Stenographisches Protokoll

724. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 21. Juli 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

724. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 21. Juli 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. Juli 2005: 9.03 – 21.27 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten, Dr. Jörg Haider, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Europa der Regionen – Europa der Bürger: Was die Länder dazu beitragen können“

2. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Inneres gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR zum Rat der Justiz- und Innenminister und zu den Bemühungen der Innenminister zur Be­kämpfung des Terrorismus

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz erlassen, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Ge­bührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungs­geldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden sowie das Fremden­gesetz 1997 aufgehoben wird (Fremdenrechtspaket 2005)

4. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2003)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (ZDG-Novelle 2005)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Men­schen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlas­sen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geän­dert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-


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Dienstrechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Pensions­gesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bun­desbahngesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Ausschreibungsge­setz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfe­leistungsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2005)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehrergesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Qualitätssicherung bei Abschlussprüfungen (Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz – A-QSG) erlas­sen und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Emissions­schutz­gesetz für Kesselanlagen und das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (Gewerbe­rechtsnovelle 2005)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Ein­kom­mensteuergesetz 1988 sowie das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­ge­setz 1957 geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959, das Futtermittel­gesetz 1999, das Düngemittelgesetz 1994, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das BFW-Gesetz, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutz­grundsatzgesetz, das Weingesetz 1999, das Flurverfassungsgrundsatz-Gesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Forstgesetz 1975 und das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird (Agrarrechtsänderungs­gesetz 2005)

16. Punkt: Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut

17. Punkt: Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung

18. Punkt: Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflan­zenschutzkonvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzen­schutz­kon­vention samt Anlage

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Be­freiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird


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21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Aner­kennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schul­organi­sationsgesetz-Novelle, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitge­setz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz für Berufstätige, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschul­gesetz, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forst­wirtschaftliche Fachschulen und das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert werden (Schulrechtspaket 2005)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz geändert werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kör­perschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005)

28. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstraf­ge­setz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­ge­setz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundes­gesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Indus­trieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungs­verwaltungsgesell­schaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bau­sparkassengesetz geändert werden – Wachstums- und Beschäftigungs­gesetz 2005

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücks­spielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Aus­spielungs­besteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden

33. Punkt: Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz)

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird


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35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Aufgaben und Organi­sation der Bundes-Wasserstraßenverwaltung – Wasserstraßengesetz geändert wird (Wasserstraßengesetznovelle 2005)

36. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Roland Zellot .............................................................................................................................. 17

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Mitgliedes und seines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................................................ 18

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Änderung der Vorsitzführung im Bundesrat gemäß Art. 36 Abs. 2 B-VG ............................................................................................ 19

Angelobung des Bundesrates Peter Mitterer ............................................................. 19

Antrittsansprache des Präsidenten Peter Mitterer .................................................. 20

Antrag im Sinne des § 61 Abs. 1 GO-BR auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Handymasten-Steuer“ (2331/J-BR/05) – Ablehnung ............................  25, 25

Trauerkundgebung anlässlich erneuter Terroranschläge in London ........................ 152

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Ernennung von Herrn Botschafter Dr. Hans Winkler zum Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten durch den Bundespräsidenten ............................................................................................................................... 23

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 24

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  23, 210

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten, Dr. Jörg Haider, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Europa der Regionen – Europa der Bürger: Was die Länder dazu beitragen können“                   25

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider ..................................................... 25


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724. Sitzung / Seite 5

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 24

Debatte:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 37

Günther Molzbichler .................................................................................................... 39

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 41

Stefan Schennach ........................................................................................................ 43

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider ..............................................  48, 55

Ana Blatnik .................................................................................................................... 55

2. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Inneres gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR zum Rat der Justiz- und Innenminister und zu den Bemühungen der Innen­minister zur Bekämpfung des Terrorismus                   56

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 57

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ................................................................................ 60

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 24

Debatte:

Dr. Franz Eduard Kühnel ......................................................................................  62, 71

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 65

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 67

Stefan Schennach ........................................................................................................ 69

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asyl­gesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstands­gesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einfüh­rungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheits­poli­zeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichs­ge­setz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden sowie das Fremdengesetz 1997 aufgehoben wird (Fremdenrechtspaket 2005) (952 d.B. und 1055 d.B. sowie 7338/BR d.B.) ...................................................................................... 72

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller .......................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 73

Herta Wimmler ............................................................................................................. 75

Stefan Schennach ........................................................................................................ 76

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 78

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 80

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 87

4. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2003) (III-258-BR/2004 d.B. sowie 7339/BR d.B.) ........................................................................ 87

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller .......................................................................... 87

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 87

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 89


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724. Sitzung / Seite 6

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 91

Wolfgang Schimböck (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-258-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 95

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geän­dert werden (ZDG-Novelle 2005) (973 d.B. und 1057 d.B. sowie 7331/BR d.B. und 7340/BR d.B.) ................................................................................................................. 95

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 95

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................... 96

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 97

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 98

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.......................................................... 102

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden (836 d.B. und 1028 d.B. sowie 7341/BR d.B.)                         102

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 103

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (832 d.B., 156/A, 431/A und 1029 d.B. sowie 7342/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 102

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 103

Redner/Rednerinnen:

Angela Lueger ............................................................................................................ 103

Edgar Mayer ................................................................................................................ 106

Eva Konrad ................................................................................................................. 109

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 110

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek ....................................................................... 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen..................................... 114


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724. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Lan­desvertragslehrergesetz 1966, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2005) (953 d.B. und 1031 d.B. sowie 7343/BR d.B.) ...................................... 114

Berichterstatter: Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................... 115

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehrer­gesetz geändert wird (1032 d.B. sowie 7344/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 115

Berichterstatter: Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................... 115

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 115

Günther Kaltenbacher ............................................................................................... 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 118

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 118

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Qualitätssicherung bei Ab­schlussprüfungen (Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz – A-QSG) er­lassen und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird (970 d.B. und 1051 d.B. sowie 7326/BR d.B. und 7345/BR d.B.) ............................... 118

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher .................................................................... 118


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen und das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (Gewerbe­rechts­novelle 2005) (971 d.B. und 1052 d.B. sowie 7327/BR d.B. und 7346/BR d.B.) ............................................................................................................... 119

Berichterstatter: Edgar Mayer ..................................................................................... 119

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 119

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 120

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 121

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 122

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 123

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (948 d.B. und 1011 d.B. sowie 7328/BR d.B. und 7347/BR d.B.) ............................................................................................................... 123

Berichterstatter: Edgar Mayer ..................................................................................... 123

Redner/Rednerinnen:

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 124

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 125

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 126

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 127

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 130

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Ein­kom­mensteuergesetz 1988 sowie das Bauarbeiter-Schlechtwetterent­schä­di­gungsgesetz 1957 geändert werden (972 d.B. und 1012 d.B. sowie 7348/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 131

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 131

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (946 d.B. und 1010 d.B. sowie 7329/BR d.B. und 7349/BR d.B.) ............................... 131

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 132

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959, das Futtermittelgesetz 1999, das Düngemittelgesetz 1994, das Gesundheits- und Ernährungssicherheits­gesetz, das BFW-Gesetz, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutz­grundsatzgesetz, das Weingesetz 1999, das Flurverfassungsgrundsatz-Ge­setz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weide­nutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Forst­ge­setz 1975 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz geändert wird (Agrarrechtsänderungsgesetz 2005) (968 d.B. und 1018 d.B. sowie 7330/BR d.B. und 7350/BR d.B.) ............................................................................................................... 132

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 132


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 9

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Über­einkommen über das Europäische Forstinstitut (862 d.B. und 1021 d.B. sowie 7351/BR d.B.) .................... 132

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 132

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml ............................................................................................................. 133

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 134

Elisabeth Kerschbaum ...................................................................................... 136, 139

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 137

Andrea Fraunschiel .................................................................................................... 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 140

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Inter­nationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung (514 d.B. und 1019 d.B. sowie 7352/BR d.B.) .................................................................................... 140

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................. 141

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Annahme­erklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutz­konvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage (612 d.B. und 1020 d.B. sowie 7353/BR d.B.)                  140

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................. 141

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 141

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................... 142

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung national­sozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Öster­reichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwen­dung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Aner­kennungsgesetz 2005) (614/A und 1024 d.B. sowie 7354/BR d.B.) ........................... 142


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 10

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm ................................................................................ 143

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1025 d.B. sowie 7355/BR d.B.)                  143

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 143

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird (641/A und 1022 d.B. sowie 7332/BR d.B. und 7356/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 143

Berichterstatter: Engelbert Weilharter ....................................................................... 144

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (613/A und 1013 d.B. sowie 7357/BR d.B.)                             143

Berichterstatterin: Ana Blatnik .................................................................................... 144

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 144

Herwig Hösele ............................................................................................................ 146

Eva Konrad ................................................................................................................. 148

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 149

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 151

Angela Lueger ............................................................................................................ 152

Sissy Roth-Halvax ...................................................................................................... 154

Stefan Schennach ...................................................................................................... 156

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek ....................................................................... 157

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 158

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 158

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 158

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 159

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz für Berufstätige, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern, das Land- und forstwirtschaftliche Bundes­schulgesetz, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forst­wirtschaftliche Berufsschulen, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen und das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert werden (Schulrechtspaket 2005) (975 d.B. und 1044 d.B. sowie 7335/BR d.B. und 7358/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 159

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 159


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 11

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................. 159

Josef Saller ................................................................................................................. 161

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 163

Ana Blatnik .................................................................................................................. 163

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 168

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (1045 d.B. sowie 7336/BR d.B. und 7359/BR d.B.)                         168

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 168

Redner/Rednerinnen:

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 168

Andrea Fraunschiel .................................................................................................... 171

Eva Konrad ................................................................................................................. 172

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 175

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 178

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend 170 Millionen Euro Sofortprogramm für die Univer­sitäten – Ablehnung ..............  171, 180

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 179

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investment­fondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz geändert werden (969 d.B. und 1033 d.B. sowie 7360/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 180

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 180

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit be­schränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1035 d.B. sowie 7361/BR d.B.)                          180

Berichterstatter: Franz Wolfinger ............................................................................... 181

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körper­schaft­steuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005) (984 d.B. und 1036 d.B. sowie 7362/BR d.B.) ............................................................. 180

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 180

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der


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724. Sitzung / Seite 12

Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (981 d.B. und 1040 d.B. sowie 7363/BR d.B.) ............................................................................. 180

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 180

Redner/Rednerinnen:

Mag. Georg Pehm ...................................................................................................... 181

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg .......................................................................... 183

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 185

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 186

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 188

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge­setz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bun­desgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekom­beteiligungs­verwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Ver­waltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bun­desfinanzierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 (992 d.B. und 1037 d.B. sowie 7333/BR d.B. und 7364/BR d.B.)                   188

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 188

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 189

Gemeinsame Beratung über

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (610/A und 1041 d.B. sowie 7365/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 189

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 189

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird (611/A und 1042 d.B. sowie 7366/BR d.B.)                          189

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 189

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 30, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 189


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 13

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 31, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 190

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungs­besteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (652/A und 1043 d.B. sowie 7334/BR d.B. und 7367/BR d.B.) .................................... 190

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 190

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 190

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 192

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten – Ablehnung ................................................  191, 193

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 192

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) (995 d.B. und 1002 d.B. sowie 7368/BR d.B.)                         193

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller ..................................................................... ... 193

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 193

Karl Bader ................................................................................................................... 194

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 196

Jürgen Weiss .....................................................................................................  199, 203

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 200

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 203

34. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird (649/A und 1005 d.B. sowie 7337/BR d.B. und 7369/BR d.B.) ............................................................................................................... 204

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 204

Rednerin:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 204

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 204

Gemeinsame Beratung über

35. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Aufgaben und Organisation der Bundes-Wasserstraßenverwaltung – Wasserstraßengesetz geändert wird (Was­ser­straßengesetznovelle 2005) (651/A und 1007 d.B. sowie 7370/BR d.B.) ............................................................................................................... 205

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 205


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724. Sitzung / Seite 14

36. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (650/A und 1008 d.B. sowie 7371/BR d.B.) ................. 205

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 205

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ............................................................................................................ 205

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 207

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 35, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 210

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 36, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 210

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie [144/A (E)-BR/05]

Anfragen der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Flugeinsatzstelle Linz-Hörsching (2321/J-BR/05)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend EDV-Ausstattung in Pflichtschulen (2322/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verlängerung der Eisenbahnlinie Spielfeld-Strass–Bad Radkersburg nach Slowenien (2323/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kfz-Neuzulassung bei Übersiedlung nach Österreich (2324/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Förderungsgrenzen bei der TOP-Tourismus-Förderung (2325/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Maßnahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2326/J-BR/05)

Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ansturm ausländischer Studierender an österreichischen Universitäten (2327/J-BR/05)

Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Ansturm ausländischer Studierender an österreichischen Universitäten (2328/J-BR/05)


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 15

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erhöhung der Verkehrssicherheit in Tunnels (2329/J-BR/05)

Johann Giefing, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Sanierung der Altlast „Angerler Grube“ (2330/J-BR/05)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Handymasten-Steuer“ (2331/J-BR/05)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Handymasten-Steuer“ (2332/J-BR/05)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungen im BMI auf Kosten der Sicherheit der ÖsterreicherInnen (2333/J-BR/05)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Einsparungen im BMI auf Kosten der Sicherheit der ÖsterreicherInnen (2334/J-BR/05)

Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einsparungen im Schulbereich in der Steiermark – Schulbauten und Schulsanierungen (2335/J-BR/05)

Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Förderung des Symposions Europäischer Bildhauer in St. Margarethen im Burgen­land“ (2336/J-BR/05)

Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Ausländerbeschäftigung im Burgenland (2337/J-BR/05)

Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnprojekte im Burgenland (2338/J-BR/05)

Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „100 Millionen Euro Zusatzförderungspaket“ für das Burgenland (2339/J-BR/05)

Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Auswirkungen der Bundesheerreform in der Steiermark – Rolle von Frau Landeshauptmann Klasnic (2340/J-BR/05)

Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Gerichtsorganisation neu – Interventionen der Landespolitik (2341/J-BR/05)

Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Postämterschließungen in der Steiermark (2342/J-BR/05)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Bundesräte

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Handymasten-Steuer“ (2331/J-BR/05) (Zu 2331/J-BR/05)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 16

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlende Bildungsforschung in Österreich (2120/AB-BR/05 zu 2313/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen beim Schul­sport (2121/AB-BR/05 zu 2314/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Sissy Roth-Halvax, Karl Boden, Engelbert Weilharter, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik über den Grenzübertritt auf touristischen Wegen und über den Grenzübertritt in besonderen Fällen einschließlich einer Durchführungsvereinbarung (2122/AB-BR/05 zu 2319/J-BR/05)


09.03.26


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 17

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 724. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 723. Sitzung vom 23. Juni 2005 ist aufgelegen, unbean­standet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. John Gudenus und Dr. Erich Gumplmaier.

09.03.48Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eingelangt sind drei Schreiben des Kärntner Landtages betreffend den Mandatsverzicht von Bundesrat Roland Zellot sowie über die Wahl von Peter Mitterer zum Mitglied des Bundesrates und die Wahl von Mag. Christof Neuner zu seinem Ersatzmitglied und über die Vorsitzführung im Bundesrat durch dessen Mitglied Peter Mitterer.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages:

„Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

zu Ldtgs.ZI. 5-8/29

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien                                                                                               Klagenfurt, am 28.6.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Abgeordnete zum Bundesrat für das Land Kärnten Roland ZELLOT hat dem Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages DI Jörg Freunschlag mit Schreiben vom 28. Juni 2005 bekannt gegeben, dass er auf die Ausübung seines Mandates zum Bundesrat mit sofortiger Wirkung verzichtet.

Ich ersuche um gefällige Kenntnisnahme und weitere Veranlassung.

Hochachtungsvoll

DI Freunschlag

Anlage“

„Roland Zellot

Prossowitscherstraße 23

9500 Villach                                                                                           Klagenfurt, 28.06.2005


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 18

An den

Präsidenten des

Kärntner Landtages

Herrn DI Jörg Freunschlag

Landhaus

9020 Klagenfurt

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß § 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, BGBl. Nr. 361/1988, verzichte ich mit sofortiger Wirkung auf mein Mandat als Bundesrat.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Roland Zellot“

*****

„Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

zu Ldtgs.ZI. 5-6/29

Betreff: Wahl eines Mitgliedes des Bundesrates und seines Ersatzmitgliedes gem. Art. 35 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Herrn

Mag. Georg Pehm

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Weg 3

1017 Wien                                                                                               Klagenfurt, am 29.6.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner 17. Sitzung am 29.6.2005 folgende Wahl in den Bundesrat gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 B-VG vorgenommen:

Auf Vorschlag des Freiheitlichen Landtagsklub Kärnten wurde zum Bundesrat, Peter MITTERER, Kanzelweg 3, 9520 Annenheim und zu seinem Ersatzmitglied Mag. Christof NEUNER, St. Veiter Ring 28, 9020 Klagenfurt gewählt.

In der Anlage wird eine aktuelle Liste der vom Kärntner Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage

Ergeht nachrichtlich an: Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda, Dr. Karl Renner Ring 3,1017 Wien“

„Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder vom Kärntner Landtag gewählt

Stand: 29.6.2005


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 19

29. Gesetzgebungsperiode

F: 1. KAMPL Siegfried Ing., geb. 12.8.1936, Landwirt, 9342 Gurk, Reichenhaus 3

Ersatzmitglied: KITZ Gerwald, geb. 30.9.1968, Landwirt, 9103 Diex Nr. 6

SPÖ: 2. MOLZBICHLER Günther, geb. 15.1.1953, Angestellter, 9800 Spittal/Drau, St. Sigmund-Strasse 16a

Ersatzmitglied : TAURER Karoline, geb.10.11.1965, Angestellte, 9814 Mühldorf 93

F: 3. MITTERER Peter, geb. 23.11.1946, Gastwirt, 9520 Annenheim, Kanzelweg 3

Ersatzmitglied: NEUNER Christof Mag., geb.15.1.1953, Kaufmann, 9020 Klagenfurt, Priesterhausgasse 10

SPÖ: 4. BLATNIK Ana, geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin, 9072 Ludmannsdorf 49

Ersatzmitglied: ABRAHAM Anna-Maria, geb. 8.7.1951, Angestellte, 9112 Griffen, Wallersberg 29“

*****

„Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag

zu Ldtgs.Zl. 5-7/29

Betreff: Änderung der Vorsitzführung im Bundesrat gem. Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Herrn

Mag. Georg Pehm

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Weg 3

1017 Wien                                                                                               Klagenfurt, am 29.6.2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner 17. Sitzung am 29.6.2005 in Anwendung des Art. 36 Abs. 2 B-VG nachstehenden Beschluss gefasst:

Soweit das Land Kärnten zum Vorsitz im Bundesrat berufen ist, soll den Vorsitz gemäß Artikel 36 Abs. 2 B-VG das Mitglied des Bundesrates Peter Mitterer führen.

Mit freundlichen Grüßen

Ergeht nachrichtlich an: Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda, Dr. Karl Renner Ring 3, 1017 Wien“

*****

09.04.26Angelobung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 20

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich bitte die Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

09.04.44

 


Schriftführerin Sissy Roth-Halvax: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

09.05.02

 


Bundesrat Peter Mitterer (Freiheitliche, Kärnten): Ich gelobe.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich begrüße Herrn Präsidenten Peter Mitterer als neues Mitglied in unserer Mitte und wünsche ihm eine erfolgreiche Amtsführung.

Ich darf Ihnen sogleich den Vorsitz übergeben. (Allgemeiner Beifall. – Präsident Mitterer übernimmt den Vorsitz.)

09.05.19Antrittsansprache des Präsidenten


09.05.48

Präsident Peter Mitterer: Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider, ich be­grüße Sie ganz herzlich im Kreise des Bundesrates! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vorerst beim Kollegium des Bundesrates und vor allem auch bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz für die mir entgegengebrachte herzliche Aufnahme bedanken, die sich jetzt schon über fast vier Wochen erstreckt. Das bedeutet, dass ich, noch bevor ich vom Kärntner Landtag entsandt wurde, eingeladen wurde mitzuarbeiten, um mir die nötigen Kenntnisse für die künftige Vorsitzführung anzueignen. – Ein herzliches Dankeschön dafür!

Auch bei den Medien möchte ich mich bedanken, die schon vor einiger Zeit – und das tut einem Politiker recht gut – eine positive Vorausmeldung über mich gebracht haben. Und ich möchte auch Ex-Bundesrat und Neo-Landtagsabgeordnetem Roland Zellot dafür danken, dass er mir seinen Sitz im Bundesrat überlassen hat.

Laut österreichischer Verfassung sind nun das Land Kärnten vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 mit der Vorsitzführung im Bundesrat sowie der Landeshauptmann von Kärnten mit der Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz betraut. Der Kärntner Landtag hat am 29. Juni mittels Beschluss von der neuen Möglichkeit Ge­brauch gemacht, einen anderen als den Erstgereihten zum Präsidenten des Bun­desrates zu berufen. Ich möchte mich beim Kärntner Landtag für diese mir übertragene Aufgabe herzlich bedanken. Ich versichere, dass ich diese Position als Ihr Vorsitzender in den nächsten sechs Monaten mit Demut und Ehrfurcht und großem Verantwor­tungsbewusstsein wahrnehmen werde.

Meine reiche politische Erfahrung – ab dem Jahre 1973 Kommunalpolitiker, später Landtagsabgeordneter, Präsident des Kärntner Landtages und auch in anderen Bereichen politisch tätig – wird mir dabei helfen, die Sitzungen hier im Hohen Hause mit Routine und Bedacht zu leiten, aber auch den Bundesrat und die Republik Österreich nach außen hin würdig zu vertreten.

Ich übernehme dieses Amt in einer aus der Sicht des Bundesrates eher schwierigen Situation. Ich übernehme dieses Amt für Österreich in einem zusammenwachsenden Europa, für den Bundesrat der Republik Österreich in einer schwierigen Situation, aber als echter Kärntner, der stolz ist auf sein Heimatland, der weiß, dass uns der Herrgott


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ein wunderschönes Land geschenkt hat – dazu konnten wir nichts beitragen, das hat uns der Herrgott geschenkt –, ein Land mit Seen und Bergen, das alle – auch Sie – einlädt, es oft als Gast zu bereisen, ein Land, das auch zukunftsorientiert nach vorne blickt und in den letzten Jahren stark aufgeholt hat, vor allem auch im High-Tech-Bereich.

Ich meine, die Politik in Kärnten hat richtig gehandelt und wird das auch in Zukunft tun. Wir sind ein Land, das im Gegensatz zu anderen Bundesländern, das darf man hier an dieser Stelle auch mit Stolz vermerken, sinkende Arbeitslosenraten und steigende Kaufkraft aufweist. Das ist wichtig für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Kärnten ist aber auch ein Land, das demokratiepolitisch einwandfrei ist. Kärnten hat immer ein klares Bekenntnis zur Republik Österreich abgelegt. Nach dem Zerfall der Monarchie und seit der Gründung der Ersten Republik hat sich Kärnten von Beginn an zu dem neuen Österreich bekannt; Abwehrkampf und Volksabstimmung stehen als Zeugen dafür.

Kärnten ist weiters ein Bundesland, das im Zusammenhang mit der direkten Demo­kratie führend in Österreich war. Sie werden sich erinnern, es gibt in Kärnten seit dem Jahr 1991 die Bürgermeister-Direktwahl. In der Zwischenzeit sind andere Bundes­länder diesem Beispiel gefolgt. Kärnten hat, wie gesagt, was die direkte Demokratie anlangt, Vorbildwirkung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Bevölkerung hat dem Bundesrat mit Recht Skepsis entgegengebracht. Die aktuelle Diskussion wird zeigen, wie wir damit umgehen und was wir dazu beitragen können, damit der Bundesrat in der Bevölkerung wieder eine höhere Akzeptanz erhält. Der „Standard“ vom 17. Juni 2005 hat einen Artikel von Bundesrat Herwig Hösele unter eine hervorragende Überschrift gesetzt, nämlich: „Unverzichtbar, aber nicht unveränderbar“.

Es tut sich da eine große Bandbreite im Bereich der Aufgabenstellungen des Bun­desrates sowie auch der Bestellung des Bundesrates auf. Ich weiß, dass ich heute bei meiner Antrittsrede keine Lösungen anbieten kann, aber ich werde für Folgendes eintreten: dass die im Österreich-Konvent begonnene Diskussion aufrechterhalten wird und wir uns alle Gedanken über Folgendes machen:

Was könnten wir verbessern? Könnten wir vielleicht dahin gehend wirken, dass der Bundesrat zu einem früheren Zeitpunkt in die Gesetzgebung eingebaut wird oder sogar einen eigenen Gesetzgebungsbereich nach deutschem Muster erhält? – Das aber eher nein, denn die EU-Vorgaben nehmen uns bereits einiges an Arbeit vorweg. Die Vor­prüfung im Subsidiaritätsverfahren ist eine Frage, die zu diskutieren sein wird, oder auch ein besseres Zusammenwirken des Nationalrates mit den Landtagen. Ich denke, das wäre bereits eine große Aufgabe, die der Bundesrat wahrnehmen könnte.

Auch für die Bestellung der Bundesräte in der bisherigen oder einer anderen Form gab es gute Vorschläge im Österreich-Konvent. Es gibt diesbezüglich keine großen Auf­assungsunterschiede zwischen den Fraktionen. Die SPÖ meint, dass es eine Direktwahl geben sollte, die Volkspartei meint, dass Bundesräte eher an Landtags­beschlüsse gebunden sein sollten. Auch da tut sich ein großes Spektrum auf.

Der Landeshauptmann von Kärnten hat gestern in einem ORF-Interview eine weitere und meines Erachtens konstruktive Möglichkeit aufgezeigt, was die Beschickung des Bundesrates mit Regierungsmitgliedern anlangt. In Deutschland ist das der Fall, wobei ich eher der Meinung bin, dass ein solches Gremium auf Grund der demokratischen Verfassung eher gegen die Gewaltenteilung Legislative-Exekutive ist. Der Landes­hauptmann hat gestern eine Mischung von Landtagsabgeordneten und Regierungs­mitgliedern angedacht, um den Bundesrat mit neuen Aufgaben und vielleicht auch


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mehr Effizienz auszustatten und ihn so für die Bevölkerung, sprich für den Steuer­zahler, finanziell vielleicht sogar etwas attraktiver zu machen.

All diese Veränderungen, die in diese Richtung angedacht werden, brauchen allerdings eine lange Vorlaufzeit in der Größenordnung von fünf Jahren, denn die Landtage ent­senden ihre Mitglieder des Bundesrates für die gesamte Legislaturperiode, und in eine laufende Legislaturperiode sollte eine derartige Veränderung nicht eingreifen. Man sollte daher die Diskussion nicht zu spät beginnen, denn die Durchführung solch gravierender Änderungen bringt eine lange Vorlaufzeit mit sich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wie auch immer, wir sind jetzt der gewählte Bundesrat der Republik Österreich mit einem Präsidenten, mit Vize­präsidenten, Fraktionsvorsitzenden und weiteren Mitgliedern, mit einer Bundes­ratsdirektion unter der bewährten Leitung von Dr. Walter Labuda und dessen Mitarbeitern, und wir sollten uns heute eigentlich in eine Diskussion einfinden, in der wir unser Bekenntnis erneuern, für die demokratische Republik Österreich und für unsere Bürger positiv zu wirken.

Wir haben für die zweite Hälfte des Jahres 2005 ein umfangreiches Programm vor uns, und ich freue mich, dass Dinge, die schon vor meiner Zeit angedacht wurden, nun auch zur Durchführung gelangen und dass ich es sein darf, der Österreich in dieser Zeit auch im Ausland vertritt. Von 1. bis 3. September 2005 zum Beispiel findet das siebente Treffen der Präsidenten der Vereinigung der Europäischen Senate in Berlin statt, an dem ich ebenso teilnehmen werde wie an der IPU-Weltkonferenz der Par­lamentspräsidenten in New York vor der UNO. Das sind Herausforderungen, die ich gerne annehmen werde.

Auch im Incoming-Bereich sind einige Termine festgesetzt. Ende September werden wir Vertreter aus dem Jemen bei uns im Bundesrat zu Gast haben und im November den Präsidenten des Schweizer Ständerates Bruno Frick.

Ganz gut finde ich das Ergebnis der Präsidialkonferenz von vorgestern. Wir haben dort für den 12. Oktober dieses Jahres eine Klausur der Präsidialkonferenz festgelegt, um Themen wie Österreich-Konvent und die fortgesetzte Diskussion über Veränderungen des Bundesrates, Mitwirkung des Bundesrates bei der Subsidiarität, Anpassung der Geschäftsordnung des Bundesrates, von der „Aktuellen Stunde“ bis hin zum Stimm­recht des Präsidenten, Festlegung von Enqueten, Hilfestellung eines Bundes­rates bei der Vorbereitung der österreichischen Vorsitzführung in der EU in der ersten Hälfte des Jahres 2006 zu erörtern. Damit haben wir genug Diskussionsstoff, und ich hoffe, dass diese Klausur der Präsidialkonferenz letztlich positive Aspekte herbeiführt.

Am 25., 26. Oktober wird die Eröffnung des Besucherzentrums des Parlaments im Rahmen eines Tages der offenen Tür erfolgen. Auch hier haben wir als Bundesräte nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht, das Hohe Haus der Bevölkerung, der politisch interessierten Bevölkerung nahe zu bringen, um dadurch letztlich auch eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung für den Bundesrat zu erreichen.

Es wird weitere Festveranstaltungen geben, wie etwa zum Thema erste freie Wahlen. Am 28. November wird das Land Kärnten noch einmal die Möglichkeit haben, sich hier im Hohen Haus zu präsentieren. Gestern war es für mich eine sehr große Freude, auch für den Landeshauptmann – sehr viele der heute hier anwesenden Kollegen haben das auch miterlebt –, eine Delegation aus Kärnten hier im Haus zu empfangen, die sich uns als positive Werbung für unser Land präsentiert hat. Das möchten wir am 28. November 2005 wiederholen, indem wir unseren Zukunftsfonds Kärnten hier in diesem Hohen Hause präsentieren. Unter dem Untertitel „Vom Tourismus zu High-


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Tech – Spannungsfeld oder Symbiose“ wird das Land Kärnten hier in der Säulenhalle präsent sein.

Ausklingen wird dieses halbe Jahr meiner Präsidentschaft mit einer Festsitzung des Bundesrates anlässlich 60 Jahre erstes Zusammentreten des Bundesrates der Republik Österreich. Der Landeshauptmann von Wien und wahrscheinlich auch der Landeshauptmann von Kärnten als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz werden aus diesem Anlass hier im Hohen Haus zu Wort kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Regierungsmitglieder! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Zeigen wir Österreich, dass der Bundesrat der Republik gewillt und in der Lage ist, konstruktiv und positiv über Parteigrenzen und Weltanschauungen hinweg zukunftsorientiert für unsere Bürger zu wirken! Unser Motto sollte gemäß dem Spruch von Bernhard Shaw sein:

„Wir werden nicht durch die Erinnerung an die Vergangenheit weise, sondern durch die Verantwortung für die Zukunft.“

Ich bedanke mich. (Allgemeiner Beifall.)

9.19

09.19.22Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Peter Mitterer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2120/AB bis 2122/AB sowie des Schreibens des Bundes­kanz­lers betreffend Ernennung von Botschafter Dr. Hans Winkler zum Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten beziehungsweise jenes Verhand­lungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Steno­graphi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 16)

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Ernennung eines Staatssekretärs:

„Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates                                                                       Wien, am 4. Juli 2005

Parlament

1017 Wien                                                                                               GZ 350.000/0004-IV/8/05

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfas­sungs-


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gesetz Botschafter Dr. Hans WINKLER zum Staatssekretär im Bundesminis­terium für auswärtige Angelegenheiten ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für aus­wärtige Ange­legenheiten beigegeben hat.

Mit besten Grüßen“

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung und Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (983 und 1034/NR der Beilagen).

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe bekannt, dass der Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung zum Thema „Europa der Regionen – Europa der Bürger: Was die Länder dazu beitragen können“ abzugeben. Diese Erklärung steht als Punkt 1 auf der Tagesordnung.

Ebenso gebe ich bekannt, dass die Bundesministerin für Inneres Liese Prokop gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates ihre Absicht bekundet hat, eine Erklärung zum Rat der Justiz- und Innenminister und zu den Bemühungen der Innenminister zur Bekämpfung des Terrorismus abzugeben. Diese Erklärung bildet den 2. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt hiezu jeweils ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 bezie­hungsweise des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann beziehungsweise an die von der Frau Bundes­ministerin für Inneres abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das jeweilige Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne weiteres stattgeben.

Den eingelangten Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004 habe ich dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände sowie die Erklärung des Landes­haupt­mannes von Kärnten Dr. Jörg Haider gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates und die Erklärung der Bundesministerin für Inneres Liese Prokop gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der heuti­gen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.


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Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Peter Mitterer: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 und 7, 8 und 9, 15 und 16, 17 und 18, 19 bis 22, 25 bis 28, 30 und 31 sowie 35 und 36 unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Antrag im Sinne des § 61 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behand­lung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Schennach und Kollegen betref­fend Handymasten-Steuer an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie nach Erledigung der Tagesordnung vorliegt.

Über diesen Antrag ist ohne Debatte abzustimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag auf dringliche Behandlung der vorliegenden schriftlichen Anfrage ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist nicht die nötige Stimmenmehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Die Dringliche Anfrage kommt nicht zur Verhandlung.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

09.23.321. Punkt

Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten, Dr. Jörg Haider, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Europa der Regionen – Europa der Bürger: Was die Länder dazu beitragen können“

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Bundesräten eine Debatte stattfinden.

Ich begrüße noch einmal den Herrn Landeshauptmann von Kärnten und erteile ihm zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


9.24.05

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Den Vertretern der einzelnen Bundes­länder, insbesondere den Landeshauptleuten ist es nach der Verfassung möglich, im Bundesrat zu von ihnen beantragten Themen eine Stellungnahme abzugeben, was ich heute machen möchte – dies umso lieber, da die Kärntner Fahne neben der öster­reichischen Fahne aufgezogen ist, womit das Signal gegeben ist, dass ein Kärntner den Bundesratsvorsitz übernommen hat, als Vertreter des südlichsten Bundeslandes. – (Bundesrat Bieringer: Kärnten frei und ungeteilt!) – Ja, Kärnten frei und ungeteilt, Herr Kollege Bieringer, das ist eigentlich ein gutes Stichwort, denn Kärnten ist jenes Bun­desland, das in allen Zeiten der Republik, angefangen beim Jahre 1918, immer fraglos treu an der Seite Österreichs gestanden ist.

Wir alle wissen, dass es gerade in der Ersten Republik eine große Zahl von Referen­den und Verfassungsinitiativen gegeben hat, durch die sich manche Bundesländer vom damals kleiner gewordenen Österreich abspalten und anderen Staaten anschließen


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wollten, während Kärnten das auch in seiner Geschichte immer wieder treue Bun­desland an der Seite Österreichs – auch in den schwierigsten Tagen – war und auch mit einem Referendum im Jahre 1920 überzeugend für den Verbleib Kärntens, vor allem des Südkärntner Teils, bei Österreich gestimmt hat.

Das war eine sehr entscheidende und wichtige Entwicklung für unsere Republik in den umstrittenen Zeiten nach Ende des Ersten Weltkrieges. Gerade dieses Ereignis, nämlich die Kärntner Volksabstimmung 1920, jährt sich heuer zum 85. Mal. Wir haben heuer das 85-jährige Jubiläum, sodass es sich gut fügt, dass ein Kärntner die Ehre hat, im Jubiläumsjahr unserer Volksabstimmung hier den Vorsitz zu führen, die zweite Kam­mer des Hohen Hauses zu leiten, und dass es meine Aufgabe sein wird, im nächsten halben Jahr als Landeshauptmann den Vorsitz in der Landes­hauptleute­konferenz zu führen.

Das auch vor dem Hintergrund, dass Kärnten ein Bundesland ist, das nicht nur in der geschichtlichen Tradition Österreich viel Freude gemacht hat – ich darf doch in Erinnerung rufen, mit welcher Begeisterung der Nationalrat und die österreichische Regierung nach dem erfolgreichen Referendum im Jahre 1920 nach Klagenfurt tele­graphiert und gesagt haben, diese Freude, diesen Sieg für den österreichischen Staatsgedanken werde man den Kärntnerinnen und Kärntnern nie vergessen.

So gesehen nehme ich an, dass Sie es dann und wann, wenn wir nicht immer einer Meinung sind, verstehen, dass das sehr spezifisch, durch unsere historische Situation bedingt ist, die wir noch immer sehr ernst nehmen und wo wir vor allem auch die Ereignisse der Jahre 1918/1920 als eine Art Vermächtnis in der Landespolitik auffassen, das nicht in Frage zu stellen ist.

Wir waren nicht nur vor 85 Jahren treu an der Seite Österreichs, sondern Kärnten hat auch im Jahre 1945 einen wichtigen Beitrag für die Freiheitsentwicklung der Republik geleistet. Ich darf daran erinnern, dass es, noch bevor die Besatzungsmächte, in unserem Fall die Engländer, in Kärnten einmarschiert sind, aus eigener Initiative der demokratischen Kräfte aus der Zeit der Ersten Republik zur Bildung einer demo­kratischen provisorischen Regierung kam – ein Vorgang, der dann auch bei den Staatsvertragsverhandlungen wesentlich war. Das heißt, bei den Verhandlungen in Moskau wurde das Kärntner Beispiel, dass man nicht von den Besatzern befreit wer­den musste, sondern dass die Kärntner aus Eigenem einen Akt der Befreiung gesetzt und die Rückkehr zur Demokratie ermöglicht haben, als wichtiges Argument für den österreichischen Sonderweg und den Staatsvertrag gebracht.

Auch das ist, glaube ich, wichtig, wenn man gerade in den letzten Wochen und Monaten sehr viel über Kärntner Bundesräte diskutiert hat und auch oft einmal ihre historische Position hinterfragt oder auch kritisiert hat.

Ich möchte dazu festhalten, dass all jene, die von unserem Bundesland in das Par­lament und in den Bundesrat entsandt worden sind, allesamt sehr, sehr ehrenwerte Persönlichkeiten sind, die in jeder Phase ihrer Entwicklung auf dem Boden der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und unserer Bundesverfassung stehen, und dass es sich hiebei um Persönlichkeiten handelt, die mitunter ein doch nicht ganz einfaches persönliches Schicksal zu tragen haben – so wie jeder in seinen Lebensrucksack eine Menge hineingepackt bekommt, mit dem der eine leichter, der andere schwieriger fertig wird.

Das sollte man auch zur Kenntnis nehmen, zumal ja gerade in unserem Bundesland nach 1945 der Weg zur Demokratie nur deshalb möglich war, weil auch ideologische Gegensätze beiseite geschoben, alte Feindschaften überbrückt wurden und Men­schen, die einander etwa in der Zeit des Nationalsozialismus noch als Feinde gegen­überstanden, gemeinsam am Verhandlungstisch saßen – der Ritterkreuz-Träger aus


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der Wehrmacht oder der höhergradige Hitlerjunge an der Spitze einer Landesregierung genauso wie der ehemalige Insasse eines Konzentrationslagers.

Diese Besonderheit, miteinander zu können und zu erkennen, dass man die Chance hat, unbesehen seiner eigenen historischen Position dem Land einen Dienst zu erweisen, indem man gemeinsam an der Festigung der Demokratie und der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit arbeitet, dieses Phänomen zeichnet bis heute die Zusam­menarbeit der politischen Kräfte in Kärnten aus. Daher bitte ich Sie auch um Ver­ständnis, darum, nicht nur einzelne Aussagen zu werten, sondern sie auch im Kontext zu sehen mit der Lebensgeschichte der einzelnen Mandatare, aber auch mit dem bedingungslosen Willen aller politischen Kräfte in unserem Lande, nach Ende des Krieges an einer Festigung der Demokratie und vor allem an der Einheit und gemein­samen Entwicklung dieses Landes zu arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es eine gute Gelegenheit, dass ich das heute hier sagen darf, denn es hat ja neben diesen historischen Ereignissen in den letzten Jahren viele Dinge gegeben, in denen Kärnten gezeigt hat, dass es die neuen Chancen und Möglichkeiten, die ihm nach 1945 eröffnet wurden, auch wirklich zu nützen verstanden hat. Denken Sie nur daran, dass wir eine gemeinsame Olympia-Bewerbung mit unseren einstigen Gegnern, die im Krieg mit uns in einer fürchterlichen Konfrontation gelegen sind, abgegeben haben, für 2006 die erste grenzüberschreitende Olympia-Bewerbung abgegeben haben – es hat in dieser Form noch nie zuvor eine gemeinsame Kandidatur ver­schiedener Staaten und Regionen gegeben.

Wäre nicht Samaranch kurz vor der endgültigen Abstimmung an die Vertreter der nationalen Olympischen Komitees herangetreten und hätte gesagt: Wenn das Kärntner Beispiel oder die „Senza Confini“-Bewerbung Schule macht, dann wird es in Zukunft keine nationalen Olympischen Komitees mehr geben!, dann hätte wahrscheinlich die Olympia-Bewerbung der drei Regionen den Zuschlag bekommen. Es wäre gerade im Sinne des olympischen Gedankens richtig gewesen, den Frieden auch durch solch sichtbare Zeichen zu festigen, indem Feinde von einst miteinander Friedensspiele austragen, und zwar in grenzüberschreitender Weise. – Das sind einige Hinweise, um auf den Zwischenruf von Kollegen Bieringer ein bisschen eingegangen zu sein, was unsere Geschichte betrifft und dass man uns vielleicht auch dann und wann ein bisschen besser versteht.

Wir als kleines Land waren zum Unterschied von manchem binnen-österreichischen Bundesland oder von manchem westlichen Bundesland auch nicht in der privilegierten Situation, dass wir immer gute Nachbarn hatten. Bis 1989/90 lebten wir an einer 163 Kilometer langen toten Grenze. Das heißt, wir befanden uns mehr oder weniger in einer undurchdringlichen Grenzsituation zu einem kommunistischen Staat, dem Tito-Jugoslawien, was die wirtschaftlichen wie auch die politischen Möglichkeiten des Landes massiv eingeschränkt hatte.

Umso wichtiger ist es jetzt – daher habe ich gesagt, ich möchte ein paar Gedanken zum Thema „Europa der Regionen“ sagen –, dass wir uns am Vorabend unserer Vorsitzführung in der Europäischen Union auch Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen man aus der jetzigen Situation der Europäischen Union ziehen kann und was das für das kleine Österreich mit einer doch sehr starken regionalen und ländermäßigen Gliederung bedeuten kann. Denn wir praktizieren ja – nicht nur in Kärnten, sondern auch unsere steirischen Freunde – in Richtung Süden eine sehr aktive Nachbarschaftspolitik. Es gibt Initiativen gemeinsam mit Friaul-Julisch Venetien, mit dem Veneto, mit Slowenien, Istrien, der Steiermark, so etwas wie eine europäische Regionsbildung zustande zu bringen, mit all den Problemen und Hindernissen, weil wir wissen, dass letztlich ein gemeinsamer Lebensraum innerhalb eines größer gewor-


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denen Europas nicht immer identisch ist mit jenen Staatsgrenzen, die gezogen wurden, weshalb auch grenzüberschreitende Kooperationen wichtig sein werden.

Gerade in der Situation, wo Europa heute ins Gerede gekommen ist, sollte man auch die Frage und die Initiative in Richtung einer stärkeren Ausprägung Europas als Gemeinschaft, in der sich auch Regionen rechtlich gesichert und rechtlich möglich entwickeln können, ins Auge fassen. Denn ich glaube, dass das alte System in Europa, das wir bis zu den jetzt durchgeführten Volksabstimmungen über den Europäischen Verfassungsvertrag gehabt haben, in Wirklichkeit vorbei ist, denn mit dem zweifachen Nein, von Frankreich und von Holland, haben die Bürger signalisiert, dass sie mit der Entwicklung einer Europäischen Union, die weitestgehend über die Köpfe hinweg und ohne wirkliche Einbindung der Bürger ihre Schritte setzt, nicht mehr einverstanden sind.

Europa muss zur Kenntnis nehmen, dass ein Europa ohne Bürger nicht möglich ist und dass 450 Millionen Menschen natürlich auch das Recht haben, in einem gemeinsamen Europa mindestens jene demokratischen Mitwirkungsrechte ausüben zu können, die sie in ihren eigenen Nationalstaaten vorfinden und die ihnen dort verfassungsmäßig garantiert sind.

Gerade die Diskussion der letzten Wochen und Monate über den Weg: Wohin geht Europa?, hat natürlich auch gezeigt, dass die Trennlinien ziemlich scharf geworden sind. Es sind im Grunde genommen alte Konflikte innerhalb Europas aufgetaucht: auf der einen Seite die Neoliberalen, auf der anderen Seite die Altsozialen bis Alt­sozialisten; auf der einen Seite die Erweiterungsfreunde, auf der anderen Seite die Grenzzieher; auf der einen Seite die Marktfundamentalisten, auf der anderen Seite die Staatsfetischisten; auf der einen Seite die Reformer, auf der anderen Seite die Bremser. Es ist also ein Europa der Konfrontationen und der Trennlinien entstanden, obwohl die Wirklichkeit eigentlich ein bisschen anders und Europa viel bunter, viel vielschichtiger ist – auch was die Einschätzungen seiner Entwicklungschancen betrifft.

Ich glaube daher, dass diese negativen Ergebnisse der Volksabstimmung zum Ver­fassungsvertrag eine Riesenchance für Europa sind, einen Neubeginn zu setzen, und zwar einen Neubeginn nicht in dem Sinn, dass alles über Bord gehen muss, was bisher vertraut und lieb gewesen ist, sondern in dem Sinn, dass man dieses Europa in seiner verfassungsmäßigen Struktur, in seiner inneren Verfasstheit, auch was das Zusam­menwirken mit den Regionen betrifft, neu andenkt und neu beurteilt – denn man kann diese Chance wahrnehmen, um aus Fehlern zu lernen!

Es ist das eine Riesenchance, wieder im Geiste der Gründer dieses Europas Aufbau­arbeit zu leisten, denn das Europa, das wir heute vorfinden, entspricht nicht dem, was sich Adenauer, de Gaulle oder Robert Schuman vorgestellt haben – ihre Vision von Europa war eine andere!

Wenn man bedenkt, dass über Jahrhunderte gerade im kerneuropäischen Raum starke militärische, kriegerische Auseinandersetzungen stattgefunden haben, dass allein zwischen 1870 und 1945 Deutschland und Frankreich dreimal miteinander Krieg geführt und damit ganz Europa hineingezogen haben, ist es verständlich, dass an der Wiege des neuen Europas nach 1945 primär der Wille zu einer friedlichen Entwicklung gestanden ist, dass diese Sehnsucht der Menschen enorm gewesen ist.

Robert Schuman hat das ja am 9. Mai 1950, sozusagen in der Geburtsstunde der europäischen Bewegung, gesagt, wenn er sagte: Europa ist nicht zustande gekom­men, denn wir haben ja Krieg gehabt. Daher konnte Europa nicht werden, wenn man im Inneren gegeneinander Krieg führt.


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Jean Monnet hat als Präsident der Hohen Behörde für die Montanunion gesagt: Un­sere Gemeinschaft ist kein Zusammenschluss von Kohle- und Stahlerzeugern, sie ist der Beginn Europas.

Das heißt, ein sehr technischer Vorgang zur Bildung einer gemeinsamen Rohstoffbasis und -organisation in Europa war der eigentliche Beginn für die Idee der Friedens­ordnung in Europa und sollte auch von Anbeginn an mehr sein als nur eine wirt­schaftliche Kooperation. Die Kohle, kann man sagen, ist symbolisch die Nahrung für das Feuer, das im Herzen der Menschen brennen soll für diese Idee, und der Stahl, der damals die Grundlage der Vereinigung war, sollte eigentlich das stabile Bau­element für das gemeinsame Haus Europa sein.

Heute, nach vielen Jahrzehnten, ist Europa wesentlich größer geworden – 25 Staaten sind nun Mitglieder –, man hat eine gemeinsame Währung, man hat rund 450 Millionen Menschen in diese neue europäische Gemeinschaft aufgenommen, und trotzdem ist dieses Projekt mit dem zunehmenden Größerwerden ins Stocken geraten. Ob wir das zugestehen oder nicht: Europa befindet sich in einer manifesten Krise, weil die Bürger nicht mehr tatenlos zusehen, dass sozusagen von oben oder über ihre Köpfe hinweg ein Vorgang vorgenommen wird, dessen Geschwindigkeit sie nicht nachvollziehen können.

Also dieser Erweiterungstaumel zum Beispiel, verbunden mit einer völligen finanziellen Überforderung Europas, diese Erweiterung auch finanzieren zu können, bei gleich­zeitigen notwendigen restriktiven Budgetmaßnahmen in den bisherigen Mitglied­staaten, um das alles bewältigen zu können, und zusätzlich noch ein europäischer Verfassungsvertrag, der in sich so widersprüchlich ist, dass jeder gut beraten ist, ihn wirklich durchzustudieren, um zu erkennen, dass eine Menge Fußangeln darin sind, bis hin zum Raub und zur Einschränkung nationaler Souveränitätsrechte, bis hin zu nachträglichen Korrekturen, die in der Verfassungsversammlung niemand beschlossen hat, wie Artikel 445, wo es um wesentliche Änderungen von Wirtschaftsverfas­sungspositionen geht, der einfach hineingeschummelt worden ist, ohne dass dafür ein Beschluss gefasst worden ist, das alles zeigt also, dass hier ein Europa entstanden ist, das weitab von Demokratie und rechtsstaatlichen Institutionen ist und natürlich zu Recht von vielen Menschen heute sehr kritisch gesehen wird, wenngleich man auch bereit ist, die Grundidee eines friedlichen Europas, einer friedenssichernden Gemein­schaft nach wie vor als sehr wesentlich in den Vordergrund zu stellen.

Wir haben daher keine Krise der Wirtschaft in Europa, sondern das, was wir haben, ist eine Strukturkrise der europäischen Institutionen, was wir haben, ist eine Sinnkrise der Menschen mit dieser europäischen Idee. Europa hat massiv an Anziehungskraft verloren, es ist den Menschen fremd geworden. Es ist in einem demokratischen Gemeinwesen gefährlich, wenn die Menschen sich zurückziehen. Die Vision, die einmal war, einen Kontinent des Friedens und des Wohlstandes, des Rechtsstaates und der Demokratie zu schaffen, diese Vision ist eigentlich von einem sehr kühlen neoliberalen oder bürokratischen Projekt, wenn Sie so wollen, abgelöst worden, das dadurch charakterisiert ist, dass wir 20 Millionen Arbeitslose – mit steigender Tendenz – haben, dass wir einen sterbenden Mittelstand auch in der Wirtschafts­struktur in Europa, nicht nur hier in Österreich, nicht nur in Deutschland, haben – das ist eine gefährliche Tendenz – und dass wir einen Regelungswahn an der Spitze der Europäischen Union haben, der tief in die Lebensverhältnisse der Menschen eingreift, ohne dass dafür eine Notwendigkeit besteht.

Zu Recht haben daher die Bürger das Gefühl, dass nicht Bürger und Menschen in diesem Europa wichtig sind, sondern Funktionäre und die Akteure der multinationalen Konzerne, die es sich gerichtet haben. Dass das keine plakative polemische Formel ist, lässt sich schon daran ersehen, dass alleine die wirtschaftspolitische Ausrichtung


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Europas diametral entgegengesetzt ist zu jenen Grundgedanken, die wir bisher in unseren Mitgliedstaaten mit der Idee der Marktwirtschaft, der sozialen Marktwirtschaft im Besonderen, verbunden haben.

Nehmen Sie nur die Europäische Zentralbank her. Die Europäische Zentralbank hat eine einzige Aufgabe, nämlich die Preisstabilität zu beobachten. Das ist zwar im Inter­esse der Kapitalfreiheit als einer der Grundfreiheiten Europas sehr wichtig, das ist aber im Widerspruch zu den Aufträgen, die die soziale Marktwirtschaft in den einzelnen Mitgliedsländern an die Politik erteilt hat. Denn noch immer gilt im Grunde genommen die Verpflichtung, sozusagen das magische Viereck zu beobachten, wo neben der Preisstabilität ein hohes Maß an Beschäftigung sicherzustellen ist, Wirtschaftswachs­tum als Zielsetzung angegeben ist und außenwirtschaftliches Gleichgewicht notwendig ist.

Das heißt, alleine das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und die in den natio­nalen Mitgliedstaaten vorzunehmenden Maßnahmen stehen in einem diametralen Wider­spruch zu den Aufträgen, die Europa in der Wirtschaftspolitik etwa der Euro­päischen Zentralbank erteilt, sodass wir einfach eine Arbeitsteilung haben, die nicht funktionieren kann. Europa hat sich weitgehend die wirtschaftspolitische Kompetenz geholt, Europa ist verantwortlich für die Währungsunion und hat damit den Zugriff auf alle Finanztransaktionen, aber Europa will nicht verantwortlich sein für die Beschäf­tigungspolitik und will nicht verantwortlich sein für die sozialstaatliche Abfederung von Krisen und Lebenssituationen, wo für den Menschen ein Ausgleich gemacht werden soll. Und in dieser Situation befinden wir uns heute: dass hier eine sehr eigenartige Arbeitsteilung vorhanden ist, die eben nicht funktionieren kann. Daher hat sich Europa bisher auch dem Thema Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht wirklich gestellt. Und das irritiert die Bürger, die sich aus diesem Haus zunehmend zurückziehen.

Die Gründer haben seinerzeit die Angst gehabt, Europa könnte auf Grund von politisch-ideologischen Konflikten sehr bald auseinander brechen, etwa auf Grund des Scheiterns der Moskauer Konferenz im Jahre 1947 und der Gründung der Kominform, also der umspannenden kommunistischen Bewegung nach 1947, oder des Prager Put­sches im Jahre 1948 oder der ersten von der Sowjetunion gezündeten Atombombe im Jahre 1949 oder in der Folge durch die Auseinandersetzungen im Rahmen des Kalten Krieges. Mitnichten! Dieses Europa hat im Kernbereich seine Stabilität beobachtet und ist daran nicht zerbrochen, sondern es ist der Herausforderer, die Sowjetunion zerbrochen. Aber heute schaut es so aus, dass Europa an seinen Bürgern zerbricht, wenn es nicht die Türen öffnet und seine Bürger in die Mitentscheidung und Mitge­staltung dieses zukünftigen Europas einbindet.

Dementsprechend hat auch das Eurobarometer vor kurzem ausgewiesen, dass nur mehr 47 Prozent der europäischen Bürger ein positives Bild von der Europäischen Union haben. Das ist also durchaus ein Alarmsignal, wenn man weiß, dass dieses Eurobarometer auch sehr stark von der Kommission mit beeinflusst wird und man also nicht gerade wirklich absichtlich ein sehr negatives Bild zeichnen möchte.

Diese Situation hat natürlich auch in den europäischen Institutionen zu einer gewissen Lethargie, zu Frust, zu Ratlosigkeit geführt, die berechtigt ist, denn wenn man sich das anschaut, dann weiß man, wir haben heute keine gesamte europäische Außenpolitik, die gibt es nicht. Am besten hat sich das am Irakkrieg gezeigt, wo europäische Mitgliedstaaten in verschiedene Richtungen gezogen haben und wo letztlich das jetzt ständige Anpassen, sage ich einmal, an die amerikanische Kriegspolitik im Irak auch dazu führt, dass Europa zunehmend auch zum Objekt von Terror und terroristischer Anschläge werden wird, obwohl es Europa eigentlich in der Hand hätte, durch eine eigene europäische Friedensinitiative im Nahen und Mittleren Osten vielleicht gerade gegenzusteuern und damit auch durch eine vernünftige Außenpolitik Sicherheitspolitik


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auf dem eigenen Kontinent, in Europa zu machen, um die Bürger dieses Landes nicht zu gefährden.

Europa hat aber auch keine Wirtschaftspolitik, wie ich Ihnen vorher konzipiert habe, denn 20 Millionen Arbeitslose sind kein Erfolgsnachweis. Europa ist unentschlossen, wenn es um die Durchsetzung der Marktwirtschaft geht. Deutsche und Österreicher liberalisieren im Sinne der Aufträge der Europäischen Union. Gleichzeitig pflegt Frank­reich beispielsweise auf dem Energiesektor und in anderen Bereichen, etwa jenem der Telekommunikation, weiterhin einen Etatismus, der staatliche Monopole auch in den nächsten Jahren noch verteidigt und damit Wettbewerbsungleichheit und Verzerrungen in Europa möglich macht.

Europa hat seine innovative Kraft bis heute nicht wirklich eingesetzt, denn das Lissabon-Ziel ist weit von unseren Realisierungen entfernt, und Europa hat auch sein Stabilitätsziel nicht ernst genommen, sonst würden die führenden Staaten Europas wie Frankreich, wie Deutschland, wie Italien dieses Stabilitätsziel nicht massiv ignorieren und nicht erreichen.

Ich glaube daher, dass wir uns schon ein bisschen zum Gründungsgedanken der Euro­päischen Union zurückbewegen sollten, wo am 9. Mai 1950 Außenminister Schuman gesagt hat:

„Im Gegensatz zu einem internationalen Kartell, das nach einer Aufteilung und Aus­beutung der nationalen Märkte durch einschränkende Praktiken und die Aufrecht­erhaltung hoher Profite strebt, wird die geplante Organisation die Verschmelzung der Märkte und die Ausdehnung der Produktion gewährleisten.“

Das heißt, das Ziel Europas war es von Anbeginn an, dass es gelingt, durch Aus­dehnung der Produktion in einem größeren gemeinsamen Markt auch Beschäftigungs­effekte zu erzielen, Arbeitsplätze, Wohlstand durch Arbeit, durch ertragreiches Wirken in der Wirtschaft. Dieses Ziel ist aber in den letzten Jahren massiv vernachlässigt worden. Diese Sicherheit für Europa durch Wohlstandsentwicklung zu schaffen, diese Friedensbasis durch Wohlstand zu schaffen, ist ignoriert worden, obwohl gerade die Gründungsväter darauf hingewiesen haben, welche Katastrophen Europa heimgesucht haben, weil das Ziel der Beschäftigung, der Arbeit, der Wohlstandsentwicklung für Millionen Menschen nicht erreicht worden ist und Diktaturen und Katastrophen, wie wir sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt haben, die Folge gewesen sind. Das sollten wir meines Erachtens ein bisschen ernster nehmen.

Heute haben wir primär ein Profitstreben der internationalen Konzerne und Kartelle, die sich auch der Europäischen Union bemächtigt haben. Denn die 5 000 Lobbyisten, die in Brüssel heute ein- und ausgehen und dort die Gesetze diktieren, stammen nicht von der mittelständischen Wirtschaft, sondern sind primär Vertreter auch jener inter­nationalen Konzerne, für die Europa zwar ein interessanter Markt, aber nicht wirklich ein Anliegen ist.

Daher ist die absolute Kapitalverkehrsfreiheit auch ein Problem geworden. Betrachten Sie etwa die Situation in Deutschland. Deutschland ist ein Land mit einer hohen Spar­rate, hat aber die geringsten Investitionen, die aus dieser Sparrate resultieren, weil das Geld woanders investiert wird und damit auch latente Konflikte unter den Mitglied­staaten entstehen werden.

Ich glaube daher, dass sich Europa auch in diese Richtung neu orientieren wird müssen. Wenn Europa sich neu aufstellt, muss es einen massiven Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung geben, mit sehr konzentrierten Mitteln, auf der Grundlage eines Europas der Regionen und eines Europas der souveränen Nationalstaaten, die nicht weiterhin ihrer Kompetenzen und Mitwirkungsmöglichkeiten


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beraubt werden dürfen, so wie es am Beginn der europäischen Idee de Gaulle und Adenauer formuliert haben, die gesagt haben, wir wollen ein Europa der Vaterländer haben, ein Europa der Vaterländer, wo in einer Staatengemeinschaft zusam­mengear­beitet wird.

Ralph Dahrendorf hat das vor kurzem in einem Vortrag unterstrichen, als er sagte: Je mehr Europa, müssen wir wissen, heißt umso weniger Demokratie.

Und genau vor dieser Situation stehen wir heute. Daher ist die Rückbesinnung auf die Gründungsidee etwas sehr Wesentliches. Wir brauchen somit keinen europäischen Gesamtstaat, auch keine europäische Verfassung, denn nur ein Staat braucht eine Verfassung. Das, was wir brauchen, sind Garantien für die Bürger, was ihre rechts­staatliche Mitwirkung, was ihre demokratische Mitwirkung, was ihre Grundrechts­sicherung dann bedeutet, wenn Nationalstaaten ihre Rechte höheren Orts an die Europäische Union delegieren, damit dort die gleichen Grundfreiheiten und ‑rechte gewährleistet sind wie in den nationalstaatlichen Verfassungen.

Auf dieser Basis wäre es empfehlenswert, wenn Österreich sich jetzt daranmachen würde, eine Agenda, die es im Rahmen des EU-Vorsitzes umsetzen will, zu entwickeln. Österreich hat meines Erachtens gute Chancen, das zu tun, auch als ein Land, in dem Regionen bedeutsam sind, Regionen wie unsere Bundesländer, die auch zeigen, dass selbst ein kleines Land wie Österreich eine unwahrscheinliche Vielfalt und kulturelle Kraft entwickeln kann, auch wenn nur wenige Menschen in den einzelnen Regionen wohnen und dort arbeiten.

Daher ist diese Idee der Regionalisierung Europas, auch was die Kompetenzlage betrifft, etwas sehr Wichtiges, weil damit letztlich auch der kulturelle Schutz Europas erfolgen kann. Und historisch gesehen ist Europa nur Europa geworden, weil es eine kulturelle Vielfalt beobachtet hat und nicht irgendeine Einheitsorganisation dargestellt hat.

Und das hat wieder Auswirkungen auch auf die verschiedenen Maßnahmen, die die Europäische Union setzt. In der Einwanderungspolitik wird es notwendig sein, jene, die zuwandern und sich hier dauerhaft niederlassen wollen, zu verpflichten, sich mit der Kultur des jeweiligen Gastlandes zu identifizieren. Oder in der Frage der Dienst­leis­tungsrichtlinien wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass unterschiedliche Länder, Mitgliedstaaten und Regionen auch unterschiedliche Kulturen der Dienstleistungs­erbringung haben und es daher nicht so sein kann, dass nach der Methode des billigen Jakob quer durch Europa alles gleich gemacht werden kann.

Oder auch die Frage des Herkunftslandprinzips muss hinterfragt werden, weil wir in Österreich zum Beispiel eine andere Kultur der Erzeugung von Lebensmitteln haben als Staaten, die vielleicht weiter westlich liegen und mit der Agroindustrie mehr verbunden sind als wir, die wir letztlich wissen, dass unsere Nahrungsmittel noch auf der Grundlage einer bäuerlichen Wirtschaftsweise in den bäuerlichen Familien­betrie­ben produziert werden. Das hat alles auch mit Kultur und Regionen zu tun.

Was die Beschäftigungswirkung betrifft, würde ich sagen, wäre es wesentlich, dass wir als Vorsitzender der EU im Jahre 2006 von Österreich aus einen Neustart der Lissabon-Initiative machen, dass sie überprüft und noch einmal mit klaren Ziel­setzungen angegangen wird, denn eine wissensbasierte Gesellschaft als Grundlage unseres Erfolgs ist sicherlich die richtige Orientierung gewesen. Daher sollte man dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren und sagen, wir hätten es jetzt nicht erreicht. Wir werden bis zum Jahr 2010 nicht unsere Ziele erreichen und auch das Wachstum von 3 Prozent nicht sicherstellen, aber man sollte noch einmal diese Initiative setzen, umso mehr als wir ja wissen, dass die einzelnen Regionen sehr stark Motoren in dieser Richtung sein können.


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Denken Sie an den südlichen Raum. Der oberitalienische Raum ist heute einer der potentiellen Wachstumsmotoren, der auch mit uns in Österreich, aber auch mit den slowenischen und kroatischen Nachbarn zusammenwirken kann, wenn es darum geht, etwa die Lissabon-Ziele zu erreichen, weil hier von den Bildungsinstitutionen, von der mittelständischen Wirtschaftsstruktur her, von den Innovationspotentialen, die vor­handen sind, eine ideale Grundlage für die Umsetzung der Lissabon-Initiative gegeben sein könnte.

Dass das funktioniert, kann man auch an Beispielen sehen. Ich nehme ein Beispiel aus meinem eigenen Bundesland Kärnten. Wenn sich das Weltunternehmen Infineon aus Deutschland nach Kärnten bewegt und hier das Kompetenzzentrum für den gesamten Autoelektronikbereich und für den gesamten Industriebereich und die Industrie­elek­tronik ansiedelt, inklusive der Forschungseinrichtungen, die wir vor wenigen Tagen eröffnet haben, dann ist das jene Philosophie der Kompetenz-Center-Fixierung in Österreich als Standort, die wir uns ja vorgenommen haben und die auch über die Frage der wissensbasierten Initiativen besser gelöst werden kann als in manch ande­rem Land, weil wir die Bildungseinrichtungen dafür haben, weil wir aber auch letztlich von der Standortqualität als guter, sicherer Hafen für die Operationen in neuen Märkten sehr gut zur Verfügung stehen werden.

Zum Zweiten würde ich sagen, dass die Infrastrukturoffensive auch in Europa noch einmal angestartet werden sollte, insbesondere was im Bereich des Schienennetzes gelegen ist, wobei wir Österreicher uns hier um eine Gleichbehandlung bemühen sollten, denn sowohl die Südbahn als auch die Koralmbahn ist eine Chance für uns, dass wir den an sich von der EU entschiedenen Korridor 5 früher auf österreichischer Ebene verwirklichen. Den österreichischen Korridor 5 zu bauen und zehn Jahre mindestens vor der EU fertig zu sein heißt, dass wir den gesamten oberitalienischen Raum an die Wirtschafts- und Transportlogistik anbinden, sowohl was die Versorgung in Richtung Norden als auch die Erschließung der neuen südosteuropäischen Märkte betrifft. Das ist eine wichtige Sache, die man nicht unterschätzen darf. Damit sind viele Arbeitsplätze verbunden, und zwar nicht nur während der Investition in diese Infra­strukturen.

Die Finanzierung all dieser Maßnahmen, sowohl Lissabon-Initiative als auch Infra­struktur, könnte meines Erachtens, wenn sie zweckgebunden für diese Maßnahmen ist, durch eine Lockerung des Stabilitätspaktes und der Maastricht-Ziele erfolgen, weil ja daraus letztlich mehr Beschäftigung resultieren wird, und durch eine wachs­tumsorientierte Zinspolitik der Europäischen Zentralbank und durch eine Mittelzufuhr für Forschung und Entwicklung aus den Reserven der Europäischen Inves­titions­bank. Ich glaube, dass hier diese Reserven angesprochen werden sollen, sodass wir etwa auf ein Budget, das um 70 Prozent über dem der Vorperiode 2000/2006 liegt, kommen könnten. Die Mittel sind vorhanden und müssten eigentlich nur angesprochen werden.

Als vierten Punkt für eine Agenda der österreichischen Präsidentschaft unter Mit­wirkung der Länder würde ich vorschlagen, dass wir uns für eine konsequente Ein­führung des One-Stop-Shop-Prinzips in allen behördlichen Verfahren, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in Europa einsetzen, weil damit ein enormer Büro­kratieverzicht und letztlich eine Gründerwelle ausgelöst werden können und gleich­zeitig Europa dazu verhalten werden könnte, über 90 000 Seiten Rechtsbestand nachzudenken und das entsprechend zu durchforsten, denn der Regelungswahn ist in vielen Bereichen nicht mehr nachvollziehbar. Denken Sie nur an die jüngste Initiative, was den Sonnenschutz der Arbeitnehmer in den Betrieben betrifft, die ja so nicht wirklich nachvollziehbar ist, denn das würde bedeuten, dass man schon für Bauarbeiter


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Sonnenschirme braucht und ähnliche Dinge, um den Vorlagen der EU Rechnung zu tragen. Absurde Dinge!

Der fünfte Punkt wäre, dass Österreich, so wie es der Bundeskanzler auch vorge­schlagen hat und wie wir sie auch in die Diskussion gebracht haben, die Einführung einer Devisenspekulationssteuer nach dem Tobin-Tax-Modell auch auf die Agenda der Europäischen Union setzt, weil ich glaube, dass damit auch eine sehr mittelstandsfreundliche Weichenstellung erfolgen kann.

Das, was wir heute im Mittelstand haben, ist eine entsprechende Unterkapitalisierung und Finanzierungsproblematik, weil kurzfristige Spekulationsgewinne im Rahmen der internationalen Finanztransaktionen dazu führen, dass immer weniger Geld in realen Produktionen veranlagt wird, weil sie nachhaltiger sind und langfristiger angelegt sind und nicht kurzfristige Gewinnmargen realisieren lassen wie im Spekulationsbereich.

Also tut sich Europa etwas Gutes, wenn es diese Spekulationen auch durch eine entsprechende Devisenspekulationssteuer einschränkt.

Ein sechster Punkt wäre, dass wir als kleines Österreich werben, dass Europa seinen Markt unter gleiche Wettbewerbsbedingungen stellt. Wir sollten auf dem euro­päischen Markt nur jene Produkte, nur jene Waren verkaufen lassen, die unter den gleichen Bedingungen, wie sie in der europäischen Produktion herrschen, erzeugt werden können. Das heißt, wenn europäische Sozialstandards, europäische Mindest­standards für die Ökologie, für die Umweltauflagen eingehalten werden, können Produkte auch von außen eingeführt werden. Wenn sie aber etwa durch Kinderarbeit oder durch Lohndumping, das bei uns nicht möglich ist, oder unter Missachtung elemen­tarer Umweltstandards erzeugt werden und dann als Billigprodukte auf den europäischen Markt kommen, um hier Produktion und Arbeitsplätze zu zerstören, dann sollte man eine Schutzsteuer oder Schutzzölle einführen, damit diese Produkte recht­zeitig an der Grenze abgeschöpft werden, bevor sie den europäischen Markt erreichen können.

Das ist eine wesentlich wirksamere Maßnahme für Beschäftigungssicherung im euro­päischen Bereich als alles andere. Denken Sie nur an den ganzen Textilbereich, der seit 1. Jänner 2005 freigegeben ist: Dadurch sind allein in Italien 8 000 kleine und mittelständische Schuhfabriken vom Zusperren bedroht, 6 000 werden es nicht überleben, und es sind mehr als 100 000 Arbeitsplätze dadurch gefährdet. – Das sagt sich so leicht, aber man muss erst Alternativen finden. – Diese Arbeitsplätze sind deshalb gefährdet, weil die Konkurrenz unter Bedingungen produziert, die in Europa nicht möglich wären. Daher muss man diese gemeinsame Schutzzoll-Strategie auch von Seiten eines kleinen Landes wie Österreich, das eine mittelständische Wirtschaft zu verteidigen hat, entsprechend einfordern und umsetzen.

Siebenter Bereich: Österreich sollte in der Frage der Nettozahlerposition dort flexibel sein, wo es um nachweisliche Verbesserung der Rückflüsse geht, vor allem weil wir auch die Entwicklung des ländlichen Raumes im Auge haben müssen und da vor allem die Erhaltung unserer landwirtschaftlichen bäuerlichen Familienbetriebe. Dabei ist durchaus zu überlegen, ob man in diesem Prozess auch eine Art Renationalisierung landwirtschaftlicher Kompetenzen andenken sollte, denn hier sind wir sicherlich als kleine Region stärker gefordert als andere Mitbewerber.

Ein achter Punkt wäre, dass wir die Grenzlandförderung in dieser Periode des öster­reichischen Vorsitzes verwirklichen. Viele unserer Nachbarländer, wie Deutschland, Bayern, haben das gleiche Problem wie wir: Wir grenzen an viele neue EU-Mitglied­staaten an, die heute bevorzugte Förderbedingungen haben, die Ziel-1-Gebiete sind, während wenige Meter über der Grenze plötzlich gar nichts mehr geht, weil wir aus allen Förderbedingungen herausgefallen sind. Das auszugleichen ist ein Gebot der


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Stunde, wenn wir nicht die Grenzländer wieder enttäuschen wollen, die ja gehofft haben, dass sie gerade durch den europäischen Entwicklungsprozess den Nachteil, an einer toten Grenze zu liegen, überwinden können. Ob das das Waldviertel ist oder der Südkärntner Raum oder die Südsteiermark, das ist völlig egal. Wir müssen diese Nachteile ausgleichen und sollten auch zur Bedingung unserer budgetären Zustim­mung die Realisierung einer Grenzlandförderung für die österreichischen Grenzländer und für andere Grenzländer in einem bestimmten Zeitraum machen.

Ein neunter Vorschlag wäre, dass die Bundesregierung in dieser Periode ein Pro­gramm für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum mit den Bundesländern er­stellt, wo wir die Fördermöglichkeiten der Länder wie auch des Bundes zusam­men­legen, um in einem Programm, das etwa die Steiermark schon angedacht hat, das wir in Kärnten schon verhandelt haben, bundesländerübergreifend eine Beschäftigungs- und Wachstumsoffensive zu setzen, damit Betriebe, bevor die schlechteren Förder­bedingungen der EU im Jahr 2007 wirksam werden, ihre Investitionen vorziehen, durch ein Förderpaket entsprechende Anreize haben und damit einen massiven Impuls für Wachstum und Beschäftigung setzen könnten.

Das heißt, wir können auch als kleines Land Europa zeigen, wie man das macht, denn wir wissen alle, ab dem Jahr 2007 gibt es andere Förderbedingungen. Dann wird letztlich vieles, was heute im Bereich der Mittelstandsförderung möglich ist, nicht mehr möglich sein. Daher: Vorzieheffekte von Investitionen durch ein solches Sofortpro­gramm ermöglichen.

