusst einen Unterschied zwischen börsenotierten Unter­nehmungen und jenen, die nicht an der Börse notiert sind, gemacht, weil uns auch aus der Praxis bestätigt wurde, dass ein Aufsichtsratsmandat bei einer börsenotierten Ge­sellschaft um vieles zeitintensiver ist als jenes bei nicht börsenotierten Gesellschaften.

Wir haben ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass die Qualität und die Unabhängig­keit der Arbeit der Aufsichtsräte gewahrt sind. Wir haben auch dazu beigetragen, dass es zu einer Stärkung der Rechte des Aufsichtsrates kommt. Wir haben auch die Rechte der Hauptversammlung gestärkt. Wir haben auch vorgesehen, dass es eine Verhinderung der Selbstprüfung der Abschlussprüfer in weiterer Folge gibt. Wir haben des Weiteren vorgesehen, dass es strenge Ausschließungsgründe für Abschlussprüfer gibt – und das ist ein wirklicher Kernpunkt dieser Novelle, der ganz wesentlich auch zu einer wirklich gut funktionierenden Wirtschaft in Österreich, die ja de facto auch Ar­beitsplätze bedeutet, beitragen wird. Darüber hinaus haben wir dazu beigetragen, dass es – was mir ganz wichtig ist – mit diesem Gesetz eine Verbesserung der Haftung der Abschlussprüfer geben wird.

Also in Summe ist dieses Gesetz tatsächlich ein Gesetz, das dazu beitragen wird, den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig zu verbessern.

Ich darf Sie an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass wir uns – obwohl es jetzt momentan ein bisschen eine Krise in der Europäischen Union gibt –, dass sich Österreich in einem Europäischen Wirtschaftsraum bewegen muss und jegliche mas­sive Einschränkung unserer Wirtschaft in Relation zur Europäischen Union, vor allem auch zu ausländischen Betrieben, nicht zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, sondern zu dessen Verschlechterung führen würde. Da uns allen Arbeits­plätze und eine gut funktionierende und gesunde Wirtschaft in Österreich am Herzen liegen, ist das ein Beitrag, den wir in dieser Form eben nicht leisten wollten.

Es wurden auch das Kartellgesetz und das Wettbewerbsgesetz angesprochen. – Zum Kartellgesetz möchte ich nur ausführen, dass wir uns de facto jetzt mit der Bestim­mung, dass es in Zukunft ein Verbot der Kartelle geben wird, an die Europäische Union angeglichen haben. Es ist so, dass wir derzeit auf Grund einer Verordnung ohnehin verpflichtet sind, bei transnationalen Kartellen dieses Verbot anzuwenden, und uns ist es aus Gründen der Rechtseinheit zweckmäßig erschienen, das auch auf das natio­nale Kartellwesen anzuwenden, sodass wir nun bei nationalen und bei transnationalen Kartellen eine ähnliche Regelung haben. Das war der Ausgangspunkt für diese Novelle des Kartellwesens, die jetzt das Kartellrecht ganz maßgeblich modernisieren und auch ändern wird.

Beim Wettbewerbsrecht wurde von meiner Vorrednerin, Frau Dr. Lichtenecker, insbe­sondere der Bereich der Kronzeugenregelung angesprochen. Im Wettbewerbsrecht selbst ist jetzt vorgesehen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde praktisch einen Er­lass herausgeben kann, wonach die Kronzeugenregelung dann im Detail determiniert werden wird. Momentan gibt es im Wettbewerbsrecht selbst praktisch nur die Ermäch­tigung dazu, dass man dieses System dann im Detail noch genauer ausstattet, und wie das dann im Detail aussehen wird, das wird im Rahmen dieses Erlasses geregelt wer­den.

Ganz grundsätzlich erscheint gerade im Wettbewerbsrecht diese Kronzeugenregelung recht zweckmäßig, vor allem insofern, als man Wettbewerbshindernisse oder Missver-


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halten bei Wettbewerben dann auch in weiterer Folge bestmöglich hintanhalten kann. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.26


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Kartellgesetz 2005.

Der gegenständliche Beschluss enthält in den §§ 24, 86 und 87 Verfassungsbestim­mungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundes­rates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichti­gung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend eine Wettbewerbsgesetznovelle 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.29.229. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz, das Rechtspfleger-


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gesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Strafge­setzbuch geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005) (928 d.B. und 986 d.B. sowie 7311/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geän­dert wird (602/A und 989 d.B. sowie 7312/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu Punkt 9 ist Frau Bundesrätin Lueger. – Ich bitte um den Bericht, Frau Bundesrätin.

 


14.29.57

Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minis­terin! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich stelle daher sogleich den Antrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Berichterstatter zu Punkt 10 ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.30.52

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich beschränke mich daher auf die Verlesung der Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Giefing. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.32.13

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Anhebung der Wertgrenzen von 10 000 € auf 30 000 € im beschleunigten Verfahren ist aus meiner Sicht sehr stark, jedoch richtig. In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass die dafür ausschlaggebenden Gründe haupt­sächlich die Effizienz sind. Ich zitiere in aller Kürze aus den Erläuterungen:

„Zugunsten der Entlastung der Justiz und Beschleunigung des Verfahrens ist es daher zweckmäßig, den Verzicht auf die lückenlose Überprüfung der Übereinstimmung des Exekutionsantrags mit dem Exekutionstitel auch für Forderungen bis zu der für das Mahnverfahren vorgesehenen Höhe in Kauf zu nehmen und die Wertgrenze auf diesen Betrag anzuheben.“

Es ist jedoch für mich nicht nachvollziehbar, worin hiebei die beschäftigungsfördernden Wirkungen liegen. Mir ist beim Lesen nicht klar geworden, wo diese Wirkungen in der Exekutionsordnungs-Novelle versteckt sind. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Stellungnahme auch ausgeführt, dass dieser Passus nicht durchschaubar ist. Ich habe beruflich fast wöchentlich mit solchen Dingen zu tun und möchte Ihnen sagen: Ich kenne in einer kleinen Kommune jene, die nicht zahlen können, und auch jene, die nicht zahlen wollen. Bei jenen, die nicht zahlen können, bin ich eine Mischung aus Karol Wojtyla und Mutter Theresa, bei der anderen Gruppe, den Zahlungsunwilligen, die irgendwelche Steuern, Gebühren oder Abgaben nicht zahlen wollen, bin ich im Grunde genommen das Gegenteil. Aber man soll diese Situation nicht unterschätzen. Man kann sich nicht vorstellen, welches Leid und welche Not manchmal dahinter stecken, wenn Leute nicht zahlen können.

Die Schuldenspirale hat sich in Österreich in den letzten Jahren viel schneller weiter­gedreht, als dies jemals zuvor der Fall war. Wir sollten heute bei diesem Thema auch über Schulden und Verbindlichkeiten von Menschen diskutieren. Wir sollten hinterfra­gen, warum 120 000 Menschen in Österreich hoffnungslos verschuldet sind. Es gibt dafür natürlich verschiedene Gründe, wie etwa Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung, aber vielleicht spielt da in sehr, sehr geringem Maße auch PISA mit hinein.

Die Zahl der verschuldeten Haushalte steigt proportional mit der Arbeitslosenrate. Wenn wir die Arbeitslosigkeit in Österreich und in Europa nicht bekämpfen, dann wird die Verschuldensrate weiter steigen. Die Zahl der Privatkonkurse steigt, und immer mehr Menschen wissen nicht mehr ein und aus. Wir müssen daher die Frage des Exekutionsrechtes mit besonderer Sensibilität diskutieren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Zahlen aufmerksam machen: 2004 gab es in Österreich 784 404 Forderungsexekutionen und 966 521 Fahrnisexekutio­nen. Gegenüber dem Jahr 2001 war dies eine Steigerung von zirka 20 Prozent.

Wir sollten daher bei dieser Gelegenheit in Erwägung ziehen, nachfolgend auch ein Maßnahmenkonzept gegen die Verschuldung von Haushalten und insbesondere gegen die Verschuldung von Minderjährigen zu erstellen. Sie wissen ja, der Slogan der Banken hat vor langer Zeit geheißen: „Anna, den Kredit hamma!“. Darin liegt vielleicht


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auch ein Grund für die Verschuldung, nämlich dass die Banken mit diesem Thema etwas zu leichtfertig umgehen, zumindest aus meiner Sicht.

Aber im Großen und Ganzen können uns wir Sozialdemokraten mit diesem Gesetz einverstanden erklären. Meine Fraktion wird daher diesem Gesetz zustimmen.

Dem Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz werden wir nicht zustimmen, weil Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, im Jah­re 2000 verkündet haben, dass in der Steiermark zehn Bezirksgerichte geschlossen werden. In der Folge, im Jahre 2001, haben Sie gedroht, dass Sie 29 von 38 Be­zirksgerichten schließen werden. Die Bürgerproteste, die Unterschriftenaktionen und Ähnliches haben bei Ihnen keinen Eindruck hinterlassen. Dann sprach der steirische Landesrat von der ÖVP, Herr Schützenhöfer, davon, dass lediglich zwölf Bezirks­gerichte geschlossen werden, stellte dies als positiven Kompromiss gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dar und meinte, dass ohne seinen Einsatz noch viel mehr geschlossen würden.

Das Justizministerium hat satte 15 Millionen € an Steuergeld in das Projekt Graz-West investiert. Für jene Menschen, welche nicht mobil sind, ist es zu einer nahezu unüber­windbaren Hürde oder Barriere geworden, einen Amtsweg ohne eigenes Auto zu erle­digen. Dies dürfte Ihnen jedoch völlig egal sein, Hauptsache, der Justizminister oder die Justizministerin baut sich in der Steiermark ein persönliches Denkmal. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.38.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte nur ganz kurz auch etwas zur Organisa­tion der Bezirksgerichte in Graz sagen. Bei dieser Novelle geht es ja nur darum, dass das Bezirksgericht Graz-West vom Gebäude her nicht fertig gestellt wurde. Um nichts Anderes geht es bei dieser Novelle. Die Novelle ist notwendig, damit der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens später eintritt.

Im Nationalrat wurde von den Grünen, glaube ich, kritisiert, dass die Jugendgerichte nicht im bisherigen Maße gegeben sind. Dazu ist zu sagen, dass es weiterhin eine eigene Jugendgerichtsbarkeit, eine eigene Organisation, eigene Richter und einen eigenen Jugendstrafvollzug gibt. Das Einzige, was es nicht mehr gibt, ist ein eigener Präsident.

Zur Exekutionsordnungs-Novelle ist zu sagen, dass es dadurch zu zahlreichen Verbes­serungen in Exekutionsverfahren kommt. Die Exekutionsverfahren werden größtenteils auf ADV-Basis abgewickelt. Durch die Anhebung der Wertgrenzen beim vereinfachten Bewilligungsverfahren und die Änderung bei der Abgabe des Vermögensverzeichnis­ses kommt es zu einer Beschleunigung im Exekutionsverfahren. Dies nutzt der Justiz, aber auch den Schuldnern, weil es einfach schneller geht. Daher wird unsere Fraktion dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)

14.40


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schenn­ach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.40.21

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wenn es so wäre, Herr Kollege, dass es bei den


Bundesrat
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Jugendgerichten nur mehr um den Präsidenten geht, dann hätte man wahrscheinlich nicht hundert Jahre in ganz Europa beispielhafte Studienausflüge organisiert, um das Modell des Jugendgerichtshofes in Österreich zu begutachten. Überall wurde der Ju­gendgerichtshof in Österreich als mustergültig dafür hingestellt, wie die Justiz in Ent­sprechung der Entwicklungen in diesem Bereich mit Jugendlichen, mit dem Problem der Jugendkriminalität umgeht. Viele Länder sind diesem Beispiel gefolgt.

Da geht es nicht um den Präsidenten, sondern da geht es um die prinzipielle Philoso­phie von Strafvollzug und von Jugendgerichtsbarkeit, und das ist auch der Grund dafür, dass wir das ablehnen, nämlich als Konsequenz daraus, dass wir uns immer gegen diese Böhmdorfersche Revanchepolitik gewährt haben. Nichts anderes ist das ja gewesen! Wir wissen, dass der Jugendgerichtshof immer wieder Kritik geübt hat, und deshalb hat man ihn zerschlagen – ohne zu bedenken, was hier zerschlagen wurde, nämlich eine über 80 Jahre lang bewährte beispielhafte Institution.

Nun ist in der Steiermark der Fall eingetreten, dass die neuen Gebäude noch nicht fertig gestellt werden konnten. Wir haben das immer gesagt: Wenn ihr den Jugendge­richtshof auch in der Steiermark zerschlägt, braucht es zwei Gebäude, Graz-West und Graz-Ost, braucht es die Reorganisation – das hat auch noch andere Gründe –, und das wird nicht zu schaffen sein!

Aber das hat nichts mit einem Präsidenten zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, dass derzeit der Vollzug nach dem Jugendgesetz, der Jugendstrafvollzug einfach nicht mehr in adäquater Weise erfolgt, so wie das früher bei einem normalen Jugendge­richtshof der Fall war.

Zweiter Punkt: Exekutionsordnungs-Novelle, eine sinnvolle Veränderung.

Halten wir fest – ich hoffe, Frau Bundesministerin, dass Sie auch einmal dazu auf­fordern, sich das einmal anzuschauen; sowohl Herr Giefing als auch Herr Bogensper­ger haben das angesprochen –: Wir haben eine enorm hohe Verschuldensrate. Die Familien in Österreich sind überhaupt die verschuldetste Einheit; da kann die ganze Wirtschaft nur staunen, wie hoch die Familien verschuldet sind.

Wir könnten hier etwas abfedernd wirken, indem wir endlich einmal festlegen, dass es bei Scheidungen zu fixen Sätzen und Obergrenzen kommt. Die Verschuldensfalle be­ginnt nämlich gerade bei den Scheidungen. Wir wissen, dass jede dritte Ehe, in den Großstädten jede zweite Ehe geschieden wird. Wir sollten hier eine Plafondierung der Kosten, sowohl was die Gerichtskosten, als auch was die Rechtsanwaltskosten betrifft, dadurch einführen, dass nicht auf Grund der Höhe, der Bewertung des Familieneigen­tums die Höhe der Kosten von Honoraren und Verfahren bestimmt wird, sondern dass Fixbeträge in Scheidungsverfahren festgelegt werden. Damit könnte der Verwertungs­druck abgefedert werden, der gerade im ländlichen Bereich besonders groß ist. Viele bauen während ihrer Ehe ein Haus, das im Falle einer Scheidung versteigert werden muss, um die Kosten zu decken, und so weiter und so fort.

Fixbeträge wären vielleicht eine Hilfe, gerade in einer Gesellschaft, die die Ehe als ein Experiment auf Zeit betrachtet beziehungsweise für die eine Lebensgemeinschaft immer mehr auf Zeit ist.

Wir müssen Vorkehrungen treffen, und eine der Vorkehrungen ist, dass an den Schei­dungen, an den damit oft verbundenen Dramen, denen ohnedies alle Beteiligten, sowohl die in Scheidung Lebenden als auch deren Kinder, ausgesetzt sind, nicht die Anwälte verdienen und die Gerichte nicht damit so stark belastet werden.

Das heißt, in diesem Fall ist es einfach sinnvoll, eine Plafondierung vorzunehmen, fixe Sätze festzulegen. Das würde vielfach helfen, denn die Zahl der Exekutionen im Zuge von Scheidungsverfahren ist nicht gering. Das würde auch im Hinblick auf die Gesamt-


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verschuldung Sinn machen. Der Gesetzgeber kann nicht verhindern, dass irgend­jemand aus irgendwelchen Katalogen sinnlos Sachen – entweder aus Suchtverhalten oder aus irgendwelchen Fehleinschätzungen – kauft, das liegt in der privaten Verant­wortung jedes Einzelnen, aber wenn es um die gesellschaftliche Entwicklung geht, ist die Befassung durch den Gesetzgeber irgendwie notwendig.

Es gab schon einmal den Rauch-Kallatschen Vorschlag, der in der Öffentlichkeit mei­ner Meinung nach viel zu lächerlich gemacht wurde. Ich finde das, was Frau Rauch-Kallat gemeint hat, nicht so schlecht – sie hat den Vorschlag allerdings zurückgenom­men, weil sie dafür stark kritisiert wurde –, nämlich im Zuge des Ehevertrages auch den Trennungsvertrag irgendwo in Vorbereitung zu halten. Wenn es einem gut geht, wenn man auf dem Höhepunkt der Liebe beschließt, zu heiraten, sollte man auch für den Fall der Fälle, der auf Grund der Statistik ziemlich wahrscheinlich ist, also auch für das Nachher eine Regelung finden.

Ich halte das für durchaus überlegenswert. Wir müssen uns dieser Situation stellen, auch im Zusammenhang mit Exekutionen. Im Streitfall kann das nämlich bitter enden, und deshalb wäre es an der Justizpolitik, sich derartige Möglichkeiten zu überlegen.

Ich habe einmal mit einem Anwalt geredet, und der hat mir gesagt: Wenn zu mir jemand kommt und sagt, er möchte sich scheiden lassen, dann sage ich einmal, was ihn das kostet, ganz Wurscht, was der Betreffende hat. Die Summe, die der Anwalt mir genannt hat, war enorm. Er hat gesagt: Wer das nicht zahlt, kann wieder gehen. – Das heißt, wenn wir justizpolitisch in die Richtung gehen, dass wir zumindest im Schei­dungsverfahren entweder mit Fixsätzen oder mit Plafondierungen operieren, ist das eine nicht uninteressante Sache.

In diesem Sinne werden wir der neuen Exekutionsordnung unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen.)

14.47


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weil­harter. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.47.18

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Es wird allgemein allzu leicht, sage ich einmal, argumentiert und Klage geführt, dass so viele Menschen, dass – Kollege Maier von der SPÖ hat das im Nationalrat gesagt – 120 000 Menschen in Österreich quasi hoffnungslos verschuldet sind. Herr Abgeordneter Maier von der SPÖ hat ge­meint, dass diese Verschuldung darauf fußt, dass der Arbeitsmarkt nicht die ge­wünschte Entwicklung nimmt, dass letztlich die Arbeitslosenzahlen im Steigen begriffen sind.

Meine Damen und Herren! Ich kann dieser Begründung nicht ganz zustimmen, denn Fakt ist:

Erstens: Die Arbeitslosenrate in absoluten Zahlen war unter SPÖ-Regierung immer höher als jetzt. (Bundesrat Prutsch: Ein Blödsinn! Das gibt es normal nicht!)

Zweiter Punkt: Gerade bei dieser sensiblen Materie wäre es sehr wichtig, Kollege Prutsch, dass man differenziert und sich letztlich auch die Ursachen anschaut. Ist die Verschuldung selbst gemacht, oder liegt Fremdverschuldung vor? Das sollte man nicht verallgemeinern, sondern durchaus differenzieren.

Meine Damen und Herren! Die Exekutionsordnung ist, wie gesagt, eine sensible Mate­rie, weil natürlich vor allem die finanziell Schwachen davon betroffen sind. Es muss uns bewusst sein, dass mit dieser Exekutionsordnungs-Novelle dem Schuldner nicht seine


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Verbindlichkeiten genommen werden können, aber Ziel dieser Novelle ist es, dass wir die Exekutionsordnung mit mehr Rechtssicherheit ausstatten, ihr mehr Rechtssicher­heit geben. Und das, meine Damen und Herren, gilt natürlich für beide Teile, für Schuldner und Kreditgeber.

Mehr Rechtssicherheit – sicherlich sehr wichtig und sehr positiv in dieser Vorlage.

Es haben aber auch beide Beteiligten, nämlich Schuldner und Kreditgeber, bezie­hungsweise alle Beteiligten an einem Exekutionsverfahren meiner Meinung nach das Recht oder den Anspruch auf ein rasches, effizientes, zeitgemäßes Verfahren. Und ge­rade dieses effiziente Verfahren wird mit der vorliegenden Novelle geschaffen. – Auch etwas, das aus unserer Sicht positiv zu beurteilen ist.

Nun ein paar Sätze zu Tagesordnungspunkt 10, zur Änderung der Organisation der Bezirksgerichte.

Aus dem Bericht und allen Unterlagen geht hervor, dass es sich bei der vorliegenden Änderung lediglich um eine zeitliche Verschiebung handelt, weil eben – das wurde auch schon gesagt – das Bezirksgericht Graz-West noch nicht fertig gestellt ist; die Fertigstellung hat sich aus verschiedenen Gründen verschoben.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Standortbestimmung, dass es eben ein Bezirks­gericht Graz-Ost und in Zukunft auch ein Bezirksgericht Graz-West geben wird, wird – das kann man durchaus sagen – auch in den ländlichen Raum investiert. Natürlich kann man darüber diskutieren, denn der Standort liegt im städtischen Bereich, aber ich bin der Meinung, es wird auch das Land davon profitieren, weil der Standort unbe­stritten ist. Beide Standorte – einer ist da, der zweite kommt – verschaffen, und das ist mir sehr wichtig, den Bürgern einen verbesserten Zugang zum Recht und zu ihrem Be­zirksgericht. Für mich nicht zu verstehen ist, dass die Opposition dieser Verbesserung ihre Zustimmung verweigert.

Wir, meine Damen und Herren, meine Fraktion, werden diesen Verbesserungen im Justizbereich – Exekutionsordnung, Gerichtsstandort – gerne unsere Zustimmung ge­ben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.51


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


14.51.37

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich zu diesen Tagesordnungspunkten sehr kurz fassen, muss nur sagen, die Diskussion war für mich sehr interessant, obwohl sie eigentlich nicht unmittelbar etwas mit den hier zur Diskussion stehenden Tagesordnungspunkten zu tun hatte.

Ich denke, die Exekutionsordnungs-Novelle als solche ist von der Zielsetzung her klar, bringt auch wahrlich eine Verbesserung im Exekutionsverfahren, und vor allem wird es durch die Wertgrenzenanhebung jetzt sicherlich auch eine Beschleunigung im Exekuti­onsverfahren geben. Ich glaube, diesbezüglich sind wir uns einig.

Es erfolgten einige sehr interessante Beiträge gerade zum Themenbereich Schuldner, Schuldnerberatung. Herr Bundesrat Schennach hat sich mit dem sehr wichtigen und sensiblen Bereich Trennungen und Scheidungen auseinander gesetzt. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass in Österreich zirka 90 Prozent der Scheidungen einvernehmlich erfolgen und dass es bei den Rechtsanwaltstarifen für einfache einvernehmliche Scheidungen, also wenn keine Liegenschaften vorhanden sind oder praktisch nur eine Eigentumswohnung vorhanden ist, bereits derzeit, so wie Sie es angeregt haben, Herr


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Bundesrat Schennach, eine Deckelung der Anwaltstarife gibt, und diese normalen ein­vernehmlichen Scheidungen machen doch einen großen Prozentsatz der Scheidungen aus.

Bei den anderen Scheidungen, vor allem im Streitfall, kann ich mir eine Deckelung nur sehr schwer vorstellen, weil doch auch der Aufwand für den Anwalt primär von der Dauer der Verfahren abhängt.