Ein zehnter Vorschlag ist: Mittel für Forschung und Entwicklung sollten auch für die Modernisierung unseres Bildungssystems eingesetzt werden, etwa in den tech­nischen Lehranstalten, wo wir bei der Umstellung auf die Informationstechnologie noch große Probleme haben, wo aber letztlich projektgebunden im Verbund mit Unter­nehmungen in diesem Bereich sehr viele positive Akzente gesetzt werden können. Wir haben das in unserem Bundesland in den letzten Jahren gemacht.

Elfter Punkt: Ein Steuersenkungsprogramm auch in Österreich ist ein zwingender Schritt, um vor allem die durch entsprechende Mehrbelastungen vorhandenen Kauf­kraft­abflüsse auszugleichen. Wir haben schon mit der ersten Steuersenkung, die 2004/2005 in Kraft getreten ist, die richtige Strategie gehabt, denn zum Unterschied von Deutschland haben wir kaufkraftstärkende Maßnahmen auch in der Steuerreform. Denken Sie an das Familienpaket, denken Sie an die Tarifsenkung – auch für die unselbständig Erwerbstätigen! Das ist der Grund, warum heute deutsche Zeitungen titeln: „Österreich: Das bessere Deutschland“. Selbstverständlich, weil Österreich nicht nur bezüglich der Beschäftigung, sondern auch bezüglich der Kaufkraft besser dasteht als das benachbarte Deutschland, aber auch andere Nachbarländer, wie etwa Holland, die alle dasselbe Problem haben: Sie haben ein massives Kaufkraftproblem bei den Masseneinkommensbeziehern. Daher wäre ein nächster Schritt eines Steuersenkungs­programms, wie es ohnedies im Kreise der Bundesregierung in den letzten Tagen von verschiedenen Exponenten schon andiskutiert worden ist, nur konsequent. Das zeigt uns aber auch, dass es wichtig ist, dass wir das in Europa nicht vereinheitlichen, damit wir unsere Standortqualität auch weiterhin selbst wahrnehmen können.

Ein zwölfter Vorschlag ist, dass wir während unseres EU-Vorsitzes auch für eine Neu­orientierung der europäischen Energiepolitik werben. Gerade das kleine Österreich ist im Bereich der erneuerbaren Energie, der nachwachsenden Rohstoffe an sich ein Technologieführer. Wir haben viele mittelständische Unternehmungen, die sehr, sehr gut dastehen in diesem Bereich, die auch dieses Know-how exportieren können und die vor allem unter dem Eindruck steigender und stabil hoch bleibender Preise bei Öl diese Alternativen verstärkt auch wirtschaftlich umsetzen könnten.


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Daher haben wir auch in der Landeshauptleutekonferenz die Verpflichtung, möglichst rasch den Beschluss herbeizuführen, dass es eine Verlängerung der Projektförderung für die erneuerbaren Energieprojekte bis Ende 2007 gibt, damit anstehende Projekte auch abgearbeitet werden können, weil damit auch sehr viel technologische Ent­wicklung und damit neue Beschäftigungsmöglichkeiten verbunden sind.

13. Vorschlag: Österreich sollte ein europaweites Programm für die Entwicklung von Ein-Mann-Unternehmen machen. In sehr vielen Ein-Mann-Unternehmen ist nur der Unternehmer da. Wenn er aber entsprechende Rahmenbedingungen vorfindet, wird er sich durchaus von seinen Umsätzen her einen Mitarbeiter oder einen zweiten Mitarbeiter leisten können. Hier ein gezieltes Programm auch durch steuerliche Anreize zu machen würde bedeuten, dass wir innerhalb kürzester Zeit nach Expertenmeinung rund 500 000 neue Arbeitsplätze in Europa schaffen könnten.

Ein 14. Vorschlag wäre, dass wir als kleines Österreich uns für einen nachhaltigen, sofortigen Verhandlungs- und Erweiterungsstopp einsetzen, dass wir sagen, Euro­pa hat so viele Probleme, hat zuerst intern seine Situation zu bereinigen und wird Erweiterungsverhandlungen erst dann führen und Erweiterungsschritte erst dann setzen, wenn auch im Bereich der Arbeitslosigkeit nachhaltig Verbesserungen ein­getreten sind.

Das wäre, glaube ich, auch eine Beruhigung für die Bürger, dass Europa sich auf sich selbst konzentriert und zuerst einmal seine eigenen, hausgemachten Probleme löst, bevor weitere Erweiterungsschritte erfolgen oder Verhandlungen in dieser Richtung geführt werden.

Ein letzter Punkt wäre, dass Österreich sich dafür einsetzt, dass es nicht einen euro­päischen Verfassungsvertrag gibt, sondern dass wir einen Bürgervertrag machen, in dem auch die Regionen entsprechende Rechte mit Mitwirkungsmöglichkeiten und Kom­petenzen bekommen. Wir haben derzeit massive Probleme, etwa grenzüber­schreitend mit unseren italienischen und slowenischen Nachbarn an einer Regions­bildung zu arbeiten, weil entweder alles von Brüssel bewilligungsbedürftig ist oder von der nationalen Regierung in Rom oder sonst irgendwo abhängt. Das ist nicht die Zukunft eines europäischen Regionalismus, wie wir ihn uns vorstellen.

Zusammenfassend: Ich glaube, es wäre an der Zeit, zu versuchen, auch mit der Änderung des europäischen Verfassungsvertrages den Regionen ein neues Gewicht zu geben, den Regionen, die auch wirtschaftlich die Motoren Europas sind. Es gibt verschiedene Regionen Europas, die sich als Konjunkturmotoren profilieren könnten. Ihnen muss man auch diese Chancen geben, um damit auch der Globalisierung oder den Gefahren der Globalisierung, wie ich sie skizziert habe, entsprechend entge­gen­treten zu können.

Sicherlich ist es nicht einfach, Europa mehr oder weniger neu zu denken, aber es steht uns, glaube ich, an, als ein Land, das im Kern Europas beheimatet ist, das immer eine sehr starke Initiative für dieses Europa gesetzt hat, in Zeiten unserer Vorsitzführung diese Idee zum Neu-Denken von Europa in Gang zu bringen und durch eine kluge Neuordnung ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen.

Wenn die Länder dabei hilfreich sein können, dann sollen sie letztlich in diesem Pro­zess auch ihre Vorstellungen über die Regionalisierung entsprechend einbringen.

Ich bin sicher, dass wir damit der gesamten Entwicklung Europas einen guten Dienst leisten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.11


Präsident Peter Mitterer: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Er­klärung.


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Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Herr Bundesrat Bieringer. Ich darf ihm dieses erteilen.

 


10.11.14

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Landeshauptmann! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mir heute bei der Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten erwartet, dass er zum Bundesrat selbst auch ein paar Worte sagt, dass er zum Bundesrat eine Stellungnahme abgibt, wo er doch am 30. Juni erklärt hat, dass es besser wäre, den Bundesrat in seiner jetzigen Form abzuschaffen oder ihn mit Vertretern der Landtage zu beschicken.

Ich halte ausdrücklich fest, dass Kärnten eines der wenigen, wenn nicht überhaupt das einzige Bundesland ist, das dezidiert in der Verfassung stehen hat, dass Abgeordnete zum Landtag nicht in den Bundesrat entsendet werden können.

Aber dennoch glaube ich, dass in Österreich auch ein gewisses Umdenken stattfinden soll, ein Umdenken, dass die Exekutivlastigkeit in diesem Lande zu Gunsten der Legislative verändert wird, dass die Legislative auch wieder dort das Sagen hat, wo sie es haben soll. (Beifall bei Bundesräten aller Fraktionen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa wurde vom Herrn Landeshauptmann zu Recht kritisiert, weil dort die Exekutivlastigkeit am meisten ausgeprägt ist. So, wie Europa das macht, möge es in Österreich niemals eintreten. Das, glaube ich, wird jeder Demokrat in diesem Land so sehen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte wieder auf den Bundesrat zu sprechen kom­men. Herr Landeshauptmann! Ich muss manchmal schmunzeln, wenn Vorschläge über den Bundesrat erstattet werden, denn ich glaube, dass viele nicht wissen, wovon sie reden, wenn sie den Bundesrat in den Mund nehmen.

Ich habe immer wieder gesagt, man möge – und das ist jetzt kein Vorwurf an irgendeine Partei, sondern das trifft alle, meine genauso wie die Sozialdemokraten; die Grünen weniger, weil sie noch nie in der Regierung waren –: Wenn Regierungs­über­einkommen geschlossen werden, wird automatisch der Bundesrat in dieses Regie­rungsübereinkommen hineingenommen. Das heißt, dass die Mitglieder des Bundes­rates quasi auch für diese Regierung und nicht zu ihren eigenen Aufgaben als Vertreter der Länderkammer stehen sollen.

Ich möchte das ausdrücklich anmerken, denn wenn man den Bundesrat so arbeiten lässt, wie es die Verfassung vorsieht und wie es in der Verfassung steht, dann halten wir auch internationalen Vergleichen stand. Und wenn ich Zweite Kammern vergleiche, muss ich feststellen, dass der Bundesrat der Republik Österreich im Vergleich etwa im Mittelfeld liegt, was Aufgaben und Rechte der Zweiten Kammern angeht.

So hat der Bundesrat ein absolutes Vetorecht bei Änderung der Kompetenzen zu Lasten der Länder durch Verfassungsgesetze, bei in einfachen Gesetzen enthaltenen Verfassungsbestimmungen und bei verfassungsändernden Staatsverträgen. Das, meine Damen und Herren, ist zweifelsohne ein wesentliches Merkmal der öster­reichischen Länderkammer. Dank dieses Vetorechtes – und das soll man ausdrücklich festhalten –, das keinen Beharrungsbeschluss des Nationalrates nach sich zieht, haben bei den Beratungen über die Rechte der Länder in Bezug auf die Mitgliedschaft bei der EU auch die Landeshauptleute eine starke Stellung.

Meine Damen und Herren! Die Forderung nach Abschaffung des Bundesrates ist nicht nur systemwidrig, sondern sie ist auch undankbar der Länderkammer gegenüber. Der


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Bundesrat hat außer dem Recht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und dem Recht auf Stellung eines Misstrauensantrages gegen einzelne Mitglieder der Bundesregierung oder gegen die gesamte Bundesregierung – meines Wissens war es in der 60-jährigen Geschichte der Zweiten Republik noch nie der Fall, dass ein Miss­trauensantrag gegen ein Regierungsmitglied oder gar gegen die ganze Regierung Erfolg gehabt hätte – noch eines nicht – und das kritisiere ich sehr stark –: Der Bun­desrat hat kein Mitwirkungsrecht bei den Finanzausgleichsverhandlungen. (Allge­meiner Beifall.)

Da bin ich mit Ihnen, Herr Landeshauptmann, sicherlich einer Meinung. Sie haben das gefordert, das anerkenne ich. Aber ich muss dazu sagen, das gilt nicht nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern wir haben auch noch eine dritte Institution, nämlich die Gemeinden.

Jene, die von den Ländern nach Wien kommen und glühende Verfechter des Föde­ralismus sind, vergessen, wenn sie dann in „ihrer“ Landesregierung sitzen, dass sie auch Föderalisten den Gemeinden gegenüber sein sollen. Dann sind manche Landes­politiker nämlich die ärgsten Zentralisten. Das möchte ich ausdrücklich aus der Sicht eines Bürgermeisters festhalten. (Beifall bei Bundesräten aller Fraktionen.)

Meine Damen und Herren! Das Resolutionsrecht, das Zitationsrecht und das Enquete-Recht gehören ebenso dazu wie der Zugang zur rechtlichen Kontrolle und das Recht zur Anfechtung von Gesetzen bei Verdacht auf Verfassungswidrigkeit beim Verfas­sungsgerichtshof. Auch dieses Recht hat der Bundesrat.

Ich brauche daher nicht über eine Aufwertung des Bundesrates reden, denn aufwerten muss man nur etwas, was abgewertet worden ist. Und da ich mich nicht abgewertet fühle, brauche ich auch nicht aufgewertet zu werden.

Ich habe bereits gesagt, meine Damen und Herren, dass das Regierungs­überein­kommen, ganz gleich, von welcher Partei, ein starker Hemmschuh für die Arbeit des Bundesrates ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine auch, dass der Bundesrat, wenn er das Recht zu einer finanziellen Mitwirkung bei der Budgeterstellung hätte, auch nichts bewegen könnte, denn meines Wissens hat der Nationalrat bis zum heutigen Tage einen Budgetentwurf der Bundesregierung noch nie abgeändert; vielleicht in Form von ein paar Beistrichen, aber sicher nicht bei größeren Positionen. Ich meine daher, dass das zwar gut klingt, aber wenig bringt.

Wenn es schon so ist, so muss auch gesagt werden: Es kann niemand ein Bundesland daran hindern, einen Landeshauptmann in den Bundesrat zu entsenden. Das ist heute möglich, und das war zwei Mal so der Fall. (Bundesrat Konecny: Ja!) Meines Wissens war Landeshauptmann Krainer senior aus der Steiermark Mitglied des Bundesrates (Bundesrat Konecny nickt), und der Bürgermeister von Wien, Landeshauptmann Slavik, war es ebenso. (Bundesrat Konecny: Jonas auch!) Jonas auch? – Dann waren es drei, die bereits Mitglieder waren.

Herr Landeshauptmann! Du hast immer von Ämterkumulierung gesprochen und gesagt, du bist gegen Ämterkumulierer. Ich unterstütze das, aber das muss auch für Landeshauptmänner gelten, denn: Der Landeshauptmann ist heute Chef der Landes­verwaltung, Träger der mittelbaren Bundesverwaltung, er sitzt im Ausschuss der Re­gionen Europas und ist meistens Vorsitzender seiner Partei im jeweiligen Bundesland. Wenn er dann auch noch im Bundesrat sitzt, dann, glaube ich, wird er schon ein extremer Ämterkumulierer – und solche werden ja auch nicht im Sinne des Lan­deshauptmannes von Kärnten sein.


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Meine Damen und Herren! Der guten Ordnung halber möchte ich auch noch anmer­ken, dass es 25 Länder, 25 Staaten gibt, die einen föderalistischen Aufbau haben und über ein Zweikammersystem verfügen. Diese Kammern vertreten dabei mehr als 40 Prozent der gesamten Weltbevölkerung.

Ich glaube, dass dies eine gute Organisation ist, und gute Organisationen soll man nicht abschaffen. Wenn ein Bundesrat zugegebenermaßen als Wiederholungstäter und ein anderer auf Grund tief greifender familiärer Ereignisse Wortspenden zur NS-Zeit abgeben, dann ist es populistisch, sofort die Abschaffung des Bundesrates zu ver­langen. Niemand käme auf die Idee, würde ein Landeshauptmann eine solche Äußerung tätigen, die Landeshauptmänner abzuschaffen! (Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Daher, glaube ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll man mit Abschaf­fungsäußerungen etwas vorsichtiger sein, denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese unsere Republik eine Zweite Kammer braucht und dass diese unsere Republik mit der Zweiten Kammer gut fährt.

In diesem Sinne ein herzliches Glückauf dem Bundesrat der Republik Österreich! (Allgemeiner Beifall.)

10.23


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Molz­bichler aus Kärnten. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Bundesrat Molzbichler – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung des Bundesrates Bieringer –: Gratuliere, Ludwig!)

 


10.23.00

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Landeshauptmann! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! – Ludwig, bravo! (Allgemeiner Beifall und Heiterkeit.) Gerade die Medienberichte der letzten Wochen über den Umgang handelnder und früherer Spitzenpolitiker mit öffent­lichen Mitteln unterstreichen die Worte von Kollegem Bieringer. Minister oder auch Lan­deshauptleute brauchen nicht weniger, sonder mehr Kontrolle durch die Legislative, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Der Herr Landeshauptmann gibt sich heute wieder einmal sehr staatsmännisch (Bun­des­ministerin Haubner: Ist er auch! Ist er!), plädiert für mehr Mitspracherechte der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, fordert mehr Rechte für die Regionen Europas ein und vieles mehr. In manchen Punkten, Herr Landeshauptmann, stimme ich zu, aber in vielen Bereichen sind wir sicher nicht einer Meinung!

Die Frage, meine Damen und Herren, die ich mir als Europäer, als Österreicher und auch als Kärntner stelle, ist, ob ein Europa der Bürger zwingend gleichzeitig auch ein Europa der Bundesländer und der Gemeinden sein soll oder nicht. Aber, meine Damen und Herren, um ehrlich zu sein: Eine konkrete Auseinandersetzung, bei der es um Fakten, Inhalte und Abmachungen geht, ist die Sache des Landeshauptmannes nicht. Solche Auseinandersetzungen sind mit ihm schwer möglich – wie ich, Herr Landes­hauptmann, auch aus Erfahrung weiß – und damit auch in vielen Dingen wenig sinn­voll.

Meine Damen und Herren! Ich spreche hier nicht von den ständigen Zickzackkursen rund um den österreichischen EU-Beitritt oder, in jüngster Zeit, um die europäische Erweiterung oder die EU-Verfassung, wo die BZÖ-Nationalräte zugestimmt haben. Manchmal ist man dafür und manchmal ist man dagegen. Man mischt ein paar Schlagwörter ins Gemenge, spricht von Bürgernähe, meine Damen und Herren, vertritt jedoch in den seltensten Fällen tatsächlich die Bürger.


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Vielleicht haben wir da auch eine andere Vorstellung, Herr Dr. Haider, was bezie­hungsweise wen wir unter Bürger verstehen. Jedoch geht es dem Herrn Landes­hauptmann meist um die Vertretung der persönlichen Interessen und auch Hobbys. Da kann es schon einmal passieren, dass man die Bürger im Regen stehen lässt, Herr Landeshauptmann.

Nur eine Frage zum aktuellen Thema: Wie ist das eigentlich mit den Sponsormillionen, die Patrick Friesacher den Einstieg in die Formel 1 im Minardi-Team ermöglicht haben? Es wird ja gemunkelt, dass sich der Herr Landeshauptmann privat um das Sponsoring gekümmert hat, aber niemand weiß so recht, woher das Geld gekommen ist (Landeshauptmann Dr. Haider: Aus dem Bundesrat! – ironische Heiterkeit des Lan­deshauptmannes Dr. Haider) und ob das Land Kärnten – immerhin, Herr Landes­hauptmann, prangt das Kärnten-Logo auf dem Formel-1-Boliden – hier als Mitfinancier agiert. Ist man da, Herr Landeshauptmann, als Bürgermeister nicht sofort aufgefordert, aufzuklären?

Apropos Aufklärung: Ein Plädoyer für mehr Bürgernähe abzugeben und dabei selbst die Bürgerinnen und Bürger bei den politischen Entscheidungen nicht mit einzubinden halte ich für grotesk und auch für unglaubwürdig.

Ich möchte nur ein Beispiel aus Kärnten auf Grund seiner Aktualität anführen: Meine Damen und Herren! Trotz ausgezeichneter Kosten-Nutzen-Relation und viel Aner­kennung über die Grenzen hinweg unterstützt der Landeshauptmann – von sich selbst und seiner Bürgernähe überzeugt – den Abbau von 200 Arbeitsplätzen im Bereich des Autobahn- und Straßennetzes in Kärnten!

Meine Damen und Herren! Gerade hier wurde in den letzten Jahren vieles auch auf Grund neuer EU-Richtlinien verbessert beziehungsweise weiterentwickelt, mit dem Ergebnis, dass ein gesunder öffentlicher Betrieb entstanden ist, der sich sehr gut mit privaten Betrieben messen kann. Anstatt aber den gegenwärtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die einen wichtigen Beitrag für diese Entwicklung geleistet haben, Respekt und Achtung entgegenzubringen, werden weitere Einsparungsmaßnahmen getroffen, die kurzfristig betrachtet mindestens 200 gegenwärtige Arbeitsplätze in Kärnten in diesem Bereich vernichten, dementsprechend viele Familien in eine finan­zielle und vor allem psychisch schwierige Situation manövrieren und mittel- und langfristig gesehen auch die Sicherheit des Straßennetzes in Kärnten und in weiterer Folge auch in Österreich massiv gefährden. Eine solche Politik halte ich persönlich für die Bevölkerung für katastrophal (Bundesrat Reisenberger: Ein Skandal!), und ich kann bei allem Bemühen nicht erkennen, dass es sich um eine bürgernahe Politik handelt. Daran fehlt es schlicht und einfach. Die Menschen werden einfach nicht ernst genommen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: ... haben Sie Schwierigkeiten als Koalitionspartner ...!)

Meine Damen und Herren! Von Mitsprache und Vertretung der Bevölkerung ist da jedenfalls nichts zu sehen! (Bundesrat Mag. Himmer: Große Schwierigkeiten!) – Herr Kollege, Sie können sich sicher dann äußern.

Meine Damen und Herren! Die schwierigste Aufgabe der österreichischen Regierung während der EU-Präsidentschaft sehe ich darum nicht nur auf europäischer Ebene – und hier gibt es genügend zu tun, wie etwa die Verfassung, Budget, Türkei und so weiter –, sondern auch innerhalb Österreichs. Hier aber, meine Damen und Herren, dümpelt die EU-Diskussion von einer Peinlichkeit in die andere. Es herrscht Verwirrung auf der Regierungsbank. Die Aussagen Grassers – Herr Landeshauptmann, auch ein politischer Ziehsohn von Ihnen! – passen einfach nicht zur Vorbereitung der EU-Präsidentschaft, und der unberechenbare kleine Koalitionspartner macht es den


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Strategen in der ÖVP auch nicht leichter. (Bundesrat Mag. Himmer: ... Sie der kleine Koalitionspartner!)

Meine Damen und Herren! Auch die letzten Umfrageergebnisse, in denen sich gerade Österreich als EU-kritisches Land herauskristallisiert, machen sicherlich kein gutes Bild – und das passt auch nicht zu einem Land, das bald die Präsidentschaft über­nimmt. Europa bürgernah zu machen, Europa den Menschen, die darin leben, näher zu bringen heißt auch, die Menschen ernst zu nehmen, und zwar nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf Landes- und Bundesebene, und vor allem positive Perspektiven vorzustellen, in denen die Menschen faire, gleichberechtigte Zugänge erhalten, was Arbeit, Lohn, Bildung, Weiterbildung oder Infrastruktur betrifft, ebenso das Gesundheitssystem, gleichberechtigte Pensionssysteme, wo es eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung und vieles mehr gibt.

Meine Damen und Herren! Die Phrase „Europa der Regionen“, „Europa der Bürger“ muss endlich in echte Politik umgesetzt werden, damit sich die Menschen in Europa wiederfinden – und natürlich ernst genommen werden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.30


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


10.30.35

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! Bevor ich meine Rede beginne, möchte ich die Gelegenheit nützen, unserem neu gewählten Präsidenten, Herrn Peter Mitterer, herzlich zu gratulieren. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. – Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Ing. Kampl schüttelt Präsident Mitterer die Hand.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Landeshauptmann! Es besteht einfach ein Bedürfnis, wie auch heute schon von Kollegem Bieringer in seinem Debattenbeitrag zum Ausdruck gebracht wurde, dass wir uns, was Europa und den ländlichen Raum betrifft, einfach die Zeit nehmen und uns mehr um diese Interessen bemühen und uns mehr darum kümmern. So, wie die Situation momentan ausschaut, ist es einfach nicht gut, und es ist einfach unverständlich, dass diese Diskussionen nicht im Interesse Europas geführt werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Molzbichler! Vielleicht vorher noch ein Wort dazu: In Kärnten arbeiten wir schon gut zusammen, und auch die SPÖ ist mit im Boot und versteht es sehr wohl, für das Bundesland Kärnten Mitverantwortung zu tragen!

Ein Bereich, Herr Landeshauptmann, die EU: Österreich ist, wie wir wissen, seit 1. Jänner 1995 Vollmitglied. Heute besteht die EU aus 25 Mitgliedstaaten mit 450 Mil­lionen Menschen, ein großer Wirtschaftsraum mit 89 unterschiedlichsten Regionen mit sehr unterschiedlichen Interessen. Es ist verständlich, dass es da Schwierigkeiten geben muss, bis das alles einmal funktioniert. Aber Europa besteht auch aus 112 108 Gemeinden mit 20 verschiedenen Sprachen. Das heutige gemeinsame Europa erwirtschaftet 50 Prozent des Welthandelsvolumens und stellt eine gewaltige Wirtschaftskraft dar, wenn man dies im weltweiten Vergleich betrachtet. Wir sollten allen Staatsmännern in Europa hohe Anerkennung zollen für all das, was sie dafür getan haben, dass wir nunmehr 60 Jahre hindurch ohne Krieg und in Frieden leben.

Aber, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, die Uninformiertheit der Bürger ist sehr groß. Viele offene Fragen wie Beteiligungsrechte, Umweltvergleiche, Bestimmungen


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für Ländergesetze, Tätigkeit der EU-Abgeordneten – da gilt es sehr nachzufragen! –, vor allem aber die Sicherung der Arbeitsplätze und die Finanzfragen sind seit neuester Zeit die große Sorge. Die große Sorge bezüglich der Globalisierung, die Befürchtung im Hinblick auf den neuen Finanzvorschlag, den Premierminister Tony Blair dann vorlegen wird – da können wir uns, glaube ich, schon vorstellen, dass wir uns mehr als bisher für die übrigen Interessen Europas verwenden werden müssen.

Der Schutz der Lebensgrundlagen für Österreich soll vorrangig sein. Bezüglich der Verkehrsregelung auf der Inntalautobahn haben wir in letzter Zeit feststellen müssen, dass gegen die Bürgerinteressen mit aller Kraft Europas vorgegangen wird. Ich habe großen Respekt vor Herrn Gurgiser und der Bürgerinitiative. Wir haben unsere Aufgabe dadurch zu erfüllen, dass wir diese Interessen vollinhaltlich unterstützen, und ich möchte Sie in diesem Zusammenhang bitten, Herr Landeshauptmann, in der Lan­deshauptleutekonferenz diese Bürgerrechte mehr als bisher zu wahren.

Die Zielsetzung muss in nächster Zeit auch sein, dass die 25 EU-Mitgliedstaaten zu einer Vertiefung gelangen – wie du heute gemeint hast, Herr Landeshauptmann: vor­her die Vertiefung und dann erst die Erweiterung! Es steht ja die Erweiterung um Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Island an, und wenn man weiß, was mit dieser Erweiterung dann wieder verbunden ist, dann ist es wirklich ratsam, dass man sich eine ordentliche Vertiefung vornimmt und dann erst an die Erweiterung denkt. Sicher wird es notwendig sein, auch in der Zwischenzeit eine gute Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaft und einen Wirtschaftsaustausch zu ermöglichen.

Herr Landeshauptmann! Ich komme zum zweiten Punkt: ländlicher Raum. Anlässlich deiner Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz möchte ich dich ersuchen, folgende Schwerpunkte für den ländlichen Raum, der in Österreich immer weiter ins Abseits gedrängt wird, zu setzen und dich voll hinter diese Interessen zu stellen. Von den 2 359 österreichischen Gemeinden haben 2 286 unter 10 000 Ein­wohner – es leben dort über 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung – und sind dadurch beim Finanzausgleich durch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel bis zur Hälfte benachteiligt. Wir beziehungsweise die ländliche Bevölkerung hat in der Zeit nach dem Krieg großes Verständnis gehabt, aber 60 Jahre nach dem Krieg versteht im ländlichen Raum niemand mehr, dass es in Österreich einen so großen Unterschied zwischen der Wertigkeit der Bürger gibt!

Der nächste Punkt betrifft die Kommunalsteuer. Herr Landeshauptmann! Wir müssen feststellen, dass die Zentren immer stärker werden. Wir als kleine Bürgermeister, die die ländliche Bevölkerung zu vertreten haben, gönnen ihnen das, aber die Kom­munalsteuer soll aufgeteilt werden! Ein Teil soll dort sein, wo wir die Arbeitsplätze sichern, und ein Teil soll dort sein, wo die Menschen, die nach der Arbeit nach Hause zu ihren Familien kommen, wohnen.

Und der letzte Punkt, Herr Landeshauptmann, ist das ländliche Wegenetz. Wir haben 75 000 km ländliches Wegenetz in Österreich, und es ist unverständlich, dass für diese Wege – die jedermann benützen kann, wo ganzjährig Bürger mit ihren Familien wohnen, dort leben, von dortweg ihre kilometerweit entfernten Arbeitsplätze auf­suchen – diese Bürger dann zur Mitfinanzierung herangezogen werden. In Zentren ist das nicht möglich, da ist es selbstverständlich, dass die Bürger bis zur Haustüre die Straße, die Schneeräumung und sonstige komfortable Bedingungen haben.

Zwei Bundesländer gibt es in Österreich – das sind das Bundesland Salzburg und das Bundesland Tirol –, die diese Belastung, die letzten Endes die Bevölkerung in den ländlichen Bereichen für die Erhaltung des ländlichen Wegenetzes trägt, voll über­nommen haben. Und ich möchte dich bitten, Herr Landeshauptmann, dafür zu sorgen,


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dass wir gemeinsam für alle Österreicher, die sich im ländlichen Raum befinden und dort wohnen, diese Bedingungen erfüllen können.

Herr Landeshauptmann, in diesem Sinne bitte ich dich auch, den ranghöchsten Ökonomierat Österreichs, Städtebundchef und Bürgermeister unserer wunderschönen Bundeshauptstadt Dr. Michael Häupl zu überzeugen, denn der Städtebund und der Gemeindebund haben diesbezüglich keine gute Achse. Der Städtebund ist wesentlich stärker, und wir bekommen diese Problematik immer wieder zu spüren. (Bundesrat Konecny: ... Häupl ... Wegenetz?)

Daher: Es ist dir sicher möglich, bei allen Konferenzen auf diese Problematik hinzuweisen. Die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung muss gestoppt werden! Ich hoffe, dass wir das gemeinsam wollen.

In diesem Sinne wünsche ich dir als Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz viel Erfolg für Österreich! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.40.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Das war, glaube ich, jetzt die erste Rede von Kollegen Kampl nach den Monaten der Diskussion. Ich nehme zur Kenntnis, dass Kollege Gudenus einen Schritt vollzogen hat, nämlich im Bundesrat nicht mehr zu erscheinen. Er hat ihn quasi durch die Hintertüre verlassen. Er bezieht zwar die Gage, aber er erscheint nun Sitzung für Sitzung nicht mehr. (Bundesrat Dr. Böhm: Er ist krankheitshalber entschuldigt!) – Ja, dazwischen sitzt er immer in der Cafeteria. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Da ist die Luft gesünder für ihn!) Das ist offensichtlich ein Kurort, die Cafeteria, und da sitzt er regelmäßig, nahezu täglich – und dann, wenn das Plenum kommt, ist diese Plenums­krankheit ausgebrochen.

Aber es ist in Ordnung, in der Republik ist schon öfter etwas falsch finanziert worden und sind Stranded Investments getätigt worden, soll er die Gage bis Oktober haben und halt bis Oktober diesem Gremium fernbleiben. Dass er es zur Hintertüre verlässt, ist seine Sache.

Kollege Kampl, ich habe Ihnen gesagt, dass ich das, was Sie hier gesagt haben in Zusammenhang mit den Wehrmachtsdeserteuren, als eine Frage Ihrer Sozialisation sehe. Ich habe aber heute, nachdem Sie heute zum ersten Mal an das Rednerpult getreten sind und der Präsident, dem Sie gratuliert haben, noch heute im „Morgen­journal“ gemeint hat, dass er es richtig fände, wenn Sie zurückträten, Ihre Rück­trittserklärung in Ihrer Rede vermisst, aber ich werde sie wahrscheinlich in den nächsten Monaten noch öfters vermissen. Aber ich bedanke mich bei Herrn Gudenus, wie es schon die Kollegin Konrad gemacht hat, die gemeint hat, auch der Abgang durch die Hintertüre ist ein Abgang.

Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich mit Privatflugzeug angeflogen hat uns heute der Herr Landeshauptmann von Kärnten einiges gesagt. Man muss sich einmal vor­stellen, welche Mühsal das ist, von Kärnten raufzukommen, um einem „unnötigen Verein“, O-Ton des Landeshauptmannes, Gedanken darzustellen. Warum muss man eigentlich einem „unnötigen Verein“ einen Tag opfern, einen Tag im Leben eines Landeshauptmannes, die ja so wahnsinnig wichtig sind in der Republik?


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Aber er ist ja auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, und da wird es schon spannend mit dem „unnötigen Verein“. Kollege Bieringer hat gesagt, niemand hier herinnen sagt, es soll keinen Landeshauptmann oder keine Landeshauptfrau geben. Bieringer hat das Glück, dass er eine Landeshauptfrau hat. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Unterschied zur Landeshauptleutekonferenz ist verfassungsrechtlich der Bundesrat geradezu in Beton gegossen, während die Landeshauptleutekonferenz maximal auf dünnstem Eis dahintümpelt und im Grunde genommen rechtlich gesehen schlechter gestellt ist als ein der Vereinsbehörde ordentlich gemeldeter Briefmarkenverein. Das heißt, die verfassungsrechtliche Legitimität liegt beim „unnötigen Verein“ und nicht bei dem, dessen neuer Vorsitzender hier sitzt. Das ist das Erste.

Das Zweite: Wenn unser neuer Präsident heute von dem wundersamen Kärnten spricht, dann muss man eines schon festhalten – und ich bitte alle Kärntner jetzt schon um Entschuldigung –: Dieses Land der Demokratie und der Blüte ist das einzige, wo man sich überlegen muss, ob man nicht ständig Bundesersatzvornahmen machen muss, ist das einzige Bundesland, in dem es eine undemokratische Hürde für den Einzug in den Landtag gibt. Ein „tolles“ Land der Demokratie, wo man über 10 Prozent braucht, um in den Landtag zu kommen, „wunderbarer“ Standard. Hier bedarf es einer Angleichung an die Verhältnisse, wie es sie in jedem anderen Bundesland gibt.

Kärnten ist das Land, wo es um 18, 20, 25 zweisprachige Ortstafeln jahrzehntelange Debatten geben muss – anstatt dass man sagt: Wir sind stolz darauf, dass wir uns zur Zweisprachigkeit bekennen. Wir wollen nicht 20 mehr, wir wollen 200 mehr, weil wir in Europa endlich angekommen sind! Wir finden es toll, wenn man nach Istrien fährt, dass dort alles zweisprachig ist. Wir finden es toll, wenn man nach Südtirol fährt, dass dort alles zweisprachig ist.

Das wird natürlich auch im Burgenland umgesetzt, nur in Kärnten ist das nicht möglich. Und da erzählt dann der Landeshauptmann von den Feinden von einst und was weiß ich wo. Man weiß überhaupt nicht, wer da jetzt eigentlich Krieg geführt hat: Ist es das Deutsche Reich gewesen oder war es Kärnten oder wer auch immer?

Und das wird uns hier dargestellt als das wunderbarste Land der direkten und indirekten und was weiß ich noch Demokratie?! – Na servus, sage ich, wenn das wirklich das ist, an dem sich Österreich ein Vorbild nehmen soll, dann überall die Grundmandatshürden rauf auf 10 Prozent und so weiter und so fort. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es muss ja noch viel schrecklicher für den Landes­hauptmann sein. Man muss sich vorstellen, man kommt nach Wien, um in diesem „unnötigen Verein“ eine Erklärung abzugeben. Man verbraucht Lebenszeit, und man trifft dort noch dazu auf Menschen, bei denen keine „Bündelung intellektueller Qualität“ vorhanden ist. Das sind Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrätin Bachner: Wir alle!) Wir alle, selbstverständlich! Das ist nämlich die kurze Diagnose des Dr. Haider – ich weiß nicht, als was, als Psychiater, Psychologe oder was auch immer, möglicherweise nur als Landeshauptmann-Pädagoge. Kann ja sein, nur dass er seine Probleme, ob Blau oder Orange, mit seinem Personal, das er herumschickt, plötzlich den anderen zum Vorwurf macht und sagt, ich finde dort keine intellektuelle Qualität vor, ist nicht verständlich.

Übrigens: Selbst die Frau Ministerin Haubner, Frau Klasnic und so weiter haben alle in diesem etwas minder bemittelten Verein angefangen, auch Ihre frühere General­sekretärin Dr. Schmidt. Aber gut, soll so sein. Nur ich hätte mir heute zumindest so viel Mut erwartet, dass Sie zu diesen Aussagen irgendetwas hier vor diesem Gremium sagen. Über Europa kann man viel erzählen, aber haben Sie doch den Mut und sagen


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Sie etwas zu dem, was Sie in den letzten Wochen heruntergeklopft haben in dieser Sache!

Wenn wir schon von der „Bündelung intellektueller Qualität“ sprechen, dann frage ich einmal: Wie viel Qualität an intellektueller Bündelung war denn bei der Goldraub­debatte vorhanden, die Sie angezogen haben, oder bei der Schildlausdebatte? Ich kann sie bis heute nicht erkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich finde es auch immer interessant, wann einen der Mut ereilt. Derzeit gibt es, gratuliere, Kollege Bieringer, quasi eine ÖVP-Alleinregierung mit dem billigsten Koali­tionspartner aller Zeiten. Das kostet ja nichts. Diesem Koalitionspartner kann man sagen, das hast du zu tun, und der muss es dann tun, weil sonst gibt es nämlich nachher nichts. (Staatssekretär Dolinschek: Das ist ja ein Blödsinn!) Na Entschul­digung, jetzt werden wir einmal schauen, wie das Wahlergebnis des so genannten BZÖ ausschaut!

Also hat die ÖVP gesagt: Ihr stimmt dem Europavertrag zu! Dann hat man dem Euro­pavertrag zugestimmt. Aber heute präsentiert sich der BZÖ-Chef oder was auch immer auf der Seite von Rosenkranz und Gudenus. Das waren nämlich die, die dagegen gestimmt haben. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich auch!) Kollege Böhm auch, selbst­verständlich! Aber Sie in einem Satz mit Gudenus und Rosenkranz zu nennen, das tut Ihnen auch nicht gut. (Bundesrat Dr. Böhm: Danke! Danke! – Allgemeine Heiterkeit.) Ich wollte Sie schützen, aber wenn Sie den Schutz nicht wollen, dann muss ich halt sagen, der Böhm ist auch dabei gewesen.

Auf der Seite haben Sie sich heute eingespurt. Holland und Frankreich haben nein gesagt, und jetzt ereilt den Landeshauptmann von Kärnten wieder der Mut, der Mut, dem Schüssel Kontra zu geben, zu sagen, es ist ja nicht so. Aber die gesamte orange Riege hat vollmundig hier zugestimmt, und im Nachhinein dann darüber zu lamentieren ist ein bisschen verschüttete Milch.

Ähnlich widersprüchlich: Sie präsentieren sich in letzter Zeit als Globalisierungsgegner. Ich weiß nicht, haben Sie sich irgendwo mit den Attac-Gegnern getroffen, ist das zufällig oder bewusst so? Aber soll sein, Sie sind jetzt einmal ins Lager der Globali­sierungsgegner eingeschwenkt. Das ist sicher ein gutes Marketingkonzept, denn diese Aktie ist aufwärtsstrebend, ganz gleich, wie sie politisch blinkt. Nur mit der Senkung der Körperschaftssteuer geht das nicht zusammen. Man kann nicht sagen, ich kritisiere das, aber wir senken die Körperschaftssteuer oder machen eine Steuersenkung in Österreich, tun aber nichts bei den sozialen Leistungen. Es wird alles gleich finanziert, aber wir senken die Steuern. Das ist eine Widersprüchlichkeit zum Quadrat.

Sie müssen es ja nicht beweisen, der Landeshauptmann von Kärnten muss ja diese mathematischen Lösungen nicht beweisen, er kann es einfach sagen, es klingt gut, aber den Beweis muss er ja nicht erbringen.

Meine Damen und Herren! Der Herr Landeshauptmann hat in seiner Erklärung zu Europa Stellung genommen. Ich lasse dieses Thema aus. Um dem Präsidenten Genüge zu tun, werde ich aber immer wieder versuchen, auf dieses Thema zurück­zukommen.

Meine Damen und Herren! Sie haben heute alle eine Diskussion – und das geht jetzt schon auch den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz an, und das wird und muss alle Länder in der nächsten Zeit angehen – über die Sinnhaftigkeit oder Unsin­nigkeit einer Handymastensteuer hier im Bundesrat verweigert. Der Umstand aber, dass der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz dasitzt, ermöglicht mir jetzt quasi, diese Debatte durchzuführen, denn es sind ja die Länder, für die sich jetzt die


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Frage stellt: Was passiert nach dem Beschluss des Niederösterreichischen Land­tages?

Es wurde ein von ÖVP und SPÖ – wo seid ihr überall dabei?, frage ich mich manch­mal – eingebrachter Initiativantrag beschlossen, die Handymasten zu besteuern, um die Finanzausstattung der Gemeinden zu erhöhen. Obwohl die Länder, die Gemeinden schon längst raumordnungs- und bebauungstechnische Maßnahmen hätten ergreifen können, sagt man, es geht um eine Steuerung. Also, bitte, das wäre schon längst im Rahmen der Raumordnung und der Abgabengesetze möglich gewesen.

Die Frau Präsidentin Zwazl ist leider nicht da, aber es gibt ein paar ... (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.) Ich weiß, meine Damen und Herren, dass Sie ganz sicher Boten dieser Botschaft sind, aber es wäre mir ganz wichtig gewesen, dass die Präsidentin der Wirtschaftskammer wahrscheinlich meine Ausführungen jetzt nickend begleitet hätte. – Das ist industriepolitisch so etwas von unsinnig! Es ist so etwas von unsinnig! Einerseits gibt der Gesetzgeber den Auftrag der bundesweiten Versorgung; mit der Lizenz habe ich den Auftrag, bundesweit zu versorgen. Dann muss ich das einrichten, und dann wird das, was ich zu tun habe, rein willkürlich bestraft. Man hat nämlich nicht gesagt, alle Sendeeinrichtungen, alle Funkeinrichtungen werden be­steuert. Wo ist der ORF mit seinen Sendern? Wo ist der Behördenfunk? Wo sind die ÖBB, die EVN? Warum ausgerechnet dieses eine kleine Segment Handymasten? Warum?

Dann kommt es: Man will ja steuern. Man will die Handymastenbetreiber auf einen Mast zwingen, weil es ja so hässlich ausschaut, wenn vier oben stehen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja auch so!) So, gut, jetzt geben wir alle vier auf einen Mast, und aus vier nebeneinander wird einer mit 40 Metern Höhe – ein wunderbares Bild! Bieringer ist ein Anhänger der Kirche, und man sagt ja, kein Gebäude soll höher als der Kirchturm sein. Mit der Regelung von Niederösterreich wächst nicht nur der Raika-Turm über den Kirchturm hinaus, sondern mit Sicherheit wächst jeder einzelne Handymast über jeden niederösterreichischen Kirchturm hinaus.

Und ob diese gebündelte Leistung, die nun von einem Masten ausgeht, gesundheitlich viel besser ist, wie man uns nun weismachen will, ist zu bezweifeln. Übrigens muss ein 40-Meter-Mast viel kräftiger gebaut werden als so ein kleines dünnes Mästchen. Bei 40 Metern Höhe braucht man einen ordentlich verankerten Masten, den kann man nicht verstecken. Apropos Kirchtürme: Es gibt ja schon Handymasten, die im Kreuz einer Kirche versteckt sind – oder im Fuß eines Jagdstandes. Das geht mit diesem Gesetz nicht mehr. Sie müssen die 40 Meter Höhe haben und ordentlich strahlen können. Das haben Sie erreicht mit einer Aktion, die nichts anderes zum Inhalt hat, als Geld zu beschaffen.

Geld zu beschaffen von wem? Werden jetzt die Mobilfunkbetreiber ihre Büros redu­zieren, ihre Sekretariate verkleinern, um diese 50 Millionen aufzubringen? – Nein, das bezahlen die Konsumenten und Konsumentinnen! Jetzt wird es ganz lustig, wenn wir Niederösterreich hernehmen. Ich weiß nicht, wie viele Zweithausbesitzer aus Wien es in Niederösterreich gibt, aber die trifft es ja nicht – die Niederösterreicher werden zur Kasse gebeten!

Liebe Leute, liebe Niederösterreicher! Ich habe es schon dem jungen Pröll gesagt, sagt es dem alten Pröll auch (Heiterkeit bei der ÖVP): Das ist industriepolitisch so ein Nonsens und torpediert komplett das bundesgesetzlich verankerte Regulierungsprinzip und steht damit im Spannungsverhältnis zum Bundesstaatsprinzip. Das wird mir Präsident Weiss auf jeden Fall bestätigen. Wenn er es nicht jetzt vom Präsidentenpult aus machen kann, wird er es mir nachher sagen.


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Die Frage ist ja, dass etliche Bestimmungen ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) – Der Herr Landeshauptmann hat hier seine Erklärung auch mit der Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz begründet und auch darauf hingewiesen, dass ihm das besonders wichtig ist. Ich komme natürlich dazu, weil der Herr Landeshauptmann in seiner künftigen Eigenschaft sehr wohl mit diesem Thema konfrontiert werden wird und werden muss, weil vielleicht schon die nächsten Bundesländer – Kollege Bieringer, ich habe es von deinem Bundesland Salzburg schon gehört – beginnen, das Tischtuch auszubreiten, und sagen werden: Was die Niederösterreicher können, können wir auch. Und dann, meine Damen und Herren, geht es los. Dann kommt ein Bundesland nach dem anderen. Und da würde ich mir wünschen, jetzt ganz sachpolitisch – jetzt brauche ich nicht mehr mit dem Herrn Landeshauptmann hier weitere Sträuße über seine Einschätzungen von unnötigen Vereinen und geistigen Bündelungen auszufechten –, dass das bei der nächsten Landeshauptleutekonferenz auf der Tagesordnung steht.

Und ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung so viel Mumm hat, auch gegenüber dem mächtigen Landesfürsten von Niederösterreich zu sagen: Lieber Erwin, das ist ein Blödsinn, und wir setzen diese Regelung jetzt aus, denn das ist industriepolitisch ein Unsinn und das ist rechtlich, auch europarechtlich nicht in Ordnung! Übrigens: In Belgien ist genau so eine schnöde Geldbeschaffungsaktion jetzt ausgehebelt worden, und ich bin ganz sicher, dass sich der Verfassungsgerichtshof diesem Thema annehmen wird. Ich bin ganz sicher, dass das irgendwann in einer Kom­mission landen wird und dass es zahlreiche Proteste geben wird, wenn Ihre Geldbeschaffungsaktion dann von den Betreibern umgesetzt wird und die Bulldozer auffahren und die riesigen Masten hochgezogen und Riesenfundamente in die Landschaft gesetzt werden. – Ich wünsche Ihnen jetzt schon viel Spaß im Dialog mit den Bürgern und Bürgerinnen, die nämlich diesen Humbug nicht nur bei ihrer Rechnung merken werden, sondern auch optisch. Sie werden mehr bezahlen und sie werden optisch stärker beeindruckt werden, aber negativ. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb, sehr geehrter Herr Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, setzen Sie dieses Thema auf die Tagesordnung, dass nicht ein Domino-Effekt eintritt, dass nicht nach Niederösterreich der nächste Unsinn in Salzburg, nach Salzburg der nächste Unsinn vielleicht sogar in Oberösterreich, Frau Kollegin Lichtenecker, oder vielleicht sogar in Tirol geschieht! Das ist Unsinn, und das würde dem Land in seiner Wirt­schaftsstandortentwicklung schaden.

Wir haben auf Initiative des Kollegen Himmer eine sehr gute parlamentarische Enquete über das Digital Divide gehabt. Eines der Ergebnisse dieser Enquete war, dass es wirklich ganze Bezirke in Österreich gibt, die nicht angeschlossen sind an die Errun­genschaften der modernen Kommunikation. Und da kann ich nur sagen, mit der Steuer werden sich diese Firmen aus den Randgebieten zurückziehen müssen. Dann haben wir eine extreme Unterversorgung an den Rändern, und davon sind zum Beispiel Kärnten und Osttirol betroffen.

Im Übrigen, meine Damen und Herren: Kärnten hat den Vorsitz im Bundesrat über­nommen. Die Präsidiale des Bundesrates hat im Jänner beschlossen, dass in diesem Jahr eine Enquete abgehalten wird, Thema: „Volksgruppen in Österreich“. Ich vermisse eine solche Enquete nach wie vor! Ich würde mir wünschen – bevor ich mir über irgendeine andere Enquete Gedanken mache und Zustimmung hiezu signalisiere –, dass diese in der Präsidiale beschlossene Enquete zum Thema „Volksgruppen in Österreich“ auch tatsächlich durchgeführt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.00



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Landeshauptmann Dr. Haider das Wort.

 


11.00.46

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu ein paar hier aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen, weil ich denke, dass manches doch auch zum Thema debattiert worden ist.

Wenn es darum geht, die Frage des ländlichen Raumes – wie Kollege Kampl das angesprochen hat – in den Mittelpunkt zu stellen, so ist das natürlich nicht nur eine Frage des Finanzausgleichs alleine, sondern ich denke, die Länder haben, auch im Verbund, so wie ich es gesagt habe, mit dem Vorschlag, eine eigene Agenda zu entwickeln, die Möglichkeit, viele Investitionen zu tätigen, die letztlich auch den länd­lichen Regionen zugute kommen.

In diesem Zusammenhang führe ich etwa den Ausbau der Breitband-Initiative an, etwas, was sehr wichtig ist. Die Bundesregierung hat hiezu eine Startförderung gegeben; meines Erachtens eine absolut zu geringe, um diesbezüglich eine Flächen­deckung zu erreichen. Aber wenn man ein Konzept entwickelt – wie wir das in Kärnten jetzt machen –, dass man in Drei-Jahres-Schritten eine Flächendeckung von rund 95 oder 96 Prozent im gesamten Bundesgebiet erreicht, bei allen Gemeinden, bei allen Haushalten, dann kann man natürlich so den Wettbewerbsnachteil, den heute ein Betrieb in der ländlichen Region gegenüber dem Zentralraum hat, massiv ausgleichen.

Das ist sicherlich auch vom Beschäftigungspolitischen her eine ganz wichtige Sache, und ich glaube, dass wir uns auch auf diese Dinge entsprechend konzentrieren müssen. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass die Frage des abgestuften Bevölkerungs­schlüssels nach wie vor unbefriedigend gelöst ist. Aber das ist sozusagen eher das Match zwischen Städte- und Gemeindebund, das – ich sage das einmal so – von der Bundesregierung vorsichtig positiv zugunsten der Gemeinden verschoben wurde. In den letzten Jahren – das muss man anerkennend sagen – hat sich für die kleinen Gemeinden, für die Kleinstgemeinden hinsichtlich Bevölkerungsschlüssel einiges verbessert.

Das ist aber etwas, was viele offensichtlich nicht sehen wollen, dass diese Bundes­regierung gesagt hat: Wir verstehen die Situation der kleineren Gemeinden und verschieben das daher zugunsten dieser. So wurden im Land etwa auch Finanzie­rungsbeteiligungen der Gemeinden beim Sozialschlüssel, bei den diversen Sozial­abgaben zugunsten der Gemeinden reduziert, um diesen sozusagen ein bisschen mehr Luft zu geben. Das ist eben noch eine Sache, die massiv verhandelt werden muss.

Ich halte es auch für richtig, die Grundsatzthese umzusetzen, dass in unserem Land jeder Bürger gleich viel wert sein muss. Es ist nicht einzusehen, dass einer, der in der Stadt wohnt, mehr wert ist als derjenige, der in der ländlichen Region wohnt, denn das ist eine absolute Diskriminierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In Bezug auf die Kommunalsteuer-Aufteilung wird man, wie ich glaube, sehr bald zu einer Lösung kommen, denn es ist ein allgemeines Anliegen, dass es bei Gemein­degrenzen überschreitenden interkommunalen Gewerbeparks eine steuerrechtliche Koordination geben muss. Bei diesem Thema wird man sicherlich zu einer Lösung finden.

Zur Frage des ländlichen Raums zählt natürlich auch: Was erhält man dort, was ist wichtig, um die kleinen Ortschaften und Gemeinden aufrechtzuerhalten? Da wird es sicherlich auch um die Bildungseinrichtungen gehen. Diese Bundesregierung hat auch


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dazu in ihrem Regierungsprogramm gesagt, dass die Schule im Dorf Unterstützung bekommen soll.

Das, was dazu aber bisher gekommen ist, ist zu wenig; das sage ich ganz offen. Es wurden für ganz Österreich rund 12 Millionen € für die Erhaltung der ländlichen Dorf- und Schulstrukturen eingesetzt. Das ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn überhaupt ein Tropfen; das weiß wirklich jeder. Für das Bundsland Kärnten schauen dabei beispielsweise für mehr Lehrereinstellungen etwa 800 000 € jährlich heraus. Da kann man im Grunde genommen wirklich nicht viel machen. Das sind vielleicht zwei oder drei Lehrer mehr, die damit finanzierbar sind, aber mehr nicht. Das ist aber das Kernproblem, meine Damen und Herren!

Ich glaube, dass sich im Rahmen der Landeslehrereinstellung und -verpflichtungen der Bund überlegen sollte, ein bisschen einen neuen Weg zu gehen, um letztlich in jenen Gemeinden, in denen an sich noch von der Größenordnung her ein eigener, voll organisierter Schulbetrieb möglich ist, diesen zu erhalten.

Ich bin dagegen, dass man bis zu jeder Kleinheit hinuntergeht, dass man Schulen hat, wo nur mehr fünf, sechs Kinder drinnen sind, denn darunter leidet der Unterricht für die Kinder. Dort jedoch, wo noch halbwegs eine voll organisierte Schule möglich ist, sollte man diese auch erhalten, denn das ist für die regionale Zusammenarbeit, das ist für den örtlichen Verband eine sehr wichtige Sache. – Aber da sind wir mit der Bun­desregierung, glaube ich, noch nicht ganz handelseins.

Kollege Molzbichler hat hier – sozusagen in bewährter Manier – den Eindruck zu er­wecken versucht, als würde sich die SPÖ in Kärnten in Opposition befinden. (Heiter­keit.) Das tut Molzbichler immer gerne, weil er hofft, dass von Kärnten die Botschaft noch nicht bis Wien gedrungen ist, dass die SPÖ seit der für beide erfolgreichen Landtagswahl vom März 2004 mit uns in Kärnten eine Koalition bildet und mitregiert. (Bundesrätin Konrad: Die einzige erfolgreiche Landtagswahl!) Ich bin als Landes­hauptmann wieder überzeugend bestätigt worden – und die SPÖ hat den Weg in eine Koalition mit uns gefunden und ist damit aus ihrer Oppositionsgefangenschaft wieder zur Mitverantwortung gekommen. (Heiterkeit.)

Da wird sich doch Kollege Molzbichler wohl daran erinnern können, dass sich Lan­deshauptmann Haider – da er eben eine bürgernahe Politik macht – noch vor der Landtagswahl der Diskussion seiner von ihm auch vertretenen Mitarbeiter gestellt hat. Ich habe mich dieser Diskussion gestellt und habe alle Mitarbeiter eingeladen. (Bun­desrat Molzbichler – einen Zeitungsartikel mit der Schlagzeile „Straßenarbeiter im Ungewissen“ in die Höhe haltend –: Aktuell!) – Das kann jetzt nicht jeder lesen, aber ich werde es Ihnen erzählen. So habe ich also alle Mitarbeiter der Straßenverwaltung eingeladen, denn es geht einfach darum, dass bei der ASFINAG jene, die wir an die ASFINAG verliehen haben beziehungsweise wo wir mit der ASFINAG einen Vertrag haben, die Autobahnen zu servicieren, in einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst werden, um eine österreichweite Gesellschaft zu bilden. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Das gefällt dem Kollegen Molzbichler nicht. Ich glaube aber eher, weniger deshalb, weil er um die dienstrechtlichen Probleme seiner Kollegen besorgt wäre, sondern eher deshalb, weil er Angst hat, dass er in einer neuen Gesellschaft dann nicht mehr Belegschaftsvertreter sein könnte. (Bundesrat Molzbichler: Ui! Das ist unterste Lade! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist also möglicherweise ein Haupt­grund, dass Kollege Molzbichler um seinen Arbeitsplatz zittert.

Jedenfalls: Wir haben in den Verhandlungen – und das mit Zustimmung der Kollegen – ein tolles Ergebnis erreicht, dass sich nämlich für die, die jetzt im Landesdienst sind, nichts ändert (Bundesrat Konecny: Ach so?); sie werden quasi voll übernommen und


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werden alle Rechte, die sie bisher hatten, auch in Zukunft haben. Es geht also um einen in Wirklichkeit sehr guten Lösungsvorschlag, der da erarbeitet wurde – und das, wie gesagt, in direkter Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen. Jetzt hat sich der Straßenbaureferent wieder der Diskussion gestellt. Das zeigt, dass in Kärnten eine sehr bürgernahe Politik gemacht wird.

Ich sage noch dazu: Das beruht auch auf Beschlüssen, die interessanterweise deine Partei, Kollege Molzbichler, die SPÖ, in der Landesregierung mit uns gefasst hat. Was gibt es da zu meckern, wenn die eigene Partei mitstimmt, aber Herr Molzbichler um sein Betriebsratsmandat fürchtet?! (Bundesrat Konecny: Jetzt reicht es! – Bundesrat Molzbichler: Das ist unterste Lade! Das ist nicht Ihr Niveau!)

Das ist dann schon eine sehr eigenartige Optik, die da entsteht. Da wir aber sonst keine größeren Probleme miteinander haben, sage ich: Kollege Molzbichler, ich werde versuchen, dich zu überzeugen, denn du hast gesehen, dass Bürgernähe schon etwas bringt. Wäre die SPÖ immer bürgernahe gewesen, dann hätte sie in Kärnten den Landeshauptmann wahrscheinlich nie verloren.

Ein weiteres Beispiel: Heute wurde hier gesagt, dass man auf die Gemeinden Rück­sicht nehmen muss – und dass das nicht der Fall sei, und so weiter. Kollege Bieringer hat ja auch gesagt, dass das wichtige Partner sind; da stimme ich ihm voll zu. In Kärnten hatten wir jedoch die Situation, und zwar in der Zeit, bevor ich Landes­hauptmann wurde, dass mit der Macht der SPÖ eine Gemeindezusam­menlegungs­politik betrieben wurde, mit der in Wirklichkeit gewachsene Lebensräume auseinander gerissen beziehungsweise zusammengewürfelt wurden, wobei sich eigentlich niemand an diese Großstrukturen gewöhnen wollte.

Damals war bei Ihnen von der SPÖ keine Rede von einer bürgernahen Politik, von einer Befragung der Bürger. Das ist damals per Gesetz geschehen, mit absoluter Mehr­heit! Mit absoluter Mehrheit sind Sie da drübergefahren und haben das gemacht!

Dann kommt ein Jörg Haider – von dem Herr Bundesrat Molzbichler behauptet, er sei nicht bürgernah – und sagt: Liebe Gemeinden, die ihr zusammengelegt worden seid: Wenn die Bürger mit qualifizierter Mehrheit in einer geheimen Volksabstimmung dafür stimmen, dass sie selbstständig sein wollen, dann machen wir sie auch wieder selbst­ständig! – Wir haben auf diese Art und Weise eine große Zahl von Kleingemeinden wieder zu ihrer Selbstständigkeit gebracht – und das in einer direktdemokratischen Entscheidung, mit einer bürgernahen Diskussion!

Also haben wir unterschiedliche Auffassungen von dem, was bürgernah ist. Für mich ist bürgernah nicht das, was die SPÖ will, sondern bürgernah ist das, was die Bürger wollen! Das ist noch immer das Entscheidende. Hoffentlich treffen wir uns in dieser Angelegenheit.

Betreffend europäischen Verfassungsvertrag würde ich dir anraten, Herr Kollege Molzbichler, ihn einfach einmal zu lesen! Du sitzt ja oft im Landtag und hast dort die Möglichkeit, ihn ein bisschen zu studieren, während wir debattieren. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Der europäische Verfassungsvertrag ist so gehalten, dass du beispielsweise gar nicht den ganzen Vertrag lesen musst, du musst nur das erste Kapitel lesen, Teilstück 1. Bei Punkt 60 werden wahrscheinlich auch bei dir sofort die Alarmglocken läuten, und du wirst feststellen: Dort ist der Austritt aus der EU geregelt. Und dieser Austritt ist so geregelt, dass es heißt: Man kann als Mitgliedsland austreten.

Aber weiters steht dann: Man kann nur dann austreten, wenn mindestens 72 Prozent aller sonstigen Mitgliedstaaten dem zustimmen. – Frage: Was bleibt da noch von der Souveränität eines Nationalstaates übrig? 72 Prozent ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist


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völkerrechtswidrig!) – Völkerrechtlich sowieso ein Unsinn! – 72 Prozent der anderen müssen zustimmen, und der austretende Staat muss mit diesen einen Vertrag darüber schließen, wie er sich als nunmehriges Nicht-Mitglied gegenüber den EU-Mitgliedern verhalten wird.

Das ist sozusagen eine Kolonialisierung, das hat mit nationaler Souveränität, die wir in Österreich so hochhalten und die wir gerade gefeiert haben, wenig zu tun. Wir feiern 60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag! Wunderbar, wir sind wieder eigen­ständig, haben eine eigene Verfassung, eine eigene Demokratie! Das alles wollen wir erhalten, aber gleichzeitig schließen wir einen Verfassungsvertrag ab, der diese nationale Souveränität eigentlich untergräbt.

Das war immer mein Argument: Wenn es solche verfassungsändernden Kriterien in einem Vertrag der EU gibt, dann ist dies zwingend einer Volksabstimmung zu unter­ziehen! Und das ist keine Sache, die vielleicht Herr Bundesrat Schennach beurteilen wird, wenn er sagt: Der Haider hat seine Meinung geändert.

Ich habe nachweisbar in dieser Frage immer folgende Position vertreten: Der europäische Verfassungsvertrag beinhaltet über den integrationsfesten (Bundesrat Konecny:  ...! Wo ist die Logik?) – ich habe Kollegen Schennach angesprochen, nicht Sie – Bereich hinaus so viele Verfassungsänderungen, dass es zwingend notwendig ist, eine Volksabstimmung durchzuführen. Das ist ein wichtiger Bereich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt, bitte ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) – Herr Kollege Konecny! (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und Freiheitlichen.) Jetzt, nachdem in Frankreich und in Holland die Abstimmungen danebengegangen sind, jetzt plötzlich sind natürlich auch jene, die hier im Haus massiv gegen eine Volksabstimmung waren – und das waren alle Parteien! –, der Meinung, dass man vielleicht doch in Zukunft die Bürger befragen soll. Das ist die qualifizierte Verän­derung.

Ich hatte immer meine Position, ich habe auch gegenüber meinen Freunden in der Bundesregierung und im Parlament gesagt, ich halte das für den falschen Weg – und ich halte das auch aufrecht. (Bundesrat Konecny: Seit dem Tag nach der fran­zösischen Abstimmung! Eine Frechheit!)

Es hatten also alle Fraktionen, Herr Kollege Konecny – und Sie müssen sich selbst bei der Nase nehmen –, nicht den Mut, die österreichische Verfassung im Zweifel gegen den EU-Missbrauch zu verteidigen und eine Volksabstimmung zuzulassen. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

Lassen Sie Bürgernähe zu, das ist das Entscheidende! Nichts anderes wollen wir: Lassen Sie Bürgernähe zu! Lassen Sie abstimmen, wenn es um solche massiven Veränderungen geht! Aber das wollten Sie im Grunde genommen nicht. (Bundesrat Konecny: Das ist nicht wahr!)

Was Kollege Schennach als Überlegungen dargeboten hat, das war mehr oder weniger ein Streifzug durch seine lang gepflegten Vorurteile gegenüber dem Bundes­land Kärnten. Wenn er sich darüber wundert, dass ich dort und da im Bundesrat nicht die gebündelte Intellektualität feststellen kann, dann hat er ja heute selbst ein Beispiel geboten. (Bundesrat Konecny: Jetzt reicht es! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist ein Skandal! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Um seine Rede zusammenzufassen: Er hat kein Wort zur europäischen Entwicklung gefunden, hat sich aber sehr wohl in Unkenntnis der realen Situation angemaßt, ein Bundesland zu kritisieren, dem er vorwirft, es hätte die Frage der Volksgruppen­regelung inklusive der Ortstafelregelung bis heute nicht erledigt. Das ist falsch. Das ist


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einfach falsch! (Bundesrat Gruber: Stimmt ja! Das ist die Wahrheit, bitte! ... und ihr bringt nichts zusammen!)

Ihr befindet euch im Irrtum, weil offenbar der Bundesrat nicht weiß, wer dafür zuständig ist. Zuständig ist nämlich der Bundesgesetzgeber. Nehmt euch selbst bei der Nase, wenn ihr es bisher nicht zusammengebracht habt, etwas zu regeln! (Bundesrat Gruber: Kärnten will das Problem selber lösen!)

Zum Zweiten: Das Land Kärnten hat die aus dem Jahre 1976 resultierende Volks­gruppenregelung – damals noch SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky – auf Punkt und Beistrich umgesetzt. Zugegebenermaßen gab es in den letzten Wochen einige offene Fragen bei der Ortstafelregelung, aber vor dem Staatsvertragsjubiläum ist das umge­setzt worden.

Das heißt, das Gesetz ist zu 100 Prozent erfüllt. Ich muss als Landeshauptmann von Kärnten auch den Damen und Herren des Bundesrates sagen: Es ist unrichtig, diese Behauptung aufzustellen, dass in dieser Frage irgendetwas offen sei. Wenn etwas offen ist, dann ist es die Frage, wie wir mit einem Verfassungskonflikt umgehen, dass nämlich ein Rechtsanwalt, der eine österreichische Rechtsanwaltsprüfung gemacht hat, der österreichischer Staatsbürger ist, willkürlich zu schnell durch eine Gemeinde fährt (Bundesrat Gruber: Auf Empfehlung des Herrn Nationalratspräsidenten!) und sagt, er könne die Ortstafel nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht zweisprachig ist. Er gefährdet damit Menschenleben, obwohl er ... (Bundesrat Konecny: Bitte, jetzt reicht es! Das ist wirklich eine Unerhörtheit! – Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.) – Na selbstverständlich! Was glauben Sie, wozu man sonst eine Geschwindig­keitsbegrenzung im Ortsgebiet hat, Herr Schennach?! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das ist ja klar, weil das Ihre Verbündeten sind.

Ergebnis: Der Verfassungsgerichtshof (Bundesrat Schennach: Wo ist der Verfas­sungskonflikt?) gibt ihm nicht Recht, trotzdem unterbricht er das Verfahren, um ein Vor­prüfungsverfahren in Sachen Ortstafelregelung durchzuführen (Bundesrat Dr. Böhm: Kompetenzüberschreitung, natürlich!) – was überhaupt eine einmalige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in seiner ganzen Geschichte war –, gibt dann wieder dem Betroffenen nicht Recht, aber ersetzt ihm alle Kosten! Das hat es auch noch nie gegeben, dass jemand, der beim Verfassungsgerichtshof nicht Recht bekommt, auch noch die Kosten ersetzt bekommt.

Das ist also ein in sich widersprüchliches Erkenntnis, wo im Grunde genommen nur die Prozentklausel gestrichen worden ist und es Sache des Bundesgesetzgebers sein wird, eine Lösung zu finden.

Aber ich stelle mit Nachdruck fest: Es ist niemand berechtigt, irgendetwas vom Lande Kärnten zu verlangen, denn wir haben unsere gesetzlichen Aufträge zu 100 Prozent erfüllt. Das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir haben das deshalb erfüllt, weil in Kärnten das Klima so ist, dass wir seit dem Jahre 1976 begonnen haben, offene Punkte auch in der Volksgruppenfrage zu regeln, während das von Ihnen zitierte Burgenland 28 Jahre lang nach dem Staatsvertrag überhaupt keine zweisprachige Ortstafel hatte, ohne dass es irgendeine öffentliche Kritik daran gegeben hätte. Es scheint also schon so zu sein, dass immer Kärnten quasi als Gustostückerl herausgepickt wird, wenn irgendetwas nicht passt, während man den Zustand, dass 28 Jahre lang im Burgenland nicht eine einzige zweisprachige deutsch-kroatische Ortstafel aufgestellt war, als selbstverständlich hingenommen hat. Es wird auch zur Kenntnis genommen, dass dort heute noch nicht alle zweisprachigen Ortstafeln aufgestellt sind.


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Wenn Sie sich also hier engagieren wollen, Herr Kollege Schennach, dann befassen Sie sich nicht ständig mit Kärnten, sondern fahren Sie einmal ins Burgenland und kontrollieren Sie, ob dort wirklich alles so erfüllt ist, wie Sie behaupten! Sie werden feststellen, Sie haben eine Menge Ermittlungsbedarf, denn es ist dort nicht alles erfüllt. Dann können Sie dieselbe Rede nur unter Austausch der Wörter „Kärnten“ und „Burgenland“ halten, und dann werden Sie auch meine Zustimmung finden, weil sie dann richtig ist.

Das, was Sie über Kärnten gesagt haben, ist falsch – genauso falsch wie Ihre geschichtliche Sicht. Wenn Sie hier so herablassend sagen: Ja, man weiß ja gar nicht, wer gegen wen gekämpft hat dort unten!, dann muss ich Sie schon bitten! Es war ein sehr ... (Bundesrat Schennach: Das habe ich nicht gesagt! – Bundesrat Konecny: Das hat er nicht gesagt! Bei Ihren Äußerungen weiß man das nicht!) – Ich habe es mitgeschrieben: Man weiß ja nicht, wer Krieg gegen wen geführt hat. Waren es die Großdeutschen oder sonst irgendwer?

Herr Kollege, ich will das gar nicht auf der polemischen Ebene austragen, ich sage nur: Über eines sollten wir uns im Klaren sein: Es gibt bestimmte historische Ereignisse, die für die Republikwerdung sehr wesentlich waren. Egal, ob Ihnen jetzt das Land Kärnten und ob Ihnen der dortige Landeshauptmann passt oder nicht, aber eines sollten wir schon als Verpflichtung anerkennen: dass historische Leistungen eines Bundeslandes für die Gesamtwerdung der Republik auch nach 85 Jahren endlich einmal über die Parteigrenzen hinweg uneingeschränkt zur Kenntnis zu nehmen sind und auch von Ihnen als auf die Verfassung vereidigter Mandatar zur Kenntnis zu nehmen und zu vertreten sind! Darum würde ich Sie bitten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Über alles andere können wir diskutieren. Wenn Sie beispielsweise sagen, die Globalisierung sei ein gutes Thema, aber wenn man diese kritisch betrachtet, befindet man sich in der Nähe von anderen Gruppierungen: Ich denke, das ist kein exklusives Recht von irgendwelchen politischen Gruppierungen, sondern die Globalisierung ist eine Herausforderung, die wir zu bestehen haben. Jeder spürt das, ob er ein Konservativer oder ein Sozialdemokrat ist, ob er beim BZÖ oder ein Grüner ist.

Wir haben doch alle die gleichen Probleme: Die Veränderungen in der globalisierten Wirtschaft bedeuten, dass wir in der mittelständischen Wirtschaft Verluste an Arbeits­plätzen zu beklagen haben, dass Betriebe absiedeln, die hier nicht mehr in der Lage sind, sich durchzusetzen, dass wir nicht so schnell Alternativen finden können und dass wir uns überlegen müssen, was wir tun.

Deshalb habe ich gesagt, es wäre für das kleine Österreich richtig, die Frage auf die Agenda zu setzen, ob man nicht so etwas wie ökologische und soziale Standards für die Europäische Union definieren sollte, damit jeder, der seine Waren hier verkaufen will, weiß, er muss sich an die gleichen Spielregeln halten, die wir haben. Das ist ja nicht so unvernünftig. Das steht ja auch nicht das erste Mal zur Diskussion, aber es muss einmal geschehen, denn wir können das nur auf der gesamteuropäischen Ebene durchsetzen. Das sind die Intentionen, die ich habe.

Ich denke, dass Österreich im Grunde genommen eine gute Chance hat – trotz dieser Mechanismen –, sich im Wettbewerb, in der globalisierten Wirtschaft erfolgreich zu behaupten, indem wir die Kompetenzcenter-Strategie verfolgen, indem wir die quali­tative Verbesserung der Berufsausbildung machen, indem wir auch unsere Standort­qualitäten ausspielen.

Zu den Standortqualitäten zählt natürlich auch die steuerliche Position. Diesbezüglich bin ich unterschiedlicher Meinung zu den Grünen. Die Grünen sagen, sie wollen die Körperschaftssteuerreform wieder rückgängig machen. Ich halte das für einen Unsinn,


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weil die Körperschaftssteuer uns in Wirklichkeit als Wirtschaftsstandort massiv geholfen hat, dass sich Firmen, die sonst nie hierher gekommen wären, in Österreich ansiedeln. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Welche Firmen sind das?)

Ich habe Ihnen ein Beispiel genannt. Die Firma Infineon ist ein Weltkonzern. Die Firma Infineon ist aus dem angeblich so tollen Wirtschaftsstandort Bayern abgesiedelt und hat sich in Kärnten, in Villach, angesiedelt und ihr gesamtes Softwarehaus nach Klagenfurt verlegt. Sie kontrolliert heute ihre Fabriken auf der ganzen Welt über die Software-Zentrale in Klagenfurt und nicht mehr aus Bayern.

Alleine durch diese Entwicklung sind mehr als 400 neue Arbeitsplätze, aber qualifi­zierte Arbeitsplätze, in einem Weltkonzern entstanden, der sich entschlossen hat, auf Grund der besseren Rahmenbedingungen als in Deutschland in Österreich zu inves­tieren. Das können Sie auch in anderen Bereichen nachvollziehen.

Daher kann ich nur sagen: Hände weg von einer Steuerreform, die die Grünen wieder rückgängig machen wollen! Genau das hat uns gegenüber Deutschland, Frankreich und Holland in der letzten Zeit in Vorrang gebracht, und diesen Vorrang sollten wir auch einhalten, denn er bedeutet Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist nicht richtig!)

Wenn Sie dann in der Debatte über die Steuerpolitik zur Handymastengeschichte überschwenken, dann sage ich: Das sind Peanuts im Vergleich dazu. Die Handy­mastengeschichte wird Herr Minister Gorbach dadurch erledigen, dass er das nicht genehmigt, wie er gesagt hat, und damit ist das Thema weg! Da brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Aber über die Körperschaftssteuer mache ich mir Sorgen! Wenn sich die Grünen nach der nächsten Nationalratswahl in ein Regierungsbündnis begeben und die Dinge revidieren, die für den Standort Österreich wichtig sind, dann heißt das: Vernichtung von Arbeitsplätzen und von Standortqualität. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist die Unwahrheit, und das wissen Sie!) Und das ist, so denke ich, nicht im Sinne des Erfinders, es ist auch nicht im Sinne Österreichs.

In Wirklichkeit sollten wir stolz sein, dass es nach vielen Jahrzehnten, in denen wir immer – so sage ich einmal – nach Deutschland geschaut und gesagt haben, die Deutschen sind tüchtig und erfolgreich und so gut, heute umgekehrt ist und dass Österreich von Deutschland aus als der wünschenswerte Standort betrachtet wird.

Fahren Sie einmal auf eine Messe nach Deutschland! Ich war in Hannover bei der Industriemesse. Dort können Sie Unternehmer- und Investorengespräche führen. Da erleben Sie, wie die Deutschen heute fühlen. Sie sagen: Bei uns kann man das nicht mehr aushalten. Wir sind in einer fürchterlichen Situation. Ihr seid gut dran in Öster­reich. Wir überlegen uns auch zu wechseln.

Wir haben in der letzten Zeit – wenn man sich die Bilanz der Austrian Business Agency ansieht – eine ganz erfolgreiche Standortanwerbung zugunsten aller Bundesländer durchführen können, sodass heute mehr Betriebe denn je aus dem europäischen Ausland zu uns kommen, weil wir es geschafft haben, durch vernünftige steuer­politische Maßnahmen auch dem globalen Wettbewerb richtig zu begegnen. Und eine dieser Maßnahmen war die Körperschaftssteuersenkung. – Daher bitte ich Sie, dieses Thema nicht aufzunehmen und die Revision nicht zu propagieren, denn das heißt in Wirklichkeit, Österreich wieder in Nachteil zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 



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11.25.40

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut gut in meinen Ohren, wenn der Herr Landeshauptmann von Kärnten heute ganz offiziell sagt, dass der Bundeskanzler das Recht und die Pflicht hat, die zweisprachigen Ortstafeln zu realisieren. In Kärnten ist es so, dass man vom Herrn Landeshauptmann auch hört, dass er sich von Wien nichts diktieren lässt, dass er wohl mitmischen will. Einmal ist es so, dass man, wenn man in Wien ist, das abschiebt, was wirklich wahr ist, denn Volksgruppengesetz ist Bun­dessache und nicht Landessache. Wenn man aber in Kärnten sitzt, dann wird es meistens so gebracht: Es ist alles anders, wir lassen uns von Wien nichts diktieren.

Lassen Sie mich bitte ein paar Sätze zu zweisprachigen Ortstafeln sagen. Wir sind in einem Rechtsstaat, wir leben in einem Rechtsstaat, und wenn die höchste Instanz eines Rechtsstaates, nämlich der Verfassungsgerichtshof, ein Erkenntnis formuliert, dann denke ich, dass man – wenn wir den Rechtsstaat ernst nehmen, und in seiner Äußerung hat unser Herr Landeshauptmann die Wichtigkeit eines Rechtsstaates für Europa betont – sich nicht aussuchen sollte, was für mich wichtig und was für mich unwichtig ist, was ich machen und nicht machen kann.

Unser Herr Landeshauptmann hat in Kärnten gesagt, er wird dafür sorgen, dass keine weitere zweisprachige Ortstafel aufgestellt wird, obwohl die höchste Instanz in einem Rechtsstaat durch ein Erkenntnis etwas anderes vorschreibt.

Zweisprachige Ortstafeln, meine Damen und Herren, gehören nicht nur mir als Kärnt­ner Slowenin allein. Die zweisprachige Ortstafel in meiner zweisprachigen Gemeinde Ludmannsdorf/Bilcovs beispielsweise gehört allen Bürgerinnen und Bürgern in Lud­mannsdorf. Dies ist nicht ein Privileg der Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Diese zweisprachige Ortstafel gehört allen Bürgerinnen und Bürgern in der zwei­sprachigen Gemeinde Ludmannsdorf/Bilcovs.

Eine große Bitte und ein Appell: Ich möchte nicht, dass man Zweisprachigkeit oder Mehrsprachigkeit als nationales Element sieht. Versuchen wir es bitte zu entpolitisieren und es als sprachliches und kulturelles Gut und als Bereicherung in einem vereinten Europa zu sehen, das uns – wenn man die heutige Diskussion gehört hat – so wichtig ist.

Noch einmal: Es gibt keinen Grund, die Sprache zu verpolitisieren! Nehmen wir die Sprache endlich einmal als kulturelles Gut und nicht als politisches Gut! – Danke. (Bundesrätin Blatnik beendet ihre Ausführungen in slowenischer Sprache. – Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt noch einmal Herr Landeshauptmann Dr. Haider. – Bitte.

 


11.29.42

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Herr Präsident! Ich möchte noch etwas klarstellen. Frau Bundesrätin, Sie haben gesagt, wir sagen in Kärnten, wir lassen uns nichts diktieren, und in Wien sagen wir, es ist der Bund zuständig.

Sie waren oft genug bei Veranstaltungen und auch im Landtag, um zu wissen, dass es für Kärnten auch rechtlich ein Mitspracherecht gibt. Das heißt, wenn es einen Vorschlag des Bundesgesetzgebers gibt, dann wird Kärnten zwingend anzuhören sein. Das ist die Aufgabe der Landesregierung bei der Umsetzung von volksgruppen­gesetzlichen Maßnahmen. Das ist im Volksgruppengesetz so verankert. Daher ist es logisch, dass wir unser Mitspracherecht ausüben werden. Wir können aber nicht initiativ werden.


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Ich habe immer wieder in Zeitungen gelesen, der Kärntner Landeshauptmann erfülle das Verfassungsgerichtshoferkenntnis nicht. – Er kann das nicht erfüllen, weil er nicht Adressat des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses ist! Bestenfalls kann der Bundes­gesetzgeber aus einem Verfassungsgerichtshoferkenntnis, das an ihn gerichtet ist, Kon­sequenzen ziehen – oder auch nicht; das geht auch. Jeder weiß, dass in Wirklich­keit nur die Prozentklausel aufgehoben wurde, das Gesetz als solches ist voll funktionsfähig. Es bedarf also keiner Veränderung. Das sagen auch die Verfassungs­rechtler.

Ich korrigiere Sie nicht gerne, aber es ist nicht richtig, dass der Verfassungsgerichtshof das höchste Organ ist. Das höchste Organ ist der Souverän, das Volk, das ist der Gesetzgeber, das österreichische Parlament, der Bundesrat. – Jetzt muss ich sogar positiv für euch reden und euch gegen die Bundesrätin verteidigen. (Rufe bei der SPÖ: Ah! – Bundesrat Mag. Pehm: Geh, bitte! „Sogar positiv reden“!) – So steht es in der Bundesverfassung, Frau Kollegin.

Sie sollten dem Verfassungsgerichtshof nicht eine Funktion zuordnen, die eigentlich Sie als Gesetzgeber haben. Wenn der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen hat, obliegt es dem Verfassungsgeber Parlament jederzeit, diese Meinung zu korrigieren. Daher hat das letzte Wort der Verfassungsgeber, sprich das Volk, das repräsentiert ist durch den Gesetzgeber im Parlament, im Bundesrat und wie die Institutionen heißen.

Der letzte Punkt, den ich noch sagen wollte, ist folgender: Die ganzen Diskussionen und Probleme, die wir um die Frage der Aufstellung von Ortstafeln haben, hat es dort gegeben, wo es Bürgermeister Ihrer Partei (in Richtung SPÖ) gibt. (Bundesrat Konecny: Ja, ja, ja!) Wir haben ausschließlich sozialistische Gemeinden in Kärnten, wo es Probleme bei der Aufstellung von Ortstafeln gibt. Sie waren selbst mit mir bei einer Diskussion in Neuhaus – sozialistischer Bürgermeister –, bei der ich den Bürgermeister vor der Empörung der Bevölkerung über die Art und Weise, wie hier vorgegangen wird, in Schutz nehmen muss. Das ist die Wahrheit. (Zwischenruf der Bundesrätin Blatnik.)

Daher sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass man nicht ans Rednerpult gehen und sagen kann: Wir Sozialdemokraten sind die großen Volksgruppen-Freunde!, wenn gleichzeitig in den Gemeinden eure Bürgermeister die größten Bremser bei der Realisierung und Umsetzung dieser Projekte sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

11.33.08 2. Punkt

Erklärung der Bundesministerin für Inneres gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR zum Rat der Justiz- und Innenminister und zu den Bemühungen der Innenminister zur Bekämpfung des Terrorismus

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße zu diesem Tagesordnungspunkt neben der Frau Bundesministerin Herrn Staatssekretär Dr. Hans Winkler, der zwar nicht als Person, aber in seiner neuen Funktion das erste Mal bei uns ist.


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In Anschluss an die Erklärung der Frau Bundesministerin wird im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Bundesräten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile der Frau Bundesministerin zur Abgabe der Erklärung das Wort.

 


11.33.53

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem 11. September 2001 ist uns allen klar, dass der internationale Terrorismus ein Hauptproblem für die Sicherheit der demo­kratischen Staaten geworden ist. Sein grausamer, sein zynischer Kampf gilt den Werten der gesamten zivilisierten Welt. Alle Kulturen und Religionen sind davon betroffen: New York, Djerba, Madrid, Istanbul, Beslan, Bombay und nunmehr Lon­don. – Das alles sind Beispiele für diese religions-, regions- und kulturübergreifende Feststellung.

Das Erste und Wichtigste, das wir als Lehre daraus ziehen müssen, heißt: Wir müssen unsere Zivilisationen gemeinsam schützen, um dem Terror mit vereinten Kräften den Boden zu entziehen, auf dem er wächst.

Österreich selbst stellt laut der Kenntnisse primär kein Ziel für Terroranschläge dar. Weltweit vernetzte terroristische Strukturen fordern aber, dass hier eine ständige intensive Beobachtung der Situation gegeben ist. Seit Jahren besteht das Bundesamt für Verfassungsschutz und ist im Bereich der Terrorismusbekämpfung tätig und aktiv. Insbesondere wird die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten unserer Partner in der demokratischen Staatengemeinschaft aufgebaut.

Als wesentliche Ergänzung muss sich Österreich insbesondere als kleines Land inten­siv an der Politik der Europäischen Union und auf internationaler Ebene gegen diesen Terrorismus beteiligen, denn unsere innere Sicherheit hängt ganz maßgeblich von der internationalen Situation ab.

Ich möchte im Namen des Innenministeriums einige Punkte aus unserer Sicht darstellen. Dem Austausch der Informationen und polizeilichen Daten zwischen den EU-Mitgliedstaaten kommt eine ganz besondere Bedeutung zu. Rechtzeitige Infor­mation und ein möglichst gutes Lagebild sind entscheidend, um Anschläge verhindern zu können.

Wir wissen aus England zum Beispiel, dass gerade in den letzten Jahren einige Anschläge verhindert werden konnten, weil diese Informationen geflossen sind. Zudem brauchen wir eine noch bessere Zusammenwirkung aller Einrichtungen auf euro­päischer Ebene, die sich mit der Terrorbekämpfung befassen.

Österreich hat schon vor den Anschlägen von Madrid Initiativen im EU-Rahmen gesetzt. Am 19. Februar 2004, also einen Monat vor den Geschehnissen von Madrid, hat mein Vorgänger, Dr. Ernst Strasser, ein Grundsatzpapier zur inneren Sicherheit im EU-Rat der Justiz- und Innenminister eingebracht. Darin wurden eine bessere Koor­dination, ein verbesserter Informationsaustausch, bessere Zusammenarbeit insbeson­dere der Nachrichtendienste sowie ein gemeinsames Lagebild auf Ebene der Europäischen Union gefordert.  – Das war damals gar nicht so selbstverständlich und gar nicht so akzeptiert. Heute ist das alles Teil der europäischen Strategie.

Weiters tritt Österreich für eine umfassende Terrorismusprävention ein, um den Ur­sachen der Radikalisierung und Rekrutierung entgegenzuwirken. Diesbezüglich war in den Gesprächen in London deutlich erkennbar, dass der große Schock, die große Erschütterung auch dadurch entstanden ist, dass man erkennen musste, dass die Terroristen nicht aus dem Ausland kamen, sondern Bürger Englands waren, unauffällig in einer normalen Mittelschicht tätig.


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Entsprechende Bemühungen in der Europäischen Union haben nach den Anschlägen von Madrid viel stärker an Dynamik gewonnen. Das „Haager Programm“, das EU-Zukunftsprogramm im Bereich der inneren Sicherheit, ist in der Zwischenzeit mit sehr konkreten Ergebnissen bereits weiter ausgebaut worden. Wichtige österreichische Positionen sind eingeflossen.

Dazu zählen die Schaffung eines Antiterrorkoordinators in der Europäischen Union und die grundlegende Neuorientierung beim Informationsaustausch durch die Definition des Grundsatzes der Verfügbarkeit, gemäß der Strafverfolgungsbehörden in einem Mit­gliedstaat in Hinkunft – das soll ab 1. Jänner 2008 gelten – die verfügbaren Informationen aus anderen Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Aufgabe verwenden können.

Das Ziel ist eine bessere Zusammenarbeit der Nachrichten- und Sicherheitsdienste, deren Befugnisse nicht nur zur Abwehr von Bedrohungen der eigenen Sicherheit, sondern auch zum Schutz der inneren Sicherheit der anderen Mitgliedstaaten genutzt werden können.

Arbeiten an einem gemeinsamen EU-Lagebild: Das Situation Centre ist bereits seit Anfang dieses Jahres mit sehr wertvoller Arbeit befasst und kann gute Informationen geben.

Eine in Ausarbeitung befindliche EU-Strategie gegen die Radikalisierung und Rekru­tierung: Auf Grund der Anschläge vom 7. Juli 2005 fand am 13. Juli 2005 in Brüssel ein Sonderrat der EU-Justiz- und Innenminister statt.

Wir haben vereinbart, dass der Kampf gegen den Terrorismus intensiviert werden muss: dass zum einen das Haager Programm in seinen Maßnahmen zügig und in verkürzten Fristen umgesetzt werden soll, dass zum Zweiten die Überarbeitung des Aktionsplans gegen den Terrorismus bis zum Jahresende 2005 beschlossen werden soll.

Auf Grund dieses Sondergipfels wurden folgende Maßnahmen im Bereich der Information und der Terrorismusfinanzierung von 2006 auf das heurige Jahr, auf 2005 vorgezogen. Vorgesehen wird erstens die Erstellung eines Konzeptes für den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf das Visa-Informationssystem, zum Zweiten eine verbesserte Synergie zwischen den Datenbanken, die schon vorhanden sind – SIS II, VIS und EURODAC –, und zum Dritten die Erstellung eines Verhaltenskodexes zur Verhütung des Missbrauchs kreativer Organisationen zum Zwecke der Terror­finan­zierung – auch ein sehr wichtiges Thema! Als prioritär wurden ferner die Speicherung der Kommunikationsdaten sowie die operativen Schritte gegen die Terrorfinanzierung festgelegt. Weiters werden auf Anregung von Österreich und Italien Verkehrswege und Eisenbahnen ins Programm des Schutzes kritischer Infrastrukturen aufgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gelegenheit des Sonderrates vom 13. Juli 2005 benutzten wir und unsere Partner in der EU, um auch über die Bestim­mungen des so genannten Prümer Vertrages zu sprechen, und wir haben informiert über die speziellen Möglichkeiten im Kampf gegen Terrorismus, aber auch zur Krimi­nalitätsbekämpfung, die in diesem Vertrag enthalten und vorgesehen sind. In diesem Vertrag ist konkret beinhaltet, dass es Modelle für den Informationsaustausch im Bereich der DNA, der Fingerabdrücke und der Kfz-Registrierungen gibt. Zum anderen ist im Art. 16 die Möglichkeit eines verbesserten Informationsaustausches über nationale Kontaktstellen zur Verhinderung terroristischer Straftaten vorgesehen.

Der von Österreich und Deutschland initiierte Prümer Vertrag ist eine besonders enge Form der Zusammenarbeit auch in anderen Fällen im Bereich der Sicherheit. Wir können diesen Vertrag auch als ein Modell, als ein Pilotprojekt für den Infor-


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mationsaustausch innerhalb der Union betrachten. Österreich, die Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich und Spanien haben die Unterzeichnung dieses Vertrages am 7. Mai vorgenommen; wir werden ihn im Herbst dieses Jahres noch im Haus ratifizieren müssen. Die so genannte Schengen-III-Zusammenarbeit wurde damit begründet. Österreich gehört damit zur Spitzengruppe im Bereich der Sicherheits­kooperation in Europa. Wir werden die Erfahrungen auch während unserer EU-Prä­sidentschaft im ersten halben Jahr des nächsten Jahres einbringen und bei der Terrorismusbekämpfung beziehungsweise besonders beim Austausch von Informa­tionen und Daten darüber diskutieren und Unterlagen vorbereiten können.

Ich möchte aber auch betonen, dass dabei auf eine genau ausgewogene Balance zwischen der Sicherheit auf der einen Seite sowie den Grund- und Freiheitsrechten auf der anderen Seite geachtet wurde. Auch diesbezüglich hat der Prümer Vertrag Modell­charakter, da in ihm umfangreiche Datenschutzbestimmungen festgeschrieben wer­den, die bisher auf europäischer Ebene nicht in dieser Form gegeben waren. Öster­reich kommt damit auch im Datenschutz eine Vorreiterrolle auf EU-Ebene zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Infolge des Sonderrates habe ich am 19.7. gemeinsam mit der Kollegin Justizministerin an einem Treffen mit der derzeitigen Präsidentschaft Großbritannien, der uns nachfolgenden finnischen Präsidentschaft und dem EU-Kommissar Frattini und seinem Team in London teilgenommen. Dabei haben wir mit Unterstützung der Kommission versucht, gemeinsame Strategien konkret zu besprechen und auch festzulegen. Wir haben vor allem besprochen, was die voraussichtlichen Hauptpunkte der drei Präsidentschaften sein werden und wie die Schwerpunkte in den nächsten 18 Monaten bearbeitet werden sollen. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass wir uns selbst eine gewisse Zeitabfolge vorgegeben haben und nicht automatisch sagen: Wenn wir es nicht erledigen, erledigt es der Nächste. Es war dies ein sehr gutes und konstruktives Gespräch.

Das schließt selbstverständlich den Terrorismusbereich ein. Großbritannien wird hier besonders aktiv werden und während seiner Präsidentschaft unter anderem folgende Punkte übernehmen: erstens die Erarbeitung von gemeinsamen Standards für die Speicherung von Verkehrsdaten für den Zweck der Strafverfolgung; zum Zweiten die Auflistung konkreter Möglichkeiten für die Umsetzung des Verfügbarkeitsgrundsatzes; drittens die Arbeit an einem Programm zum Schutz kritischer Infrastrukturen; zum Vierten die Formulierung einer Strategie gegen Radikalisierung und Rekrutierung.

In der darauf folgenden Zeit des österreichischen Vorsitzes werden diese vier Schwer­punkte in der Realisierung und vor allem in der Umsetzung weitergeführt werden. Wir werden versuchen, die Verbesserung des Informationsaustausches durch konkrete Beschlüsse herbeizuführen, die Umsetzung des Verfügbarkeitsgrundsatzes insbe­sondere im Bereich der DNA und der Fingerprints, zum Zweiten die bessere Koor­dination der Nutzung vorhandener Strukturen auf nationaler und europäischer Ebene – da ist besonders die Zusammenarbeit zwischen der Polizei, also EUROPOL, und den Nachrichtendiensten von absoluter Notwendigkeit –, zum Dritten die Umsetzung des Programms zum Schutz der kritischen Infrastrukturen und letztlich die Umsetzung der EU-Strategie gegen Radikalisierung und Rekrutierung. Wir werden hier insbesondere einen breiten Dialog der Kulturen und Religionen führen.

Dazu kommt aus unserer Sicht noch die Herausbildung eines integrierten EU-Krisen­managements für Krisen von grenzüberschreitender Dimension innerhalb der Europäischen Union. Das ist eine Folge der Arbeiten nach der Tsunami-Katastrophe und der Aufarbeitung der Situation danach. Weiters geht es um die Umsetzung von Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können ein knappes halbes Jahr vor Beginn unserer Präsidentschaft festhalten, dass Österreich die Politik der Europäischen Union in der inneren Sicherheit, insbesondere im Bereich der Terroris­musbekämpfung, in den letzten Jahren sehr maßgeblich mitbestimmt hat. Wir konnten gemeinsam mit unseren Partnern in der Salzburger Gruppe vor allem die grund­legenden EU-Dokumente maßgeblich mitgestalten, insbesondere das Haager Pro­gramm, und wir haben auf Grund unserer Rolle in der EU-Spitzengruppe sehr gute Voraussetzungen für eine aktive und gestalterische Weiterführung der EU-Politik gegen Terror auch während unserer Präsidentschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, in groben Zügen darzu­stellen, was in den letzten Wochen und Tagen geschehen ist. Sie sehen, dass eine enorme Arbeit auf uns wartet, die wir in der nächsten Zeit insbesondere im Bereich der Sicherheit unseres Landes, aber auch der Sicherheit Europas weiterführen wollen. (Allgemeiner Beifall.)

11.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Winkler das Wort.

 


11.48.35

Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich meiner großen persönlichen Freude darüber Ausdruck geben, dass ich mich Ihnen heute vorstellen darf. Meine Aufgabe ist, wie Sie wissen, die Außenministerin bei der Wahrnehmung der umfangreichen Aufgaben, denen sich Österreich in dieser Zeit der Troika und bald der Präsidentschaft der Europäischen Union gegenübersieht, in allen Belangen der Außenpolitik, insbesondere aber bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Präsidentschaft zu unterstützen.

Die Aufgabe, die Österreich mit dieser Präsidentschaft übernimmt, ist sicherlich keine leichte. Gemeinsam werden wir aber in einem Team unter Leitung der Außen­ministerin, mit dem Generalsekretär Botschafter Kyrle und dem österreichischen Stän­digen Vertreter in Brüssel, Botschafter Woschnagg, die auf uns zukommenden um­fangreichen Präsidentschaftsaufgaben gut bewältigen. Davon bin ich überzeugt. Ich habe das schon im Nationalrat gesagt und sage das auch sehr gerne hier im Bundesrat: Dem Dialog und der Zusammenarbeit mit dem österreichischen Parlament wird eine große Bedeutung zukommen, und dies ist mir auch ein ganz besonderes persönliches Anliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Näherrücken der Staaten durch die fortschreitende europäische Integration hat unseren Bürgerinnen und Bürgern eine bis noch vor kurzem ungeahnte Freiheit gebracht. Wir bewegen uns heute in einem Raum, der noch vor zehn Jahren durch einen fast undurchdringlichen Vorhang und durch Binnengrenzen abgeschottet war.

Wie die Ereignisse in Madrid und jüngst in London gezeigt haben, sind aber auch wir in Europa vor der neuen Geißel unserer Zeit, dem internationalen Terrorismus, nicht gefeit. Die internationale Staatengemeinschaft insgesamt, die Europäische Union und jeder einzelne Staat für sich müssen mit diesem schrecklichen Phänomen des Ter­rorismus fertig werden. Das wird auch Einschränkungen und Maßnahmen bedeuten, die für den einzelnen Bürger spürbar sind. Wir dürfen aber in keinem Fall zulassen, dass es diesen verantwortungslosen Verbrechern gelingt, dass wir unser demo­kratisches Lebensmodell, die Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger und den Rechtsstaat, aufgeben. Diesen Sieg werden die Terroristen nicht davontragen. (Allgemeiner Beifall.) Unsere Freiheiten sind das oberste Gut unserer Demokratie.


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Terrorismus und organisierte Kriminalität sind globale Phänomene. Die Möglichkeiten der Kommunikation und der Finanzströme sind kaum mehr an Grenzen gebunden. Die politischen Ursachen dafür haben gleichermaßen globale Züge angenommen: die Situation im Irak oder in Afghanistan oder der Konflikt zwischen Israel und Palästina, um nur einige zu nennen. Es sind aber auch globale soziale und wirtschaftliche Probleme, die junge Leute zum Werkzeug radikaler terroristischer Organisationen werden lassen.

Es ist nicht möglich, diesem Phänomen auf rein nationaler Ebene Herr zu werden. Das wissen auch die Bürger, und sie fordern zu ihrem Schutz zu Recht, dass sich Europa und die internationale Staatengemeinschaft koordinieren. Der Europäischen Union kommt dabei eine ganz wesentliche Aufgabe zu. Die Zusammenarbeit der zuständigen Innen- und Justizminister, die Koordination mit der Kommission und die Tätigkeit des vom Europäischen Rat im März 2004 eingerichteten EU-Koordinators für die Ter­rorismusbekämpfung Gijs de Vries sind wesentliche Elemente in diesem Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Ich hatte vor wenigen Tagen in Brüssel Gelegenheit, mit dem Koordinator für die Terrorismusbekämpfung Gijs de Vries zusammenzutreffen. Auch er ist der Ansicht, dass dem Bereich der Terrorismusbekämpfung während unserer Präsidentschaft eine ganz wesentliche Rolle zukommen wird. De Vries hat auch die Ansicht geteilt – und die Frau Innenministerin hat es bereits angesprochen –, dass es notwendig ist, den inter­religiösen Dialog vor allem mit dem Islam und den Dialog der Zivilisationen und Kulturen fortzusetzen, damit wir jene erreichen, die vielleicht potenziell den militanten Lockungen der moslemischen Fanatiker erliegen könnten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Machen wir uns aber keine Illusionen, auf diese Weise werden wir den harten religiösen und ideologischen Kern derjenigen, die diese Verbrechen begehen, nicht erreichen können. Hier ist die Arbeit der Polizei, der Geheimdienste und der Justiz gefragt. Wenn es uns aber gelingt, die Rekrutierungs­basis der Terroristen auf diese Weise wenigstens zu begrenzen, dann ist uns schon ein großer Erfolg gelungen. Österreich hat in dieser Hinsicht eine gute, große Tradition. Wir werden diese Tradition mit einer weiteren Konferenz noch in diesem Jahr fort­setzen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Innenministerin hat bereits zahlreiche Maß­nahmen genannt, die auf Ebene der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus gesetzt werden. Ich möchte einige Bemerkungen aus dem Blickwinkel der Außenpolitik hinzufügen.

Ganz allgemein erscheint es mir wesentlich, dass der gesamte Bereich der Außen­beziehungen in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung ist. Eine glaubwürdige gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union zur Lösung von Konflikten, die den Terrorismus begünstigen und nähren, trägt dazu bei, dass dem Terrorismus weltweit der Boden entzogen wird. Wir brauchen – und das sage ich aus großer persönlicher Überzeugung – in diesem Bereich mehr Europa, weil hier eine Gemeinsamkeit auch wirklich einen Mehrwert für unsere Bürger darstellt.

Eines der Ziele des Anti-Terrorismus-Aktionsplanes, der bereits erwähnt wurde, ist die internationale Zusammenarbeit. Dieses Ziel umfasst insbesondere auch die Zusam­menarbeit mit den Vereinten Nationen, etwa durch die Unterstützung der Einhaltung der insgesamt zwölf UNO-Konventionen, die es seit 1968 auf dem Gebiet der Terroris­musbekämpfung gibt. Österreich hat im Übrigen alle zwölf Konventionen ratifiziert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Wir wer­den uns den mannigfaltigen europäischen Aufgaben während unserer Präsidentschaft mit ganzer Kraft stellen. Ein ganz wesentlicher Bereich im Interesse der Sicherheit


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unserer Bürgerinnen und Bürger wird dabei der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


11.56.00

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei der Frau Bundesministerin, aber auch beim Herrn Staatssekretär besonders herzlich dafür bedanken, dass sie die erste Gelegenheit wahrnehmen, nach diesen bedauernswerten Ereignissen in London vor dem Bundesrat das Wort zu ergreifen und auch darzulegen, was einerseits von Österreich, andererseits auf euro­päischer Ebene beabsichtigt ist.

Ich möchte aber auch den vielen Beamten und Mitarbeitern danken, einerseits des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, aber auch des Bun­deskriminalamtes, und beiden mit ihren Ausgliederungen, dass sie sehr viel dazu beitragen, dass in Österreich eine große Menge an Information über diese fürchterliche Geißel der Menschheit vorhanden ist.

Ich möchte aber auch etwas dafür tun, dass wir der Opfer in London gedenken. Bisher gibt es 56 Tote, es sind Frauen darunter, Männer, Briten, aber es sind, wie ich heute in den Nachrichten gehört habe, auch drei Polen darunter. Die davon betroffenen Menschen sind also nicht auf eine bestimmte Nation bezogen. Es ist das Grausliche an dem Ganzen, dass Menschen einfach durch Zufall, durch Unglück in Mitleidenschaft gezogen werden, sei es durch Tod, was dann vor allem bedauerlich für ihre Ver­wandten ist, für ihre Väter, Mütter und so weiter, aber auch die vielen Verletzten, die dann schweres Leid zu ertragen haben, bis hin zur gänzlichen Verstümmelung oder zu Dauerschäden.

Es muss auch mit aller Deutlichkeit festgehalten werden, dass sich die Täter in diesem Bereich durch Selbstmord – und das scheint jetzt auch in London ziemlich sicher erwiesen zu sein – in jeder Richtung der Verantwortung entziehen.

Besonders wichtig ist es daher, dass man an die Hintermänner herankommt, an die Ausbildungslager, an die Prediger, die Hassparolen verbreiten. Aber es muss uns auch, bitte, voll und ganz bewusst sein, dass diese Organisationen mit nach­richten­dienstlichen Mitteln arbeiten. Das ist die Konspiration, das sind Geheimtreffen, das sind Kuriere, das sind Geldflüsse im Aktenkoffer und so weiter. Diese Netzwerke einerseits zu erkennen und zu zerschlagen, ist eine ganz besondere Maßnahme, die sehr viel Ausdauer erfordert.

Wir müssen aber auch mit großem Bedauern feststellen, dass es Staaten gibt, die den Terrorismus dulden, ihn sogar fördern beziehungsweise auch dazu beitragen, dass dafür entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Was ist nun das Ziel des Terrorismus? – Es ist recht vielfältig: einerseits primär einmal, in den Medien entsprechende Aufmerksamkeit zu erzielen – daher besonders blutig, besonders viele Opfer –, in weiterer Folge sicher aber auch eine Destabilisierung unserer freiheitlichen, demokratischen Ordnung; unter Umständen zu versuchen, Wah­len zu beeinflussen, damit vielleicht scheinbar tolerantere Parteien an die Regierung kommen; demokratische Staaten auseinander zu dividieren, wenn Glaubensunter­schiede bestehen; aber auch wirtschaftliche Unterschiede, ob es nicht vielleicht möglich ist, zu einem Bürgerkrieg zu kommen, um Systeme zu ändern; Einführung der


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Scharia – was auch immer das bedeuten möge – bis hin zum Gottesstaat, wobei auch dieser Gottesstaat nicht klar definiert ist.

Eines lässt sich unterm Strich aber sagen: Man versucht, autokratische Regime zu installieren, wobei unter Umständen ein Autokrat durch einen anderen ausgetauscht wird. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis der sich dann auch so entwickelt, dass man ihn sobald als möglich anbringen möchte.

Was können wir tun? Was kann ich tun? Es ist vor allem wichtig, dass die echten Demokratien sich bemühen zusammenzuhalten, dass man gewisse Meinungs­unter­schiede hintanstellt, sodass auch ein entschlossenes gemeinsames Auftreten dieser Staaten gegeben ist und nicht augenzwinkernd Lippenbekenntnisse abgegeben wer­den, die dann aber in der Praxis zu nichts führen. Dass die strafrechtlichen Normen an die neue Situation angepasst werden müssen, ist klar. Es ist aber auch notwendig, dass die demokratische Idee in der Welt verbreitet wird und dass man auch den so genannten Rogue States oder Schurkenstaaten beziehungsweise nicht vorhandenen Staaten die Möglichkeit einräumt, ihnen zu helfen, ihre Polizei, ihre Justiz und so weiter entsprechend auszubilden. Österreich hat auf diesem Gebiet sehr große Beiträge geleistet.

Was ist auf europäischer Ebene weiters notwendig? Hier geht es darum, dass die viel gepriesene gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wie der Herr Staatssekretär angedeutet hat, aber auch die gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik weiter vorangetrieben werden, nicht indem man Deklarationen abgibt, sondern indem man entsprechende harte Fakten schafft.

Es wird auch notwendig sein, dass ein rascher und unkomplizierter – ich betone unkomplizierter – Informationsaustausch über Terrorverdächtige über Landesgrenzen hinweg stattfindet und dass die in den einzelnen Ländern mit der Abwehr betrauten Nachrichtendienste, seien sie zivil oder militärisch, wirklich intensiv zusammenarbeiten und nicht jeder versucht, seinen Schrebergarten zu erhalten.

Aus dem heraus sollte es dann zu einem europäischen Lagebild kommen. Man muss fairerweise sagen, auch der Bevölkerung sagen – und das ist meiner Ansicht nach sehr wichtig –, dass es echte Bedrohungen gibt, indem man ein seriöses Bedrohungsbild erstellt. Dass Europol, Eurojust und so weiter zusammenarbeiten müssen, ist sehr wichtig und voranzutreiben. Auf europäischer Ebene wäre es sehr schön, wenn man zum Beispiel dem Koordinator für Terrorismusbekämpfung, dem Niederländer De Vries, nicht nur ein Kleinstbüro zur Verfügung stellte, wie ich voriges Jahr in Brüssel erfahren musste, sondern ein entsprechend ausgebautes, damit er in die Lage versetzt wird, schnell zu agieren und wieder in Richtung Lagebild und Bedrohungsbild zu arbeiten.

Eines ist allerdings mit großem Bedauern festzustellen: Das Völkerrecht im Allge­meinen und das Kriegsvölkerrecht im Besonderen haben sich jahrhundertelang bemüht, den Krieg, wenn man das so sagen kann, zu zivilisieren, ganz klar zu definieren, wer Soldat und wer Zivilist ist. Im Zusammenhang mit dem Terrorismus stellen wir heute fest, dass es das alles nicht mehr gibt, denn unter dem Terrorismus leiden vor allem Zufallspersonen, Zivilpersonen. Die werden einfach ermordet, verletzt. Der Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen, dass es inzwischen zwölf Reso­lutionen der Vereinten Nationen gibt. Daher ist es notwendig, mit Hamlet die etwas abgewandelte Frage zu stellen: Es geht also nicht darum, dass wir auf UNO-Ebene neue Normen schaffen, sondern es ist wichtig, dass die bestehenden durchgesetzt werden. Das ist nämlich die entscheidende Frage.

Wenn ich in diesem Zusammenhang jetzt ein bisschen auf die Kommunalebene hinun­tersteige, denn dort beginnt ja im Grunde die praktische Arbeit auch im Zusam-


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menhang mit einem eventuellen Unschädlichmachen des Terrorismus, dann geht es darum, dass wir uns bemühen, die Gäste, die wir im Lande haben, zu integrieren, dass wir versuchen, den Kindern entsprechende Deutschkenntnisse zu vermitteln. So ist zum Beispiel in Wien vorgeschlagen worden, das letzte Kindergartenjahr für alle verpflichtend gratis zur Verfügung zu stellen, damit Deutsch gelernt werden kann. Es geht aber auch darum, dass ihnen später auch die entsprechenden Ausbildungs­möglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich in die Gesellschaft zu integrieren.

Mir erscheint besonders wichtig, die praktischen Rechte der islamischen Frauen in Wien und in den Bundesländern zu stärken, damit sie nicht mehr oder weniger einge­sperrt werden und sich nur über Satellitenfernsehen informieren können. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das müssen sie deren Männern sagen!)

Weiters ist wichtig, dass die islamischen Organisationen in Österreich die Terror­anschläge nicht nur verurteilen, sondern dass sie auch versuchen, in ihrer Gemein­schaft entsprechend zu handeln. Wie ein sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter in Wien gesagt hat, sind es von den 100 Predigern nur 4, die unter Umständen extremistisches Gedankengut vertreten. Da muss ein Selbstreinigungsprozess stattfin­den. Nur so kann sichergestellt werden, dass es besser wird.

Noch etwas, was jeden Bürger betrifft: Wachsamkeit. Wir sollen beobachten. Wenn wir etwas sehen, sollen wir das den Behörden melden. Unter den gegebenen Umständen dürfen wir jetzt nicht wegschauen, denn das Wegschauen wird uns nicht besonders helfen.

Dann bitte ich um eines, auch wenn gelegentlich einmal ein Fehler passiert: Bringen wir den Einrichtungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Landes­verfas­sungsämtern, dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern ein ihrer harten Arbeit entsprechendes Verständnis entgegen und stellen wir sie, bitte, überparteilich außer Streit stellen. Überparteiliche Zusammenarbeit auf diesem Sektor ist nämlich ganz, ganz besonders wichtig.

Eines ist glücklicherweise geschehen – und das war vorausschauend von Österreich –, dass wir nämlich die Videoüberwachung eingeführt und Schutzzonen überwacht haben, denn in England, in Großbritannien hat sich jetzt herausgestellt, dass durch diese Videoüberwachungen der U-Bahnknotenpunkte und so weiter doch sehr schnell Ergebnisse erzielt werden konnten. Glücklicherweise haben wir eine Videoüber­wachung am Karlsplatz und am Schwedenplatz. Ich als Mandatar des ersten Bezirkes bin sehr froh darüber, dass das hier stattfindet.

Im Sprung auf eine andere Ebene möchte ich auf den Prümer Vertrag zu sprechen kommen. Vielen Dank, Frau Bundesminister, dass es gelungen ist, 7 Länder von 25 zu einer intensiven Zusammenarbeit zu bewegen, um so etwas zu erreichen.

London hat jetzt die Präsidentschaft der EU inne und für November 2005 die EU-Parlamentarier, aber auch nationale Parlamentarier zu einer Aussprache über Ter­rorismus eingeladen. Diejenigen, an die diese Einladung ergangen ist, sollten das, bitte, wahrnehmen, denn der Informationsaustausch ist immer noch ein ganz wichtiges Mittel, um einerseits Ängste zu beseitigen, andererseits aber auch die Zusammenarbeit zu fördern. Dieses Zusammenarbeitsangebot aus London sollten wir daher annehmen, denn dann sind wir auf einem guten Weg, unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung und Demokratie zu erhalten.

Was nun Österreich betrifft, das nächstes Jahr die Präsidentschaft übernehmen wird, ist eines ganz klar: dass Österreich im Allgemeinen und im Besonderen das Bun­desministerium für Inneres und das Außenministerium eine federführende und eine


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gestaltende Rolle übernehmen werden, um uns auf diesem Sektor weiterzubringen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.08


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


12.08.45

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich freue mich darüber, dass Frau Bundesministerin Prokop unsere Anregung, dieses Thema hier zu relevieren, so bereitwillig aufgegriffen hat. Ich freue mich auch, Herrn Staatssekretär Winkler hier in seiner neuen Eigenschaft begrüßen zu können; auch er hat zu diesem tatsächlich für unsere Lebenswirklichkeit so wichtigen Thema ein paar entscheidende Informationen gegeben.

Es ist notwendig, dass dieses Thema auch und gerade vis-à-vis der Öffentlichkeit thematisiert wird, und zwar ohne Panikmache, ohne Aufgeregtheit, aber mit viel Verantwortungsbewusstsein, denn es geht hier nicht darum – und niemand hat das auch nur ansatzweise getan, damit ich da nicht missverstanden werde –, Feindbilder zu skizzieren, sondern es geht – ganz im Gegenteil – darum, das Entstehen von Feindbildern zu vermeiden, weil Hysterie, Ausgrenzung – und das ist die Folge von Feindbildern – genau zu den falschen Resultaten führen würde.

Natürlich wäre es allen nach London, nach Madrid lieber gewesen, wenn die polizeilichen Arbeiten das Ergebnis erbracht hätten, dass es sozusagen durchreisende Aliens sind, die dafür verantwortlich wären. – Das ist jedoch nicht der Fall. In beiden Fällen handelt es sich um Menschen, die aus dem islamischen Kulturkreis einge­wandert, Staatsbürger oder nicht, aber jedenfalls lange in den betreffenden Ländern anwesend, in einer komplexen Entwicklung, die individuell durchaus auch noch nach­zurecherchieren ist, zum Terror gefunden und den Schritt, ihn auch auszuüben, getan haben.

Was immer die technischen Maßnahmen der Terrorbekämpfung, der Terrorverhin­derung und tragischerweise in Wirklichkeit primär der Terroraufklärung mit sich brin­gen: Genauso gefragt ist der Versuch, die Entwicklung der Träger des Terrors nachzuvollziehen, weil es da vermutlich eine Gemengelage von Motiven und Erfah­rungen gibt, wenn Menschen, die offensichtlich über lange Strecken ihres Lebens ganz an der Gesellschaft des Landes, in dem sie leben, teilgenommen haben, die also nicht von Eltern im kleinen Kämmerchen abgeschirmt und nur dem Imam vorgeführt gelebt haben, nein, die junge, lebensfrohe Menschen waren und unter dem Eindruck bestimmter Ereignisse – ich will gar nicht durch Mutmaßungen probieren, diese aufzuzeigen; aber die Frage einer Zurückweisung durch die aufnehmende Gesellschaft mag dabei in dem einen oder anderen Fall eine Rolle spielen – diesen verhängnis­vollen Weg eingeschlagen haben.

Wir sollten an dieser Stelle aber auch, wenn wir über dieses Thema sprechen, auch mit Trauer daran erinnern, dass jener Islam, der in seiner inneren Struktur der toleranteste war und der der europäischen Kultur am nächsten stand, vor zehn und mehr Jahren von einem wild gewordenen Nationalismus attackiert, durch Terror – anders kann man auch das nicht nennen – dezimiert und in vielen Fällen eben auch in eine Radikalität getrieben wurde. Ich beschäftige mich bereits seit langem mit diesem Thema – noch bevor es diese Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien gegeben hat, bevor es Sre­brenica gab, war der bosnische Islam eine der möglichen Brücken zwischen Europa und seinen neuen islamischen Mitbürgern, weil diese alten islamischen Mitbürger, noch dazu des österreichischen Raumes, tatsächlich in einer für beide Seiten bemer­kenswerten Art und Weise integriert waren. – Dieser Prozess ist brutal gestört worden,


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und wir sehen heute, dass das nicht nur für den ostmitteleuropäischen Raum, sondern für Europa für einen Verlust bedeutet.

Es ist jedoch ganz klar, dass viele solche Konfliktsituationen zwar nicht die unmittel­bare Ursache sind – es sind nicht Tschetschenen, die nach London gereist sind, um dort zu bomben, es waren keine Palästinenser –, aber die Folie, vor der diese individuellen Entscheidungen getroffen werden, ist mitgeprägt von Konflikten, die in nachvollziehbarer Art und Weise von islamischen Völkern so verstanden werden, dass sie unterdrückt, an den Rand gedrängt, benachteiligt, von der Weltöffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Das ist nicht das Motiv, aber es ist die Folie, vor der Motive sich entwickeln können und vor der Motive auch ganz gezielt wachgerüttelt werden können: eben von jenen, die das bewusst und gezielt betreiben.

Es ist klar, dass die Frage, wie offen eine Gesellschaft gegenüber diesen Bürgern ist, eine entscheidende ist. Eine Gruppe, die am Rande der Gesellschaft lebt, die tag­täglich Ausgrenzung, Benachteiligung erlebt, wird wenig Motivation haben, sich dem Wertesystem einer Gesellschaft anzunähern, zu deren Werten es offenbar gehört, sie selbst schlecht zu behandeln. Da gibt es in den konkreten Fällen genügend Berüh­rungspunkte, denen nachzuforschen ist.

Natürlich ist auch klar – mein Freund Omar al-Rawi hat in der Öffentlichkeit mit Recht darauf hingewiesen –, dass es in diesem Milieu Menschen gibt, die das gezielt wach halten und, wo es nicht vorhanden ist, begründen wollen und die eine Möglichkeit haben, auf junge, vielleicht auch instabile Menschen mit persönlichen Enttäuschungen Einfluss zu nehmen. Dort hört naturgemäß jene Toleranz auf, zu der wir uns nachhaltig bekennen. Es kann nicht sein, dass eine Gesellschaft, die offen und demokratisch ist – ich sage aber dazu, das gilt nicht nur für den Islam oder sonst eine Gruppe dieser Richtung –, zulässt, dass die Hass-Predigten, welcher Art auch immer – nationalistisch, religiös oder vergangenheitsbewältigend – gewissermaßen unter Schutz fallen. Nein, das ausdrücklich nicht!

Es ist eine gemeinsame Bedrohung. Darauf wurde mit Recht in beiden Erklärungen hingewiesen: Sie betrifft europäische Länder, sie betrifft jedes Land der Europäischen Union – und trotz der gesellschaftlichen Einbettung vieler der Attentäter gibt es natür­lich jede Menge Vernetzungen. Auch die Täter in London haben ja ganz offensichtlich ihre grenzüberschreitenden Erfahrungen gemacht. Manche waren offensichtlich in Schulen, andere auch in Ausbildungslagern. Da gibt es also schon etwas, was grenz­überschreitend stattfindet. Die Frage, wo der Sprengstoff herkommt, ist für mich öffentlich auch noch nicht beantwortet.

Daher ist es notwendig, dass es eine sehr vielschichtige Zusammenarbeit gibt: eine Zusammenarbeit – und das ist mir wichtig, zu betonen – auf politischer Ebene, wo es darum geht, jene Konflikte, die die Folie bilden, aufzuarbeiten; eine Zusammenarbeit auch im Erfahrungsaustausch darüber, wie Integration funktioniert, aber letztlich natürlich auch die Zusammenarbeit dort, wo es um polizeiliche und geheimdienstliche Arbeit geht, wo Möglichkeiten, die auch die Technik bietet, gezielt genutzt werden.

Es hat mich sehr beeindruckt, dass das auch von englischer Seite so klar ausge­sprochen wird: Natürlich ist es eindrucksvoll, wenn es auf Grund moderner Über­wachungssysteme wenige Tage nach einem solchen Anschlag möglich ist, die Täter zu identifizieren. Aber man muss genauso ehrlich dazusagen, dass dieser gewaltige Über­wachungsaufwand nichts dazu beitragen konnte, diese Anschläge zu verhindern. Rucksack ist Rucksack. Was drinnen ist, sieht die Fernsehkamera und jedes andere Überwachungssystem auch nicht, wenn man nicht an den U-Bahn-Eingängen ähnliche Kontrollen wie auf Flughäfen durchführen will. Das muss uns klar sein.


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Ich hatte, wie gesagt, die Gelegenheit, am Montag bei der COSAC in London mit unseren britischen Freunden darüber sehr offen zu diskutieren, und es gehört zu den tragischen Wahrheiten dieses Themas, dass ein wirklicher Schutz nicht denkbar ist, nicht einmal um den Preis der Einschränkung unserer Lebensweise, vor der jetzt mit Recht so viele warnen. Ich bin dankbar, dass auch dieses Thema angesprochen wurde.

Klar ist: Man kann eine Lebensweise, eine Kultur, eine Gesellschaft, die auf ihre Werte stolz ist, nicht dadurch erfolgreich verteidigen, dass man selber prophylaktisch diese Werte einschränkt oder gar abschafft. Das ist sicher in vielen Einzelfällen – nicht in jedem Einzelfall, aber in vielen Einzelfällen – eine Frage, wo wir über die Güterabwägung noch ernsthaft werden diskutieren müssen, ohne dass die eine Seite der anderen etwas unterstellt.

Für uns ist beispielsweise die Handydatenspeicherung, was die Verbindungsdaten betrifft, problemlos vorstellbar, die inhaltliche Speicherung hingegen nicht. Das mögen andere anders sehen. Ich sage sehr freimütig: Da ist abzuwägen, da ist zu überlegen, wo wir unsere eigene Gesellschaft, unser Wertesystem aushöhlen. Und die Frage nach dem Beitrag zum Erfolg im Kampf gegen den Terror ist meiner Einschätzung nach da durchaus zweifelhaft.

Ich teile die Einschätzung – und damit möchte ich schließen –, dass wir eine auf vielen Schichten ablaufende Auseinandersetzung mit dieser Bedrohung vor uns haben. Ich sage es noch einmal: auf der Ebene der Konflikte, die die Folie sind, auf der Ebene des Zusammenlebens mit jenen Menschen, die aus diesem Kulturkreis stammen, in unseren eigenen Ländern – und natürlich auch auf der polizeilichen Ebene.

Es ist zu hoffen, dass sich alle Akteure auf jeder dieser drei Ebenen der Notwendigkeit der Vernetzung bewusst sind. Es ist zu hoffen, dass jene, die gerade im polizeilichen Bereich, im geheimdienstlichen Bereich tätig sind, auch diese menschenrechtliche, diese zivilgesellschaftliche Abwägung im Hinterkopf und im Herzen – besser im Herzen als im Hinterkopf – ständig mit sich tragen, weil es natürlich immer die Gefahr gibt, im Eifer des Gefechts – und es ist das ein Gefecht – übers Ziel hinauszuschießen. Und wir sollten uns – ich sage es noch einmal – davor hüten, dieses Thema zu sen­sationalisieren, aufzubauschen – es ist groß genug – und Angst damit zu machen, schon gar nicht Angst gegeneinander zwischen Bevölkerungsgruppen oder politischen Meinungen zu diesem Thema.

Es ist eine Aufgabe, die uns allen gestellt ist, und ich biete ausdrücklich unseren Beitrag dazu an, sie gemeinsam anzugehen. Lösen werden wir sie beide nicht, aber bemühen werden wir uns. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

 


12.22.37

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nicht zuletzt die Terroranschläge von Madrid und jüngst in London haben die Europäische Union und daher auch unsere Regierung zu entsprechenden Überlegungen veranlasst, was wir zur Vermeidung solcher Untaten bewirken können.

Ich möchte ausdrücklich Ihnen, Frau Bundesministerin Prokop, für Ihre Bemühungen auf diesem Sektor herzlichen Dank aussprechen.

Gewiss gilt es dabei – das haben alle Vorredner so zutreffend ausgeführt –, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Freiheit und der Sicherheit der Bürger zu


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erhalten. Darin stimmen wir mit dem Herrn Bundespräsidenten und der Frau Bun­desministerin voll überein. Den absolut „gläsernen Menschen“ ohne jedweden Daten­schutz und jegliche Privatsphäre können und wollen wir uns in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht wünschen. Das wäre auch von den Menschenrechten, der Verfas­sung und von den in ihr garantierten Grundrechten her nicht vertretbar.

Auf der anderen Seite wird meines Erachtens das ungeschriebene Grundrecht auf Sicherheit, eine Kernkompetenz und zentrale Legitimationsgrundlage jedes, daher auch unseres Staates, in der politischen Debatte immer noch nicht ausreichend gewürdigt.

Was sollen und können wir also wollen? – Auf der technischen Ebene scheinen mir Videoüberwachung und auch die Aufnahme biometrischer Daten voll vertretbar, ebenso der heute schon mehrfach angesprochene Verbund und Ausgleich aller relevanten polizeilichen, nachrichtendienstlichen, geheimdienstlichen Informationen und Daten, und zwar auch grenzüberschreitend.

Die Aufzeichnung der telefonischen und elektronischen vermittelten Kontakte, also auch die Vorratsspeicherung von Handydaten, erachte ich insofern für gerechtfertigt, als es sich bloß um die Kommunikationsbeziehungen als solche handelt. Zweifellos darf es dabei nicht um die Inhalte der Gespräche gehen, sofern nicht ein richterlicher Auftrag, das heißt eine gerichtliche Anordnung anderes verfügt.

Nicht zuletzt der europäische Haftbefehl ist ein Akt der grenzüberschreitenden Straf­verfolgung, insbesondere im Hinblick auf organisierte Kriminalität und Terrorismus. Er setzt nicht einmal voraus, dass in beiden Staaten das gleiche Strafrechtsregime gilt, aber immerhin muss das betreffende Delikt, das zur Auslieferung selbst eines eigenen Staatsbürgers berechtigt beziehungsweise sogar verpflichtet, dem Katalog jener Delikte entsprechen, die dafür in der EU-Rahmenrichtlinie vorgesehen sind. Auch hierbei müssen freilich grundrechtliche Verbürgungen eines fairen rechtsstaatlichen Strafverfahrens gewahrt bleiben. Das und nichts anderes hat jüngst das deutsche Bundesverfassungsgericht vom nationalen Gesetzgeber – meines Erachtens mit vollem Recht – eingefordert.

Insoweit der Terrorismus von islamistischen, von fundamentalistischen Kräften aus­geht, müssen deren Netzwerk und Rekrutierungsbasis bis hin zu den Finanzie­rungsformen und -quellen aufgedeckt und zerschlagen werden. Dazu gehört zweifellos auch die Ermittlung, ob und wo unter dem Deckmantel der Freiheit der Religion und ihrer Ausübung so genannte Hassprediger agieren beziehungsweise gegen unsere euro­päische Lebensform und unser Modell der offenen Gesellschaft und unser eigenes Rechtssystem agitieren. Solche Missbräuche sind abzustellen und Hassprediger aus­zuweisen.

Das fordern nicht nur wir Freiheitlichen, die dafür früher oft gescholten worden sind, sondern das fordert inzwischen die islamische Glaubensgemeinschaft selbst. Das hat auch mein Vorredner, Kollege Konecny, zu Recht betont.

Deshalb ist es auch so wichtig, den bewährten österreichischen Weg, mit den aner­kannten Religionsgemeinschaften zu kooperieren, weiter zu beschreiten. Gleiches gilt dem gerade von Österreich initiierten und bewusst gepflegten interreligiösen und interkulturellen Dialog mit dem Islam.

Nicht zuletzt ist es die Überzeugung von uns Freiheitlichen, dass sich die Europäische Union keinesfalls in die primär auf militärische Hegemonie und Intervention abzielende Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten, einbeziehen lassen darf.


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All das weiß ich beim neuen Staatssekretär, Herrn Botschafter Hans Winkler, in aller­besten Händen. Auch deshalb begrüße ich ihn in seiner neuen Funktion namens meiner Fraktion und darf ihm vollen Erfolg für sein europapolitisches Wirken unter dem EU-Vorsitz Österreichs wünschen.

Wenn wir all diese von mir aus zeitlichen Gründen nur sehr knapp umrissenen Aspekte in unserer – der inneren wie der äußeren – Sicherheit gewidmeten Politik angemessen berücksichtigen, sind wir gewiss gut beraten. Wir sind natürlich selbst dann keine „Insel der Seligen“ – das heißt, vor jedem vergleichbaren Terroranschlag gefeit –, aber wir tragen damit das uns Mögliche dazu bei, dem Terror, sei er nun politisch oder sei er religiös motiviert, keinen Nährboden zu bieten, und ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das offensichtlich vollkommen parteiübergreifend im gemeinsamen Zusammenwirken pflegen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.29.26

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Winkler, gleich zu Beginn – wir haben es ja auch öffentlich hinreichend und sehr ausführlich gemacht – darf ich Ihnen ganz herzlich zu Ihrer Ernennung gratulieren. Ich glaube, dass es ein richtiger Schritt war, gerade für diese wichtige EU-Präsidentschaft auch mit Ihnen persönlich ein Staatssekretariat zu besetzen und hier einfach zusätzliche Kapazitäten anzubieten. Unabhängig davon, ob man jetzt Opposition oder Regierung ist, eines wollen wir gemeinsam: dass wir eine ordentliche EU-Präsidentschaft leisten und zu leisten in der Lage sind und dass auch die Themen, die auf Österreich zukommen, wie etwa der Europa-Lateinamerika-Gipfel, aber auch das Thema Wissenschaft – das ist ja auch ein sehr wichtiges Thema dieser Präsidentschaft – zufriedenstellend und erfolg­reich abgewickelt werden. In diesem Sinne viel Erfolg in Ihrer Tätigkeit! Unsere Unter­stützung haben Sie mit Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Nach den entsetzlichen Ereignissen in London stellt sich natürlich die Frage, was und wer ist das nächste Ziel in Europa. Und es wird nächste Ziele geben. Unsere Gesellschaft ist angreifbar, unsere Kommunikationsstruktur, un­sere Form des Lebens ist angreifbar. Aber, Herr Kollege Kühnel, es geht da nicht um Soldaten und Zivilisten. Terrorismus ist kein Krieg, Terrorismus ist auch keine Fort­setzung von Krieg und kommt auch nicht irgendwo in die Nähe von Krieg (Bundesrat Dr. Kühnel: Da habe ich eine ganz andere Auffassung!), sondern Terrorismus ist nackte Kriminalität – und nichts anderes! (Bundesrat Dr. Kühnel: Es ist eine asym­metrische Bedrohung!) Vor allem ist Terrorismus nicht kriegerisch zu bekämpfen. Das ist der falsche Weg, zu glauben, da geht es um Kräfte, die man kriegerisch bekämpfen kann. Terrorismus kann man nur austrocknen: austrocknen in seinem Bildungs- und Anwerbungsbereich, austrocknen aber auch bei den ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Da trennen uns die Auffassungen!) – Schauen Sie, Sie haben jetzt Zeit gehabt, ich habe Zeit gehabt. Lieber Herr Kollege Kühnel, Sie kommen vom Militär und versuchen halt, den Terrorismus militärisch zu bekämpfen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich habe nicht gesagt, militärisch bekämpfen!)

Genauso ist es die völlig falsche Politik der Amerikaner zu glauben: Wir sind die Cowboys, wir überfallen jetzt das eine oder das andere Land und damit bekämpfen wir den Terrorismus. – Mitnichten! Die Gewaltspirale des Terrorismus wird sich durch jede Form des militärischen Bekämpfens weiter entwickeln und weiter verfeinern. Das


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müssen wir sehen. Wir müssen die Financiers des Terrorismus austrocknen. Dazu bedarf es mehr Möglichkeiten, als wir sie bisher haben.

Zweitens: Ich halte überhaupt nichts von der Ideenwelt eines Samuel Huntington mit seinem Buch „The Clash of Civilizations“, der nun einige verfallen sind. Das scheint mittlerweile irgendwo die Grundlage zu sein, dass die Ost-West-Konfrontation in eine christlich-islamische Konfrontation mutiert sei. – Das ist Schwachsinn! Das ist nicht der Fall!

Tatsache ist, dass wir islamische Gesellschaften in Europa, in den USA, wo auch immer haben und dass es kein Gegensatz der christlichen oder der islamischen Welt zueinander ist. Aber Tatsache ist, dass es Traumatisierungen gibt, Traumatisierungen in der islamischen Welt durch ein Grundübel, und auch wir haben es erst durch die Bildung der Europäischen Union geschafft, dieses Grundübel, nämlich den Nationalis­mus, endlich zu besiegen. Aber als ich heute dem Landeshauptmann von Kärnten zugehört habe, habe ich mir gedacht, wir sind schon wieder in den Nationalismus zurückgefallen. – Das heißt, gerade diese Wurzeln des Nationalismus bilden diesen Nährboden.

Es ist wichtig für uns, gerade dort, wo wir multi-ethnische Kleinode haben, nach wie vor eine ganz aktive Politik zu betreiben, zum Beispiel was Bosnien, aber auch was den Kosovo betrifft. Da kann Europa zeigen, wie integrationsfähig es ist, und da schaffen wir es, genau dieses Gedankenbild eines amerikanischen Pseudowissenschaftlers, wie es Huntington ist, Lügen zu strafen.

Für mich ist es umso bitterer, dass diese gesamte Diskussion um den Beitritt der Türkei auf dieser Ebene geführt wird – ohne zu sehen, welche historische Chance ein Beitritt der Türkei in der Überwindung dieser unsäglichen Diskussion wäre, dass es einen Gegensatz zwischen der christlichen und der islamischen Religion gebe. – Keine anderen Religionen stehen einander näher als diese beiden Religionen. Sie haben zum Teil sogar dieselben Heiligen, und sie fußen zum Teil auf denselben Mythen, wenn man das einmal so sagen will, auf denselben Interpretationen. Gerade deshalb scheint mir ein viel weniger aufgeregter, ein viel weniger ängstlicher Umgang mit der Bewerbung der Türkei ganz, ganz wichtig.

Das dient der Austrocknung des Terrorismus, das dient dazu, endlich die Financiers des Terrorismus nach vorne zu holen. Die Milliarden von Dollar, die zur Finanzierung des Terrorismus notwendig sind, liegen auf unseren Banken, liegen im internationalen Finanzgeschäft. Da gilt es, aktiv anzusetzen.

Lieber Herr Kollege Kühnel, es geht nicht darum – so schrecklich jegliches Attentat ist –, denn das Hauptziel all dieser Attentate ist die liberale und offene Gesell­schafts­ordnung. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das habe ich gesagt!) Genau die Reaktion, die wir setzen, die immer wieder in diesen Forderungen im Kampf gegen Terrorismus zum Ausdruck kommt, bewirkt, dass wir eigentlich die Ziele des Terrorismus erfüllen, indem wir unsere liberale Gesellschaftsordnung und unsere Bürgerrechte einschränken, ein­schränken, einschränken – und das mit dem Hinweis: Wir bekämpfen den Terrorismus! Genau da schafft der Terrorismus systematisch jene Veränderung einer Gesellschaft, die er sich letztlich zum Ziel gesetzt hat.

Lieber Kollege Kühnel, ich würde Sie einfach bitten, verwenden Sie für Staaten, die sich in der UNO befinden, nicht die Definition der Amerikaner, die einige als „Schurken-Staaten“ bezeichnen. Das ist Reagan und Bush. Ich glaube, wir haben es nicht notwendig, von „Schurken-Staaten“ zu sprechen. Das ist amerikanische Kriegsrhetorik und Cowboy-Mentalität. Ich kenne keine „Schurken-Staaten“, sondern Staaten, in denen sich Menschen bemühen, demokratische Ordnungen zu erstellen, in denen es innere Diskussionen gibt, in denen es innere Spannungen gibt, aber ich kenne keinen


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einzigen „Schurken-Staat“, außer dass die Amerikaner irgendwelche Staaten als „Schurken-Staat“ benennen, weil sie irgendwelche wirtschaftlichen Interessen dahinter haben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Letzte: Wir sind alle dafür, dass der Terrorismus ausgetrocknet und auch bekämpft wird, aber eines darf man auf keinen Fall: Terrorismus mit Unrecht vergelten. Das darf man nicht. Guantanamo ist eines der schlimmsten Unrechtskapitel, die es derzeit auf dieser Welt gibt. Menschen unter den Umständen wie in Guantanamo einfach festzuhalten, ist für eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft, die ein Rechts­system hat, ein dermaßen krasses Unrecht, das in sich wiederum Reaktionen im­pliziert.

Und letztlich – es hat auch Herr Professor Konecny von den Traumatisierungen in der Geschichte gesprochen –: Ohne eine Lösung der Palästina-Frage werden wir zu keiner wirklichen Austrocknung und zu keiner wirklichen politischen wie emotionalen Lösung kommen. Das heißt, die Palästina-Frage muss gelöst werden, die Türkei-Frage muss gelöst werden und letztlich auch die Integration des ganzen Gebietes, das wir als Südosteuropa oder – wie man es dort gar nicht gerne hört – als „Balkan“ bezeichnen.

Wenn wir diese Lückenschlüsse haben, dann schaffen wir damit ein so viel Mehr an Sicherheit in Europa als mit anderen Mitteln. Aber dazu bedarf es auch von uns des Brückenbaues, des Muts – und nicht der Überlegung, dass wir unsere Grundrechte und unsere Menschenrechte Schritt für Schritt eindämmen, womit wir eigentlich zu nützlichen und dummen Handlangern des Terrorismus werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.39


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen keine weiteren Wortmeldun­gen vor. – Doch. Bitte, Herr Kollege Kühnel. Ist das ein Debattenbeitrag oder eine tatsächliche Berichtigung? (Bundesrat Dr. Kühnel – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ein Debattenbeitrag!) Gut.

 


12.40.00

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Frau Bundesministerin! Was Kollege Schennach gerade gesagt hat, kann nicht so einfach im Raum stehen bleiben. Ich möchte daher ganz kurz auf Folgendes eingehen:

Es gibt die so genannte Solana-Doktrin, in der von den asymmetrischen Bedrohun­gen Europas gesprochen wird; darunter versteht man im Fachjargon den Terrorismus. In der Solana-Doktrin sind die verschiedenen Stufen der, wenn man es so nennen will, Eskalation oder auch verschiedene Maßnahmen, die gesetzt werden sollen, aufge­zeigt. Selbstverständlich erwähnt sind wirtschaftliche Maßnahmen, diplomatische Maß­nahmen, aber sollten diese aus irgendeinem Grund nicht ausreichen, dann ist es doch notwendig, Herr Kollege Schennach, unter Umständen zu militärischen Mitteln zu greifen. – Das zum Ersten.

Zweitens darf ich in Erinnerung rufen, dass am 11. September 2001 doch nicht die Amerikaner angegriffen haben! Soweit ich mich erinnern kann, sind in New York, aber auch in Washington verschiedene Gebäude von der Al Quaida – und das ist ziemlich sicher! – angegriffen worden. Tatsache ist auch, dass die Regierung Bush damals ein Ultimatum an Afghanistan gerichtet hat – man hat gewusst, dass Osama bin Laden dort tätig ist –, ihn auszuliefern. Dies wurde vom Taliban-Regime abgelehnt – und dann ist es zum Angriff auf Afghanistan gekommen.

Jetzt zu sagen, der Terror sei keine kriegerische Maßnahme, also bitte! Wenn es 3 500 Tote im World Trade Center gibt, was ist denn das dann? Ist das ein Erdbeben?


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Ist das eine Naturkatastrophe? – Das ist ein rein kriegerischer Akt mit unschuldigen Opfern, die eben leider im World Trade Center gearbeitet haben. Sie hatten keine Wahl. (Bundesrat Schennach: Das ist Massenmord!) Massenmord, der unter Um­ständen mit militärischen Mitteln bekämpft werden muss. Diplomatische Maßnahmen haben nicht geholfen, und wirtschaftliche Maßnahmen in einem so armen Land wie Afghanistan stehen nicht wirklich zur Diskussion.

12.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es dazu weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Daher ist die Debatte jetzt geschlossen.

12.42.103. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bun­desgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinder­betreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden sowie das Fremdengesetz 1997 aufgehoben wird (Fremdenrechtspaket 2005) (952 d.B. und 1055 d.B. sowie 7338/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Haller übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


12.42.25

Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremden­polizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bun­desbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unab­hängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfah­rens­gesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsge­setz 1972 geändert werden sowie das Fremdengesetz 1997 aufgehoben wird (Frem­denrechtspaket 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher darf ich gleich zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen.

 



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12.43.47

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Gäste! Wenn man sich diese Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 durchliest, könnte man annehmen, dass bei den Regierungsparteien und bedauerlicherweise auch zum Teil bei der SPÖ tatsächlich die Meinung vorherrscht, dass ungerechtfertigt eingebrachte Asylanträge nicht die Ausnahme in diesem unserem Land, sondern die Regel sind und dass sich überwiegend Ausländer/Ausländerinnen in Österreich aufhalten oder nach Österreich kommen wollen, die potentielle Kriminelle, potentielle Rechtsbrecher sind und nichts anderes im Kopf hätten als Missbrauch der Rechte und Standards in Österreich.

Dieses Fremdenrechtspaket stellt de facto eine weitere Verpolizeilichung des Asyl­wesens und des Asylverfahrens dar. Es gibt viele Punkte, die zu kritisieren sind, die der Rechtstaatlichkeit unserer Republik und den humanitären Grundwerten unserer Gesellschaft widersprechen und daher in aller Schärfe zurückzuweisen und abzu­lehnen sind.

Zunächst einmal geht es um die Abschaffung der Schutzbestimmung für Traumatisierte und Folteropfer. Auch amnesty international hält in ihrer Stellungnahme dazu fest, dass die jetzige Vorlage ein de facto inhaltsleeres Feigenblatt ist. Die Ausweitung der Schubhaft auf AsylwerberInnen in diesem Ausmaß, wie es jetzt vorgesehen ist, Frau Ministerin, ist eine Vorgangsweise, die Haftanstalten als – unter Anführungszeichen – „normale Aufenthaltsorte“ für Flüchtlinge legitimiert. (Beifall bei den Grünen.)

Die gesetzliche Verankerung von Zwangsbehandlung, Zwangsernährung ist einer jener Punkte, die in den Medien häufig thematisiert wurden. Die Möglichkeit der Zwangs­ernährung ist schon im Strafrecht eine grundrechtliche Gratwanderung. Die Anwen­dung dieser Regelung auch bei Menschen, die zur Sicherung eines Verwaltungs­verfahrens angehalten werden, ist grundrechtlich höchst problematisch und daher abzulehnen.

Zur Datenschutzproblematik ist zu sagen: Die Sammlung von umfassenden Daten­materialien in jeglicher Hinsicht widerspricht dem Datenschutzgesetz, der Datenschutz­konvention des Europarates sowie der Datenschutzrichtlinie.

Derartige Kritikpunkte häufen sich in dieser Regierungsvorlage. Einer ist ein sehr pragmatischer, nämlich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylwerbern. Es ist vorgeschrieben, dass sie sich 20 Tage lang nur im jeweiligen Verwaltungsbezirk aufhalten dürfen. Stellen Sie sich das bitte einmal praktisch vor! Ich bringe dazu ein Beispiel aus Oberösterreich: Wenn jemand in Linz als Asylwerber lebt und in das an den Stadtrand angrenzende Shopping-Center, in die „Blue City“, fährt, dann befindet er sich bereits in Linz-Land. Man benützt dieselbe Buslinie, die auch in Linz unterwegs ist, und ich meine, dass selbst jemand, der aus Oberösterreich stammt, der in Ober­österreich geboren ist, nicht weiß, dass es sich dort bereits um den Bezirk Linz-Land handelt und nicht mehr um den Bezirk Linz. (Bundesrat Mayer: Das ist eine Über­raschung!) – Diese Maßnahme, Frau Ministerin, ist eine Vorgangsweise, die einem Entzug der Bewegungsfreiheit sehr nahe kommt.

Nächstes Beispiel: Verlängerung der Schubhaft von sechs auf zehn Monate.

All das sind Maßnahmen, die gesetzt wurden, um zu verschärfen, um zu polarisieren in unserem Land. Ich frage, auf wessen Kosten? Wenn von Asylmissbrauch die Rede ist, dann ist auch die Frage, welche Politiker/welche Politikerinnen missbrauchen dieses Gesetz, um Stimmung zu machen, um Stimmen zu machen? (Bundesrat Mayer: Der Van der Bellen hat ja auch von Missbrauch ...!) Den es durchaus gibt, aber in dieser Form ist es eine rechtliche Zuwiderhandlung gegen Menschen, die Asyl suchen.


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Kollege Mayer, Menschen, die Asyl suchen und um Asyl werben, grundsätzlich als potentielle Kriminelle zu behandeln, ist eine Vorgangsweise ... (Bundesrat Mayer: Das behauptet niemand!) – Ja, aber die Inhalte dieser Reform stellen das de facto so dar. Kollege Mayer, wer verlässt freiwillig seine Heimat? Es gibt immer bestimmte wichtige Gründe dafür, dass das geschieht. Und dann in ein Land zu kommen, das Menschen in dieser Art und Weise behandelt, ist tatsächlich widerlich. (Bundesrat Mayer: Wieso haben wir dann die höchste Quote in Europa?)

Kollege Mayer, schau dir doch einmal die Zahlen genau an und du wirst sehen, dass das so nicht stimmt! Das ist auch vollkommen klar: Betrachte nur die geopolitische Lage! Ein Großteil der Asylwerber will ja gar nicht in unserem Land bleiben. Wir haben eine spezifische Stellung, weil wir eine Schengen-Grenze haben, und da geht auch der Weg weiter.

Der nächste Punkt ist dieser Widerspruch in Bezug auf die Handlungsfähigkeit von Minderjährigen im Asyl- und im Fremdenpolizeigesetz. Im Fremdenpolizeigesetz ist die Handlungsfähigkeit mit 16 Jahren festgelegt. Wobei ich schon dazusagen muss, man soll mir doch einmal einen 16-Jährigen zeigen, der rechtskundig ist, wenn er in ein fremdes Land kommt, der der Landessprache kundig und voll handlungsfähig ist. Im Asylgesetz hat man die Handlungsfähigkeit bei 18 Jahren, mit Erreichen der Volljährigkeit, belassen.

Der letzte Punkt, auf den ich jetzt eingehen möchte, ist in der Öffentlichkeit kaum zu Tage getreten und diskutiert worden, nämlich das Thema der zweiten Generation und des Ausweisungsschutzes. Das ist ein Punkt, den ich für schwerst bedenklich halte und der mich persönlich sehr betroffen macht.