Ich sehe aber das Problem bei Scheidungen weniger darin – das ist auch ein Problem, aber sicherlich nicht das Hauptproblem –, sondern eher bei den Unterhaltskosten, die zu bezahlen sind, und vor allem auch bei jenen Kosten, die aus der Aufteilung des Ver­mögens allenfalls erwachsen können. Vor allem wenn man Kinder hat, ist es doch sehr schwierig, dass derjenige Lebenspartner, der zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist – unterhaltsverpflichtet ist er in jedem Fall –, dann noch eine eigene Existenz aufrecht­erhalten kann.

Thema Trennungsverträge. – Ich möchte zu bedenken geben, dass es auf der einen Seite durchaus möglich ist, Trennungsverträge beim Notar oder beim Rechtsanwalt zu vereinbaren, dass es aber sicher nicht möglich in Österreich ist, und das halte ich auch für gut so, bereits vor einer Scheidung zu regeln, wie die Belange rund um die eheliche Wohnung dann in weiterer Folge zu regeln sind. Stellen Sie sich vor, Sie sind glücklich verliebt und legen fest, die eheliche Wohnung bekommt im Falle der Scheidung der Mann. Dann gibt es vielleicht drei Kinder, eine weniger glückliche Scheidung, und dann ist festgelegt, dass die Mutter mit den drei Kindern die eheliche Wohnung verlassen muss. – Das kann es wohl nicht sein. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ja, sage ich ja, Sie haben das ja ganz heftig verteidigt, aber ich meine, man kann das auch nicht verallgemeinern.

Ich bin durchaus dafür, dass man sich berät – bevor man sich scheiden lässt sowieso, aber auch vor der Ehe wäre es sinnvoll, dass man auch überlegt, wie man eine Tren­nung im Einvernehmen gut durchführen kann. Aber zu diesen Trennungsverträgen zur Hochzeit der Liebe, wie Sie es so schön genannt haben, gebe ich zu bedenken, dass das etwas schwierig ist. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) Das geht auch, aber da muss man aufpassen.

Zum Bezirksgericht Graz möchte ich noch anführen, dass diese Änderung in der Ge­schäftseinteilung nur deshalb notwendig ist, weil der Bau nicht fertig gestellt werden konnte. Wir hatten einen verspäteten Baubeginn, und das ist der Grund dafür, dass wir jetzt die Organisation des Bezirksgerichtes Graz um einen Zeitraum erstrecken müs­sen. Das ist der einzige Grund. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.55


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend eine Exekutionsordnungs-Novelle 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.56.3911. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (825 d.B. und 987 d.B. sowie 7313/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird (601/A und 988 d.B. sowie 7314/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 11 und 12 ist Frau Bundesrätin Auer. – Ich bitte um beide Berichte.

 


14.59.00

Berichterstatterin Johanna Auer: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüber­schreitende organisierte Kriminalität.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich verlese daher den Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vor­übergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird, liegt Ihnen gleichfalls in schriftlicher Form vor. Ich verlese hier auch nur den An­trag.

 


Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für diese beiden Berichte.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.59.42

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Damit es nicht wieder Verwirrung gibt: Ich begrüße in meiner Kontrarede ausdrücklich und ungetrübt die heutige Bekräftigung des Zusatz­protokolls zur Bestrafung und Bekämpfung des Menschenhandels.

Es ist dies ganz, ganz wichtig und betrifft in seinen Auswirkungen vor allem Frauen, die als Ehefrauen, als jugendliche Prostituierte, billige Arbeitskräfte und so weiter gehan­delt werden. Wir kennen das, und wir kennen auch die Entwicklungen in Österreich. Wichtig ist jetzt, dass dieses Protokoll auch in der Bekämpfung der organisierten Krimi­nalität entsprechende Umsetzung findet.

Ich halte diese meine Ausführungen jetzt recht kurz, weil alle hier, wie ich annehme, mit großer und überzeugender Mehrheit in diesem Punkt ihre Zustimmung geben wer­den.

Zum 12. Punkt der Tagesordnung: Diesen Beschluss werden wir ablehnen, und zur Begründung unserer Ablehnung stehe ich hier.

Man hat mit dem Budgetbegleitgesetz – die Sozialdemokraten haben das übrigens ab­gelehnt, heute stimmen sie aber zu –, um das Budget in den Griff zu bekommen, eine vorübergehende Maßnahme im Bereich des Strafrechts, sprich den Strafaufschub, beschlossen, nämlich um zwei Jahre. Bis zum 30. Juni 2007 soll das jetzt hinausge­schoben werden.

Wir haben immer gesagt – ich verweise jetzt darauf, dass ich noch unter Minister Böhmdorfer hier einmal eine halbstündige Rede gehalten habe –, dass es eine Reihe von verschiedensten Möglichkeiten gibt, wie wir dem Problem der überbelegten Haft­anstalten angemessener begegnen können. Es gibt zahlreiche diesbezügliche Vor­schläge. Frau Bundesministerin! Vielleicht könnten wir zu diesem Thema einmal eine Enquete abhalten! Wir meinen, die jetzige Maßnahme, nur den Strafaufschub zu ver­schieben, greift einfach nicht tief genug. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesministerin! Ich nenne als Beispiel die bedingten Entlassungen. In diesem Bereich kann man noch so viel machen und so viele Maßnahmen setzen. Darauf möchte ich jetzt aufmerksam machen, möchte aber nicht alles wiederholen, was ich hier schon des Langen und Breiten dargestellt habe, auch im Zusammenhang mit dem


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Budgetbegleitgesetz. Wir halten die Maßnahme, nur den Strafaufschub zu verlängern, für kein adäquates Mittel. Wir meinen, es reicht nicht aus, dieser Problematik aus­schließlich in dieser Form zu begegnen.

Es gibt, wie gesagt, diesbezüglich zahlreiche Vorschläge, und ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin, in eine entsprechende Diskussion einzugehen! Ich komme auch gerne einmal zu Ihnen ins Ministerium, um mit Ihnen die lange Liste, die wir gemacht haben, durchzugehen. Ich habe das auch mit Ihrem Vorgänger so gehalten, ich war öfters dort. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ich war auch öfters beim Vorgän­ger, Herr Kollege Mayer, ich weiß nicht, was Ihnen jetzt mit Ihrem Lächeln so nebenbei einfällt. Ich würde das, wie gesagt, gerne wieder machen, denn es gibt wirklich umfas­sende Vorschläge. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.03.47

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schennach! Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass mir nur wichtig war, meiner Freude Ausdruck zu verleihen, und dass ich keinen Hintergedanken hatte. (Bundesrat Schennach: Ich bin froh, dass Sie ein so sonniger Mensch sind!) Ich bin froh, wenn du dich darüber freust!

Die Problematik des Menschenhandels ist in Europa insbesondere seit der Ostöffnung, seit die kommunistischen Staaten sozusagen befreit wurden, im vermehrten Maße in Erscheinung getreten und betrifft vor allem den Handel mit Frauen und Kindern zum Zwecke der Prostitution.

Österreich hat bereits ein UN-Übereinkommen unterzeichnet, das sich gegen die organisierte Kriminalität richtet, das so genannte Palermo-Protokoll, welches bereits im Jahr 2000 ratifiziert wurde. Dazu hat der Europarat im Mai dieses Jahres eine Konven­tion vorgelegt, die sich mit dem Opferschutz befasst beziehungsweise diesen in den Mittelpunkt stellt.

Zweck des nun vorliegenden Zusatzprotokolls ist es, den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen, wobei, wie gesagt, Frauen und Kinder in den Vordergrund gestellt werden. Die Opfer des Menschenhandels sind unter vollster Achtung ihrer Menschen­rechte zu schützen. Ein wichtiger dritter Punkt ist die Zusammenarbeit der Vertrags­staaten. Hiebei geht es darum, bereits bestehende Netzwerke auszubauen und zu verstärken.

Im Bereich der organisierten Kriminalität stellt der Menschenhandel zusammen mit dem Schlepperwesen bereits den drittwichtigsten Einkommensfaktor dar. Davon be­troffen sind zu 99 Prozent Frauen – sehr junge Frauen, zumindest was Österreich be­trifft –, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus Gebieten Osteuropas hierher gelockt und unter oft unmenschlichen Bedingungen sexuell ausgebeutet werden. Nach einer Schätzung der Vereinten Nationen sind in Europa etwa 500 000 Frauen Opfer des Menschenhandels geworden, davon etwa 100 000 Kinder und Jugendliche, die im Westen der Prostitution zugeführt wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Menschenhandel hat eine Dimension angenom­men, die noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre und die uns zwingt, im wahrsten Sinne des Wortes, für Menschen zu handeln, die davon betroffen sind, und dabei die Opfer nicht zu Tätern werden zu lassen oder zu Tätern zu machen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass bei der Umsetzung dieses Übereinkommens auch an die Probleme im innerstaatlichen Bereich zu denken ist. Was geschieht mit den Betrof-


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fenen, mit den Opfern? Werden sie rückgeführt, entschädigt oder in Österreich aufge­nommen, resozialisiert und in die Gesellschaft eingegliedert? – Das sind wichtige The­men, über die es weiter nachzudenken gilt.

Aber nicht nur die Umsetzung des Protokolls allein, sondern weitere Begleitmaßnah­men wie die Maßnahmen, die bereits im Sicherheitspolizeigesetz getroffen wurden, aber auch im Asylgesetz, das wir derzeit in Diskussion haben und wo ein neuer Begriff des Aufenthaltes definiert wird, sind wesentliche Bausteine, die Standards im Kampf gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität mit sich bringen werden.

Ich darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion, aber auch von der sozialdemokratischen Fraktion, deshalb wirklich eindringlich ersuchen, im Bereich des Asylwesens ernsthaft an einer Lösung mitzuarbeiten, weil eine entsprechende gesetzliche Lösung auch einen großen Mosaikstein im Kampf gegen den Menschen­handel darstellen wird.

Aus österreichischer Sicht sind, wie angesprochen, weitere legistische Maßnahmen auf Basis dieses Übereinkommens und dieses Zusatzprotokolls erforderlich. Ich darf Sie einladen, so wie unsere Fraktion diesem Zusatzprotokoll zuzustimmen und gemeinsam verstärkt dem Menschenhandel entgegenzutreten! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.08.11

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Wir haben schon gehört, dass es bei diesen Tagesordnungspunkten eigentlich um zwei ganz unterschiedliche Materien geht. Die SPÖ – das wurde schon gesagt – wird beiden Gesetzen die Zustimmung geben.

Was die Verlängerung des Strafantritts betrifft, so wird dieser Vorschlag zwar von uns heute mitgetragen, wir möchten aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass mit dieser Verlängerung die eigentlichen Probleme des Überbelags in den Gefängnissen natürlich nicht gelöst werden!

Diese Probleme sind schon lange bekannt – getan wurde in den letzten Jahren aber letztlich nicht nichts, aber dennoch zu wenig. Es muss jetzt endlich durch gesetzliche Maßnahmen eine Verbesserung herbeigeführt werden. Für die Organisation des Voll­zugs sind auch entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, sonst stehen wir nämlich in zwei Jahren – denn so lange gilt die jetzige Verlängerung – wieder da und müssen wieder verlängern, ohne dass sich an der Situation irgendetwas verbessert hätte. Das wollen doch wir alle nicht, und deshalb sind die Reformen jetzt wirklich drin­gendst einzuleiten!

Sehr geehrte Damen und Herren! Mein eigentliches Anliegen heute betrifft aber den 11. Punkt der Tagesordnung, nämlich die Bekämpfung des Menschenhandels. Men­schenhandel ist spätestens seit dem Beginn der neunziger Jahre – so lange steht das nämlich schon wirklich in Debatte – zu einem massiven und auch sichtbaren Problem geworden. Jährlich werden Tausende Menschen, in erster Linie Frauen und Mädchen aus Mittel-, Ost-, Südost- und auch Südeuropa, dem Kaukasus und Zentralasien, Opfer dieser Menschenrechtsverletzung. Die Opfer werden meist von Agenturen, Mittelsper­sonen oder Bekannten angeworben, die ihnen lukrative Jobs im Ausland versprechen. Tatsächlich erwarten die Betroffenen oft sklavereiähnliche Verhältnisse.

Was passiert nämlich wirklich im täglichen Leben? – Es geht um sexuelle Ausbeutung in Bordellen, um Gefangenschaft in Wohnungen, um Prostitution auf der Straße. Es


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geht um sexuelle Ausbeutung in Pornographie und Pädophilie. Es geht um Vermittlung und Verkauf an Heiratsagenturen, um Ausbeutung als Arbeitssklaven in Fabriken und auf Plantagen, um Rekrutierung als Kindersoldaten, um Ausbeutung in der Kriminalität. Die Menschen werden als Drogenkuriere, zum Stehlen und zum Betteln eingesetzt. Es geht um Ausbeutung als Dienstboten in Privathaushalten, um illegale Adoption und letztendlich um Organhandel.

Es stellt sich natürlich die Frage, was diesen Menschenhandel eigentlich begünstigt. – Dazu gehören Faktoren wie Armut, Kinderreichtum, hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Information und Aufklärung der Betroffenen, Geschlechterdiskriminierung, der Zusam­menbruch von Strukturen in verschiedenen Staaten sowie Krieg und Gewalt. Neben den falschen Versprechungen, die den betroffenen Menschen gemacht werden, gibt es Methoden wie Kidnapping, Raub, Verschleppung, Verkauf an Schlepper und nicht zu­letzt Schenkung von Kindern durch Eltern.

Menschenhandel ist weltweit zu einem einträglichen Geschäft mit hohem Profit und geringem Risiko geworden. Unzureichende Gesetze, mangelhafte internationale Zu­sammenarbeit bei der Strafverfolgung, der Mangel an spezialisierten Behörden mit ent­sprechend ausgebildetem Personal, Korruption und das Fehlen effektiver Opfer- und Zeugenschutzmaßnahmen führen dazu, dass die Täter oft ungestraft davonkommen, während in vielen Fällen die Opfer kriminalisiert werden.

Die Flucht aus dem Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnis ist nahezu unmöglich. Die Betroffenen werden durch Gewalt und Drohungen von den Händlern eingeschüch­tert, sie werden eingesperrt, die Reisepässe werden ihnen abgenommen, und die Angst der Opfer vor der Kontaktaufnahme mit den Behörden führt dazu, dass mangels Beweisen nur wenige Fälle von Menschenhandel mit einer Verurteilung der Täter enden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist sowohl Durchgangs- als auch Zielland für den Handel mit Frauen und Kindern. Die österreichische Polizei verzeichnete einen Anstieg des Handels mit rumänischen Jungen und bulgarischen Mädchen, die betteln, stehlen und möglicherweise auch sexuell ausgebeutet werden. Die OSZE schätzt, dass es in Wien allein etwa 4 000 Opfer des Menschenhandels gibt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Und in Salzburg?) Die Salzburger Zahlen werden leider nicht angeführt! Deshalb ist die Ratifizierung des Protokolls von uns natürlich sehr zu begrüßen und ehest durch eigene Gesetze umzusetzen.

Österreich muss insgesamt Entschlossenheit zeigen, vor allen Dingen bei der Zusam­menarbeit mit den zuständigen Behörden in anderen Ländern, und zwar mit dem Ziel, die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung des Menschenhandels zu erleichtern. Frau Justizministerin! Zudem sollten auch Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstel­len, dass verurteilten Tätern strengere Strafen auferlegt werden. Im Gegensatz dazu sind für die Opfer konkrete Maßnahmen hinsichtlich der Bereiche Beratung, Informa­tion, aber auch Unterkunft und Beschäftigung und schlussendlich betreffend die heute schon angesprochene Aufenthaltsbewilligung zu setzen.

Die Bekämpfung des Menschenhandels erfordert somit einen umfassenden, koordi­nierten und grenzübergreifenden Ansatz, der die in der Fachsprache so genannten drei „p“ umfasst, nämlich „prevention“, „prosecution“ und „protection“. Ich glaube, dass alle dazu aufgerufen sind, gemeinsam daran zu arbeiten, dass diese menschenverach­tende Form der Kriminalität zu Lasten wirklich bedauernswerter Opfer endlich massiv eingedämmt werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.14

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 



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15.14.51

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Molzbichler: Das glaube ich kaum, wir sind keine Kollegen mehr! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Kollege aus Kärnten! Ich werde daran erinnern, aber ich hoffe, dass wir in Zukunft auch Kollegen bleiben! (Bundesrat Molzbichler: Das glaube ich nicht!) Okay.

Ich möchte in meiner kurzen Rede einführend sagen, dass ich es sehr begrüße, dass diese Thematik von uns allen so gesehen wird, wie sie wirklich ist. Wir haben lange ge­nug alle weggeschaut. Meiner Meinung nach haben wir lange genug zugewartet. Frau Bundesminister, nun ist es höchste Zeit!

Diese Problematik findet sich fast täglich in den Medien, uns ist also bekannt, was sich da alles an Ausbeutung und Kriminalität abspielt. Derartige Probleme sollte man in unserem Land abzubauen versuchen.

Es ist richtig, wenn man sagt: Österreich ist ein Erstauffanglager für gewisse Asylan­ten, die wirklich Probleme haben und die Hilfe Österreichs brauchen. Es kommen aber auch sehr viele andere, die sich in Österreich halt wirklich nicht so benehmen, wie man sich in einem Gastland benehmen sollte. Daher ist es umso notwendiger, dass wir uns zu den Regeln, die aufgestellt wurden, bekennen. Wir sollten uns dazu bekennen, auch zu jenen, die international Geltung haben. Wenn sich die Vereinten Nationen bemühen, Regeln aufzustellen, so tut Österreich gut daran, mit den drei Punkten im Zusatzproto­koll, wie in den Vereinten Nationen vorgesehen, aufgenommen zu werden.

Auch Punkt 2 bezüglich Artikel 50 Abs. 2 B-VG ist zu erfüllen, und alle wichtigen Sprachfassungen sind, wie vorgesehen, im zuständigen Ministerium zugänglich zu ma­chen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir, wenn all das umgesetzt wird, wirkungsvoll vor­gehen. Mit der Aufklärung müsste natürlich rechtzeitig begonnen werden, ich glaube, da haben wir noch große Versäumnisse, denn es ist dermaßen unwürdig, was sich da abspielt, vor allem, wenn Frauen und Kinder von Prostitution betroffen sind. Gegen diesbezügliche strafbare Handlungen sollten wir meiner Meinung nach wirklich ein bisschen schärfer vorgehen. Wir sollten nicht versuchen, alle Asylanten sozusagen in einen Topf zu werfen, sondern wir sollten genau unterscheiden, mit welchen Menschen wir es jeweils zu tun haben.

Frau Bundesminister! Wir sollten dafür sorgen, dass Menschen, die zu uns kommen, weil sie unsere Hilfe brauchen, diese auch bekommen, aber gegenüber Menschen, die zu uns kommen und sich bei uns nicht richtig unterordnen, sollten wir die neuen ge­setzlichen Möglichkeiten, sie werden uns mit der heutigen Beschlussfassung gegeben, entsprechend ausschöpfen.

Ich wünsche, dass wir all das ausschöpfen, um Recht und Ordnung auch weit über die Grenzen unseres Staates hinaus mitgestalten zu können, damit es vielen Menschen besser geht! – Unsere Fraktion wird dem Antrag die Zustimmung geben. (Bundesrat Molzbichler: Welche Fraktion ist das?)

15.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist nun Frau Bundesministerin Mag. Mik­lautsch.

 


15.18.58

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir alle sind uns einig darin, wie wichtig die Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen grenzüberschrei-


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tende Kriminalität tatsächlich ist. Es wurde hier auch schon sehr ausführlich dargelegt, worin diese Wichtigkeit besteht. Ich kann das aus Sicht des Justizministeriums voll und ganz befürworten, und wir werden sicher die noch notwendigen legistischen Maßnah­men hiefür vorsehen, damit wir das dann tatsächlich in die Praxis umsetzen können.

Ganz wichtig ist mir auch der 12. Tagesordnungspunkt betreffend den Bereich des Strafvollzugs. Ich wurde hier direkt angesprochen, dass die Möglichkeit des Haftauf­schubs bis 30. Juni 2007 nicht die einzige Möglichkeit sein kann, um der Probleme im Strafvollzug Herr zu werden. – Da sprechen Sie mir aus der Seele! Es ist dies wirklich nur ein sehr, sehr kleiner Teilbereich.

Herr Bundesrat Schennach, Sie haben gesagt, dass Sie gerne eine Enquete zum The­ma „bedingte Entlassung“ hätten. – Wir hatten im November des Vorjahres im Justiz­ministerium bereits eine sehr gut besuchte Enquete zum Thema „bedingte Entlassung“, die sehr interessante Ergebnisse gebracht hat.

Ich muss dazu aber auch ausführen, dass der Bereich der bedingten Entlassung schon jetzt legistisch sehr gut geregelt ist, dass es nur eine Frage der Anwendung durch die unabhängigen Gerichte ist.

Ich darf auch als bekannt voraussetzen, dass es hier unterschiedliche Entscheidungs­praktiken in den verschiedenen Bundesländern gibt. (Bundesrat Schennach: Genau! Ost–West!) Aber das ist ein Bereich, auf den weder ich als Justizministerin noch Sie als Hoher Bundesrat Einfluss ausüben können. Das ist ein Bereich der unabhängigen Gerichtsbarkeit.

Im Bereich der bedingten Entlassung ist jetzt auch insoweit eine Neuerung vorgese­hen, als wir nunmehr die elektronischen Fußfesseln mit Erlass auch als Auflage im Bereich der bedingten Entlassung vorsehen wollen. Wir werden noch im Sommer mit der elektronischen Fußfessel in den Echtbetrieb gehen.

Mir ist es auch ganz wichtig, dass wir für den Bereich Ersatzfreiheitsstrafen in Zukunft auch gemeinnützige Arbeit vorsehen. Wir haben hier vor, Pilotprojekte durchzuführen. Aber das bedarf einer sehr guten Betreuung, und auch diese werden wir vorsehen.

Ein weiterer mir wichtiger Punkt zur Entlastung unserer Haftvollzugsanstalten ist der Strafvollzug im Heimatstaat – ich habe das auch schon mehrfach ausgeführt. Wir werden ihn sehr forcieren.

Ich kann an dieser Stelle auch berichten, dass wir zum Beispiel mit Rumänien ein Memorandum of Understanding haben und auf Basis dieses Memorandums of Under­standing den Strafvollzug im Heimatstaat von rumänischen Staatsbürgern durchführen, was sehr gut funktioniert. Der rumänische Staat nimmt die Häftlinge, die straffällig ge­wordenen Menschen nach Rumänien zurück. Seit der Unterzeichnung des Memoran­dums of Understanding hat sich die Zusammenarbeit mit Rumänien auf diesem Gebiet maßgeblich verbessert.

Es gilt weiters, weiteren Haftraum zu schaffen. So sind wir beispielsweise dabei, in Graz-Karlau weiteren Haftraum zu schaffen, aber auch im Westen Österreichs wird es weitere 50 Haftplätze geben. Wir werden in Innsbruck das Justizzentrum West errich­ten, wodurch dann erstmals ein Strafvollzug für straffällig gewordene Menschen aus dem Westen dort möglich sein wird. Bis dato musste jemand, der in Vorarlberg eine höhere Freiheitsstrafe bekam, in weiterer Folge seine Strafe in Suben oder in Graz-Karlau absitzen. Das ist nicht etwas, was ich mir im Hinblick auf Resozialisierung im Strafvollzug tatsächlich so positiv vorstelle. Aus diesem Grund wird es weitere 50 Haft­plätze in dieser Strafvollzugsanstalt im Westen Österreichs geben.