Ich erinnere daran – und jetzt auch ein Stück weit der Appell an die sozial­demo­kratische Fraktion –: Es war im Jahre 1995, als der damalige Innenminister Caspar Einem Folgendes vorgeschlagen hat: zum einen die Aufenthaltsverfestigung für Zuwanderer und zum anderen – das Wesentlichere – einen absoluten Ausweisungs­schutz für in unserem Land aufgewachsene Kinder. – Das halte ich für eine ganz wichtige und zentrale Errungenschaft, die Caspar Einem anno dazumal durchgesetzt hat.

Genau dieser absolute Ausweisungsschutz wird jetzt aufgehoben. Ich denke, das ist ein Punkt, wo jeder Mensch mit Herz, mit Verständnis für Menschenrechte, mit Ver­ständnis für Kinder und Jugendliche sagen muss: Das geht so nicht! Selbstverständlich können auch schon in diesem Land aufgewachsene Jugendliche ein Verbrechen begehen, das dazu führt, dass sie zwei Jahre in den Strafvollzug müssen. Aber ist es tatsächlich gerechtfertigt, sie auf Grund dessen in ein Land abzuschieben, aus dem zwar ihre Eltern kommen, das sie selbst aber unter Umständen überhaupt nicht ken­nen, dessen Landessprache sie nicht kennen? – Das ist eine Frage des Umgangs. Was heißt das dann in Bezug auf die Resozialisierung eines solchen Jugendlichen? Er ist hier aufgewachsen, hat hier seine Freunde, seine Schule – und soll abgeschoben werden?! – Das kann es doch nicht sein!

Ich halte diesen Bereich für eine der massivst problematischen Passagen in diesem Fremdenpaket 2005. Ich meine, man muss daher auch generell darüber nachdenken: Wie steht es denn um Kinder, die hier geboren, die hier aufgewachsen sind? Wir haben noch immer das Abstammungsprinzip und nicht das Territorialprinzip, wie es viele andere Länder haben – USA, Kanada, Australien und so weiter –, und insofern gilt es, die Aufhebung dieses absoluten Ausweisungsschutzes abzulehnen und klare Schritte für ein faires, für ein menschengerechtes Asylrecht zu setzen.

Wir haben europäische Asylwerber in vielen Epochen der letzten Jahrhunderte gehabt. Einstein, Brecht, Mann, Tucholsky, Frank, Dietrich, wie sie auch alle heißen, waren


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betroffen von politischer Verfolgung. Sie gingen ins Asyl, um Schlimmerem, nämlich der Androhung von Mord, zu entfliehen. – Anders geht es auch den Asylwerbern, die zu uns kommen, nicht, und manche fliehen vor wirtschaftlichen Notständen. Aber in jedem Fall den Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu verwenden, ist meiner Meinung nach nicht korrekt. Es gibt auch so genannte Armutsflüchtlinge.

Ist es nicht verständlich, wenn zu Hause Elend, Not und Hunger herrschen, dass die Menschen sich bewegen, um ein Land zu suchen mit einer besseren Infrastruktur, mit der Aussicht, überleben zu können, für sich und ihre Kinder sorgen zu können? – Eben diesen Menschen sollten wir das bieten, was Asyl, übersetzt aus dem Lateinischen, Griechischen, bedeutet, nämlich eine Zufluchtsstätte, und wir sollten ihnen auch ein faires Verfahren ermöglichen.

In der nun vorliegenden Form wird dieses Fremdenrechtspaket dem in keinster Weise gerecht, Frau Ministerin, und daher werden wir Grünen es ablehnen. (Beifall bei den Grünen.)

12.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Wimmler. – Bitte.

 


12.55.17

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Innenministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die hier zu behan­delnden Änderungen im Asyl- und Fremdenpolizeigesetz sowie im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz haben im Parlament eine breite Mehrheit gefunden – und das ist gut so, denn genau so empfinden die Menschen in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP.)

Es müssen Ängste verkleinert werden, das Gefühl von mehr Sicherheit gegeben und Asylwerber und Migranten akzeptiert werden. Dazu bedarf es vor allem in den Kommunen einer umfassenden Aufklärung, eines Miteinanders mit den dort wohnen­den Menschen und eben dieser Kontrolle und der menschlichen Vollziehung dieser Gesetze. Das Asylgesetz soll schutzbedürftigen Menschen aus anderen Ländern den nötigen Schutz gewähren, aber es soll für jene, die mit Asyl Missbrauch betreiben, eine klare Absage sein.

Dass Österreich das Asylland Nummer 1 ist, beweist, dass seit 1945 700 000 in Öster­reich geblieben sind – das ist ein Dritter aller zu uns geflüchteten Menschen. Voraus­setzung bei all diesen Überlegungen: dass Österreich den Verpflichtungen als Asylland nachkommt, aber Missständen einen Riegel vorschiebt.

Durch die im Gesetz festgelegten Verfahrensbeschleunigungen wird dieses Asylgesetz menschlicher.

Dieses Gesetz ist mit Fachleuten, Politikern und den entsprechenden Organisationen breit diskutiert und Änderungen und Vorschläge von allen Seiten sind mit eingebracht worden. – Dafür mein persönlicher Dank an all jene, die dazu beigetragen haben!

Es ist auf internationalen Standard gebracht und hält verfassungsrechtlich stand. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Na, das werden wir schauen!)

Die Hilfsbereitschaft unseres Landes darf aber nicht ausgenützt werden, und Krimi­nelle, Schlepperbanden, Menschen in Scheinehen und Menschen in Scheinadoptionen müssen wissen, dass durch das Fremdenrechtsgesetz strengere Strafen zu erwarten sind.

Wichtig ist daher meiner Überzeugung nach auch ein Punkt, und das ist der Dul­dungsbereich bei Gebietsbeschränkungen, festgelegten Zonen, in der sich der Asyl-


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werber aufzuhalten hat – dies deswegen, weil es dann leichter ist, zum Beispiel Post oder andere amtliche Schriftstücke zustellen zu können. Es geht nicht an, dass zum Beispiel Asylwerber einmal im Monat dort anwesend sein müssen und die andere Zeit irgendwo schwarz arbeiten – so geschehen in meinem Heimatbezirk.

Angesichts Tausender untergetauchter Asylwerber ist der zum Gesetz werdende Dul­dungsbereich ein wichtiger Meilenstein in unserem neuen Asylgesetz.

Im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geht es um die in Österreich lebenden Migranten und deren Integration. Mit viel Steuergeldern – aber es lohnt sich! – wird für diese Gruppe bestens gesorgt.

Im Integrationshaus zum Beispiel in meiner Heimatgemeinde werden derzeit 124, ab nächstem Dienstag 154 zugewiesene Menschen betreut, davon 78 Kinder. Unter der fachlichen und personellen Leitung durch Mitarbeiter des Österreichischen Integra­tionsfonds ist das Zusammenleben mit der dort ansässigen Bevölkerung gewährleistet, und Zivildiener finden ein interessantes Betätigungsfeld. Es werden erweiterte Deutschkurse angeboten, um den Bewohnern die Bewerbung für Arbeit und Wohnung zu erleichtern, und neben den vielen Schulkindern – aufgeteilt auf mehrere Schulen in unserer Stadt; dieser Klassenzuwachs beugt auch einer eventuellen Schließung der einen oder anderen Schule vor – werden die Kleinsten im Hause betreut. So ist es den Frauen vormittags möglich, an Deutschkursen, die im Besonderen auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, teilzunehmen.

Dazu gehört aber auch das Zusammenleben verschiedener Volksgruppen, dass sie gut ausgesucht sind, um nicht Hass zu schüren, sondern eher beruhigend zu wirken. Ohne auf die Identität ihres Heimatlandes zu verzichten, werden sie mit unserer Kultur vertraut gemacht.

Dieses Haus ist wirklich gut geführt, das habe ich schon gesagt, durch den Verein, und die Menschen in der Umgebung haben ihre Angst verloren. Es hat zuerst Unter­schriftenaktionen gegeben, weil die Menschen Angst hatten, was da alles passieren könne, nun aber haben sie gelernt, gemeinsam mit diesen Menschen zu leben. Am „Tag der offenen Tür“ sind sie sogar dabei gewesen – es hat natürlich auch einige gegeben, die hinter dem Vorhang hervorgeschaut haben. So, denke ich, soll Inte­gration geschehen, und das ist auch möglich.

Die Zukunft wird zeigen, ob beziehungsweise woher weitere Menschen zu uns kom­men. Vielleicht muss das Asyl- und Fremdenrechtsgesetz dann an neue Gegeben­heiten angepasst werden. Unsere Frau Innenministerin ist aber Garant dafür, dass durch eine breite Diskussion und das Einbeziehen vieler Anregungen eine Nachjus­tierung möglich sein wird. Durch die Einsicht aller Parlamentarier, hoffe ich, wird es dann zu einem gemeinsam getragenen Gesetz kommen.

Ich danke Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Prokop, für die gute Qualität der Ver­handlungen und für das Zustandekommen dieses Gesetzes.

Meine Fraktion wird dem gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

13.02


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.02.07

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Wimmler, ich weiß nicht, mit wem Sie diese Rede besprochen haben, aber der, der Sie da beraten hat, muss ein gren-


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zenloser Zyniker gewesen sein, denn Sie haben gesagt, mit diesem Asylgesetz werde es „menschlicher“. Das würde wahrscheinlich nicht einmal die Frau Innenminister behaupten. Ich muss also wirklich sagen, da hat Sie ein Zyniker beraten, mit Sicherheit niemand, der es gut gemeint hat.

Wenn Sie die katholisch inspirierten „Salzburger Nachrichten“ lesen, werden Sie mehr­mals feststellen, dass dem in den Medien deutlich Ausdruck verliehen wurde.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben diese Debatte ein bisschen angeheizt und versucht, die SPÖ ins Boot zu bringen, indem Sie gesagt haben: 1 072 Schub­häftlinge pressen sich jährlich durch Hungerstreik frei. Mittlerweile höre ich, dass man überall von dieser Zahl Abstand nimmt, aber es ist schon interessant, wie im Vorfeld eines Gesetzes Stimmung gemacht wird. 1 072 – jetzt werden es vielleicht nicht einmal mehr 500 sein, aber es wurde mit ziemlich starkem Getöse diese Zahl genannt. Woher Sie sie haben, weiß ich nicht, sollten Sie sich historisch gerade mit dieser Zahl befassen, nämlich mit dem Jahr 1072, so könnte man das natürlich auch mit Asyl in Verbindung bringen, weil damals zum Beispiel die Normannen gerade das arabische Palermo erobert haben oder die türkischen Seldschuken Jerusalem. Es hat ein bisschen einen Zusammenhang, es sind damals sicher Menschen geflohen, aber wohin und welche Asylrechte sie hatten, weiß ich nicht.

Diese Zahl, 1 072, ist nämlich so präzise. Es wurde nicht gesagt, zirka 1 000, nein, 1072. Von den 1 072 bleibt irgendwie nicht viel übrig, es werden vielleicht 500 oder sogar ein bisschen weniger sein. Aber gut, diese Zahl ist genannt, und man hat auch Stimmung damit gemacht.

Klar ist: Seit den neunziger Jahren wird das Asylgesetz verschärft, verschärft, ver­schärft – und es drängen immer mehr Asylsuchende nach. Die Behörden und auch die Politik sind jedoch hilflos in dieser Sache.

38 000 Akten hat man Rückstand – und jetzt, ausgerechnet jetzt, verschärft man das Gesetz, obwohl erstmals die Zahl der Asylsuchenden rückläufig ist. Warum muss man das Gesetz jetzt verschärfen, wo doch die Zahl rückläufig ist?

Das Innenministerium sagt, wahrscheinlich Richtung SPÖ: Die Zwangsernährung soll ja nur Potentielle abschrecken; Schubhaft wird weiterhin nur restriktiv verhängt; Traumatisierte kommen überhaupt nicht in Schubhaft! – Und warum macht man das dann?

Man hätte ja einfach eine Novelle machen und sagen können: Wir brauchen 89 Beamte mehr – oder wie viele Beamte mehr?, das war ja im Ausschuss auch nicht ganz klar –, um diese 38 000 Verfahren abzuwickeln. Aber dann bräuchte man ja all diese Dinge mit Zwangsernährung und so weiter nicht. Die Zwangsernährung hat ja einen relativ starken Schleier über alle Verschlechterungen gelegt, die auch erfolgen. Dass Asylwerber nun praktisch sofort hinter Gitter kommen, wenn Italien, Ungarn, Malta oder wer auch immer zuständig ist, ist eine wirklich problematische Sache. Es können dann nämlich Monate vergehen, bis jenes Land, das zuständig ist – Ungarn, Polen, Malta oder Zypern –, die Überstellung durchführt. Im Hintergrund sind also die Verschärfungen – und wenn all das „menschlich“ ist, Frau Wimmler, dann ist das meiner Meinung nach Sarkasmus zum Quadrat.

Das heißt, das Innenressort beschwichtigt in jedem der Punkte und sagt: Wir brauchen das nicht. Das einzige, das wir brauchen, sind Beamte. – In Wirklichkeit beschließen wir jedoch ein Gesetz, hinsichtlich dessen schon Kollegin Lichtenecker gemeint hat, es sei fraglich, ob es juristisch halte. Mit Sicherheit haben da keine NGOs in produktiver Art und Weise mitwirken können.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich warne Sie: Sie könnten heute im Irrtum abstimmen. Sie sind der Meinung – Sie sagen das immer öffentlich –, dass es mit diesem Gesetz keine Zwangsernährung gibt – es gibt sie; das wurde auch im Ausschuss klar und eindeutig festgehalten. Glauben Sie also nicht, dass Sie heute einer Gesetzesvorlage zustimmen, in dem keine Zwangsernährungsmaßnahmen vor­gesehen sind. Es wäre für Sie eine Abstimmung im Irrtum.

In diesem Sinne möchte ich Sie ersuchen, Ihre Position doch noch einmal zu überlegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.07


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


13.07.25

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich selbst bin seit fast 20 Jahren mit aktiver Integrationspolitik beschäftigt, und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch ganz konkret in der Praxis. Ende der achtziger Jahre habe ich einige Jahre als Geschäftsführerin in der Familienberatungsstelle des Vereins „VIELE“ gearbeitet; ein Salzburger Verein, der sich die Integration ausländischer Frauen zum Ziel gesetzt hat.

Im Rahmen meiner Tätigkeit für diesen Verein habe ich im Jahre 1991, als der Jugoslawien-Krieg Tausende Flüchtlinge auch nach Österreich verschlagen hat, ein Flüchtlingshaus für Frauen geführt. Ihnen, meine Damen und Herren, heute zu erzählen, was ich dabei erlebt habe, würde bei weitem den zeitlichen Rahmen meiner Rede sprengen.

Auch heute noch bin ich Vorstandsmitglied in diesem Verein und in dieser Tätigkeit mit vielen, sehr vielen Einzelschicksalen vertraut. Sie können mir glauben, ich habe daher mit besonderem Interesse die Entwicklungen und die Diskussionen um dieses Gesetzespaket verfolgt, und ich muss ehrlich zugeben, ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem von den Regie­rungsfraktionen vorgelegten Vorschlag jemals zustimmen würden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute über das so genannte Fremden­rechtspaket sprechen, so dürfen wir nie vergessen, dass wir dabei über Menschen reden und Gesetze verabschieden, die das Leben dieser Menschen in positiver oder in negativer Richtung beeinflussen und ihre Zukunft maßgeblich mitbestimmen.

Die SPÖ steht seit jeher für kontrollierte Zuwanderung und für aktive und positive Integrationspolitik. Das ist auch der Grund dafür, dass sich die SPÖ nach dem ersten Regierungsentwurf massiv in diese Verhandlungen eingeschaltet hat, ging es doch darum, ein Asylgesetz durchzusetzen, das sehr wohl verfassungskonform ist, das der Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht, Asylmiss­brauch verhindert und vor allem das Asylverfahren beschleunigt, jenen aber weiterhin Schutz gewährt, die ihn tatsächlich brauchen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Speed kills!) – Von „speed“ kann da momentan keine Rede sein, bei 38 000 unerledigten Fällen, Kollegin! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ hat es sich wirklich nicht leicht gemacht. Die heute vorliegenden Gesetze sind Kompromisse, und es gibt immer noch Punkte, denen wir lieber nicht zustimmen würden, wie zum Beispiel dem Integrationsteil und einigen anderen Einzelbestimmungen, aber leider gibt es im Bundesrat nicht die Möglichkeit, über einzelne Teile des Gesetzespaketes getrennt abzustimmen, und es gibt Bestimmungen, die wir von der SPÖ so sicher nicht vorgeschlagen hätten.


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Es ist nur natürlich, dass ein solch umfangreiches Paket auch bei jenen, die heute hier ihre Zustimmung geben, Zweifel und Unsicherheit hervorruft, und es ist genauso verständlich, dass es persönliche Gründe und Überzeugungen einzelner Mandatarin­nen und Mandatare nicht zulassen, diesem Fremdenrechtspaket heute die volle Zustimmung zu geben.

Es ist wichtig, all diesen Meinungen mit Wertschätzung zu begegnen, denn sie sind Ausdruck eines ernsthaften Bemühens um Rechte für Menschen, die sich meist in einer verzweifelten Situation befinden und glauben oder geglaubt haben, dass sie in Österreich ein besseres Leben finden als in ihrer Heimat, woher auch immer sie kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die harten Verhandlungen der SPÖ haben ein Ergebnis gebracht, das in vielen Punkten durch diese Bemühungen der SPÖ ver­bessert wurde, weshalb das Gesamtpaket als positiv zu beurteilen ist. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wo zum Beispiel?)

Wir gehen allerdings davon aus, dass an diesem Paket, Frau Ministerin, im Nachhinein von Ihrer Seite und von Seiten der Regierungsparteien nichts mehr verändert wird, denn das wäre für uns ganz sicher nicht akzeptabel! (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Wo ist denn da eine Verbesserung?) – Frau Kollegin, ich komme in diesem Augenblick zu einigen konkreten Punkten, die ich Ihnen nun im Einzelnen hier darlegen werde.

Punkt eins: Die Asylverfahren werden beschleunigt. Das Bundesasylamt, also die erste Instanz, soll um etwa 120 Beamte aufgestockt werden. Die SPÖ hat sich außerdem mit ihrer Forderung nach 15 bis 20 zusätzlichen unbefristeten Asylrichtern für die zweite Instanz durchgesetzt. Durch diese bessere personelle Ausstattung werden die Asylverfahren mit Sicherheit rascher abgewickelt. Und das ist wirklich sehr, sehr wichtig, denn bereits nach wenigen Monaten wird den Menschen dann klar sein, ob sie zu Recht in Österreich Schutz suchen und finden oder ob sie dieses Land wieder verlassen müssen.

Darüber hinaus wurde durch einen einstimmig angenommenen Entschließungsantrag die baldige Schaffung eines eigenen Asylgerichtshofes festgelegt. Allein dieser Punkt ist so wichtig, dass sich die Verhandlungen der SPÖ auf jeden Fall ausgezahlt haben.

Ich habe schon darauf hingewiesen: Fast 38 000 Asylanträge sind nicht erledigt, das sind gleichzeitig 38 000 Menschen, die nicht wissen, ob sie in Österreich bleiben können oder nicht, 38 000 Einzelschicksale, deren Zukunft ungewiss ist!

Die beschämenden Diskussionen, die immer wieder stattfinden, wenn es um die Unterbringung dieser Flüchtlinge in Österreich geht, und die Tatsache, dass Flücht­lingshäuser, wie das der Caritas in Salzburg, das ich sehr gut kenne, ständig hoff­nungslos überfüllt sind und Menschen einfach ihrem Schicksal überlassen werden, dürfen und können in diesem Staat nicht mehr länger hingenommen werden!

Punkt zwei: der brisante Punkt Zwangsernährung. Herr Kollege Schennach hat leider den Saal verlassen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber ich richte es ihm gerne aus!), aber trotzdem: Auch wenn er und andere anderes behaupten: Ein Asylwerber kann nicht gegen seinen Willen zwangsernährt werden! Außer Strafgefangenen – und, wie bekannt ist, sind Schubhäftlinge keine Strafgefangenen, Kolleginnen und Kollegen – darf in Österreich weiterhin niemand zwangsernährt werden, auch nicht gegen seinen Willen!

Ich war in derselben Sitzung des Innenausschusses wie Herr Kollege Schennach, und dort ist das ganz klar und deutlich gesagt worden. Die Kolleginnen und Kollegen, die


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ebenfalls dort anwesend waren, werden das bestätigen. (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Das stimmt ja so nicht!)

Hingegen wird die medizinische und psychologische Betreuung von hungerstreikenden Asylwerbern verstärkt werden, und das ist wesentlich wichtiger, dass mit den Men­schen dort etwas geschieht.

Punkt drei: Es gibt keine generelle Abschiebung von traumatisierten Flüchtlingen, auch wenn das jetzt von den Gegnerinnen und Gegnern wieder einmal so dargestellt wird. Durch Ereignisse in ihrem Heimatland und zukünftig auch durch Ereignisse auf der Flucht traumatisierte Flüchtlinge können nämlich nur dann abgeschoben werden, wenn sich dadurch die Traumatisierung nicht verschlechtert – was faktisch unvorstellbar ist. Es ist ja logisch, dass sich die Traumatisierung, wenn ein Traumatisierter sozu­sagen in ein anderes Land zwangsabgeschoben würde, verschlechtern würde. Außer­dem könnte er nur in ein Land abgeschoben werden, in dem die Standards genauso sind wie in Österreich – da schaue ich mir an, wie viele Länder in Europa diese Standards erfüllen.

Also: Es gibt keine generelle Abschiebung von traumatisierten Flüchtlingen.

Punkt vier: Menschenrechte, Datenschutz. In menschenrechtlicher Hinsicht waren für die SPÖ zwei Punkte ganz wichtig. Erstens mussten sämtliche Bedenken des Daten­schutzes ausgeräumt werden. – Das ist unserer Meinung nach geschehen. Zweitens musste sichergestellt werden, dass Anwälte und NGOs Asylwerber weiterhin unein­geschränkt und ungefährdet beraten dürfen. – Auch das konnte die SPÖ in den Verhandlungen sicherstellen. Darüber bin ich auch persönlich sehr froh, da ich aus Erfahrung weiß, wie wichtig für die Betroffenen diese engagierte persönliche Betreuung ist.

Fünfter und letzter Punkt, auf den ich heute hier eingehen möchte: Billigarbeitskräfte, denn auch das ist ein wichtiger Verhandlungserfolg der SPÖ.

Durch das Fremdenrechtspaket sollten aus dem umliegenden Ausland billige Arbeits­kräfte nach Österreich geholt werden können. – Die SPÖ hat das verhindert. Es wird für Staatsbürger aus den EWR-Staaten nicht möglich sein, ihre Arbeit zu Dumping­löhnen in Österreich anzubieten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt noch viele andere Punkte, die durch die Verhandlungen der SPÖ entschärft oder verändert wurden. Sie alle aufzuzählen ist jetzt nicht möglich, aber all diese Ergebnisse zusammen sind der Grund dafür, dass wir trotz einiger verbleibender Bedenken dem Gesamtpaket heute zustimmen.

Die Asylpolitik in Österreich krankte gerade in den letzten Jahren am Unvermögen, in angemessener Zeit zwischen echten Flüchtlingen und wirtschaftlich motivierten Immigranten, zwischen traumatisierten Verfolgungsopfern und durch Schlepper ins Land geschleusten Illegalen zu unterscheiden.

Die heute zur Beschlussfassung anstehenden Gesetze sind zumindest ein wichtiger Schritt, diese Missstände zu beseitigen, und damit wäre viel gewonnen: für die betrof­fenen Ausländerinnen und Ausländer und auch für die Österreicherinnen und Öster-reicher. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Herr Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


13.18.11

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses!


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Das heute zur Beschlussfassung anstehende Fremdenrechtspaket 2005 enthält we­sentliche Neuregelungen zur Steigerung der Effizienz und Treffsicherheit sowie zur Beschleunigung der auf das Asyl- und das Fremdenpolizeirecht bezogenen Ver­fahren – das gewiss ohne Preisgabe rechtsstaatlicher Kautelen und grundrechtlicher Garantien.

In all dem vermag ich daher durchaus auch freiheitliche Handschrift zu erblicken (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker), wofür ich auch unserer Sicherheits­sprecherin Dr. Helene Partik-Pablé ausdrücklich danken möchte. Meine Fraktion wird daher dem Gesamtkomplex dieser Novellen jedenfalls zustimmen.

In welchem Punkt ich allerdings ein echtes Problem erblicke, das mir persönlich diese Zustimmung trotz allem schwer macht, darf ich noch später ausführen.

Unter systematischen Gesichtspunkten sehe ich in der inhaltlichen Abstimmung des Asyl- und des Fremdenpolizeirechts aufeinander einen legistischen Fortschritt, ebenso einen solchen in der sachbedingten inneren Aufgliederung des Fremdengesetzes 1997 in ein Fremdenpolizeigesetz einerseits und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz andererseits.

Am reformierten Asylrecht ist vor allem die Beschleunigung der Verfahren unter Bei­behaltung beziehungsweise sogar Verbesserung der rechtsstaatlichen Rahmenbedin­gungen hervorzuheben. Das gilt insbesondere für die Verkürzung der Asylverfahren von straffälligen Asylwerbern und die gebotene Statuierung von Mitwirkungspflichten, die auch verfahrensrechtlich durchsetzbar sind; auch für die neuen Regelungen zur Sicherung des Verfahrens und die Gewähr, dass sich der Asylwerber nicht dem von ihm selbst initiierten Verfahren entzieht.

Der Straffung des Gesamtverfahrens dienen vornehmlich die Beschleunigung des Zulassungsverfahrens und die Neuordnung des Berufungsverfahrens. Das Neuerungs­verbot wird aus gutem Grund im Prinzip beibehalten, aber im Sinne der Vorgaben des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses verfassungskonform neu gestaltet. Neuerungen sind dann sehr wohl zulässig, wenn die entsprechenden Tatsachen bis zur Ent­scheidung in erster Instanz nicht bekannt waren oder unverschuldet nicht vorgebracht werden konnten.

Ein unverzichtbares Element der Asylrechtsreform bildet unseres Erachtens auch die Sicherung von Dublin-Verfahren. Im Fremdenpolizeirecht erscheinen mir die erstmals begründeten Pflichten von Beförderungsunternehmen, insbesondere im Zusam­men­hang mit der Abschiebung abgewiesener Asylwerber, sehr bedeutsam, ebenso aber auch die Ermächtigung der zuständigen Behörden, Gebietsbeschränkungen für den legalen Aufenthalt zu verfügen, Neuregelungen für die fremdenpolizeiliche Befassung mit Asylwerbern von der Identitätsfeststellung bis hin zur erkennungsdienstlichen Behandlung und die Änderung der Normen über die Schubhaft, insbesondere auch die Eröffnung ihrer längeren Dauer.

In Bezug auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht betone ich dessen erstmalige intra-systematische Abstimmung mit dem Fremdenpolizei- und dem Ausländer­beschäftigungsrecht. Bemerkenswert ist auch die Neugestaltung der Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen. Dem grundsätzlich zu bejahenden Anliegen der Familien­zusammenführung ist eine angemessene Rückführung auf das sachlich Gebotene wie Vertretbare zuteil geworden.

Nicht zuletzt anerkenne ich die erhebliche Verbesserung der neuen Bestimmungen rund um die so genannte Integrationsvereinbarung, wird sie doch künftig nicht mehr ein zahnloser Versuch der Integration sein, der bislang vor allem sozio-kulturell bedingter


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Abhängigkeit von Familienmitgliedern, insbesondere von Frauen, zum Opfer gefallen ist.

In beiden erwähnten Sachbereichen – Asyl- und Fremdenpolizeirecht einerseits und Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht andererseits – geht es beim vorliegenden Gesetzesvorhaben stets auch um die Umsetzung vorgegebener Richtlinien der Euro­päischen Union und die Durchführung von Verordnungen der EU.

Wenn ich einleitend angedeutet habe, dass ich einen Schwachpunkt, richtiger ein rechtsstaatliches Defizit der Neuregelung ausmache, so weise ich abschließend jetzt darauf hin. Meine Kritik bezieht sich, wie auch schon jene mancher Vorredner, auf den Umgang mit Schubhäftlingen in Hungerstreik. Vorweg halte ich fest – das vermochte ich leider auch in meiner eigenen Fraktion nicht ausreichend klarzumachen –, dass ich weder die Intention von Schubhäftlingen, sich freizupressen, noch die resignative Reaktion staatlicher Behörden, dann im Zweifel die Freilassung zu verfügen, billige und daher natürlich nicht propagiere.

Dennoch vertrete ich die menschenrechtlich und rechtsethisch motivierte Rechts­auffassung, dass die so genannte Zwangsernährung keine akzeptable Alternative dar­stellt. Im Klartext: Die gegen den erklärten Willen einer Person, gegebenenfalls sogar gewaltsam erzwungene Nahrungszufuhr ist meines Erachtens selbst unter den Titeln Heilbehandlung, Hilfestellung aus staatlicher Verantwortung und ähnlichen Argumen­ten weder geboten noch vertretbar. Die eigenmächtige Heilbehandlung bildet sogar einen Tatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches und macht Ärzte insofern strafbar. Eine disziplinäre oder zusätzliche Strafmaßnahme kann die Zwangsernährung schon gar nicht sein.

Der Verweis darauf, dass das Strafvollzugsgesetz eine solche Maßnahme im Grenzfall rechtfertigt, besagt für das Verfahren zur Abschiebung gar nichts. In einem reinen Verwaltungsverfahren in Bezug auf einen Schubhäftling, der sich keiner Straftat schuldig gemacht hat, wäre meines Erachtens die Zwangsernährung anders als im Strafverfahren eine überzogene, das heißt dem verfassungsrechtlichen Verhältnis­mäßigkeitsprinzip zuwiderlaufende Maßnahme.

Das sieht Professor Matscher, ehemaliger Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und heutiger Rechtsschutzbeauftragter des Bundesministeriums für Inneres, ebenso.

Wenn es nun die polizeilichen Dienststellen nach wie vor ablehnen – auch mangels geeigneter Einrichtungen, Lokalitäten und Personals –, diese Ultima Ratio anzu­wenden, und solche suizidgefährdeten Schubhäftlinge an Strafanstalten überstellen, so erscheint mir das als Etikettenschwindel, und zwar in mehrfacher Hinsicht: zum einen, weil das Innenministerium damit die Verantwortung auf das Justizministerium verlagert, zum anderen deshalb, weil es zwar zutrifft, dass Justizanstalten für eine solche ärztliche Betreuung besser ausgestattet sind und es sich nach dem Strafvoll­zugsgesetz bei der Zwangsernährung um eine danach zulässige Maßnahme handelt, es aber allein durch die Überstellung von der einen Anstalt an die andere um keine Änderung des Verfahrensgegenstandes und des Verfahrensziels geht. Mit anderen Worten: Aus einem Abschiebungsverfahren, aus einem Verwaltungsverfahren wird auch dadurch kein Strafverfahren.

Rechtstatsächlich und empirisch mag es ferner zutreffen, dass Häftlinge in Straf­anstalten anders als Schubhäftlinge keine Chance erkennen, sich solcherart freizu­pressen. Aber wird das auch künftig noch zutreffen, wenn nicht straffällig gewordene Schubhäftlinge in Strafanstalten überwiesen werden?


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Wertet man aber all das bloß als präventive Regelung, um den Ernstfall gerade zu vermeiden – das hoffe ich –, so stellt sich schon auch die Frage, ob dieses rechts­politische Ziel nicht auch verfassungs- und menschenrechtskonform erreichbar wäre, etwa durch ausreichende ärztliche und psychologische Betreuung und durch Ver­mei­dung von isolierender Einzelhaft. Im Verbund mit nicht hungerstreikenden Mithäft­lingen und guter Verpflegung lässt sich die Gefahr suizidgefährdeter einzelner Schub­häftlinge wenn schon nicht ausschließen, so doch wohl zweifellos erheblich reduzieren.

Was ist mein Resümee zum letzten Punkt? Mit den Kollegen von der Sozialdemo­kratischen Partei, die ja sonst dieser Vorlage zweifellos nicht zustimmen würden, gehe ich daher davon aus, das Gesetz ist so auslegbar, dass es auf Grund der Neuregelung zu keiner menschenrechts- und insofern auch verfassungswidrigen Maßnahme kommen kann und wird. Unter dieser Voraussetzung – ich betone: nur unter ihr – stimme ich daher ebenso wie meine Fraktion dem vorliegenden Gesetzesvorhaben zu. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Prokop. – Bitte.

 


13.27.22

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich darf ganz kurz auf ein paar Punkte eingehen und vor allem auch grundsätzlich noch einmal zu diesem Fremdenrechtspaket einige Worte sagen.

Als ich am 22. Dezember 2004 angelobt wurde, habe ich damals zwei Schwerpunkte definiert, die die Arbeit in dieser Legislaturperiode und besonders in diesem Jahr deutlich kennzeichnen werden. Das war zum einen die Schaffung einer modernen einheitlichen Polizei und zum anderen ein wirkungsvolles und zugleich menschlicheres und menschliches Asylsystem, eingebettet in entsprechende fremdenrechtliche Rah­men.

Ich hoffe, dass wir das, was nunmehr Gesetz wird, was wir auf breiter Basis erarbeitet haben, auch tatsächlich so umsetzen können, wie es gedacht und erarbeitet wurde. Seit 1. Juli 2005 haben wir eine neue Polizei. Es ist uns somit gelungen, die größte Modernisierung der Exekutive in der Geschichte durchzuziehen. Nunmehr befinden sich das neue Asylgesetz, das neue Fremdenpolizeigesetz, das neue Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz in der Enddiskussionsphase.

Diese Gesetzeswerke sind nicht im stillen Kämmerlein entstanden, sondern es hat eine breite Diskussion stattgefunden. Sie sind auch kein theoretisches Konzept; wir haben es auch heute in den Redebeiträgen gehört.

Wir haben die bestehenden Abläufe in allen Bereichen des Vollzugs analysiert. Wir haben eine ganze Zahl von Praktikern, auch aus den NGOs, mit ihren Verbes­serungs­vorschlägen einbezogen. Wir haben vor allem großartige Rechtsexperten bei der Erarbeitung dieses Gesetzes laufend kontaktiert. Schließlich – und dafür bin ich sehr dankbar – hat es eine offene und breite Diskussion mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien gegeben. Ich glaube, dass somit ein Gesetzeswerk ent­standen ist, das wir auch herzeigen können.

Es gibt nunmehr einen breiten Konsens über die notwendigen Zielsetzungen im Bereich Asyl und Migration. Er geht wirklich quer durch die Parteien, quer durch die Organisationen und quer durch die Experten.

Der Konsens lautet einfach, dass wir Hilfe dort geben wollen und geben müssen, wo Hilfe notwendig ist, dass wir einen Stopp dort gebieten, wo es um Missbrauch des


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Asylrechtes geht, und dass wir Strafe dort auch wirklich umsetzen können, wo es um Kriminalität geht. Auf diesem Konsens baut auch dieses Gesetz auf. Wir wollen möglichst menschliche Rahmenbedingungen, und wir wollen diese Hilfe auch möglichst rasch geben.

Zum Zweiten wollen wir aber – und das ist besonders wichtig – eine möglichst hohe Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger gegen Missbrauch des Asylgesetzes, gegen Missbrauch durch Schlepper, durch Kriminelle, aber auch ein rasches Abstellen von Missbräuchen im Asylbereich, auch durch Wirtschaftsflüchtlinge.

Zum Dritten wollen wir damit auch wirksame Maßnahmen im Strafbereich, aber auch im Verfahrensbereich für Asylwerber, die tatsächlich straffällig geworden sind, setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke allen, die diesen Konsens hin­sichtlich der sicherheitspolitischen Notwendigkeiten mit erarbeitet haben und auch mittragen.

Es sind hier einige Punkte erwähnt worden, auf die ich ganz kurz eingehen möchte.

Die Gebietsbeschränkung zählt nur in den ersten 20 Tagen. Das ist die Erstaufnahme. Dort ist es dringend notwendig, Verfahren verschiedenster Formen durchzuführen, und zwar nach intensiver Beratung, da gibt es nur zwei, drei Plätze in Österreich, wenn ich den Flughafen auch noch dazunehme, es sind nur zwei Bezirke davon betroffen. Daher ist hier ganz klar und deutlich erkennbar, dass diese Gebietsbeschränkung in diesen 20 Tagen, um die rasche Erfassung zu erreichen, machbar ist.

Zum zweiten Punkt, der hier angesprochen wurde, zum Datenschutz. Dies ist in enger Abstimmung mit dem Datenschutzrat erfolgt, die Verhandlungen sind gelaufen, und es ist ein einstimmiger Beschluss des Datenschutzrates. Ich bin überzeugt davon, dass das national und international hält.

Die Regelung für Minderjährige entspricht der heute geltenden Rechtslage; da hat sich nichts geändert. Auch das muss man einmal so sagen. Es wurde im Bereich des absoluten Ausweisungsschutzes nur eingeführt, dass ein Jugendlicher, der mindestens zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt wurde, dieses Recht verliert. Das heißt, er muss bereits ein sehr, sehr schweres Delikt begangen haben. Darüber hinaus ist auch da verfassungsrechtlich gewährleistet, dass das Familienleben nach der EMRK zu beachten ist. Auch das ist damit klargestellt.

Ich glaube, diese Themen sind in dieser Form nicht mehr zu diskutieren, da sie weit­gehend ausdiskutiert wurden.

Es gibt eine Diskrepanz bei den Zahlen. Wir haben eine Stichtagserhebung mit Jänner. Die Zahlen wurden uns von den zuständigen Einrichtungen und Beamten gemeldet. Wir gehen diesen Zahlen detailliert nach, und vor allem werden wir in Zukunft eine genaue und detailliertere Dokumentation all dieser Dinge brauchen – auch das ist derzeit nicht vorhanden –, denn wir wollen nicht nur die Gründe für die Entlassung wissen, sondern auch weitere Bereiche der Schubhäftlinge, wie zum Beispiel, ob sie straffällig waren oder nicht. Das ist derzeit aus den Unterlagen nicht abrufbar. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch die Traumatisierung – das ist ohnehin schon gesagt worden – geht in diese Rich­tung. Der Unterschied ist: Früher reichte die Behauptung der Traumatisierung, jetzt muss ein Arzt die Traumatisierung feststellen. Das ist der Hauptunterschied. Danach wird der Arzt feststellen, ob eine zusätzliche Belastung gegeben ist oder nicht.

Ich glaube, das ist absolut vertretbar, das wird in ganz Europa so gemacht. Nur bei uns wäre das plötzlich gegen jedes Menschenrecht. Ganz Europa tut es in dieser Art. Auch die Dublin-Verträge sind europäische Verträge, die wir einzuhalten haben.


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Aber es ist einfach auch das notwendig, was diese Diskussion eigentlich gezeigt hat. Die Menschen erwarten von uns, erwarten von der Politik, dass wir grundlegende Fragen diskutieren und auch Lösungen finden.

Daher bin ich sehr glücklich und sehr dankbar, dass wir auf so breiter Ebene einen parteiübergreifenden Konsens gefunden haben. Das ist letztlich auch die Bestätigung dafür, dass die Sache mit Sorgfalt angegangen wurde und das Ziel, das heute schon betont wurde, erreicht wurde, dass nämlich dieses Gesetz in Übereinstimmung mit dem Verfassungsrecht, mit den Menschenrechten und mit dem Völkerrecht steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solange es Juristinnen und Juristen gibt, wird es vor allem in den sensibelsten Bereichen unterschiedliche juridische Meinungen geben. Da ist es letztlich wieder Verantwortung der Politik, das mit besonderer Sorgfalt zu überprüfen und unter Abwägung aller Meinungen letztlich eine Entscheidung zu treffen. Das ist unsere Aufgabe, und wir haben versucht, diesen Weg zu gehen.

Wir werden nunmehr im Vollzug sehr gefordert sein, und auch da wird mit ent­sprechender Sensibilität und Transparenz vorgegangen werden müssen, um dieses Gesetz auch entsprechend umzusetzen.

Die anstehenden Fragen Asyl, Fremdenpolizei, Niederlassung und Aufenthaltsgesetz haben wir nunmehr in diesem umfassenden Gesetzeswerk geregelt. Dies ist eine Materie in einer Größe, wie es sie bisher tatsächlich noch nicht gegeben hat.

Es hat intensive Verhandlungsphasen gegeben, insbesondere Diskussionen mit den politischen Parteien, den NGOs, den Kirchen und Interessenvertretungen. Sie haben gezeigt – und das ist das Entscheidende –, dass wir da richtig liegen, denn die Beschlüsse greifen in allen Bereichen wie Zahnräder ineinander. Das kann letztlich auch nur gemeinsam zufriedenstellend geregelt werden.

Es gibt ganz klare Bestimmungen, unter welchen Voraussetzungen ein Fremder seinen Aufenthalt in Österreich nehmen kann beziehungsweise zur Niederlassung in Öster­reich berechtigt ist. Es gibt verbesserte Integrationsbestimmungen, insbesondere bei der Sprache, im Rahmen der Integrationsvereinbarung. Es wird eine möglichst gute und zügige Integration für die Zuwanderer vorangetrieben werden, denn wer legal da ist und dauerhaft in Österreich bleiben will, braucht diese Integration.

Je stärker diese unterschiedlichen Materien miteinander in Verbindung stehen, desto wichtiger ist es, eine ganz klare inhaltliche Unterscheidung zwischen Asyl und Migration zu treffen. Wer diese beiden Bereiche vermischt – und das ist heute wieder geschehen –, der schadet jenen, die wirklich Hilfe brauchen, und er schadet vor allem auch jenen, die ein berechtigtes Sicherheitsinteresse haben, nämlich unseren Bür­gerinnen und Bürger.

Diese Trennung müssen wir genau beachten. Asyl bedeutet, Schutz vor Verfolgung zu bekommen. All die Menschen, deren Namen hier genannt wurden, wären Asylwerber gewesen, und zwar zu Recht, und sie hätten dieses Asyl auch bekommen. Alles andere ist reine Demagogie.

Das Zweite sind die Migranten, das heißt, es gibt eine weltweite Wanderbewegung in großem Maße, aus welchen Gründen das auch geschieht, etwa weil sie sich hier eine bessere Welt erwarten. Diese zählen nicht zu den Schutzbedürftigen im Sinne des Asylgesetzes, sondern im Sinne der Aufenthaltsgenehmigung und sonstiger Möglich­keiten.

Auch dazu haben sie ein Recht. Wenn sie hier herkommen, erwarten sie sich Arbeit, erwarten sie sich Integration. Und wenn wir das nicht über das Asyl können, dann


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muss man ihnen das ganz klar sagen. Und das haben wir in diesem Gesetz auch klar auseinander zu halten versucht.

Daher wollen wir in Zukunft zwei Ziele erreichen: Zum einen die Fortsetzung der großen österreichischen Tradition, die immer wieder, und zwar in vielfacher Hinsicht, unter Beweis gestellt wurde. Zum Zweiten wollen wir die berechtigten Sicherheits­interessen der Österreicherinnen und Österreicher auch wirklich erfüllen. Auch das ist eine Notwendigkeit.

Gegenwärtig leistet Österreich wirklich sehr, sehr viel. Es sind rund 29 000 in der Grundversorgung; diese werden von den NGOs und den Ländern betreut. Es sind 38 000 in laufenden Verfahren. Das sind gewaltige Zahlen.

Eine Statistik des UNHCR zeigt, dass Österreich mit drei Asylwerbern pro 1 000 Ein­wohner weltweit ganz vorn liegt. Das liegt nicht nur an der Lage Österreichs, denn auch Deutschland hat eine sehr lange Grenze zu anderen Ländern, und die haben ein Zehntel, die liegen bei 0,4 auf 1 000 Einwohner. Es nützt nichts, diese Zahlen gegen­einander zu halten; das ist eine Tatsache. Sie brauchen nur die Statistik des UNHCR nachzulesen.

Es ist mir daher ein Bedürfnis – und ich möchte das auch heute hier sagen –, den Österreicherinnen und Österreichern für ihre Hilfsbereitschaft ein Danke zu sagen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben immer geholfen, und es ist ganz wichtig, dass jene Menschen, die hier bleiben können und bleiben wollen, auch diese Unter­stützung und dieses Verständnis erfahren; das ist heute schon im ersten Teil der Diskussion hier im Bundesrat angeklungen. Umso mehr ist es aber auch ein Anliegen, dass wir die Menschen vor den Missbräuchen in diesem Bereich, im Asyl- oder Fremdenrecht, schützen.

Ich möchte zum Schluss kommen und ein wirklich ganz herzliches Danke all jenen sagen, die hier mitgearbeitet haben und mitgegangen sind: den hochrangigen Rechts­experten, den Praktikern, den Mitarbeitern aus den NGOs, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung. Ich möchte aber vor allem auch – last but not least – den Politikerinnen und Politikern aller Parteien ein herzliches Danke sagen für die überaus konstruktive Diskussion, die viele Stunden gedauert hat und die über weite Strecken wirklich gemeinsam geführt wurde.

Ich hoffe, dass wir bei der Umsetzung ebenfalls diesen Konsens haben werden, denn es geht, wie heute bereits gesagt wurde, um Menschen, die hier ein Zuhause oder vor allem Hilfe oder auch eine menschliche Rückführung in ihre Länder benötigen. Diese Umsetzung wird uns nur noch sehr viel abfordern.

Ich danke für diese Debatte heute. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

13.41


Präsident Peter Mitterer: Ich danke der Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.42.014. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2003) (III-258-BR/2004 d.B. sowie 7339/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Nun kommen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist auch hier Herr Bundesrat Ing. Haller. Ich bitte um den Bericht.

 


13.42.14

Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten betreffend den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, Sicherheitsbericht 2003, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile es ihm.

 


13.42.59

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, Sie haben vorhin von der modernen Polizei, von der Polizeireform gesprochen. Wenn man diesen Bericht liest und sich ein wenig umschaut, auch hier in der Stadt, dann sieht das freilich noch ein wenig anders aus. Man sieht jetzt viele neue blaue Schilder, wo auf blauem Feld sehr schön designt etwas verschämt und klein geschrieben „Polizei“ draufsteht. Hier wurde sehr viel Geld für sehr viel Design und sehr viel Plastik ausgegeben.

Wenn wir die Kriminalitätsentwicklung in diesem Bericht nachlesen, müssen wir fest­stellen, dass diese eine sehr, sehr unerfreuliche ist, wenn man etwa bedenkt, dass im großstädtischen Raum die Delikte von 2001 auf 2003 von 484 664 auf 604 273 angestiegen sind, in Wien beispielsweise – ich möchte das deshalb besonders her­vorheben, weil gerade der großstädtische Raum von dieser Polizeireform ganz beson­ders betroffen ist – von 173 369 auf 250 622.

Dem steht bedauerlicherweise eine sehr geringe Aufklärungsquote gegenüber. Diese hat sich im Raum Wien von 30,3 Prozent noch im Jahre 2001 auf 26,8 Prozent im Jahr 2003, also im Berichtszeitraum verschlechtert. Wir haben zwar aktuell jetzt eine etwas erfreulichere Zahl, aber insgesamt muss ich sagen, Frau Bundesministerin: Ich glaube, viele hier herinnen haben sich über die sportlichen Erfolge, die Rekorde, die Sie einmal hatten, sehr gefreut. Worüber wir uns aber, glaube ich, nicht freuen, das war dieser Rekord, den Ihr Vorgänger im Jahr 2004 verzeichnen konnte, ein Jahr nach Legung dieses Sicherheitsberichtes. Da musste nämlich Ihr Vorgänger, Minister Stras­ser, die schlechteste Sicherheitsbilanz der Zweiten Republik überhaupt verbuchen, mit einer Aufklärungsquote, die insgesamt österreichweit von 1999, wo sie immerhin noch 50 Prozent betragen hat, auf unter 40 Prozent gesunken ist.


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Das, Frau Bundesministerin, ist, glaube ich, das Resultat des Mangels an Planstellen und des mangelnden Budgets. Man muss nämlich wissen, dass Österreich das einzige Land Europas ist, das seit dem fürchterlichen Vorfall am 11. September 2001 in New York sein Budget im Innenressort gekürzt hat! – Herr Dr. Kühnel schaut mich ganz verwundert an, aber das sind leider die Fakten. – Diesen Terroranschlag hat man nicht zum Anlass genommen, hier nachzubessern, hier zusätzliche Ressourcen zu schaffen, sondern man hat abgespeckt und hat damit eigentlich eine schlechtere Sicherheitslage geschaffen.

Immerhin sind seit dem Jahr 2000 die Planstellen im Bereich der Zollwache, im Bereich der Sicherheitswache, im Bereich des Kriminaldienstes sowie bei der Gendarmerie um 3 000 Stellen weniger geworden. Das muss man sich einmal vorstellen! Und wie reagiert man auf diese Entwicklung? – Man macht diese so genannte Polizeireform.

Jetzt findet sich in diesem Sicherheitsbericht ein ganz interessanter Hinweis, nämlich dass die Deliktsgruppen im Land sehr unterschiedlich verteilt sind. Sie finden im groß­städtischen Raum, also in größeren Orten, Städten, in der Großstadt eine Anhäufung der Eigentumsdelikte, während Sie im ländlichen Bereich eine vermehrte Anzahl von Körperverletzungsdelikten finden. Ich glaube, gerade diese beiden Deliktsgruppen bedürfen einer völlig unterschiedlichen Bekämpfungsweise. Hier quasi das System der Gendarmerie über die städtischen Sicherheitsdienststellen drüberzustülpen, das kann nicht gut gehen. Wir müssen dazu wissen, dass die Erledigung von Kriminalfällen in so gehäufter Form, wie Sie sie im städtischen Raum vorfinden, durch Sicherheits­dienststellen, die noch nicht entsprechend geschult wurden, die keine technische Ausrüstung haben, die plötzlich Spurensicherung durchführen sollen, erkennungs­dienstliche Arbeiten machen sollen, mit diesen knappen Personalständen nicht gut gehen kann.

Und dazu kommt ein Punkt, der auch im Bericht erwähnt wird. – Ich muss da wirklich der Mitarbeiterin, die hier im Saal anwesend ist, die diesen Bericht zusammengestellt hat und uns auch im Innenausschuss bereits zur Verfügung gestanden ist, ein Kompliment machen. Es war sicherlich nicht einfach, diese Vielzahl von Informationen hier so komprimiert darzustellen. – Da ist eben die Rede von der so genannten Dunkelfeldforschung. Es ist nicht so, dass hier die Sicherheitspolitik im Dunklen ist, sondern Dunkelfeldforschung heißt ganz einfach, dass man einmal erforscht, wie viele Delikte tatsächlich begangen werden, die gar nicht zur Anzeige kommen und daher nicht verfolgt werden. Die letzten diesbezüglichen Daten – so ehrlich ist dieser Bericht – finden sich 1988 und 1990 bei einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung.

Ich glaube, hier wäre, wenn wir Kriminalitätsbekämpfung ernst nehmen, Handlungs­bedarf gegeben. Und ich kann hier zwei Beispiele aus meiner Heimatstadt Linz erwähnen: an einem Tag massierte Handtaschendiebstähle in einem großen Textil­handelshaus. Die Geschäftsleitung hat festgestellt, dass von drei Diebstählen, die Kunden dort gemeldet haben, dann nur zwei angezeigt wurden. Ähnliches hat sich bei den Linzer Verkehrsbetrieben herausgestellt, wo gleichfalls massiert in einem zeit­lichen Rahmen Taschendiebstähle begangen wurden.

Ich glaube, auch diese Dunkelfeldforschung wäre sicher ein wichtiges Betätigungsfeld, wenn man hier ernstlich präventiv tätig werden will.

Und dann gibt es da einen zweiten Teil dieses Berichtes, der viele, die das gelesen haben, sehr bestürzt hat: Es ist dies der Bereich der Justiz. Man sieht hier, dass ein Instrument, nämlich der außergerichtliche Tatausgleich, leider eine stark sinkende Tendenz hat. Und dieser außergerichtliche Tatausgleich ist eigentlich eine Einrichtung, ein Instrumentarium – das wird mir Prof. Böhm als Zivilrechtler bestätigen –, mit dem Menschen die Gelegenheit gegeben wird, abgestellt auf ihre Reife, auf ihre Mög-


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lichkeiten, aber auch auf ihren ernstlichen Willen, sich quasi ohne ein klassisches strafgerichtliches Verfahren mit allen Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen und wirklich eine Wiedergutmachung herbeizuführen.

Waren es 2002 immerhin noch 8 800 Fälle, sind es jetzt nur mehr 8 396, wie überhaupt die Häftlingszahlen natürlich immer mehr ansteigen. Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass offensichtlich bei uns eine andere Spruchpraxis herrscht, denn wir haben unbedingte Freiheitsstrafen bei allen Fällen: in der Bundesrepublik Deutschland 6,4 Prozent, bei uns 15,6 Prozent, auch hier Tendenz steigend, ein Jahr vorher 14,7 Prozent, während es bei der Verhängung von Geldstrafen genau umgekehrt ist: beim deutschen Nachbarn 79,7 Prozent der Fälle, bei uns 41,4 Prozent.

Ich bin ein wenig verwundert, dass die Ressortchefin des Justizbereiches heute hier fehlt und unsere Innenministerin quasi alleine lässt, denn ich glaube, nur das sinnvolle Zusammenwirken von Innenressort und Justiz kann hier wirklich ernstlich etwas bewirken.

Was natürlich in dem ganzen Bereich der Strafjustiz wirklich sehr verhängnisvoll ist, ist dieses drastische Ansteigen von Jugendtätern, auch im Rahmen der verhängten Haftstrafen. Wenn man sich vorstellt, dass bei den Häftlingszahlen von 2000 auf 2002 im Jugendbereich ein Anstieg von 67 Prozent zu verzeichnen ist, dann ist das eigent­lich erschütternd. Viele dieser Fälle sind dem Bereich der Suchtmittelkriminalität zuzu­zählen. Das ist, glaube ich, umso verhängnisvoller, wenn man weiß, dass hinter vielen Suchtgiftfällen eigentlich eine gewisse Anschlusskriminalität nachkommt. Sie kommen aus dem Sport, Frau Bundesminister, und wissen sicher, dass nichts wichtiger ist, als sich um die Jugend zu kümmern. So haben wir, glaube ich, nicht nur mit sportlichen Erfolgen gepunktet, sondern es wäre ganz wichtig, hier neue Wege zu gehen.

Und abschließend: Es hat heute schon ein bisschen Vorschusslorbeeren gegeben bezüglich der sicherlich nicht einfachen Umsetzung des Gesetzes, das vorher andis­kutiert wurde. Man erwartet sich hier sehr viel vom Innenressort, und ich glaube, Anstoß sollte auch die heutige APA-Meldung sein. Der Europarat hat heute eine APA-Meldung herausgegeben, wonach sehr viele Kritikpunkte im Bereich der Verwahrung von Asylanten, aber auch im Bereich der Strafjustiz aufgezeigt werden. Hier wird kritisiert, dass die Unterbringung in einer Weise erfolgt, wie sie nicht den Standards entspricht. Es wurde auch von meiner Kollegin aus der sozialdemokratischen Fraktion heute schon erwähnt. Also hier besteht wirklich dringendster Handlungsbedarf.

Ich möchte hier zitieren aus dieser APA-Meldung des Europarates. Hier heißt es, gerade die Unterbringung von Schubhäftlingen sei inakzeptabel. Und den Justizbereich betreffend – das betrifft Sie jetzt nicht direkt, Frau Minister – wird sehr harsch kritisiert: zu wenig Personal, zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten.

Ich glaube, das sollte man sehr ernst nehmen, denn das ist sicher kein Thema, aus dem man politisches Kleingeld machen sollte. Wir sollten uns für die Sicherheit in diesem Land einsetzen, für die Sicherheit der Menschen in diesem Land, und der Sicherheitsbericht 2004, der in Bälde hier aufliegen wird, sollte wieder eine eher posi­tive Bilanz unter dem Strich aufweisen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


13.53.31

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Schimböck hat


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gemeint, politisches Kleingeld solle nicht gewechselt werden. Da darf ich aber schon in Erinnerung rufen, dass es von 1945 bis zum Jahre 2000 immer sozialdemokratische Innenminister gegeben hat, mit einer kurzen Unterbrechung von 1966 bis 1970.

Wenn man dann den Bericht aus dem Jahre 2003, der uns jetzt zur Behandlung vorliegt, heranzieht und gewisse punktuelle Sachen herausnimmt, muss man sich natürlich fragen, wo die tieferen Ursachen für das eine oder andere sind.

Wenn Sie bekritteln, dass es Personalreduktionen gegeben hat, dann muss ich Sie, da Sie sich doch immer als Mann der Wirtschaft hier präsentieren, fragen, ob man heute für die Herstellung eines Autos noch 100 Arbeiter braucht oder ob vielleicht eine Gruppe von zehn oder fünf Arbeitern in einer gewissen Zeit ein Auto herstellt oder noch weniger dazu notwendig sind. Genauso ist es auch bei der Exekutive im weitesten Sinne: Man hat heute verschiedenste technische Mittel, um einerseits Personal einzusparen, aber auch effizienter zu arbeiten.

Und wenn ich nur an ein kleines Beispiel von früher erinnern darf: Mir wurde erzählt, dass die Gendarmerie und die Polizei nicht in der Lage waren, E-Mails untereinander auszutauschen, weil sie verschiedene Systeme hatten. Die schwarzen Innenminister seit 2000 haben begonnen, diese Missstände auszuräumen. Die sozialdemokratischen konnten das nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben erwähnt, dass es eine steigende Anzahl von Jugendtätern gibt. Dazu muss man sagen, man kann nicht dem Innenminister oder der Polizei den Vorwurf machen, dass es so viele Jugendtäter gibt. Sollten wir nicht vor der eigenen Türe kehren und einmal schauen, ob vielleicht von den Eltern, ob vielleicht in den Familien das Unrechtsbewusstsein unserer jungen Menschen geweckt werden kann?

Sowohl Innenminister Strasser als auch Frau Bundesminister Prokop haben sich intensivst bemüht, Reformen durchzuführen. Ich darf nur an die Zusammenlegung der Polizei erinnern, die von zwei Innenministern angeleiert wurde, aber nie in die Tat umgesetzt worden ist, an die Gründung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter und so weiter. Das ist ein derartiger Reformstoß, wie es ihn im Grunde genommen seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben hat.

Nun zum eigentlichen Sicherheitsbericht. – Da ich in meiner Vorrede über 12 Minuten gesprochen habe, werde ich mich diesmal nicht komplette 10 Minuten auslassen, sondern etwas kürzer fassen. – Besonders erwähnenswert ist, dass zwei Ministerien einen gemeinsamen Bericht herausgegeben haben: das Bundesministerium für Inne­res und das Bundesministerium für Justiz. Das ist eine sensationelle Tatsache!

Das Zweite ist, es werden im Allgemeinen Teil auf 450 Seiten und dann noch in einem statistischen Teil wirklich Informationen bis ins Detail gegeben. Es ist eine Quelle, es ist eine Fundgrube für jeden Sicherheitspolitiker. Daher mein besonderer Dank an die beiden Ressortleiter, aber auch an die vielen Beamten, die dazu beigetragen haben, diese Information zusammenzustellen und uns zur Verfügung zu stellen.

Als Nächstes, da ich natürlich von den 450 Seiten jetzt nicht alles erwähnen möchte, erlaube ich mir, ein oder zwei Kapitel herauszunehmen. Das erste Kapitel ist jenes über die internationale Zusammenarbeit, die im Bundesministerium Inneres und Justiz betrieben wird. Und hier sieht man den gesamteuropäischen Ansatz, der schon 2003 stattgefunden hat und jetzt weiter intensiviert wird: Man sieht, wie wichtig es ist, die Kriminalität als eine internationale Angelegenheit anzusehen und international zu reagieren. Hier seien die Verbindungsbeamten erwähnt, die seitens des Bundesminis­teriums für Inneres bei diversen Botschaften eingerichtet worden sind. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es bisher deren 18; die eine oder andere Ausweitung ist geplant.


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Das Zweite ist das Ausbildungsprogramm für zukünftige EU-Staaten, das massiv vorangetrieben wird. Aus dem 2003er-Bericht ist sehr schön herauszulesen, dass man bereits damals erkannt hat, wie notwendig es ist, Vertiefungen durchzuführen.

Der Bericht ist das eine, es ist aber vor allem auch in die Zukunft zu blicken. Daher komme ich zum Schluss, und hier lässt sich ein klares Resümee fassen:

Im Jahre 2005 ist die Kriminalitätsrate in Österreich gesunken – österreichweit; das muss man zur Kenntnis nehmen –, und gleichzeitig ist die Aufklärungsrate gestiegen. Dazu kann man der Frau Bundesminister und ihren Beamten nur gratulieren. Das ist ein statistisch nachweisbarer Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die nostalgischen Betrachtungen überlasse ich gerne dem Mitglied des Club of Rome, dem berühmten Abgeordneten Schimböck, der immer die Wolken aufziehen lässt und bei dem es immer finster wird. – Ich danke. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.59


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Prokop. Ich darf ihr das Wort erteilen.

 


14.00.01

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darf ich nur ganz kurz auch noch auf den Sicher­heitsbericht eingehen, weil ich glaube, dass es schon auch wichtig ist, dass man das in der Öffentlichkeit analysiert. Ich sage danke dafür, dass auch aufgezeigt wurde, dass der Bericht wirklich sehr umfassend und sehr detailliert ist, dass darin nichts versteckt wird, dass nichts beschönigt wird. Ich will auch nicht schönreden, dass uns die Daten des Jahres 2003 – das ist der Berichtszeitraum – keine Freude gemacht haben, dass es in diesem Zeitraum tatsächlich eine Steigerung von 8,7 Prozent bei den ange­zeigten Delikten gab und dass auch die Aufklärungsquote zurückgegangen ist. Das ist aber eine Tatsache, die damals auf ganz Europa zugetroffen hat: dass im Bereich dieser Daten ein sehr starker Anstieg zu verzeichnen war.

Es ist da bei der Statistik ein bisschen mit den Zahlen gespielt worden, was die Delikte in den verschiedenen Bereichen betrifft: ob aufgezeigt, nicht aufgezeigt, wie viel sie darstellen. So ist zum Beispiel ein Falschgelddelikt gleich ein doppeltes Delikt, weil sowohl der Vertrieb als auch die Produktion des Falschgeldes aufgezeigt werden. Aber es sind auch manche Bereiche besonders hervorzuheben: Wenn ich etwa Vorarlberg hernehme, so sind dort der Fahrraddiebstahl und der Schidiebstahl an vorderster Stelle zu finden. Es finden also manche Dinge auf einer sehr breiten Ebene statt. Man muss das sehr detailliert analysieren. Ich will das jetzt gar nicht im Detail ausführen, aber man muss immer gleiche Statistiken machen, sonst kann man gar nichts vergleichen, und daher muss es dabei bleiben. Dass eine Dunkelfeldforschung sicher interessant ist, möchte ich gar nicht bestreiten, und ich glaube auch, dass wir darüber nachdenken sollten.

Ich möchte aber schon betonen, dass im Berichtszeitraum auch die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen um 28,6 Prozent gestiegen ist und dass in vielen Be­reichen die Aufklärungsquote auch damals deutlich höher war, wie zum Beispiel im Bereich der Verbrechen gegen Leib und Leben. Dort wurden 94 Prozent der Ver­brechen aufgeklärt – das sind um 2,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor –, und bei den Sittlichkeitsdelikten wurden 85,5 Prozent aufgeklärt, auch ein Plus von 1,8 Prozent. Also im Bereich dieser schweren Delikte hat es eine sehr gute und engagierte Arbeit der Exekutivbeamten gegeben, und das, glaube ich, soll man auch herausstreichen. Ich möchte ihnen auch von dieser Stelle aus heute ein herzliches Danke sagen.


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Zudem ist unser Land in der Kriminalitätsentwicklung nicht alleine dagestanden. Der Vergleich der EU-Staaten zeigt insgesamt, dass ein erhöhtes Kriminalitätsaufkommen zu beobachten war, wobei ein Großteil der Zunahmen auf vermehrte Straffälligkeit ausländischer Tätergruppen zurückzuführen war. Diese so genannte importierte Krimi­nalitätsstruktur der einreisenden Tatverdächtigen spielt eine sehr deutliche und klare Rolle. Wir können diese jetzt mit den modernen Instrumentarien auch sehr gut nach­vollziehen: Der Täter reist zur Verübung der Tat ein, hält sich kurz im Bundesgebiet auf, „erledigt“ mehrere größere Straftaten und verlässt so schnell wie möglich wieder das Land. Wir sehen, dass dies insbesondere in dieser Zeit in großem Umfang der Fall war.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass bereits im Jahr darauf ein erfreulicher Rückgang zu verzeichnen war. Diese Zahlen liegen ja vor, und ich bin auch dankbar, dass sie heute schon genannt wurden. Wir haben bereits im Vorjahr eine Stagnation dieses Anstiegs, sogar einen leichten Rückgang im Ausmaß von 0,1 Prozent beob­achtet. Und weil Wien schon bei den negativen Zahlen herausgehoben wurde, möchte ich Wien jetzt auch bei den positiven Zahlen nennen, denn im Vorjahr sind in Wien die Zahlen um 5,5 Prozent gesunken, und die Aufklärungsrate ist gestiegen. Und wenn ich das erste Halbjahr 2005 hernehme, so war in Wien tatsächlich ein Rückgang von 7 Prozent zu verzeichnen. Auch das ist ein sehr wichtiger Faktor.

Ich möchte auch kurz auf die angesprochene Kritik des CPT-Berichtes eingehen. Er ist uns informell seit Dezember bekannt, und wir haben uns natürlich sofort damit aus­einander gesetzt, wir sind dieser Behauptung der Anwendung körperlicher Gewalt nachgegangen. Die zuständigen Stellen haben das überprüft, und wir konnten keinen einzigen Fall verifizieren. Ich möchte das auch deutlich sagen, weil man es den Exekutivbeamten schuldig ist, dass man das sagt, wenn das nicht nachweisbar ist. Wir werden natürlich jeden Hinweis sofort klären und dort, wo ein Missbrauch tatsächlich besteht, diesen sofort abstellen.

Darüber hinaus sind die vorgeschlagenen Maßnahmen, die Sie zitiert haben, auch größtenteils schon umgesetzt. Wir werden aber weiterhin in den Polizeianhaltezentren natürlich auch Baumaßnahmen setzen. Es sind Großplanungen in Wien und in Inns­bruck zum Beispiel im Gange, die noch im heurigen Jahr abgeschlossen werden.

Das Thema Jugend tut uns allen weh. Man muss die Zahlen im Detail durchleuchten, und es sind auch sehr viele ausländische Jugendliche dabei, die hereinkommen und dann wieder gruppenweise zurückgebracht werden. Wir kennen das in hohem Maße gerade auch aus dem Wiener Kriminalitätsbereich.

Aber eines möchte ich auch unterstreichen: Jugend muss ein Thema für die gesamte Gesellschaft, für die gesamte Gesellschaftspolitik sein! Das können nicht die Justiz und die Polizei machen. Dann ist es ohnedies schon zu spät, dann ist es viel zu spät! Die Ansätze müssen früher kommen. Ich gebe Ihnen Recht – und ich weiß das aus dem Sport –: Eine sinnvolle Beschäftigung wird in einem hohen Ausmaß hintanhalten, dass Jugendliche straffällig werden.

Der Rückgang der Kriminalitätszahlen ist sicherlich auf die eingeleiteten Maßnahmen zurückzuführen, und da glaube ich, dass die modernen Ermittlungsmethoden, die Ermittlungshilfen tatsächlich nicht nur herzeigbar sind, sondern wir sind hier europaweit ein Best-Practice-Beispiel. Das gilt für die Kriminalitätsstatistik und für den Sicherheits­monitor. Und was die Technik betrifft, ist schon gesagt worden: Früher hat eine Erhebung oft stundenlanger Telefonate bedurft – heute ist es ein Mausklick, und man sieht am Schirm sofort, was man haben will und was man braucht. Das alles hilft natürlich.


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Aber wir haben neben diesen Möglichkeiten des Sicherheitsmonitors und anderer Instrumente auch die Gegebenheit, dass wir die Einsätze punktgenau planen und auch durchführen können. Hier sind natürlich auch weitere Prioritäten im Innenministerium zu setzen, und wir haben das auch vor. Wir wollen weiterhin maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte für jedes Bundesland erarbeiten, mit den Bundesländern laufend adaptieren und umsetzen. Daher sieht man all diese Entwicklungen auch sehr differenziert, denn man kann jetzt nach dem Monitor sagen: Was ist da jetzt passiert? Warum gibt es jetzt einen Anstieg? Wie reagieren wir darauf?

Auch die Schutzzonen und die Videoüberwachung sind ein ganz wichtiger Faktor, den wir wahrnehmen können und weiter wahrnehmen werden. Wir haben mehr Polizisten im Außendienst – das ist zahlenmäßig nachweisbar –, und wir wollen vor allem auch neue Problemfelder mit diesen Hilfen gezielt und schnell erkennen und damit auch Schwerpunktmaßnahmen setzen. Die zentrale Maßnahme sind natürlich die Krimi­nalitätsbekämpfung und die Sicherheitsoptimierung.

Was die Umsetzung der Polizeireform, die auch angesprochen wurde, betrifft, so geht es dabei nicht nur um das Etikett und das Design. Und übrigens: Diese „wahnsinnigen Kosten“ der Designs betragen 36 000 €. Ich glaube, billiger kann man das gar nicht machen. Das ist ausgesprochen günstig und ist auch sehr sinnvoll. Ich glaube auch, es ist ein schönes Design – zumindest haben mir schon sehr viele Personen gesagt, das sei wirklich gut gelungen.

Aber die Umsetzung dieser Reform beinhaltet ja sehr viel mehr: Sie wird unsere Exekutive effizienter gestalten und wird uns größere und bessere Möglichkeiten geben. Und auf etwas bin ich besonders stolz – und ich möchte in diesem Zusammenhang wirklich allen Mitarbeitern der Exekutive, aber auch des Innenministeriums ein Danke sagen –: Wir hatten Sorge, dass diese Umsetzung, die Vorbereitung dieser Umsetzung so viele Kräfte binden könnte, dass dadurch in der Kriminalitätsbekämpfung ein Nachteil entsteht. Das Gegenteil war der Fall: Es ist mit enormem Druck gearbeitet worden – die Zahlen sagen es uns –, und die Umsetzung ist auch gelungen. Und dafür möchte ich wirklich ein ganz herzliches Danke sagen.

Straßenkriminalität – ein Thema, das vor allem im Sicherheitsbefinden der Bevölkerung eine bedeutende Rolle spielt –: Die Schwerpunkte, die hier gesetzt wurden, zeigen bereits deutliche Erfolge. Natürlich wird gegen die ausländischen Tätergruppen mit Konsequenz vorgegangen, und das ist eine der ganz großen Herausforderungen, denn unsere Sicherheit wird primär aus dem näheren und weiteren Umfeld Österreichs bedroht. Organisierte Kriminalität, Terrorismus, illegale Migration – diese Bereiche sind das internationale Problem. Das trifft nicht nur Österreich, das trifft Europa, das trifft die ganze Welt, und nur durch enge internationale Kooperation und Zusammenarbeit lässt sich das auch wirksam bekämpfen. Wir haben das heute beim ersten Tagesord­nungs­punkt auch schon besprochen.

Es heißt hier, dass wir der grenzüberschreitenden Kriminalität nur durch internationale Zusammenarbeit Einhalt gebieten können. Die Strategien bestehen hier in den Koope­rationsbemühungen, die wir laufend verfolgen und womit wir auch das Haus befassen. Mit den Verträgen haben wir begonnen, und wir werden sie weiter intensivieren und auch fortsetzen. Das gilt mit den Staaten im Nachbarschaftsbereich, das gilt mit den Partnern in der Europäischen Union, und das gilt mit jenen Regionen und Herkunfts- und Transitländern, wo Sicherheitsprobleme bestehen. Hier sind die Verbindungs­beamten zum Beispiel ein ganz wichtiger Faktor.

Seit dem 1. Mai 2004 sind wir nicht mehr EU-Außengrenze. Wir sind ins Zentrum der Europäischen Union gerückt, und wir stehen damit natürlich auch – und das kann man auch an den Zahlen erkennen – einer neuen Qualität und Kooperationsmöglichkeit mit


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viel höheren Sicherheitsstandards bei den neuen Mitgliedstaaten gegenüber. Das heißt, dass wir damit einen klaren Sicherheitsgewinn auch für unser Land erreicht haben.

Zudem wollen wir natürlich neben der Strafverfolgung die Präventionsbemühungen weiter verstärken; auch hier hat das Bundeskriminalamt gezielte Präventions­maß­nahmen entwickelt. Und wir sehen immer mehr, dass die Österreicherinnen und Österreicher auch selbst sehr gerne und in sehr hohem Ausmaß bereit sind, Verant­wortung für ihre eigene Sicherheit mit zu übernehmen.

Ich glaube, dass wir ungeachtet der positiven Entwicklung der Sicherheitslage daran arbeiten müssen, diese positive Tendenz nicht nur langfristig zu halten, sondern dass wir uns das auch als Ziel setzen.

Weitere Konzepte für die Verbesserung der inneren Sicherheit sind entwickelt worden, und es bedarf einer genauen methodischen Beobachtung. Ich glaube, dass die Politik sehr konsequent die Ausschöpfung aller gesetzlichen Möglichkeiten gegen Straftäter zum Schutz der Bevölkerung intensivieren muss.

Mit der neuen Exekutive und der Integration des Kriminaldienstes – und da bin ich absolut der Meinung und habe es von vielen Mitarbeitern schon gehört, dass sie begeistert sind, dass sie auch wieder selbst Erhebungsarbeit in der ersten Ebene, in jeder Polizeiinspektion durchführen können – werden weitere positive Effekte in der Kriminalitätsbekämpfung und auch auf dem Gebiet der Prävention zu erwarten sein.

Ich möchte zum Abschluss auch darauf hinweisen – gerade auch im Zusammenhang mit dem Bericht, den ich hier genannt habe –, dass die Arbeit unserer Polizei nicht nur sehr engagiert ist, sondern dass sie auch sehr, sehr gefährlich ist: Wir hatten im Jahr 2000 708 Exekutivbeamte, die im Einsatz verletzt wurden; im Berichtszeitraum 2003 waren es 826 – also ein Anstieg um rund 120 –; im Jahr 2004 waren es schon 960 – wieder ein Anstieg um mehr als 100 –; und heuer im ersten Halbjahr waren es schon 523. Diese steigende Zahl zeigt uns, dass die Aggression, aber vor allem auch die Gefährlichkeit dieser Arbeit besonders hoch sind. Gerade im Berichtszeitraum haben auch Beamte des Entminungsdienstes bei der Sicherung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren, beziehungsweise sie wurden schwer verletzt.

Ich glaube, das zeigt, dass unsere Exekutivbeamten bereit sind, sich auch unter Einsatz des eigenen Lebens und unter gefährlichsten Bedingungen für die Sicherheit einzubringen. Und ich sage es noch einmal: Es wird immer schwieriger. Ich glaube, dafür gebührt ihnen auch besonderer Respekt und ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.13


Präsident Peter Mitterer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bun­desrat Schimböck zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berich­tigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschrän­ken.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schimböck das Wort.

 


14.13.56

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesrat Dr. Kühnel hat zuerst auf die Sicherheitsverhältnisse unter sozialdemokratischen Innenministern hingewiesen. Ich glaube, ich muss das wirklich richtig stellen: 1999 gab es eine


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Aufklärungsquote von 51,4 Prozent (Bundesrätin Roth-Halvax: Wir haben gesprochen von der technischen Ausstattung! – Gegenruf bei der SPÖ: Zuhören!); im Vorjahr hat sie nur mehr 38,1 Prozent betragen. Und dieser „großartige Erfolg“, Herr Dr. Kühnel, der hier von Ihnen in den Raum gestellt wurde, bedeutet nur eine Verbesserung von 38 auf 39,6 Prozent.

Wir sind also von der Aufklärungsquote von 51,4 Prozent, die es im Jahr 1999 unter einem sozialdemokratischen Ressortchef gab, noch weit weg. Aber ich wünsche der Frau Bundesminister, dass sie so ambitioniert an die Sache herangeht, und würde mich wirklich freuen (Bundesrätin Roth-Halvax: Wir haben von der Ausstattung gesprochen!), wenn wir diese Zielvorgabe wieder erreichen würden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag angenommen.

14.15.18 5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwal­tungsverfahrensgesetzen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) (973 d.B. und 1057 d.B. sowie 7331/BR d.B. und 7340/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Ich bitte um den Bericht.

 


14.15.41

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Ich berichte über den Beschluss des National­rates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden.

Es liegen Ihnen die Regelungsschwerpunkte dieser Novelle vor, ich brauche sie daher nicht näher zu erläutern.

Die in Artikel 1 des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates enthaltene Verfas­sungs­bestimmung bedarf der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG.

Ich stelle daher den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 



Bundesrat
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Präsident Peter Mitterer: Danke. Ich möchte nur festhalten, dass der Ausschuss für innere Angelegenheiten den Antrag stellt, wie dies auch dem vorliegenden Bericht zu entnehmen ist.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. Ich darf ihr das Wort erteilen.

 


14.16.56

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der Tatsache, dass wir jetzt den fünften von 24 Diskussionspunkten behandeln, werde ich mich bemühen, mich etwas kürzer als ursprünglich geplant zu fassen.

Als die Zivildienstreformkommission eingerichtet wurde, hätte man eigentlich erwarten können, das Ergebnis wäre eine moderne, zeitgerechte Umgestaltung des Zivildiens­tes. Diese Erwartung ist jedenfalls enttäuscht worden: Das Zivildienstgesetz, das jetzt vorliegt, erfüllt diese Erwartung in keinster Weise.

Ich möchte zuerst ein paar Punkte nennen, die wir auch kritisieren, die ich aber nicht näher ausführen möchte, und mich dann auf zwei Hauptkritikpunkte konzentrieren.

Einerseits ist in der jetzigen Vorlage kein Ersatz für den Zivildienst nach Abschaffung des Wehrdienstes vorgeschlagen. Auch das Zivildienstgeld der Träger bleibt unein­heitlich, wie es bisher der Fall ist. Und die vorgeschlagene Regelung zum freiwilligen zivilen Dienst ist generell eine problematische: Einerseits gefährdet sie bereits bestehende Freiwilligeneinrichtungen. Es gibt auch starke Kritik vom Roten Kreuz, das befürchtet, dass dadurch ein sehr großer Verwaltungsaufwand in der Abwicklung aller an diesem freiwilligen zivilen Dienst Interessierten entstehen würde. Auch die Tat­sache, dass es jederzeit möglich ist, aus dem freiwilligen zivilen Dienst auszutreten, ist natürlich für die Trägerorganisationen relativ problematisch.

Die zwei größten Kritikpunkte aus Sicht der Grünen sind einerseits die Tatsache, dass es auch weiterhin kein einheitliches Verpflegungsgeld von mindestens 11,6 € pro Tag geben soll. Das wäre auch das, was der VfGH gefordert hatte, nämlich dass diese Ungleichbehandlung von Zivildienern endlich beseitigt werden soll. Momentan schwankt nämlich das Verpflegungsgeld je nachdem, wo jemand den Zivildienst ableistet, zwischen 5 € und 11,60 €.

Wir sind der Meinung, dass es sicher nicht möglich ist, sich von 5 € einen Tag lang zu ernähren. Diese 11,60 € sollten als Mindeststandard eingeführt und einheitlich geregelt werden.

Der zweite für mich sehr relevante Kritikpunkt an diesem Vorschlag ist die Tatsache, dass es nicht möglich war, den Zivildienst auf sechs Monate zu kürzen und damit gleich lang anzusetzen wie den Präsenzdienst. Der grüne Vorschlag lautete nicht, von heute auf morgen auf sechs Monate zurückzufahren, sondern das in zwei Etappen durchzuführen, damit sich auch die Organisationen, bei denen Zivildiener beschäftigt sind, darauf einstellen können. Für die ist das natürlich eine große Umstellung.

Die SPÖ war zuerst sehr für diese sechs Monate, alles andere sei Ausbeutung von Zivildienern. Ich bin also doch eher überrascht, dass die SPÖ nun diesen neun Monaten, wie sie jetzt im Vorschlag stehen, zustimmen wird, ohne irgendeine sonstige Verbesserung für Zivildiener herausverhandelt zu haben.

Neben dem Asylgesetz ist das also der zweite Umfaller ohne wirkliche Begründung am heutigen Tag. (Beifall der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zivildienst ist ein ganz wichtiges Element im Sozialsystem. Dass aber Zivildiener als Personalsubvention für viele Träger gehand­habt werden, ist ein Problem, was die Weiterentwicklung von Pflegeberufen zum Beispiel betrifft. Die müssten dringend weiterentwickelt werden. Diese Entwicklung wird dadurch verlangsamt, dass durch Zivildiener die größten Personaldefizite abgedeckt werden und daher eine Lösung dieses Problems nicht so dringend ist. Dass die Bun­desregierung Lücken im Sozialsystem mittels Zivildienst stopfen will, ist ihre Sache, dass die SPÖ dem auch noch zustimmt, finde ich eher tragisch.

Zivildiener bleiben also auch in Zukunft schlechter gestellt als Präsenzdiener. Ich behaupte, das ist keinesfalls damit argumentierbar, dass der Zivildienst weniger belas­tend sei als der Präsenzdienst. Das ist eine rein ideologische Beurteilung. Dass diese Ideologie, nämlich dass der Dienst an der Waffe mehr wert sein soll als der Zivildienst, junge Menschen gleich drei Monate an Lebenszeit kostet, sehe ich nicht ein. Die Grünen werden daher gegen diesen Vorschlag stimmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.21


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.21.22

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die vorliegende Novelle bringt natürlich nicht, so wie die Vorrednerin – wenn auch vergeblich – versucht hat, auszuführen, keine Ver­schlech­terungen für Zivildiener, sondern vorwiegend Verbesserungen – Verbesserun­gen im zeitlichen Kontext, Verbesserungen, was die soziale Situation betrifft, aber auch Verbesserungen, was den Dienst an sich und beispielsweise die Anrechenbarkeit betrifft.

Die Novelle, die wir heute hier zu beschließen haben, beinhaltet auch Entschließun­gen – Sie wissen das aus dem Nationalrat –, wonach sehr wohl auch über weitere Verbesserungen in der nächsten Zeit nachgedacht werden soll, insbesondere was das wichtige – da stimme ich Ihnen zu – Verpflegungsentgelt und die Höhe desselben betrifft. Es geht etwa darum, eine Mindestgrenze einzuziehen. Das können Sie nicht wegleugnen. Weiters sind die Auswirkungen der derzeitigen Novelle, der Umsetzung einer Evaluierung zu unterziehen und danach gegebenenfalls weitere Schritte zu setzen.

Mir ist es heute wichtig, weil das immer gerne verschwiegen wird, insbesondere die Verbesserungen hervorzustreichen und zwei, drei wichtige Punkte herauszunehmen. Frau Kollegin Konrad! Nehmen Sie sich auch das ein wenig zu Herzen, dass man, wenn man ein kritisches Feedback gibt, auch die positiven Dinge hervorstreichen sollte. Bei aller gebotenen unterschiedlichen Meinung, die man haben kann, sollten Sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mit dieser Novelle Verbesserungen gibt, wie etwa die Erhöhung der Pauschalvergütung. Das ist jetzt die Gleichstellung von Zivil- und Präsenzdienern, das wissen Sie. Dadurch bekommen jetzt die Zivildiener um etwa 70 € mehr Geld im Monat. Wenn ich das auf Tage umrechne, komme ich auf etwa 2 € am Tag. Weil Sie gerade von der Erhöhung des Verpflegungsentgeltes gesprochen haben: Hier ist zumindest schon eine gewisse Abhilfe geschaffen worden.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Verkürzung auf neun Monate mit der Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung auf zwölf, wodurch dann auch eine finanzielle Besser­stellung gegeben ist.

Ich denke, dass hier ein tragbarer Kompromiss gefunden wurde. Zweifelsohne hat sich auch die Junge ÖVP ein wenig mehr gewünscht, aber es sind gewisse Realitäten auch


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724. Sitzung / Seite 98

im Hinblick auf die Trägereinrichtungen zur Kenntnis zu nehmen. Und bevor man das gesamte System gefährdet, muss man auch fähig sein, einen Kompromiss zu schließen.

Und der dritte Punkt, den ich besonders hervorstreichen möchte, ist die Anrechen­barkeit, weil es ja auch zur Attraktivierung des Dienstes sehr viel beiträgt, wenn die in diesem Dienst erbrachten Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt im Sozial- und Gesundheitsbereich angerechnet werden.

Ich denke also, die vorliegende Novelle ist ein durchaus gelungener Kompromiss aus verschiedenen Interessen, ein tragbarer Kompromiss, und ich verstehe sehr wohl, dass die SPÖ dieser Novelle zustimmt. Ich bedanke mich auch für die entsprechende Bereitschaft und lege den Grünen ans Herz, darüber noch ein wenig nachzudenken und dieser Novelle doch noch zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

14.25


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Lindinger. Ich darf ihm dieses erteilen.

 


14.25.22

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Konrad! Ich stimme mit Ihnen überein, dass eine zweite Etappe der Zivildienst­reform im Konsens mit den Grünen folgen soll, aber diese sollten wir einer sozial­demokratisch geführten Regierung überlassen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Da passiert es ja nie! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Baier! Ich weiß schon, die Junge ÖVP hat sich sehr wohl Gedanken gemacht, aber die Junge ÖVP-Oberösterreich hat andere Gedanken als die Bundes-ÖVP. Die Bundes-ÖVP beharrt weiterhin auf den acht Monaten und geht hier nicht weiter, während die Junge ÖVP-Oberösterreich das richtig sieht und wie die Sozialdemokraten eine Verkürzung auf sechs Monate fordert.

Hier wäre wirklich Koordination in der Jungen ÖVP gefordert, damit man auf eine Linie kommt, denn verhandeln über die Verkürzung wird letztlich die Junge ÖVP-Bundes­organisation, weil eine Landesorganisation wahrscheinlich zu klein dafür ist. – Wir Sozialdemokraten wissen ganz genau, dass wir geschlossen für sechs Monate als Ziel eintreten werden.

Geschätzte Damen und Herren! Die Änderung des Zivildienstgesetzes ist eine längst überfällige Reparatur und zeitgemäße Anpassung an die heutigen Anforderungen – Reparatur deswegen, weil der Verfassungsgerichtshof wieder ein Husch-Pfusch-Gesetz oder Teile davon aufgehoben hat. Allein die Flut von Anträgen auf Feststellung der Verpflegungskosten bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand für die jetzt wieder aufzulösende Zivildienstverwaltungs GmbH.

Heute wird mit dieser Novelle der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Rech­nung getragen. Die Anhebung der Pauschalvergütung für Zivildiener um zirka 70 € bedeutet endlich die Gleichstellung mit den Grundwehrdienern beim österreichischen Bundesheer. In Summe beläuft sich diese Vergütung nun auf monatlich zirka 256 €.

Geradezu peinlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Bundesregierung bezie­hungsweise für die Regierungskoalition war die De-facto-Auflösung der Zivildienst­verwaltungs GmbH durch den Verfassungsgerichtshof. Es wäre noch nie einer Regie­rung eingefallen, eine so genannte Landesverteidigungsverwaltungs GmbH zu gründen, aber bei den „Zivis“ sollte es gehen, diese Agenden einer GmbH zu über­tragen. Gut ist, dass hier der Verfassungsgerichtshof die Notbremse – wie schon so oft


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bei dieser Bundesregierung – gezogen hat. In Zukunft wird die Zivildienstservice­agen­tur als Behörde des Bundesministeriums für Inneres die Agenden des Zivil­dienstes übernehmen.

Die Reduzierung der Dauer des Zivildienstes auf neun Monate ist ein Kompromiss mit den unterschiedlichen Rechtsträgern. Einige Rechtsträger hätten bei einer weiteren Verkürzung Probleme mit dem Verhältnis zwischen Ausbildungszeit und Einsatzzeit. Auch die Möglichkeit zur Leistung eines freiwilligen sozialen Dienstes wird geschaffen. Für die Behandlung von Beschwerden werden Schlichtungsstellen bei den Ländern eingerichtet. Dadurch wird der Zugang zu Beschwerdemöglichkeiten in Zukunft erleichtert.

Sie sehen, es gibt eine Fülle von Verbesserungen in dieser Novelle, sie nimmt Rück­sicht auf die Bedürfnisse der Zivildiener.

Der Zivildienst ist in Österreich eine Einrichtung für jene Menschen geworden, die aus Gewissensgründen den Grundwehrdienst beim Bundesheer nicht ableisten wollen. Viele wurden in den Anfängen des Zivildienstes als Drückeberger bezeichnet. Heute haben die Zivildiener eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe zu erfüllen. Die Zivil­diener sind aus den unterschiedlichsten Einrichtungen nicht mehr wegzudenken, sie sind ein wichtiger Bestandteil unseres sozialen Netzwerkes in Österreich – sei es in Krankenhäusern, Altenheimen, im Rettungswesen oder in vielen anderen Einrichtun­gen. Wir wollen jenen jungen Menschen den Weg zum Zivildienst erleichtern, die bei der Ableistung des Grundwehrdienstes in Gewissensnot kommen würden.

Für Verbesserungen bei der Ableistung des Zivildienstes werden wir auch weiterhin eintreten. Wir Sozialdemokraten werden auf unsere Forderung nach einer weiteren Absenkung der Dauer des Zivildienstes nicht vergessen, werden diese aufrecht­erhalten und stimmen auf dem Weg dorthin heute dieser Änderung zu. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

14.31


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Prokop. Ich darf es ihr erteilen.

 


14.31.14

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch hier ein Danke sagen für die wirklich angenehme und intensive Diskussion, die wir führen konnten.

Der Wehrersatzdienst, der Zivildienst, hat längst – und da kann ich dem Herrn Bun­desrat nur zustimmen – eine eigenständige Bedeutung erlangt: Er ist aus dem Bereich der sozialen Sicherheit, aber auch aus dem Bereich der zivil- und bürgerrechtlichen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Längst ist nicht mehr von Drückebergern die Rede.

Allein im Vorjahr hatten wir 10 000 Zivildiener bei 1 000 anerkannten Zivileinrichtun­gen – also eine gewaltige Zahl. Ich weiß als ehemalige Soziallandesrätin sehr genau, worum es hier geht, und ich weiß, was Zivildiener leisten, ich weiß aber auch, was die Hilfs- und Pflegeeinrichtungen und Rettungsorganisationen leisten. Und ich weiß, dass ein funktionierender Zivildienst einfach dazugehört, um das alles auch aufrechterhalten zu können.

Es ist ein großer Irrtum, dass uns durch den Zivildienst eventuell Pflegekräfte abhan­den kommen und dass hier billige Arbeitskräfte zum Einsatz kommen. Das ist eine Ergänzung zum System! Ich weiß, wovon ich rede – ich bin 23 Jahre lang als Sozialreferentin tätig gewesen –, und ich weiß, wie schwierig es ist, diese Ausbildung zu absolvieren, die ja eine sehr umfassende ist. Der Zivildiener ist ausschließlich eine


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Hilfe und Ergänzung, um den gut ausgebildeten Pflegekräften die Arbeiten, die diese nicht tun müssen, abnehmen zu können und dadurch deren Arbeit zu erleichtern. – Daher ist diese Feststellung grundfalsch, das muss ich wirklich sagen.

Ein funktionierender Zivildienst ist daher für unsere Gesellschaft notwendig, und wir haben diese Modernisierung und auch Verbesserung erreichen wollen. Ich habe es schon zu Beginn definiert, als ich mit der Arbeit begonnen habe: Zum Ersten die Aufrechterhaltung der sozialen Sicherheit, wo die Zivildiener ihren Beitrag leisten können, zum Zweiten die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Zivildienstleis­tenden und zum Dritten eine Verkürzung der Zivildienstdauer – das waren die Rahmenbedingungen, die wir von Anfang an hatten.

Wir mussten natürlich auch Spannungsverhältnissen begegnen, wie etwa den Anfor­derungen, die die Trägerorganisationen gerade im Hinblick auf den Bedarf, aber auch auf ein tragbares Verhältnis zwischen Ausbildungs- und Einsatzzeit definiert haben. Das ist in den Diskussionen mit den Trägerorganisationen, die den Zivildienern eine intensivere Ausbildung geboten haben, sehr eindeutig und sehr stark zum Tragen gekommen.

Und zum Zweiten war es ganz, ganz wichtig, die Anforderungen der jungen Männer selbst in Hinsicht auf ihren Umgang mit ihrer Lebenszeit oder ihren eigenen Lebens­entwürfen klarzustellen.

Und letztlich ging es vor allem auch um die Frage: Wie kann man auch schon versuchsweise mit der freiwilligen Verlängerung für eine eventuelle – sicher jetzt nicht zur Diskussion stehende – Abschaffung der Wehrpflicht Vorleistungen erbringen, wie kann man eine freiwillige Dienstleistung etablieren?

Es war daher von Anfang an klar, dass wir den Zivildienst verkürzen wollen, und im Rahmen dieser Arbeit war es auch notwendig, sich damit auseinander zu setzen, wie man den Zivildienst attraktiver machen und die Rahmenbedingungen verbessern kann. – Und dieses Paket hat nunmehr in sieben Punkten genau das enthalten. Wer es negativ lesen will, wird das nicht lesen, aber es sind sehr, sehr viele Verbesserungen darin; ich bin auch dankbar, dass das schon aufgezeigt wurde.

Zum einen wurde der finanzielle Betrag an die Grundpauschale beim Bundesheer mit 256 € angepasst. Das Thema der Verpflegskosten ist diskutiert worden. Es hat der Verfassungsgerichtshof keine Zahl genannt, er hat nur die „Angemessenheit der Ver­pflegung“ neuerlich definiert, und wir erwarten im Herbst eine diesbezügliche Ent­scheidung. Daher gibt es auch einen Entschließungsantrag, in dem ich aufgefordert werde, unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, die kommen wird – denn alles, was wir jetzt gemacht hätten, hätte falsch sein können, in jeder Form falsch sein können –, die notwendigen Schritte zur Präzisierung einer Mindesthöhe eines angemessenen Verpflegsgeldes für Zivildiener einzuleiten. Und ich glaube, das ist der absolut richtige Weg, und so hat sich auch der Innenausschuss damit befasst.

Wir wollen aber vor allem auch, dass der junge Mann die Zivildienstzeit als gewonnene Zeit empfindet und erlebt. Das heißt, persönlichkeitsbildende Erfahrungen, Qualifi­kation und soziale Kompetenz sollen herausgestrichen werden. Mit dem Kompetenz­nachweis und dem Praxisnachweis ist es möglich, dass er seine sozialen Kenntnisse, seine Fähigkeiten und seine praktische Verwendung, die ja in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich ist, in den Arbeitsmarkt, wo heute soziale Kompetenz nachgefragt wird, einbringt; er kann sie damit dokumentieren. Und wir hoffen, dass wir auch zu einer Anrechenbarkeit dieser Zeit als Praxiszeit kommen. Dazu gibt es Gespräche mit den Bundesländern, aber natürlich auch mit dem Gesundheits- und Sozialministerium.


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Ein Ziel ist auch, dass wir Männer noch stärker – und da gebe ich Ihnen jetzt Recht – für den Sozialbereich begeistern, dass sie noch stärker auf diese Berufe zugehen.

Und zum Vierten wollen wir den Anreiz im freiwilligen Engagement verstärken. Das heißt, dass bewusst nach der Tätigkeit bei den Organisationen, im Anschluss an den Zivildienst freiwillig um drei Monate verlängert wird. In dieser Zeit ist der Betroffene sozialrechtlich abgesichert – Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege-, Unfall- und Pensions­versicherung –, und er bekommt 500 € monatlich.

Es ist nicht richtig, dass hier das Rote Kreuz dagegen war, sondern es war auch ein Vorschlag dieser Organisation, es in dieser Form zu machen. Gerade die Blaulicht-Organisationen, die die aufwendigste Ausbildung haben, erwarten sich relativ viele, die diese Möglichkeit der Verlängerung wahrnehmen werden.

Die Zivildienstleitungen werden auch die Ableistung des Dienstes erleichtern. Wir streben hier flexiblere und zusätzliche Zuweisungstermine an – auch das etwas sehr, sehr Wichtiges. Damit können Beruf und Studium der jungen Männer planbarer gestal­tet werden, aber auch die freiwillige Zivildienst-Verlängerung leichter wahrgenommen werden.

Zusätzlich wird die Zivildienstserviceagentur dem Servicegedanken sowohl für die Zivil­dienstleistenden als auch für die Träger noch stärker Rechnung tragen.

Hinsichtlich der Dauer des Zivildienstes möchte ich sagen, dass ich glaube, die neun Monate sind eine sehr gute Lösung. Der Zivildienstleistende wird damit nicht überfor­dert, und gleichzeitig wird sichergestellt, dass die Hilfs-, Pflege- und Rettungsorgani­sationen auch in Zukunft die Zahl an ausgebildeten Zivildienern haben, die sie brauchen. Man muss nämlich bedenken, dass wir ja nicht mehr junge Leute haben, die das machen werden. Man muss jetzt mit drei Monaten weniger die gleiche Arbeit machen, das heißt, es werden weniger zur Verfügung stehen. Wir können nur hoffen, dass möglichst viele freiwillig verlängern werden.

Es werden vor allem die Sozial- und Behinderteneinrichtungen als Trägerorgani­sationen auch mehr Geld bekommen.

Insgesamt ist zu sagen, dass mit diesen neuen Regelungen für den Zivildienst auch für die Zukunft ein gutes Bestehen gesichert ist. Ich möchte daher wirklich allen Stellen danken, die das überhaupt erst möglich gemacht haben. Es waren zu allererst die Mitglieder der Zivildienst-Reformkommission mit dem Vorsitzenden Fredy Mayer, die hier wirklich großartige Arbeit, auch grundlagenforschende Arbeit für dieses Werk geleistet haben.

Ich möchte allen Vertreterinnen und Vertretern der Hilfs- und Pflegedienste sowie den Rettungseinrichtungen für die wirklich konstruktive, zum Teil sehr intensive und zum Teil auch sehr kritischen Beiträge und Hinweise ein Dankeschön sagen. Ich möchte meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die professionelle Erstellung dieses Ge­setzeswerkes ein Danke sagen. Und ich möchte vor allem nochmals den Parlaments­fraktionen für die aktive Beteiligung an diesem Erneuerungsprozess ein Danke sagen.

Wir brauchen hier die verfassungsrechtliche Mehrheit. Ich bin froh, dass wir sie erreichen konnten, und ich glaube, dass wir wie im fremdenrechtlichen Bereich auch in diesem Fall alle Meinungen ernsthaftest geprüft und versucht haben, den optimalen Konsens in der Entscheidung zu finden.

Ich denke, dass uns der Erfolg Recht geben wird. Der Zivildienst wird verfassungs­mäßig auf einen breiten parlamentarischen Konsens gestellt. Ich bin der Meinung, dass wir damit für die soziale Sicherheit in Österreich sowohl im Interesse der Zivildiener als auch im Interesse jener, die diese Hilfe in Anspruch nehmen, eine solide Arbeit


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 102

geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Wiesenegg.)

14.41


Präsident Peter Mitterer: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Berichterstatter ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Bericht des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich fest, dass die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit gegeben ist.

14.43.00 6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderun­gen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundes­sozial­amtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden (836 d.B. und 1028 d.B. sowie 7341/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundes­verfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (832 d.B., 156/A, 431/A und 1029 d.B. sowie 7342/BR d.B.)

 



Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 103

Präsident Peter Mitterer: Nun gelangen wir zu den Punkten 6 und 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Höfinger. Ich bitte um die Berichte.

 


14.43.17

Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und das Behinderten­ein­stellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden.

Hoher Bundesrat, der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun komme ich zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundes­verfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 BV-G die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte.

 


14.45.00

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre (in Richtung der Staatssekretäre Morak und Dolin­schek, die jeweils rechts und links vom Rednerpult auf der Regierungsbank Platz genommen haben), zu beiden Seiten! Werte Damen und Herren! Seit den neunziger Jahren ist es eigentlich zu einem allgemeinen Umdenken hinsichtlich unserer eigenen Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung gekommen. Als Folge dieses Um­denkens beschloss der Nationalrat, an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 7 Absatz 1 der Bundesverfassung anknüpfend, dass niemand wegen seiner Behinderung diskriminiert oder benachteiligt werden darf.

Zum Behindertengleichstellungsgesetz gab es eine europäische Richtlinie, die bis zum Jahr 2003 hätte umgesetzt werden sollen. Auf Grund eines Vier-Parteien-Ent­schließungsantrages und vieler Bemühungen und Initiativen engagierter Interes­sen­vertretungen und engagierter Menschen sollte die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung hergestellt werden. Daraus ergab sich ein durchaus sehenswerter Vorent­wurf seitens des Ministeriums, der jedoch im Rahmen der vielen Begutachtungen leider vieles an Ecken und Kanten verloren hat.


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724. Sitzung / Seite 104

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Ihnen ein bisschen ein Gefühl zu ver­mitteln, von wie vielen Menschen wir hier reden: Wir sprechen von 800 000 Menschen in Österreich, die Familien haben, die Angehörige haben, die Freunde und Bekannte haben und die täglich vor der Herausforderung stehen, welchen Zugang und welche Möglichkeit sie haben, ihren Tag selbst zu gestalten.

Der SPÖ fehlen im vorliegenden Entwurf jene Paragraphen, die eine konkrete und praktische Umsetzung eines nachhaltigen und auf Rechtsansprüchen basierenden, effizienten Behindertengleichstellungsgesetzes ermöglichen würden.

Ich möchte unsere Kritikpunkte anhand von einigen Beispielen erläutern, beginnend damit, dass der Begriff „Behinderung“ im Gesetz nicht definiert ist. Wir könnten uns durchaus vorstellen, dass die Definition zum Beispiel folgendermaßen lauten könnte: Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, organische oder psychi­sche Schwächen aufweisen, sinnesbehindert sind, aber auch Menschen mit Lern­schwächen.

Der im Entwurf definierte Anwendungsbereich ist zwar sehr umfassend, aber viele einzelne Anwendungsbereiche sind, so glaube ich, noch nicht einmal gedanklich erfasst. Erfasst ist zwar die Zugänglichkeit zu öffentlichen Verkehrsmitteln, aber nicht zu Geschäftslokalen oder zur Nutzung des Internets. Weiters fehlt nach wie vor das Verbot der Diskriminierung außerhalb der Arbeitswelt.

Durchaus positiv ist ein Beitrag der Landesstelle des Bundessozialamtes hinsichtlich des angebotenen Schlichtungsverfahrens, wobei auch gleichzeitig ein Mediations­verfahren anhängig sein und in Anspruch genommen werden kann und den Parteien daraus keine Kosten entstehen. Kommt es jedoch zu keiner Einigung innerhalb von drei Monaten, so kann das Handelsgericht angerufen werden und die Person mit Behinderung trägt das Kostenrisiko bei Verlust des Verfahrens leider zur Gänze.

Ein wichtiger Kritikpunkt ist die komplizierte Ausgestaltung der Verbandsklage. Behin­derte Menschen haben oft nicht den finanziellen Hintergrund, Juristen und Anwälte mit ihren Anliegen zu beschäftigen. Die Verbandsklage gibt dem Dachverband der Behin­dertenverbände die Möglichkeit, behinderte Menschen zu unterstützen. Sie bedarf jedoch wieder einer Zustimmung des Bundesbehindertenbeirates, der zwar aus 25 Personen besteht, jedoch nur zweimal jährlich tagt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die rechtliche Stellungnahme betreffend Kompetenzen des Behindertenanwalts oder der Behindertenanwältin. Während Tierschutzombudsleute, UmweltanwältInnen und GleichbehandlungsanwältInnen unter anderem Parteienstel­lung und weit reichende Kompetenzen genießen, wird dies dem Behindertenanwalt oder der Behindertenanwältin nicht zugestanden.

Der Anwalt/die Anwältin soll vom Minister bestellt werden und ist zuständig für Bera­tung und Unterstützung der betroffenen Personengruppe. Er/sie kann Sprechstunden oder sogar Sprechtage abhalten, und – was zumindest im Gesetz steht – er/sie ist weisungsfrei und selbständig.

Was zusätzlich dazu kommt, ist, dass er/sie Untersuchungen durchführen, Berichte veröffentlichen und Empfehlungen erteilen kann, jedoch muss er/sie jährlich nur einen Bericht an das Ministerium richten; ebenso einen mündlichen Bericht an den Bundes­behindertenbeirat, jedoch nicht an das Parlament.

Trotz zweimaligen Nachfragens haben die Beamten des Ministeriums im Ausschuss behauptet, dass der Behindertenanwalt weisungsfrei sei. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schlichtweg falsch! Man braucht dazu eine Verfassungs­kompetenz, jedoch wurde bezüglich der Funktion des Behindertenanwalts keine Verfassungskompetenz eingebaut.


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724. Sitzung / Seite 105

Gleichzeitig befassen wir uns auch mit der Novelle zum Behinderteneinstellungs­gesetz, wonach bauliche Barrieren am Arbeitsplatz – wieder mit der Minderung: „soweit es dem Arbeitgeber zumutbar ist“ – beseitigt werden müssen, und gleichzeitig ver­pflichtet es den Dienstgeber, gegen Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen.

Die Umsetzung der Barrierefreiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist sehr, sehr schwammig formuliert. Während im Begutachtungsentwurf noch die Klagsmög­lichkeit auf Unterlassung und Beseitigung von Barrieren vorgesehen war, lässt der nunmehrige Entwurf nur noch eine Klage auf Schadenersatz zu. Das Einzige, was in diesem Entwurf fix geregelt ist, ist, wann gewisse Dinge in Kraft treten sollen.

Da der Entwurf am 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll, sind diese Übergangs­bestim­mungen meines Erachtens viel zu lange. Was das Verlangen betrifft, bauliche Barrieren sofort abbauen zu lassen: In diesem Zusammenhang sind Strafen von 1 000 € reinstes Placebo!

Für Bauwerke mit einer Baubewilligung vor 1. Jänner 2006 – gleiches gilt auch für Verkehrsmittel, Verkehrseinrichtungen und Schienenfahrzeuge – gilt eine Umsetzungs­zeit bis zum Jahre 2015. – Meine Damen und Herren, das ist eindeutig zu lange! Was öffentliche Verkehrsmittel anlangt: Dafür gibt es einen Zeitrahmen bis 31. Dezember 2008, was aber für Menschen mit Behinderung auch viel zu lange ist.

Mit der vorliegenden Regierungsvorlage werden auch EU-Richtlinien mit zirka zweijäh­riger Verspätung – und das mehr als mangelhaft – umgesetzt. Die Schadenersatz­ansprüche für die bewiesene Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsver­hältnisses sind nicht wirksam und auch nicht abschreckend, denn die maximale Strafe beträgt lediglich 500 €!

Auch dem Thema Bildung wurde nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet. Viele haben im Umgang mit behinderten Menschen Ängste und Hemmschwellen. Ein Abbau dieser Gefühle und Barrieren funktioniert daher am besten so, dass man solche Gefühle erst gar nicht entstehen lässt. Ein selbstverständliches Miteinander an Schulen von Kindesbeinen an würde sich daher geradezu als Lösung aufdrängen. Die Integration ist zwar gesetzlich verankert, wird aber unterschiedlich gehandhabt – und endet mit dem neunten Schuljahr.

Kaum Effekte für Betroffene gibt es auf dem Arbeitsmarkt. So sind im Jahre 2003 32 000 Stellen der 84 000 Pflichtstellen für behinderte Menschen nicht besetzt ge­wesen. Nicht einmal ein Viertel der Unternehmer hat die Einstellungspflicht erfüllt – und zahlt lieber die Ausgleichstaxe; dadurch wurden im Jahre 2003 75 Millionen € einge­nommen.

Wünschenswert wäre gewesen, wenn man der Intention der Antidiskriminierungs­richt­linie der EU mehr nachgekommen wäre, nämlich den Zugang behinderter Menschen zu Arbeitsplätzen zu erleichtern. Eine Betriebsvereinbarung zum Beispiel könnte die gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers konkretisieren. Außerdem wäre solch eine Vereinbarung ein positives Signal innerhalb eines Unternehmens und könnte zur Sensibilisierung beitragen. – Warum das in diesem Entwurf nicht vorgesehen ist – obwohl kostenfrei und frei gestaltbar –, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten hat sich dieser Personengruppe beson­ders angenommen. Wir haben die meisten Behindertenvertrauensleute; ebenso haben wir die meisten Landesausschüsse im Behindertenbereich.

Folgende Kritik möchte ich auch noch anbringen: Ich vermisse in diesem Entwurf die Förderung des Behindertensports, die finanzielle Absicherung von pflegenden Ange­hörigen, die Schaffung einer günstigen Selbstversicherung für pflegende Angehörige sowie die Evaluierung und Weiterführung der Behindertenmilliarde – obwohl das Sie,


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 106

meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in Ihrem Regierungs­programm 2003 unter Punkt 8, Arbeit und Soziales, angeführt haben.

Ein wirklich wirksames Behindertengleichstellungsgesetz muss volle Bürgerrechte und volle Gleichberechtigung in Bildung, Beruf und Freizeit zum Ziel haben. Trotz zahl­reicher Bemühungen ist die Regierungsvorlage in Summe unzureichend, um Men­schen mit Behinderung ein wirksames Instrument für gesellschaftliche Gleichstellung in die Hand zu geben. Und daher werden wir diesem Entwurf in der vorliegenden Form keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Noch ganz kurz zur Anerkennung der Gebärdensprache, der ja eine sehr lange Dis­kussion vorangegangen ist: Schätzungen zufolge gibt es heute in der Europäischen Union zirka 1,6 Millionen gehörlose Menschen. Diese Menschen haben oft Sprach­schwierigkeiten; die Gebärdensprache ist für die meisten von ihnen eine oder sogar die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken.

Die Gebärdensprachen sind wissenschaftlich als eigenständige und vollwertige Sprachen anerkannt. Die Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung soll daher ein Schritt zur Verbesserung der Situation dieser Bevölkerungs­gruppe sein. Daher werden wir diesem Entwurf zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.57


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses.

 


14.57.35

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatsekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, der Anerkennung der Gebärdensprache und der Verankerung in der Verfassung wurde nach einem jahrelangen Verhandlungsmarathon ein guter Kompromiss für eine gesetzliche Regelung gefunden. Wichtig ist auch für Gehörlose, dass sie dadurch besser am Bildungssystem teilnehmen können und die Integration und die Chance, am Leben aktiv teilzunehmen, wesentlich größer werden.

Wenn Sie, liebe Kollegin Lueger, alles, was Sie vorher erwähnt haben, in dieses Behindertengleichstellungsgesetz hineinpacken wollen, dann muss ich Ihnen aber schon sagen, dass da vielfach auch eine Querschnittmaterie anzuwenden ist, dass eben Behindertengesetze Querschnittmaterien sind. Man kann doch nicht alles in dieses Gesetz mit hineinpacken. Da müssen wir das Ganze schon differenziert betrachten!

Da Sie auch die Behindertenmilliarde angesprochen haben: Diese hat diese Bun­desregierung erst eingeführt (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!) – und jetzt gleich zu verlangen, das zu evaluieren, das ist schon gut und recht, aber eingeführt haben es wir, und das war ein wichtiger Schritt, das muss ich hier schon betonen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist ein wichtiger Auftrag, und zwar sowohl für Behinderte als auch für Nicht-Behin­derte, gemeinsam am Abbau von Barrieren zu arbeiten. Die Barrierefreiheit nimmt im neuen Gesetz einen besonderen Stellenwert ein, denn bei sämtlichen Neubauten und Generalsanierungen im öffentlichen Bereich ist eine behindertengerechte Prüfung und Umsetzung erforderlich und angesagt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Aber auch der private Bereich wird in diesem Gesetz mit einbezogen. – Für Gesamt­österreich ein solches Gesetz hinsichtlich Barrierefreiheit zu schaffen, das wird wahrscheinlich noch einige Zeit dauern. Zugegeben: Bei diesem Gesetz haben wir einige Übergangsfristen – und das ist, zugegeben, natürlich dieser angesprochene


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Kompromiss mit der Wirtschaft. Man kann heute nicht sozusagen den Rollbalken herunterlassen, und morgen muss alles sofort behindertengerecht adaptiert sein. Dazu bedarf es eben gewisser Übergangsfristen. Das wird man doch in aller Deutlichkeit hier anfügen dürfen.

Sie haben gesagt: Dieses Gesetz hat Ecken und Kanten. – Genau das können wir in der Behindertenarbeit nicht brauchen. Gerade Ecken und Kanten müssen abgebaut werden. Und das ist mit diesem Gesetz in einem ersten Schritt geschehen, das muss man in aller Deutlichkeit sagen.

Ich sage Ihnen jetzt auch etwas als Obmann einer Lebenshilfeeinrichtung in Vorarl­berg, die mehr als hundert Behinderte und Schwerstbehinderte betreut, mit ihnen arbeitet, ihnen Wohnung und Therapie anbietet. Ich kann bestätigen, es ist ein gelungener Anfang. Wir haben eine gute Handhabe, Behindertenarbeit in Österreich den erforderlichen Stellenwert zu geben, und beginnen einen Prozess, den wir kon­tinuierlich weiterentwickeln können.

Allerdings – und das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen – gibt es auch ohne dieses Gesetz Möglichkeiten, intensiv am Abbau von Barrieren zu arbeiten. Ich darf diesbezüglich das Land Vorarlberg in besonderer Weise hervorheben und in diesem Zusammenhang die Stadtgemeinde Feldkirch erwähnen, in der seit mehr als 25 Jahren ein Stammtisch für Behinderte und Nichtbehinderte eingerichtet wurde, wo in Ange­legenheiten der behinderten Menschen beraten werden.

In der Stadt Feldkirch wird jedes neue Gebäude nach behindertengerechtem Ausbau überprüft, Gebäude werden grundsätzlich behindertengerecht saniert. Es gibt eine ständige Arbeitsgruppe, die sich mit dieser Behindertenarbeit auseinander setzt. Sie heißt „Menschengerechte Umweltgestaltung“ und wurde von der Stadtvertretung mit einem einstimmigen Beschluss bereits im Jahr 1996 eingeführt.

Ebenfalls im Jahr 1996 haben wir Richtlinien erlassen, die auch einstimmig in der Stadtvertretung beschlossen wurden. Unsere Thesen, unsere Richtlinien über behin­dertengerechtes Bauen wurden allen Architekten des Landes übermittelt. Jede neu errichtete soziale Wohnanlage beinhaltet einen Prozentsatz an barrierefreien und deshalb auch behindertengerechten Wohnungen. Feldkirch ist die dreizehntgrößte Stadt Österreichs und hat 31 000 Einwohner.

Dies bedeutet, dass die österreichischen Gemeinden und Bundesländer auch aus gewisser Eigenverantwortung handeln könnten und sich freiwillig um das menschen­gerechte Leben und das menschengerechte Bauen bemühen könnten. Wir müssen nicht alles per Gesetz regeln und Behindertenarbeit nur in Form von Gesetzen vollziehen.

Jetzt komme ich auch noch auf die Stadt Wien zu sprechen. In der Stadt Wien gibt es zum Beispiel seit dem Jahr 1970 Verordnungen über behindertengerechtes und men­schengerechtes Bauen. Das wird in Wien seit dem Jahr 1970 nicht umgesetzt! (Bundesrat Gruber: Ah geh!) Wien ist der größte Wohnbauträger Österreichs, einer der größten Europas! Da könnte man natürlich im eigenen Land Wien zuerst darauf schauen, dass behindertengerecht gearbeitet wird. (Bundesrätin Lueger: Diese Unter­stellung stimmt so nicht!) Das ist ein ganz wichtiger Punkt, liebe Kollegin Lueger. (Bundesrat Gruber: Unterstellung!  – Bundesrätin Lueger: Das ist falsch!) – Das ist keine Unterstellung. Das ist bewiesen und kann hier von mir deutlich wiederholt werden.

Es gibt natürlich nicht nur Initiativen in Vorarlberg, sondern auch in anderen Ländern. Ich möchte Ihnen an einer besonderen Initiative kurz vorstellen, wie Behindertenarbeit neben gesetzlichen Regelungen gelöst werden kann. Es gibt ein Projekt aus Nieder-


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österreich: Eine neue Arbeitsstiftung soll Jobaussichten verbessern. „Job 2000“ wird das Ganze genannt. Niederösterreich hat knapp 4 000 Arbeitslose, die behindert sind, insgesamt 31 000.

Wir wissen natürlich, dass Behinderte einem besonderen Kündigungsschutz unter­liegen. Das ist auch richtig so. Das schreckt aber natürlich die Unternehmer in einer gewissen Form ab, Mitarbeiter mit psychischem und physischem Handicap einzu­stellen. Eine neue Arbeitsstiftung soll Firmen diese Berührungsängste nehmen.

Das AMS und die Wirtschaftskammer Niederösterreich wollen dem Ganzen mit einem besonderen Projekt entgegenkommen. Um Unternehmungen von diesen Bestimmun­gen zu befreien, besteht ab sofort die Möglichkeit, Behinderte sozusagen zu leasen, wie es auch Leasingarbeiter gibt. Anfallende Lohnkosten trägt die Firma. Das Risiko liegt beim AMS.

Die Behinderten werden von dieser Initiative „Job 2000“ beschäftigt. Dieser Verein verleiht die Arbeitskräfte an eine entsprechende Firma. Wenn die Arbeitskraft nicht den Vorstellungen entspricht, geht sie wieder zurück zum Verein. In diesem Falle gibt der Verein den Behinderten maximal für ein Jahr Arbeit. Während dieser Zeit ist das AMS um eine anderweitige Jobvermittlung bemüht.

Ziel ist es aber, dass der Behinderte den Anforderungen entspricht und dann in ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis übernommen wird. Eine vorbildliche Initiative des AMS mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Daher darf ich Frau Bundesrätin und Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich Zwazl recht herzlich zu diesem Projekt gratulieren. Vorbildlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie der Bundesrätin Bachner.)

Es stehen in diesem Zusammenhang noch intensive Verhandlungen mit den Ländern bevor, denn jedes Bundesland hat bekanntlich seine eigene Bauordnung. Für Vorarl­berg – so denke ich – können wir schon heute einer allfälligen 15a-Vereinbarung unsere Zustimmung geben, denn Behindertenarbeit soll in ganz Österreich den gleichen Stellenwert haben.

In diesem Behindertengleichstellungsgesetz findet sich auch der Behindertenanwalt wieder – von Ihnen angesprochen, liebe Kollegin –, der weisungsfrei – ich denke, das ist wirklich nicht mehr Anlass zur Diskussion, das ist zementiert – seine Tätigkeit aufnehmen und durchführen kann und somit auch in alle Schlichtungsverfahren involviert und selbstverständlich mit Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat vertreten ist.

Dieser Bundesbehindertenbeirat soll lieber zwei Mal tagen – das wird am Beginn so sein –, als überhaupt nicht tagen! Das möchte ich hier in aller Form anfügen. Ich denke, die Diskussion ist ausreichend geführt und wird auch dementsprechend umgesetzt werden.

Die bisherige Bilanz unserer Regierung in Hinsicht darauf, dass die Anliegen behin­derter Menschen in Österreich in guten Händen sind, haben wir – so denke ich – ausdrücklich bestätigt. Mit konkreten Maßnahmen und Verbesserungen stellen wir sicher, dass die Lebensqualität auch benachteiligter Gruppen unserer Gesellschaft gehoben und Barrieren im Alltag abgebaut werden. Wir werden auch in Zukunft dafür arbeiten, dass die Integration und Gleichstellung behinderter Menschen ausgebaut und somit die Chancengleichheit verbessert wird.

Der österreichische Weg der Gleichbehandlung und Antidiskriminierung geht mit dem Behindertengleichstellungsgesetz weit über die EU-Richtlinien hinaus. Es ist ein guter Beginn, und ich darf mich bei den Verantwortlichen des Sozialministeriums, Frau Bundesministerin Haubner und Herrn Staatssekretär Sigi Dolinschek, für ein


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hervorragendes Gesetz, einen hervorragenden Beginn bedanken. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


15.07.02

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich vor etwa zwei Monaten mit einer jungen Frau unterhalten, die gerade dabei war, sich eine Eigentumswohnung zu kaufen. Sie hat sich bitter darüber beklagt, dass sie, obwohl diese Wohnung nur im ersten Stock liegt, auch die Kosten für den Lift mitfinanzieren muss, und hat gemeint: Und dann haben mir diese Leute erklärt, es sei wegen der Barrierefreiheit wichtig, dass es diesen Lift gibt. – Dann habe sie gesagt, was interessiere sie das, sie sei ja gesund, sie sei ja nicht alt, sie könne sich das ja dann später, wenn sie alt sei, entsprechend nachfinanzieren.

Dieses Beispiel hat mir sehr gut klar gemacht, dass es offenbar noch ein weiter Weg ist, bis das Bewusstsein in unserer Gesellschaft tatsächlich verankert ist, dass diese Menschen einen Anspruch darauf haben und dass es nicht ausschlaggebend sein darf, ob man körperbehindert oder alt ist, dass man problemlos in seine Wohnung kommen kann. Dieses Bewusstsein ist noch nicht weit genug verankert. Insofern ist es auch keine Überraschung, dass das Gesetz, das wir heute diskutieren, noch nicht weit genug geht, um tatsächlich alle Bedürfnisse abzudecken.

Wir befassen uns in dieser Diskussion mit zwei Punkten: einerseits mit der Änderung der Bundesverfassung, durch die die österreichische Gebärdensprache offiziell aner­kannt wird, und mit dem Behindertengleichstellungsgesetz. Dieser Verfassungsände­rung werden wir natürlich zustimmen. Es ist ein wichtiger symbolischer Akt, dass die Gebärdensprache endlich anerkannt ist, aber leider war es nicht möglich, auch gleichzeitig einen Zeithorizont für die Umsetzung der daraus erforderlichen Maßnah­men festzulegen. Die Anerkennung der Gebärdensprache allein reicht nämlich noch nicht. Im Gesetz steht, die österreichische Gebärdensprache ist anerkannt, das Nähere bestimmen die Gesetze. – Dafür einen Zeitrahmen festzusetzen, wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass dieser symbolische Akt auch tatsächlich in absehbarer Zeit zu direkten Ergebnissen führt.

Wenn mein Vorredner gemeint hat, diese Regelung bedeute, dass hörbehinderte Menschen automatisch einen viel besseren Zugang zu Bildung haben, dann muss ich sagen: Nein, leider nicht, denn diese Formulierung alleine bringt noch keine Verbes­serungen. Die muss erst mit tatsächlichen Handlungen gefüllt werden. Ich würde gerne wissen, in welcher Zeit das passiert. Ich konnte leider auch im Ausschuss keine Antwort auf diese Frage bekommen.

Dieses Beispiel zeigt auf, dass das Behindertengleichstellungsgesetz, dieser andere Punkt, mit dem wir uns heute befassen, große Schwachstellen hat. Beispielsweise finden sich in puncto Gebärdensprache keine Richtlinien für die Inanspruchnahme und Finanzierung von Gehörlosendolmetscherinnen und -dolmetschern und deren Aus­bildungsstandards. Zumindest die Ausbildungsstandards halte ich für einen sehr wichtigen Punkt, der gesetzlich festgelegt werden sollte, damit geregelt ist, was die Ansprüche in dieser Ausbildung sind.

In der Frage der Barrierefreiheit wurde schon kritisiert, dass die Übergangsfristen sehr lange sind. Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass Universitäten und Bundesmuseen aus dieser Regelung ausgenommen sind.


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Die Tatsache, dass es keinen Beseitigungsanspruch für behinderte Menschen gegen Baubarrieren gibt, ist wieder ein Zeichen dafür, dass nicht verstanden wurde, dass es nicht darum geht, Schadenersatz einzufordern oder zu sagen: Entschuldigung, ich werde diskriminiert, weil ich nicht Zugang zu diesem Gebäude habe! – Es müsste eigentlich Standard sein, dass diese Barrieren ganz automatisch beseitigt werden, wenn einmal festgestellt wurde, es liegt eine Behinderung im Zugang vor. Das ist jedoch leider nicht der Fall.

Auch die Tatsache, dass Baurecht Länderkompetenz ist, wird die Sache einigermaßen verzögern, so befürchte ich. Ich hoffe, dass viel Energie darin investiert wird, schnell eine Einigung mit den Ländern zu finden, damit auch die Länder diese Regelungen möglichst bald umzusetzen beginnen.

Was das Verbandsklagerecht betrifft, möchte ich Folgendes sagen: Ich halte es nicht gerade für ein schlagendes Argument, dass diese Sitzungen ohnehin zweimal im Jahr stattfinden und das besser sei als kein Mal. Es ist gut, wenn diese Sitzungen statt­finden. Es ist auch schön, dass die Mitglieder dieses Bundesbehindertenbeirates zusätzliche Sitzungen einberufen können, aber allein, dass es diese Zweidrittel­mehrheit braucht, halte ich für eine weitere Hürde für den Zugang zu dieser Verbandsklage.

Dass der Bereich Bildung nicht einmal erwähnt ist, finde ich sehr bedauerlich. Es ist kein Recht auf Integration im vorschulischen Bereich oder nach der Schulpflicht gesetzlich verankert. Vor allem der vorschulische Bereich zum Beispiel bietet eine sehr gute Möglichkeit, gesellschaftsverändernd zu wirken. Kleine Kinder sind sehr offen dafür, sich aufeinander einzustellen. Integration im vorschulischen Bereich hätte große Chancen. Dass dieses Recht hier nicht verankert ist, ist sehr bedauerlich.

Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Behinderten Menschen das zu ermöglichen, wird immerhin in § 1 des Gesetzes als Gesetzesziel genannt. Insofern hätte auch der Bereich Bildung viel stärker berücksichtigt und thematisiert werden müssen.

Ich habe schon erwähnt, es gibt kein Recht für behinderte Menschen, auf Unterlassung oder Beseitigung der Diskriminierung zu klagen, sondern nur auf Schadenersatz. Das halte ich nicht für ausreichend.

Es gibt natürlich einige Änderungen, vor allem im Bereich des Arbeits- und Zivilrechts, die positive Auswirkungen haben werden. Es gibt also etwas mehr Rechte, aber es ist immer noch ein langer Weg, bis wir wirklich davon reden können, in einer Gesellschaft zu leben, die für alle Menschen gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten bietet.

Die Chance, ein umfassendes und schlagkräftiges Gleichstellungsgesetz zu verfassen, wurde nicht genützt. Auch weiterhin werden Menschen mit Behinderungen auf Hilfe angewiesen sein, und sie werden nicht automatisch jene gesellschaftlichen Rahmen­bedingungen finden, die es bräuchte, um ihnen wirklich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.13


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


15.13.18

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Mit dem gegenständlichen Gesetz­entwurf, dem Behindertengleichstellungsgesetz, sollen – so denke ich – mehrere Ziele erreicht werden.


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Ich denke, erstes Ziel ist es, dass die Gleichstellung für Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen geschaffen und gefördert wird. Das ist ein Thema, das für uns alle, meine Damen und Herren, außer Zweifel stehen sollte. Dem wird sich wohl niemand hier in diesem Hause verschließen können. Wie ich meine, bedarf es auch keiner gesonderten, keiner eigenen Interpretation.

Zweites Ziel dieses Entwurfes ist – und das enthält auch dieser Entwurf – das so genannte Diskriminierungsverbot, welches auch für nahe Angehörige von Behinderten gilt. Meine Damen und Herren, man kann auch diesbezüglich sehr einfach mit einem Satz sagen: Dieses Ziel muss wohl außer Zweifel stehen, braucht nicht gesondert erklärt zu werden und sollte eigentlich ein Selbstverständnis sein.

Drittes Ziel dieser Gesetzesvorlage ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage oder – wie ich meine – die Schaffung eines so genannten Rechtsschutzes für Behinderte und vor allem auch deren Angehörige, mit der Möglichkeit eines immateriellen Schadens­ausgleiches für die Betroffenen.

Das ist sehr wichtig und sinnvoll, weil Verstöße gegen das Gleichstellungsgesetz, wenn beispielsweise das Selbstbewusstsein untergraben wird, Chancen für Behinderte oder deren Angehörige mindern und sehr deprimierend sein können. Daher ist es gut, recht und billig, dass dieser Nachteil damit hoffentlich oder zumindest monetär ausge­glichen werden kann.

Alle diese drei von mir genannten Punkte dürften für alle Damen und Herren dieses Hauses wohl außer Zweifel stehen. Ich darf daher namens meiner Fraktion sagen, dass wir bei dieser Thematik an keinen Einspruch denken, sondern selbstverständlich und gerne diese Verpflichtung für dieses Gesetz mittragen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

15.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dolinschek das Wort. – Bitte.

 


15.16.23

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der ungeteilte Anspruch behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben ist ein Fundament unserer Sozial­politik.

Durch unsere Maßnahmen haben wir in den letzten Jahren einen gesellschafts­politischen Paradigmenwechsel durchgeführt, wodurch Menschen mit Behinderungen nicht mehr als Bittsteller und Almosenempfänger, sondern als Bürger mit besonderen Bedürfnissen und Ansprüchen anzusehen sind, die das Recht haben, chancengleich am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzunehmen.

Menschen mit Behinderungen, sehr geehrte Damen und Herren, bekommen jetzt durch das Behindertengleichstellungsgesetz endlich jene Anerkennung und Gleichstellung, die ihnen zusteht, um ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

Wenn jetzt auch von Oppositionsseite die eine oder andere Kritik kommt, so muss ich dazu sagen: Man kann die Latte so hoch legen, dass man nicht darüber kommt. Es ist schon in der Debatte angeklungen, dass es sich über Jahre hingezogen hat, die Verhandlungen und die Gespräche in so ein Behindertengleichstellungsgesetz umzusetzen.

Es war ursprünglich ein Vier-Parteien-Antrag. Ich denke daran, dass es nicht sehr einfach war, einen Kompromiss in den Verhandlungen zu finden und ihn nach dem


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Begutachtungsverfahren im Einvernehmen mit den Behindertenverbänden auch durch den Ministerrat zu bringen. (Bundesrätin Lueger: Was drei Mal verschoben wurde!) – Wissen Sie, Frau Kollegin, ich habe mir aus Ihrer Wortmeldung einiges notiert und muss sagen: Entweder Sie haben das Gesetz nicht gelesen oder Sie kennen sich dabei nicht aus. (Rufe bei der ÖVP: Ha! Ha! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Eine derart überhebliche, präpotente Art!)

Frau Bundesrätin! Das Behindertengleichstellungsgesetz, das wir geschaffen haben, von dem Sie gesagt haben, dass nach dem Begutachtungsverfahren sämtliche Kanten und Ecken weggenommen worden sind, ist genau jener Kompromiss, um über die Latte zu kommen.

Als Sozialpolitiker ist es immer ein Bestreben, das Beste für Menschen mit Behin­derung zu erreichen. Man hat aber auch Verhandlungspartner und muss den öffent­lichen Bereich wie auch den privaten Bereich berücksichtigen. Wenn Sie angeschnitten haben, dass die Zumutbarkeitsbestimmungen sehr schwammig formuliert sind und so weiter, sage ich: Das müssen Sie erst einmal über die Latte bringen.

Ich sage Ihnen jetzt Folgendes: Sie haben gesagt, der berufliche Teil wird nicht berück­sichtigt, vor allem bei der Diskriminierung nicht. – Das ist nicht so. Wir berücksichtigen im Behindertengleichstellungsgesetz nicht nur den beruflichen Bereich, sondern auch den gesellschaftspolitischen Bereich und der geht weit über die EU-Richtlinie hinaus, weil die EU-Richtlinie das Ganze praktisch nur in der Beschäftigung und im Beruf berücksichtigt hat.

Im Vergleich zu anderen Staaten kann sich dieses Behindertengleichstellungsgesetz, das eines der umfangreichsten ist, international und auch in Europa sehen lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Vergleich zum deutschen Behinderten­gleichstel­lungsgesetz, das ja seit 1. Mai 2002 in Kraft ist ... (Bundesrat Schennach: Vergleichen Sie es einmal mit dem finnischen!) Das Gesetz dort, Herr Bundesrat Schennach, kennt keine Rechtsfolgen und kennt keine Zumutbarkeitsprüfung. Es gilt nur für die öffent­liche Verwaltung, nicht für den privaten Bereich, und der Diskriminierungsschutz gilt nur für die Behinderten selbst, nicht für die Angehörigen, was bei uns sehr wohl der Fall ist. Sie müssten eigentlich stolz sein, dass wir ein wesentlich besseres Gesetz geschaffen haben als unsere Nachbarn, und hier mit stimmen!

Ebenso gibt es in den vergleichbaren Gesetzen in der Schweiz, in Frankreich, Ungarn und Belgien keinen Angehörigenschutz. In Frankreich sind keine Rechtsfolgen vorge­sehen, und in Amerika, das ja seit 1992 ein Behindertengleichstellungsgesetz hat, sind Übergangsbestimmungen – die Sie kritisiert haben – bis 2020 vorgesehen. (Bundesrat Kraml: Was ist Amerika? Das ist ja nicht unser Vorbild!)

Schauen Sie! In der Deutschland haben die Grünen die Verantwortung, wieso machen sie kein besseres Gesetz? Hier wird es kritisiert. – Wir wollen keine deutschen Verhältnisse, wir wollen österreichische!

Wir haben hier in Österreich ein umfassendes Diskriminierungsverbot für alle Lebens­bereiche, das schließt die Bundesverwaltung, die Privatwirtschaft, öffentliche und private Arbeitsverhältnisse und Rechtsgeschäfte mit ein. Europaweit ist das einzigartig. Das gibt es sonst nicht.

Auch für Angehörige ist das von wesentlicher Bedeutung, für Angehörige in erster Linie. (Zwischenruf der Bundesrätin Lueger.) – Frau Kollegin! Da müssen Sie das Gesetz schon genau lesen! (Bundesrätin Lueger: Ich habe es genau gelesen!)


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Ab sofort gilt Barrierefreiheit für Neubauten und auch bei Generalsanierungen. Für bestehende Bauten gibt es im Sinne der Zumutbarkeit Übergangsbestimmungen von einem bis zehn Jahren. Das ist, glaube ich, auch sinnvoll, weil das sonst nicht möglich ist und man der Wirtschaft nicht zumuten kann, von heute auf morgen alles umzubauen.

Zum Abbau von Barrieren im Bereich der Bundesbautenverkehrseinrichtungen ist ein Etappenplan vorgesehen. Bis Ende des Jahres wird ein solcher Plan gemeinsam mit der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation erstellt, Letztere ist mit eingebunden.

Zur Verbandsklage, die auch erwähnt wurde: Die Verbandsklage ist zulässig, klagen kann im Prinzip nur die ÖAR, die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabili­tation. Der Bundesbehindertenbeirat ist ebenfalls eingesetzt. Wir wollen natürlich keine Klagsflut, wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse in Österreich, wir wollen den Weg der Mediation gehen. Ich glaube, das ist auch in Ihrem Sinne! Die Rechte von behinderten Menschen sind sehr wohl einklagbar, sonst wären die betreffenden Bestimmungen ja ein zahnloser Tiger. (Zwischenruf der Bundesrätin Lueger.) Das haben wir durchgesetzt, das muss ich Ihnen auch sagen.

Außerdem gibt es eine kostenlose Schlichtungsstelle beim Bundessozialamt in den regionalen Landesstellen.

Es gibt auch die Beweislastumkehr. Das ist ein wesentlicher Punkt, das ist nämlich auch sehr wichtig.

Zum Behindertenanwalt: Er hat Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat, und er hat auch die Aufgabe, die Schlichtungsverfahren zu leiten und die Leute zu beraten und das Ganze mit ihnen zu besprechen.

Die Bundesregierung plant jetzt noch weitere Schritte: Die Information der Betroffenen über das Gesetz wird gemeinsam mit den Interessenvertretungen fortgesetzt. Die Beseitigung von Benachteiligungen im Materiengesetz, im Dienst- und Berufsrecht wird bis Ende 2005 umgesetzt, und man tritt auch in Verhandlungen mit den Ländern ein. Die entsprechenden 15a-Vereinbarung über die Bauordnungen – und wir haben ja österreichweit verschiedenste Bauordnungen – werden bis 2007 abgeschlossen sein.

Geschätzte Damen und Herren! Nun noch ein paar Worte zur Gebärdensprache: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen und intensiven Verhandlungen und Diskussionen wird jetzt endlich die Gebärdensprache in Österreich als eigenständige und vollwertige Sprache anerkannt, und das wird auch in Verfassungsrang erhoben. Dem Wunsch vieler gehörloser Menschen wird also jetzt Rechnung getragen. Diese neuen Verfas­sungsbestimmungen sollen in allen neuen Gesetzesinitiativen entsprechende Berück­sichtigung finden. In vielen Fällen sollen bessere Ausbildung, Kommunikation und Lebensbewältigung gewährleistet werden. – Die Anerkennung der öster­reichischen Gebärdensprache ist ein wichtiger Beitrag der Gleichstellung gehörloser Menschen und stellt somit eine sehr gute Ergänzung zum Behindertengleich­stellungs­gesetz dar.

Das nun vorliegende Behindertengleichstellungspaket samt der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gebärdensprache ist ein wichtigen Schritt für die Behindertenpolitik in Österreich, und es kann tatsächlich behauptet werden, dass die darin enthaltenen Regelungen für alle Österreicherinnen und Österreicher im wahrsten Sinne des Wortes auch lebbar werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Jetzt haben Sie sehr viel gesagt, aber Sie haben nicht den Mut gehabt, sich bei der Kollegin zu entschuldigen! – Bundesrätin Bachner: Das hätte ich auch erwartet!)

15.25



Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesbehinderten­gleich­stellungsgesetz erlassen wird und weitere Gesetze geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss bedarf gemäß Art. 44 Abs.2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Bundesräte und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, den vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

15.27.07 8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver­trags­bedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bun­desbahngesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Ausschreibungs­gesetz 1989, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Wachebediens­teten-Hilfeleistungsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Landesvertragslehrer­gesetz 1966, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, die Reisegebüh­renvorschrift 1955 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2005) (953 d.B. und 1031 d.B. sowie 7343/BR d.B.)


Bundesrat
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9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz geändert wird (1032 d.B. sowie 7344/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 8 und 9 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


15.27.33

Berichterstatter Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend die Dienstrechts-Novelle 2005 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters berichten über den Beschluss des Nationalrats vom 6. Juli 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehrergesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf deshalb zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Danke sehr.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.29.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Dienstrechts-Novelle 2005 wird eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen vorgenommen, wie wir im Bericht gehört haben. Diese Gesetzesmaterien sind sehr positive Ergebnisse von sozialpart­ner­schaftlichen Verhandlungen: Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst hat mit der Bundesregierung ein sehr gutes Verhandlungsergebnis erzielt.

Erwähnenswert ist etwa die beispielhafte Änderung der Richterverwendung: Der neue Richterverwendungskatalog berücksichtigt dies in den Organisationsstrukturen und Arbeitsplatzinhalten und ermöglicht damit nicht nur eine leichtere Handhabung im Zuge von Bewertungsverfahren, sondern soll den Bediensteten gleichzeitig besser nach­vollziehbare Erklärungen bieten und dadurch erhöhte Akzeptanz für die jeweils festgestellte analytische Zuordnung eines Arbeitsplatzes herbeiführen.

Im Hinblick auf die Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie – und wir haben in der vorhergehenden Debatte auch wieder herausgehört, dass diesbezüglich hoffentlich doch einige Zweifler eines Besseren belehrt worden sind – ist es erforderlich, im Rah-


Bundesrat
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men der Umstrukturierung die besoldungsrechtliche Stellung der davon betroffenen BeamtInnen des allgemeinen Verwaltungsdienstes und des Exekutivdienstes abzu­sichern. Hier wurden, um Nachteile zu verhindern, so genannte Wahrungsbestim­mungen vereinbart.

Auf Grund des Reformprojektes „Team 04“ sind im Hinblick auf die damit verbundenen Synergien engere Verbindungen der Organisation der Exekutive und der Sicherheits­verwaltung zu erwarten, denen mit der Neuorganisation der Personalvertretungsstruk­turen auf Ebene der Zentralausschüsse Rechnung zu tragen sein wird.

So ist für jene Dienststellen, in denen ein weitgehend nahtloses Übereinandergreifen von Funktionen und Aufgaben stattfinden wird, eine Zusammenfassung beider Bedienstetengruppen vorgesehen. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass ein einheitlicher Zentralausschuss für die Bediensteten des öffentlichen Sicher­heitswesens gebildet wird.

Weitere wichtige Bestimmungen wurden für Landesbedienstete, die Landeslehrer, vereinbart: Wenn sie in den Bundesdienst wechseln, werden sie nach den gleichen pensionsrechtlichen Rahmenbedingungen behandelt. In einem weiteren Schritt werden die Länder ermächtigt, die Aufnahme der Landesvertragslehrer in die landesgesetzlich errichteten Lehrer-Kranken‑ und Unfallfürsorge-Versicherungseinrichtungen – solche bestehen derzeit in Oberösterreich und Tirol – zu ermöglichen.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die Schaffung einer gesetzlichen Basis für die Einführung einer Pensionskassa für öffentlich Bedienstete. Die Vorarlberger sind bereits im Jahre 2001 vorgeprescht – wie könnte es anders sein! Wir haben für die Landesbediensteten und für die Gemeindebediensteten eine einheitliche Pensions­kassa eingeführt.

Die Dienstrechts-Novelle 2005 kann auch als erster Schritt in Richtung eines einheit­lichen Bundesmitarbeitergesetzes gesehen werden, der Schaffung eines eigen­ständigen Dienstrechtes, das eine Besoldungsreform und Dienstrechtsreform zur Grundlage hat. Vorarlberg hat diese Reform natürlich auch schon längere Zeit umgesetzt, und auch die Vorarlberger Gemeindebediensteten werden ab 1.1.2005 in dieses System eingeführt. Eckpfeiler dazu sind höhere Einstiegsgehälter mit degres­sivem Verlauf, verbunden mit der Umverteilung der Lebensverdienstsumme und der Durchlässigkeit der Systeme. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Einwallner.)

Herr Kollege! Das gilt für das Land Vorarlberg seit dem Jahre 2002 und für die Gemeindebediensteten rückwirkend zum 1.1.2005. (Bundesrat Ing. Einwallner: Und die Stellungnahme der Personalvertretung?) Die Stellungnahme der Personal­vertretung war eine Stellungnahme der Gewerkschaft – ohne dass ich das tatsächlich berichtigen muss, ich berichtige das gleich –, und die Stellungnahme der Gewerkschaft war durchaus positiv. Es gab im Zuge der Beschlussfassung zugegebenermaßen einige Diskussionen. Es wurde vom Vorarlberger Gemeindeverband zugesagt, Klärun­gen in den weiteren Gehaltsverhandlungen und Nachbesserungen an diesem neuen Gesetz vorzunehmen. So soll es auch sein!

Ich sprach vorhin von der Umverteilung der Lebensverdienstsumme und der Durch­lässigkeit der Systeme, etwa vom Aufstieg des Lehrlings bis zum Dienststellenleiter, ohne dafür unbedingt eine akademische Ausbildung zu benötigen, weil allein die Stellen­bewertung ausschlaggebend ist. Es wird also die einzelne Stelle bewertet. Das System im Land Vorarlberg beinhaltet dies in hohem Maße.

Handlungsbedarf erkenne ich bei der Angleichung von Hochschul‑ und Fachhoch­schulabsolventen. Seit In-Kraft-Treten des Fachhochschulgesetzes hat sich durchaus einiges getan, einige Angleichungen wurden hier vorgenommen, es gibt aber weiteren


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Handlungsbedarf auch für den öffentlichen Dienst. Bei einer allfälligen Neuorientierung im Rahmen eines einheitlichen Bundesmitarbeitergesetzes sollten wir dies nochmals diskutieren und vielleicht mit einbeziehen.

Zu dieser bestens gelungenen Dienstrechts-Novelle darf ich mich abschließend bei den MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes für ihre hervorragende Arbeit bedanken, und wir dürfen auch stolz sein auf unsere Bediensteten. Ich habe hier einen inter­nationalen Vergleich, den ich von unserem Kollegen im Nationalrat, Abgeordnetem Fritz Neugebauer erhalten habe: Ein Vergleich der Europäischen Zentralbank, die 23 Verwaltungen von Industrieländern im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Leistung getestet hat, bescheinigt Österreich einen hervorragenden dritten Platz hinter Luxemburg und Japan. – Ich denke, das kann man – gerade weil die Beamten sehr oft in Diskussion stehen – hier anführen und dazu in aller Form gratulieren! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.35.23

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits mein Vorredner gesagt hat, ist mit dieser Dienstrechts-Novelle eine Fülle von gesetzlichen Änderungen einher­gegangen. Neben der Aktualisierung der Richterverwendungen gab es die Anpassung diverser Dienstrechtsvorschriften, Bestimmungen über die Weitergeltung des har­monisierten Beamtenpensionsrechts, eine Vereinheitlichung des Begriffs des Erwerbs­einkommens, aber vor allem auch die Aufhebung der Bestimmung über den Todesfall-, Bestattungskosten- und Pflegekostenbeitrag.

Mit dieser Dienstrechts-Novelle haben die Sozialpartner gezeigt, dass sie gegenseitig Forderungen und Wünsche berücksichtigen. Wesentlich ist aber, dass dem Verfas­sungs­gerichtshoferkenntnis Rechnung getragen wurde und unter anderem eine Regelung getroffen wurde, wonach Hinterbliebene von Beamten, die im Aktivstand sterben, weiterhin einen Beitrag in der bisherigen Form erhalten. Auch Hinterbliebene von pensionierten Beamten erhalten einen besonderen Sterbekostenbeitrag bis zur gleichen Höhe, wenn die Bestattungskosten im Nachlass keine Deckung finden. – Ich glaube, auch hier wurde ein guter Kompromiss gefunden.

Schade ist aber – und es wurde ein entsprechender Abänderungsantrag von Kollegen im Nationalrat eingebracht –, dass unserer Forderung nach Chancengleichheit und der Gleichstellung bei den Anstellungserfordernissen von Fachhochschulabsolventen mit Universitätsabsolventen nicht Rechnung getragen worden ist. Hier hätte die einmalige Chance bestanden, auch diesbezüglich eine Einigung zu erzielen. Es müsste doch im Interesse eines qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstes liegen, dass derart hoch­wertig ausgebildeten Personen eine entsprechend qualifizierte Laufbahn im öffent­lichen Dienst eröffnet wird! Wir werden aber weiterhin dafür eintreten, dass eine Gleichstellung erfolgen wird.

Gerade in der politischen Diskussion werden unsere Beamten und Beamtinnen immer nur als Kostenfaktor gesehen. Letztendlich leisten sie aber hervorragende Arbeit und sind für ein funktionierendes System hauptverantwortlich und unverzichtbar. Wir wer­den dieser Dienstrechts-Novelle unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen, der ÖVP und der Freiheitlichen.)