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Wir haben auch vor, in Wien eine zweite Justizanstalt zu errichten – das haben Sie sicher den Medien entnommen. Wir werden auch in Graz-Karlau dazubauen. Wir sind also wirklich dabei, durch verschiedenste Maßnahmen der Probleme im Strafvollzug Herr zu werden.

Diese Maßnahme, für die ich um Ihre Zustimmung bitte, ist wirklich nur ein ganz kleiner Teilbereich, der aber doch eine gewisse Entlastung für uns bringen wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesra­tes Ing. Kampl.)

15.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestra­fung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Über­einkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kri­minalität.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz den Staats­vertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15.25.0313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juni 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien im Bereich der Kultur und der Bildung (815 d.B. und 954 d.B. sowie 7315/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Molzbichler. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.25.19

Berichterstatter Günther Molzbichler: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalra-


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tes vom 8. Juni 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien im Bereich der Kultur und Bildung.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Kulturausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Ab­satz 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.27.0614. Punkt

Kulturbericht 2003 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-282-BR/2005 d.B. sowie 7316/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Ich bitte um den Bericht.

 


15.27.17

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Kulturausschusses über den Kulturbericht 2003 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Kulturausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 den Antrag, den Kulturbericht 2003 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich wieder den Antrag zur Abstimmung, wonach bei der Debatte die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten nicht übersteigen darf.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenom­men.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.28.26

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Herr Präsident! Kollegin Fröhlich müsste eigentlich rot werden bei der Be­richterstattung über diesen Kulturbericht, da dieser nur so von Ungereimtheiten strotzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Darauf bin ich auch sehr stolz, Herr Kollege.

Meine Damen und Herren! Eine zeitliche Glanzleistung ist der Kulturbericht 2003 wahr­lich nicht. Im Frühjahr 2005 wurde der Kulturbericht 2003 präsentiert. Da fragt man sich schon, ob die Berichtlegung absichtlich hinausgezögert wurde – oder worauf man im Ministerium, Frau Ministerin, eigentlich gewartet hat.

Gibt es im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beziehungsweise in dem selbst ernannten „Zukunftsministerium“ keine zeitliche Vorgabe für Berichte? – Ich fra­ge mich schon, welche Umstände für diese Verzögerung verantwortlich waren!

Meine Damen und Herren! Nun liegt uns endlich – seit ein paar Wochen – ein farben­froher Bericht vor, wie gesagt, allerdings mit Verzögerung; auf ein paar wichtige inhalt­liche Aspekte wurde jedoch wissentlich verzichtet.

Lassen Sie mich aber zunächst auf ein paar wichtige Punkte zu sprechen kommen, die vor allem für das Jahr 2003, auch mit Hinblick auf den Kulturbericht, von Bedeutung sind. Das ist zum einen die Vollrechtsfähigkeit der Museen und zum anderen der Dieb­stahl der Saliera.

Meine Damen und Herren! Wie wir alle wissen, wurden die Museen nach und nach bis Jänner 2003 in die Vollrechtsfähigkeit entlassen. Mittlerweile sind alle Museen selbst zuständig für Buchhaltung, Einnahmen, Ausgaben und so weiter und werden nun als „wissenschaftliche Anstalten öffentlichen Rechts“ geführt.

Grundsätzlich ist diese Entwicklung auf internationaler Ebene sicherlich positiv zu be­werten, jedoch kommt man auch hier wieder in ein Dilemma: Einerseits soll das Kunst- und Kulturinteresse der Österreicherinnen und Österreicher geweckt und gefördert werden, andererseits ist der Bund aber immer weniger dazu bereit, in dieses Interesse zu investieren. Einerseits soll diese Entwicklung museumsspezifische Schwerpunkte und Wege erleichtern, andererseits stehen die Museen vor vollendeten Tatsachen. Und Direktoren, die eigentlich keine Ökonomen sind, sollen nun schauen, woher sie Förderungen und zusätzliche finanzielle Mittel bekommen.

Meine Damen und Herren! Museen sind zu gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen mutiert, auf der Suche nach einem markttechnisch interessanten Eigenprofil mit spezifi­schen Zielgruppen, Sammlungen und Ausstellungen, Marktanalysen und Marketing­strategien – auf der Suche nach Großsponsoren, die in Österreich eher spärlich zu finden sind, da eher noch in Sportveranstaltungen investiert wird als in Museen.

Die Fragen, die ich mir in diesem Zusammenhang stelle, sind grundsätzlicher Natur: Wie muss sich etwa ein Museum verkaufen, damit es für große Unternehmen attraktiv wird? Kann es sein, dass in ein paar Jahren beispielsweise Kunst beziehungsweise


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Kultur, die aus ökonomischer Perspektive als weniger wertvoll erachtet wird, dann nicht mehr gesammelt oder gar gezeigt wird? (Bundesrat Gruber: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Museen sind gewinnorientierte Unternehmen geworden, aber ohne Eigenkapital, denn die Sammlungen bleiben selbstverständlich weiterhin im Staatsbesitz, jedoch bezahlt der Bund eine Art Basisabgeltung, die seit dem Jah­re 1997 gesetzlich festgelegt ist und insgesamt über 89 Millionen € ausmacht. Die Eigendeckung der Museen lässt sich jedoch nicht beliebig steigern, und die daraus möglicherweise resultierenden Folgen sind heute noch nicht absehbar. Aber da das nicht nur in diesem Bereich der Fall ist, kann man sich vorstellen, welche Konsequen­zen blühen, wenn man etwa die Besucherzahlen nicht mehr steigern kann und wenn das Mäzenatentum ausgeschöpft ist. Frau Ministerin! Ich meine, auch diese Punkte sollten bei dieser Entwicklung mit berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren! Nicht nur in diesem Bereich gibt es offene Punkte, die uns in Zukunft wahrscheinlich noch beschäftigen werden, auch die Vorgehensweise der Bundesregierung bezüglich Versicherung der Saliera ist nach wie vor nicht geklärt und wirft einige Fragen auf – ist meiner Meinung nach ein Skandal.

Österreich hat drei Jahre Zeit für eine Klage. Davon sind mittlerweile zwei Jahre verstri­chen. (Bundesrat Bieringer: Aber noch nicht drei!) – Ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass Sie sich intensiver, Herr Kollege Bieringer, im Zukunftsministerium auch dar­um bemühen. Immerhin vermittelt auch diese Vorgehensweise ein eher bescheidenes Bild, was den Umgang mit der Saliera, das Kunsthistorische Museum und seinen Direktor Seipel betrifft.

Die Frau Ministerin schildert das Problem, dass der Wert der Saliera schwer geschätzt werden könne, und überdies müsste, so die Ministerin, noch geklärt werden, was passiere, wenn die Saliera zu einem späteren Zeitpunkt wieder auftaucht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Warum sind diese ungeklärten Punkte nicht schon längst beantwortet, Frau Minister?

Es hat den Anschein, als zögere Frau Ministerin Gehrer hier absichtlich. Ich hoffe, dass dafür nicht die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen im Kunsthistorischen Museum verantwortlich sind. Wie wir wissen, hat der Rechnungshof mittlerweile festgestellt, dass eine eigene Versicherung nicht notwendig sei, dass es zweckmäßiger wäre, den Betrag der Versicherungsprämie in laufende Verbesserungen der Sicherheitsvorkeh­rungen zu investieren. Ich denke, das sagt bereits viel über die Situation der Sicherheit aus.

Meine Damen und Herren! Apropos Sicherheit, wie sicher ist Seipels Direktorsposten des Kunsthistorischen Museums? Mir ist es völlig egal, ob Direktor Seipel schwarz, blau, rot oder grün ist, ich sehe, lese und höre jedoch, dass er in seiner Tätigkeit als Direktor anscheinend viele Bereiche schlecht oder die meisten gar nicht im Griff hat.

Der Umgang mit dem Saliera-Diebstahl, den ich vorhin angesprochen habe, das Ab­schalten der Videoüberwachungen, das Fließen von Bundessubventionen auf eigene Konten, keine ordnungsgemäße Abrechnung, Buchhaltung und Bilanzierung, ein schlechtes Betriebsklima, der Rückgang der Besucherzahlen von 1998 auf 2003 um zirka 26 Prozent, sein fraglicher Umgang mit ExpertInnen vor Ort – er missachtet sie und konferiert nicht einmal mit ihnen –, die exorbitante Erhöhung seines Gehaltes – man höre und staune: das Zweieinhalbfache! –, Ungereimtheiten mit Dienstwagen, Re­präsentations-, Reisekosten, der Ankauf der defizitären Firma „Museums Collection“, Ungereimtheiten beim Ankauf einer Sphinx-Skulptur um zirka 3,8 Millionen US-Dollar – meine Damen und Herren, all das, schwer wiegende Sicherheitsmängel und einiges mehr lassen mich zu dem Schluss kommen, dass Direktor Seipel für diesen Posten


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ungeeignet ist. Dass ihm nun der von Ihnen, Frau Ministerin Gehrer, zur Seite gestellte Prokurist aus diesem Sumpf heraushelfen kann, wage ich absolut zu bezweifeln.

In der gestrigen Sitzung des Rechnungshofausschusses sprach Direktor Seipel unter anderem von „Ungeschicklichkeiten“ beim Autokauf. Er hat sein eigenes Auto zurück­gekauft – wie auch immer, man kann es fast nicht nachvollziehen! Bei der Geburtstags­feier von Herrn Staatssekretär Morak sprach er von „Missverständnissen“. Vielleicht wollte er mit seiner Gattin auch nicht nach Japan fliegen, wahrscheinlich war das ein Missverständnis der AUA. Hat sich die Fluglinie verflogen, oder was? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Vorsitzende des Kuratoriums des Kunsthistorischen Museums, Herr Wran, ist gestern zurückgetreten. Ich denke, das war nur der erste Stein, der bei dieser Domino­partie gefallen ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Und die ÖVP steht hinter Seipel und hat volles Vertrauen zu ihm! (Ruf bei der SPÖ: Was weiß er?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme wieder zurück zum Kulturbe­richt 2003. In diesem Bericht fehlt mir auch eine klare Aufschlüsselung, etwa über die Bilanzen der einzelnen Museen, Frau Minister. Diese wäre gerade in einem bundes­weiten Kulturbericht sehr wünschenswert. Frau Ministerin! Die Feststellung, dass die Bilanzen der einzelnen Museen in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht werden, ist zwar sehr informativ, aber die Bilanzen gehören selbstverständlich auch in einen Jahresbe­richt; das ist meiner Meinung nach überhaupt keine Frage.

Genauso fehlen etwa klare und vor allem genau strukturierte Angaben über den finan­ziellen Aufwand für den Bereich Denkmalschutz und vieles mehr.

Von einem Jahreskulturbericht erwarte ich mir schlicht und einfach mehr Information über Ein- und Ausgaben der einzelnen dargestellten Institutionen und über die daraus resultierenden Konsequenzen, aber auch eine Darstellung darüber, wie viel Personal­auf- beziehungsweise -abbau es in den einzelnen Bundesmuseen gibt.

Bedauerlich finde ich aber vor allem, dass wichtige Bereiche unserer Heimatkultur feh­len. Dazu zählen für mich als Kärntner selbstverständlich auch die Kärntner Slowenen. So wurde beispielsweise keine einzige in unserem Land anerkannte Minderheit im Kulturbericht 2003 namentlich erwähnt.

Meine Damen und Herren! Die Kultur in Österreich ist – bei allem Respekt – weitaus mehr als die Bundesmuseen, der Denkmalschutz und die Wiener Hofmusikkapelle. Auch diesbezüglich erwarte ich mir von einem bundesweiten Kulturbericht weitaus mehr, Frau Minister!

Das sind nur ein paar Aspekte, die uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dazu bewogen haben, diesen Kulturbericht – diesen skandalösen Kulturbericht, möchte ich betonen – nicht zur Kenntnis zu nehmen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Molzbichler – das Rednerpult verlassend –: Da steht es drinnen! – Bundesrat Bieringer: Was kann an einem Bericht „skandalös“ sein?)

15.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.39.48

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich wollte eigentlich zum Kulturbe-


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richt 2003 sprechen, aber ich glaube, ich muss doch mit ein paar Worten auf die Aus­führungen meines Kollegen Molzbichler eingehen.

Man kann sich von einem Kulturbericht immer viel mehr wünschen, als da ist. Das ist ein legaler Wunsch. Aber ihn deshalb gleich als skandalös zu bezeichnen, halte ich für übertrieben. Übertriebene Worte halte ich in diesem Haus für nicht angebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass gerade im Jahr 2003 mit der Vollrechtsfähigkeit unserer Museen wirk­lich ein so genannter 1 000-Gulden-Schuss gelungen ist. Es ist nicht angebracht, einen international anerkannten Museumsfachmann hier billig zu beschimpfen und mit einer Fülle von Schmutz zuzudecken. Ich glaube, das hat Herr Direktor Seipel nicht verdient und es ist eher wieder einmal Eifersucht im Spiel, weil die Dinge eben so gut funktio­nieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber sehr wohl auch auf ein Kapitel eingehen, nämlich den Denkmalschutz und die Bedeutung des Denkmalschutzes für unsere Kulturlandschaft. Bei Denkmal­schutz geht es sicher nicht um die paar hundert Schlösser in diesem Land, sondern um ungefähr 60 000 bedeutende Gebäude, die über das ganze Land verteilt sind. Dabei geht es um Stadtzentren, Ortszentren, Bauernhöfe, eine Fülle von Bürgerhäusern, Kir­chen, sakralen Kunstwerken, eigentlich um unsere gemeinsame Identität als Kulturvolk in der Mitte Europas. Wenn man das abtut und von ein paar Schlössern spricht, dann richtet sich das von selbst, wie ich meine.

Es gibt hier ein Kapitel über Förderung des Denkmalschutzes. Es fällt mir leicht zu dan­ken, weil die Mittel vom Jahr 2003 auf das Jahr 2004 stark angestiegen sind. (Bundes­rat Molzbichler: Für wen? – Seipel: Das 2,5-Fache!) Es waren allerdings im Jahr 2003 nicht riesige Summen. Festzuhalten bleibt aber, dass jeder Förder-Euro in diesem Bereich ungefähr 10 € privates Kapital mobilisiert. Das ist dann doch wieder eine be­achtliche Summe, die es möglich macht, diese Denkmale zu erhalten.

Es geht in diesem Bereich aber um eine viel größere Summe. Es gibt eine Studie der Europäischen Union, des Handwerks und der KMUs, die die Gesamtsumme, die im Jahr in Österreich in Denkmale fließt, mit ungefähr 1 Milliarde € beziffert, wodurch – das ist, glaube ich, der Punkt, der hier sehr entscheidend ist – zirka 30 000 hochwer­tige Arbeitsplätze im ganzen Lande gesichert werden.

Ich glaube, dieser Aspekt, dass gerade bei der Denkmalpflege und überhaupt bei der Althaussanierung eben ein sehr viel größerer Anteil Arbeit hineinfließt, ist doch beschäftigungspolitisch ein sehr wichtiger Punkt. Es handelt sich hier um eine klare Dif­ferenzierung: im Neubau ungefähr 60 bis 62 Prozent Lohnkosten, im Altbau und in der Denkmalpflege 75 bis 78 Prozent der Kosten. Daran sieht man schon den beschäf­tigungspolitischen Effekt dieser Tätigkeit. Dazu ist auch zu sagen, dass dies sehr hoch­wertige Tätigkeiten von gut ausgebildeten Handwerkern sind.

Gerade wenn man in der letzten Zeit durch die Wiener Innenstadt geht und sieht, wie viele Gebäude auch im Bundesbesitz sehr sorgfältig und ordentlich restauriert worden sind, dann kann man, so meine ich, sowohl die arbeitsmarktpolitische Bedeutung als auch die Bedeutung für unseren Tourismus und unser Kulturgut im Allgemeinen nur positiv beurteilen.

Dies ist nur ein kleiner Aspekt des Kulturberichtes 2003. Er ist nicht so dünn, wie er hier dargestellt wurde. Es ist, glaube ich, ein guter Bericht. Natürlich kann man sich im­mer wünschen, dass er früher erscheint. Mir ist lieber, es ist ein guter Bericht. Unsere Fraktion wird ihn mit Freude und Dank annehmen. Ich danke an dieser Stelle auch all den Beamten, die an diesem Kulturbericht mitgewirkt haben. Ein guter Bericht, der


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eines Kulturlandes Österreich würdig ist! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.44


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.45.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Man kann jetzt darüber streiten: Ist es ein Bericht oder ist es ein Nachschlagewerk? Das ist etwas anderes. Ich sage, es ist ein Nachschlagewerk, in dem nachgeschlagen werden kann, was in den wichtigsten Häusern und Sammlungen im Jahr 2003 gemacht wurde. Sehr übersicht­lich, sehr werbewirksam – man kann ihn also auch für etwas anderes verwenden. Wir werden diese Arbeit der Beamten dadurch würdigen, dass wir den Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen.

Aber, liebe Frau Bundesministerin, ich wünsche mir einen Bericht über die Kultur und die Kulturentwicklung. Ich weiß, Sie haben angekündigt, 2004 wird der Bericht anders aussehen. Das heißt, er wird auch ein Abbild der Kulturpolitik sein. Ich finde es sehr wichtig, dass wir sehen, was zum Beispiel das eine oder andere Haus macht, für welche Sammlung man sich da oder dort entschieden hat, aber es geht uns um Kulturpolitik. Ich nehme zum Beispiel das Kunsthistorische Museum, das heute schon angesprochen worden ist, heraus. Das kann man nicht so darstellen, die Sammlungen und die elf Sammlungsschwerpunkte, vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion, in der sich das Haus befindet. Das müsste in einen politischen Kulturbericht hinein.

Dieser Kulturbericht ist ein Kulturkatalog Österreichs. Wir sind aber Mandatare. Wir brauchen weniger einen Katalog der österreichischen Kulturhäuser – diesbezüglich ist er hervorragend, meine Damen und Herren –, sondern wir brauchen eben genau diese politische Diskussion.

Kultur findet auch außerhalb traditioneller Häuser statt. Wir sprechen von Jugendkultur, wir sprechen von Kultur, die sich durch die neuen Medien darstellt. Es gibt auch die Kultur – Burgenland führt dieses Monat noch den Vorsitz – zum Beispiel der Minderhei­ten. Ich finde hier nichts über slowenische, kroatische oder ungarische Kulturpolitik in Österreich. Das wären meiner Meinung nach wichtige Dinge, die hier ergänzend hinzu­kommen müssten.

Aber, Herr Kollege Molzbichler, unter Oppositionskollegen: Den Skandal erkenne ich nicht, den Sie hier ausgesprochen haben. Ich finde, es ist ein solides Kulturnachschla­gewerk. Ich hoffe, die Frau Bundesministerin wird uns in ihrer Stellungnahme die Kul­turpolitik des Jahres 2003 dazu präsentieren oder dazu erklären. Aber wenn Sie, Herr Kollege, von einem Skandal sprechen, dann kann ich dem bei allem oppositionellen Verständnis, tut mir Leid, nicht wirklich folgen.

Insofern unser großes Ersuchen, Frau Bundesministerin, ich hoffe, Sie werden darauf eingehen: Wie wird der neue politische Kulturbericht dann tatsächlich aussehen? Wie kann man sicherstellen, dass das, was ich vorhin angesprochen habe, was zur Ge­samtheit der kulturellen Äußerungen eines Landes gehört, neue Strömungen und so weiter, abgebildet wird? Wie können wir das hier inkludieren? Das wäre wichtig, so­dass wir auch sagen können, so sieht es aus. Und nicht nur Besucherrekord in dieser Sammlung, Besucherrekord da.

Ich bin froh, dass zumindest der Diebstahl der Saliera genannt ist, wenn auch nur ganz kurz, aber doch. Ein Diebstahl ist allerdings auch noch keine Kulturpolitik, meine Damen und Herren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Entschuldigen Sie, für den Diebstahl


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der Saliera ist die Bundesregierung nicht verantwortlich, sondern das sind Fragen, die man an das Haus und das Sicherheitssystem eines Hauses stellt. Das ist eine Diskus­sion, die allerdings abgebildet werden müsste, da haben Sie Recht. „Skandal“ aber ist meiner Meinung nach zu hart.

In diesem Sinne werden wir hier unsere Zustimmung geben. Wir hoffen, dass die Frau Bundesministerin uns darüber hinaus auch Auskunft gibt, wie es nun mit der Beset­zung eines zweiten Direktors im Kunsthistorischen Museum weitergeht und welche weiteren Schritte und Maßnahmen als Ergebnis des Rechnungshofberichtes zu setzen sind. Das sind Dinge, die uns interessieren. Frau Bundesministerin, ich bin gespannt auf Ihre Erklärung. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gehrer das Wort. – Bitte.

 


15.50.31

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Auftrag des Parlaments an mich ist es, einen jährlichen Arbeitsbericht über die in meiner Zuständigkeit stehenden Agenden zu geben. Diese Agenden umfassen die Bundesmuseen, den Denkmalschutz und die Nationalbiblio­thek. – Das habe ich gemacht!

Es gibt immer wieder die Kritik, dass der Kulturbericht zu spät kommt. – Wir werden uns bemühen, den Kulturbericht für das Jahr 2004 bis Ende des Jahres 2005 vorzule­gen. Die Schwierigkeit im letzten Jahr bestand darin, dass wir gleichzeitig eine Muse­umsevaluierung gemacht sowie alle Sicherheitsmaßnahmen der Museen erfasst haben und dadurch die Museen eben sehr gefordert waren.

Festhalten möchte ich auch Folgendes: Ich kann keine Ungereimtheiten in diesem Kul­turbericht entdecken und glaube, dass er wirklich sehr informativ ist. Allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die jährlich einen solch umfangreichen Bericht erstellen, möchte ich danken. Das wurde übrigens auch von der SPÖ-Fraktion im Kulturausschuss ge­macht, und es wurde ausdrücklich gewürdigt – auch von der Oppositionsfraktion –, dass dieser Kulturbericht sehr informativ und übersichtlich ist.

Ich möchte jetzt zu einigen Behauptungen, die hier von einem Bundesrat aus der so­zialdemokratischen Fraktion gemacht wurden, Klarstellungen treffen; das ist mir ein großes Anliegen. Wenn Sie behaupten, der Bund sei jetzt weniger bereit zu inves­tieren, möchte ich daran erinnern, dass diese österreichische Bundesregierung seit vier Jahren enorme Beträge in die Bauten investiert: über 270 Millionen € – also Milliarden­beträge in Schilling!

Weiters möchte ich daran erinnern, dass das neue Museumsgesetz gemeinsam be­schlossen wurde – auch mit Ihren Stimmen –, wonach unsere Museen nicht in Wirt­schaftsunternehmen umgewandelt wurden – etwas, was mir ganz, ganz wichtig ist –, sondern in wissenschaftliche Anstalten. Die Museen wurden nicht in GesmbHs um­gewandelt, die auf Gewinn ausgerichtet sind, sondern in wissenschaftliche Anstalten, mit dem hohen Anspruch, künstlerisch tätig zu sein, im Denkmalschutz tätig zu sein, ebenso in den Bereichen der Restaurierung und des Ausstellungswesens sowie der Betreuung Jugendlicher.

Daraus ergibt sich in diesem Bericht auch die Politik: Wie sprechen wir Jugendliche an? Wie integrieren wir die neuen Medien? – Ich widerspreche daher ganz lebhaft der Behauptung, dass die Museen gewinnorientierte Unternehmen seien. Es sind Bundes­museen, denen wir einen Zuschuss geben, und zwar einen sehr hohen; dieser beläuft sich auf 70 Millionen €, also auf eine Milliarde Schilling.


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Darüber hinaus haben wir den Museen Freiheiten gegeben. Wir haben sie nicht auf den Markt geworfen und gesagt: Verdient euch euer Geld selber! Ich meine, dass man auch daran das neue Denken erkennt: Sicherheit zu geben mit einem Budget, auf der anderen Seite aber sehr wohl zu sagen: Selbst tätig, selbst initiativ werden, selbst auch Sponsoren ansprechen. Und diese Mischung ist doch eine sehr zukunftsorientierte Vorgangsweise. (Bundesrat Schennach: Im Sammlungswettbewerb leidet manchmal die Forschung!)

Wenn Sie sich die Forschungsberichte anschauen, wenn Sie sich heutzutage, lieber Herr Kollege, die Kataloge zu den einzelnen Ausstellungen anschauen, dann können Sie klar erkennen: Diese Kataloge sind umfangreichste wissenschaftliche Arbeiten! Sie sind aber zu schwer, um sie am Abend irgendwo gemütlich im Bett zu lesen. Jeden­falls: Diese Kataloge sind umfangreich, sind umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten zu den einzelnen Ausstellungen.

Den Museen möchte ich ganz besonders dafür danken, dass sie diese Herausforde­rungen angenommen haben, und ich glaube, man sollte herausstreichen, dass sie seit dem Jahre 1998 ein gedeckeltes Budget haben. Das ist nicht selbstverständlich; dafür investieren wir aber in Gebäude und in sonstige Bereiche.

Ich möchte auch noch etwas erwähnen zu Ihren Ausführungen über das Kunsthisto­rische Museum. Meine Damen und Herren, wir haben eine Evaluierung gemacht. Wört­lich heißt es in dieser Evaluierung von Professor Bernhard Graf, einem anerkannten Museumsfachmann aus Deutschland:

„Das KHM fördert die Einbindung Wiens in ein globales kulturelles Beziehungsfeld durch die internationale Zusammenarbeit mit anderen Museen.“

Weiters: „Das KHM ist ein bedeutender Ort der Bildung und des lebensbegleitenden Lernens ... Intensiver Forschungsaustausch mit fachfremden Institutionen im In- und Ausland.“

Sowie: Es gibt eine „beeindruckende Professionalität der Restaurierungsarbeiten des KHM mit hohem wissenschaftlichem Ertrag, ...“

Und weiters heißt es hier: „Das KHM ist ein national und international gesuchter Part­ner.“

Weiteres Zitat: „In Österreich übertrifft kein anderes Museum den Rang und die Viel­seitigkeit des musealen Lebens am KHM.“

Ich würde daher schon bitten, dem Ruf dieses international anerkannten Museums nicht durch unqualifizierte und durch nichts gerechtfertigte Vorwürfe zu schaden! (Bun­desrat Molzbichler: Rechnungshofbericht!) Die Behauptungen, die Sie da vorgetragen haben, stehen nicht im Rechnungshofbericht! (Bundesrat Konecny: Das ist nicht wahr!) Und das möchte ich an einem Beispiel sehr, sehr gerne erläutern.

Herr Generaldirektor Seipel hat sich sein Gehalt nicht „selber beschlossen“, wie hier behauptet wurde. – Dafür gibt es Gremien, dafür gibt es ein Kuratorium, in dem das Finanzministerium sowie auch andere Ministerien vertreten sind. Und da waren Ihre Vertreter, die wir nominiert haben, genauso drinnen wie unsere Vertreter, genauso wie die Vertreter anderer Ministerien!

Im Kuratorium ist ganz klar beschlossen worden, dass Direktor Seipel dafür, dass das Theatermuseum und das Völkerkundemuseum dazukommen, eine zusätzliche Abgel­tung erhält. Das ist auch von Ihrem Vertreter beschlossen worden! Es stimmt also nicht, dass sich Herr Generaldirektor Seipel selbst sein Gehalt erhöht hätte!


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Genauso stimmen die anderen Vorwürfe nicht: Bundessubventionen fließen nicht auf eigene Konten; das stimmt alles nicht! Das ist doch ein schwerer Vorwurf, und ich bitte Sie wirklich, von derartigen Vorwürfen, die einfach nicht stimmen, Abstand zu nehmen!

Die Gesellschaft der Museumsfreunde hatte ein eigenes Konto; jawohl, auch in Ihrer Zeit, als Sie von der SPÖ in der Regierung waren, haben viele Museen einen Verein der Freunde des Museums gehabt, die eigene Konten geführt haben, womit sie die Bundesmuseen unterstützen konnten.

Ich möchte Sie wirklich bitten, solch geradezu ehrenrührige Behauptungen, die Sie da geradezu staccato heruntergelesen haben, zu unterlassen! Das ist doch schon alles widerlegt worden! (Bundesrat Molzbichler: Da steht es drin! Lesen Sie nach, Frau Minister!) – In der Diktion, wie Sie das vorgetragen haben, steht das wirklich nicht drin­nen! Ja, es wird manches hinterfragt, es ist vieles widerlegt worden, es hat der Rech­nungshof 38 Empfehlungen gegeben; viele davon wurden bereits umgesetzt; weitere werden noch erfüllt werden.

Jedenfalls: Das Kunsthistorische Museum ist ein Museum von Weltrang. Herr General­direktor Seipel hat gute Arbeit geleistet. Es gibt Beanstandungen – die gibt es bei vielen Überprüfungen, auch bei vielen Firmen –, und wir werden diesen Beanstandun­gen Rechnung tragen.

Damit man auch eine andere Seite sieht, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Das Kunsthistorische Museum war das erste Museum, das in die Vollrechtsfähigkeit gegan­gen ist. Seit seiner Ausgliederung hat das Kunsthistorische Museum mehr als 100 Son­derausstellungen gemacht! Insgesamt kamen 6,6 Millionen Besucher ins Kunsthisto­rische Museum.

Das Kunsthistorische Museum stellt einen ganz wesentlichen Faktor im Kulturtouris­mus dar. Und: Das Kunsthistorische Museum hat seinen Eigenfinanzierungsgrad von 37 auf 40 Prozent gesteigert. Das ist doch etwas, wofür man schon Lob zollen und sa­gen muss: Das Kunsthistorische Museum hat sehr große Leistungen erbracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es sind in der Buchhaltung und in manchen anderen Bereichen Fehler passiert, die man abstellen muss. – Das wird gemacht. Wir sind dankbar für diese Hinweise und dafür, dass uns der Rechnungshof positive Richtungen gewiesen hat.

Zum Vier-Augen-Prinzip ist Folgendes zu sagen: Wir fordern alle Häuser auf, uns ihr Vier-Augen-Prinzip darzulegen, und werden dann für die einzelnen Häuser überlegen, wie das zu verwirklichen ist.

Zur Klarstellung möchte ich aber sagen: Das Kunsthistorische Museum hat bereits zwei Persönlichkeiten mit Prokura. Ich habe ihm also keinen Prokuristen „verpasst“, sondern es gibt dort bereits Mitarbeiter mit Prokura.

Wir überlegen uns, neben dem künstlerischen Direktor einen kaufmännischen Direk­tor zu installieren, aber wir überlegen uns genauso – wie bei den Theatern, die ja eine derartige Regelung haben –, dazu auch noch ein Dirimierungsrecht für den künstleri­schen Direktor einzuführen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wer mit wachem Geist und mit etwas Aufmerk­samkeit durch Österreich – durch die Lande und durch die Städte – fährt, der sieht, was alles im Bereich des Denkmalschutzes und im Bereich der Kultur geschehen ist: Es ist unglaublich viel geleistet worden!


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Es gibt noch viel zu tun, und deswegen danke ich denjenigen von Ihnen, die diesen Kulturbericht positiv gelesen haben, und bitte Sie, ihm die Zustimmung zu geben. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16.02.1915. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (For


Bundesrat
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schung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahres­programms des Rates (III-278-BR/2005 d.B. sowie 7238/BR d.B.)

16. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Bildung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-279-BR/2005 d.B. sowie 7239/BR d.B.)

17. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft zur Jahresvorschau des BMLFUW 2005 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates (III-277-BR/2005 d.B. sowie 7300/BR d.B.)

18. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvorschau des BMJ 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kom­mission für 2005 sowie des operativen Jahresprogramms des Rates für 2005 (III-281-BR/2005 d.B. sowie 7301/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 15 bis 18 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 15 und 16 ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Ich bitte um die Berichte.

 


16.03.56

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalis­mus über den Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (For­schung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Ausführung vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss stellt den Antrag, den Bericht über das operative Jahresprogramm zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bringe auch gleich den zweiten: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Bildung) zur Jahresvorschau des BMBWK 2005 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuss stellt ebenfalls den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Berichterstatter zu den Punkten 17 und 18 ist Herr Bundesrat Höfinger. – Bitte.

 


16.05.19

Berichterstatter Johann Höfinger: Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Jahresvorschau des BMLFUW 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des ope­rativen Jahresprogramms des Rates.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Antrag kommen:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Mai 2005 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Jahresvorschau des BMLFUW 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operati­ven Jahresprogramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvorschau des BMJ 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2005 sowie des operativen Jahresprogramms des Rates für 2005.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Mai 2005 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Justiz zur Jahresvor­schau des BMJ 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2005 sowie des operativen Jahresprogramms des Rates für 2005 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich auch hier den Antrag zur Abstimmung, wonach bei der Debatte die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


16.07.24

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde jetzt kurz auf die Punkte 15 und 16 eingehen, und ich werde mich tatsächlich kurz halten, denn beide vorliegende Jahresvorschauen sind nicht sehr aufschlussreich: Es handelt sich eben um eine Auflistung der Vorhaben der EU.

Informativ ist allerdings Folgendes: Die österreichische Position zu den vorgestellten Vorhaben wird jeweils in ein paar Zeilen abgehandelt. – Also, da hätte es mich schon ein wenig detaillierter interessiert, was nun die Position Österreichs ist!

Ein Punkt ist allerdings schon sehr aufschlussreich: In der Jahresvorschau zum Bereich Forschung finden wir den Satz: „Österreich stimmt mit den grundsätzlichen Schwerpunkten der Europäischen Kommission überein, mit Hilfe des 7. Rahmenpro­gramms einen wichtigen Beitrag zur Lissabon-Strategie zu leisten.“ – Ich halte es für sehr interessant, dass ein Teil dieses 7. Rahmenprogramms der EU zum Bereich For­schung immerhin einen Schwerpunkt auf Atomforschung legt.

Konkret steht dann in diesem Bereich zu lesen, dass es eine Verdoppelung des Atom­forschungsbudgets geben wird, und das ist eindeutig auch eine Pro-Atom-Weichen­stellung innerhalb der EU-Forschung. Die dort aufgeführten Hauptziele sind die Entwicklung neuer kommerzieller Kernfusions-Reaktoren, die Entwicklung neuer Reak­torensysteme im Bereich Kernspaltung und Forschung für die Lagerung und Wieder­aufbereitung von radioaktivem Müll. – Wie schon gesagt: Die Mittel für Kernfusion und Kernspaltung wurden in diesem 7. Rahmenprogramm im Vergleich zum 6. Rahmenpro­gramm verdoppelt.

Eigentlich gibt es ja in Österreich über die Parteigrenzen hinweg eine ganz eindeutige Position, was Atomforschung betrifft. Der Kommissionsvorschlag zum 7. Rahmenpro­gramm widerspricht jedoch sehr eindeutig der bisherigen österreichischen Beschluss­fassung, und ich würde mir von der Frau Bundesministerin schon erwarten, dass sie diese österreichische Position auch auf EU-Ebene vertritt. – So viel zu diesem Bereich.

Dann hätte ich noch eine Anregung dazu, was Österreich in seiner eigenen Präsident­schaft vielleicht als Schwerpunktthema vorantreiben könnte: Für viele – vor allem junge – Forscherinnen und Forscher wäre es eine sehr gute Chance, bei der EU um Förderungen anzusuchen. Es sind relativ viele Mittel für Forschungsförderung vorhan­den, die auch in Österreich sehr benötigt werden.

Das Problem ist allerdings, dass die Antragswege sehr kompliziert sind – vor allem für junge Forscherinnen und Forscher, die noch keine sehr große Infrastruktur haben, die sie dabei unterstützt. Diese Antragswege sind oft abschreckend, und es würde auf je­den Fall eine große Förderung darstellen – letztlich auch eine Forschungsförderung –, diese Wege zu vereinfachen. Vielleicht kann sich die österreichische Regierung im Rahmen ihrer Präsidentschaft für diese Erleichterung einsetzen. Dabei belasse ich es schon. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.09



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 127

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Ich erteile ihr das Wort.

 


16.10.22

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die zuständigen Mitglieder der Bun­desregierung erstellen zum jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommis­sion und zum Jahresprogramm der Ratspräsidentschaften Einzelberichte aus der Sicht des jeweiligen Wirkungsbereiches, die den Fachausschüssen zugewiesen werden kön­nen und dem Parlament übermittelt werden.

Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Fachausschüsse zum Beispiel bevorstehende Richtlinienentwürfe vorausschauend beraten können.

Auch ich möchte mich in meiner Rede heute auf die Punkte Bildung und Forschung beschränken und der Frau Minister für ihren Bericht danken. Im Arbeitsprogramm der Kommission für 2005 wird unter dem Punkt 2.1 – Wohlstand – hervorgehoben, dass die Schaffung eines wissensbasierten Wirtschaftsraumes in der Europäischen Union auch die Erreichung der EU-Ziele für lebenslanges Lernen impliziert.

Lebenslanges Lernen ist ein Schlagwort, das wir schon seit einigen Jahren hören, aber nicht nur ein Schlagwort, sondern auch etwas, das schon gelebt wird, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, da ich ja in der Erwachsenenbildung tätig bin und im WIFI unterrichte.

Es geht dabei um lebenslanges Lernen, auch interkulturelles Lernen, Lernen nach dem ersten Jahr der Erweiterung der EU, Erweiterung der Sprachkompetenz, Austausch mit Schulen – im burgenländischen Bereich natürlich vor allem in Ungarn. In unserer Stadt gibt es schon Projekte, in denen wir den Kindern im Kindergarten spielerisch Ungarisch näher bringen und die Sprache des Nachbarn für eine gute Nachbarschaft wieder in unserer Bevölkerung beleben.

Diese Bildungsvorhaben werden mit den – ich möchte fast sagen – „altbewährten“ Pro­grammen Comenius, Erasmus, Leonardo da Vinci und Grundtvig weitergebracht. Die österreichische Position kam bei diesen Vorschlägen des Parlamentes insofern zum Tragen, als die Kommissionsvorschläge die österreichischen Interessen berücksichtigt haben, die im Funktionspapier im Juni 2003 übermittelt worden waren.

Was die Forschung betrifft, erscheint es mir seit voriger Woche ja anscheinend beliebt zu werden, Agrarbudget gegen Forschungsbudget auszuspielen. Diese Vergleiche sind schlicht und einfach nicht legitim, da der Löwenanteil für die Forschung aus den natio­nalen Budgets der EU-Mitgliedsländer kommt; im Gegensatz dazu wird die Landwirt­schaft ausschließlich aus EU-Mitteln finanziert.

In Österreich betrug die Forschungsquote im Jahr 1995 1,54 Prozent, im Jahr 2005 liegt sie bei 2,35 Prozent. – So konnten die jährlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung seit 1995 mehr als verdoppelt werden – von 2,7 Milliarden € auf 5,7 Milliarden €.

Damit ist Österreich auf dem richtigen Weg, das Ziel einer Forschungs- und Entwick­lungsquote von 2,5 Prozent bis 2006 und 3 Prozent bis 2010 zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Winter. – Ich er­teile ihm das Wort.

 



Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 128

16.14.17

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich darf mich kurz halten, aber lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Inhalt des operativen Jahresprogramms 2005 im Bereich der Landwirtschaft zu einigen aktuellen Ereignissen Stellung nehmen:

Zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch die EU ist unsere Einstel­lung natürlich sehr positiv. Wir treten dafür ein – im Übrigen im Gleichschritt mit unse­rem ehemaligen Agrarkommissar Franz Fischler –, für die Menschen im ländlichen Raum durch Umschichtung möglichst hohe Geldsummen zur Verfügung zu stellen.

Dabei verweisen wir immer wieder darauf, dass heute weitaus mehr Menschen im ländlichen Raum in nicht-landwirtschaftlichen Sektoren ihr Einkommen verdienen und Arbeitsplätze finden. Das muss unserer Ansicht nach massiv verstärkt werden – nicht zuletzt auch deshalb, weil gerade der Agrarsektor beispielsweise von einem blühenden Tourismus in der Region stark profitieren würde. Das heißt, wir würden es begrüßen, wenn weitaus mehr aus den vorhandenen Mitteln in Betriebe in nicht-land­wirtschaftlichen Sektoren fließen sollte.

Im Zusammenhang mit der angeführten Gentechnikproblematik teilen wir die Ansicht des Landwirtschaftsressorts, dass es auch auf gemeinschaftlicher Ebene Harmonisie­rungsbedarf gibt. Im Übrigen treten wir nach wie vor für eine gentechnikfreie landwirt­schaftliche Produktion ein.

Abschließend möchte ich noch einige Worte zur bevorstehenden Zuckermarktordnung sagen: Als Mandatar aus Niederösterreich habe ich natürlich durchaus Verständnis für die Ängste der Rübenbauern in meinem Bundesland. Ich ersuche alle, die Probleme unserer Rübenbauern, aber auch die Existenzangst der Kolleginnen und Kollegen in den Zuckerfabriken in meinem Bundesland nicht zu vergessen.

Wir treten selbstverständlich für eine Abfederung der Zuckermarktordnung – wie auch immer sie im Endergebnis aussehen mag – ein, unterstützen Sie aber auch bei der Errichtung von einem Netz für die Entlassung der bedrohten Zuckerfabrikarbeiter durch Integration in die äußerst erfolgreiche AUFLEB-Stiftung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Ich erteile ihr das Wort.

 


16.17.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum zwei­ten Teil der Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Ich habe schon versucht, Herrn Bundesminister Pröll einiges zu erzählen. Er hat es dann aber sehr eilig gehabt. – Jetzt kommen leider Sie zum Zug. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ein Punkt wäre das REACH-System: Da geht es um Registrierung, Evaluierung, Auto­risierung und Verbot von diversen Chemikalien. Das System dient der Registrierung von 30 000 Substanzen, die in einer zentralisierten Datenbank genau festgehalten wer­den sollen. 16 Millionen chemische Substanzen gibt es insgesamt in der Wissenschaft, rund 30 000 davon werden erfasst, weil sie mit mehr als 10 Tonnen pro Jahr und Hersteller in der EU anfallen.

Die Risikobewertung gestaltet sich allerdings sehr kompliziert. Seit 1993 ist diese Registrierung erst bei rund 100 Substanzen erfolgt. Der Minister schreibt uns dazu eine


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723. Sitzung / Seite 129

Forderung nach einer besseren Abgrenzung des Geltungsbereiches, nach einer Ein­führung eines Systems von standardisierten Expositionskategorien und nach einer Ein­räumung einer zentralen Rolle der Agentur in der Evaluierung.

Das mag alles Sinn machen. Letztendlich denke ich aber, man wird nicht darum her­umkommen, diese Agentur besser auszustatten, denn sonst kommt man – zumindest in dieser Generation – wohl kaum mehr mit der Registrierung dieser chemischen Sub­stanzen nach. Ich würde den Minister doch auch darum bitten, dass er sich auch dafür einsetzt.

Des Weiteren möchte ich schon darauf hinweisen, dass durch all diese Abgrenzungen keine Qualitätseinbußen bei der Registrierung entstehen dürfen.

Ein weiterer Punkt ist das Projekt LIFE. Das ist ein seit langem bestehendes Umwelt­förderungsinstrument, das jetzt durch das Projekt LIFE+ ersetzt werden soll. Die Ver­handlungen laufen, und Österreich hat laut dem Bericht einige Änderungsvorschläge eingebracht.

Diese Änderungsvorschläge hätten uns natürlich schon etwas genauer interessiert. Letztendlich wird die Umsetzung dieses LIFE+-Programms größtenteils von der Finan­zierungssicherheit abhängen, das heißt davon, wie weit der EU-Finanzrahmen 2007 bis 2013 zustande kommen wird. – Unter luxemburgischer Ratspräsidentschaft ist es ja nicht passiert.

Conclusio – noch einmal zu dem Bericht –: Ich würde sagen, „Big in Japan“. Im Ver­gleich zu anderen Jahresvorschauen ist er sehr positiv, aber es fehlen mir doch einige Dinge.

Es fehlt mir der Hinweis auf die Alpenkonvention. Diese habe ich in dem Bericht ver­geblich gesucht, obwohl dort Österreich seit Herbst 2004 den Vorsitz innehat. Es ist offenbar nicht gelungen, den Stellenwert des Themas Alpen in den EU-Institutionen auf das nötige Niveau anzuheben. Des Weiteren möchte ich gerne wissen, ob die Ankündi­gung eines entsprechenden Schwerpunktes in der österreichischen Ratspräsident­schaft irgendwie ernst zu nehmen ist.

Allgemein noch zur österreichischen Ratspräsidentschaft: Die Schwerpunktpläne des BMVIT, also des Verkehrsministeriums, sollen angeblich die Förderung der Binnen­schifffahrt vorsehen. Das ist sicherlich eines der dringendsten Verkehrsprobleme in Österreich und der EU – oder vielleicht doch nicht? Es gibt gewaltige Probleme zum Thema Feinstaub, Ozon und Co., und gerade die Binnenschifffahrt ist, denke ich, viel­leicht doch nicht ganz so dringend.

Es gab da einen Vorstoß des deutschen Umweltministers Trittin und angeblich auch unseres Herrn Umweltministers im Umweltministerrat bezüglich einer Vorziehung und Verschärfung der zeitlich und inhaltlich zu wenig ambitionierten Emissionsgrenzwerte für PKW und LKW. Auch dazu habe ich im Arbeitsprogramm etwas gesucht, aber leider vergeblich, ich habe nichts gefunden. Es würde mich freuen, würde darauf doch noch irgendwie Bezug genommen werden. Denn ganz ehrlich, das ist doch ein wichti­geres Thema als die Binnenschifffahrt in Österreich.