15.38



Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 118

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend eine Dienstrechts-Novelle 2005.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.39.08 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Qualitätssicherung bei Abschlussprüfungen (Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz – A-QSG) erlassen und das Wirt­schaftstreuhandberufsgesetz geändert wird (970 d.B. und 1051 d.B. sowie 7326/BR d.B. und 7345/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.39.25

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Qualitätssicherung bei Abschlussprüfungen (Abschluss­prüfungs-Qualitätssicherungsgesetz) erlassen und das Wirtschaftstreuhandberufs­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
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15.40.3211. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen und das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (Gewerberechtsnovelle 2005) (971 d.B. und 1052 d.B. sowie 7327/BR d.B. und 7346/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.40.45

Berichterstatter Edgar Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen und das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (Gewerberechtsnovelle 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in Schriftform vor. Ich komme deshalb gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke sehr. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.41.44

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass es zu Beginn der Debatte notwendig ist – und das ist mir wichtig –, zu betonen, dass wir Sozialdemokraten alle wirtschaftspolitischen und ordnungspolitischen Maßnahmen unterstützen, die das Investieren der Wirtschaft erleichtern und so auch zu mehr Beschäftigung führen. Diese vorliegende Gewerberechtsnovelle sehen wir aber sehr differenziert.

Da geht es zum einen um die notwendige Umsetzung der EU-Richtlinien. Bei der Um­setzung der Öffentlichkeitsrichtlinie sind wir mit dem Entwurf vollkommen einver­standen, auch das erweiterte Betätigungsfeld der gewerblichen Buchhalter begrüßen wir. Da sind wir einverstanden, dass es so umgesetzt und gelöst wird. Wir unterstützen auch generell die Ausdehnung der Anwendungsbereiche für das vereinfachte Geneh­migungsverfahren. Viele Projekte können dadurch aus meiner Sicht rascher, effizienter und besser umgesetzt werden. Das ist sicherlich im Interesse der Wirtschaft und erhöht auch die Verfahrensökonomie. Das halte ich für sehr wichtig, da sind wirkliche Verbesserungen vorhanden und gegeben.

Es gibt aber auch Punkte, die wir in dieser Form ablehnen und denen wir nicht zustimmen können. Wir lehnen zum Beispiel den Art. I Z 20 ab, weil wir der Meinung sind, dass die Erhöhung der Grenzwerte der Objekte von 300 auf 800 Quadratmeter nicht angemessen ist. Gerade bei vielen Projekten im innerstädtischen, urbanen Bereich entsteht aus unserer Sicht ein zu großes Ungleichgewicht zwischen den Inter­essen der Wirtschaft und den Nachbarschaftsrechten, da sehen wir eine zu große Unausgewogenheit. Diese große Öffnung führt auch dazu, dass die ohnehin schon schwierige Situation der Nahversorgung durch Greißler zusätzlich belastet wird.

Auch im § 84, in den Bestimmungen zur Verhütung von schweren Unfällen mit gefähr­lichen Stoffen, sind unserer Meinung nach zu wenige konkrete Regelungen vorhanden. Eine ähnliche Situation besteht beim § 359. Hier geht es aus unserer Sicht darum, dass das Arbeitsinspektorat früher eingebunden werden sollte und den vollen Umfang


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der Verhandlungen kennen sollte, und zwar aus einem ganz wichtigen Grund, nämlich dass möglichst früh vor falschen Planungen gewarnt werden kann und dass es nicht im Nachhinein zu Korrekturen kommen muss, die wieder zu Investitionen führen.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen – und das ist unbestritten –, dass es für eine Wirtschaftsstruktur, wie es die unsere ist, die durch kleine und mittlere Unter­nehmungen geprägt ist, besonders wichtig ist, dass es schnelle und unbürokratische Verfahren gibt.

Wenn ich noch einmal auf die Grenzwerte zurückkommen darf – und da lehnen wir uns ein bisschen an das Verfassungsgerichtshofs-Erkenntnis an, das die Grenzwerte von ursprünglich 1 000 Quadratmeter auf 300 Quadratmeter reduziert hat –: Auch in der ursprünglichen Regierungsvorlage war eine Grenze von 600 Quadratmetern vorge­sehen. Dies ist im Übrigen eine Meinung, der sich auch die Vorarlberger Landesregie­rung anschließt, die in diesem Punkt ebenfalls eine negative Stellungnahme abge­geben hat. Bei den 600 Quadratmetern, wie sie ursprünglich in der Regierungsvorlage standen, hätten wir noch mitgehen können; so aber, bei den 800 Quadratmetern, müssen wir diese Novelle ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort. – Bitte.

 


15.45.48

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Gewerberechtsnovelle bringt für uns Grüne sehr wohl Vorteile im Bereich des gewerblichen Buchhalters, wo doch die Befugnisse erweitert worden sind.

Was bei uns auf Kritik stößt und uns deswegen auch zur Ablehnung der Novelle bewegt, ist zum einen die Beteiligung der Öffentlichkeit: Einerseits wird den NGOs die Parteistellung zuerkannt, nicht jedoch den lokalen Bürgerinitiativen vor Ort, deren Betroffenheit teilweise ja wesentlich größer sein kann. Weiters haben die NGOs nicht die Möglichkeit, in letzter Instanz den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof anzu­rufen, was hingegen für die Betreiber von Anlagen sehr wohl möglich ist. Sehr kritisch sehen wir es auch, dass der Bereich des vereinfachten Verfahrens ohne Nachbar­beteiligung ausgedehnt und erweitert worden ist. Es kommt zu einer Ausweitung, künftig sind nicht mehr Anlagengrößen bis zu 300 Quadratmetern, sondern bis zu 800 Quadratmetern betroffen.

Unserer Meinung nach sollte der Zeitfaktor nicht das Zentrale sein, sondern es ist die Rechtssicherheit, die eine wichtige Rahmenbedingung für ein ordentliches Wirtschaften ist. Nachbarn jetzt aus einem ordnungspolitischen Verfahren hinauszudrängen, hat Rechtsunsicherheit zur Folge, denn Nachbarn können noch immer den Weg des Zivilrechts gehen. Und was kann das bedeuten? – Das kann bedeuten, auf Unterlas­sung zu klagen, und damit ist ein Unternehmer oder eine Anlage in einer wesentlich schwierigeren Situation.

Das sind die Punkte, die für uns bedauerlicherweise nicht in einer Form erledigt sind, dass wir dem zustimmen könnten. Deswegen wird die Gewerberechtsnovelle von uns nicht akzeptiert und nicht angenommen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Zwazl. Ich erteile ihr das Wort.

 



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15.47.59

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Gewerberechtsnovelle 2005 werden neben der Gewerbeordnung auch das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen und das Mineralrohstoffgesetz geändert. Diese Änderungen erfolgen vorrangig, wie wir wissen, auf Grund von Anpassungen an EU-Richtlinien.

Bei den so genannten IPPC-Anlagen handelt es sich um größere gewerbliche Betriebs­anlagen, die einem strengeren Genehmigungsverfahren unterliegen. Neben der Beteili­gung von anerkannten Umweltorganisationen mit Rechtsmittelbefugnis müssen auch umfangreichere Antragsunterlagen bei den Behörden vorgelegt werden. Für die Genehmigung ist es unter anderem erforderlich, dass alle geeigneten Vorsorgemaß­nahmen gegen Umweltverschmutzung durch den Einsatz von dem Stand der Technik entsprechenden technologischen Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen getrof­fen werden. Ebenso ist es ein ganz wesentlicher Punkt, die effiziente Verwendung von Energie sicherzustellen.

Die wesentlichen Neuerungen der gegenständlichen Gewerbeordnungsnovelle sind die folgenden. Zunächst gehört dazu die Parteistellung mit Rechtsmittelbefugnis von – vom Umweltministerium anerkannten – Umweltorganisationen an IPPC-Verfahren. Diese können die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend machen und auch Rechtsmittel ergreifen. Die Regelung der Parteistellung für anerkannte Um­welt­organisationen ist dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz sowie dem Abfall­wirt­schaftsgesetz nachgebildet. Das ist ein einheitliches Vorgehen, das wir sehr be­grüßen, und das ist bei der Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie positiv zu beurteilen.

Die EU-Vorgaben werden ebenfalls erfüllt. Genehmigungsverfahren müssen auch mit einer NGO-Beteiligung überschaubar, administrierbar und in vernünftiger Zeit abwickel­bar sein. Und wir, die Wirtschaft, erwarten von den NGOs, dass sie ihre Parteienrechte verantwortungsbewusst wahrnehmen.

Es kommt ferner zur Ausdehnung des Anwendungsbereiches für das vereinfachte Genehmigungsverfahren – das Wort „vereinfachte“ ist für mich ein bisschen irrefüh­rend, für mich heißt es eigentlich: das schnellere Genehmigungsverfahren – auf Be­triebe mit einer Betriebsfläche von bis zu 800 Quadratmetern und einer elektroni­schen Anschlussleistung der eingesetzten Maschinen und Geräte bis 300 Kilowatt.

Die nunmehrige Neuregelung des Anwendungsbereiches des vereinfachten Genehmi­gungsverfahrens – also eine Betriebsfläche von nicht mehr als 800 Quadratmeter, bis jetzt 300 Quadratmeter, sowie eine elektrische Anschlussleistung von 300 Kilowatt, bisher 100 Kilowatt – trägt den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs Rechnung. Dieser hat in seiner Begründung zur Aufhebung der bisherigen Bestimmungen auf das Fehlen einer Prognosebestimmung verwiesen. Da dieser Prognosetatbestand nun wiederum eingefügt wird, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Gerichtshof auch die Betriebsschwellenregelung von 800 Quadratmetern akzeptieren wird. Ich verstehe da die Diskussionen nicht ganz, weil es ja nicht um die Größe geht, sondern in erster Linie darum, um was für einen Betriebstyp es sich handelt.

Die Behörden haben somit vor Anwendung des vereinfachten Verfahrens auch zu prüfen, ob Beeinträchtigungen, Belästigungen, Gefährdungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen vermieden werden. Das Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung verlangt die Einhaltung hoher Umweltstandards, diese sind jedenfalls auch im so genannten vereinfachten Verfahren strikt einzuhalten. Die Einreichungsunterlagen müssen sehr genau sein, und es gibt keine Erleichterungen beim Anforderungsprofil. Es geht wirklich nur darum, dass es ganz einfach schneller ist.


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Die Nachbarn sind im vereinfachten Genehmigungsverfahren anzuhören, ihre Ein­wände und Bedenken sind von der Behörde unter Beiziehung der maßgeblichen Sachverständigen kritisch zu prüfen. Es gilt der Grundsatz der amtswegigen Wahr­heitsforschung. Zutreffendenfalls darf die Anlage von der Behörde nicht genehmigt werden; und wir wissen, dass es die Amtshaftung gibt. Unabhängig von den gewerbe­behördlichen Genehmigungsverfahren kann natürlich auch ein Nachbar jedenfalls erfolgreich gegen eine im vereinfachten Verfahren genehmigte Betriebsanlage zivil­recht­lich vorgehen, wenn es durch den Betrieb der Anlage zu ortsunüblichen und unzumutbaren Belästigungen kommt. Für mich ist es wichtig, dass die Behörden ihre knappen Kapazitäten jetzt effizienter auf größere Anlagen mit wesentlich mehr Umwelt­auswirkungen konzentrieren können.

Für unser Land als Wirtschaftsstandort hat der schnellere Zugang zur Genehmigung von Betriebsanlagen eine eminente Bedeutung, und es ist dies eine Erleichterung. Die Verfahrensdauer ist ein weicher Faktor im Standortwettbewerb; wir wissen, dass es härtere Standortfaktoren wie die Lohn- und Energiekosten oder die Gewinn­be­steuerung gibt. Da aber die Gestaltungsmöglichkeiten bei den harten Faktoren aus Budgetgründen sowie aus EU-rechtlichen Gründen beschränkt sind, hat es durchaus einen Sinn, die weichen Faktoren besonders in den Blick zu nehmen, denn damit kann bei der Verfahrensdauer ein Defizit aufgeholt und damit ein Vorteil im Standort­wettbewerb erzielt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass gerade Österreich mit seinen Umweltstandards vorbildlich ist. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Luft keine Grenzen kennt und dass es wichtig ist, dass unsere Nachbarländer die Stan­dards, wie wir sie haben, auch einmal erreichen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die NGOs ihren Blick mehr auf unsere Nachbarländer richten würden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister Dr. Barten­stein das Wort.

 


15.54.53

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! In aller Kürze, weil insbesondere Frau Bundesrätin Zwazl schon das Notwendige zu dieser Novellierung der Gewerbe­ordnung gesagt hat.

Es ist der Terminus technicus nun einmal leider Gottes das „vereinfachte Verfahren“, wenngleich es unter anderem dazu führen soll, dass die Verfahren schneller abge­wickelt werden. Das soll man nicht gering schätzen: Wir haben Daten aus der Bun­deshauptstadt Wien, de facto aus dem ersten Halbjahr von Jänner bis Mai, wonach die ordentlichen Genehmigungsverfahren durchschnittlich 55 Tage, die vereinfachten Genehmigungsverfahren durchschnittlich 42 Tage gedauert haben. Das ergibt doch ein Zeitdelta von rund zwei Wochen, also etwas nicht Unwesentliches; wobei ich hinzufüge: Auch 55 Tage kommt mir durchaus vernünftig vor. Dies zeigt, dass wir insgesamt in Österreich die Verfahren deutlich verbessert, beschleunigt und entbüro­kratisiert haben, ohne dabei Nachbarrechte oder Umweltanliegen außer Acht zu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die 800 Quadratmeter haben wir uns bereits in den Ausschüssen des Nationalrates und dann auch im Plenum trefflich auseinander gesetzt. Ich verstehe es nicht ganz, werte Kollegen von der sozial­demokratischen Fraktion, warum Sie bei 600 Quadratmetern hätten mitgehen können, es dann aber bei 800 Quadratmetern nicht tun. Wir halten 600 Quadratmeter für gut,


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aber 800 Quadratmeter für besser, und das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Überdies darf ich, ohne jetzt irgendwie korrigieren zu wollen, darauf verweisen, weil gesagt wurde, dass meine Regierungsvorlage noch die 600 Quadratmeter ent­halten hätte: Dies hat sie nicht. Der Ministerrat hat 800 Quadratmeter auf meinen Vorschlag hin beschlossen. Es ist richtig, dass in der Begutachtung die 600 Quadrat­meter dringestanden sind.

Zur Einbindung der Öffentlichkeit: Wir tun das, was notwendig ist, und das ist auch gescheit. Wir haben in Wirklichkeit auf EU-Ebene zurzeit eine Diskussion, ob man nicht mehr als bisher nicht über Richtlinien, sondern über Verordnungen umsetzen sollte, um von vornherein EU-weit einheitliche Standards zu haben, weil Richtlinien ja letztlich Mindeststandards darstellen und gerade Österreich in der Vergangenheit nicht selten zu den Ländern gehört hat, in denen es obendrauf noch ein Golden Plating gegeben hat. Wir können uns das jedenfalls nicht in allen Fällen auch wirklich leisten.

So gesehen also: den NGOs Parteistellung – im Übrigen nicht nur durch das Umwelt-, sondern durch Wirtschafts- und Umweltressort im Einvernehmen, das ist mir wichtig –, aber nicht jeder Bürgerinitiative. Selbstverständlich halten wir uns auch hier an EU-Recht, es ist eben für NGOs die Anrufung des Höchstgerichtes nicht vorgesehen.

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Lichtenecker! Wenn die betroffene Wirtschaft der Meinung ist, dass sie mit solchen Genehmigungsverfahren besser fährt und unter Umständen dann Nachbarn den Zivilrechtsweg beschreiten können, dann schließe ich mich der Meinung der interessierten Wirtschaft an. Offensichtlich wird dort das Risiko, dass es sehr häufig zum Zivilrechtsweg kommt, als relativ gering eingeschätzt.

Es ist dies ein vernünftiger Schritt zur Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung, ein Schritt, mit dem die Bundesregierung auch eines der vielen Elemente des Reform­dialoges vom 1. Mai dieses Jahres bereits umgesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15.58.5312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (948 d.B. und 1011 d.B. sowie 7328/BR d.B. und 7347/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte um den Bericht.

 


15.59.05

Berichterstatter Edgar Mayer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom


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6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in Schriftform vor. Ich komme deshalb zum Antrag.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich erteile ihr das Wort.

 


16.00.00

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In dem vorliegenden Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, geht es vor allen Dingen um die Umsetzung von drei EU-Richtlinien, nämlich betreffend Recht auf Familienzusammenführung, betreffend Recht von Unionsbürgern und ihren Familien­angehörigen, sich in ihrem Hoheitsgebiet frei zu bewegen, und betreffend Rechts­stellung der langfristig Aufenthaltsberechtigten aus Drittstaaten.

Diese Richtlinien sehen für die betroffenen Personengruppen unter anderem auch spezifische Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor. Dabei ist eine ganze Reihe von Maßnahmen vorge­sehen, die allerdings nur teilweise unsere Zustimmung finden.

Die Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes steht ja auch in direktem Zusam­menhang mit dem Fremdenrechtspaket, das wir heute schon ausführlich diskutiert haben. Positiv in dem hier vorliegenden Gesetz ist zum Beispiel die unbeschränkte Zulassung von so genannten subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlin­gen am Arbeitsmarkt.

Positiv ist sicher auch der Arbeitsmarktzugang bei Familienzusammenführungen, sodass Angehörige den gleichen Status erhalten wie der Zusammenführende.

Was wir kritisieren und was uns schlussendlich eine Zustimmung unmöglich macht, ist erstens die Tatsache, dass wir derzeit mit einer ganzen Reihe von Problemen am Arbeitsmarkt konfrontiert sind, die neben vielen anderen Ursachen – gegen die diese Regierung übrigens so gut wie nichts unternimmt – auch im Ausländer­beschäftigungs­gesetz ihre Ursachen hat.

Auch das WIFO hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Teil der Arbeits­losigkeit in direktem Zusammenhang mit den ständig überhöhten Saisonnier-Kontin­genten steht. Nicht nur in Salzburg ist in den letzten beiden Jahren zu beobachten – und ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Tourismusregionen das auch bestätigen können –, dass es zu einem rasanten Anstieg des Arbeitskräfteangebotes aus Deutschland kommt. Deshalb muss die Anzahl der Kontingentplätze entsprechend reduziert werden, soll es nicht in der so genannten Hochsaison, in der wir uns ja jetzt gerade befinden und in der es angeblich keine einheimischen Arbeitskräfte zu finden gibt, nicht auch zu erhöhter Arbeitslosigkeit kommen.

Die stark aufgefächerte Differenzierung von Personengruppen, die ausgenommen sind, beziehungsweise die unzulässig große Anzahl von Gruppen, die unter den Geltungsbereich fallen, machen die Probleme am Arbeitsmarkt ebenfalls größer statt kleiner. – Wer weiß, was der Unterschied zwischen einem Volontär, einem Prakti­kanten, einem Erntehelfer, einem Saisonnier, einem Au-pair-Mädchen – da ist es vielleicht klarer – und einem Grenzgänger ist? (Bundesrat Ager: Das ist die Theorie!)


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Und innerhalb dieser Gruppen werden wieder Unterschiede vorgenommen. (Bundes­rat Ager: Theorie! Die Praxis ist draußen im Leben!) – Das ist auch die Praxis.

Versuchen Sie einmal, eine dieser Arbeitskräfte zu bekommen! Stundenlanges Tele­fonieren ist einmal die Grundvoraussetzung, um überhaupt Auskunft und Klarheit darüber zu bekommen, unter welchen Bedingungen man jemanden einstellen kann.

Viele dieser Leute arbeiten außerdem unter völlig inakzeptablen Bedingungen zu Stundenlöhnen, die in Wirklichkeit ein Hohn sind und die jeden Österreicher und jede Österreicherin in diesem Land verhungern lassen würden. In Österreich existieren de facto Arbeitsverhältnisse, wie sie sonst nur in der Dritten Welt zu finden sind. Da bietet dieses Ausländerbeschäftigungsgesetz mit den zusätzlichen Bestimmungen auch keine Hilfe, sondern damit wird dieser Zustand nur fortgesetzt.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehand­lung von Angehörigen von EWR-Bürgerinnen und -Bürgern einerseits und Angehörigen von Österreicherinnen und Österreichern andererseits. Drittstaats-Familienangehörige von Österreicherinnen und Österreichern werden nämlich sowohl das Nachzugsalter der Kinder als auch den Nachzug von Enkeln beziehungsweise von Verwandten in aufsteigender Linie betreffend schlechter gestellt.

Die Altersgrenze für die Begünstigteneigenschaft wird bei Angehörigen von Öster­reicherinnen und Österreichern mit 18 Jahren, bei Angehörigen von EWR-Bürgerinnen und Bürgern erst mit 21 Jahren überschritten.

Drittstaatsangehörige Eltern oder Schwiegereltern von Österreicherinnen und Öster­reichern erhalten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, die von EWR-Bürgerinnen und -Bürgern erhalten freien Zugang zum Arbeitsmarkt.

Diese Regelungen stellen unserer Meinung nach zumindest mittelbare Diskriminierung von Angehörigen von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern im Ver­gleich zu EWR-Bürgerinnen und -Bürgern dar. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dr. Bartenstein.– Eine Gleichbehandlung wollen wir, Herr Minister!

Auch bei der Diskussion im Ausschuss wurde von den zuständigen Auskunftspersonen diesbezüglich ausgeführt, dass eine hundertprozentige Verfassungskonformität nicht sicher ist. – Das ist mit Sicherheit ein Grund, warum wir diesem Gesetz heute nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren! Die Fraktionen sind überein­gekommen, die Sitzung nicht zu unterbrechen, sondern nach Möglichkeit heute abzu­schließen. Das setzt aber voraus, dass sich alle – die Fraktionsvorsitzenden selbst eingeschlossen (allgemeine Heiterkeit) – an die vereinbarte Redezeitbegrenzung von 10 Minuten halten. Ich bitte, das zu beachten. Ich sage das jetzt, ohne dass Frau Kollegin Neuwirth die volle Redezeit auch nur annähernd in Anspruch genommen hätte.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


16.06.09

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte mich sehr gerne an die Redezeit, zumal ich meine, das, was man mit wenigen Worten nicht sagen kann, geht auch in langen Aus­führungen nicht mehr ins Ohr der Zuhörer hinein.

Meine Vorrednerin, Frau Neuwirth, hat ja in ihrer Rede zum Ausländerbeschäftigungs­gesetz einige wesentliche Punkte herausgearbeitet – sehr gut, wie auch ihre vorherige Rede sehr gut war. Ich habe mir sogar gedacht, dass ich erstmals die Möglichkeit


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nutzen werde, eine Rede – nämlich die, die Sie vorhin gehalten haben, Frau Kolle­gin – über den Laptop nochmals anzuhorchen.

Die zweite Rede war meiner Ansicht nach jedoch zu kritisch. Es tut mir eigentlich Leid, wenn jemand diesem Gesetz nicht zustimmt, denn ich glaube, wenn man da alle Schutzbedürftigen hineinnimmt, alle legal in Österreich arbeitenden Menschen in das Arbeitsmarktgeschehen aufnimmt und sagt, wenn jemand ein Jahr lang arbeitet, dann hat er Anspruch auf Arbeitslosengeld und dann muss er auf dem Arbeitsmarkt vermit­telt werden, sind damit so viele Vorteile verbunden, wie es kaum in einem anderen Staat der Fall ist.

Man muss sich schon einmal darüber Rechenschaft geben: Sollen wir die Wirtschaft zu Gunsten einer verlängerten Werkbank aus Rumänien oder Polen „verbraten“? Irgend­wann muss man auch einmal ein bisschen auf uns schauen, sonst können all diese sozialen Errungenschaften ja nicht erhalten werden.

Ich möchte noch auf etwas zurückkommen – auch wenn es nicht direkt zum Thema gehört –, das sehr positiv bewertet worden ist, und zwar, dass man Kriminelle und Schwerverbrecher abschieben kann. Das ist unbedingt notwendig. Gerade ältere Leute haben Angst, wenn etwa – wie es uns geschehen ist – zweimal innerhalb von vierzehn Tagen Einbrüche verübt werden. Da haben die Leute – gerade ältere Menschen – wirklich Angst. Es ist also an der Zeit, dem einen Riegel vorzuschieben.

Durch diese Regelung ist auch bei den Saisonniers in Österreich eine gewisse Kon­trolle vorhanden, und auch die Entlassung, das Arbeitslosengeld und all das ist geregelt.

Eine Sorge beziehungsweise ein Problem möchte ich noch anschneiden, und zwar die Regelung über die so genannten Scheinselbständigen. Das hat besonders in einem unserer Nachbarländer eine große Rolle gespielt und war ja Anlass zu Kritik und Ärger. Unternehmen zahlen ja Steuern – ich habe das bereits gesagt –, um unsere sozialen Einrichtungen erhalten zu können. Scheinselbständige im Ausland konnten bisher ihre Legitimität damit nachweisen, dass sie ein Gewerbe angemeldet hatten.

Das Arbeitsmarktservice hat jetzt das Recht, diese Scheinselbständigen zu prüfen. Besonders im Baubereich sind da ja schon illegale Handlungen vorgekommen. Das hätte wahrscheinlich, genauso wie in unserem Nachbarland, katastrophale Folgen.

Die Statistik – ich habe das kürzlich einmal gelesen – zeigt uns, dass unsere öster­reichischen Unternehmer 300 000 Beschäftigte im Ausland haben. – Was das bedeu­tet, kann sich jeder selbst ausrechnen. Appelle an den österreichischen Patriotismus, dass Investitionen vor allem im Inland und nicht im Ausland getätigt werden sollten, helfen dann nichts mehr, wenn es zu spät ist.

Deswegen glaube ich, wenn diesbezüglich nunmehr auch eine Regelung erfolgt, dann tut man gut daran, diesem Gesetz zuzustimmen. – Und den Grünen kann ich das nur auch empfehlen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP und der Grünen.)

16.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nun gelangt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort. – Bitte.

 


16.11.10

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich nehme ja die Tiroler Geschichten immer sehr ernst! (Bundesrat Schennach: Weil wir ja das Herz des Föderalismus sind!) – Genau! Da wir das Herz des Föderalismus sind, sind wir natürlich immer darauf


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bedacht, insbesondere die Redebeiträge und die Meinungen aus Tirol und Vorarlberg sehr ernst zu nehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Dieses Ausländerbeschäftigungsgesetz hat per se schon viele Schwächen und wird jetzt nicht wirklich besser. Ich möchte kurz die ökonomische Seite aufwerfen, was die Erwerbsbevölkerung in Europa und weltweit sowie die gesamte Entwicklung betrifft.

Fakt ist: Studien belegen, dass in 20 Jahren – 20 Jahre sind nicht lang; 2025 ist ein absehbarer Zeitraum für alle hier Anwesenden! – in Indien 17 Prozent, in China 16 Prozent und in Europa 5 Prozent der Welt-Erwerbsbevölkerung leben werden. Man muss sich wirklich einmal anhand von Zahlen vorstellen, was das de facto heißt. – Das ist natürlich dann noch davon abhängig, wie sich die Wirtschaft entwickelt und so weiter.

Und Fakt ist, dass Europa allgemein und insbesondere Österreich ein Einwanderungs­land ist. Genauso sollten wir das auch sehen – auch im Interesse der sozialen Sicherheit. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... Arbeitslose!) Die sozialen Sicherungssysteme werden durch die Menschen gewährleistet – durch die Menschen, die hier erwerbs­tätig sind und ihren Beitrag leisten. – Es ist ganz wichtig, das zu sehen! Und die Wirtschaft, Kollegin Zwazl, lebt davon, dass sie gute, kompetente, qualifizierte Fach­arbeiterinnen und Facharbeiter hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die kommen ja nicht!)

Das ist ja kein Wunder, Herr Dr. Kühnel! Bei den Gesetzen, die wir haben, und den Optionen, die wir den Menschen bieten, kann das ja nicht gehen! Schauen Sie sich einmal den Forschungsbereich an: Es erfolgt eine Abwanderung von guten Leuten, die einen Post-Doc oder einen Doktor in Amerika machen und dort bleiben. Die interessiert es nicht, zu den derzeitigen Rahmenbedingungen in Österreich zu arbeiten. Fragen Sie die Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten, in den Forschungseinrichtungen! – Das ist dramatisch und bedauerlich.

Wir leiden darunter, dass an den Universitäten ein Abfluss von jungen, kompetenten Forscherinnen und Forschern erfolgt – und zwar quer durch die Bank: in der Technik, in der Wirtschaft und in allen anderen Bereichen. – Das kann es nicht sein!

Wir müssen ein Klima schaffen, in dem Zuzug – ein geregelter Zuzug – möglich ist, sodass wir auch tatsächlich in der Lage sind, das soziale Sicherungssystem zu wahren, auszubauen und auch die Wirtschaft in dieser Form wachsen zu lassen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Darum werden wir diesem Ausländerbeschäftigungsgesetz in dieser Form nicht zustimmen, Herr Minister! Die Bitte an den Hohen Bundesrat lautet, tatsächlich eine Debatte – vielleicht veranstalten wir ja einmal eine Enquete – zu dem Thema zu führen: Österreich – Einwanderungsland ja, unter welchen Bedingungen? – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Professor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 


16.14.38

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der vorliegenden Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz werden drei Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt: zwei des Rates und eine des Rates und des Euro­päischen Parlaments. Zugleich waren darin legistische Anpassungen an das neue Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz sowie das neue Fremdenpolizeigesetz und Asylgesetz vorzunehmen.


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Im Einzelnen wird nachgezogenen Familienangehörigen von in Österreich im Rahmen der Gruppenpflicht auf Dauer niedergelassenen Ausländern aus Drittstaaten ein Anspruch auf Zugang zum Arbeitsmarkt eingeräumt. Gleiches gilt für langfristig aufent­haltsberechtigte Drittstaatsangehörige aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach einem zwölfmonatigen Aufenthalt zu Erwerbszwecken in Österreich.

Ferner wird eine EU-konforme Regelung für die Betriebsentsendung von auslän­di­schen Arbeitskräften durch Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union getroffen.

Subsidiär Schutzberechtigte werden künftig anerkannten Konventionsflüchtlingen gleichgestellt sein.

Als Kernstück der Neuregelung erscheint mir indes die Abstimmung der Dauer von Aufenthalts- und Beschäftigungsrechten nach folgendem Grundsatz: Kein dauerhafter Zugang zum Arbeitsmarkt ohne dauerhafte Niederlassung und umgekehrt. – Damit wird die bis heute bestehende Unstimmigkeit beseitigt, dass Ausländer auf Dauer ausgerichtete Arbeitsberechtigungen – durch Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein – erhalten konnten, ohne über einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu verfügen.

Eine klare Verbesserung der Rechtslage zur Eindämmung von Missbräuchen bis hin zum Sozialbetrug erblicken wir Freiheitliche darin, dass den Organen für die Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung erweiterte Befugnisse eingeräumt werden, ins­besondere auch bei der Überprüfung von Fahrzeugen. Ergänzt wird das durch die wechselseitigen Meldepflichten im Verhältnis von Arbeitsmarktservice und Fremden­behörden. – Auch da wird die schon erwähnte Problematik von Scheinselb­ständigen angesprochen.

Meine Fraktion wird daher diesem Gesetzesvorhaben gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Barten­stein. – Bitte.

 


16.17.16

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! In aller Kürze, aber doch zu einigen Punkten:

Zum Ersten: Herr Professor Böhm! Sie haben völlig Recht: Es ist der prinzipielle Inhalt dieses Ausländerbeschäftigungsgesetzes oder seiner Novelle, dass wir in Abstimmung mit dem Innenressort und Ministerin Prokop versucht haben, soweit wie möglich Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung aufeinander abzustellen, weil es keinen Sinn macht – auch wenn es sich leicht sagt: Lasst die Asylanten doch arbeiten! –, dass jemand zwar asylantragsmäßig abgewiesen ist, aber dann einen Beschäftigungstitel hat, oder wenn sonst jemand unbeschränkt in Österreich sein darf, aber keine Beschäftigungsbewilligung hat und umgekehrt.

Wir haben also versucht, diese Dinge aufeinander abzustellen, und – glauben Sie es mir! – das ist technisch eine recht komplexe Sache. Ich gebe Frau Bundesrätin Neuwirth Recht: Es ist nicht ganz leicht verständlich, aber machen Sie es bei Anfragen so, wie ich es mache: Wenden Sie sich an die Experten und Expertinnen meines Hauses. – Herr Deutsch sitzt da, Frau Nowotny steht zur Verfügung, die wissen das und geben Ihnen, mir und allen anderen Interessierten Auskunft. Es geht leider Gottes nicht mit einem einzigen Titel. – Das ist nicht machbar.

Zum Zweiten ist das ein Thema, wo extreme Widersprüchlichkeiten in öffentlichen Meinungen nachzuvollziehen sind. – Herr Bürgermeister Häupl hat – aus meiner Sicht zu Unrecht gering geschätzt – in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vor einigen


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Tagen gemeint: Wer in Österreich legal Aufenthalt hat, der soll hier auch arbeiten dürfen. – Na wunderbar! Dafür bekommt man noch Applaus von vielen – und sicherlich auch von den gesamten Vertretern der Sozialdemokratie.

Weit gefehlt! Täte man das, würde man zum Beispiel gerade die Position der Arbeiter­kammer und anderer Vertreter der Arbeitnehmerseite – ich spreche jetzt ausdrücklich nicht vom ÖGB, weil der ÖGB in diesen Fragen ja eine deutlich vernünftigere und humanere Position hat als die Arbeiterkammer – absolut konterkarieren, die sagt: Selbstverständlich brauchen wir diese siebenjährige Übergangsfrist! Was ist denn die siebenjährige Übergangsfrist, Herr Bürgermeister Häupl? – Natürlich, dass die neuen EU-Bürger in Österreich unbeschränkt Aufenthaltstitel haben – sie brauchen ja gar keinen –, aber sie werden nicht am Arbeitsmarkt zugelassen!

Hoch verehrter Herr Bürgermeister! Gerade aus der Länderkammer rufe ich Ihnen zu: Es schadet manchmal nichts, wenn man sich auch in der Sache informiert!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe da sogar noch einen Schritt weiter und nehme Bezug darauf, dass Frau Bundesrätin Lichtenecker gesagt hat, Wort­meldungen aus Tirol seien ernst zu nehmen. – Sie sind ernst zu nehmen, und dann, wenn sie nicht passen, auch dann, wenn es sich um Parteifreunde handelt, absolut kritisch zu bewerten und zurückzuweisen.

Es darf nicht vorkommen, dass jemand, der in diesem Land in irgendeiner Funktion – sei es in einer Kammer oder sonstwo – Führungsverantwortung trägt, unsere deut­schen Freunde in irgendeiner Form als „Feind“ bezeichnet. Wo kommen wir denn da hin, meine sehr verehrten Damen und Herren?! Das darf nicht sein – und ist von mir auch kategorisch und energisch zurückgewiesen worden –, auch wenn man bekannt ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Konecny. – Bundesrat Konecny: Macht euch das intern aus!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte diesbezüglich die berühmte Kirche auch in einem Tiroler Dorf lassen. Wir haben jetzt rund 46 000 Arbeitnehmer aus Deutschland; die Tendenz ist steigend. Wir haben aber immer noch rund 57 000 Österreicher, die in Deutschland als Arbeitnehmer tätig sind; übrigens interes­santerweise eine deutlich rückläufige Zahl. Das waren vor einigen Jahren noch deutlich über 80 000 Österreicher, die draußen waren. Das hat etwas mit der Schwäche des deutschen Arbeitsmarkts zu tun und mit der Stärke des österreichischen.

Ich bitte und ersuche Sie jedoch, gerade in solchen Dingen nicht außer Acht zu lassen und bei der Wortwahl darauf zu achten, dass man nicht vor allem diejenigen Nachbarn, die zu 10 Millionen, nicht zu 10 000, nicht zu 20 000, sondern zu 10 Millionen jedes Jahr als Touristen zu uns kommen und hier zu Gast sind, nicht sagt: Auf der einen Seite der Theke seid ihr zugelassen, aber auf der anderen wollen wir euch nicht, da seid ihr dann unsere „Feinde“! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Politik in diesem Bereich ist keine, wo man immer ganz leicht tun kann, was man emotional möchte. Oder sagen wir so: Die Emotionen gehen in eine andere Richtung, als man dann in der Sache politisch agieren muss, und da ist ein Innenminister und auch ein Arbeitsminister durchaus gefordert. Darum geht es, Frau Bundesrätin Neuwirth, wenn man in der Tat hier Österreicher, die einmal Österreicher geworden sind und beispielsweise aus der Türkei zu uns gekommen sind, in Sache des Nachzugs ihrer Angehörigen anders stellt, als das jetzt für Deutsche gilt, die zu uns gekommen sind und die ursprünglich einmal aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind.

Sie sprechen hier von einer Diskriminierung. – So möchte ich es nicht interpretieren. Aber ich sage Ihnen eines: Das Letztere ist eine unabdingbare EU-Voraussetzung. Ich


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muss also dem deutschen Staatsbürger, der zu uns kommt und der seine türkischen Eltern oder Schwiegereltern nach Österreich nachziehen lassen möchte, das ermög­lichen, Frau Bundesrätin. Das wird aber quantitativ keine besondere Rolle spielen. Es ist der Europäischen Union aber relativ gleichgültig, ob ich das auch einem Öster­reicher ermögliche, der seine türkischen Eltern, Schwiegereltern oder bestimmte andere Verwandte nachziehen lassen will.

Da das ja nicht nur mit einer Aufenthalts-, sondern bald einmal auch mit einer Arbeits- und Beschäftigungsbewilligung verbunden ist, muss man hier restriktiv vorgehen. Das macht mir keinen besonderen Spaß, aber unsere Experten sagen mir, da geht es um Zehntausende, nicht um einige Dutzend, die hier zu uns kommen könnten. Interes­santerweise gab es selbst seitens der relativ kritischen Nationalratsabgeordneten auch der grünen Fraktion im Ausschuss dann nur mehr wenig Diskussion, als ich mir erlaubt habe, das sehr offen zu erörtern.

So viel verbirgt sich unter dem Terminus „freizügigkeitsberechtigte Drittstaats­ange­hörige und deren Familienangehörige“. So gesehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das, denke ich, ein sehr pragmatischer, ein hoffentlich auch praxisnaher Ansatz, die Verhältnisse weiterhin zu optimieren.

Die Saisonniers sind es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. In Sachen Saisonniers fahren wir durchaus einen zurückhaltenden Kurs – abgesehen davon, dass auch Salzburger, Tiroler und andere Gewerkschaftsvertreter immer wieder zu den Anträgen des AMS ja sagen. Wir sind jedoch seit zwei Jahren auf einem Kurs, auf dem wir die Saisonnierbewilligungen um etwa zehn Prozent pro Jahr zurücknehmen. Wir reagieren also durchaus auf die veränderte Situation, auch darauf, dass nicht nur, aber auch Arbeitnehmer aus den neuen deutschen Bundesländern im Tourismus verstärkt diejenigen Tätigkeiten auf Almhütten leisten, die sonst von anderen geleistet wurden.

Da wir schon bei Begrifflichkeiten sind: Ich will jetzt hier nichts energisch zurückweisen, aber, sehr verehrte Frau Bundesrätin, zu sagen, dass Ausländer bei uns im Tourismus so lebten, wie das Verhältnissen in der Dritten Welt entspreche – üben Sie Kritik da und dort, sagen Sie es mir, wenn etwas nicht gesetzeskonform ist, aber Verhältnisse wie in der Dritten Welt gibt es bei uns im Tourismus nicht, weder für inländische noch für ausländische Arbeitnehmer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben ... (Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Ich bitte, die Plätze einzunehmen!

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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16.26.0313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeitskräfte­überlassungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Einkommen­steuergesetz 1988 sowie das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden (972 d.B. und 1012 d.B. sowie 7348/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich bitte ihn um den Bericht.

16.26.22

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Vorerst, vor meiner Berichterstattung, möchte ich mich noch einmal recht herzlich bei Ihnen für die hohe Auszeichnung bedanken, die meine Gemeinde und meine Unternehmen durch Sie letzte Woche erhalten haben. Herzlichen Dank noch einmal!

Geschätzte Damen und Herren! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- Abfertigungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Ein­kommenssteuergesetz 1988 sowie das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Ver­lesung. Ich beschränkte mich somit auf die Formulierung zur Antragsbeschluss­fassung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage vom 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.27.54 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosen­versiche­rungsgesetz 1977 geändert werden (946 d.B. und 1010 d.B. sowie 7329/BR d.B. und 7349/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich bitte ihn um die Bericht­erstattung.

16.28.14

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betref-


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fend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung. Ich beschränkte mich somit auf die Formulierung der Antragsbeschluss­fassung wie folgt:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage vom 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet ist, so höre ich, Herr Bundesrat Kaltenbacher. Stimmt das? (Bundesrat Kaltenbacher verneint.) – Es ist also niemand zu Wort gemeldet.

Wünscht jemand das Wort? (Ruf bei der ÖVP: Nein!) – Das ist nicht der Fall. Wir richten uns gerne nach Ihnen!

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist ange­nommen.

16.29.30 15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959, das Futtermittelgesetz 1999, das Dünge­mittelgesetz 1994, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das BFW-Gesetz, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzgrundsatz­gesetz, das Weingesetz 1999, das Flurverfassungsgrundsatz-Gesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Forstgesetz 1975 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird (Agrar­rechts­änderungsgesetz 2005) (968 d.B. und 1018 d.B. sowie 7330/BR d.B. und 7350/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut (862 d.B. und 1021 d.B. sowie 7351/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen jetzt zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstatterin zu den Punkten 15 und 16 ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.30.02

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959, das Futtermittelgesetz 1999, das Düngemittel­gesetz 1994, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das BFW-Gesetz, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzgrundsatzgesetz, das Wein­ge­setz 1999, das Flurverfassungsgrundsatz-Gesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951


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über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Feld­dienst­barkeiten, das Forstgesetz 1975 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesl­ehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung. Ich komme sogleich zu Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft betrifft den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung. Ich komme sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


16.33.11

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit dem Agrarrechts­änderungsgesetz 2005 liegt uns wieder einmal ein Gesetz vor, das eine ganze Reihe von Bereichen betrifft. Vom Wasserrechtsgesetz 1959 über das Futtermittel­ge­setz 1999 bis hin zum Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz spannt sich der Bogen. Insgesamt geht es um zwölf Gesetze, um Änderungen in Gesetzen, nein, 13. Oder habe ich mich verzählt?

Im Nationalrat hat das ein Kollege als „Kraut-und-Rüben-Gesetz“ bezeichnet, und dem kann man nur zustimmen. Im Landwirtschaftsausschuss des Bundesrates wurde uns auf Anfrage der grünen Kollegin erklärt, dass es deshalb so eine Zusammenfassung der Gesetze gibt, damit wir im Plenum nicht zwölf- oder 13-mal aufzeigen müssen, sondern das mit einem Mal geht.

Meine Damen und Herren! Diese Zusammenfassung hat natürlich auch Folgen, und zwar die, dass wir einigen Gesetzesmaterien unsere Zustimmung nicht geben können, obwohl wir auch dafür gewesen wären, weil diese Art von Gesamtbeschlussfassung das nicht zulässt.

Meine Damen und Herren! Nun zu den Änderungen im Wasserrechtsgesetz, um die es mir im Speziellen geht, denn da können wir nicht zustimmen. Da geht es um die vermehrte Nitratbelastung im Grundwasser. Das ist eine sehr heikle Angelegenheit. Da geht es um unser aller Gesundheit, meine Damen und Herren. Sie, Herr Bundes­minister, lassen zu, dass die Stickstoffhöchstmengen überschritten werden können, und im Ausschuss ist uns erklärt worden, dass das eine Gleichstellung von Handels- und Wirtschaftsdünger sein soll. Das ist auch eine etwas schwache Argumentation.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt seit 1991 flächendeckend Nitratdaten, wir haben das ÖPUL-Programm, und die Nitratbelastungen im Grundwasser werden in verschiedenen Bereichen immer höher. Es darf nicht so sein, dass die Nachhaltigkeit in diesem Bereich so ausschaut, dass wir zwar jährlich oder sogar monatlich etwas


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ändern, dass das Grundwasser aber dann immer wieder mehr belastet wird. Es gibt diese Grundwasserbelastungen in großen Gebieten, im Marchland, im Marchfeld und im Eferdinger Becken. Davon reden wir seit Jahren, aber es wird nichts anders. Dort wird die Landwirtschaft sehr extensiv betrieben, und ich meine, dass das auch einer der Gründe ist, warum die Belastungen dort so groß sind.

Auch die Landwirtschaftskammer Steiermark hat im Internet geschrieben, dass die Landwirtschaft zurzeit bei der Grundwassersicherung nicht ganz vorne zu finden ist, und ich würde mir wünschen, dass das auch die anderen Landwirtschaftskammern so sehen würden.

Herr Bundesminister! Wir haben einfach das Problem, dass der Umweltschutz und die Landwirtschaft nicht immer an einem Strang ziehen können oder wollen – das lasse ich jetzt dahingestellt –, und das sehen wir an verschiedenen Punkten.

Meine Damen und Herren! Zum nitratbelasteten Grundwasser kommen auch noch die Lebensmittel. Wir alle wissen und hören es jedes Jahr, dass unsere Lebensmittel belastet sind, und das noch zusätzlich zur Grundwasserbelastung, das ist nicht gerade gesund für die Konsumentinnen und Konsumenten. Dazu kommt auch noch: Diese Nitratbelastung muss irgendwo herausgefiltert werden, und das kostet alles sehr, sehr viel Geld. Wir wissen, dass in den Wasseraufbereitungsanlagen gerade die letzten Prozente, die wir erreichen müssen, immer die teuersten sind.

Herr Bundesminister! All das sind Gründe, die uns diesem Agrarrechtsänderungs­gesetz nicht zustimmen lassen. Dem Tagesordnungspunkt 16 stimmen wir zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


16.37.52

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Zu Beginn gleich zu den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Bundesrates Kraml: Wenn Sie von „Kraut und Rüben“ sprechen, so meine ich auch, dass dies gute landwirtschaftliche Produkte sind, aber in diesem Gesetz finden wir sie nicht vor. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Umweltschutz und Landwirtschaft sind meiner Meinung eine Einheit, sind miteinander verbunden. (Bundesrat Kraml: Nicht immer!) Und wenn Sie sagen, die Nitratbelastung sei in gewissen Gegenden sehr hoch, und das mit diesem Gesetz verbinden, so bin ich der Meinung, dass Sie das Gesetz doch nicht so genau gelesen haben, und ich werde es Ihnen erklären, wie es wirklich ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Bitte, Frau Oberlehrerin! – Bundesrat Stadler: Wir hören!) – Genau bitte!

Das Agrarrechtsänderungsgesetz beinhaltet mehrere Gesetzesänderungen, und ein wesentlicher Punkt darin ist die Novellierung des Wasserrechtsgesetzes, den Sie bereits angesprochen haben. Bei dieser Änderung geht es darum, mit der Umwelt in Einklang für die Landwirtschaft wettbewerbsverzerrende Widersprüche zu beseitigen. Dies ist ein wichtiger Beitrag, denn die saubere und intakte Umwelt und die Wasser­qualität sind gerade für die Landwirtschaft eine wichtige Produktionsgrundlage, und daher sind wir immer bestrebt, dass sie gut erhalten bleibt. Da in der Landwirtschaft das Kreislaufdenken stark verankert ist und die Landwirtschaft auch für ökologisch wertvolle Produkte sorgt, meinen wir, dass dies in der Nitratrichtlinie eher negativ geregelt ist, denn die EU-Nitratrichtlinie sieht vor, dass bis zu 170 Kilogramm Stickstoff aus Wirtschaftsdünger kommen dürfen und der Rest durch Handelsdünger abgedeckt


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werden kann. Aber das ist aus unserer Sicht eben nicht das Ideale, denn der Wirt­schaftsdünger ist auch noch relativ hoch bewertet.

Meine Damen und Herren! Sie können das sicher auch nicht verstehen, meine Bauern verstehen es auch nicht. Der ökologische Wert von Wirtschaftsdünger ... (Bundesrat Kraml: Dann verlangen Sie es von mir! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Nein, die verstehen nicht, dass das so geregelt ist. (Bundesrat Gruber: Ach so!) Der ökologisch wertvolle Wirtschaftsdünger, der im Kreislauf eine natürliche Kette schließt, darf nicht im selben Ausmaß verwendet werden wie der gekaufte Handelsdünger, und dies ist natürlich eine massive Benachteiligung, die ökologisch nicht erklärbar ist.

Nun ist es eben Tatsache, dass wir das im Wasserrechtsgesetz beseitigen wollen. Dazu gibt es klar definierte Voraussetzungen, wann, wo und wie das möglich ist. Die EU-Nitratrichtlinie sieht nämlich vor, dass es in den Mitgliedstaaten Abweichungen geben kann, wenn es dafür begründete Voraussetzungen gibt. Diese müssen dann durch die Kommission überprüft werden.

Daher bin ich froh, dass wir heute die gesetzliche Grundlage schaffen, um Ungleich­heiten und Benachteiligungen der Bauernschaft, der die Landwirtschaft, die Natur und die Produktion von natürlichen und gesunden Lebensmitteln ein Anliegen ist, aus dem Weg zu räumen. Ich glaube, die Landwirtschaft liegt uns allen sehr am Herzen, daher sind wir froh, wenn wir das beseitigen können.

Es erfolgt auch die Änderung des Futtermittelgesetzes, die darin besteht, dass im EU-Futtermittelrecht eine Meldepflicht für Futtermittelbetriebe von der Produktion bis zur Verfütterung besteht und dies durch die Behörde zugelassen werden muss.

Die Kontrolle wird in Zukunft durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erfolgen. Daher wird es zu einem einheitlichen Vorgehen für ganz Europa kommen, und das ist, glaube ich, der richtige Weg. Es ist ein richtiger Schritt für mehr Rechts­sicherheit für unsere landwirtschaftlichen Betriebe, da unsere landwirtschaftlichen Betriebe Futtermittel sowohl erzeugen als auch verbrauchen. Ich glaube jedoch, dass man das Ganze mit Augenmaß sehen muss, denn zwischen den bäuerlichen Klein­betrieben und der Futtermittelindustrie soll schon ein Unterschied bestehen.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass bereits vorhandene Aufzeichnungen genutzt werden, denn wir können unsere kleinen Betriebe nicht mit noch mehr Bürokratie belasten.

Eine wesentliche Änderung erfolgt auch im Pflanzenschutzgrundsatzgesetz, das nun vorsieht, dass die Landesgesetzgebung vorzusehen hat, dass Pflanzenschutzmittel bestimmungs-, sach- und ordnungsgemäß verwendet werden müssen und eine zeit- und zielgerechte Ausbringungstechnik verwendet wird.

Dies ist ein Punkt, der nun gesetzlich festgelegt wird, der aber bereits, glaube ich, von unseren Bauern umgesetzt wird, denn sehr viele Bauern nehmen am Umweltpro­gramm teil, und das Umweltprogramm regelt natürlich auch die Wirkstoffe und deren Ausbringung, ebenso auch die Spritzgeräteüberprüfung, die jährlich vorgeschrieben ist.

Zur Änderung im Weingesetz kann ich nur sagen, dass Österreich ein sehr klein­strukturiertes Weinbaugebiet darstellt, aber unsere Winzer legen ständig höchsten Wert auf eine qualitativ hochwertige Produktion mit typischen regionalen Geschmacks­identitäten. (Bundesrat Gruber: Die Konsumenten auch!) Die Konsumenten natürlich auch, aber vor allem die Winzer. Die erzeugen den Wein, damit ihn die Konsumenten konsumieren können. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Dadurch sind die Weine von Österreich auch sehr beliebt. Wir haben 19 Weinbau­gebiete, und nun soll es zu einer Veränderung kommen. Die Gemeinde Sitzenberg-


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Reidling kommt vom Donauland ins Traisental. Dies ist geografisch gesehen, glaube ich, sehr sinnvoll.

Weiters werden Strafbestimmungen zur bestehenden DAC-Weinverordnung festgelegt. Damit hat der Konsument verstärkt die Sicherheit für Österreichs Qualitätsprodukte.

Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Diese Gesetzesänderungen im Agrar­recht sind größtenteils EU-Anpassungen, sodass die Gleichstellungen einfach näher rücken. Gleiche Bedingungen für gleiche Produktionsgrundlagen – dem können Sie die Zustimmung sicher nicht verwehren, denn die typische bäuerliche Landwirtschaft liegt uns, glaube ich, allen sehr am Herzen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Boden: Wo bleibt die versprochene Erklärung?)

16.45


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte. (Bundesrat Boden: Erklär ihr das Gesetz bitte!)

 


16.45.33

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kraml hat mir ja schon einiges vorweggenommen. Ich habe im Ausschuss nachgefragt, warum wir ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Ich werde trotzdem meine Sicht der Dinge noch klarlegen. Vielleicht können Sie mir dann noch sagen, was daran nicht stimmen soll. Aber es sind zwölf oder dreizehn Gesetze; da war ich mir auch nicht ganz sicher, da haben Sie mich jetzt verwirrt. Ich habe nur zwölf gezählt, da habe ich offenbar eines übersehen. (Weitere Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Doch zwölf? Na schau!

Wir haben ein Problem mit diesen Sammelnovellen, und wir haben ja auch schon im Ausschuss gefragt, worin denn der Vorteil läge oder wo sich diese Vorgangsweise bewährt hätte, dass man über zwölf Gesetze auf einmal abstimmt. Die Antwort darauf war mehr oder weniger, dass wir dann nicht so oft die Hand heben müssten. Möglicherweise ist es aber deshalb so, weil Sie es in letzter Zeit immer so eilig haben, weil Sie nicht warten wollen, bis wir 24-mal die Hand gehoben haben. Ich würde mich jedenfalls freuen. Ich hätte gerne hin und wieder einmal die Hand gehoben, ich hätte bei einigen dieser Gesetze die Hand gehoben (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), aber in diesem Fall, nachdem der Mehrzahl meiner Meinung nach nicht zuzustimmen ist, müssen wir heute bei diesem Punkt gar nicht die Hand heben. Das tut mir irgendwie Leid, und ich würde Sie bitten, dass wir diese Sammelgesetznovellen in Zukunft doch vermeiden können. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie können Ihre Meinung ja noch ändern, Frau Kollegin! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, wir sind keine Umfaller. Wenn der Großteil der Gesetze abzulehnen ist, dann werde ich sicher da nicht die Hand heben.

Des Weiteren ist es so, dass ein wichtiger Punkt, warum wir diese Wasserrechts­gesetznovelle ablehnen, die mögliche Erhöhung der Nitratbelastung ist. Ob jetzt der Handelsdünger teurer ist oder der Wirtschaftsdünger, prinzipiell ist weniger oft mehr. Deshalb würde ich sagen, dass es nicht sinnvoll ist, auf Grund einer EU-Richtlinie, die ermöglicht, den Stickstoffeintrag zu erhöhen, ihn auch wirklich erhöhen zu müssen. (Bundesrätin Diesner-Wais: Sie verstehen nicht, was ein Wirtschafts- und was ein Handelsdünger ist!) Es müsste in unserem Sinne sein, wenn man eben insgesamt ein bisserl weniger Dünger nimmt, denn jeder Dünger, sowohl der Wirtschaftsdünger als auch der Handelsdünger, wird sich auf die Nitratbelastung auswirken, sonst würde man es ja nicht berechnen müssen.


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Ein weiteres Problem, das wir haben, ist der Entfall der Genehmigungspflicht für das Halten von Nutztieren ab 3,5 Dunggroßvieheinheiten pro Hektar. Es ist meiner Mei­nung nach kontraproduktiv. Auch wenn die Genehmigungspflicht bis jetzt kaum voll­zogen worden ist, so ist es doch eine Steuerungsmöglichkeit. Wo sonst soll man ansetzen, wenn nicht in der Intensivtierhaltung, um die Nitratbelastung vielleicht doch wieder zu senken? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Futtermittelgesetz beinhaltet sicher einige Verbesserungen. Ein Problem, das wir sehen, sind die Strafen für Kennzeichnungsmängel bei GVO-Futtermitteln, die letzt­endlich für die Firmen, die es betreffen könnte, mehr oder weniger ein Klacks sind und das Ganze zum Kavaliersdelikt verkommen lassen. Bei laufenden Verstößen fehlt uns die Verpflichtung der Behörde, darüber auch die Öffentlichkeit zu informieren.

Beim Flurverfassungsgrundsatzgesetz und beim Waldweidennutzungsrecht sehen wir auch einen grundsätzlichen Fortschritt, und es ist schön, dass die EU-Öffentlich­keitsbeteiligungsrichtlinie hier auch berücksichtigt wird. Schöner wäre es gewesen, wenn das Ganze in einem umfassenden UVP-Gesetz geregelt worden wäre und nicht in den verschiedenen Gesetzen überall ein bisschen was von einer Öffentlichkeits­beteiligungsrichtlinie drinnen stünde.

Insgesamt eben Kritik an dieser Sammelnovelle. Das ist eine Unart in meinen Augen, und im Einzelnen zeigt sich ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Warum?) Ich hätte gerne fünf von diesen Gesetzen zugestimmt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Dann können Sie ja zustimmen!) Nein, das kann ich nicht. Das kann ich ganz sicherlich nicht. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Nein, nicht fünf zu zwei, sondern fünf zu sieben, Herr Minister.

Im Einzelnen zeigt sich an dieser Novelle meiner Meinung auch, dass der Umwelt­minister in Ihnen gegen den Landwirtschaftsminister leider keine Chance hat. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

16.49


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie sind am Wort.

 


16.50.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Eingangs zur schon erwähnten Frage der Frau Abgeordneten Kerschbaum zur Sammelnovelle ein ganz klares Bekenntnis: Wir haben in den letzten Jahren mehrmals mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz viele Gesetze zusammengefasst, um mit dem Betriebsmittelrecht zum Teil in der Umsetzung, zum Teil in der Antwort auf Herausforderungen, die wir geben wollen, gemeinsam eine Antwort zu suchen. Das ist klug, um all das, was uns im agrarischen Bereich betrifft, im Betriebsmittelrecht, im Entfernteren in der EU-Umsetzung und in dem, was wir auch in der Ausrichtung wollen, gemeinsam zu diskutieren und darüber auch eine Sammelnovelle zu machen. Ich halte das für einen wichtigen Punkt. Es sind 13 Gesetze, die hier zusammengefasst sind, und jedes für sich bringt substantielle Verbesserungen in jenen Bereichen, die in den einzelnen Gesetzen angesprochen sind.

Ich möchte auch gar nicht mehr über „Kraut und Rüben“ diskutieren, wie manche das angesprochen haben. Jedes Gesetz an sich und jede Novelle, die wir dort vorhaben, wird uns weiterbringen auf einem nachhaltigen ökosozialen Weg in der österreichi­schen Landwirtschaft.

Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Umweltminister unterliegt oder über die Landwirtschaft siegt, sondern genau das ist der Vorteil eines Lebensministers: beide


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Dinge in einem Ressort verantworten zu können und einen Ausgleich im Sinne der Nachhaltigkeit zu finden. Und dieses Agrarrechtsänderungsgesetz 2005 zeigt das einmal mehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich darf auch auf die Frage eingehen, die Sie angesprochen haben, nämlich hinsicht­lich Wasserrechtsgesetz. Vielleicht vorweg eines ganz klar und deutlich – das leitet sich auch ab aus vielen Ergebnissen im Bereich der OECD-Umweltprüfberichte, aus vielen Studien und Statistiken der Europäischen Union; ich zitiere –:

Österreich bei Abwasserbehandlung den Zielen der EU-Richtlinie weit voraus. – OECD-Umweltprüfbericht.

Oder: Qualität der österreichischen Oberflächengewässer laufend verbessert. – Auch die Situation im Grundwasser laufend verbessert!

Das sind Zitate – nicht Zitate eines Lebens-, Umwelt- und Landwirtschaftsministers in Österreich, sondern Zitate aus Berichten der Europäischen Union und der OECD!

Das sind die wirklichen Ergebnisse, die zeigen, warum man mit dem Wasser­rechts­gesetz die richtigen Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen hat!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Österreich ein einzigartiges Umweltprogramm. Wir haben mit dem Beitritt zur Europäischen Union auf das richtige Pferd gesetzt, denn 85 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind im Umweltpro­gramm inkludiert, und alle diese Parameter helfen uns, was das Wasser betrifft, substantielle Verbesserungen zu erreichen. Das kann niemand leugnen, das zeigen alle Statistiken.

Wir – EU, Bund und Länder – geben dafür 640 Millionen € aus, und wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, schließen jetzt – das wundert mich am allermeisten in der Argumentation gerade bei den Grünen, dass das nämlich nicht gesehen wird – eine logische Flanke. Wir betonen mit der Änderung im Wasserrechtsgesetz durch die Stärkung der Kreislaufwirtschaft in Zukunft genau das, was wir wollen. Wir setzen auf Wirtschaftsdünger aus Stallmist und Gülle vor Handelsdünger, ohne die Grenzen zu verletzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist das, was wir uns lange vorgenommen haben, was nicht unumstritten war, was aber eine richtige Weichen­stellung ist.

Das hat mir bis jetzt niemand erklären können, warum das nicht nachhaltig und ökolo­gisch ist. Genau das, was gerade die Biobauern seit Jahren und Jahrzehnten pos­tulieren, nämlich Kreislaufwirtschaft zu betreiben, wird jetzt im Wasserrechtsgesetz umgesetzt.

Das ist ein Faktum, das ist eine Tatsache, das ist auch der richtige Schritt auf dem Weg in die Zukunft, denn anders als andere in der Europäischen Union – wie zum Beispiel die Sozialisten in England, die Agrargelder einseitig kürzen wollen – setzen wir auf Kreislaufwirtschaft, auf familiäre, ökologische, nachhaltige Wirtschaftsweise, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das drückt sich auch in der Umsetzung im Agrarrechtsänderungsgesetz einmal mehr aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich gehe auch nicht mehr auf die einzelnen Gesetze ein, die zum Teil – Futter­mittelgesetz, Forstgesetz und andere – Umsetzungen von EU-Vorgaben und anderen Parametern sind. Ich denke, dass das Agrarrechtsänderungsgesetz 2005 einmal mehr unseren Weg einer erfolgreichen ökosozialen Landwirtschaft unterstreicht. (Beifall bei der ÖVP.)

16.54



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724. Sitzung / Seite 139

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Bitte.

 


16.54.23

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Dieses Gesetz ist ein wichtiges Gesetz, vor allem ist es wichtig, weil es unseren Bäuerinnen und Bauern die Rahmenbedingungen gibt, die ihnen helfen, weiterhin hervorragende Lebensmittel zu produzieren, wie sie in Österreich pro­duziert werden, die Landschaftspflege zu machen und dem Umweltschutz zu dienen. Das sollte hier einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden.

Der Herr Minister hat gerade vorhin noch einmal betont: In Österreich gehen wir den richtigen Weg! Herr Kollege, Sie haben vorhin gemeint, es hätten sich die Nitratwerte seit 1992 verschlechtert. Wenn ich mir die burgenländischen Daten seit 1992 an­schaue, so kann ich eine deutliche Verbesserung feststellen, und das wird nicht nur im Burgenland so der Fall sein. (Bundesrat Kraml: Es gibt mehr seither!)

Natürlich spielt da eine Rolle, dass im Burgenland 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im ÖPUL-Programm drinnen sind. Eine weitere Rolle spielt die hervor­ragende Abwasserentsorgung in unserem Land. 97 Prozent der burgenländischen Haushalte sind an geordnete Abwassersysteme angeschlossen. Hier haben wir mit Wien eine Spitzenposition, und unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2009 einen Anschluss von 99,2 Prozent zu erreichen. (Bundesrat Reisenberger: Das ist ja toll!)

Auch bei der Klärwasserqualität nehmen wir in Österreich einen Spitzenplatz ein. Da sind die burgenländischen Werte Spitzenwerte. Vielleicht vergleichen Sie einmal die Werte in Ihrem eigenen Burgenland, weil jetzt gerade so leicht hämisch gemeint wurde, das sei toll. (Bundesrat Kraml: Nein, ich habe kein eigenes Burgenland!)

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern wird bei uns im Burgenland nur die Hälfte bis ein Fünftel der Stickstoffmenge pro Fläche ausgebracht und damit Böden und Grund­wasser entscheidend entlastet.

Das sind die Dinge, da wird der richtige Weg gegangen. Hier werden die Bauern und Bäuerinnen unterstützt, damit sie eine nachhaltige Landwirtschaft betreiben können. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie unseren Bäuerinnen und Bauern nicht Prügel vor die Füße werfen würden, sondern sie in ihren Unternehmungen weiter unterstützen würden und dieses Agrarrechtsänderungsgesetz auch mittragen würden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.57


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.57.39

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Kollegin Fraun­schiel hat gerade gesagt, dass im Burgenland die Bauern mit einem Fünftel des Stick­stoffs im Dünger auskommen. Da frage ich mich: Warum müssen wir jetzt die Menge erhöhen? (Bundesrätin Diesner-Wais: Wir erhöhen es ja nicht, wir tauschen es ja nur aus!) Eben. Egal, ob Handelsdünger oder Wirtschaftsdünger, Sie können nicht sagen, es ist eine Kreislaufwirtschaft, wenn insgesamt mehr Nitratbelastung zugelas­sen wird. (Bundesrätin Diesner-Wais: Es wird nicht mehr zugelassen!) Sicherlich wird mehr zugelassen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) Nein, insge­samt ist es eine Erhöhung. Es ist vorher nicht möglich gewesen. Es ist jetzt eine Ausnahmegenehmigung, die in der EU-Richtlinie vorgesehen ist, die man aber nicht


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unbedingt umsetzen muss. Davon, dass es wichtig für eine Kreislaufwirtschaft ist, wenn man den möglichen Stickstoffeintrag erhöht, kann doch auch keine Rede sein. (Zwischenruf des Bundesrates Höfinger.) Ja, trotzdem ist es keine Kreislaufwirtschaft, wenn man Gülle konzentriert ausbringt. Das ist meiner Meinung nach auch das Problem mit dem Wegfall der Genehmigungspflicht für das Halten von Nutztieren ab 3,5 Großvieheinheiten.

Außerdem ist es doch so, dass im ÖPUL Förderungen ausbezahlt werden, wenn man die Nitratbelastung niedriger hält oder weniger Dünger ausbringt, als erlaubt wäre. Auf der anderen Seite macht man dann Ausnahmegenehmigungen, dass man wieder mehr ausbringen darf. Das ist ein Widerspruch. Sie sagen nein, ich sehe es eben schon so. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Bundesrat Boden: Der Kühnel! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Als Ordner kann er das natürlich in seiner Fraktion so weitergeben. Kein Problem.

Frau Kollegin, wünschen Sie ein Schlusswort als Berichterstatterin? (Berichterstatterin Fröhlich: Nein!) – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, nachdem die Debatte geschlossen ist.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend das Agrarrechtsänderungsgesetz 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegendem Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.00.2717. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung (514 d.B. und 1019 d.B. sowie 7352/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Annahmeerklärung betref­fend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage (612 d.B. und 1020 d.B. sowie 7353/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun kommen wir zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 17 und 18 ist Herr Bundesrat Bogensperger. Ich bitte um die Berichte.

 


17.01.07


Bundesrat
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Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Res­sourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Ich bitte um den nächsten Bericht.

 


17.02.03

Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen hiezu liegen keine vor. Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die beiden vorliegenden Beschlüsse, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend einen Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ress­ourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 142

Nun stimmen wir ab über den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist wieder die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend eine Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage.

Der gegenständliche Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder, die der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedürfen.

Da der Artikel XXI Absatz 4 zweiter Satz des vorliegenden Beschlusses zudem verfassungsändernd ist, bedarf dieser gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle nun die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest. – Die erforderliche Anwesenheit ist gegeben.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustim­men, um ein Handzeichen. – Es ist Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist ebenfalls angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

17.07.1919. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im öster­reichi­schen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundes­gesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Be-


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freiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politi­schen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerken­nungs­gesetz 2005) (614/A und 1024 d.B. sowie 7354/BR d.B.)

20. Punkt


Bundesrat
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Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1025 d.B. sowie 7355/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird (641/A und 1022  d.B. sowie 7332/BR d.B. und 7356/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungs­gesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (613/A und 1013 d.B. sowie 7357/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zu den Punkten 19 bis 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 19 ist Herr Bundesrat Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich bitte um den Bericht.

 


17.08.00

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherr­schaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Wider­standskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Ich bitte nun Frau Bundesrätin Auer um den Bericht zu Punkt 20.

 


17.09.23

Berichterstatterin Johanna Auer: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diesen Bericht. – Ich bitte nun Herrn Bundesrat Weilharter um den Bericht zu Punkt 21.

 


17.10.10

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Werte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher mit Ihrem Einver­ständnis auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Zu Tagesordnungspunkt 22 bitte ich Frau Bundesrätin Blatnik um ihren Bericht.

 


17.11.07

Berichterstatterin Ana Blatnik: Frau Präsidentin! Gospa president! Frau Ministerin! Gospa ministrica! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretár! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konecny. – Herr Professor Konecny, Sie haben das Wort.

 


17.12.22

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben mit diesen vier Gesetzen einen Versuch vor uns: Uns im Jahr des 60. Bestandes der Zweiten Republik mit einer Geste – mehr konnte und kann es nicht sein – und namens der Republik an jene zu wenden, die vom Nationalsozialismus, die von den Kriegsereignissen im besonderen Maße zu Opfern gemacht wurden.

Es steht der Republik gut an, sich gerade in diesem Jubiläumsjahr darum zu bemühen, ihre Geschichte nicht nur in Ausstellungen und bei Festveranstaltungen aufzuarbeiten,


Bundesrat
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sondern auch mit und gegenüber den wenigen Überlebenden dieser dramatischen Jahre. Das ist ein richtiger Schritt – und wenn wir Sozialdemokraten diesen nicht für einen solchen gehalten hätten, dann hätte es nicht über viele Wochen hinweg Ge­spräche und Verhandlungen gegeben, bei denen um eine gemeinsame Vorgangs­weise gerungen wurde.

Dennoch stehen wir am Ende vor der Tatsache, dass von diesen vier Vorlagen nur zwei unsere Zustimmung finden. Ich werde das für den einen Fall – meine Kollegin Lueger für den anderen Fall – mit ein paar Worten begründen.

Klar ist: Wenn wir Geschichte und die Träger dieser Geschichte ernst nehmen, dann müssen wir auch Wahrheiten aussprechen. Und Wahrheiten aussprechen, das heißt in diesem Fall, eindeutig und klar auszusprechen, wer Opfer und warum er Opfer war.

Für niemanden – mit wenigen Ausnahmen – war diese Zeit eine, an die gerne zu­rückgedacht wird. Es hat Täter gegeben – ich habe das bereits das letzte Mal hier gesagt –, die zu Opfern wurden, und es hat Täter gegeben, die in der Tat innehielten, was ihre Schuld davor zwar nicht aufheben, jedoch mindern kann, weil diese Täter letztlich erkannt haben, woran sie mitgewirkt haben.

Es ist nicht leicht, in einem Zeitabstand von 60 Jahren darauf im Einzelfall korrekte Antworten zu geben, aber man darf sich trotzdem um grundlegende Wahrheiten nicht drücken. Wir haben gerade im Bundesrat – aus gegebenem Anlass – eine lebhafte, um nicht zu sagen hitzige Diskussion über Wehrmachtsdeserteure geführt. – Es gehört zum Empörendsten, was ich in der österreichischen Politik je erlebt habe, dass hier ein Etikettenschwindel stattfindet: dass eine Gruppe, die klar durch ein bestimmtes Verhalten definiert ist, nicht zum Dienst bei der deutschen Wehrmacht einzurücken beziehungsweise sich diesem Nachantritt zu entziehen, als Gruppe in diesem Gesetz nicht mehr vorkommt!

Hier wird also Etikettenschwindel betrieben, indem man zwar versucht, in dem einen oder anderen Fall Personen, für die das zutrifft, trotzdem hineinzunehmen, dass es aber die schlichte und einfache Tatsache gibt, dass es um Wehrdienstverweigerer und Deserteure der deutschen Wehrmacht geht, die verbal nicht mehr vorkommen.

Das halten wir für eine wirkliche Feigheit vor der Geschichte – und für einen neuer­lichen Schlag ins Gesicht dieser Menschen! Die Leistungen, die wir beschließen, können nichts von dem gutmachen; sie sind lediglich eine Geste. Aber wenn man jemandem gegenüber eine Geste macht und das sozusagen versteckt tut, indem man ihm einen kleinen Betrag zuschiebt, ist diese Geste auch schon wieder entwertet!

Das ist der Grund, warum wir in dem einen Fall Anerkennung der Leistungen im öster­reichischen Widerstand, abschließende Beseitigung nationalsozialistischer Unrechts­akte nicht zustimmen können, weil es eben diese abschließende Beseitigung national­sozialistischer Unrechtsakte schon deshalb nicht gibt, weil sie nicht als solche genannt werden!

Symbolik ist bedeutsam; die konkreten Rechtsfolgen auch. Ich glaube, dieses Herum­drücken um Wahrheiten gehört zu den Grundübeln unserer Republik! Nach 60 Jahren könnten wir endlich einmal anfangen, damit aufzuhören! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das ist kein Ruhmesblatt dieser Bundesregierung, obwohl ich auch dazu sagen muss: Es gehört zu den absoluten Merkwürdigkeiten dieser Verhandlungen, dass die Wehrmachtsdeserteure als Gruppe und als Begriff sehr wohl in der Regierungsvorlage enthalten waren, die Regierung sich das dann aber offensichtlich selbst herausverhandelt hat, was doch einigermaßen ungewöhnlich ist. Aber diese Regierung behauptet ja immer, sehr innovativ zu sein, daher: Sich in


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diesem Fall von der eigenen Vorlage zu distanzieren, ist tatsächlich relativ „innovativ“, wenn auch in der verkehrten Richtung.