Diese Vorziehung und Verschärfung der Emissionsgrenzwerte wäre auch deshalb wichtig, weil die Zielwerte der diversen Luftschadstoffe laut Emissionshöchstmengen­gesetz bei uns und auch in vielen anderen Mitgliedstaaten derzeit wohl außer Reich­weite sind, wenn in diesem Bereich nicht dringend etwas passiert und deutlich etwas passiert. Natürlich gibt es keine Ahndung, wenn diese Zielwerte nicht erreicht werden. Vielleicht ist das auch ein bisschen zu naiv, wenn ich denke, Ziele werden gesetzt, um sie zu erreichen – und sie werden nicht einfach nur festgeschrieben in der Hoffnung, dass ohnehin keiner daran denkt.


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(In Richtung Bundesministerin Gehrer:) Zuletzt doch noch an Sie als Bildungs- und Forschungsministerin: Es gab im gestrigen Gemeinderat in Gänserndorf einen Resolu­tionsantrag, der leider in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung vertagt wurde. Deshalb weiß ich nicht, ob er angenommen wurde. Ich möchte Ihnen diese Resolution aber trotzdem zukommen lassen.

Es geht um die Baxter-Affen in Gänserndorf, die derzeit noch dort untergekommen sind. Es ist aber so, dass sich seit der Eröffnung des Konkurses niemand mehr zustän­dig fühlt und der Bürgermeister meines Wissens die Räumungsklage schon im März eingebracht hat. Wenn sie durchgeführt wird, auch für die Affen, dann werden diese Tiere, Menschenaffen und Tieraffen, exekutiert werden müssen, nehme ich an – der­zeit ist keine andere Lösung in Sicht. Und das wäre doch schlimm, vor allem weil es um ein Forschungsprojekt geht, das wirklich internationalen Ruf hat. (Die Rednerin überreicht Bundesministerin Gehrer ein Dokument. – Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gehrer das Wort.

 


16.23.28

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bildungsprogramme, die Forschungs­programme der Europäischen Union haben sich zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt. Wenn man sich ansieht, wie die Teilnahme der Österreicher und Österrei­cherinnen gewachsen ist: Seit 1995 haben mehr als 61 000 junge Menschen an den EU-Förderungsprogrammen im Bildungsbereich – SOKRATES, LEONARDO – teilge­nommen, und wir haben seit damals knapp 100 Millionen € aus EU-Mitteln an Unter­stützung erhalten.

Was besonders erfreulich ist und was ich erwähnen möchte: Österreich ist eines der wenigen Länder, die die Stipendien verdoppeln. Das heißt, wenn jemand ins Ausland geht, wenn jemand in einem EU-Land einen Aufenthalt nimmt, dann gibt Österreich zu dem ERASMUS-Stipendium noch einmal so viel dazu, dass sich die jungen Leute diesen Auslandsaufenthalt wirklich leisten können.

Innerhalb der Forschungsprogramme haben wir eine sehr erfreuliche Entwicklung durch die Forschungsinitiative der österreichischen Bundesregierung. Durch die Erklä­rung, dass bis zum Jahr 2010 eine weitere Milliarde in die Forschung investiert werden wird, gibt es einen ungeheuren Trend zur Forschung. Der zeigt sich auch darin, dass wir sehr viele Forschungsmittel von der Europäischen Union aus Brüssel wieder zu­rückholen. Dies ist nicht immer sehr einfach, deswegen haben wir eigene Hilfestellun­gen erarbeitet und geben diese an Klein- und Mittelbetriebe, an größere Betriebe, an Forschungseinrichtungen, damit sie wissen, wie man zu diesen Forschungsgeldern kommen kann. Es ist erfreulich, dass wir in Österreich etwa 107 Prozent des Anteils, den wir in die Programme hineinzahlen, aus den Forschungsmitteln wieder zurück­holen.

Die EU hat für die nächsten Jahre sehr ehrgeizige Programme im Bereich Bildung, im Bereich Forschung. Wir haben ja die große Aufgabe, im Rahmen unserer Präsident­schaft das neue Bildungsprogramm, das neue Forschungsprogramm zu verhandeln. Das neue Bildungsprogramm soll ein integriertes Bildungsprogramm werden, das prak­tisch das lebensbegleitende Lernen auch im Bildungsprogramm widerspiegelt.

Wir haben dazu am 27. Oktober eine sehr interessante Veranstaltung in Österreich gehabt, zu der sehr viele Vertreter aus dem Bildungsbereich eingeladen waren. Da ist dieses neue, integrierte Bildungsprogramm der EU, das dann wieder über sieben Jahre


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gehen soll – mit viel Mobilität, mit viel Projektarbeit, mit viel Zusammenarbeit –, vor­gestellt worden. Es soll in besonderem Maße auch die Berufsausbildung in dieses Programm schwerpunktmäßig aufgenommen werden. Wie Sie wissen, können sogar schon Lehrlinge an derartigen EU-Programmen teilnehmen.

Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Erwachsenenbildung gelegt, auf das Pro­gramm GRUNDTVIG. Wir müssen auch eine Erwachsenenbildungsstrategie erarbeiten und der EU vorlegen. Neu sein werden die transversalen Programme und das Jean-Monnet-Programm. Im Bildungsbereich wird man also noch verstärkt versuchen – und ich glaube, das ist sehr notwendig –, den jungen Menschen die EU, die Wirkungsweise der EU und alle Mitgliedsländer der EU näher zu bringen.

Im Forschungsprogramm gibt es ein ehrgeiziges Ziel, das heißt: Wir wollen neue Pro­grammlinien entwickeln. Im Forschungsprogramm gibt es derzeit die Projektarbeit, das heißt die Kooperationen über die Länder hinweg. Ein neues Programm, das es geben soll, ist die so genannte Programmlinie „Ideen“, wobei zum ersten Mal Grundlagenfor­schung aus EU-Mitteln unterstützt werden soll. Eine neu geordnete Programmlinie ist auch „Menschen“, damit ist die spezielle Förderung der Jungforscher und Jungforsche­rinnen gemeint. Was ganz neu ist, ist die Programmlinie „Kapazitäten“, wodurch zum ersten Mal auch Strukturmaßnahmen, das heißt Strukturinvestitionen, die international sind, die staatenübergreifend sind, gefördert werden sollen. Wir denken daran, dass wir zum Beispiel unser Vorzeigeprojekt MedAustron, das in Wiener Neustadt verwirk­licht wird, das einen Gesundheitsanteil und einen Forschungsanteil hat, bei der EU auch zur Förderung der Infrastruktur einreichen.

Frau Kollegin Konrad hat hier vom Programm EURATOM gesprochen. Da möchte ich schon Folgendes festhalten, meine Damen und Herren: Selbstverständlich hält sich die österreichische Bundesregierung ganz genau an die Beschlüsse, die wir in Bezug auf Atomreaktoren gefasst haben. Wir sprechen uns bei jeder Beschlussfassung gegen die Förderung der Reaktortechnologie aus. Wir stimmen dagegen! Wir sprechen uns nicht nur dagegen aus, wir stimmen dagegen.

Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, es wäre grob fahrlässig, wenn wir jed­wede Forschungsarbeit im Bereich der Sicherheitsforschung für Atomreaktoren ableh­nen würden. Wir sind es unseren Kindern schuldig, dass wir jetzt darüber forschen: Was machen wir in Europa in 20 oder 30 Jahren mit Atomreaktoren, die man stilllegt? Was macht man in einem Krisenfall? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube – und das ist ganz wichtig –, dass wir deshalb nicht das gesamte EURATOM-Programm ablehnen können. Wir lehnen die Forschung an neuen Reak­tortechnologien ab, wir lehnen jede Förderung für neue Reaktoren ab. Aber For­schungen im Bereich der nuklearen Sicherheit – zum Beispiel Methodenentwicklung zur Risikoabschätzung, permanente Beobachtung und Evaluierung des technischen Fortschrittes, Risikopotenzial in kerntechnischen Anlagen erkennen, Monitoring der internationalen Entwicklung zum Zweck der Politikberatung, zum Beispiel Schutzme­chanismen gegenüber absichtlich herbeigeführten Schäden, Schnittstellenevaluierung zur Terrorismusforschung und zur Sicherheitsforschung, die ganze Forschung zur Reaktorsicherheit, all die Beiträge zur Weiterentwicklung von europäischen und inter­nationalen Regulierungssystemen sowie die Notfallplanung im Zusammenhang mit dem Strahlenschutz – sind äußerst wichtige Ziele. Deswegen müssen wir dieses ganze EURATOM-Programm sehr differenziert betrachten.

Meine Damen und Herren! In der Europäischen Union sind Bildung und Forschung ganz wichtige und ganz große Anliegen. Wir werden in unserer Präsidentschaft die große Herausforderung haben, diese neuen Programme zusammen mit dem Budget


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723. Sitzung / Seite 132

beschließen zu müssen. Ich bitte Sie dabei um Ihre politische Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von den Berichterstattern ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur für den Bereich Forschung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur, Bereich Bildung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für Justiz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16.31.4819. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wer­den (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005) (944 d.B. und 957 d.B. sowie 7318/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


16.32.02

Berichterstatter Ing. Siegfried Kampl: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

Ein Schwerpunkt des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates ist die Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz


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723. Sitzung / Seite 133

nach dem Muster des ASVG und damit einhergehend der Entfall der Mindestbeitrags­grundlage im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz.

Für den Bereich des ASVG sind die Fusionierung der Betriebskrankenkasse Alpine Donawitz und der Betriebskrankenkasse Kindberg und Weiterentwicklungen in den Be­reichen der Kranken- und Unfallversicherung, des Service-Entgelts und Wochengeldes hervorzuheben.

Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Beschluss des Nationalrates sind Änderungen zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz, die auf mit der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs abgestimmten Vorschlägen der Sozialversiche­rungsanstalt der Bauern beruhen und das Ergebnis einer erstmaligen Überarbeitung der Auswirkungen der mit 1. Jänner 1999 wirksam gewordenen Reform der bäuer­lichen Unfallversicherung darstellen.

Der ausführliche Bericht des Ausschusses liegt vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich wieder den Antrag zur Abstimmung, die Redezeit jedes Bundesrates in der Debatte – auf 30 Minuten je Wortmeldung – zu beschränken.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. Ich erteile ihm das Wort.

 


16.34.20

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Sozialrechts-Änderungsgesetz wird in Summe von uns Sozialdemokraten abgelehnt, obwohl das Gesetz durchaus Regelungen und Maßnahmen beinhaltet, die von uns begrüßt werden.

Ich erwähne kurz die Vorteile: Ausdehnung des Unfallschutzes bei Schülerinnen und Schülern, Erweiterung der Bemessungsgrundlage für das Wochengeld, Verbesserun­gen für Schwerstversehrte, Zusammenlegung der Betriebskrankenkassen.

Nun aber zu den Gründen für unsere Ablehnung: Im Fachjargon wird ein solches Ge­setz als „Administrations-Novelle“ bezeichnet. Das heißt, es dient zur Gesetzwerdung von Vorschriften, mit denen man Lücken schließen will, die Verwaltung des Gesund­heitssystems erleichtern und entdeckte Schwächen ausbessern will. Lücken schließen und Löcher stopfen, das ist manchmal das Gleiche.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung weigert sich seit ihrem Antreten wissentlich, die Finanzierung des Gesundheitssystems auf eine ordentliche Basis zu stellen. Im Gegenteil, sie hat durch einige Maßnahmen selbst dazu beigetragen, dass die Finanzierungslücke weiter geöffnet wurde. Vielfach vorgebrachte Einsparungsvor-


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schläge wurden negiert. Finanzierungsvorschläge sind ausgeblieben, ein gesellschaft­licher Konsens zur Finanzierung unseres im weltweiten Vergleich sicher an der Spitze stehenden Gesundheitssystems wurde nicht gesucht.

Am Ende dieser Legislaturperiode wird den Krankenanstalten eine Finanzierungslücke von 510 Millionen € übrig bleiben. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Bei den Versiche­rungen, Herr Kollege! Nicht bei den Anstalten!) Um 100 Millionen € ist dieser Betrag mit jedem Jahr, das diese Regierung im Amt war, gewachsen.

Anstatt lösungsorientiert an die Probleme heranzugehen, anstatt die Finanzierung unseres Gesundheitssystems grundsätzlich anzugehen und solche Lösungen in einem gesellschaftlichen Konsensklima anzudenken – was notwendig wäre –, entzieht man jetzt wieder der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, der AUVA, 100 Millionen € und deckt ein Fünftel der Finanzierungslücke – ein Fünftel der selbst verursachten Finanzierungslücke! Die 100 Millionen € werden der Unfallversicherungsanstalt fehlen. Das gesamte Gesundheitssystem wird weiteren Substanzverlust erleiden.

Geradezu als eine Verhöhnung muss man es empfinden, dass von diesen 100 Millio­nen (Bundesrat Ing. Kampl: Euro!) – Euro, ja – wiederum einiges sofort für die Privat­spitäler abgezweigt wird, zweckgebunden, wobei in den Privatspitälern die Patienten­auswahl selektiv ist, so selektiv, dass nur derjenige dort hingeht, der es sich leisten kann. Es gibt keine Aufnahmepflicht in den Privatspitälern, keine Ambulanz- und Not­fallverpflichtung, keine Intensivstationen.

Sie haben den gesellschaftlichen und politischen Grundkonsens, der bis dato bei der Finanzierung unseres Gesundheitswesens herrschte, noch immer nicht aufgenommen, nicht wieder aufgenommen, ja ihn mit ihren Maßnahmen sogar untergraben. Die Erhö­hung des Defizits durch eigene Maßnahmen wird mit dieser ein Mal wirkenden Maß­nahme nicht gestoppt, die grundsätzliche Finanzierungslücke bleibt. Es wird nur der Anschein erweckt, als würde man einen Lösungsbeitrag liefern. (Präsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Im Gegenteil: Man nimmt der Unfallversicherungsanstalt mit den 100 Millionen €, die entzogen werden, die Möglichkeit, präventiv in den Betrieben zum Beispiel Gesund­heitsschutz zu betreiben. Es werden also die Möglichkeiten der Unfallversicherung geschmälert. Wir wissen aber gleichzeitig, dass das Verhindern des Entstehens von Krankheit – abgesehen von der menschlichen Komponente – volkswirtschaftlich gese­hen wesentlich billiger wäre, als im Nachhinein Krankheiten zu heilen.

Das heißt, wir lehnen dieses Gesetz ab, weil es die Fortsetzung einer falschen Politik ist. Es wird im Gesundheitsbereich keine Politik gemacht, die nach Führung, nach Steuerung, nach Lenken ausschaut, die Initiativen setzen würde, die Impulse setzt, die Hoffnung gibt und die Stabilität in der Finanzierung bringen würde. Das Sozialrechts-Änderungsgesetz wird von uns abgelehnt, weil es Ausdruck einer verfehlten Politik ist. Die Auswirkungen dieser falschen Politik sollen damit nur kaschiert werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.41


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.42.00

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, dass unsere AUVA vorbild­lich arbeitet. Prävention wird groß geschrieben. Ich wundere mich immer, dass in der Praxis alles anders aussieht als hier im Bundesrat. Wir regeln in der AUVA die Dinge sozialpartnerschaftlich, da gibt es ein sehr gutes Gesprächsklima. Unsere Programme


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werden gemeinsam besprochen und ausgearbeitet, und wir sind sehr stolz auf unsere AUVA, auf unsere Anstalten.

Sie haben gesagt, es gebe keinen Grund zur Hoffnung in diesem Zusammenhang, es gebe nichts, was lösungsorientiert sei. Ich muss ehrlich sagen, das tut mir schon immer ein bisschen weh, weil eigentlich immer nur kritisiert und nie aufgezeigt wird, was man konkret besser machen kann. Deshalb möchte ich mich jetzt beim Sozialrechts-Ände­rungsgesetz auf einen Punkt beziehen, der für mich wirklich ganz wesentlich ist und den ich hervorstreichen möchte, weil er zeigt, dass man als Bundesrat in der „freien Wildbahn“, in der Praxis etwas bewegen und etwas einbringen kann, was ganz wichtig ist, und das ist heute in diesem Gesetz auch enthalten.

Ich glaube, dass Sie solche Dinge gerne überlesen. Mir macht es in meiner Funktion zum Beispiel Freude, dass in diesem Gesetz die Erweiterung der Unfallversicherung für Schülerinnen und Schüler, für die außerschulische, individuelle Berufsorientierung festgelegt wird. Diese Änderung freut mich, weil ich daran auch beteiligt war und weil sie etwas ganz Wesentliches ist.

Wir reden immer über unsere Jugend, über Lehrstellen, über die Berufswahl. Und jetzt ist eine Möglichkeit gegeben, dass sich unsere Kinder besser auf den Beruf vorberei­ten können, indem sie auch außerhalb der Schulzeit in unseren Betrieben schnuppern können. Es gibt jetzt die Regelung, dass Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren bis zu 15 Kalendertagen außerhalb der Unterrichtszeit in Unternehmen Erfahrungen sammeln können, um beurteilen zu können, ob der Beruf auch ihren Erwartungen, ihren Neigun­gen entspricht.

Gelungen ist mir das, weil ich unseren Herrn Bundeskanzler zu uns ins WIFI eingela­den habe, zum Besuch der Privatuni und auch in unser Berufsinformationszentrum. Sie wissen, ich nehme jede Gelegenheit wahr, darauf hinzuweisen, weil es für mich etwas ganz Wesentliches ist, weil das nämlich ein Lösungsansatz ist, um diese Problematik in den Griff zu bekommen. Und als sich der Herr Bundeskanzler das angesehen hat, habe ich ihm gesagt, dass ich es bedauere, dass die Kinder, die diese Berufsorientie­rung machen, die diese Tests machen, dann oft nicht die Möglichkeit haben, sich das auch noch in den Unternehmen, in der Praxis anzuschauen.

Sie wissen, diese Tests sollen auch aufzeigen, was die Kinder für Talente, für Fä­higkeiten haben. Es wird dann mit deren Eltern besprochen, für welche Berufe sie geeignet sind und was in der Wirtschaft verlangt wird. Auf Grund dieses Sozialrechts-Änderungsgesetzes haben sie eben zusätzlich bis zu 15 Kalendertagen diesen Versi­cherungsschutz.

Ich glaube, das zeigt, dass man Probleme durchaus lösen kann, dass Probleme aus der Praxis ganz einfach einer Lösung zugeführt werden. Und das wiederum zeigt, dass unsere Regierung auf dem richtigen Weg ist. Ich freue mich auch, dass unser Herr Bundeskanzler dafür ein offenes Ohr hatte, als wir ihm die Problematik aufgezeigt haben. Und wie man sieht: Heute sind wir da und sagen wir ja, weil das wirklich ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Zusammenhang mit dem Sozi­alrechts-Änderungsgesetz auf ein weiteres Thema eingehen, das mir am Herzen liegt, nämlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Wir haben jetzt schon sehr oft über die Anmeldung vor Arbeitsantritt diskutiert. Ich weiß, dass gerade von Ihrer Fraktion wieder der Antrag auf Anmeldung vor Arbeitsantritt gestellt wird, und ich weiß auch, dass die Bauindustrie sagt, sie möchte gerne die Anmeldung am ersten Tag, weil sie findet, dass das eine Möglichkeit ist, Schwarzarbeit zu bekämpfen. Anmeldung also nicht einen Tag vor Antritt, sondern am ersten Tag.


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Ich habe mir das angesehen: Es gibt in Österreich zirka 1,5 Millionen Arbeitsplatzwech­sel pro Jahr, und man darf nicht vergessen, bei 8 bis 10 Prozent der neu vereinbarten Arbeitsverhältnisse kommt es gar nicht zum Dienstantritt. Sie können sich vorstellen, was wir hier für eine Bürokratielawine lostreten, wenn wir sagen, wir wollen die Anmel­dung schon einen Tag vor Arbeitsantritt haben.

Ich bitte Sie, in Ihre Überlegungen einzubeziehen, dass die Bauwirtschaft die Anmel­dung am ersten Tag haben will und nicht einen Tag vor Arbeitsantritt. Machen Sie bitte im Hinblick auf die Anmeldung nur eine „Lex Bauwirtschaft“, aber belasten wir nicht alle Betriebe mit dieser überbordenden Bürokratie!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil ich ein optimistischer Mensch bin, sage ich: Mit Kritisieren bringt man nichts weiter, sondern man muss Probleme aufzeigen. Wir in Niederösterreich haben sozialpartnerschaftlich ein Problem geregelt. Ich muss ehrlich sagen: Es ist ein sehr schönes Arbeiten bei uns in Niederösterreich! Da funktio­niert die Zusammenarbeit der Sozialpartner, Arbeiterkammer und AMS. Wir haben uns, weil wir wissen, dass es ein Problem ist, Behinderte am Arbeitsmarkt unterzubringen, dieses Problems angenommen. Es gibt da sehr viele Vorbehalte und Ängste, auch weil man als Unternehmerin und Unternehmer oft überfordert ist, weil man Angst hat, wie sich so ein Arbeitsverhältnis entwickelt.

Sie wissen, es gibt da einen Kündigungsschutz, und das ist auch der Grund dafür, dass der öffentliche Dienst seiner Verpflichtung, Behinderte einzustellen, nur zu 81 Prozent nachkommt und für den Rest Ausgleichstaxe zahlt.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir in Niederösterreich es gemeinsam mit dem AMS ge­schafft haben, dass das AMS arbeitsrechtlicher Arbeitgeber der Behinderten bleibt und wir, die Firmen, die Behinderten in unseren Betrieben beschäftigen können. Es werden hier Vorurteile und Ängste abgebaut, wir probieren das, und ich glaube, das sind auch Lösungsansätze, die dazu beitragen, die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt zu regeln.

Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht alles so negativ zu sehen. Kritik ist gut, aber man muss auch wissen, wie man es macht. Ich bitte Sie, heute hier Ihre Zustimmung zu geben. Wir sind dabei, sehr viele Probleme zu lösen, sehr viele Hilfestellungen zu geben. Machen wir unsere Arbeit nicht schlecht! Ich bin sehr froh, dass es bei uns in der „freien Wildbahn“ weitaus besser funktioniert, als man den Ein­druck hat, wenn man hier den Reden der einzelnen Bundesräte zuhört. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.49


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.50.04

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist ja nicht so, dass man von der Opposition immer alles negativ sieht; auch mein Vorredner von der SPÖ hat den einen oder anderen positiven Punkt herausgestrichen. (Bundesrätin Zwazl: Können Sie mir sagen, welche das waren?) Vielleicht hören Sie Kritik einfach nur lauter; das kann auch sein. (Bundesrätin Zwazl: Welche Punkte waren das?)

Kollege Gumplmaier hat zum Beispiel die Unfallversicherung – genau das Beispiel, das auch Sie gebracht haben – gelobt. (Bundesrätin Bachner: Genau das hat er gelobt! Da haben Sie nicht aufgepasst! – Bundesrat Konecny: Ohne Aufpassen geht es halt nicht!) Ich hoffe, dieses Missverständnis konnte beseitigt werden.


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In der vorliegenden Novelle zum Sozialrecht findet sich eine Reihe von Punkten, die auch wir positiv bewerten und denen wir eigentlich zustimmen könnten, nur sind diese Punkte leider mit vielen anderen Punkten, denen wir nicht zustimmen können, zu einem Gesetz zusammengefasst. Das führt halt in unserer letztendlichen Entschei­dung dazu, dass wir, obwohl es da durchaus positive Punkte gibt, die gesamte Geset­zesvorlage leider nicht annehmen können. (Bundesrat Bieringer: Nicht dafür und nicht dagegen ...!) – Das ist jetzt etwas undifferenziert von Ihrer Seite, meinen Sie nicht? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Ich sagte – hören Sie mir bitte zu! –, es gibt Punkte, die wir für gut halten, es gibt darin aber auch Punkte, die schlecht sind. Wenn das getrennt in verschiedenen Gesetzen gemacht worden wäre, wäre dem leichter zuzustimmen, eben was die positiven Punkte anlangt. Dem ist aber leider nicht so, und wir können hiezu auch keine getrennte Abstimmung machen, daher: Das Gesamtergebnis ist eines, das wir nicht annehmen können.

Als positiv bewerten wir zum Beispiel auch das, was Frau Bundesrätin Zwazl hier bereits angesprochen hat, nämlich die Möglichkeit der Unfallversicherung für Schüle­rinnen und Schüler, auch Tage der außerschulischen, individuellen Berufsorientierung. Diese Schnuppertage gibt es. Die sind zwar eine Form von Gratisarbeit (Bundesrätin Zwazl: Gratisarbeit?! Also bitte!), stellen aber auch einen Erfahrungsgewinn für Schü­lerinnen und Schüler dar. Da braucht es auf jeden Fall einen Versicherungsschutz; einen solchen gab es aber bisher nicht. Das ist ein Problem, das hiemit beseitigt wird. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Herr Bieringer, ich habe gerade gesagt, dass es gut ist, dass das jetzt beseitigt wurde, dass es hiefür keine Versicherung gab. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Sie müssen zuhören, wenn ich etwas lobe! (Bundesrätin Zwazl: Aber Schnuppertage sind keine Gratisarbeit! Bitte seien Sie so gut und verwenden Sie nicht diesen Ausdruck, weil das finde ich diskriminierend!) – Ich diskriminiere damit nieman­den!

Ein weiterer Punkt, der zumindest für die davon betroffenen Personen positiv ist, sind die rückwirkenden Änderungen im Bauern-Sozialversicherungsgesetz. Dass es da rückwirkende Verbesserungen gibt, ist ja geradezu unüblich, denn normalerweise gibt es immer nur rückwirkende Verschlechterungen.

Jetzt können sich zwar die Bäuerinnen und Bauern darüber freuen, dass ihre Lobby im Ministerium offenbar sehr viel erreicht hat und es ein offenes Ohr für diese Gruppe dort gibt, nur hat leider der Großteil der Bevölkerung davon nichts. Für den Großteil der Be­völkerung, die nicht Bäuerinnen und Bauern sind, wäre es auch manchmal sehr wich­tig, dass das Ministerium etwas genauer hinhört, was denn deren Bedürfnisse wären. In diesem Punkt wird also leider mit zweierlei Maß gemessen. Auch wenn es für die Betroffenen durchaus etwas Gutes ist: Ich würde mir wünschen, dass eben nicht nur eine Bevölkerungsgruppe mit positiven Regelungen bedacht wird, sondern dass das auf alle ausgeweitet wird.

Positiv ist auch – jetzt sind wir schon beim dritten positiven Punkt –, dass ein Redakti­onsfehler beseitigt wird, der dazu geführt hat, dass Frauen, die zwischen dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes und dem Anspruch für das nächste Kinderbetreuungsgeld kurzfristig gearbeitet haben, deshalb dann nur ein minimales Wochengeld erhalten haben. – Das wird jetzt repariert. Unserer Meinung nach hätten allerdings alle Frauen, die eventuell davon betroffen waren, weil der Abstand zwischen den beiden Bezügen des Kinderbetreuungsgeldes bis zu sieben Monate betragen hat, per Brief darüber informiert werden sollen, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, sich ihren Anspruch auf das Wochengeld neu berechnen zu lassen. Es lässt sich durchaus feststellen, wie viele


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davon eventuell betroffen sind; das werden auch nicht sehr viele Personen gewesen sein.

Daher nochmals: Es wäre durchaus möglich gewesen, alle darüber zu informieren. Ein entsprechender Antrag der Grünen im Nationalrat hat leider keine Mehrheit gefunden. Es war Ihnen also offensichtlich nicht möglich, einem Oppositionsantrag, auch wenn er Erfolg gebracht hätte und sinnvoll gewesen wäre, zuzustimmen. – Also auch die an­dere Seite hört die positiven Dinge nicht immer so, wie es wünschenswert wäre. – Faktisch ist es jetzt eine Frage des Zufalls, ob die betroffenen Frauen davon erfahren, ob sie eventuell einen höheren Anspruch hätten, als sie tatsächlich bezahlt bekommen haben. Das hätte vermieden werden können, wurde aber leider nicht.

Was von unserer Seite jedenfalls vehement abgelehnt wird – jetzt bin ich bei den wirk­lichen Kritikpunkten –, ist die Erhöhung der Zahlungen an den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds. Dieser Fonds verteilt öffentliche Mittel an Einrichtungen, die sich eigentlich nur jene mit Zusatzversicherungen leisten können. Es ist nicht einzusehen, weshalb Privatkliniken, die ohnehin Mittel aus der Sozialversicherung bekommen, gerade dann noch mehr Mittel bekommen, wenn das Defizit der öffentlichen Sozialver­sicherungen steigt. Es ist auch nicht einzusehen, dass jene, die es sich wahrscheinlich nie werden leisten können, sich in einem Privatkrankenhaus behandeln zu lassen, über ihre Beiträge diese Privatkrankenhäuser mitfinanzieren!

Ein weiteres ganz großes Problem sehe ich auch darin, dass die Sanierung der Kran­kenversicherung durch eine zusätzliche Belastung der Unfallversicherung erfolgen soll. Die Krankenversicherung braucht dieses Geld natürlich ganz dringend, aber auf Dauer wird sich das strukturelle Problem nicht mit einer Umschichtung von Finanzmitteln lösen lassen!

Das ist kein Konzept für die Zukunft, was da jetzt gemacht wird, sondern lediglich eine kurzfristige Lösung! – Dieses Problem wird in absehbarer Zeit wieder auftreten und ist damit keinesfalls gelöst. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.55


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zellot. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.55.49

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz mit seinen verschiedenen Punkten wurden bereits sehr viele positive Dinge gesagt. Daran anschließend möchte ich erwähnen, dass es seitens dieser Bundesregierung sehr verantwortungsvoll war, Jugendlichen auch bei so genannten Schnuppertagen einen gewissen sozialen Schutz und soziale Sicherheit zu bieten. Das ist etwas, das ich als sehr verantwortungsbewusst erachte.

Genauso verantwortungsvoll ist es aber auch, dass es im Krankenkassenbereich zu Zusammenlegungen kommt, was ja immer Ziel dieser Bundesregierung war, ebenso Ziel unserer Fraktion, nämlich eine effiziente Zusammenführung zum Beispiel jener in dieser Gesetzesvorlage geregelten beiden Betriebskrankenkassen.

Anführen möchte ich in diesem Zusammenhang auch, dass ich es als Erfolg erachte, dass es im Bereich der Bauern-Sozialversicherung – ein wesentlicher Punkt – die Mög­lichkeit der Weiterführung eines Betriebes für Hinterbliebene gibt; ebenso die Rege­lung, was das Heranziehen von Einsatzkräften von bis zu zwei Jahren nach dem Tod eines Versicherten anlangt. Ich glaube, das ist in einer so schwierigen Situation eine


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sehr hilfreiche Maßnahme; ja das ist nicht nur hilfreich, sondern auch sehr verantwor­tungsvoll gemacht.

Weiters möchte ich auf einen wesentlichen Punkt eingehen, der hier bereits angespro­chen wurde, nämlich auf den Betriebsschutz, auf die Sicherheit am Arbeitsplatz.

Geschätzte Damen und Herren! Dazu, dass Kollege Gumplmaier behauptet hat, dass es da zu Einschränkungen komme, möchte ich den Bundesrat darüber informieren, dass gestern in Villach eine Tagung des Forums Prävention der Allgemeinen Unfall­versicherungsanstalt stattgefunden und AUVA-Chef Dr. Norbert Winkler dort zu dieser Gesetzesvorlage sehr positiv referiert hat. Anwesend waren auch Vertreter des hiefür zuständigen Ministeriums, ebenso alle Sozialpartner. Egal, ob von der Vertretung der Arbeitnehmer durch die Arbeiterkammer, der Vertretung der Betriebe durch die Wirt­schaftskammer, der Vertretung der Unfallversicherungsanstalt: Alle Referate dort ha­ben gezeigt, dass in Hinkunft – noch stärker als bisher – Wert auf die Einhaltung ordentlicher gesundheitlicher Rahmenbedingungen gelegt wird.

Das, meine Damen und Herren, ist auch in der Unfallversicherung sehr positiv und wichtig im Hinblick auf einen kostensparenden Einsatz finanzieller Mittel. – Bei dieser gestrigen Tagung konnte man eindeutig sehen, dass sich niemand – wirklich nie­mand! – negativ zu diesen Dingen geäußert hat, sodass das tatsächlich als weiterer Erfolg zu werten ist. Jedenfalls hat bei dieser Tagung niemand kritisiert, dass die Auf­gaben und Leistungen der Unfallversicherungsanstalt auch nur irgendwie einge­schränkt worden wären. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.59


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.59.35

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Man kann natürlich auch das System der österreichischen Krankenversicherung nur durch eine bestimmte Brille sehen, wie das mein Vorredner, Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier, gemacht hat.

Ich glaube, es hat sich in den letzten fünf Jahren in diesem System Wesentliches verbessert, und wenn es bei der Krankenversicherung und im Gesundheitswesen noch immer Probleme gibt, dann ist das zu einem großen Teil ein Problem der Wiener Gebietskrankenkasse! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Bachner: Aber das stimmt doch gar nicht!)

Bitte, lassen Sie mich das erklären, Frau Kollegin! (Bundesrat Konecny: Sie weiß es! Sie brauchen ihr nichts zu erklären!) Das ist ein riesiges Problem! (Bundesrätin Bach­ner: Das ist ja lächerlich!)

Wie erklären Sie sich, dass die Wiener Gebietskrankenkasse allein 53 Prozent des Gesamtabganges in der Krankenversicherung verursacht? 53 Prozent Abgang werden von der Wiener Gebietskrankenkasse verursacht, und das, obwohl die Wiener Gebiets­krankenkasse die höchsten Beitragseinnahmen aller Bundesländer hat! – Das würde mich einmal interessieren. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Ich sage das deshalb in diesem Hause, weil wir hier als Vertreter der Bundesländer sitzen, die dann über ihre Versicherten und Mitglieder der Gebietskrankenkasse zum Beispiel aufgefordert werden, über den Ausgleichsfonds dieses Defizit zu bezahlen. Ich frage mich: Wie kommt ein Vorarlberger, wie kommt ein Oberösterreicher oder ein Tiroler oder wer immer dazu, dass dort zugebuttert wird? Insgesamt 53 Prozent des Gesamtabganges sind von der Wiener Gebietskrankenkasse verursacht.


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Wenn ich mir die Gebarung der anderen Krankenkassen anschaue, wie zum Beispiel der Versicherungsanstalt der Eisenbahner oder des Bergbaues – positive Gebarung! –, der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter – eine positive Gebarung! (Bundes­rätin Bachner: ... Äpfel mit Birnen!) –, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft – eine positive Gebarung! –, der Sozialversicherungsanstalt der Bauern – eine positive Gebarung! –, dann glaube ich, dass dieses Ziel auch ein von der Wiener Gebietskrankenkasse erreichbares wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich insgesamt die Gebarungsabgänge der vergangenen Jahre vergleiche – weil Kollege Gumplmaier gesagt hat, es sei alles schlechter geworden, es sei alles mies und es sei alles problembeladen –, dann darf ich mitteilen, dass es seit dem Jahr 2000 einen Abgang von veranschlagten 413 Millionen € gegeben hat, und dieser ist im Jahr 2004 zurückgegangen auf 329,8 Millionen €. Wir haben nur mehr eine Abwei­chung von 96 Prozent – und ursprünglich, im Jahr 2000, waren es noch 182 Prozent!

Also es geht voran! Die Frau Ministerin ist vorbildlich tätig bei der Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Basis der Gebietskrankenkassen und der Krankenkas­sen insgesamt.

Aber ein Problem kann ich Ihnen nicht ersparen – weil Sie sofort so aufgeregt reagiert haben, als ich gesagt habe, die Wiener Gebietskrankenkasse hat einen besonders hohen Abgang –: Kollege Gumplmaier hat von Privatkrankenhäusern gesprochen. Die Wiener Gebietskrankenkasse leistet sich als einziger Landesträger einer Gebietskran­kenkasse den Luxus des Hanusch-Krankenhauses! (Bundesrätin Bachner: Wie wollen Sie es haben?) – Ja, ich kann es Ihnen nicht ersparen, das hier im Bundesrat zu erwähnen (Bundesrat Konecny: Selbstverständlich!), weil alle Bundesländer-Gebiets­krankenkassen das bezahlen müssen!

Nur eine Gebietskrankenkasse leistet sich ein Sonderkrankenhaus, nämlich die Wiener das Hanusch-Krankenhaus. (Bundesrätin Bachner: Was glauben Sie, was passieren würde, wenn wir das zusperren würden?) Der Abgang im Jahr 2002 – das ist die letzte Zahl, die mir zur Verfügung steht – beträgt 34,8 Millionen € – bei einem Krankenhaus! 34,8 Millionen muss der ... – Pardon, ich korrigiere: 34,8 Millionen muss der Aus­gleichsfonds der Krankenversicherungsträger zahlen – das Defizit ist wesentlich höher! Also 34,8 Millionen müssen die anderen Bundesländer für das Wiener Hanusch-Kran­kenhaus zahlen! (Bundesrätin Bachner: Na und! Sperren wir es zu!)

Jetzt muss man sich vorstellen, wenn man sagt: Gleichberechtigung – alle Gebiets­krankenkassen ... (Ruf: ... Euro?) – Euro! Pardon: Euro! (Bundesrat Bieringer: Das sind 500 Millionen Schilling!) 500 Millionen Schilling! (Bundesrat Konecny: Unterbre­chen Sie einmal und sortieren Sie Ihre Zahlen neu! – Das ist ja grotesk!)

Wenn Sie sich jetzt in die Situation versetzen, dass alle Bundesländer sich nach dem Prinzip der Gleichberechtigung solche Häuser leisten würden: Wir könnten das Ge­sundheitssystem wirklich nicht mehr finanzieren, wenn jedes Bundesland derart hohe Abgänge bei einem Krankenhaus produzierte!

Der Rechnungshof hat das bestätigt. Der Rechnungshof hat die Wiener Gebietskran­kenkasse und insbesondere das Hanusch-Krankenhaus geprüft und Folgendes festge­stellt:

Erstens: Keine ausreichenden Maßnahmen zur Reduktion des stationären und vor allem des ambulanten Leistungsangebotes.

Zweitens: Zu hoher Gesamtaufwand. Im Jahr 2002 123 Millionen, im Jahr 2003 129 Millionen auf Grund von überhöhten Personalkosten je Beschäftigten. Diese liegen 50 Prozent über dem Schnitt der Personalkosten in anderen Wiener Krankenhäusern!


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Warum sind diese Kosten so hoch? 50 Prozent über dem Schnitt anderer Kranken­anstalten in Wien!

Drittens: Die Kosten für die Leistungserbringung – so der Rechnungshof in seiner Kri­tik – beliefen sich im Jahr 2002 auf rund 118 Millionen €, davon rund 73 Millionen € Personalkosten.

Viertens: Die Aufwendungen von 1999 bis 2002 sind nur zu 56 Prozent durch Erträge bedeckt.

Fünftens: Betriebsabgang 2002 rund 52 Millionen €.

Und letztlich regt der Rechnungshof eine Kooperationsmöglichkeit und das Nutzen von Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Wiener Krankenanstalten und Versorgungsan­geboten an.

Ich glaube, dass das schon ernst zu nehmen ist, und zwar deshalb, weil alle anderen mitzahlen müssen. Alle anderen müssen mitzahlen für diese Misswirtschaft, die der Rechnungshof beim Hanusch-Krankenhaus eindeutig festgestellt hat.

Im Gegensatz dazu die Initiativen der Frau Bundesministerin, etwa die Initiative Heil­mittel: Während wir noch vor wenigen Jahren Steigerungswerte im zweistelligen Be­reich, also von über 10 Prozent, bei den Heilmitteln hatten, sind es derzeit 4 Prozent. Es erfolgte eine Reduktion auf 4 Prozent! (Bundesministerin Rauch-Kallat: 2,5!) – Oder jetzt schon 2,5; ich habe noch den Wert vom vergangenen Jahr.

Zusätzliches Geld wurde in den letzten Jahren in das System eingespeist.

Die Schnittstellen zwischen intramuraler und extramuraler Betreuung sind zu echten Nahtstellen der Zusammenarbeit geworden – also nicht ein Schnitt, wo jeder wieder neu anfängt mit seinen Diagnosen und Untersuchungen, sondern im Sinne einer echten Kooperation intra- und extramural übergreifend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir beim Gesundheitswesen auf einem guten Weg sind. Dass die Konzepte greifen, das haben die Zahlen jetzt bestätigt. Und ich bin überzeugt: Bei diesem Weg wird auch in Zukunft die Gesund­heitsversorgung für unsere Bevölkerung bestens gewährleistet sein! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zellot.)

17.08


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


17.08.25

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich ganz kurz zu diesem Sozialrechts-Änderungsge­setz Stellung nehmen.

Es ist in der Tat ein Gesetz, das viele Maßnahmen enthält. Ich bedanke mich auch bei allen Rednern, die einige positive Maßnahmen daraus hervorgehoben haben, vor allem den verbesserten Unfallschutz für Schülerinnen und Schüler, die schnuppern gehen dürfen. Ich halte es für wichtig, dass sie das erstens tun und dass sie zweitens dabei bestens versichert sind.

Es ist natürlich auch die Fusionierung zweier Betriebskrankenkassen in der Steiermark sinnvoll, weil damit Synergieeffekte erzielt werden, ebenso die Vereinfachung der Ein­hebung des Serviceentgeltes für die Gesundheitskarte. Ich freue mich, dass sie funk­tioniert – allen Unkenrufen zum Trotz.


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Die Erweiterung der Bemessungsgrundlage für Wochengeld um bezogenes Kinder­betreuungsgeld: nicht eine Anlassgesetzgebung, sondern eine Lücke, die entstanden ist und die wir sofort geschlossen haben – und zwar rückwirkend, damit keine Mutter einen Nachteil davon hat –, und das unmittelbar, schon einen Monat, nachdem die Arbeiterkammer das aufgezeigt hat.

Darüber hinaus gibt es viele Verbesserungen für Bauern, ein umfassendes Bauern­paket, insbesondere was die Versehrtenregelung anlangt. Ich denke, dass das wirklich die Ärmsten betrifft. Auch für Härtefälle erfolgen Regelungen beziehungsweise eine Verbesserung, und auch die Unterhaltsansprüche sollen nicht auf das Versehrtengeld angerechnet werden.

Das heißt, alles in allem eine Fülle von Maßnahmen. Dazu gehört auch die Valorisie­rung des PRIKRAF, aber darauf komme ich noch zu sprechen.

Herr Dr. Gumplmaier! Sie haben es herausgefordert – ich hätte es nobel verschwiegen, würde ich einmal sagen, aber Sie haben es herausgefordert: Die 100 Millionen, die wir der AUVA wegnehmen müssen – es hat mir wirklich von Herzen wehgetan –, dienen dazu, das Loch bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu stopfen! Ich habe es wirklich nicht gern getan, und eigentlich sollte die SPÖ den Mantel des Schweigens darüber breiten, denn die Wiener Gebietskrankenkasse verursacht jährlich – und das seit Jah­ren! – einen Abgang von 200 Millionen €. Das sind sage und schreibe knapp 3 Milliar­den Schilling – jährlich! Erst im vergangenen Jahr ist es gelungen, nach sehr vielen Maßnahmen und Kontrollen meinerseits, das Defizit unter 200 Millionen € zu bekom­men. Die Wiener Gebietskrankenkasse erhält, inklusive Hanusch-Krankenhaus, den größten Anteil aus dem Ausgleichstopf.

Im Übrigen – ein bisschen Wissen schadet nicht, Herr Abgeordneter –: Sie selbst haben in diesem Gremium im letzten und im vorletzten Jahr Maßnahmen beschlossen, die rund 800 Millionen € zusätzlich für die Sozialversicherungen sichern. Das heißt, dass hier ein Aushungern der Krankenversicherungen stattfindet, kann ich wirklich nicht sehen, ganz im Gegenteil: 800 Millionen € zusätzlich, das sind mehr als 10 Mil­liarden Schilling!

Im Übrigen ist das Defizit, das prognostizierte Defizit – es wird nämlich um einiges niedriger sein, wie immer – von 500 Millionen € nicht bei den Krankenanstalten, son­dern bei den Sozialversicherungen zu erwarten.

Wenn Sie sagen, es wird der Dissens fortgesetzt, dann dürfte es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein – oder wer immer Sie da möglicherweise falsch informiert hat –, dass wir die gesamte Gesundheitsreform nicht nur ganzheitlich angelegt haben, sondern dass wir 14 Monate lang ausführlich mit allen Beteiligten diskutiert, alle Fraktionen, alle Krankenversicherungen, die Ärztekammer, die Apothekerkammer eingeladen haben. Und sie haben sich auch beteiligt! Also hier fand eine große Suche nach dem Konsens statt! Vielleicht ist es auch Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass die Gesundheits­reform im vergangenen November zu großen Teilen einstimmig dieses Haus passiert hat und auch diesen Bundesrat zum großen Teil einstimmig passiert hat. – Also das vielleicht ein bisschen zur Erinnerung.

Wenn Sie sagen, dieses Geld, das jetzt der AUVA weggenommen wird, wird in die Pri­vatkrankenanstalten gesteckt, auch dazu ein bisschen Information: Die Privatkranken­anstalten bekommen einen Bruchteil dessen, was die öffentlichen Krankenanstalten bekommen – und das nicht valorisiert. Das, was wir jetzt tun, ist nur eine Frage der Fairness: dass wir nämlich diesen Betrag, diesen Bruchteil valorisieren – und zwar deswegen, weil auch das Wiener Krankenanstaltenwesen, das öffentliche, zusammen­brechen würde, gäbe es nicht die Privatkrankenanstalten! Es sind dies nicht die „Kran­kenhäuser für die Reichen“, sondern es sind Krankenanstalten, die in der Versorgung


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die Wiener Spitäler, aber auch alle anderen Spitäler wesentlich entlasten – auch wenn sie keine Intensivstationen haben.

Also ich würde meinen, ein bisschen Nachdenken wäre da schon notwendig, es würde nicht schaden. Ich hoffe auch, dass die Wiener Gebietskrankenkasse, da sie ja die beste Struktur aller Krankenkassen hat, vielleicht in den nächsten Jahren etwas positi­ver gebaren kann. Sie können in Oberösterreich bei der Oberösterreichischen Gebiets­krankenkasse ein bisschen schauen, wie die es gemacht haben. Die waren nämlich vor zehn Jahren in der gleichen schwierigen Situation und haben es geschafft, mit einem Relaunch zu einem sehr positiven Ergebnis zu kommen.