Verstehen Sie daher, meine Damen und Herren, dass wir bei der selbstverständlichen und grundsätzlichen Bereitschaft, mitzuwirken an Leistungen an Menschen, die – in welcher Form auch immer – dem Nationalsozialismus Widerstand geleistet, die unter ihm gelitten haben, dabei jedoch leider nicht mittun können. Es ist das nicht die Ver­weigerung des Respekts gegenüber diesen Menschen. Ganz im Gegenteil: Es ist das der Ausdruck unseres besonderen Respekts ihnen gegenüber!

Wir werden nicht aufhören, dieses Thema politisch zu thematisieren, auch wenn es nur noch um eine geringe Anzahl von Überlebenden gehen kann. Es ändert nichts daran: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, auch in jenem Augenblick, in dem der Letzte von ihnen verstorben ist, weil es ein Teil unserer Geschichte ist, die nicht nur die Träger des Geschehens und deren Opfer betrifft, sondern auch uns Nachgeborene.

Wir sollten nicht vergessen – heute wurde originellerweise im Zusammenhang mit Kärnten davon gesprochen –, dass bei unserem Staatsvertrag der Verweis auf den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, den es in Österreich gegeben hat, ein substantieller Bestandteil der österreichischen Argumentation war.

Jawohl, wir sind stolz auf das, was hier in diesem Land an Widerstand geleistet wurde. Wir sind traurig über die große Zahl von Österreicherinnen und Österreichern, die sich damals auch zu Tätern gemacht haben – und wir wollen diese Wahrheit auch juridisch korrekt aussprechen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Professor Hösele. – Bitte.

 


17.21.26

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion zu diesen vier Tagesordnungspunkten steht sicher im Kontext mit den Diskussionen und Debatten, die wir in den letzten Monaten geführt haben und die zumindest mit dem Versuch großer sprachlicher Behutsamkeit, Sorgfalt und Sensibilität geführt werden sollten.

In weiten Teilen kann ich die Feststellungen des Herrn Professors Konecny voll­inhalt­lich teilen, etwa betreffend die Bedeutung des Widerstandes für das neue Österreich. Ich habe ja schon das letzte Mal hier ausgeführt, dass ich glaube, dass gerade diese Leistungen des Widerstands, dass das neue Österreich nach 1945 ja eigentlich die geglückte Antithese zu Nationalsozialismus und Totalitarismus ist und dass wir das auch forttragen sollen und verinnerlicht leben müssen.

Ich sage das mit der Behutsamkeit eines Menschen, der das Glück hatte, das nur noch zeithistorisch nachvollziehen zu müssen, der sich aber mit diesem Thema seit 35, 40 Jahren beschäftigt, mit größerer oder manchmal geringerer Intensität. Ich möchte mir daher nicht anmaßen, gewisse Dinge so zu beurteilen, wie dies manche Men­schen – das trifft auf Sie, Herr Professor Konecny, nicht zu – heute mit zunehmender Entfernung von den Ereignissen, die vor 60, 65 Jahren stattgefunden haben, machen; Ereignisse, die ungemein schicksalhaft waren und die ungeheures Unrecht, ungeheure menschliche Schicksale, Brutalitäten und Dinge gebracht haben, die wir heute Gott sei Dank nicht erleben müssen. Wir alle müssen dafür eintreten, dass es das nie mehr geben kann, zumindest bei uns. Eigentlich müssen wir dafür eintreten – und das sollte der Grundkonsens sein –, dass dies auf der ganzen Welt nicht mehr möglich ist.


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Ich wage selbst zum Beispiel nicht zu beurteilen, zu richten und rechten über gewisse Gefühle, die Menschen haben. Ich kann es auch nicht genau beurteilen, aber es hat sicher auch sehr, sehr viele Menschen gegeben, die aus ganz anderen Gründen gewisse Dinge getan haben und nicht desertiert sind. Ich sage das auch einmal so, sage aber als Zweites dazu: Ich habe das ungemein große Privileg – viele andere werden das auch in sehr persönlichen Bereichen haben –, in den letzten Jahrzehnten einen Menschen als väterlichen Freund zu haben, der nach landläufigen Vorstellungen ganz sicher ein Deserteur ist: Fritz Molden.

Fritz Molden, ein Mann, der ungemein viel für das neue Österreich getan hat, der aber auf der anderen Seite auch die Bedeutung der Versöhnung und die Bedeutung der Gefühle und Sensibilitäten zum Ausdruck gebracht hat. Ich glaube, dass mit diesen insgesamt vier Gesetzen – auch mit den beiden, denen Sie nicht zustimmen können – letztlich auch hier der Versuch einer allgemeinen Versöhnung und einer allgemeinen Geste zum Ausdruck gebracht wird.

Da bin ich ja wieder ganz bei Ihnen: Ich glaube, es gibt drei Punkte, die im Gedanken­jahr 2005 sehr wichtig sind, auch in Fortsetzung dessen, was in den letzten Jahren an Aufarbeitungsversuchen unternommen wurde – ich spreche das hier auch an –, beginnend bei Bundeskanzler Vranitzky mit seiner Erklärung, aber insbesondere auch unter der Regierung Schüssel mit dem Versöhnungsfonds und der Tatsache, dass dort an der Spitze ein Mann steht, der ebenfalls eine Symbolfigur für dieses neue Öster­reich ist, nämlich Ludwig Steiner.

Erstens: ehrliche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, mit Licht- und Schatten­seiten, aber ohne Selbstgerechtigkeit und ohne den Versuch der Instrumentalisierung, mit großer Sensibilität und Sorgfalt.

Zweitens: wenigstens symbolische Akte und Gesten des Dankes, des Respekts, der Achtung und des Mitgefühls für Menschen zu setzen, die schwierigste Lebens­situationen meisterten beziehungsweise denen gröbstes Unrecht widerfahren ist.

Drittens: Wir alle sind aufgerufen, einen Beitrag für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten, denn die Formel „Nie mehr wieder!“ kann ja nur bedeuten, auch jedweder Versuchung totalitärer fundamentalistischer Entwicklungen im heutigen Gewande entgegenzutreten, jeder Form der Intoleranz und der Menschenverachtung schon in den Anfängen entschieden zu wehren und ein Klima der Toleranz auf den Grundfesten von Menschenrechten, Menschenwürdigkeit, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit aktiv zu fördern.

Diese drei Punkte erscheinen mir sehr wichtig. Der zweite Punkt sind, wie gesagt, wenigstens symbolische Gesten und Akte. Ich habe auch auf den Versöhnungsfonds und auf diese Dinge hingewiesen.

Im Anerkennungsgesetz, das ganz allgemein, sehr speziell, aber auch ausgesprochen auf jene Gruppen abzielt, die in der großen Diskussion nicht so oft genannt werden, die uns aber auch sehr wichtig sind – die so genannten, wie es in dieser furchtbaren Diktion dieser unsäglichen Zeit geheißen hat, Asozialen, die so genannten sexuell anders Orientierten, insbesondere auch Roma und Sinti –, sind alle angesprochen, auch die NS-Militärjustiz-Unrechtsurteile – damit ist auch implizit die andere Sache ganz eindeutig angesprochen. Ich glaube, da sollte man insgesamt den breitest mög­lichen Konsens suchen. Insofern wäre es schön gewesen, wenn bei allen vier Geset­zen alle zugestimmt hätten, wenn ein gemeinsamer Akt gesetzt worden wäre.

Eine ganz kleine Geschichte, wieso ich trotzdem ein gewisses Problem gesehen habe – das ist aber eine rein formal-juridische Sache –: Im Anerkennungsgesetz heißt es nämlich im § 2 des Artikels I: „Der Nationalrat bezeugt“ den Betroffenen Achtung


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und Mitgefühl. Mir wäre, nachdem wir das heute hier im Bundesrat bekräftigen, die Formulierung „die Republik Österreich“ etwas sympathischer gewesen. Ich glaube, sie wäre auch wesentlich richtiger gewesen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das kann jedoch das Gesamte in keiner Weise schmälern.

Zu den symbolischen Gesten gehört natürlich auch das Gedenken an die Menschen des Widerstands. Wir haben im vorigen Jahr die Bernardis-Diskussion gehabt. In wenigen Tagen, am 25. August, wird es für Major Szokoll, der ganz Großes für Österreich und für Wien geleistet hat, die Enthüllung eines Denkmals im Innenhof des Verteidigungsministeriums geben – auch eine ganz wichtige Sache der symbolischen Gestik.

Der zweite Beschluss, dem Sie leider auch nicht zustimmen können, nämlich die einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich, ist ebenfall eine ganz wichtige sym­bolische Geste.

Man kann immer sagen, dass es zu wenig ist, dass der Kreis zu wenig weit gefasst ist – das ist bei symbolischen Gesten leider so –, aber insgesamt geht es doch wohl um unsere Dankbarkeit, die hier für – das kann ich jetzt nur aus meiner Sicht sagen – die Mütter- und Großmüttergeneration ausgesprochen wird.

Ich habe mich, als dieses Gesetz im Nationalrat beschlossen wurde und ich dann in Vorbereitung für den heutigen kurzen Redebeitrag war, an die Rede des Richard von Weizsäcker erinnert, die vor 20 Jahren, nämlich am 8. Mai 1985, wahrscheinlich eine bahnbrechende Rede gerade in der gesamten Diskussion betreffend den Umgang mit unserer Geschichte in Europa war.

Richard von Weizsäcker sagte in Richtung Frauen – ich darf nur zwei Sätze, die er formuliert hat, zitieren, sonst würde es zu lange; es ist das nämlich eine allgemein gültige Sache, und ich könnte das bei weitem nicht einmal annähernd so schön formulieren –:

Den vielleicht größten Teil dessen, was den Menschen aufgeladen war, haben die Frauen der Völker getragen: Ihre Leiden, ihre Entsagung und ihre stille Kraft vergisst die Weltgeschichte nur allzu leicht. Sie haben in den dunkelsten Jahren das Licht der Humanität vor dem Erlöschen bewahrt. Am Ende des Krieges haben sie als Erste und ohne Aussicht auf eine gesicherte Zukunft Hand angelegt, um wieder einen Stein auf den anderen zu setzen. Wenn aber die Völker an den Zerstörungen, den Verwüs­tungen, den Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten innerlich nicht zerbrachen, wenn sie nach dem Krieg langsam wieder zu sich selbst kamen, dann verdanken wir es zuerst unseren Frauen. – Das war die Aussage des deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.

Ähnliches ist bei unseren Feiern, vor allem am 27. April und am 15. Mai, formuliert worden. In diesem Sinne wird meine Fraktion gerne allen vier zur Debatte stehenden Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


17.32.31

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und


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Herren! Ich werde mich in meinen Ausführungen auf einen Punkt konzentrieren, nämlich auf die einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich, und werde argumentieren, warum wir diesem Punkt nicht zustimmen können. Die weiteren Punkte wird dann mein Kollege Stefan Schennach argumentieren.

Eigentlich ist schon der Name dieser einmaligen Zuwendung irreführend, denn es sind nicht alle Frauen von dieser Regelung betroffen, sondern nur Mütter, die vor 1951 ein Kind geboren oder erzogen haben und die keine eigene Pension haben.

Es haben aber sicher nicht nur die Mütter, sondern auch Frauen, die damals keine Kinder hatten, große Verdienste um den Wiederaufbau Österreichs geleistet. Aus meiner Sicht ist es daher sehr schade, dass diese Frauen hier nicht auch mit bedacht werden.

Andererseits sind auch nicht alle Frauen ausgenommen, die gemäß dem Verbots­gesetz als Nationalsozialistinnen registriert waren, sondern hier wurde eine andere Formulierung gefunden: Ausgeschlossen sind jene, „deren Verhalten in Wort oder Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar war“.

Es dürfte jetzt oft schwierig sein, das festzustellen. Die Frage ist auch: Wer entscheidet das? Warum hat man nicht eine einfache Formulierung gewählt und einfach alle ausgeschlossen, die als Nationalsozialistinnen registriert waren?

Dazu kommt, dass nur Frauen, die jetzt österreichische Staatsbürgerinnen sind, anspruchsberechtigt sind. Das heißt also, wer nach dem Krieg nicht hier war, also auch nicht am Wiederaufbau Österreichs mitgearbeitet hat, aber jetzt hier ist, kann bedacht werden, aber jene Frauen, die nach dem Krieg in Österreich gelebt haben, jetzt aber im Ausland sind und nicht mehr österreichische Staatsbürgerinnen sind, bekommen nichts.

Ich habe im Ausschuss die Beamten gefragt, wie viele Frauen das betrifft, habe jedoch keine Auskunft bekommen – ich weiß es nicht. Aber es wird sicher vorkommen, dass Frauen damals viel und hart gearbeitet haben, sich damals unter schweren Bedingun­gen eingesetzt haben, jetzt aber nicht bedacht werden.

Für mich ist daher offensichtlich, dass es hiebei nicht um eine Anerkennung geht, also nicht darum, tatsächlich die Leistungen, die die Frauen unter diesen harten Bedin­gungen erbracht haben, anzuerkennen, wie man anhand des Namens annehmen könnte, sondern dass dies eine Irreführung und eine populistische Maßnahme ist. Ich halte das für einen PR-Gag, rechtzeitig zu den Feierlichkeiten (Zwischenruf der Bun­desrätin Roth-Halvax), auf den die Regierung nicht unbedingt stolz sein sollte. Es ist dies keine tatsächliche Anerkennung aller Leistungen aller Frauen, die damals mitge­arbeitet haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist Polemik!)

17.35


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


17.35.30

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! Es ist heute, glaube ich, ein ganz anderer Umgangston, als er hier im Hause schon zu diesem Thema geherrscht hat.


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Ich möchte auf ein paar Dinge eingehen, die sicher wir alle haben wollen, die zu erfüllen wir verpflichtet sind, und darauf, was wir gemeinsam alles tun könnten.

Aber vorerst möchte ich – ich bitte um Verständnis – auf einige Dinge eingehen, die bei der Sitzung am 14. April 2005, bei der Bundesratssitzung in dieser Angelegenheit, auf Grund einer Dringlichen der SPÖ-Fraktion und der grünen Fraktion zu Tage getreten sind.

Meine Aussagen zur Dringlichen betreffend Wehrmachtsdeserteure, die von SPÖ und Grünen eingebracht war, waren anders gemeint.

Meine Aussagen haben Medien für eine Kampagne gegen mich der Öffentlichkeit so negativ überbracht, sodass ich als „Ewiggestriger“ und „unbelehrbarer Politiker“ der Zweiten Republik eingestuft wurde.

Bei meiner kurzen Rede gab es keinen Ordnungsruf des Präsidenten, auch gab es keinen Zwischenruf von irgendeiner Fraktion. Hätte ich vom Präsidenten einen Ord­nungsruf bekommen, hätte ich sicher mit Bedauern den betreffenden Wortlaut zurück­genommen.

Die Aussagen von Bundesrat Schennach haben mich sehr berührt, vor allem das Schicksal seines Vaters. Gleichzeitig hat Herr Bundesrat Schennach aber eine sehr beleidigende Aussage getätigt, da er die Mitglieder des Österreichischen Kamerad­schaftsbundes als „Mief“ bezeichnet hat.

Auch ich bin Mitglied des Österreichischen Kameradschaftsbundes und sehe dort meine Mitarbeit für den Frieden. Ich möchte mithelfen, dass es nie mehr zu solchen Kriegen und Kriegsfolgen kommt.

Bei dieser Dringlichen habe ich auch die mahnenden Worte von Frau Präsident Hasel­bach sehr wohltuend aufgenommen. Ihre Aussage war, wir sollten uns alle bemühen, den anderen in seinem Schmerz zu verstehen. – Frau Präsident, hohen Respekt!

Auch war für mich die zweite Wortmeldung des Herrn Bundesrates Konecny gut gemeint, der zusammenfassend sagte:

„Ich glaube, dass es eine gute Debatte war. Sie hat an den Wunden gerührt, obschon nicht bei allen, die hier gesprochen haben, an ganz denselben Wunden. Aber das, was schmerzt, muss heraus, wenn es auch sehr verschiedene Schicksale sind.“

Interessant ist: Am vierten Tag nach dieser Bundesratsdebatte begann gegen mich eine Medienhatz, die ich keinem von Ihnen wünsche – es ging bis zur „Lex Kampl“. Man sprach von mir wie vom BSE-Fall in Vorarlberg.

Ich vermisse die objektive Medienverantwortlichkeit sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am 24. April 2005 hat Papst Benedikt XVI seine Antrittsrede mit folgenden Worten an die Weltbevölkerung geschlossen:

Betet für mich, dass ich nicht vor den Wölfen fliehe. Nicht das Recht des Stärkeren soll gelten, sondern die Stärke des Rechts. Versöhnung und Verzeihung für alle. – Zitatende.

Wir haben die Pflicht, uns für Versöhnung und Verzeihung und eine anständige Wiedergutmachung für alle Österreicher, die betroffen sind, einzusetzen.

Ich bitte Sie, tun wir das gemeinsam – ganz gleich, von welcher Seite die Men­schenwürde geraubt wird und zuschanden gekommen ist: ob vor dem Krieg, im Krieg oder nach dem Krieg. Es sollte gerade das Jubiläumsjahr 2005 der richtige Anlass sein, Versöhnung und Verzeihung für alle zu erreichen: egal, ob Deserteure, Wider­standskämpfer, Nationalsozialisten, Heimatvertriebene auf Grund der AVNOJ- und


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Beneš-Dekrete, die in die Millionen gehen, oder Roma und Sinti. Es war immer un­menschlich und mit großen Tragödien für die Betroffenen und deren Familien verbunden. Denken wir an Alexander Solschenizyn, der in einem offenen Brief an die Sowjets schrieb, man sollte nicht mit der Lüge leben.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte auch zu Punkt 21 eine Stellungnahme abgeben. Ich freue mich, dass die Bundesregierung mit 15 Millionen € die so genannten Trümmerfrauen unterstützt. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollte jede Frau, die derartige Nachkriegsleistungen erbracht hat, nicht durch Kriterien wie Kinderlosigkeit benachteiligt sein. Frau Bundesrat Konrad hat das meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht. Ich verstehe auch nicht ganz, warum Frauen – denn damals gab es viele Umstände, warum Frauen keine Kinder gehabt haben – ausge­klammert sind, die kein Kind zur Welt bringen konnten oder keine Möglichkeit dazu gehabt haben.

Die zirka 50 000 noch lebenden so genannten Trümmerfrauen werden für die ein­malige Gabe von 300 € sehr dankbar sein. Ich danke für die Frauen.

Diesem Antrag wird meine Fraktion gerne die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.42


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister Miklautsch, Sie haben das Wort.

 


17.42.29

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Ich werde mich in meiner Rede primär auf Artikel 1 des Anerkennungsgesetzes beschränken. Die weiteren Teile wird Herr Staatssekretär Dolinschek übernehmen, weil sie ins Ressort des Sozialministeriums fallen.

Ich darf in diesem Kreis als bekannt voraussetzen, dass wir schon sehr lange und sehr intensiv über dieses Anerkennungsgesetz diskutieren. Es hat ja auch von Frau Mag. Stoisits samt Freunden und in weiterer Folge mit Unterstützung von Dr. Jarolim und Freunden auch schon im Justizausschuss entsprechende Anträge in diesem Zusammenhang gegeben.

Ich habe heute die Worte des Herrn Bundesrates Konecny sehr aufmerksam verfolgt. Mir ist bewusst geworden, dass sich die Opposition vor allem auf den Begriff „Wehr­machtsdeserteure“ beschränken will, und bei mir ist angekommen, dass das der Hauptgrund ist, weswegen die Zustimmung zu diesem Anerkenntnisgesetz nicht gewährt werden kann.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinweisen – ich habe mir extra noch einmal die beiden Anträge angeschaut, die Mag. Stoisits und Dr. Jarolim und Kollegin­nen und Kollegen eingebracht haben –: Mir ist aufgefallen, dass es bei beiden Anträgen jeweils um die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz gegangen ist, dass auch in beiden Anträgen dezidiert das Wort „Wehrmachtsdeserteure“ nicht vorkommt.

Ich betone an dieser Stelle nochmals ausdrücklich, dass in Artikel 1 dieses Bundes­gesetzes, das hier nun zur Diskussion steht und auch zur Abstimmung kommen soll, Wehrmachtsdeserteure selbstverständlich mit umfasst sind.

Es handelt sich hier bewusst nicht um ein Gesetzesvorhaben oder einen Vorschlag der Regierung, bei dem jetzt tatsächlich nur Wehrmachtsdeserteuren Anerkennung und Respekt gezollt wird, sondern es geht dezidiert darum, dass wir allen Opfern


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dieser grauenhaften Kriegsereignisse – ich glaube, auch darüber sind wir uns einig – unseren Respekt und unsere Anerkennung zollen. Auf der anderen Seite nehmen wir selbstverständlich auch eine legistische Klarstellung in der Richtung vor, dass eben mit dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz und auch mit der Befreiungsamnestie nun­mehr alle nationalsozialistischen Unrechtsurteile als aufgehoben gelten.

Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist und dass dieser Bereich eben gerade nicht nur, aber auch – das möchte ich noch einmal betonen – Wehrmachts­deserteure mit umfasst.

Dies ist meiner Meinung nach auch insoweit ein ganz wichtiger Akt, als damit nunmehr ein Abschluss erfolgen kann. Wenn ich mir den Antrag anschaue, dann sehe ich, dass die Diskussion zu diesem Thema bereits über drei Jahre geht. Ich glaube, dass es mit diesem Gesetzesvorhaben gelungen ist, tatsächlich zu einem vernünftigen Abschluss zu kommen und die nötigen Schritte zu setzen, um Respekt und Anerkennung zu zollen, aber gleichzeitig die Feststellung zu treffen, dass all diese Unrechtsurteile tat­sächlich als aufgehoben gelten. – Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.46

Trauerkundgebung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesministerin! Herr Staats­sekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich höre, es hat in London neuerlich Bombenanschläge und in deren Folge Tote gegeben. Ich ersuche Sie um eine Minute des Gedenkens. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen vielmals. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Ich würde den Herrn Präsidenten bitten, dass wir gemeinsam als Präsidium eine Kondolenzbotschaft an das House of Lords schicken.

*****

Wir gehen nun in der Debatte weiter.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte.

 


17.47.13

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Genauso wie Kollegin Konrad möchte auch ich auf die einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Öster­reich eingehen.

Die Lage Wiens zu Kriegsende war sehr trist: Mehr als 20 Prozent des Hausbestandes waren zerstört; an die 100 000 Wohnungen waren unbewohnbar. 3 000 Bombentrichter waren über das gesamte Stadtgebiet verteilt, zahlreiche Brücken lagen in Trümmern, Kanäle, Gas- und Wasserleitungen hatten schwere Schäden erlitten.

Die zerstörte Infrastruktur aufzubauen, die unmittelbaren Kriegsschäden zu besei­igen – harte Knochenarbeit für Schwerstarbeiterinnen. Die Verwirklichung des Projekts Wiederaufbau lag im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen der Frauen. Unermüdlich, oft nur mit bloßen Händen, mit wenig Werkzeugen und selten mit maschineller Unterstützung räumten sie den Schutt weg und halfen mit, einen raschen Aufbau der Gebäude und der Infrastruktur zu ermöglichen.


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Viele Männer waren im Krieg gefallen oder in Kriegsgefangenschaft geraten. Zurück­geblieben in der Stadt sind Frauen, Kinder und ältere Menschen. Wertsachen und Dienstleistungen wurden oft gegen Grundnahrungsmittel eingetauscht. Ziegel schlich­ten für ein Stück Brot – oder eine Taschenuhr des Vaters, vielleicht das letzte Erbstück, gegen Lebensmittelmarken. Was diese Frauen damals geleistet haben, ist für uns kaum nachvollziehbar.

So groß die Sorgen und der Hunger jedoch auch waren, sie gaben nicht auf. Der Wille zum Überleben war stärker als Elend und Not.

Diese Frauen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurden und werden als „Trümmerfrauen“ bezeichnet. Diese Frauen erhielten jedoch bis dato weder Aus­zeichnungen noch Orden.

Jetzt wird von Frau Sozialministerin Haubner gemeinsam mit Herrn Staatssekretär Dolinschek inseriert „Anerkennung für Trümmerfrauen“, für Frauen unserer Wieder­aufbaugeneration, für die eine einmalige Zuwendung in Höhe von 300 € vorgesehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 300 € – jetzt könnte man die Meinung ver­treten, es ist natürlich nur eine symbolische Anerkennung, keine Sache. Nichtsdesto­trotz glaube ich, dass es existenzsichernde Maßnahmen geben hätte müssen. Davon hätte die Wiederaufbaugeneration wesentlich mehr gehabt als jetzt von vagen, aber sehr publicityträchtigen Zusagen – und das speziell im Gedankenjahr.

Schätzungen zufolge gibt es rund 50 000 dieser Trümmerfrauen, die noch am Leben sind. Finanziert wird das Geld, diese 15 Millionen €, die schon angesprochen wurden, aus der Zuwendung des Härteausgleichsfonds des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, aus der Pensionsversicherung und aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen waren heute in der Tagesordnung schon einmal ein sehr großer Schwerpunkt. Angesichts dessen, dass diese Bundesregierung auch die Mindestpension nicht erhöht, sodass der Aus­gleichszulagenrichtsatz unterhalb der Armutsgrenze liegt, finde ich es eigentlich zynisch, wenn genau diesen Pensionistinnen, für die dieses Geld in diesem Fonds zur Verfügung steht, dieses Geld jetzt unter einem anderen Titel ausbezahlt wird.

Herr Staatssekretär, ich kann sagen, dass ich diesen Entwurf gelesen habe, ich habe ihn auch verstanden, und ich gehe davon aus, dass das auch auf Sie zutrifft, aber trotzdem habe ich zu diesem Gesetz noch einige Fragen.

Warum erhalten diese Zuwendungen nur Frauen mit Kindern? – Ich habe versucht, in meinen anfänglichen Erläuterungen darauf hinzuweisen, dass es sich viele Frauen nicht ausgesucht haben, alleine zu bleiben: Ihre Väter und Männer sind zum Teil in Kriegsgefangenschaft gewesen und auch verstorben. Vielen Frauen war es auch aus gesundheitlichen Gründen und auf Grund der schlechten Ernährung gar nicht möglich, Kinder zu bekommen. Aber ist deren Arbeit weniger wichtig und weniger wertvoll für den Wiederaufbau?

Historikerinnen und Historiker haben bereits bewiesen, dass gerade in der Nachkriegs­zeit alleinstehende Frauen vielfach noch stärker diskriminiert wurden als verheiratete Frauen und damals bereits weniger Anteil an den Früchten des Wiederaufbaus hatten. Sollen diese Frauen ein zweites Mal bestraft werden?

Was ist mit den Frauen, die damals österreichische Staatsbürgerinnen waren, beim Aufbau mitgeholfen haben, letztendlich jedoch ausgewandert sind? Was ist mit den Frauen, die sich in der Zeit des Wiederaufbaus in Österreich aufgehalten, beim Aufbau


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mitgeholfen haben, aber keine österreichischen Staatsbürgerinnen sind? Was ist mit jenen Frauen, die es geschafft haben, nach dem Wiederaufbau einem Beruf nach­zugehen? Warum werden diese Frauen an ihrem heutigen Einkommen gemessen?

Was passiert mit Frauen, die nicht nur ein Kind, sondern mehrere Kinder geboren haben? – Wenn es eine Entschädigung für die Geburt des Kindes sein soll, sind dann nicht alle Kinder gleich viel wert?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfinde das nicht als einen Akt der Menschlichkeit, und ich denke, die Bundesregierung sollte noch einmal darüber nachdenken, wie diese Mittel verteilt werden.

Als ehrlicher Dank für den Wiederaufbau gebührte allen Frauen von damals – egal, mit Kindern oder ohne Kinder, egal, mit welcher Pension, und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – diese Zuwendung.

Daher werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


17.54.49

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss wird endlich einer Gruppe von Frauen gedacht, denen wir alle zu großem Dank verpflichtet sind und denen unsere Achtung gebührt.

Ich kenne alle Frauen dieses Alters und dieser Betroffenheit in meiner Gemeinde, und sie haben mir in vielen Gesprächen ... (Bundesräte der SPÖ sprechen in den Bank­reihen miteinander.) – Dürfte ich Sie angesichts dieses Themas bitten, etwas ruhiger zu sein? Wäre das möglich, Herr Kollege?

Ich habe mit all diesen betroffenen Frauen in meiner Gemeinde viele Gespräche geführt und kenne deren Lebenslauf. Alleine dafür bin ich diesen Frauen sehr dankbar, denn ich habe viel von ihnen gelernt. – Jede Generation und jede Zeit hat ihre Probleme, aber die Schicksale dieser Frauen haben mich unsere, haben mich meine Probleme relativieren und deren Stellenwert in ein richtiges Licht rücken gelehrt.

Die Lebensumstände dieser Frauen sind für uns heute unvorstellbar: Die Sorge um die Männer – sind sie verletzt, tot, in Gefangenschaft? Werden sie wiederkommen? –, die Sorge, unter den schwierigen Umständen der Lebensmittelknappheit ihre Kinder zu ernähren.

Mir hat zum Beispiel eine Frau erzählt, dass ihr Kind die Muttermilch nicht angenom­men hat und dass sie aus erbettelten Rüben eine Melasse brauen musste, um mit dieser die Muttermilch zu versüßen, damit das Kind überhaupt ernährt werden konnte und die Nahrung aufgenommen hat.

Ich weiß von einer anderen Frau, die in den letzten Kriegstagen auf der Straße von einer Granate getroffen wurde, deren Fuß zerfetzt wurde. Sie wurde auf einen Last­wagen geworfen und weggebracht. Sie hatte ein kleines Kind, um das sich dann irgendwelche Leute angenommen haben. Es gelang erst nach einem halben Jahr einem Geistlichen, sich in die Ortschaft zu ihren Verwandten durchzuschlagen und zu berichten, dass sie noch lebt, dass sie nicht tot ist, in welchem Lazarett sie ist und dass ihr „nur“ – unter Anführungszeichen – ein Bein abgenommen wurde. – Tatsachen, die für uns heute unvorstellbar sind.


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Armut, psychischer Druck, Angst prägten das tägliche Leben; keine Heizung, keine Kleidung und die Notwendigkeit, die Familie irgendwie durchzubringen. Und diese Frauen mussten unter größter Not und tagtäglicher Sorge auch noch körperliche Schwerarbeit leisten.

Es waren nicht nur die Frauen im städtischen Bereich bei der Beseitigung der Bom­benschäden und beim Wiederaufbau, es waren auch die Frauen im ländlichen Bereich, die die Arbeit auf dem Hof und die Feldarbeit alleine und ungeschützt – es war damals sehr gefährlich, alleine auf dem Feld zu arbeiten! – bewältigen mussten, um die Lebensmittelversorgung in unserem Lande nur halbwegs aufrechtzuerhalten. Es sind starke Frauen, an die ich oft in sehr schwierigen Situationen in meinem Leben gedacht und die ich mir zum Vorbild genommen habe.

Diese Zeit der Entbehrung und der Sorgen kann finanziell nicht abgegolten werden. Es kann nur ein Akt der symbolischen Dankbarkeit gesetzt und Hochachtung zum Aus­druck gebracht werden. Der überwiegende Teil dieser Frauen lebt von einer Mindestpension, sodass die einmalige Zuwendung von 300 € als familienpolitisches Zeichen unserer Wertschätzung gelten soll. – Es handelt sich um zirka 50 000 Frauen.

Und ich bitte, über die Herkunft der Mittel, die dafür bereitgestellt werden, richtig zu berichten! Der erforderliche Gesamtbetrag von 15 Millionen € stammt aus zwei Fonds: Der eine Fonds sind gebundene Mittel für Menschen mit Behinderungen aus Schäden der Hochwasserkatastrophe 2002, die nicht voll ausgeschöpft wurden – bitte, das waren zweckgebundene Mittel, die nicht voll ausgeschöpft wurden! –, und der zweite Fonds, wo es sich um 10 Millionen € handelt, ist aus dem Härtefonds für Pensionisten aus dem Jahre 2004, der auf Grund geringerer Anträge auch nicht voll ausgeschöpft wurde. Das heißt, das sind Mittel, die im Prinzip wieder an das Finanzministerium zurückgehen würden, und diese wurden eben für diesen Zweck zur Verfügung gestellt.

Ich gehe mit meinen Kolleginnen Konrad und Lueger sicher konform: Ich hätte es auch schön gefunden, wenn alle Frauen berücksichtigt worden wären. Ich bitte Sie aber, auch Vorschläge für die Bedeckung zu machen, denn dann hätte es sich um den doppelten Betrag gehandelt. Das ist das Problem an der Sache. Politik ist – so weh es mir in diesem Fall tut – leider auch die Kunst des Machbaren.

Wiewohl es mir also auch lieber gewesen wäre, alle Frauen zu berücksichtigen, wurde, da ja wegen der Kindererziehungszeiten viele dieser Frauen nicht genügend Versiche­rungszeiten erreichen konnten, um eine entsprechende Pension zu erwerben, den Müttern mit Mindestpension der Vorzug gegeben. Aber ich stehe dazu: Es wäre mir anders auch lieber gewesen.

Mit dem Beschluss des gesamten Anerkennungspaketes übernehmen wir Verantwor­tung gegenüber den Opfern des dunkelsten Kapitels unserer gemeinsamen Vergan­genheit. Ich danke der Generation, die für die Wiedererlangung der Freiheit und der Demokratie in unserem Lande gekämpft und gelitten hat. Sie hat ein Anrecht auf unsere Wertschätzung. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Kollege Schimböck hat in der Debatte zum Sicherheitsbericht gesagt, nichts sei wichtiger, als sich um die Jugend zu kümmern. – Es ist wichtig, sich um die Jugend zu kümmern, aber mit dem Wort „nichts“ habe ich Probleme. Ich denke, es ist auch unsere Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Wertschätzung dieser Gene­ration, der wir heute danken, nicht nur im Gesetz ausdrückt, sondern dass die Achtung vor dem Alter auch im täglichen Leben wieder stärker zum Ausdruck kommt. Dies­bezüglich empfinde ich ein gewaltiges Manko. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)


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Ich habe gehofft, dass beim heutigen Thema politische Querelen ausgespart werden. – Ja, es stimmt: Es hat sehr lange gedauert, bis es zu diesen Zahlungen an die betref­fenden Frauen gekommen ist. Es hat sehr lange gedauert, bis dieser Schritt gesetzt wurde. Aber, Herr Professor Konecny, wenn Sie von einem „Herumdrücken“ sprechen, möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dass es viele sozialistische Bundeskanzler gegeben hat, die diese Möglichkeit auch schon gehabt hätten.

Ich betrachte es weiters nicht nur im Sinne der Worte von Viktor Frankl, sondern auch als unsere Aufgabe als Christen, verzeihen zu können und im Sinne eines auf­klärenden „Nie wieder!“ die Zukunft unseres Mutterlandes gemeinsam zu gestal­ten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.02


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


18.02.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das (der Redner hält ein dickes Buch in die Höhe) ist im Original das Bundesgesetzblatt aus 1946 (Bundesrat Mag. Himmer: Warum hast du das Original?), das bis heute mit dem Aufhebungsgesetz und Wiedergutmachungsgesetz die Grundlage geboten hat, die wir immer als nicht ausreichend bezeichnet haben.

Sie ist nicht ausreichend, und die Debatte, die wir hier geführt haben und die dann zur „Lex Kampl“ geführt hat, hat es nach den Vier-Fraktions-Verhandlungen doch noch möglich gemacht, zu versuchen, 60 Jahre nach Kriegsende endlich auch jene Gruppe zu rehabilitieren – rehabilitieren! –, die die Armee Hitler-Deutschlands mit sehr, sehr viel Mut – viele sind dabei umgekommen – durch Desertation geschwächt hat, die wenigen, die noch leben, zu rehabilitieren und sich nicht irgendwie durchzuschwindeln, sondern bewusst sagen: Die haben nichts angestellt, die haben eine Leistung erbracht, sie haben eine Armee geschwächt!, und dass die Desertation von einer Unrechts­armee als Wert an sich akzeptiert wird.

Nur: Das Wort „Deserteure“ gibt es da drinnen nicht. Warum nicht? Warum kann man jenen tausenden Menschen, die desertiert sind, in diesem Gesetz, in dem es ja angeblich um sie geht, nicht sagen, das haben sie getan, und um diese Personen­gruppe geht es? Was steckt da dahinter? Warum wehrt man sich so? Geht es da wieder um die Begriffe „Pflichterfüllung“ oder „Feigheit“?

Herr Kampl hat gesagt, ich hätte dem Kameradschaftsbund „Mief“ vorgeworfen. Ich habe gesagt, 60 Jahre lang – und da denke ich an Herrn Otto Keimel zum Beispiel – ging es genau diese Beurteilung: Was war damals Pflichterfüllung? Was war damals feig? Und: Was war richtig und was gut? Darüber ist in diesem Land diskutiert worden, auch im Kameradschaftsbund. Und ich habe gesagt dass da sehr viel Mief – ich habe dieses Wort verwendet –, sehr viel Mief herausgeflossen ist in nächtlichen Runden, die genau diese Einstellung erzeugt haben, um die wir da jetzt herumkämpfen. Und wir können wieder nicht sagen: Wir rehabilitieren 60 Jahre nach Kriegsende die Urteile gegenüber Deserteuren!

Ich erinnere Sie nur an jenen Ausspruch: Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben! – Und wahrscheinlich hat es mehr Mut erfordert, zu desertieren, als die Pflicht zu erfüllen. Und diese Menschen stehen da nicht drinnen. Es wird umschrieben, und letztendlich kommt es in diesem Artikel 1 zu einer wirklich unzulässigen Vermischung von Opfern des Nationalsozialismus und allgemeinen Opfern des Krieges. Warum?


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Das ist so unehrlich, und es tut eigentlich Leid, dass man 60 Jahre danach in diese Unehrlichkeit flüchtet.

In der Diskussion hat man von verschiedensten Seiten – ich rede jetzt nicht vom Fall Kampl – doch hin und wieder ein Licht gesehen, dass das jetzt irgendwann dieses Unrecht gegenüber dieser Personengruppe aufgehoben wird. Das ist es nicht, und es tut eigentlich weh, dass in diesem Bedenkjahr und Gedenkjahr dieser eine Schritt, der notwendig gewesen wäre, nicht gegangen wurde.

Mir persönlich tut das wirklich äußerst Leid, dass wir heute diesem Gesetzesbeschluss nicht unsere Zustimmung geben können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.08


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dolinschek. Ich erteile es ihm.

 


18.08.29

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist einmal allen zu danken, die am Wiederaufbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg mitgewirkt haben – egal, ob das Männer oder Frauen waren, aber Frauen ganz besonders, ob es Frauen ohne oder mit Kindern waren, ob es Frauen waren, die später ein höheres Einkommen gehabt haben, ob es Frauen waren, die später Österreich verlassen haben. Grundsätzlich ist allen zu danken.

Diese einmalige Zuwendung von 300 €, die die Bundesregierung auf Grund des Jubiläumsjahres jetzt jenen Frauen zuerkennt, ist ein symbolischer Anerkennungs­beitrag. Man hat hier eine gewisse Frauenriege ausgewählt, die entweder Kinder geboren oder großgezogen hat. Es sind also auch jene Frauen berücksichtigt, die selbst keine Kinder geboren, diese aber erzogen haben. Es waren sehr viele Waisen­kinder, es sind oft Kinder oft aus der Nachbarschaft, aus der Verwandtschaft ange­nommen und großgezogen worden.

Es sind davon alle österreichischen Staatsbürgerinnen umfasst, die vor dem 1. Jänner 1951 entweder Kinder geboren oder großgezogen haben. Das einmal dazu.

Finanziert werden soll diese Einmalzahlung, die von den Betroffenen beim Bundes­sozialamt beantragt werden muss, aus den überschüssigen Mitteln des Härteaus­gleichsfonds des Sozialministeriums und des für behinderte Menschen zur Verfügung stehenden Unterstützungsfonds. Die Verwendung von Mitteln aus diesen beiden Fonds wurde gewählt, weil budgetär keine Mittel für diesen Zweck, den Anerkennungsbeitrag für diese Frauen, verfügbar sind und diese Fondsmittel in den letzten eineinhalb Jahren nicht ausgeschöpft wurden. Diese Mittel würden an das Finanzministerium zurück­fallen und wären praktisch dem Sozialbereich entzogen.

Der Härteausgleichsfonds war, wie Sie wissen, mit 10 Millionen € für 2004, 16 Mil­ionen € für 2005 und 18 Millionen € für 2006 dotiert, und es ist bisher in eineinhalb Jahren nicht einmal 1 Million € verbraucht worden. Die Gründe dafür waren auf der einen Seite, dass es eine geringe Zahl von Antragstellungen gegeben hat, der zweite Grund war, dass mit der Pensionsharmonisierungsreform 2005 die Verlustdeckelung von 10 Prozent auf 5,25 Prozent gesenkt wurde. Der Verlust von 2 Prozent hat 400 € aus­gemacht, der Verlust von 5 Prozent 800 €. Derzeit sind praktisch nur die Zuwendungen aus dem Fonds gewährt worden, die in der Höhe von 1 500 bei einem Verlust von mehr als 8 Prozent liegen.


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Aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 2002 – dieser war ja zweckgebunden für die rasche Hilfe für die Opfer der Hochwas­ser­katastrophe – wurden 10 Millionen € zur Verfügung gestellt. Es wurden 2 Millionen € in Anspruch genommen, und die verbleibenden Beiträge müssten ebenfalls an das Finanzministerium zurückgezahlt werden. Um es für sozialpolitische Zwecke zu verwenden, wurde diese Vorgangsweise gewählt.

Diese nicht ausgeschöpften Beträge werden nun für eine symbolische Anerkennung für bedürftige Frauen verwendet, denn wir sind uns alle einig darin, dass eine einmalige Auszahlung von 300 € nicht übermäßig hoch ist. Es ist eben genau jene Gruppe von Frauen gewählt worden, die praktisch nur eine Ausgleichszulage erhalten, die einkommensabhängig vom Opferfürsorgegesetz oder Kriegsopfer­versorgungs­gesetz sind oder eine Dauerleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes aus dem Sozialhilfegesetz oder ein vergleichbares Einkommen erhalten.

Deswegen ist diese Gruppe ausgewählt worden, und man kann jetzt es drehen und wenden, wie man will: einmal die eine Gruppe, einmal die andere Gruppe. Tatsache ist, dass man diese Form gewählt hat, und ich glaube, dass sich gerade in einem Jubiläumsjahr wie dem Jahr 2005 die Republik auf ihre Art und Weise bei jenen Menschen bedankt, die wirklich Außerordentliches geleistet haben, vor allem in den ersten Jahren der Nachkriegszeit: mit einer Doppelbelastung, auch mit Kindererzie­hung und so weiter. Diese Zuwendung von 300 € ist meiner Meinung nach eine Geste der Anerkennung. Es ist ein längst fälliges Signal, und es ist mir persönlich auch besonders wichtig, dass erstmals den Frauen der Aufbaugeneration mit diesem Beitrag gedankt wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.13


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Anerkennungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Öster­reich geschaffen wird.


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Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ebenfalls angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenen­entschä­digungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Hier stelle ich die Stimmenmehrheit fest. Somit ist der Antrag angenommen.

18.15.54 23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibes­erziehern und Sportlehrern, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschul­gesetz, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forst­wirtschaftliche Berufsschulen, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen und das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert werden (Schulrechtspaket 2005) (975 d.B. und 1044 d.B. sowie 7335/BR d.B. und 7358/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte um den Bericht.

 


18.16.10

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 5. Schulorganisations­gesetz-Novelle, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz für Berufstätige, das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibes­erziehern und Sportlehrern, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufs­schulen, das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen und das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Die Debatte ist eröffnet.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. Ich darf es ihr erteilen.

 


18.17.52

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Schulrechtspaket, das wir hier behandeln, ist zum größten Teil leider Scheinaktivität. Beinahe die Hälfte des Gesetzestextes befasst sich mit der Umbenennung von Leibesübungen in „Bewegung


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und Sport“. In den Materialien kann man dazu lesen – ich möchte es Ihnen kurz vorlesen –: Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Öster­reich: Die angepasste Unterrichtsgegenstandsbezeichnung soll der Positionierung von Bewegung und Sport in der österreichischen Wirtschaft (Tourismus) Rechnung tragen und damit positive Auswirkungen auch auf den Wirtschaftsstandort Österreich ent­falten.

Ich habe das gelesen und habe mir gedacht: Das ist fast schon rührend! Ich bin keine Wirtschaftsspezialistin, aber wenn Sie mir in irgendeiner Form in fünf Jahren nach­weisen können, dass diese Umbenennung irgendeinen auch nur winzigen positiven Effekt auf die österreichische Wirtschaft gehabt hat, dann nehme ich alles zurück, was ich gerade gesagt habe. Ich kann es mir nicht vorstellen. (Beifall bei den Grünen.)

Zu den einzelnen Punkten muss man generell sagen, es bewegt sich leider äußerst wenig. In der Frage der ganztägigen Betreuung haben wir immer diese grundlegende Meinungsverschiedenheit. Ich denke, eine echte Ganztagsschule würde bedeuten: Rhythmisierung von Unterrichtsphasen, Lernphasen, Erholungsphasen, Bewegungs­phasen und so weiter, und das würde auch heißen: ein individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Für die ÖVP heißt Ganztagsschule allerdings inzwischen nicht mehr Zwangstagsschule, aber im besten Fall mehr Anwe­senheit im Schulgebäude.

So sieht jetzt auch die Regelung aus. Abgesehen davon, dass viele Schulen leider baulich nicht dafür ausgestattet sind, einen echten, pädagogisch sinnvollen Ganztags­unterricht, eine Ganztagsschule zu ermöglichen, ist auch die Regelung, die jetzt vorliegt, wirklich nicht phantasievoll, sondern eine Minimalvariante, die zumindest teil­weise den Anforderungen der Arbeitswelt Rechnung trägt, die eben sagt: Die Eltern müssen arbeiten, und viele Frauen – vor allem Frauen, die ja hier am meisten davon betroffen sind – können einfach nicht nachmittags daheim sein und die Kinder betreuen, und da ist eben der Bedarf nach einer Ganztagsschule gegeben. Das ist jetzt zumindest teilweise akzeptiert worden. Pädagogisch wird dieses Modell aber keinen Fortschritt bringen.

Vor allem auf dem Land wird es auch ein Problem geben. Vorgeschrieben ist nämlich, dass ab 15 Kindern das Führen einer solchen Gruppe im Ganztagsunterricht auch mit Geld für die Gemeinden unterstützt wird. Wenn diese 15 Kinder nicht zusam­men­kommen, dann wird es schwierig, und das wird vor allem im ländlichen Gebiet in vielen Fällen ein Problem werden, weil ja auch diese Ganztagsschule nicht schulübergreifend oder jahrgangsübergreifend stattfinden soll, sondern weil das nach Schulen und nach Jahrgängen unterteilt bleibt – warum, ist meiner Meinung nach nicht nachvollziehbar.

Die Regelung betreffend 5-Tage-Woche: Hier ändert sich faktisch am jetzigen Zustand gar nichts, denn etwa 90 Prozent der Schulen haben bereits jetzt 5-Tage-Wochen, und Ausnahmen wird es auch weiterhin geben. Diese werden auch weiterhin möglich sein, allerdings nach regionalen Gesichtspunkten, und nicht, was vielleicht sinnvoller gewesen wäre, nach pädagogischen Gesichtspunkten.

Ich möchte auch noch die Neuregelung der Einstufung in die erste Leistungsgruppe kommentieren: Mit der Neuregelung, dass Kinder, die die AHS-Reife haben, auto­matisch in die erste Leistungsgruppe in Hauptschulen eingestuft werden, gibt die Regierung in gewisser Weise zu, dass das momentane System so nicht funktioniert. Wir kennen dieses Problem, dass auf dem Land Hauptschulen gut besucht sind, während in der Stadt viele Hauptschulen nicht mehr besucht werden, sondern fast alle Kinder ins Gymnasium gehen sollen. Das ist für mich ein starkes Indiz dafür, dass diese Unterteilung in Hauptschule und Gymnasium so wahrscheinlich nicht mehr


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zeitgerecht ist und dass man hier einfach umdenken und eine gemeinsame Schule schaffen müsste.

In den Hauptschulen allerdings (Ruf bei der ÖVP: Mei, liab!) muss ich sagen, dass diese Leistungsgruppen ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Was habt ihr jetzt? (Bundesrat Mag. Baier: Liab ist das!) Also außer „Mei, liab!“ könnt ihr nichts sagen, oder wie?

Okay. Also ich weiß ja nicht, Herr Kollege, wo Sie zu Hause sind. In Tirol kenne ich das sehr gut. In Innsbruck zum Beispiel ist ein weiteres Gymnasium dringend notwendig, denn fast alle Eltern wollen ihre Kinder ins Gymnasium geben. Tatsache! (Bundesrat Mag. Baier: Um das geht es ja nicht!)

Um das geht es schon, oder? (Bundesrat Mag. Baier: Um das ging es mir nicht!) – Deshalb habe ich ja nachgefragt, aber ich habe keine Antwort bekommen. – Egal. Vielleicht können wir das nachher diskutieren, wenn es irgendwie interessant gewesen sein sollte. (Bundesrat Schennach – auf Bundesrat Mag. Baier weisend –: Er wollte sich einfach bemerkbar machen! – Heiterkeit.) – Ja, das wird es gewesen sein.

Eigentlich wollte ich zum Thema Leistungsgruppen noch sagen, dass ich diese Leistungsgruppenunterteilung in den Hauptschulen auch nicht für eine sehr sinnvolle Motivation von Schülerinnen und Schülern halte. Die besten Fortschritte erzielen Schülerinnen und Schüler nämlich nicht in homogenen Lerngruppen, sondern in alters- und leistungsheterogenen Gruppen. Das ist ein besonders erfolgreiches Lernklima. Das kann man sich auch in der Praxis anschauen. (Ruf bei der ÖVP: Wo?)

Ein Satz zum Thema Berufsreifeprüfung: Diese Regelung ist prinzipiell zu begrüßen. Alles, was das Modell der Berufsreifeprüfung fördert, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Allerdings wird hier mit der Erhöhung der Akademikerquote, die dadurch erreicht werden soll, argumentiert. Das werden wir im nächsten Punkt diskutieren: In Zeiten von Zugangsbeschränkungen wird es das wohl leider nicht sein können.

Das vorliegende Paket wird jedenfalls nicht eine Antwort auf die PISA-Studie sein oder, davon abgesehen, eine Antwort auf die Probleme, die wir im Bildungssystem haben. Dieses so genannte Paket ist zögerlich, ohne tatsächliche Änderungen zu bringen. Und mir fehlen hier die Visionen, wie Schule in der Zukunft tatsächlich ausschauen sollte. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.24


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. Ich darf es ihm erteilen.

 


18.24.12

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich doch eine Anmerkung zu Frau Kollegin Konrad machen: Im neuen Gesetz befinden sich sehr wohl eine ganze Reihe von neuen wesentlichen Schwerpunkten, und diese Umbenennung der Leibesübungen ist ein Punkt, aber es ist sicher nicht ein zentraler Punkt. Und wir haben – das muss ich auch sagen, weil da immer alles krankgejammert und ständig angezweifelt wird – ein in seiner Vielfalt sehr gutes Bildungssystem, und es beneiden uns viele andere Länder darum. Wir haben eine Qualität an den Schulen, und es erfolgt auch ständig eine Anpassung an moderne Lebens- und Arbeitswelten und auch eine Weiterent­wicklung. – Das möchte ich zu Ihren Ausführungen schon sagen.

Das vorliegende Schulpaket bringt die Schule wieder in Bewegung: Wege für neue Weiterentwicklungen sind frei, es erfolgt eine Steigerung der Schulqualität, und es entspricht auch dem Trend zu einer höheren Bildung.


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Zu einer intensiven und ausführlichen Bildungsdebatte gehört auch die Berück­sich­tigung der Erziehungsverantwortung der Eltern. Diese möchte ich hier schon auch einbinden. Und ich möchte auch dem Motto „Mehr Schule und weniger Familie“ eine Absage erteilen, auch in Anlehnung an das vorhin Gesagte. (Bundesrätin Lueger: Eine Frau hat schon einen Anspruch, arbeiten zu gehen!) – Ja, ja. Das spricht ja nicht ... (Bundesrätin Bachner: Na, „halbtags reicht ja auch“! „Halbtags reicht doch auch!“)

Im neuen Schulpaket wird also eine Reihe von Schwerpunkten gesetzt; es gibt da eine umfangreiche Liste. – Ich weiß, es tut immer sehr weh, wenn ich hier gegen die Ganztagsschule rede. Das schmerzt die Sozialdemokratie immer besonders. Ich weiß, da kommt immer ein Aufschrei. (Bundesrätin Bachner: Da gibt es bei euch auch wen, den es schmerzt! Den kenn’ ich!)

Im neuen Schulpaket sind also zahlreiche Schwerpunkte enthalten – ich könnte jetzt eine umfangreiche Liste aufführen. Viele dieser Dinge sind bedarfsgerecht, sowohl was das Tagesbetreuungsangebot anlangt als auch den Förderunterricht. Ich erspare es mir jetzt aus Zeitgründen, alle Punkte dieser Liste anzuführen. Einige Dinge sind ja auch von der Vorrednerin schon genannt worden.

Starke fordern, Schwache fördern! – Das muss ein grundlegender pädagogischer Auf­trag an die Schule sein und ist auch ein elementares Prinzip jedes Unterrichts. För­derung wird sich daher nach den Bedürfnissen der Kinder richten. Die – schon vor Jahren erfolgte – Einführung des Frühwarnsystems hat sich an und für sich gut bewährt. Die Zahl der Klassenwiederholungen ist stark zurückgegangen. Dieser positive Trend – das muss man auch sagen – ist auch auf die gute Arbeit der Lehrerin­nen und Lehrer zurückzuführen. Neue Unterrichtsmethoden werden angewandt, und so wird besser auch auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingegangen.

Die generelle Einführung der 5-Tage-Woche ersetzt Gott sei Dank bürokratische Abläufe. Die schulpartnerschaftlichen Beschlüsse fallen weg. Familien oder Allein­erziehende erhalten durch das längere Wochenende mehr Zeit füreinander. Wir haben österreichweit auch einen einheitlichen Standard. Sollte es wirklich zwingend not­wendig sein, regional Ausnahmen zu machen, dann ist auch das möglich.

Als sehr wichtig erachte ich auch die Fortführung der besonderen Ausbildung der Führungskräfte. Anforderungen an Schulleiter oder Führungspersonen im Schul­management haben sich gewaltig geändert, sei es fachlich, im gesamten EDV-Bereich – ich denke da zum Beispiel an all die SOKRATES-Programme und vieles andere mehr –, sei es im Hinblick auf pädagogische Qualifikationen oder gerade auch, was die Konfliktlösungskompetenz betrifft. Letztere ist besonders wichtig in einer führenden Position.

Die Leadership-Akademie als österreichweites institutionsübergreifendes Qualifizie­rungs­projekt ist äußerst gewinnbringend und fruchtbar, und somit ist ihre Fortführung sehr zu befürworten.

In der Bildungspolitik kann man nicht alles auf einmal ändern. Das ist nicht möglich und auch nicht zielführend. Ich glaube, dass schrittweise Veränderungen, wie sie jetzt geschehen, mit Neuentwicklungen umso wichtiger sind, und sie sind in diesem Um­fang, gerade was dieses Schulpaket anlangt, sehr zu begrüßen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.29


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Die Reihenfolge der Redner musste getauscht werden, um die Abwechslung zwischen Pro- und Kontra-Rednern einzuhalten.

Ich darf Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort erteilen.

 



Bundesrat
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18.29.44

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Besonders freue ich mich, dass doch auch von der ÖVP noch ein paar Damen und Herren da geblieben sind.

Das vorliegende Schulrechtspaket ist meiner Meinung nach eher ein „Packerl“. Ich habe die gesamten Materialien ausgedruckt und mir dabei gedacht: 47 Seiten, super, da muss ja viel drinnen stehen! Eigenartigerweise waren von den 47 Seiten ungefähr 90 Prozent Erklärungen darüber, warum die Umbenennung von „Leibeserziehung“ zu „Sport- und Bewegung“ im wirtschaftlichen Bereich und auch sonst so wichtig ist.

Ich sehe schon ein, dass ein Sportlehrer lieber „Sportlehrer“ als „Leibeserziehungs­lehrer“ heißt. Ansonsten sehe ich den großen Vorteil und den großen Gewinn durch diese Änderung eigentlich nicht. Sie ist sicherlich positiv, aber meiner Meinung nach keinesfalls der große Wurf, wie Sie das darzustellen versuchen. (Bundesrat Mag. Himmer: Warum redet dann ...?) – Wenn es den Großteil der Unterlagen aus­macht, gehen wir doch auch auf das ein, was Ihnen offenbar wichtig ist.

Kollege Saller hat – Bezug nehmend auf diese Unterlage – von einer „qualitativen Weiterentwicklung“ gesprochen, eine Weiterentwicklung, die ich wirklich nicht so großartig finde, wie Sie das tun. Natürlich ist es ein positiver Ansatz, wenn Sie zumindest einmal andenken, dass Nachmittagsbetreuung angeboten wird. Leider sieht die Wirklichkeit aber anders aus! (Im Sitzungssaal läutet ein Mobiltelefon.) – Hat jemand sein Handy vergessen? (Die Rednerin eilt zum Platz von Bundesrat Bieringer, nimmt das dort liegende läutende Mobiltelefon, reicht es dem nebenan sitzenden Bundesrat Mag. Himmer, welcher damit aus dem Saal eilt, und begibt sich wieder zum Rednerpult. – Bundesrat Konecny: ... wie der Khol gesagt hat, er sehe sich außerstande, einem herrenlosen Handy ...!) – Jetzt muss ich leider von vorne anfan­gen, jetzt bin ich ganz verwirrt!

Sicherlich ist es als sehr positiv zu sehen, wenn jetzt auch von Ihnen eine Nachmit­tagsbetreuung angedacht wird. (Ruf: ...mandatare!) – Genau, die bräuchten auch manchmal eine Nachmittagsbetreuung!

Das Problem, das wir dabei natürlich schon sehen, ist diese Mindestanzahl von 15 Kindern pro Schule, eine Zahl, die vielleicht gerade im ländlichen Raum nicht so einfach erreicht werden kann – und wo sich dann für viele Mütter das Problem stellen wird, wo und von wem ihre Kinder nachmittags betreut werden können.

Wie gesagt: Dieses Schulrechtspaket würde ich – um es kurz zusammenzufassen – eher als Packerl denn als Paket bezeichnen. Auch Ihre Ansicht, dass die soziale Kom­ponente, dass die soziale Staffelung bei dieser Kinderbetreuung so gerecht wäre, kann ich nicht teilen.

In den Materialien steht ja auch, dass für die Nachmittagsbetreuung Kosten von durch­schnittlich 346 € pro Schülerin/pro Schüler eingehoben werden, ein meiner Über­zeugung nach schon sehr beachtlicher Betrag. Bei zwei oder drei Kindern ist das schon eine erhebliche Mehrbelastung pro Monat; das sollte man keinesfalls übersehen! Verbesserungsfähig – nennen wir es so – ist das auf alle Fälle! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.32


Präsident Peter Mitterer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


18.32.56

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Ministerin! Gospa ministrica! Bevor ich auf das Schulrechtspaket zu sprechen komme,


Bundesrat
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möchte ich in Richtung des Kollegen Josef Saller, der gemeint hat, der Erziehungs­auftrag gehe an die Eltern, Folgendes sagen: Ja, das stimmt, aber Frauen und Männer haben das Recht, arbeiten zu gehen! Und gerade diese Frauen und Männer haben auch das Recht, ihre Kinder in Nachmittagsbetreuung zu geben, wo – und das erwarten sie – pädagogische Konzepte und beste Qualitätsstandards geboten wer­den. – Das heißt aber bitte nicht, dass der Begriff, dass der Auftrag „Erziehung“ an Lehrerinnen und Lehrer abgeschoben wird.

Nun zum Schulrechtspaket selbst. Worum geht es eigentlich bei diesem Schulrechts­paket? – Es geht um eine Anpassung der Schulzeit im Bereich der Grundschule und der Sekundarstufe 1 an die Arbeitswelt. Es geht um die Schaffung der 5-Tage-Woche, und zwar verpflichtend an allen Schulen, bis einschließlich der Sekundarstufe 1. Es geht weiters um den Ausbau der Nachmittagsbetreuung. Es geht auch um das Fach Leibeserziehung, wobei „Leibeserziehung“ in „Bewegung und Sport“ umbenannt werden soll. Es geht um Schulen mit einem Schwerpunkt; diese können jetzt Zusatz­bezeichnungen wählen, so zum Beispiel „Sporthauptschule“.

Es gehört zu den Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer, dass sie sich im erforderlichen Maße fort- und weiterbilden. – Das klingt ja gerade so – ich bin auch Lehrerin –, als ob wir das nicht auch schon bisher getan hätten! Wir machen stets Fort- und Weiter­bildung!

Es geht darum, dass die Akademie für Sozialarbeit abgeschafft wird, und es geht ebenso – das ist für mich als Berufsschullehrerin ein wichtiger Punkt – um eine bessere internationale Anerkennung der Berufsreifeprüfung.

Die SPÖ wird diesem Schulrechtspaket zwar zustimmen, obwohl, sehr verehrte Damen und Herren, das kein entscheidender oder großer Schritt ist und das Ganze doch einige Mängel aufweist. Diese Mängel möchte ich Ihnen jetzt kurz skizzieren.

Punkt eins: verpflichtende Ausweitung der Nachmittagsbetreuung an allen Schulen, einschließlich der 8. Schulstufe. Die Kosten für die neu geschaffene Nachmittags­betreuung trägt zum Teil der Bund, jedoch gilt dies nicht für bestehende Nachmittags­betreuung, wie es sie in den Gemeinden seitens verschiedener Organisationen gibt. (Bundesrat Konecny – zu dem in den Sitzungssaal zurückgekehrten Bundesrat Bieringer –: Ludwig, dein Handy wird einen Ordnungsruf kriegen!)

Im Ausschuss wurde mir berichtet, dass bestehende Nachmittagsbetreuung, die jetzt schon besteht und gut funktioniert, nicht in den Genuss finanzieller Unterstützung kommt. Es ist mir schon klar, dass man sich in die inhaltliche Struktur dieser beste­henden Nachmittagsbetreuung nicht einmischen sollte, aber diese finanziell zu unterstützen, das wäre sicherlich von großem Vorteil.

Der zweite Punkt, der von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern auch schon genannt wurde, ist, dass als Voraussetzung für so eine verpflichtende Nachmittags­betreuung die Zahl von 15 angemeldeten Schülern beziehungsweise Schülerinnen gilt. Ich kann mir vorstellen, dass diese Zahl in den Städten kein Problem ist, jedoch kann das im ländlichen Raum umso schwieriger werden, ja ich möchte das sogar als Ungerechtigkeit und Bestrafung für den ländlichen Raum bezeichnen.

Ich weiß schon, dass jedes Bundesland diese Zahl von 15 SchülerInnen reduzieren kann, aber da geht es bitte auch um die Finanzierung!

Dritter Punkt: Bei dieser Nachmittagsbetreuung werden die Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt und versorgt. – Dies ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-


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kraten einfach zu wenig, und daher erwarten wir, aber auch sehr viele Eltern, von Ihnen, Frau Bundesministerin, dass hinsichtlich dieser Betreuung Qualitätsstandards erstellt werden, und zwar nach einem pädagogischen Konzept, damit die Schülerin­nen und Schüler nicht nur beaufsichtigt und versorgt werden, sondern damit jenen Schülerinnen und Schülern, die eine Lernschwäche haben, gezielt geholfen werden kann. Es soll so sein, dass es gezielte Hilfe bei Hausaufgaben gibt, dass Gelerntes geübt und gefestigt wird und Stärken gefördert werden.

Im Ausschuss wurde mir auch berichtet, dass diese Qualitätsstandards durch den Lehrplan gesichert seien. Das heißt, laut Lehrplan soll der Schüler/die Schülerin Betriebskennziffern anwenden können. Und wenn er/sie das nicht versteht, nicht kann: Wer hilft ihm, wer hilft ihr, und zwar gezielt und nach pädagogischen Konzepten in der Nachmittagsbetreuung, um dieses Nichtverstehen überwinden zu können?

Gerade das sind die Punkte, warum uns wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten für eine Ganztagsschule stark machen. In der Ganztagsschule wird Lernen, Spielen, Fördern über den ganzen Tag, und zwar schüler- und schülerinnengerecht, verteilt. Der Unterricht erfolgt am Vormittag; Förderung, Vertiefung, Übung, sinnvolle Freizeitgestaltung stehen am Nachmittag auf dem Programm.

Eine Ganztagsschule ist mehr als nur ein dicht aneinander gedrängter Unterricht: Eine Ganztagsschule entlastet die Familie und sorgt für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Ganztagsschule bringt Vorteile für alle Beteiligten: für die Schüler und Schülerinnen, für die Eltern und für die Lehrer und Lehrerinnen.

Nicht das Billigste soll für unsere SchülerInnen gut genug sein, sondern das Beste!

Ein ganz wichtiger Punkt, wie ich früher schon erwähnt habe, der jetzt ausgeweitet wird, ist die Berufsreifeprüfung. Die Berufsreifeprüfung gibt es schon seit 1997. Sie hat ganz entscheidende Verbesserungen insofern gebracht, als Leute mit der Facharbeit, die eine Lehre absolviert und eine Lehrabschlussprüfung haben, auch die Möglichkeit haben, über diese Berufsreifeprüfung eine Matura machen und einen Studienzugang bekommen zu können, falls noch irgendwas frei ist. Das wird heute ausgeweitet auf die Meisterprüfung und auf die Befähigungsprüfung. Dies macht deutlich, dass diese prak­tische Ausbildung auch ihren Wert hat und auch dazu befähigen soll, Bildungschancen in den weiterführenden Einrichtungen, Fachhochschulen und so weiter, anzunehmen. Diese Form der höheren Qualifizierung ist natürlich ein ganz wichtiger Schritt.

Ein Beispiel: Ich unterrichte in der Berufsschule und habe auch Tischler. Und bei einem Tischler oder einer Tischlerin sehe ich es als sehr positiv, wenn er oder sie durch Weiterbildung aufsteigt, zum Akademiker wird. Dieser oder diese verfügt durch die vorherige Lehre auch über eine Berufspraxis, und das ist für die Wirtschaft und für die Betriebe ein ganz großer Vorteil. Die Wirtschaft und die Betriebe sind gefordert, dies zu ermöglichen.

Zur Umbenennung von „Leibesübungen“ in „Bewegung und Sport“: Da ist auch gesagt worden, wir hätten in diesem Bereich nur krankgejammert. Nein, wir jammern nicht krank, wir machen einfach aufmerksam, dass die Umbenennung von „Leibesübungen“ in „Bewegung und Sport“ einfach zu wenig ist. Es wurden sehr viele Unverbindliche Übungen beim ersten und viele Turnstunden beim zweiten Sparpaket im Bildungs­bereich gekürzt, und dafür ist die jetzige Bundesregierung verantwortlich.

Bewegung und Sport fördern den Geist, die Konzentration, die Leistungsfähigkeit unserer Schüler und unserer Schülerinnen. Wir erwarten, Frau Bundesministerin, dass Sie dafür sorgen, dass es mehr Turnstunden gibt, dass es Turnhallen an allen Schulen


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gibt, denn es gibt noch immer Volksschulen, in denen keine Turnhalle vorhanden ist, und dass die Turnsäle groß genug sind, sodass wirklich Sport und Bewegung statt­finden können.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.43


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer. Ich erteile es ihr.

 


18.43.21

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte drei grundsätzliche Bemerkungen machen. Die erste Bemerkung zur Tagesbetreuung: Ich bitte, das Gesetz genau zu lesen. Es steht dort nicht „Nachmittagsbetreuung“, es steht „Tagesbetreuung“. Und unsere Schulen sind keine Halbtagsschulen. Wer in Schulen geht und sich das anschaut, der sieht, dass die Kinder auch am Nachmittag Schule haben.

Ich möchte schon eines festhalten, weil immer wieder das Recht auf Arbeit erwähnt wird und immer wieder gesagt wird: Wenn wir das Recht auf Arbeit haben, dann müssen wir die Kinder in Ganztagsschulen stecken. (Bundesrat Mag. Pehm: „Stecken“ hat niemand gesagt! – Bundesrat Konecny: „Stecken“ tun wir überhaupt keine Kinder! Frechheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und ich sage Ihnen eines: Ich trete dafür ein, dass wir das Recht auf Wahlfreiheit betonen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), das Recht auf Wahlfreiheit für Männer und für Frauen. Und ich trete dafür ein, dass auch die Arbeit in der Familie mit mehreren Kindern als Arbeit gesehen wird. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dieses Recht auf Wahlfreiheit kann nur dann gewährleistet sein, wenn wir nicht flächendeckend verordnen, dass die Kinder von 8 bis 16 oder 17 Uhr in der Schule zu sein haben. (Bundesrat Mag. Pehm: Das stimmt ja nicht!)

Das Zweite, was ich zu dem Bereich Tagesbetreuung bemerken möchte: Die Tages­betreuung ist ein anspruchsvolles pädagogisches Angebot, und wer sieht, was Lehrer und Lehrerinnen oder Erzieher und Erzieherinnen in dieser Zeit mit den Kindern machen, der merkt sehr bald, dass sie den Kindern helfen, dass sie die Kinder unter­stützen, dass sie mit den Kindern die Freizeit gestalten. Und ich glaube, es ist ein sehr, sehr gutes Angebot, das unseren Jugendlichen sehr viel nützt.

Eines möchte ich noch zu der ständigen Feststellung sagen, dass wir nicht ab sofort sämtliche Horte der Gemeinden in unsere Finanzierung übernehmen: Der Bund hat von der Verfassung her keinerlei Zuständigkeiten im Bereich der Tagesbetreuung, keinerlei Finanzierungsauftrag. Wir unterstützen die schulische Betreuung, die Tages­betreuung der jungen Menschen an der Schule.

Zu der Bemerkung, dass es in kleinen Gemeinden so schwierig ist, weil angeblich die Tagesbetreuung nicht schulübergreifend, jahrgangsübergreifend möglich ist, möchte ich festhalten: Ganztagsschule ist nicht schulübergreifend und jahrgangsübergreifend möglich! Tagesbetreuung ist schulübergreifend, jahrgangsübergreifend möglich. Des­wegen können auch an kleineren Schulen in kleineren Orten derartige Angebote gemacht werden.

Ich glaube manchmal, man sieht nicht wirklich die Kreativität und das Verantwortungs­bewusstsein von Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen. Ich sage Ihnen, ich kenne Fälle, wo ganz unkonventionelle Lösungen gefunden wurden, wo zwei Kinder, die betreut werden müssen, zu einer Tagesmutter vermittelt werden. Es gibt viele ver-


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schiedene Betreuungsformen und Betreuungsarten, und ich glaube, wir sollten da schon auf die Kreativität und auch auf das Verantwortungsbewusstsein unserer Bürgermeister und Bürgermeisterinnen ein sehr großes Augenmerk legen.

Das, was verlangt wurde von der Opposition, ist mehr Tagesbetreuung an den Schulen. Und wir steigern diese Betreuung von ehemals ungefähr 45 000 um 20 000 Plätze. Wir haben im Budget dafür 52 Millionen € vorgesehen. Uns ist die gute Betreuung der Kinder und Jugendlichen, nämlich derjenigen, die es brauchen und wo es die Eltern wollen und wo die Eltern diese Art der Betreuung wählen, 52 Millionen € wert. Aber ich schaffe doch nicht einen Ersatz für Tageshorte und übernehme doch nicht Finanzierungskosten, welche die Gemeinden bisher getragen haben! Dadurch entsteht kein einziger Platz zusätzlich, und das, was verlangt wurde, sind zusätzliche Plätze.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, obwohl wir nicht die Zuständigkeit in der Verfassung dafür haben, und ich möchte für die Kinder, für die Jugendlichen bis zur achten Schulstufe, wenn die Eltern diese Betreuungsform wählen, ein pädagogisch hoch stehendes Betreuungsangebot verwirklichen. Wir stellen dazu weitere 8 Millionen €, insgesamt 52 Millionen €, zur Verfügung. Wenn weitere Plätze gebraucht werden – das wird sich weisen –, werden wir im nächsten Budget ebenfalls wieder den Ausbau um 10 000 weitere Plätze vorsehen.

Ich möchte noch eine kurze Bemerkung machen zu dem, was Schulentwicklung ist. Schulentwicklung kann in Gesetzen grundgelegt werden, Schulentwicklung lebt aber in großem Maße vom Engagement der Lehrer und Lehrerinnen. Und wer sich viel in Schulen aufhält, wer sieht, was in Schulen alles gemacht wird, der sieht, was sich in den letzten Jahren alles verändert hat.

Wir haben den Trend zur höheren Bildung. Wir haben seit 1995 40 000 Jugendliche mehr in den weiterführenden Schulen. Wir haben 2 300 Lehrer und Lehrerinnen mehr in unseren Bundesschulen, für die Jugendlichen, die mehr in die Bundesschulen gehen. Wir haben Schulhäuser gebaut, für die wir sogar Architekturpreise bekommen. Schauen Sie sich die Architekturzeitung an, die letzte Woche auf den Markt gekommen ist! Wir haben eine IT-Offensive gestartet, wodurch wir an der Spitze in Europa liegen. Wir haben die Autonomie ausgebaut. Und da ist es ungeheuer wichtig, dass die Schulen ihre Schwerpunkte auch in ihrem Namen festhalten können. Und das ver­wirklichen wir jetzt.

Wir haben moderne Unterrichtsprojekte in großer Zahl in allen Schulbereichen. Wir haben Mobilitätsprogramme, die nirgends so gut wie in Österreich sind. Und wir haben das Frühwarnsystem weiter ausgebaut.