Niemand will das Hanusch-Krankenhaus zusperren (Bundesrat Konecny: Ach so!) – daran ist überhaupt nicht gedacht (Bundesrätin Bachner: Ich habe nichts dagegen!), das ist ein gutes Spital! Aber niemand sieht ein, dass jährlich die Gebietskranken­kassen aller anderen Bundesländer mehr als 30 Millionen € – bitte, 400 Millionen Schil­ling! – in das Hanusch-Krankenhaus hineinbuttern. Die Oberösterreicher, die Vorarlber­ger, die Salzburger, die Tiroler nutzen das Hanusch-Krankenhaus nicht, und es ist daher nicht verständlich, warum nicht das Hanusch-Krankenhaus vom Wiener Kran­kenanstaltenverbund übernommen wird. Dann könnten dort dieselben Gehälter gezahlt werden, und nicht 150 mehr ... (Bundesrätin Bachner: Aber Niederösterreicher und Burgenländer sehr wohl, Frau Ministerin! Das müssen Sie schon dazusagen!) Die Nie­derösterreicher haben kein Spital, ... (Bundesrat Konecny: Das ist ja ungeheuerlich! Sie zählen die Bundesländer auf und sagen nicht dazu, ...! Das ist eine Unwahrheit, was Sie sagen!)

Lieber Herr Bundesrat Konecny! Ich trete jederzeit gerne mit Ihnen in eine Diskussion ein und informiere Sie. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht richtig informiert sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen und Bravorufe bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Sie haben uns nicht richtig informiert!)

Es würde nicht schaden, bevor Sie hier hineinschreien, wenn Sie Ihren Informations­stand ein wenig heben würden. (Bundesrat Konecny: Nein, Sie versuchen ihn gerade herunterzuziehen!) Die Betriebspflicht, die das Hanusch-Krankenhaus im Jahr 1993 oder 1994 noch schnell in das ASVG bekommen hat, bin ich gerne bereit, aus dem ASVG zu streichen. Es ist ein einziger Satz. Ich finde sicher die Zustimmung meiner Fraktion und auch anderer Fraktionen. Also diese Ausrede lasse ich nicht mehr gelten! Ich denke, es wäre fair, wenn sich die Stadt Wien damit auseinander setzen würde, auch dieses Spital in den Krankenanstaltenverbund zu übernehmen, wie es der Rech­nungshof vorgeschlagen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.16


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Bundesrat. (Ruf bei der ÖVP: Muss das sein?)

 


17.16.29

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Ich glaube, diese meine Wortmeldung – ich habe eigentlich nicht vorgehabt, mich hier zu Wort zu melden – hat Kollege Kneifel ein wenig provoziert. Kollege Kneifel! Wenn du hier die Wiener Gebietskrankenkasse mit der Gewerbeversicherung vergleichen willst (Bundesrätin Bachner: Ja, das ist auch ein bisschen schizophren!), dann muss ich sagen: Beides gekannt. Man würde sich eigentlich wundern. (Bundesrätin Bachner: Auch mit den Eisenbahnern: ... Vergleich!)

Frau Bundesminister! Sie haben sich sicher das SVA-System ganz genau angesehen. Das ist eigentlich das, wo die Beitragszahler am meisten einzahlen und am wenigsten bekommen. Also ich wünsche mir für alle Wienerinnen und Wiener, dass sie nicht so


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eine Krankenkasse bekommen, wo sie immerhin 9,1 Prozent zahlen – wir haben ja im Vorjahr die Schallmauer durchbrochen; also 9 Prozent Krankenversicherungsbeitrag, werden wir hinuntersetzen, dafür haben Sie jetzt schon mein Kompliment, und auch Frau Präsidentin Zwazl wird Ihnen Rosen streuen, denn ich fordere das in Oberöster­reich in der Wirtschaftskammer seit nunmehr, glaube ich, fünf Jahren –, und jetzt schauen wir uns einmal das Leistungsspektrum an:

Ich habe dafür eine Krankenversicherung mit einem 20-prozentigen Selbstbehalt – das muss man sich einmal vorstellen, wenn man weiß, dass die Hälfte der Versicherten dieser Anstalt in der Mindestbeitragsgrundlage eingestuft ist, was das heißt, 20 Prozent Selbstbehalt zu bezahlen! –, und dann fehlt eine ganz wesentliche Leistungskompo­nente, nämlich das Krankengeld. Der Selbständige hat kein Krankengeld! Viele – es sind auch wieder in etwa die Hälfte – der Mitglieder der oberösterreichischen Wirt­schaftskammer sind Leute ohne Mitarbeiter. Das heißt, sie haben niemanden! Wenn sie krank sind, dann steht der Laden, dann verdienen sie nichts! (Bundesrätin Zwazl: ...! Das wissen Sie doch ganz genau! Vergessen Sie das nicht immer! ...! Wenn einer krank wird, wenn seine Frau ein Baby kriegt, ...! – Bundesrat Konecny: Was hat das mit dem zu tun?)

Es sind aber nicht alle Frauen, die ein Baby bekommen. Es gibt auch einen kleinen Tischler, es gibt einen kleinen Tapezierer. Der bekommt kein Baby – der bekommt nichts! Er hat eine andere Möglichkeit – und da bitte ich auch die Kollegin Zwazl, sie kann sich nachher hier zu Wort melden –, Sie können das nachlesen im GSVG: Es gibt ein Krankengeld im GSVG, allerdings gegen eine Aufzahlung von 25 Prozent! Das heißt, er nähert sich mit seinem Beitrag dann langsam der 13-Prozent-Marke. So schaut das aus!

Jetzt vielleicht noch einmal kurz zur Gebietskrankenkasse. Ich glaube, dass man hier in Wien ganz einfach andere Parameter hat. (Bundesrätin Bachner: Das glaube ich auch!) Wenn man das Ganze nämlich hinterfragt, dann werden Sie feststellen, Frau Bundesministerin, dass es bei Heilbehelfen und bei Heilmitteln, wenn man die zwei Berichte 2003 und 2004 vergleicht, jeweils ein Plus von 100 Millionen gegeben hat – österreichweit! Das ist kein Wiener Problem! Bei der Anstaltspflege, meine Damen und Herren, erwarte ich mir von Ihnen so viel Ehrlichkeit, dass auch Sie, wenn Sie die beiden Berichte 2003 und 2004 vergleichen, ein Plus von 200 Millionen feststellen – und zwar österreichweit. Ich meine daher, dass es sich da nicht um Probleme handelt, die in Wien hausgemacht sind, sondern was es in Wien gibt, meine Damen und Her­ren – und ich glaube, dazu stehen wir, auch die Vertreter aus den Bundesländern –, das ist eine Spitzenmedizin an den Universitätskliniken, wo eben hochwertigste medi­zinische Leistungen geboten werden, sodass aus ganz Österreich (Bundesrat Dr. Küh­nel: ... Hanusch-Krankenhaus?) aus den Schwerpunktspitälern Menschen nach Wien gebracht werden – und das verursacht natürlich Kosten!

Herr Dr. Kühnel! Reduzieren Sie nicht das Problem dauernd auf das Hanusch-Kran­kenhaus! Sie kennen als Wiener die vielen Universitätskliniken mit exzellenten Ärzten (Bundesrat Konecny: Spitzenmedizin, jawohl!), die von allen Österreicherinnen und Österreichern in Anspruch genommen werden. (Bundesrätin Bachner: Vielleicht soll­ten wir einmal für den Bundesrat eine Führung im Hanusch machen!) – Ganz richtig! Es wird von der Kollegin eine Führung angeboten werden, da können Sie sich das ansehen. (Bundesrätin Bachner: Ich werde das organisieren!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt einen zweiten Sozialversicherungsträger, der auch in seiner Sphäre Spitzenmedizin anbietet, nämlich die AUVA. Ich glaube, wir sind gut be­raten, wenn es in Wien ein Lorenz-Böhler-Krankenhaus gibt, in Meidling ein Unfallkran­kenhaus, denn dort hat man in der Mikrochirurgie eigentlich Vorbildfunktion – weltweit! Da werden Führungen gemacht, bei denen sich Leute anschauen, was hier geboten


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wird. Auch in Linz, in meiner Heimatstadt, wird dieser Tage der Neubau des Unfall­krankenhauses der AUVA eröffnet.

Wir sind, glaube ich, gut beraten, diese Häuser hochzuhalten. Wir haben es nicht not­wendig, diese hochwertige Gesundheitsversorgung hier in Misskredit zu bringen. Dar­um würde ich vor allen Dingen die beiden Fraktionen von der Regierungskoalition und auch Sie, Frau Bundesministerin, bitten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

17.21


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Zwazl.

 


17.21.20

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesrat Schimböck! Sie wissen ganz genau: Sie vergessen immer wieder, welch tolle Einrichtungen wir haben, und so eine ist die Betriebshilfe! Ich muss ganz ehrlich sagen, die Betriebshilfe habe ich vor 20 Jahren in der gewerblichen Wirtschaft ins Leben gerufen. Dafür zahlt die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft ein.

Dass ein Unternehmer kein Baby bekommen kann, weiß ich. Aber bei den Betriebs­hilfeeinsätzen entfallen 50 Prozent auf Unternehmer aus Kleinstbetrieben bei Unfall und Krankheit. Ich mache diese Position für Wien, Niederösterreich und Burgenland noch immer ehrenamtlich. Ich habe bis jetzt 1 400 Einsätze abgewickelt. Das sind wirk­lich Einsätze bis zu drei Monaten. Sie können sich vorstellen, welch große Hilfe das ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Da wir gerade unter den Kleinstbetrieben sehr viele haben, die bei der Mindestbei­tragsgrundlage liegen, sind diese Einsätze kostenlos. Die SVA Gewerbe wirtschaftet also gut.

Herr Bundesrat Schimböck, wir waren beide heute in der Vollversammlung der Wirt­schaftskammer Österreich. Dort konnten Sie ganz genau hören, dass jene 1,6 Prozent, die die Wirtschaft mehr an Krankenversicherung zahlt, jetzt in eine zusätzliche Pensi­onssäule für unsere Unternehmer umgewandelt wird. Bitte seien Sie so nett und nennen Sie die Einrichtungen, die wir haben, und machen Sie sie nicht schlecht!

Rühren Sie sich dort, wo es Sinn macht! Wären Sie doch heute aufgestanden und hätten Sie das in der Kammer gesagt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.23


Präsident Mag. Georg Pehm: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstattung verzichtet auf das Schlusswort.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.23.3820. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend das Rahmenüberein­kommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (890 d.B. und 958 d.B. sowie 7319/BR d.B.)

 



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723. Sitzung / Seite 146

Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Ich bitte um den Bericht.

17.24.00

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs bringen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bie­ringer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte schön.

 


17.26.00

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Punkt 20 der Tagesordnung erscheint mir als einer, bei dem wir nicht ohne Diskussion weiter­gehen sollten, er ist sehr wichtig. Da wir wissen, was alles durch den Tabak und seinen Folgen passiert und wie negativ sich diese ganze Entwicklung auf unsere Jugend auswirkt, sollten wir, so glaube ich, diese Diskussion für unsere Gesundheit und unsere Jugend unter allen Umständen führen.

Es ist richtig, dass die Weltgesundheitsorganisation 2003 ein Maßnahmenpaket be­schlossen hat. Dieses Maßnahmenpaket beinhaltet Entwicklungsstrategien gegen das Rauchen, Einhalt des Tabakschmuggels, Maßnahmen für Raucherentwöhnungen, Tabakprodukte an Minderjährige, eine Regelung für die Tabakindustrie, den Schutz für Passivraucher, Eindämmung des Tabakverbrauches, Informationsaustausch für Rau­cher, Preise und Tabaksteuer.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 147

Was wird alles gegen das Rauchen getan? – Seit 30 Jahren bemüht sich in Österreich eine Organisation, nämlich die Nichtraucherschutzorganisation, darum. Ich glaube, sie macht das sehr vorbildlich, sie wird dafür auch von der Bundesregierung ein bisschen unterstützt. Große Leistungen hingegen, glaube ich, bringt die Bundesregierung in Form der allgemeinen Aufklärung, vor allem der Jugendaufklärung, der Öffentlichkeits­arbeit und seit neuestem in Form von Freizeiträumen für die Nachmittagsbetreuung unserer Jugend.

Notwendig für die Zukunft sind neben dem Tabakgesetz natürlich auch gesetzliche Sanktionen, die leider Gottes, Frau Bundesministerin, zum Teil noch großen Nachhol­bedarf haben. Eine Statistik gibt bekannt, dass in Österreich jährlich 14 000 Tote durch aktives Rauchen, 1 500 durch das passive Rauchen zu beklagen sind. Das sind 15 500 Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich glaube, das ist ein biss­chen viel.

Verschiedene Hinweise auf den Zigarettenpackungen sind gut und abschreckend. Eine bessere Aufklärung bezüglich Tabakzusammensetzung wäre notwendig. Tabak enthält bis zu 4 000 chemische Substanzen. Wenn man weiß, dass 100 davon gesundheits­gefährdend sind, so kann man erkennen, welche Verantwortung wir da haben.

Folgen des starken Tabakkonsums sind natürlich Lungenkrankheiten, Herz-Kreislauf-Krankheiten, eine hohe Gefährdung für werdende Mütter und deren Kinder, Hustenreiz, Augenentzündungen.

Bei der 56. Weltgesundheitsversammlung, bei der 192 Mitgliedsstaaten anwesend wa­ren, haben 25 Staaten die Rahmenbedingungen unterschrieben. Zwei Länder in Euro­pa, nämlich Irland und Norwegen, haben eine gesetzliche Regelung betreffend Rauch­verbot am Arbeitsplatz, in Bars und Restaurants.

Protestaktionen von Trafikanten sind zu erwarten. Die Spanne ist relativ klein. Man sollte also mit den Wirtschaftstreibenden, mit dem Finanzminister einmal ein Gespräch führen. In Österreich gibt es aber 2,3 Millionen Raucher – und, was ich sehr begrüße, eine Unterschriftenaktion, ein Anti-Raucher-Volksbegehren. Wir sollten das Anti-Rau­cher-Volksbegehren ernst nehmen, Frau Bundesministerin: im Interesse unserer Kin­der, im Interesse unserer Zukunft. Die freiheitliche Fraktion wird die Zustimmung dazu geben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm.)

17.30


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


17.30.35

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich bei Ihnen hier im Hohen Haus dafür bedanken, dass Sie der Ratifizierung des Rahmenvertrages der Weltgesundheitsorganisation zustimmen. Wir setzen damit, wie ich meine, einige wichtige Akzente auch im Sinne des Nichtrau­cherschutzes.

Die positive Nachricht vorweg: Normalerweise werden Rahmenabkommen unterzeich­net – und dann wird es auf nationaler Ebene umgesetzt. Bei diesem Gesetz haben wir es umgekehrt gemacht: Wir haben die Umsetzung vorweggenommen. Mit der Gesund­heitsreform haben wir alle Maßnahmen, die dieses Rahmenübereinkommen vorsieht, bereits im Dezember vergangenen Jahres beschlossen; diese sind bereits seit 1. Jän­ner 2005 in Kraft. In diesem Sinn können wir durchaus zufrieden sein, aber wir sollten nicht erlahmen.

Noch immer müssen wir, wie ich meine, in der Umsetzung des Nichtraucherschutzes nicht nur Bewusstsein bilden, sondern auch auf die Einhaltung der Vorschriften achten.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 148

Wir tun das im Rahmen eines Aktionsprogrammes des Gesundheitsministeriums. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.32


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Frau Berichterstatterin ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen daher nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder, die der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz bedürfen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.33.3521. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHD-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005) (941 d.B. und 959 d.B. sowie 7320/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes (950 d.B. und 961 d.B. sowie 7321/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (603/A und 963 d.B. sowie 7322/BR d.B.)

 



Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 149

Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 21 bis 23 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 21 bis 23 ist Frau Bundesrätin Gansterer. – Ich bitte Sie, Frau Bundesrätin, alle drei Berichte in einem vorzunehmen.

 


17.34.10

Berichterstatterin Michaela Gansterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Ich bringe die Berichte des Gesundheitsausschusses.

Bericht zu Punkt 21: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHD-G geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zu Punkt 22: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zu Punkt 23: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke Ihnen, Frau Bundesrätin.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bie­ringer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der Debatte über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 150

17.36.29

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Qualität im gesamten Gesundheits­system, gut ausgebildetes Personal ist für uns alle – es kann schließlich jeden Einzel­nen treffen – ein sehr, sehr wertvoller Schatz.

Mit der neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz-Novelle – im Fachjargon heißt sie GuKG-Novelle – soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Berufsausübung im gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege auch im Wege der Arbeits­kräfteüberlassung möglich ist.

Mit dieser Gesetzesnovelle wird dem Tatbestand gefährliche Pflege so richtig Tür und Tor geöffnet. Vorerst war im Entwurf ein Drittel für Arbeitskräfteüberlassung vorgese­hen. Niemand konnte uns bis dato definieren – vielleicht kann das Frau Ministerin Rauch-Kallat heute tun –: ein Drittel wovon? Ein Drittel jeder einzelnen Abteilung, ein Drittel der gesamten Krankenhäuser? Das wurde nie genau definiert.

Nach Verhandlungen ist es gelungen, diesen Anteil auf 15 Prozent zu reduzieren. Jetzt stellt sich aber für mich die Frage: Wo ist denn da der eigentliche Bedarf? In Zukunft wird es also möglich sein, bis zu 15 Prozent des im Krankenhaus beschäftigten diplo­mierten Pflegepersonals auf dem Wege der Arbeitskräfteüberlassung zu rekrutieren.

Bei der Umsetzung dieses Gesetzes zeigt sich ganz, ganz eindeutig, dass sich die Ver­mittler von Leiharbeitern durchgesetzt haben. Selbst im Bereich der Metaller, genauer gesagt bei der Voest, also bei Berufen, bei denen weit weniger in die Integrität eines Menschen eingegriffen wird, werden 5 Prozent akzeptiert, um – so die Begründung – auch die Qualität halten zu können.

Der Berufsgruppenobmann der Arbeitskräfteüberlasser hat, gemeinsam mit einer Pfle­gedirektorin, in einer APA-Aussendung die Meinung vertreten, dass Frauen, die bisher aus persönlichen Gründen nur mit geringer Stundenverpflichtung oder an bestimmten Tagen arbeiten konnten, jetzt die Möglichkeit hätten, beim Arbeitskräfteüberlasser an­gestellt und von diesem vermittelt zu werden.

Was bedeutet das für diese Frauen? Und meistens sind es im Pflegebereich Frauen. – Es ist das ein Job auf Abruf! Diese Frauen wissen nicht, wann, wie lange und wo sie hinbestellt werden.

Anstatt dafür zu sorgen, dass Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden, wird wieder eine neue Tür aufgemacht, um Jobs zu schaffen, bei denen es keine Möglichkeit gibt, für eine eigenständige Alterssicherung zu sorgen.

Nicht nur die Oppositionsparteien, sondern sogar Abgeordnete des Nationalrates aus den Regierungsparteien, so zum Beispiel Kollege Rasinger, haben ihre Befürchtungen hinsichtlich eines massiven Qualitätsverlustes bekundet. Rasingers Meinung nach seien maximal 15 Prozent der Arbeitskräfteüberlasser tolerierbar. Maximal!

Rasingers Worten zu Folge: Pflege ist nicht so einfach in der Arbeitskräfteüberlassung wie die Reinigung, denn bei der Reinigung ist es egal, in welchem Krankenhaus man arbeitet und wie lange man arbeitet. Bei der Pflege jedoch haben wir es mit Menschen zu tun, die oft einen längeren Krankenhausaufenthalt vor sich haben. Und wenn dann ständig das Personal gewechselt wird, wird dies zum Problem.

Um die Pflegequalität von Pflegeanbietern zu sichern, ist vom Arbeitskräfteüberlasser die Qualifikation des Personals zu garantieren. Da die fehlenden Konsequenzen für organisatorische Mängel die Gefahr der Schäden – gesundheitlicher Schäden – in sich tragen, ist eine strafrechtliche Absicherung der Qualitätsstandards unbedingt erforder­lich.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 151

Es wurden auch seitens der Ärztevertreter Bedenken geäußert im Hinblick darauf, dass es in Zukunft legitim sein soll, bis zu 15 Prozent Leiharbeitskräfte in der Krankenpflege, vor allen Dingen auch im akuten Dienst, einzusetzen. § 15 des GuKG regelt den mit­verantwortlichen Tätigkeitsbereich und sieht vor, dass es nur zu Delegationen zwi­schen Tätigkeiten von Arzt zum Pflegepersonal kommen kann, wenn man sich davon überzeugt hat, dass auch die Qualifikation möglich ist. Das wird bei nicht bekanntem, ständig wechselndem Personal ganz einfach nicht möglich sein.

Zusammenfassend: Die Regierung kümmert sich meiner Meinung nach nicht um die Qualität der Pflege der Menschen in Spitälern und Heimen. Der Bedarf an Pflegeperso­nal wird in den nächsten Jahren enorm ansteigen. Die Regierung sollte daher mög­lichst rasch für ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten sorgen und keine Leiharbeits­kräfte zulassen.

Die Frage der Entlohnung für das Leihpersonal ist auch nicht außer Acht zu lassen: Während das Stammpersonal eines Krankenhauses nach den jeweils gültigen Kollek­tivverträgen oder Gesetzen des jeweiligen Dienstgebers zu entlohnen ist (Ruf bei der ÖVP: Auch im „Hanusch“!), werden Leiharbeitskräfte nach dem Mindestlohnprinzip ent­lohnt. Dabei kommt es langfristig auch zu einem Lohndumping in diesem Bereich.

Dass das nötige Vertrauensverhältnis im mitverantwortlichen Bereich bei ständig wech­selndem Personal nicht im nötigen Ausmaß gegeben ist, darunter leidet natürlich auch der hohe Standard der Qualität, den es im Augenblick gibt.

Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, das Gesundheitssystem totzusparen, sondern für gut qualifiziertes Personal zu sorgen und zu investieren – zugunsten der Beschäf­tigten, aber auch zugunsten von uns allen, denn wir können alle miteinander einmal krank werden. Daher werden wir diesem Entwurf in dieser Form nicht zustimmen. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Beim Entwurf des MTD- und Hebammen-Gesetzes konnte nach langer schwerer Ge­burt – passt gut zum Hebammen-Gesetz – eine Vereinheitlichung der Ausbildung er­rungen werden, und dem werden wir auch zustimmen. Um eine weitere Durchlässigkeit jedoch nach oben hin zu gewährleisten, wäre noch zusätzlich eine Implementierung weiterführender Fachmaster-Studienlehrgänge, die im Augenblick nur im Ausland angeboten werden, nötig.

Dem Entwurf des Dentistengesetzes werden wir ebenfalls zustimmen, da es sich ja nur um eine Übergangsregelung handelt, die so lange aufrecht ist, bis die Kammer aufge­löst wird und in die Zahnärztekammer reibungslos übergehen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.44


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Baier. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.44.29

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Ich möchte insbesondere zur Novelle des MTD-Gesetzes und des Hebammen-Gesetzes Stellung nehmen, insbesondere im Hinblick auf die sehr zu begrüßende Höherqualifizierung der jeweiligen Berufsgruppen, die hinkünftig die Möglichkeit haben werden, an einer Fachhochschule ein Bakkalaureat zu erwerben, nicht so wie bisher – und das ist die momentan geltende Rechtslage – nur an Akade­mien. Dies ist nicht erst durch die Internationalisierung und durch den Bologna-Prozess notwendig geworden, sondern diese Höherqualifizierung ist auch aus bildungspoliti­scher Sicht besonders begrüßenswert.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 152

Es wird damit die Möglichkeit für die einzelnen Fachhochschulträger geschaffen, An­träge beim Fachhochschulrat zu stellen. Neue Trägereinrichtungen können ebenfalls diese Anträge stellen, um ein entsprechendes Angebot in den Bundesländern an ent­sprechenden Standorten in Zukunft anbieten zu können.

Die Finanzierung ist davon freilich nicht betroffen. Die Finanzierung ist so wie bisher über den Finanzausgleich selbst geregelt und passiert von Seiten des Krankenanstal­tenfonds auf Landesebene. Das sollte man an dieser Stelle auch ins Treffen führen und mit berücksichtigen.

Ich glaube, dass mit dieser Novelle und mit diesem neuen Regelungsbereich der Ent­wicklung in den Medizinisch-technischen Diensten und in den Hebammen-Berufen Rechnung getragen wird. – Unsere Fraktion begrüßt diese Entwicklung.

Abschließend sei nochmals dazugesagt: Die bildungspolitische Komponente und, wie bereits angesprochen, die Durchlässigkeit in diesem System sind absolut zu begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.47


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.47.06

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir Grünen werden dem Dentis­tengesetz – nachdem es sich um eine Übergangsregelung handelt – natürlich zustim­men, ebenfalls dem MTD-Gesetz. Wir begrüßen sehr, dass die Ausbildung im Bereich der medizinisch-technischen Berufe und der Hebammen in Fachhochschulen über­geführt wird, da dies im europäischen Bildungskontext sicherlich einen Vorteil bringt, wenn man diese Berufe – und andere sind ja auch in Planung – in diese Bildungs­module übernimmt.

In der Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz gibt es durchaus positive Punkte wie die Schaffung einer Sonderausbildung in der Kinderintensivpflege. Den­noch ist es problematisch, dass man 15 Prozent an Leasing-Arbeitskräften im Pflege­bereich zulassen will.

Jetzt kann man natürlich diese Geschichte auch von einer anderen Seite betrachten. Dazu, Frau Ministerin, würde mich sehr Ihre Einschätzung interessieren beziehungs­weise wie diesbezüglich vorgegangen wird. Wir haben in Oberösterreich die Situation – es wird in anderen Bundesländern nicht anders sein, insbesondere in jenen, die an das Ausland angrenzen –, dass eine Vielzahl, hunderte von Arbeitskräften aus Tschechien, aus der Slowakei kommen, inzwischen auch aus Ostdeutschland, die zu Kosten von in etwa 2 200 € pro Monat in den Haushalten Tag und Nacht arbeiten. Die Menschen wechseln sich wöchentlich ab. Es ist ein absoluter Graubereich. Die Familien sind mit der Situation konfrontiert: Entweder sie greifen auf dieses System der Unterstützung zurück oder sie können es nicht gewährleisten, Familienmitglieder zu Hause im eige­nen Bereich zu pflegen.

Ich sage, man sieht zu. Man sieht zu, was passiert, weil man keine anderen Lösungs­ansätze hat. Dennoch ist die Politik diesbezüglich gefordert, denn das ist ein Bereich, der – genauso, wie Kollegin Lueger gesagt hat – dazu führt, dass es zu einem Lohn­dumping kommt. Genau das ist es, was wir diesem Gesetzesvorschlag ankreiden: eben dass man im Ausmaß von 15 Prozent einer Gesamtbelegschaft Leasing-Arbeits­kräfte einsetzen kann. Dabei ist zu sagen, dass es in diesen Bereichen sehr stark dar­auf ankommt, wie die persönlichen Beziehungen zwischen Pflegendem und Gepfleg­tem sind, zwischen den Familienangehörigen, die in einer schwierigen Situation sind,


Bundesrat
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wenn sie einen Menschen zu pflegen haben. – Und das alles, sind wir der Meinung, ist in dieser Form mit Leasing-Arbeitskräften nicht wirklich zu bewerkstelligen.

Dennoch sehe ich natürlich die Problematik der Kluft zwischen Bedarf und tatsächli­cher Nachfrage. Der tatsächliche Bedarf, der sehr hoch ist, differiert mit der Nachfrage, weil die Nachfrage etwas mit Finanzierung zu tun hat, und das ist einer der Bereiche, der einer Lösung zugeführt werden muss.

Es ist immer wieder ein Thema, dass es zu wenig an Angebot bei den Pflegekräften gibt, und da stellt sich wiederum die Frage: Was ist dieser Bereich wert? Pflegeberufe sind ein Bereich, der sehr schlecht bezahlt ist, in dem die Arbeitsbelastung sehr hoch ist, sowohl die physische wie die psychische. Das heißt, es müsste in diesem Bereich sehr stark daran gearbeitet werden, dass diese Pflegeberufe aufgewertet werden. Das ist ein Problem, das schon seit längerer Zeit diskutiert wird, wo ich persönlich aber keine Fortschritte sehe. Es wäre aber höchst an der Zeit, hier tatsächlich zu entspre­chenden Fortschritten zu kommen.

Kollege Kneifel, Sie haben angesprochen, dass der Übergang von der intra- zur extra­muralen Pflege sehr gut funktioniert. Ich kann diese Einschätzung beziehungsweise Ihren Optimismus in diesem Bereich nicht wirklich teilen, da von Bürgerinnen und Bür­gern an mich herangetragen wird, dass teilweise die Abwicklung innerhalb der Kran­kenhäuser nicht funktioniert, dass Menschen mit Diagnosen drinnen sind, eineinhalb Monate später wieder und Dinge, die vorher funktioniert haben, dann im selben Kran­kenhaus nicht mehr funktionieren, geschweige denn, dass es nach außen hin funktio­niert. Das zu meinem großen Bedauern, weil ich persönlich glaube, dass das sehr, sehr essentielle Bereiche sind, auf die man zu achten hat, um die Qualität im Gesund­heitsbereich steigern zu können und auch effizienter die Mittel einzusetzen. Das mit Sicherheit.

Wie gesagt, das sind die Bedenken, die wir in diesem Bereich hegen. Obwohl wir auch Vorteile in diesem Gesetzentwurf sehen, können wir der Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­räten der SPÖ.)

17.52


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


17.52.44

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Die vorliegenden Gesetzesmaterien bringen eine Reihe von Verbesse­rungen, vor allem für Gesundheits- und Krankenberufe. Wir führen die Hebammen be­ziehungsweise die medizinisch-technischen Assistenten in Fachhochschulen über oder wir eröffnen die Möglichkeit, diese Ausbildung auch im Rahmen von Fachhochschulen durchzuführen. Ich denke, das ist deswegen ganz wichtig, weil wir damit diese Berufs­gruppe auch an den europäischen Standard heranführen und weil wir darüber hinaus in diesen Berufen den hohen Bedarf an Ausbildung decken können und damit auch die Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen. Sie wissen, die Akademien haben sehr oft in den Bundesländern nur für den eigenen Bedarf ausgebildet, und es war oft sehr schwierig für die Ausgebildeten, dann das Bundesland zu wechseln.

Was den Krankenpflegebereich anbelangt, so bin ich sehr froh, dass es uns damit auch gelingt, die Kinderintensivpflege zu verankern, eine echte Qualitätsverbesserung zu erreichen beziehungsweise auch eine Ausbildung in Teilzeit für diplomiertes Pflege­personal anzubieten, etwas, was bislang nicht möglich war, was aber insbesondere für Wiedereinsteigerinnen ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist.


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Was die Arbeitskräfteüberlassung für Diplompersonal anbelangt, denke ich, dass wir damit sowohl einen Qualitätsschub erreichen, weil wir ja diese Arbeitskräfteüberlas­sung an Qualitätskriterien binden, als auch vor allem eine Sicherheit für die Pflegen­den, weil damit auch für nicht Angestellte die Ausstellung eines entsprechenden Berufsausweises überhaupt erst möglich wird.

Wir sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass wir im Krankenhausbereich einen Mangel an diplomiertem Pflegepersonal haben, dass ein grauer Arbeitsmarkt ge­herrscht hat, der für uns absolut unbefriedigend war und dem wir jetzt mit dieser Rege­lung begegnen können. Es ist nun möglich, verschiedene Frequenzsteigerungen in den Krankenhäusern beziehungsweise Krankenstands- oder Urlaubszeiten besser abde­cken zu können. Selbstverständlich müssen die überlassenen Arbeitskräfte sozialversi­cherungsrechtlich abgesichert sein; das ist ja bei jeder Arbeitskräfteüberlassung so.

Mit der Begrenzung auf 15 Prozent innerhalb der Einrichtung kann sichergestellt wer­den, dass auf die Bedürfnisse einer Einrichtung Rücksicht genommen werden muss und dass die Qualität und die Kontinuität gewahrt bleiben. Selbstverständlich ist die Stationsschwester beziehungsweise sind die Pflegedienstleitung und die ärztliche Lei­tung angehalten, die Qualität jeder eingesetzten Kraft, egal, ob sie im Krankenhaus angestellt ist oder ob sie eine überlassene Arbeitskraft ist, sicherzustellen.

In diesem Sinn denke ich, dass wir mit diesen Gesetzesvorlagen einige Verbesserun­gen insbesondere für wichtige Gesundheitsberufe schaffen, und bitte daher um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

17.56


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Berichterstatterin ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend eine GuKG-Novelle 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderungen des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
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723. Sitzung / Seite 155

17.58.0324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (617/A und 962 d.B. sowie 7323/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

 


17.58.21

Berichterstatter Edgar Mayer: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme deshalb zum Antrag:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.59.2725. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Bangseu­chen-Gesetz, das Rinderleukosegesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Bienenseu­chengesetz geändert werden (Veterinärrechtsänderungsgesetz 2005) (947 d.B. und 964 d.B. sowie 7324/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepub­lik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne (943 d.B. und 965 d.B. sowie 7325/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 25 und 26 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 25 und 26 ist Frau Bundesrätin Sissy Roth-Halvax. – Ich bitte, beide Berichte zu erstatten.

 


18.00.04

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Bangseuchen-Gesetz, das Rinderleukosege­setz, das IBR/IPV-Gesetz und das Bienenseuchengesetz geändert werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 156

Der Bericht liegt Ihnen allen vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte weiters über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tierge­sundheit und Tierquarantäne.

Der Bericht ist Ihnen ebenfalls bekannt und liegt schriftlich vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juni 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für diese beiden Berichte.

*****

Bevor wir in die Debatte eingehen, bringe ich den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 47 Abs. 5 der Geschäftsordnung zur Abstimmung, wonach bei der De­batte über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates die Redezeit eines Bundesrates 30 Minuten je Wortmeldung nicht übersteigen darf.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.01.47

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Da sich diese Sitzung bereits in der Zielgeraden befindet und da Sie, Herr Präsident, darüber abstimmen ließen, dass ich nicht länger als 30 Minuten reden darf, werde ich es kurz machen. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)

Beim Tagesordnungspunkt 25 geben wir dem Veterinärrechtsänderungsgesetz natür­lich unsere Zustimmung. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das Gegenteil ist beim Tagesordnungspunkt 26 der Fall. Durch dieses Abkommen sollte es österreichischen Exporteuren ermöglicht werden, Zuchttiere, Samen, Embryo­nen, Fleisch und Fleischwaren in die Volksrepublik China zu exportieren. Seit dem Jahr 2000 wurde an diesem Abkommen gearbeitet – fünf Jahre sind ja keine allzu kurze Zeit. Bezüglich der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne wäre es jedoch sehr wichtig, aktuelle Gesetzesvorlagen zu haben. Und genau das ist unser Kritikpunkt. Die Vogelgrippe, Seuchen und Epidemien verbreiten sich schneller, als uns lieb ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 157

Wir können diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben, wenn veraltete Gesetzes­vorlagen verwendet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Dipl.-Ing. Bogensperger. Ich erteile ihm das Wort.

 


18.03.39

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mit diesem Veterinärrechtsänderungsgesetz sollen dringend erforderliche Anpassungen an das europäische Recht vorgenommen sowie eine Reihe von Vollzugsproblemen gelöst werden.

Das Tierseuchengesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die örtliche Zustän­digkeit für die Durchführung von Strafverfahren. Das würde zum Beispiel im Zusam­menhang mit der zentralen Schweinedatenbank dazu führen, dass sämtliche Fälle von unterlassenen Meldungen durch das Bezirksamt für den 11. Bezirk in Wien, wo der Sitz der Statistik Austria ist, zu verfolgen wären, auch wenn der Meldepflichtige seinen Wohnsitz etwa in der Steiermark oder in Vorarlberg hat.

Dies ist weder vom Arbeitsaufwand noch von der Sache her sinnvoll. Im § 69 wird fest­gelegt, dass Verletzungen von Melde-, Mitwirkungs- und Auskunftspflichten auf Grund des Tierseuchengesetzes von jenen Behörden zu verfolgen sind, in deren Sprengel der Meldepflichtige seinen Wohnsitz hat.

Durch die Änderung des Tierarzneimittelkontrollgesetzes wird eine EU-konforme Rege­lung des Inverkehrbringens von Tierarzneimitteln mit hormonaler Wirkung geschaffen.

Zum Bangseuchen-Gesetz ist zu sagen, dass Österreich Gott sei Dank bangfrei ist. Mit dieser Novelle soll versucht werden, diesen Umstand aufrechtzuerhalten. Es soll damit weiters ermöglicht werden, auch zeitgemäße Milchuntersuchungen in die Überwa­chungsprogramme aufzunehmen.

Ähnlich ist es auch mit der Rinderleukose und dem IBR/IPV-Gesetz. Österreich ist frei von diesen beiden Krankheiten. Mit einer Milchuntersuchung könnte auch bei diesen Krankheiten ein höherer Überwachungsstandard erreicht werden.

Der BSE-Fall im Kleinen Walsertal zeigt, wie wichtig die Überwachungsmaßnahmen sind. Durch die offenen Grenzen in der EU ist es sehr wohl wichtig, dass durch Unter­suchungen und Tests unser hoher Standard erhalten bleibt.

Beim Bienenseuchengesetz geht es uns darum, dass diese Krankheit, da in Europa bereits der Kleine Bienenstockkäfer aufgetreten ist, der, von Afrika ausgehend, aus Amerika eingeschleppt worden ist und jetzt in Portugal ist, auch anzeigepflichtig ge­macht wird. Im Ernstfall können dadurch Maßnahmen gesetzt werden.

Weiters werden Maßnahmen gegen die gefährliche Vogelgrippe in Aussicht gestellt, und es wird ein Abkommen mit China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne beschlossen.

Es sind damit eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen im Bereich der Tierseuchen ge­geben. Daher werden wir von der ÖVP-Fraktion diesem Gesetzesantrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 158

18.06.24

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da mir Herr Kollege Bogensperger schon sehr viel von den Vorteilen „abgenommen“ hat – zwi­schen Anführungszeichen –, kann ich meine Ausführungen auch sehr kurz halten.

Dem Abkommen zwischen Österreich und der Volksrepublik China betreffend die Zu­sammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne können wir lei­der nicht zustimmen. Meiner Meinung nach sind Tiertransporte nach China pervers, egal, ob das aus Zuchtgründen geschieht oder zum Verkauf. Das ist einfach eine Stre­cke, die meiner Meinung nach vom Tierschutz her nicht vertretbar ist.

Das Tierseuchengesetz, das Bangseuchen-Gesetz, das Rinderleukosegesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Bienenseuchengesetz, all das sind Änderungen, die wichtig und gut sind.

Der einzige Kritikpunkt, den wir hier haben, ist beim Tierarzneimittelkontrollgesetz. Wir haben schon im Jahr 2002 diesem Gesetz nicht zugestimmt, weil es damals eigentlich keine Antworten auf den Schweineskandal gegeben hat und weil dadurch die Verabrei­chung von viel zu vielen Medikamenten durch den Tierhalter legalisiert wurde.

Das Tierarzneimittelkontrollgesetz enthält eine Verordnungsermächtigung dahin ge­hend, welche Tierarzneimittel vom Tierarzt dem Tierhalter überlassen werden können. Mit dieser Tierarzneimittelanwendungsverordnung wird eine Positivliste veröffentlicht, die im Prinzip alle in der Praxis angewendeten Arzneimittelspezialitäten enthält. Anti­biotika, Trockensteller bei Kühen, Chemotherapeutika, all das wird einfach vom Tier­arzt an den Tierhalter übergeben. Das ist unserer Ansicht nach nicht die richtige Vor­gangsweise.

Da es leider keine getrennte Abstimmung gibt, die anderen Gesetzesänderungen in diesem Fall aber so wichtig sind, werden wir trotzdem dem gesamten Konvolut zustim­men. Für dieses Tierarzneimittelkontrollgesetz ist das aber unsererseits eine Aus­nahme.

Frau Ministerin, auch Ihnen darf ich die Resolution aus Gänserndorf überreichen. (Bei­fall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Zellot. Ich erteile ihm das Wort.

 


18.08.54

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Vorredner haben ja schon sehr viel dazu gesagt. Ich möchte noch auf einen Punkt beim Tierarzneimittelkontrollgesetz eingehen. Man muss auch eine gewisse Vertrauensbasis zwischen dem Tierhalter und dem zuständigen Tierarzt oder Amtstierarzt herstellen, damit der Tierhalter die verschiedenen Arzneimittel selbst anwenden kann. In verschiedenen Bereichen ist es ja so, dass jeder Mensch für sich selbst in Eigenverantwortung auch Arzneimittel anwenden kann. Aber es ist selbstver­ständlich korrekt, dass das kritisch betrachtet wird.

Zum Abkommen zwischen Österreich und China: Ein Lebendtransport auf einen etwas weiter entfernten Kontinent ist schwieriger als ein Lebendtransport nur von Österreich nach Italien, das ist gar keine Frage. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass der Export von Nutztieren ein sehr gut beaufsichtigter Export ist, weil es sich dabei wirklich um hochwertiges Zuchtvieh handelt, das mit sehr viel Liebe und Mühe von den Tierhal­tern gepflegt wird. (Präsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vorsitz.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 159

Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kollegen des Bundesrates! Ich mache das ganz elegant: Es gibt natürlich auch einen Export von Wien nach Kärnten. Das Exportgut ist Bundesrat Roland Zellot. Wenn alles passt, wird am 29. Juni 2005 im Kärntner Landtag der Beschluss gefasst werden, dass Peter Mitterer, ein Hotelier vom schönen Ossiacher See, hierher in den Bundesrat kommt und ich mich wieder in den Kärntner Landtag zurückziehe. Das ist im Großen und Ganzen auch mein Wille. – Ich habe ja eigentlich nichts angestellt, dass ich mich zurückziehen muss! (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Ich wage zu behaupten, dass ich mich hier in diesem Hohen Haus sehr gefreut habe. Ich habe sehr viele Leute kennen gelernt. Es hat mich immer gefreut, hierher zu kom­men. Ich möchte von Herzen sagen: Mir ist es nie schwer gefallen, an dieses Pult zu treten, und ich bin nie mit einem schlechten Gewissen wieder weggegangen. (Heiter­keit und Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.)

Ich möchte allen Kollegen von allen Fraktionen alles Gute wünschen. Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Tätigkeit auch weiterhin Erfolg. Ich werde das in meinem Bundesland fortsetzen. Ich möchte – das ist mir ein besonderes Bedürfnis – auch die zwischen­menschlichen Beziehungen in der Damenrunde, die mich hier eingekreist hat, loben. Sie haben mich immer sehr wohlwollend behandelt. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es war nett, bei euch sitzen zu dürfen! (Bundesrätin Zwazl: Danke!) Das möchte ich hervorheben. Ich wünsche allen alles Gute. – Ich danke euch. (Anhal­tender allgemeiner Beifall. – Bundesrat Zellot verabschiedet sich vom Präsidium.)

18.12


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


18.12.57

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesrat Zellot, Sie werden mir fehlen! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich habe Ihre Redebeiträge immer geschätzt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nicht mehr lange aufhalten. Ich danke sehr herzlich für die Zustimmung zu diesen Gesetzen. Wir gleichen damit die österreichi­schen Veterinärgesetze an die europäischen an. Wir verbessern Untersuchungsmetho­den. Gerade die letzten Tage haben gezeigt, wie notwendig es ist, dass wir in diesem Bereich sehr sorgfältig vorgehen.

Ich bin sehr froh darüber, dass das Auftreten eines zweiten BSE-Falles in Österreich innerhalb von fünf Jahren – ich sage dazu: mehr als 400 Fälle in Deutschland, mehr als 500 Fälle in der Schweiz – Gott sei Dank auch in Österreich mit der notwendigen Be­sonnenheit aufgenommen wurde. Unser Mitgefühl gilt dem Bauern im Kleinen Walser­tal, der wirklich sehr sorgfältig mit seinen Tieren umgegangen ist.

Wir werden diese strengen Maßnahmen selbstverständlich auch in Zukunft beibehal­ten, um die Qualität der österreichischen Lebensmittel langfristig sicherzustellen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.14


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 160

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Veterinärrechtsänderungsgesetz 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.15.3427. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 2. Halbjahr 2005

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Juli 2005 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Kärnten über, daher ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes zum Vorsitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsi­diums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Ich werde die Wahl des Vizepräsidenten/der Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wäh­lenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Jürgen Weiss lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


18.17.07

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich danke Ihnen allen für das neu ge­schenkte Vertrauen und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 161

Ich ersuche alle Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Mit Einverständnis der Vizepräsidentin Haselbach, die leider krankheitsbedingt verhin­dert ist, darf ich sagen, dass auch sie gerne diese Wahl annimmt. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführerinnen und Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Sissy Roth-Halvax, Jo­hanna Auer, Josef Saller und Mag. Susanne Neuwirth für das zweite Halbjahr 2005 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zum Schriftführer des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ich danke schön.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage nun die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Roth-Halvax, Auer, Mag. Neuwirth sowie Bundesrat Saller neh­men die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerin und der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Franz Eduard Küh­nel, Karl Boden, Engelbert Weilharter und Elisabeth Kerschbaum für das zweite Halb­jahr 2005 zu Ordnern beziehungsweise zur Ordnerin des Bundesrates zu wählen.

Falls auch hier kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Danke schön.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage nun die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Dr. Kühnel, Boden, Weilharter sowie Bundesrätin Kerschbaum nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Ich gratuliere allen, die gewählt wurden. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg.

*****

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung eine Anfrage eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 21. Juli 2005, 9 Uhr in Aussicht ge­nommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
723. Sitzung / Seite 162

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 19. Juli 2005, ab 14 Uhr vorgese­hen.

Ich bedanke mich bei Ihnen allen noch einmal! (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

18.21.08Schluss der Sitzung: 18.21 Uhr

 

 

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