Ich glaube, man sollte auch die konkreten Folgen sehen. Ich habe gestern in den „Vorarlberger Nachrichten“ einen Artikel gefunden, in dem steht: „Geringste Zahl von Wiederholungsprüfungen bei der Matura seit mehreren Jahren“. – Es hat sich ausgewirkt, dass wir die individuelle Förderung weiter ausbauen, dass wir die individu­elle Unterstützung der Schüler und Schülerinnen ernst nehmen.

Wir haben die Leadership-Akademie ins Leben gerufen, die den dritten Durchgang erfahren wird. Dazu brauche ich überhaupt kein Gesetz. Wir haben die Arbeit an den Standards weitergeführt, damit wir einheitliche Zielvorgaben haben – mehr Autonomie, mehr Selbständigkeit braucht gemeinsame Zielvorgaben – für die vierte Klasse Volks­schule, für die vierte Klasse Gymnasium, für die vierte Klasse Hauptschule. Wir haben die Zweidrittelmehrheit mit Ihrer Unterstützung aufgehoben. Dadurch brauchen wir für 95 Prozent aller Schulgesetze nicht mehr die Zweidrittelmehrheit. Das heißt, wir können auch im Gesetzgebungsbereich weiter Akzente setzen.


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In diesem Gesetzespaket sind wichtige Maßnahmen drinnen. Ich danke denen, die sie unterstützen. Und ich danke vor allem allen, denen das Bildungswesen und die För­derung unserer Jugend ein großes Anliegen ist. Ich danke den Lehrern und Lehrerin­nen, und ich denke, dass alle ihren wohlverdienten Urlaub genießen werden und man im Herbst mit neuem Schwung, mit neuem Elan und mit großer Freude wieder anfangen wird. (Beifall bei der ÖVP und der SPÖ.)

18.51


Präsident Peter Mitterer: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, somit ist dieser Antrag angenommen.

18.52.0524. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (1045 d.B. sowie 7336/BR d.B. und 7359/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich ersuche um seinen Bericht.

 


18.52.21

Berichterstatter Karl Bader: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissen­schaft zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt.

Ich darf voraussetzen, dass Ihnen allen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, und darf zur Antragstellung kommen:

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth. Ich darf ihr das Wort erteilen.

 


18.53.10

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Chaos ist perfekt. Auf diesen kurzen Nenner lässt sich wohl die derzeitige Situation an den Universitäten bringen, und das heute hier vorliegende Gesetz trägt auch zu diesem Chaos bei.

Dass ich mich angesichts der aktuellen Situation nicht mit der Umbenennung des Unterrichtsfachs „Leibesübungen“ in „Bewegung und Sport“ beschäftige, das ist wohl für alle hier verständlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Bericht des Ausschusses, der vorgestern aus­führlich verlesen wurde, steht im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation ein


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bemerkenswerter Satz. Ich zitiere: „Österreich erachtet den offenen Hochschulzugang für eine wichtige Grundlage des österreichischen Bildungssystems.“ – Zitatende. (Bun­desrat Mag. Pehm: Wo steht das? – Bundesrat Konecny: Wo steht das?) – Im Aus­schussbericht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Konecny: Aus welchem Jahr?) Vor zwei Tagen verlesen! – Dieser Satz ist für mich wirklich der reinste Hohn, denn davon kann, wenn dieses Gesetz heute mit den Stimmen der Regierungs­frak­tionen endgültig beschlossen wird, wohl nicht mehr die Rede sein in diesem Staat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Ist es wirklich so überraschend gekommen, dieses EuGH-Urteil, wie anfangs behauptet wurde, oder hat sich das nicht doch schon längst abgezeichnet? Und ist es nicht auch so, dass das Erkenntnis kein unabwendbares Schicksal war, dass durchaus vorhandene Chancen auf einen anderen Ausgang durch mangelnde Argumentation oder Unterlagen verspielt worden sind?

Die Vertreter der österreichischen Bundesregierung in diesem Verfahren waren sichtlich nicht im Stande, den Richtern des Europäischen Gerichtshofs klarzumachen, dass es tatsächlich um den Bestand der österreichischen Universitäten geht, dass es um Unzumutbarkeiten geht, wenn ausländische Studierende die österreichischen Uni­versitäten unter denselben Voraussetzungen besuchen können wie Inhaber öster­reichischer Maturazeugnisse. Warum wurden, außer für den Bereich der Medizin, keine konkreten Zahlen vorgelegt in Brüssel, obwohl klar war, dass nicht nur dieser Bereich betroffen sein wird?

Spätestens seit März 2003, seit der Klage der Kommission hätten verstärkte Anstren­gungen unternommen werden müssen, und zwar auf allen Ebenen, auch von Seiten der zuständigen Bundesministerin, auch von Seiten des Bundeskanzlers, alles zu unternehmen, um ein derartiges Urteil, mit dem wir uns jetzt herumschlagen müssen – ein anderer Ausdruck fällt mir dazu wirklich nicht ein –, zu verhindern. Stattdessen wurde gewartet. Es wurde auch noch gewartet, als im Jänner 2005, also vor einem halben Jahr, durch den Generalanwalt das zu erwartende Urteil vorweggenommen wurde. Worauf? Auf ein Wunder? – Nichts wurde vorbereitet, obwohl allen, die sich damit beschäftigt haben, längst klar war, dass es zu diesem Urteil kommen wird.

Darauf haben nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsparteien wiederholt hingewiesen, sondern auch die Rektoren der betroffenen Studienrichtungen, die Vertreterinnen und Vertreter der Studentenschaft und andere. – Nichts wurde vor­bereitet. Kein Gesetz, keine konkreten Vorschläge für die Universitäten, kein Budget, rein gar nichts. Das kann man meiner Meinung nach nur als Vogel-Strauß-Politik bezeichnen, so nach dem Motto: Wenn ich nichts sehe, brauche ich auch nichts zu tun. Das kommt einem Totalversagen der Regierung gleich.

Da nützt es auch nichts mehr, wenn Bundesminister Molterer jetzt das sagt, was der Wissenschaftssprecher Josef Broukal schon seit Monaten predigt, nämlich dass es auf EU-Ebene Spielregeln für Auslandsstudenten braucht. Dass Sie als zuständige Bun­desministerin das auch jetzt erkennen, nützt leider auch niemandem mehr, schon gar nicht den betroffenen Studentinnen und Studenten, denn jetzt herrscht das Chaos an Österreichs Universitäten.

Quasi im Husch-Pfusch-Verfahren wird ein Gesetz über Nacht beschlossen. Das nenne ich „speed kills“. Es gibt gebrochene Versprechen und absurde Auslese­ver­fahren, wo die Dauer einer Überweisung von der Einzahlung bis zur Buchung aufs Konto über die Möglichkeit entscheidet, eine bestimmte Studienrichtung an einer bestimmten Universität zu studieren, wo die Qualität der zukünftigen Studierenden beurteilt wird nach dem Kriterium: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! (Bundesrat Dr. Kühnel: Das hat schon der Gorbatschow gesagt! – Bundesrat Konecny: Der hat


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gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Und das ist der Frau Minister passiert! – Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Es gibt Auswahlkriterien, wo Maturanoten herangezogen werden, die für die ge­wünschte Studienrichtung keine Relevanz haben und die überdies im Nachhinein – die Schülerinnen und Schüler haben ja damit nicht rechnen können – nicht mehr beein­flussbar sind. Ein Maturazeugnis bedeutet zum ersten Mal nicht mehr, dass die Maturantin oder der Maturant auch wirklich studieren darf. Es gäbe noch vieles andere mehr, aber es wäre zu lange, diese Regelungen jetzt alle aufzuzählen, Regelungen ohne Konzept, ohne einheitliche Grundlagen, ohne Sicherheit für die zukünftigen Studierenden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es stellt sich nun die Frage: Was soll jetzt pas­sieren? Was passiert jetzt bis zum Herbst? Wir gehen ja jetzt in die Sommerpause. Welche Konzepte gibt es von Seiten des Ministeriums, um die zu geringe Akade­mikerInnenquote in Österreich anzuheben? Dieses Land braucht mehr Akademikerin­nen und Akademiker, nicht weniger! Welche Konzepte gibt es gegen die zu hohe Drop-out-Rate, gegen die zu lange Studiendauer? Was geschieht in Zukunft, um arbeitenden Studentinnen und Studenten zu helfen? Schließlich ist die Praxis für den Eintritt in das Berufsleben ein wichtiges Kriterium, ohne das die heutigen Jugendlichen kaum mehr auskommen?

Die Höhe der Stipendien ist seit Jahren eingefroren, die zuständige Ministerin ignoriert das oder sie beschwichtigt.

Die Universitäten wurden ohne ausreichende Budgetmittel in die Autonomie entlassen. Da nützen auch die 70 Millionen € aus der Forschungsmilliarde nichts, die die Frau Bundesministerin jetzt den Universitäten zur Verfügung stellen will, wie gestern unter anderem im „Kurier“ zu lesen war.

Die Österreichische Rektorenkonferenz sieht laut einem Artikel in den „Salzburger Nachrichten“ die Substanz der Universitäten gefährdet. Als Mindestforderung verlangt die Österreichische Rektorenkonferenz, dass zusätzliche Pflichtausgaben der Unis in der Höhe von 170 Millionen € jährlich, wie bei der Ausgliederung vereinbart, abge­golten und in den Leistungsvereinbarungen für die Globalbudgets 2007 bis 2009 berücksichtigt werden. – So hieß es in einer Aussendung am Dienstag.

Sorgfältig dokumentierte Erhebungen unter allen Universitäten für die Jahre 2004 bis 2006 – also Jetztzeit – hätten bereits einen Mehrbedarf an Pflichtausgaben von jeweils mehr als 100 Millionen € pro Jahr ergeben. Diese seien zum Beispiel Konsequenzen aus der Autonomie im Bereich des Personals wie Dienstgeberabgaben, Novellen des öffentlichen Dienstrechtes beziehungsweise Auswirkungen des privaten Dienstrechtes oder der neuen Mieterrolle der Universitäten. – So weit die Aussage der Rektoren­konferenz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf den Umstand, dass dieses Geld fehlt, weisen wir schon lange hin. Zahlreiche diesbezügliche Anträge im Nationalrat haben keine Erfolge für die Universitäten gebracht, da sie nicht die erforderliche Mehrheit gefunden haben. Wir fordern einen Ausbau der Universitäten – kein Kaputtsparen! Wir verlangen einen nationalen Universitätsentwicklungsplan, der nicht vom Bildungsministerium erstellt wird. Dazu soll es, ähnlich wie bei der Forschungsmilliarde, eine Uni-Milliarde geben. Als ersten Schritt, Kolleginnen und Kollegen, erwarten wir, dass den Univer­sitäten endlich die notwendigen Mittel, die durch die Ausgliederungen bedingt sind, ersetzt werden.


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Wir stellen deshalb folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth und KollegInnen betreffend 170 Millionen Euro Sofortprogramm für die Universitäten, eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 24

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, den österreichischen Universitäten im Rahmen eines Sofortprogramms 170 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.“

*****

Ich hoffe, Kolleginnen und Kollegen, dass alle (Bundesrat Bieringer: Woher sollen sie es nehmen? Sagen Sie es uns!), unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit, diesem Antrag heute die Zustimmung geben, Kollege Bieringer – im Sinne der Zukunft der jungen Menschen in unserem Staat. Das wird uns dieses Geld wert sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.03


Präsident Peter Mitterer: Der von den Bundesräten Mag. Susanne Neuwirth, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend 170 Millionen Euro Sofortprogramm für die Universitäten ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

Entschuldigung, ich korrigiere, Frau Bundesrätin Fraunschiel gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das Burgenland hat doch gar keine Universität! – Bundesrat Mag. Pehm: Doch! Doch, Frau Kollegin! Selbstverständlich! Die Musikuniversität in Oberschützen!)

 


19.03.56

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Da jetzt diskutiert wird, wieso ich mich hier überhaupt zu Wort melde, kann ich die Kolleginnen und Kollegen vielleicht insofern beruhigen: Ich bin heute zwei Mal zu Wort gemeldet, wurde schon gebeten, eine Wortmeldung zurückzuziehen. Ich habe gesagt, beide Wortmeldungen werden nicht länger als 10 Minuten dauern. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist okay! – Bundesrat Konecny: Jetzt sind wir eh wieder gut im Plan!)

Das EuGH-Urteil vom 7. Juli ist auf jeden Fall enttäuschend. Es ist nicht einzusehen, dass zwar bei Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit die Regeln des Her­kunftslandes gelten, beim Universitätszugang jedoch nicht. Es ist natürlich einfach, jetzt zu sagen, wir haben das alles schon gewusst, das haben wir immer schon gesagt, und der Frau Minister vorzuwerfen, sie habe sich da nicht genug eingesetzt.

Es gab genug Rechtsexperten, die der Meinung waren, dass unsere Argumentation ziehen müsse. Es gibt auch genug Rechtsexperten, die sagen, dass dieses Urteil nicht dem EU-Recht entspricht. Ich möchte hier jetzt gar keine juristischen Abhandlungen durchführen, aber wir stehen vor einer Situation (Bundesrat Gruber: Vor einem Scherbenhaufen!), dass eben Abiturientinnen und Abiturienten, die in ihrer deutschen Heimat unter den Numerus clausus fallen, uneingeschränkten Zugang zu österreichi­schen Universitäten haben. Die betroffenen Studienfächer sind Humanmedizin,


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Veterinärmedizin, Zahnmedizin, Biologie, Pharmazie und Psychologie, zusätzlich BWL, Publizistik und Kommunikationswissenschaften.

Natürlich waren vor allem die Studienplätze für Medizin in den letzten Tagen in den Medien. Was mir dabei aufgefallen ist, ist Folgendes: Wien bietet 1 561 Studienplätze, Innsbruck 550, Graz 300 – München 720. Das sind – man macht es sich hier relativ einfach – in Deutschland in Relation wesentlich weniger Studienplätze.

Es kam auch der Vorwurf, dass keinerlei Gespräche geführt und Maßnahmen für diese Situation getroffen wurden. Das entspricht aber auch nicht der Realität. Der Präsident der Rektorenkonferenz Universitätsprofessor Badelt sagte im „Journal zu Gast“ am vorigen Samstag, dass sehr wohl mit der Rektorenkonferenz Gespräche geführt wurden und dass es nicht sinnvoll gewesen wäre, in vorauseilendem Gehorsam ver­schiedene Maßnahmen zu treffen. – Dieses Gesetz, wie es hier jetzt vorliegt, ist mit der Rektorenkonferenz abgesprochen. Die Maßnahmen sollen laufend evaluiert werden.

Wenn es heißt, in Österreich konnte man mit einem Maturazeugnis alles studieren, entspricht das auch nicht ... (Bundesrat Gruber: Das steht zumindest drauf!) – Ja, es steht drauf, ist aber auch nicht die Realität. Ich denke an die Kunstuniversitäten, ich denke zum Beispiel an das Studium der Sportwissenschaften, bei dem man einen Eignungstest machen muss.

Wir bewegen uns im europäischen Hochschulraum. Wir wollen, dass unsere Studentin­nen und Studenten in anderen EU-Ländern studieren. In den 24 anderen EU-Ländern gibt es auch Zugangsbeschränkungen. Was wir sicher machen müssen und was die Frau Minister auch machen wird, ist, dass wir auf europäischer Ebene neue Spiel­regeln aushandeln müssen, nachdem dieses Urteil nun so erfolgt ist. Verhandlungen vor der Urteilsverkündung wären weder klug noch sinnvoll gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.08

Präsident Peter Mitterer: Als nächste Rednerin ist nun Frau Bundesrätin Konrad zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.08.35

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regelung, die der EuGH beanstandet hat, hat besagt, dass Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft nur dann an österreichischen Universitäten studieren dürfen, wenn sie in ihrem Heimat­land einen Studienplatz nachweisen können. Das ist objektiv eine Diskriminierung gegenüber österreichischen Studierenden. Diese Diskriminierung baut auf der Ansicht auf – das wurde ja auch von Österreich im Verfahren so argumentiert –, dass die Universitäten staatlich finanziert sind und in erster Linie Österreicherinnen und Öster­reicher ausbilden sollen.

Dass sich jetzt diese Ansicht nicht hundertprozentig mit den Zielen der EU deckt, insbesondere in den Bereichen Mobilität von Studierenden – ein erklärtes Ziel der EU – und auch der Freizügigkeit, ist offensichtlich. Und diesen Zielen hat ja auch Österreich einmal zugestimmt und müsste sich ihnen insofern verpflichtet fühlen.

Bis zu einem gewissen Ausmaß ist das auch der Fall; zum Beispiel zählt die Anzahl international Studierender zu einem Qualitätskriterium für Universitäten, und es gibt Stipendien und Förderungen für Auslandssemester. Im Prinzip ist es uns ein Anliegen und wir fördern es, dass österreichische Studierende ein Semester oder ein Jahr lang an Universitäten im Ausland studieren.

Die bisherige Regelung war eine Zeitbombe, die explodieren musste. Trotzdem hat das Ministerium keine Maßnahmen getroffen, um sich darauf vorzubereiten. Ganz im


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Gegenteil! Einen Tag vor der Verkündung des EuGH-Urteils sagte die Bundes­minis­terin noch, sie hielte nichts davon, Gesetze vorzubereiten, nur weil vielleicht etwas passieren könnte.

Interessant, denn es war schon möglich, ein Gutachten zur Reform des öster­reichischen Hochschulzugangs in Auftrag zu geben, das bereits im Juni – also durch­aus zeitgerecht vor der Urteilsverkündung – vorlag. Und es war auch möglich – zumin­dest nach jener Auskunft, die wir vorgestern im Ausschuss bekommen haben –, dass das Gesetz mit der Rektorenkonferenz abgestimmt wird.

Wenn also eine intensive Besprechung mit der Rektorenkonferenz und ein 20-seitiges Gutachten zum selben Thema möglich sind, dann hätte doch auch dieser einseitige Gesetzentwurf, den es letztendlich gab, etwas früher vorliegen können und nicht erst am Tag der Abstimmung. Wenn das Ministerium schon mit derart massiven Auswir­kungen durch das Urteil rechnet, dann könnte man schon erwarten, dass die Reaktion darauf besser vorbereitet ist.

In einem Kommentar im „Kurier“ vom 18. Juli 2005 wurde das sehr treffend formuliert: „Die europäische Instanz konnte nicht anders entscheiden, aber Österreich hätte früher und anders reagieren können.“ 

Ich habe heute einen – sagen wir – zumindest interessanten Ansatz gelesen, dass die Frau Bundesministerin das so genannte Herkunftslandprinzip für die Universitäten anwen­den möchte. Das ist ein interessanter Gedanke, würde aber voraussetzen, Verhandlungen mit den anderen EU-Staaten zu führen, um das auch europaweit durchzusetzen. Es ginge ja nicht, wenn das nur Österreich machen würde. Und genau das ist der Punkt, denn Verhandlungen innerhalb der EU oder, was uns am meisten betreffen würde, Verhandlungen mit Deutschland wären schon zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen. Dass dieses Problem auf uns zukommen würde, ist wirklich nicht erst seit gestern bekannt.

Dass das EuGH-Urteil in dieser Form kommt, war – wie ich gerade ausgeführt habe – von vornherein klar. Trotzdem ist es empörend, dass die österreichische Argumen­tation offensichtlich derart halbherzig war, dass dies sogar der EuGH in seinem Urteil anführt. Denn darin wird angeführt, dass Österreich nur für die zu erwartenden zusätz­lichen Studierenden im Bereich Medizin und für keine andere Studienrichtung Schät­zungen vorgelegt hat und auch auf Nachfrage gesagt habe, es gebe keine Zahlen über andere Studienrichtungen.

Darüber hinaus musste doch bereits nach dem Schlussantrag von Generalanwalt Jacobs klar sein, dass die bis dato vorgebrachten österreichischen Argumente nicht überzeugend waren. Dennoch wurden keine zusätzlichen Argumente gefunden, sondern die alten, die offensichtlich nicht gewirkt hatten, wurden wieder vorgebracht. Und all das deutet für mich darauf hin, dass sich das Ministerium keinesfalls mit vollem Einsatz in die Schlacht geworfen hat, um dieses Urteil eventuell zu verhindern, sondern eher mit Anlauf in die Niederlage gerannt ist.

Das ist wiederum ein Hinweis darauf, dass dieses Urteil dem Ministerium eigentlich ganz recht kommt. Dadurch kann sich die Bundesministerin jetzt nämlich hinter einem vorgespielten Sachzwang verstecken, der ihr gar keine andere Wahl lässt, als Zugangsbeschränkungen einzuführen. Dass die ÖVP derartig gegen Zugangs­beschränkungen ist wie jetzt oder wie in den letzten zwei Monaten, das hätte ich mir in der Vergangenheit gewünscht, habe es da in dieser Form allerdings nie erlebt.

Diese Zugangsbeschränkungen sind auch nicht, wie anfangs behauptet wurde, nur auf die deutschen Numerus-clausus-Fächer begrenzt. In einem Aufwaschen sozusagen wurde auch Betriebswirtschaftslehre, das in Deutschland seit dem laufenden Semester


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kein NC-Fach mehr ist, mitgenommen, ebenso wie Kommunikationswissenschaften und Publizistik. Schon im ersten Schritt ging man also über diesen selbst konstruierten Sachzwang hinaus und nahm Fächer mit hinein, in denen bisher schon Studienplatz­probleme bemerkbar waren. – Ein willkommener Anlass also!

Ich rechne damit, dass nach Ablauf der zwei Jahre, für die diese Novelle gelten soll, generelle Zugangsbeschränkungen folgen werden – allein schon deshalb, weil die künftige Regelung, die es den Universitäten offen lässt, wie sie Zugangsbeschrän­kungen handhaben, in der Praxis zum Chaos führen wird.

Darüber hinaus ist auch das Stipendiensystem nicht auf die Möglichkeit von Studien­eingangsphasen oder Knock-out-Prüfungen eingestellt. Ich führe das nur ganz kurz aus. Der Studienerfolg, der nach den ersten beiden Semestern nachgewiesen werden muss, ist die Grundlage dafür, dass Studien- oder Familienbeihilfe genauso wie Mit­versicherung und Waisenpension nicht verloren gehen. Eine Studieneingangsphase oder Knock-out-Prüfungen zu Beginn des Studiums könnten hier zu Zeitverzögerungen führen, die auch massive soziale Auswirkungen für Studierende haben. Diesen Stu­dienerfolg müssen auch ausländische Studierende nachweisen, um ihr Visum ver­längern zu können.

Aber es gibt in dieser Regelung noch weitere, bisher nicht geklärte gravierende Punkte. Was passiert zum Beispiel, wenn ich in Innsbruck ein Studium mit Zugangsbeschrän­kungen beginne – sagen wir: Psychologie –, dort zugelassen werde und dann an eine andere Universität wechseln möchte? Wenn ich auch dort das Zulassungsverfahren neu durchlaufen muss, wird damit Mobilität innerhalb Österreichs für Studierende faktisch sehr schwer bis unmöglich gemacht. Und das wäre eine sehr interessante Nebenwirkung für eine Regelung, die unter anderem deshalb nötig wurde, weil Öster­reich die internationale Mobilität von Studierenden beschränkt. Wenn ich das Zulas­sungsverfahren aber nicht mehr durchlaufen muss und einen Anspruch auf einen Studienplatz auch an einer anderen Universität hätte, dann führt sich damit das ganze System ad absurdum.

Sie sehen selbst: Dieses Modell hat große Tücken; es wird dazu führen, dass die Uni­versitäten sehr schnell nach einer generellen österreichweiten Regelung rufen werden. Und die Antwort des Ministeriums – so befürchte ich – wird lauten, Zugangsbeschrän­kungen generell zu verordnen.

Tatsache ist aber: Österreich hat bereits jetzt zu wenige Studierende! Vor Einführung der Studiengebühren waren es in etwa 240 000, jetzt sind wir bei 200 000 Studieren­den. Selbst die Rektorenkonferenz spricht davon, dass es 300 000 Studienplätze bräuchte, damit Österreich im Vergleich mit anderen Ländern mithalten kann.

Zugangsbeschränkungen werden dieses Problem natürlich nicht lösen. Das EuGH-Urteil hat meiner Meinung nach nicht wirklich neue Probleme geschaffen, sondern Probleme, die schon bestehen, verstärkt. Dass an den Medizin-Unis ein Mangel an Praktikumsplätzen besteht, ist zum Beispiel nichts Neues; das ist durch diese Situation natürlich drastischer geworden.

Österreich braucht eine höhere AkademikerInnenquote, und die Universitäten brauchen mehr Geld, um ihre Arbeit machen zu können. Durch die Ausgliederungen gehen 10 Prozent des Uni-Budgets wegen zusätzlicher Ausgaben verloren. Es fehlen laut neuen Medienberichten 170 Millionen €. Viele Probleme, die Sie jetzt zum Anlass nehmen, um den freien Hochschulzugang endgültig zu beerdigen, ließen sich durch eine ausreichende Finanzierung der Universitäten bekämpfen.

Die Probleme im Bereich der Medizin-Universitäten sind tatsächlich anders gelagert. Aber auch hier hätte eine durchdachte Vorgangsweise mehr gebracht, als den


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betroffenen Universitäten die Verwaltung des von ihnen mitverschuldeten Chaos zu überlassen.

Falls es Ihr Ziel gewesen sein sollte, mit der vorliegenden Regelung zu verhindern, dass mehr Deutsche als Österreicherinnen und Österreicher an österreichischen Uni­versitäten studieren, muss ich sagen, auch das hat nicht funktioniert. An der Medizin-Universität Innsbruck zum Beispiel kommen 60 Prozent der zugelassenen Studieren­den aus Deutschland.

Das Problem ist komplex, das gebe ich zu, aber es kam nicht überraschend, wie uns zum Beispiel von den Beamten im Ausschuss erzählt werden sollte. Da habe ich auch – sagen wir: von unverdächtiger Seite – Schützenhilfe bekommen, denn Herr Professor Böhm hat, genau wie ich, argumentiert, dass dieses Urteil keinesfalls eine Überraschung war, für niemanden eine Überraschung sein konnte. Und es wäre genug Zeit gewesen, sich eine Regelung zu überlegen. Diese Zeit wurde nicht genutzt. Ich frage mich: Warum? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.17


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Schennach: Der Angesprochene selbst!)

 


19.18.00

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes der Europäischen Gemein­schaften vom 7. Juli 2005 hat die österreichischen Universitäten in eine äußerst schwierige Sachlage versetzt. In diesem Richterspruch wird nämlich – wie schon erwähnt – festgestellt, dass die im § 65 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 als Voraus­setzung für den Hochschulzugang statuierte besondere Universitätsreife dem Gemein­schaftsrecht widerspricht. Diese Anforderung laufe nämlich, wiewohl sie nicht auf die Staatsbürgerschaft des Studienwerbers abstellt, auf eine verdeckte Diskriminierung von EU-Ausländern hinaus.

In Österreich wird heute beklagt, dass dieses Erkenntnis nicht vorhersehbar war. Da muss ich meiner Vorrednerin zustimmen, dass ich dem nicht uneingeschränkt folgen kann. Alle mit dem Europarecht befassten Fachvertreter meiner Fakultät hatten genau diesen Verfahrensausgang prognostiziert. Da mir die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten vertraut ist, hatte auch ich dieses Ergebnis erwartet. Das umso mehr, als der Generalanwalt in seinem Schlussantrag eine EU-rechtswidrige Diskrimi­nierung ausländischer EU-Bürger durch die österreichische Regelung ihrer Zulassung zum Hochschulstudium konstatiert hatte. In neun von zehn Fällen pflegt indes der EuGH der Rechtsauffassung des Generalanwalts zu folgen.

Dabei verkenne ich durchaus nicht, dass die österreichische Bundesregierung sachlich fundierte Gründe für die österreichische Regelung ins Treffen geführt hat. Ich räume ferner ein, dass sie nicht alle möglichen, vielleicht noch überzeugenderen Gründe ausgeführt hat. Insbesondere hat die Bundesregierung auch mit statistischen Daten im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich argumentiert. Zunehmend war aber leider absehbar, dass diese gewiss realitätsnahen empirischen Hinweise für die normative Bewertung des EuGH unmaßgeblich blieben.

Freilich kann man auch die rechtliche Begründung dieses Erkenntnisses mit guten Gründen problematisieren. Das kann man vor allem unter dem Aspekt tun, dass sich eine verdeckte Diskriminierung nicht-österreichischer EU-Bürger ja allein dann ergibt, wenn man vom Zielland- und nicht vom Herkunftslandprinzip ausgeht. Denn nach


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diesem behandelt Österreich bundesdeutsche Studienwerber nicht anders, als sie in ihrem Heimatland, also der Bundesrepublik Deutschland, behandelt werden.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint mir auch, dass es die EU-Kommission selbst ist, die beispielsweise in ihrem Entwurf einer Dienstleistungs­richt­linie keine Bedenken hatte, das Herkunftslandprinzip zu Grunde zu legen. Also insoweit liegt hier sicherlich eine Inkonsistenz auf der EU-Ebene vor.

Aber auch insofern ist das EU-Erkenntnis kritikwürdig, als es der rechtlich nicht vergleichbaren Freizügigkeit im Hochschulzugang beider Länder und ihrer höchst unter­schiedlichen Größenordnung, somit dem angesichts der Gleichsprachigkeit zu erwar­tenden massiven Zustrom bundesdeutscher Studierwilliger an österreichischen Uni­versitäten in einem Ausmaß, das sie und den sie weitgehend finanzierenden öster­reichischen Staat überfordert, keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Das noch dazu vor dem Hintergrund, dass das Bildungswesen nach wie vor in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt, also nicht vergemeinschaftet ist.

All diese Räsonnements nützen aber nichts mehr und helfen daher nicht weiter. Das Erkenntnis ist nun einmal für uns verbindlich, ob es uns überzeugt, ob es uns gefällt oder nicht.

Klarerweise mussten daher das zuständige Bundesministerium und der Gesetzgeber umgehend reagieren, weil die an sich sofort wirksame EuGH-Entscheidung kurz vor Beginn der Inskriptionsfrist ergangen ist. Dennoch denke ich, dass eine Überlegungs­frist für eine sowohl EU-konforme als auch praktikable Neuregelung des Zugangs anfechtungsfest gewesen wäre.

Nach dem Grundkonzept des Universitätsgesetzes 2002 ist es zweifellos system­gerecht, wenn die Universitäten über die Zulassung zum Studium im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben als zentrale strategische Entscheidung autonom befinden. Im Einzelnen haben die Rektorate zu bestimmen, ob ein Auswahlverfahren vor der Zulassung zum Studium oder eine Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung erfolgen soll.

Festzulegen sind dabei nicht nur die betroffenen inländischen Studien und die Zahl der Studierenden, sondern auch die Kriterien und das Auswahlverfahren. Dabei soll nicht ausschließlich auf die Noten im Reifezeugnis abgestellt werden und sollen die Noten nicht als alleiniges Beurteilungskriterium herangezogen werden. Damit ist vom Gesetz­geber aber wohl ausreichend klargestellt, dass es jedenfalls um sachbezogene Krite­rien bei den Auswahlverfahren gehen muss.

Eben dagegen hat meines Erachtens – jetzt übe ich im eigenen Bereich Kritik, nicht am Gesetzgeber und nicht am Ressort – die Medizinische Universität Wien gröblich verstoßen, abgesehen davon, dass sie sich dabei auf ein erst heute parlamentarisch verabschiedetes Gesetz beruft, das noch gar nicht in Kraft steht.

Warum meine ich, dass die Medizinische Universität in Wien unsachlich vorgegangen ist? – Auf das rein zeitliche Zuvorkommen bei der Anmeldung zum Studium kann es zweifellos nicht ankommen. Das umso weniger, wenn dabei auf einen Stichtag, und zwar den 7. Juli 2005, also den Tag der Verkündung des Urteils, abgestellt wird, das heißt dieses Auswahlprinzip nur für die Zeit danach gelten soll und alle bereits zuvor erfolgten Zulassungen uneingeschränkt akzeptiert werden. Denn wenn man ein Aus­wahlverfahren wählt, dann muss es für alle Bewerber einheitlich gelten.

Ganz abgesehen von der Unsachlichkeit einer solchen Selektion, die sich eher dem Zufallsprinzip annähert, könnte darin und vor allem in dem Umstand, dass auslän­dische Studienwerber durch die Einzahlung der Studiengebühren auf dem Postweg gegenüber Inländern, die sie direkt einzahlen können, vom Zeitfaktor her benachteiligt


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sind, erneut eine indirekte verdeckte Diskriminierung erblickt werden. Das wird Erfolg versprechenden Anfechtungen bundesdeutscher Rechtsanwälte Tür und Tor öffnen.

Demgegenüber wird man sich künftig auf Universitätsebene – das betone ich – intel­ligentere und sachgerechtere Lösungen einfallen lassen müssen, die auch über die meines Erachtens eher fragwürdige Methode eines bloßen Motivationsschreibens hinausgehen.

Auf den Notenschnitt des Reifezeugnisses kann meines Erachtens so lange nicht sinnvoll abgestellt werden, als die Standards der Leistungsanforderungen und Beur­teilung einschließlich der Matura selbst bundesweit nicht vereinheitlicht worden sind. Zudem müsste es sachbedingt eher auf die Benotung fachbezogener Schlüsselfächer als auf den Notendurchschnitt aller Fächer ankommen. Eine studienspezifische Auf­nahmeprüfung wäre sachnahe, hätte aber zum einen den Nachteil, dass es dabei auf eine weichenstellende Einzelleistung des Betreffenden in seiner persönlichen Tages­verfassung ankäme, und würde zum anderen eine erhebliche Mehrbelastung der ohnehin bereits unzureichenden Personalressourcen an den Universitäten bedeuten.

Nach meiner hochschulpolitischen Einschätzung wären daher Eignungsprüfungen beziehungsweise der Nachweis entsprechender Studienerfolge nach dem ersten oder den ersten beiden Eingangssemestern vorzuziehen. Unvertretbare Studienbedin­gun­gen können wir nämlich keinem Studierenden, insbesondere auch nicht den öster­reichischen Studierenden, zumuten.

Wer daher aus sachbezogenen Erwägungen in seinem Heimatland keinen Studien­platz erhalten hat, sollte ihn auch nicht in Österreich erlangen. Es wird daher Aufgabe der Politik sein, sich darum im Rahmen der Europäischen Union zu bemühen. Freilich setzt das vergleichbare Anforderungen an den Hochschulzugang in allen EU-Staaten voraus. Das muss durchaus nicht die Übernahme des in Deutschland für bestimmte Studienrichtungen geltenden Numerus clausus bedeuten, sondern kann unter Erstel­lung fachspezifischer Anforderungsprofile gewiss auch den prinzipiell offenen Zugang zum Hochschulstudium wahren, wie es der Tradition des österreichischen Bildungs­wesens entspricht.

Bei allen EU-ausländischen Reifezeugnissen, mit denen die Zulassung zum Studium erwirkt werden kann, wird künftig auch jenes Bildungsniveau vorausgesetzt, das in Österreich für die Zulassung zum Studium oder dessen Fortsetzung verlangt wird. Selbst im Falle einer Kontingentierung, die sich niemand wünscht, ist indes die Zahl der Studienplätze so festzulegen, dass die Zahl der bisherigen Studierenden nicht unterschritten wird. Bei einem Aufnahmeverfahren vor der Zulassung wird dies daher die Zahl der Studienanfänger und -anfängerinnen sein. Bei einer Auswahl nach der Zulassung wird es die Zahl der Studierenden sein, die bis dahin in die Lehrver­anstal­tungen mit einem beschränkten Teilnehmerkreis aufgenommen worden sind.

Nach dem misslungenen Schnellschuss der Medizinischen Universität Wien erhoffe ich mir für das nächste Studiensemester beziehungsweise -jahr ein sachgerechteres Aus­wahlverfahren. Eine Evaluierung dieser Auswahlverfahren soll im Herbst 2006 erfolgen und spätestens im Jänner 2007 dem Nationalrat vorgelegt werden. Im Wintersemes­ter 2007/2008 sollen sodann die Ergebnisse dieser Evaluierung umgesetzt werden.

Alles in allem wird meine Fraktion daher der Änderung des Universitätsgesetzes 2002 ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.29


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

 



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19.29.19

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich stelle fest: Es gibt kein Chaos an den Universitäten! (Ruf bei der SPÖ: Dann waren Sie schon lange nicht mehr dort, Frau Ministerin!) Wir haben uns sehr sorgfältig vorbereitet. (Ruf bei der SPÖ: Wann?) Wenn ich zitiert werde, dass wir uns nicht vorbereiten, so stimmt das nicht. Ich beschließe nicht vorher. Es wäre unsinnig und unklug, eine Änderung des Gesetzes vor dem Erkenntnis zu beschließen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben sorgfältig argumentiert. Die Rektorenkonferenz hat einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht. Wir haben das Universitätsgesetz im Parlament vorausschauend eingebracht, damit wir sofort, wenn das Erkenntnis da ist, die Konsequenzen ziehen können. So etwas ist nur möglich, wenn man sich sorgfältig auf eine Situation vorbereitet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist mir auch ein sehr ernsthaftes Anliegen, dass mit dieser allgemeinen großen Verunsicherung aufgehört wird. Wir haben 170 Fächerangebote in Österreich. In acht Fächerbereichen gibt es in Deutschland einen Numerus clausus, und zwar in den Bundesländern und auf Bundesebene. Es gibt flächendeckend in Publizistik einen Numerus clausus in den deutschen Bundesländern, und es gibt jetzt noch den Numerus clausus in der Betriebswirtschaft, denn das neue Semester hat noch nicht angefangen, meine Damen und Herren, und es gibt eine riesige Warteliste. Deswegen ist es sehr verantwortlich, Betriebswirtschaft und Publizistik in Österreich auch mit einzubeziehen. Das entspricht ebenfalls dem Wunsch der Rektorenkonferenz.

Meine Damen und Herren, wir haben mit dieser Regelung eine Übergangsregelung beschlossen und vorgelegt, eine Übergangsregelung, mit der wir Erfahrungen machen wollen, die wir evaluieren werden.

Ich bitte Sie, eine derartige Verunsicherung wie: 60 Prozent der in Innsbruck zugelas­senen Studierenden sind Deutsche, zu unterlassen. – Es handelt sich um 60 Prozent der Vorangemeldeten! Wir wissen ganz genau, dass sich Studierende an allen drei Studienorten angemeldet haben und dass wir erst nach Studienbeginn, nach Ab­schluss der gesamten Inskriptionszeit einen klaren Überblick darüber haben werden, wie viele Studierende im Bereich der Medizin wirklich aus Deutschland gekommen sind.

Ich möchte auch Folgendes festhalten: Die Universitäten haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen an! Es gibt 210 000 Studierende in Österreich. Der Fachhochschul-Bereich, der ebenfalls zum tertiären Bereich gehört, wurde in zehn Jahren von Null auf 23 400 Studierende ausgeweitet. Es gibt mehr Anfänger-Studienplätze als je zuvor: Vor zehn Jahren waren es 29 000 Plätze, jetzt gibt es 32 000 Anfänger-Studienplätze. Es gibt mehr Absolventen denn je, weil das Studium effizienter angeboten wurde. Vor zehn Jahren gab es 14 300 Studienabschlüsse, im letzten Studienjahr gab es 20 240 Studienabschlüsse. Das ist eine Steigerung um sage und schreibe 41 Prozent!

Bezüglich der Akademikerquote möchte ich noch Folgendes festhalten: Die Akade­mikerquote wird an der Anzahl der Akademiker, die im Berufsleben stehen, und nicht an der Anzahl der Absolventen gemessen. Da hätten wir ja eine enorme Steigerung, wenn wir 41 Prozent mehr Absolventen haben! Wir brauchen also Akademiker-Arbeits­plätze, und sobald die Pädagogischen Akademien Pädagogische Hochschulen sind, werden die Lehrer mit einem Bachelor ebenfalls zur Akademikerquote zählen.

Dann werden sich die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen darüber unterhalten müssen, ob sie wollen, dass – wie in anderen Ländern – die Kindergärtnerinnen


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ebenfalls eine akademische Ausbildung haben müssen und alle Krankenschwestern und das gesamte Pflegepersonal. Es wird an ihnen liegen, diese Diskussion zu führen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass gerade in den letzten Jahren auch von der Budgetseite her enorm viel getan wurde. Die Universitäten haben ein Budget von 1,724 Milliarden €, 144 Millionen € sind zusätzlich für Infrastruktur zur Verfügung ge­stellt worden, 100 Millionen € gibt es jährlich aus dem FWF für wissenschaftliche Arbeiten, und morgen stelle ich weitere 20 Millionen € für die Schwerpunktsetzung an den Universitäten zur Verfügung. – Insgesamt gesehen haben die Universitäten ein gut gesichertes Grundbudget, ein gut gesichertes Globalbudget.

Die Zahl von 170 Millionen €, die wir für die Budgetjahre 2007, 2008 und 2009 brau­chen werden, wurde in einer Arbeitsgruppe im Bundesministerium errechnet und wird in die Verhandlungen mit dem Finanzministerium eingebracht. (Bundesrat Konecny: Sie haben aber keine Konsequenzen daraus gezogen!) – Die Konsequenzen werden für 2007, 2008 und 2009 gezogen.

Jetzt will ich Ihnen zum Abschluss noch meine Erfahrungen mit der Opposition erzählen: Wir haben die neuen Regelungen für die acht Bereiche mit der Opposition im Nationalrat intensiv besprochen. Herr Abgeordneter Broukal hat keinen anderen Vorschlag gehabt. Er hat uns gesagt, er könnte sich mit diesem Text anfreunden, wenn die Grünen zustimmen. – Die Grünen: Herr Abgeordneter Grünewald hat gesagt, er hat eigentlich auch keinen anderen Vorschlag und er könnte sich mit dem schon anfreun­den (Bundesrat Konecny: Das ist aber Legendenbildung!) – das ist nicht Legen­denbildung, das ist nachweisbar; es waren sehr viele bei diesen Verhandlungen dabei! –, wenn die Studierenden zustimmen.

Die ÖH hat am 1. Juli 2005 gesagt – Grün und Rot –, man soll überhaupt nichts machen. Das war die Empfehlung der offiziellen Vertretung der Hochschülerschaft: Man soll einmal schauen und warten, wie sich alles entwickelt.

Schlussendlich haben die Studierenden natürlich nicht zugestimmt, also hat Herr Grünewald auch nicht zugestimmt, und da Herr Grünewald nicht zugestimmt hat, hat Herr Broukal auch nicht zugestimmt. – So war die Geschichte, so war die Entwicklung. (Rufe bei der ÖVP: Oh!)

Ich danke denjenigen, die bereit sind, auch in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen, und ich danke denjenigen, die diesen Übergangsmaßnahmen heute zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Ist es sehr finster im Wald, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP? – Unruhe im Saal.)

19.36


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend 170 Millionen € Sofortprogramm für die Universitäten vor. (Unruhe im Saal. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) –


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Ich bitte, Ruhe zu bewahren. – Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stim­men.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.37.2925. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geän­dert werden (969 d.B. und 1033 d.B. sowie 7360/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Ver­wertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesminis­te­riengesetz 1986 geändert wird (1035 d.B. sowie 7361/BR d.B.)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005) (984 d.B. und 1036 d.B. sowie 7362/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppel­be­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (981 d.B. und 1040 d.B. sowie 7363/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 25 bis 28 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 25 ist Herr Bundesrat Prutsch. Ich bitte ihn um den Bericht.

Ich bitte, gleich auch die Punkte 27 und 28, zu denen er ebenfalls Berichterstatter ist, anzuschließen.

 


19.38.24

Berichterstatter Günther Prutsch: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapierauf­sichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden.

Auch hiezu liegt ein schriftlicher Bericht vor; ich beschränke mich daher auf die Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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Nun zum Tagesordnungspunkt 27: Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert wer­den (VAG-Novelle 2005).

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 28 bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Berichterstatter zu Punkt 26 ist Herr Bundes­rat Wolfinger.

 


19.40.34

Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird.

Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Pehm. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.41.23

Bundesrat Mag. Georg Pehm (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die SPÖ-Fraktion wird den Gegenständen der Tageordnungspunkte 25, 27 und auch 28 zustimmen.

Beim Tagesordnungspunkt 28 sage ich deswegen „auch“, weil durch dieses Abkom­men nunmehr auch die Gruppenbesteuerung für Rumänien gilt und somit der öster­reichische Steuerzahler auch Arbeitsplätze und Investitionen in Rumänien subven­tionieren wird.

Wir sehen aber durchaus auch, dass die Schritte zu mehr Steuergerechtigkeit und Steuerklarheit und dass Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung mit Rumänien sinnvoll sind. Wir werden daher auch diesen Punkt 28 mittragen. Es gibt also drei Mal ein Ja von der SPÖ.


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Nicht zustimmen werden wir hingegen dem Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Aufsichtsrat und vielen, vielen anderen Doppelgleisig­keiten. Wir werden deswegen nicht zustimmen, weil das eine unnötige zusätzliche Staatsfirma ist. Hiebei geht es letztlich um Verschwendung von Steuergeld, die nicht notwendig wäre. Der Name dieses Gesetzes ist ja schon ein unübersehbarer Hinweis darauf, dass es einfacher, günstiger und sparsamer ginge.

Trotzdem möchte ich betonen: Selbstverständlich sind wir für eine effiziente Liegen­schaftsverwaltung, und selbstverständlich sind wir dafür, dass der Staat ein Optimum aus seinen Immobilien herausholt. Der Staat soll seine Liegenschaften auch vermieten und sie finanzpolitisch bewirtschaften können und selbstverständlich auch verkaufen dürfen. Wir haben überhaupt kein Problem damit! Im Burgenland gelingt uns das auch, da haben wir das sehr gut gemacht, so lange sich die ÖVP – in diesem Fall – noch konstruktiv an der Landespolitik und in der Landesregierung beteiligt hat.

Herr Staatssekretär, mit diesem Konstrukt und dieser neuen Firma wird ein solches Ziel aber nicht erreicht! Hier wird Steuergeld nicht bestmöglich eingesetzt, sondern es werden unnötige Posten und Pöstchen geschaffen.

Ich bin daher auch sehr dankbar, dass Herr Kollege Dr. Kühnel am Dienstag im Aus­schuss bereits die zwei zentralen Kritikpunkte angesprochen hat.

Erstens: Warum wird der Kasernenverkauf nicht über die Bundesimmobilien­gesell­schaft abgewickelt? – Da gibt es dieses Argument, dass die Bundesimmobilien­gesell­schaft überlastet sei. Das ist natürlich vordergründig, denn zur Abwicklung des Kaser­nenverkaufes braucht man Personal da wie dort! Selbstverständlich hätte aber die Bundesimmobiliengesellschaft den Vorteil, dass es dort erstens schon Erfahrungen mit Immobiliengeschäften gibt und dass es zweitens auch klare Synergien gegeben hätte, die zu nutzen gewesen wären.

Sagen Sie bitte auch nicht, dass sie deswegen eine eigene Gesellschaft benötigen, weil auf dem einen oder anderen Kasernengrundstück noch ein Munitionsdepot vor­handen ist! Sind die Patronen, die Geschosse, die Munition nämlich einmal weg, dann bleibt nur Mauerwerk übrig, also etwas, mit dem die Bundesimmobiliengesellschaft selbstverständlich umzugehen weiß.

Statt eine eigene Firma zu gründen, wäre es also wesentlich einfacher gewesen, in dem Fall, in dem man einen Munitionsimmobilienexperten braucht, einen solchen anzumieten und für besondere Fälle einzusetzen, aber nicht gleich eine eigene Firma zu machen.

Der erste Vorwurf, der sich aus der Frage Dr. Kühnels ergibt, ist also: Mit dieser Firma werden Doppelgleisigkeiten errichtet, zusätzliche Overheads geschaffen, Kompeten­zen und Synergien nicht genutzt und letztlich Steuermittel nicht effizient, sondern ineffizient eingesetzt – nicht mehr und nicht weniger. Und schon deswegen sind wir gegen dieses Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens, Herr Staatssekretär, hat Kollege Kühnel im Ausschuss zu Recht gefragt, warum diese Gesellschaft zwei Geschäftsführer haben wird. Diese Frage stelle ich natürlich auch, ohne mich in irgendwelche Mutmaßungen in Richtung parteipolitischer Postenbesetzung zu ergehen. Ich frage völlig wertneutral: Warum genügt dieser Koalition für diese Firma nicht ein Geschäftsführer, zumal am Beginn der Tätigkeit nicht einmal ein halbes Dutzend an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort beschäftigt sein wird? – Ich meine, das Argument zählt schon, dass in dieser Firma mehr Häuptlinge beschäftigt sind als Indianer! (Bundesrat Konecny: Das sind die letzten


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Mohikaner!) Es ist also nicht nachvollziehbar, warum hier solche Overheads aufgebaut werden.

Drittens lese ich – selbstverständlich mit hoher Aufmerksamkeit – im Ausschussbericht, dass dort die Rede ist vom Mehrwert für die betroffene Kommune und Region, und ich lese vom höchstmöglichen Veräußerungserlös für den Bund. – Ich bleibe zunächst beim Erlös: Herr Staatssekretär, was heißt das? Wie viel haben Sie langfristig aus dem Kasernenverkauf eingeplant? Nennen Sie eine Ziffer! Nennen Sie die Schätzungen der Technischen Universität oder irgend eines anderen Gutachters, den Sie ja hoffentlich beauftragt haben! Was wird der Kasernenverkauf letztlich bringen?

Um noch mehr Klarheit und Transparenz ersuche ich Sie, wenn es um den anderen Punkt, um den versprochenen Mehrwert für die Kommunen und für die Regionen geht! Sie wissen, dass die Schließung von Kasernen für eine Gemeinde, einen Bezirk oder eine Region eine schwere Belastung und ein harter Brocken ist, dass die regionale Wirtschaft darunter leidet und Einbußen hinnehmen muss. Ich ersuche Sie daher, entsprechend zu beziffern: Wie hoch ist der Mehrwert für jene Gemeinden im Burgenland, die jetzt ihre Kaserne verlieren? Wie hoch ist der Mehrwert für das Burgenland selbst, der aus dem Verkauf der Kasernen gezogen wird?

Sie werden verstehen, dass wir gerade jetzt der Bevölkerung, den Bürgermeistern und dem Finanzlandesrat des Burgenlandes sagen können möchten, mit welchen zusätz­lichen Budgetmittel sie jeweils für das Jahr 2006, für das Jahr 2007 oder folgende Budgets rechnen können. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass es beim Mehr­wert, den Sie hier nennen, um eine hohle Phrase geht. Das kann ich nicht glauben. Deswegen würde ich Sie bitten, hier Klarheit zu schaffen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.49.12

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den strittigen Punkt beschränken und dir, lieber Kollege Pehm, ein paar Worte zur Immobilienwirtschaft ganz prinzipiell sagen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aus berufenem Mund! – Bundesrat Mag. Pehm: Ist er auch ein General? – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein! Immobilienfachmann!) Danke, liebe Kollegin! Du hast ja auch noch die Möglichkeit zu reden!

Ich komme gleich zum Punkt: Man gründet eine solche Gesellschaft nach bestem Wissen und Gewissen und in der Absicht, optimalen Erfolg zu erzielen. Wer mit Immobilienwirtschaft zu tun hat, weiß, dass es natürlich im vorhinein schwierig ist, den Wert einer Liegenschaften genau festzustellen.

Einer der zwingenden Gründe für die Schaffung dieser Gesellschaften ist es, dass Profis damit beauftragt werden, diese Grundstücke optimal zu verwenden. Dabei geht es einerseits um Kaufpreise, um Erträge aus Vermietung und Verpachtung, dabei geht es aber andererseits darum – und das ist auch der Grund für dieses Gesetz, du hast es angesprochen –, den betroffenen Gemeinden ein möglichst gutes und günstiges Ange­bot hinsichtlich Verwendung zu machen, das den Interessen der Gemeinden ent­spricht. Das kann einerseits ein optimaler Kaufpreis sein, das kann andererseits eine Verwendung im Interesse der Gemeinde sein. Deshalb ist das Gesetz auch auf acht Jahre ausgelegt, deshalb will man in enger Zusammenarbeit – und das ist auch der Grund, warum man das trennt – mit den betroffenen Kommunen die bestmöglichen


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Ergebnisse erzielen. Das können natürlich auch raumordnungspolitische Maßnahmen sein.

Ich glaube, man sollte hier durchaus mit dem Mut zu Neuem an die Sache heran­gehen. Ich glaube, dass damit auch ein optimaler Ertrag gewährleistet ist.

Es ist natürlich am Anfang immer, wenn man skeptisch sein will, schwierig, etwas Neues anzunehmen. Aber das ist bei allen Reformen, die in diesem Hause schon beschlossen wurden, so gewesen – und es ist auch diesmal so.

Ich glaube, es ist der richtige Weg, das solide und vernünftig und in einer eigenen Gesellschaft anzugehen. (Bundesrat Mag. Pehm: Aber solide und vernünftig heißt, dass ein Businessplan gemacht wird, in dem Zahlen stehen!) Die Erstellung eines Businessplans wird eine der ersten Aufgaben dieser Firma sein, denn es gibt halt zwischen dem, was man sich wünscht, und dem, was tatsächlich möglich und im Interesse der Kommunen möglich ist, möglicherweise große Differenzen.

Ich wehre mich auch ein bisschen dagegen, bei Immobilienverwendung nur auf den Preis zu schauen, weil ich glaube, dass es auch darum geht, was denn wirklich dort geschieht und ob das dann im Interesse der betroffenen Kommunen ist. Ich glaube, das ist auch wichtig.

Es wird diese Gesellschaft natürlich nach allen Gesetzmäßigkeiten der Kontrolle und der vernünftigen Vorwärtsentwicklung entstehen. Ich glaube, im Allgemeinen funk­tionieren das Vier-Augen-Prinzip der Kontrolle und das System eines Aufsichtsrates und einer Geschäftsführung sehr gut. Es gibt allerdings im Burgenland so manche Bank, wo das vielleicht nicht ganz gut funktioniert hat. (Bundesrat Mag. Pehm: Die hat aber über 300 Mitarbeiter – und nicht vier!) Ja, das Vier-Augen-Prinzip!

Ich würde mir wünschen, dass man hinsichtlich dieser Immobiliengesellschaft doch auch den Ernst ihrer Gründung anerkennt und da einen gemeinsamen Weg geht. Das wirkliche Wissen über die Erträge können wir heute nicht haben, wir können uns nur etwas wünschen, und ich glaube, dieses System ist gut aufgestellt! (Bundesrat Schennach: Und der Businessplan?) – Den gibt es ja, aber das zu verifizieren, ist eine langjährige Aufgabe! Es wäre die Geschäftsführung nicht das Geld wert, das sie kostet, wenn man jetzt schon genau wüsste, was herauskommt! Das Ganze ist ja kein Sparschwein, sondern das sind Entwicklungen: auch im Rahmen der Raumordnung und der Immobilienpreise. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Ich wäre froh, wenn die Skeptiker in diesem Hause dann, wenn die Sache wirklich abgewickelt ist, auch anerkennen könnten, dass die Mittel, die hier erwirtschaftet werden, auch einer modernen Landesverteidigung zufließen sollen! Auch dabei hat man sich nämlich etwas gedacht!

Die Geschäftsführung – um auch diesen Vorwurf noch anzusprechen – ist durchaus ermächtigt, mit Mitarbeitern der BIG Synergien zu finden. Die müssen sich ja nicht feindlich gegenüberstehen, sondern können durchaus zusammen arbeiten!

Aus all diesen Gründen und in Anbetracht der spezifischen Situation ist es jedenfalls vernünftig und sinnvoll, eine eigene Gesellschaft zu gründen, und man hat sich in diesem Zusammenhang sehr viel überlegt.

Ich kann diesfalls nur auf Beispiele von Ausgliederungen und Immobilienentwicklungen zurückkommen. Ich kann mich erinnern: Als das Schloss Schönbrunn ausgegliedert wurde, gab es auf vielen Seiten große Skeptiker. – Man fahre aber bitte heute nach Schloss Schönbrunn hinaus und schaue sich an, was in den letzten Jahren durch vernünftige Entwicklung möglich war! Natürlich! (Bundesrat Konecny: Wer hat denn das gemacht?)


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Ich kann meine Rede nur mit den Worten schließen: nur Mut! Ich glaube, es wäre schön, einen einheitlichen Weg im Interesse des Vermögens unserer Volkswirtschaft, der öffentlichen Hand und im Interesse einer modernen Landesverteidigung zu finden. Nur Mut! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


19.55.38

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die grüne Fraktion wird bei den Punkten 25 und 28 zustimmen.

Lieber Georg Spiegelfeld, die Grünen werden auch dem Punkt 26 betreffend die strate­gische Immobilienverwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft beziehungs­weise deren Errichtung zustimmen.

Wir werden jedoch nicht dem Punkt 27 unsere Zustimmung geben. Worum geht es dabei? – Bei diesem geht es Gesetz darum, dass Versicherungsvereine auf Gegen­seitigkeit künftig wie Sparkassen in eine Privatstiftung umgewandelt werden können. Diese Stiftungen, die 1993 gesetzlich eingeführt wurden, sehen wir seit jeher skeptisch, da es de facto um – wie soll man es nennen? – ein Steueroasen-Modell innerhalb Österreichs geht, das tatsächlich fragwürdig und hinterfragenswürdig ist. Fakt ist, dass man, wenn man heute Unternehmungen, Fördermodelle und entsprechende Anträge anschaut, feststellen kann, dass sehr viele Firmen ihre Unternehmungen und Unter­nehmensanteile in Stiftungen einbringen und sich damit über weite Strecke der Steuer­pflicht entziehen.

Es gibt ja bekannte Beispiele bei der Regierungskoalition, die über Stiftungen verfügen, wie zum Beispiel Minister Bartenstein, Minister Prinzhorn, und ich weiß nicht, Georg Spiegelfeld-Schneeburg, ob du auch über ...  (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Spiegelfeld-Schneeburg.) Entschuldigung! Ich weiß nicht, ob du auch über eine Stiftung verfügst! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Spiegelfeld-Schneeburg.) Auch, okay! Dann kann er ja berichten, wie fein und steuerschonend das ist!

Das ist tatsächlich eine Sache, die zweifelhaft ist. Schauen Sie sich die steuerlichen Aspekte genauer an! Welche Vorteile bieten diese Stiftungen? – Erstens: Die steuer­freie Veranlagung von Kapitalvermögen, nichts anderes als die Befreiung von Kapital­ertragssteuer und Körperschaftssteuer für Bank- und Wertpapierzinsen, Dividenden und Ausschüttungen von österreichischen Investmentfonds. Zweitens: den steuerfreien Verkauf von Kapitalanteilen nach Ablauf der Spekulationsfrist. Drittens: die Vermeidung von hohen Erbschaftssteuerbelastungen bei zukünftigen Erbgängen.

Es bieten sich also eine Reihe von Möglichkeiten zur Steuerersparnis, und die Invest­kredit rechnet das in ihrer Broschüre sehr schön aus: Unter „Die Privatstiftung für Unternehmungen“ finden Sie ein Basismodell: 100 Millionen werden eingebracht, de facto kann die Steuerleistung von 20 Millionen reduziert werden auf eine schlappe Million, Euro oder ATS, was immer Sie immer nehmen. Das ist doch tatsächlich eine gesetzlich gedeckte Art und Weise, Steuern einzusparen, der wir so nicht zustimmen können – und damit auch nicht einen Folgemodell dieser Privatstiftungen.

Abschließen möchte ich damit, dass es inzwischen in Europa und auch in Österreich schon sehr sonderbar ist, dass Steuerzahlen als etwas betrachtet wird, was sowieso nicht besonders fein, tunlichst zu vermeiden oder sonst etwas ist. Ich denke, auch diesbezüglich ist ein Wertewandel notwendig: Steuerzahlen ist okay, Steuern sind in


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Ordnung, Steuerzahlen ist anständig, und die Gesellschaft braucht die Steuern auch zum sozialen Ausgleich! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


20.00.01

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es wurden vorhin zwei Themenbereiche angesprochen; zunächst einmal zur strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwick­lungsgesellschaft mit beschränkter Haftung.

Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich hierbei um eine ganz spezielle Frage. Warum, glauben Sie, hat es bisher schon eine getrennte Bundesgebäudeverwaltung gegeben, eine Bundesgebäudeverwaltung I, die für zivile Projekte zuständig war, und eine Bundesgebäudeverwaltung II für militärische Objekte? – Weil es eben ein Unter­schied ist, ob man Wohnhäuser mit Mietern zu verwalten hat oder ob man Bunker­anlagen, Garagenplätze sowie schließlich und endlich Kasernen zu verwalten hat. Das sind zwei grundlegend verschiedene Dinge.

Wir haben auch geprüft, ob eine Übertragung in die BIG sinnvoll wäre. Die BIG hätte gar nicht die Kapazität gehabt; sie hätte um weitere Leute aufstocken (Bundesrat Mag. Pehm: Natürlich!) und hätte dazu eine eigene Abteilung einrichten müssen. (Bundesrat Konecny: Um zwei Direktoren! Das ist der Unterschied!) Was hätte das von den Kosten her gebracht, wenn man extra Leute einstellen und wenn man sich mit einem Bereich beschäftigen muss, den man bisher überhaupt nicht gehabt hat? (Bun­desrat Konecny: Und die Gesellschaft stellt niemanden ein?)

Daher fasse ich die Spezialisten in einer eigenen Gesellschaft zusammen, wobei ich die Worte „Beratung“ und „Entwicklung“ unterstreichen möchte. Da geht es ja um zweierlei: Einerseits geht es um die optimale Mittelbeschaffung für die Landes­verteidigung, für das neue Bundesheer; das ist der eine Aspekt. Aber zweitens geht es auch um intensive Gespräche mit den Bürgermeistern, um den dort vorhandenen Raum, der jetzt frei ist, gemeinsam mit den Bürgermeistern im Hinblick darauf zu ent­wickeln, was dort entstehen soll. Sollen dort Gesellschaften entstehen? Sollen dort Unternehmen aufgebaut werden, soll ein Industriepark aufgebaut werden? Oder sollen Wohnhäuser entstehen? (Bundesrat Mag. Pehm: Aber das kann doch ein Einzelner nicht leisten!)

Daher, Herr Bundesrat Pehm, kann man zum derzeitigen Zeitpunkt noch überhaupt keinen Verwertungserlös nennen. Das hängt doch von der zukünftigen Nutzung ab, die jetzt erst erörtert werden muss, und das hängt davon ab, wie die Widmung aussehen wird. Es hängt auch weiters davon ab, wie die Gebiete verkehrsmäßig und infra­strukturmäßig erschlossen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Pehm.) Dieser Weg war also genau der richtige. (Bundesrat Konecny: Entschul­digen Sie, erklären Sie uns nicht das kleine Einmaleins!)

Zu der Frage oder der Kritik, dass schon wieder zwei Geschäftsführer genommen werden: Erstens können bis zu zwei Geschäftsführer genommen werden; es kann auch nur einer genommen werden. Aber dass man zwei Geschäftsführer nimmt (Bundesrat Mag. Pehm: Wie viele werden das sein? – Bundesrat Konecny: Wie viele werden genommen?), stammt aus dem alten Rom; das war das Vier-Augen-Prinzip mit den zwei Konsuln und hat sich dort eigentlich sehr gut bewährt. (Bundesrat Konecny: Geh bitte! Herr Staatssekretär, das ist sogar unter Ihrem Niveau!) Rom ist erst mit der Einrichtung des Diktators untergegangen; das war auch nur auf sechs Monate


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beschränkt, weil dann einer die Herrschaft an sich gerissen hat. (Bundesrat Konecny: Ach so, und Sie kriegen alle sechs Monate ein neues Management?) Dieses alte Prinzip, dass man sich gegenseitig kontrolliert und wichtige Geschäfte nur gemeinsam macht (Bundesrat Schennach: Das meinen Sie nicht ernst! – Bundesrat Mag. Pehm: Jetzt sind Sie auf Glatteis! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), hat sich als sehr gut bewiesen. Aber wie gesagt: Das steht noch nicht fest und wird vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch geändert werden. (Bundesrat Konecny: Oh, das war aber ein abruptes Ende der Antwort!)

Frau Bundesrätin Lichtenecker, mich wundert, dass Sie so gegen Stiftungen auftreten. Die Stiftungen – sie sind übrigens unter sozialdemokratischen Finanzministern einge­führt worden – haben sich bestens bewährt. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wenn wir nicht die Stiftungen mit dieser Konstruktion hätten, würde viel Kapitalvermögen nicht in Österreich sein!

Ich warne davor, hier immer wieder mit Steuerfragen in die Öffentlichkeit zu gehen, weil das ein feines, sehr sensibles Thermometer ist, und die Gesellschaften verlagern ihr Geld dorthin, wo sie die besten Konditionen haben. Aber wir haben damit Kapital, wir können Unternehmensgründungen durchführen. Damit ergeben sich auch Mög­lichkeiten für Arbeitsplätze, es ergeben sich Möglichkeiten für die so genannten KMUs, die wir brauchen.

Gott sei Dank gibt es Stiftungen in dieser Form, und das ist ja nur ein kleiner Teil­bestand dieses Gesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes, das hier geändert wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von den Berichterstattern ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht; danke.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend das SIVBEG-Errichtungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend eine VAG-Novelle 2005.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

20.06.5029. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bun­desfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrie­holding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwal­tungs­gesell­schaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinan­zie­rungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 (992 d.B. und 1037 d.B. sowie 7333/BR d.B. und 7364/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Prutsch. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


20.07.05

Berichterstatter Günther Prutsch: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanz­strafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungs­verwaltungs­gesellschaft – ÖIAG-Gesetz 2000 –, das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden – Bundesfinanzierungs­ge­setz – und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wachstums- und Beschäfti­gungsgesetz 2005.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

20.08.3730. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (610/A und 1041 d.B. sowie 7365/BR d.B.)

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird (611/A und 1042 d.B. sowie 7366/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 30 und 31 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


20.09.06

Berichterstatter Wolfgang Schimböck: Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhr­finanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird.

Der Finanzausschuss ist einhellig zu der Meinung gekommen, den Antrag zu stellen, dass gegen diesen Beschluss des Nationalrates kein Einspruch erhoben wird.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bitte, auch den zweiten Bericht gleich zu bringen.

 


Berichterstatter Wolfgang Schimböck (fortsetzend): Zum Tagesordnungspunkt 31 berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird.

Der Finanzausschuss ist hier gleichfalls einhellig zu der Meinung gekommen, den Antrag zu stellen, dass gegen diesen Beschluss des Nationalrates kein Einspruch erhoben wird.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte. – Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzie­rungsförde­rungsgesetz 1981 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


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Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist angenommen.

20.10.4532. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebühren­gesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungs­änderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (652/A und 1043 d.B. sowie 7334/BR d.B. und 7367/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 32. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Schimböck. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


20.10.55

Berichterstatter Wolfgang Schimböck: Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatz­steuer­gesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanz­ausgleichsgesetz 2005 – Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – geändert wer­den.

Der Finanzausschuss ist auch hier einhellig zu der Meinung gekommen, den Antrag zu stellen, dass gegen diesen Beschluss des Nationalrates kein Einspruch erhoben wird.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


20.11.27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kleine Über­ra­schung!

Durch die Änderung des Glücksspielgesetzes erhöhen sich die jährlichen Einnahmen aus der Umsatzsteuer um 20 Millionen €. Gleichzeitig reduzieren sich die Einnahmen aus der Spielbankabgabe ebenfalls um 20 Millionen €. Und gleichzeitig wird durch eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 2005 sichergestellt, dass den Sitzgemeinden der Spielbanken keine Mindereinnahmen entstehen.

Es freut mich, wenn jetzt die ÖVP offenbar doch auch einsieht, dass die Gemeinden beim letzten Finanzausgleich nicht übermäßig gut abgeschnitten haben. Es freut mich prinzipiell auch, dass das Land Niederösterreich zu dieser Einsicht gelangt sein dürfte. Was mich weniger daran freut, ist der Schluss, den das Land Niederösterreich aus dieser Einsicht leider gezogen hat, nämlich den, dass der Niederösterreichische Land­tag am 21. Juni 2005 die Besteuerung von Mobilfunkanlagen beschlossen hat.

Herr Kollege Schennach hat das heute schon genauer erläutert: Der Schutz der Gesundheit durch dieses Gesetz ist nicht argumentierbar; in letzter Konsequenz stellt das lediglich eine Geldbeschaffungsaktion für die Gemeinden dar. Gesundheitlich sind 40 Meter hohe Masten sicher nicht unbedenklicher als Masten, die nur 30 Meter hoch sind und weniger Sendeanlagen haben.

Es ist auch kein Wunder, dass auf Grund dieser Geldbeschaffungsaktion die Mobil­funkbetreiber schon den Aufstand üben: Zuerst haben sie für die Lizenzen bezahlen


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müssen, dann bekommen sie einen bundesgesetzlichen Versorgungsauftrag – und jetzt vom Land Niederösterreich auch noch eine Mastensteuer verordnet! Die voraus­sichtliche Belastung aus dieser Mastensteuer beträgt laut Schätzung des Landes rund 45 Millionen €, laut Schätzung der Mobilfunkbetreiber rund 62 Millionen €. Alles in allem jedenfalls eine ziemlich heftige Mehrbelastung – und das allein in Nieder­öster­reich!

Kollege Schennach hat das heute Vormittag ebenfalls schon ausgeführt: Das wird sicherlich nicht von den Mobilfunkbetreibern getragen werden, sondern letztendlich werden die Mobilfunkkunden zahlen müssen. Das heißt, wenn man das auf Nie­derösterreich umrechnet, so wären das 60 bis 100 € je Anschluss an Mehrkosten pro Jahr!

Diese Steuer beträgt mehr als das Dreifache der jährlichen Kosten für die Erhaltung von Mobilfunkmasten. Das ist eine eklatante Erhöhung der Standortkosten. Auf Grund dessen wird gerade in Randregionen ... (Bundesrat Bieringer: Das ist aber keine Glücksspielangelegenheit!) – Doch, das ist eben ein Glücksspiel, das das Land Nieder­österreich da betreibt! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Bieringer: Das glauben aber nur Sie hier! Ist ja wohl ein Witz, so was! – Weitere Zwischenrufe.)

Gerade in den Randregionen (Bundesrat Bieringer: Das ist überhaupt nicht gut! Wozu redet die Dame?) wird es diesbezüglich ein Problem mit der Versorgung geben. (Bun­desrat Bieringer: Was ist mit dem Tagesordnungspunkt?) Dieses Gesetz bringt höhere Masten, konzentriertere Belastungen, eine Gefährdung der Versorgung im ländlichen Bereich und eine enorme Kostenbelastung für den Handybenutzer! (Bun­desrat Bieringer: Der Nächste redet dann über das Liebesleben der Maikäfer, oder?) Nein, über das Liebesleben der Maikäfer werde ich sicher nicht reden.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Frau Bundesrätin, ich bitte Sie, den Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt nicht aus dem Auge zu verlieren!

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Der Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt: Es geht darum, dass bei diesem Tagesordnungspunkt offenbar daran gedacht wurde, dass die Gemeinden einen Finanzausgleich brauchen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.) – Ich bringe ihn dann ein, ja.

Das Land Niederösterreich hat bei diesem Gesetzesbeschluss offenbar ebenfalls an einen finanziellen Ausgleich für die Gemeinden gedacht. Wir sind jedoch der Meinung, dass dieser Ausgleich nicht gerechtfertigt ist.

Deshalb bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Einspruch gegen das Niederöster­reichische Sendeanlagenabgabengesetz (‚Sendemastensteuer’ des Landes Nieder­österreich) einzulegen.


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Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, geeignete Maßnahmen und Initiativen zu setzen, damit Niederösterreich und die anderen Bundesländer bei Aktivitäten im Zusammenhang mit Sendeanlagen entsprechend den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates vorgehen.“

*****

(Bundesrat Bieringer: Sehr gut!) Gut. (Bundesrat Bieringer: Die ganze Zeit redet man, der Bundesrat braucht mehr Aufgaben und ist der föderalistische Vertreter für die Länder! Dann bringt man einen Antrag bei, wenn es eindeutig um die Länderinteressen geht! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Na ja, die Frage ist, ob es wirklich unter „Länder­interesse“ fällt (Zwischenrufe bei der ÖVP), wenn die Mobilfunkbetreiber ihre Netze auf dem Land nicht mehr ausbauen werden, weil sie es sich nicht leisten können. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Kollegin Kerschbaum, ich kann nicht erkennen, dass dieser Entschließungsantrag einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Tages­ord­nungspunkt hätte. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Im Nationalrat ist er immerhin zum selben Zeitpunkt als im Zusammenhang ...!)

Ich kann da keinen sachlichen Zusammenhang zum Tagesordnungspunkt erkennen!

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


20.16.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Hoher Bun­desrat! Das Finanzministerium hat diese Regierungsvorlage betreffend Ausspielungs­besteuerungsänderungsgesetz eingebracht, weil es ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes gibt – das vom 17. Februar 2005 –, in dem es heißt, dass Umsätze von Glücksspielen in einer konzessionierten Spielbank umsatzsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden dürfen als Umsätze außerhalb einer konzessionierten Spielbank.

Wir haben nicht vorgehabt, den Finanzausgleich für Gemeinden zu ändern; das woll­ten wir mit diesem Gesetz keinesfalls. Wir haben nicht vorgehabt, irgendwelche Handymastenbesteuerungen einzuführen und da irgendetwas zu ändern, sondern der einzige und alleinige Grund ist der: Wir wollen hiermit einem weiteren EuGH-Erkennt­nis, dass wir nachträglich irgendetwas für Österreich aufrollen müssen, entgegen­wir­ken. Das ist der einzige Grund. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen. (Rufe: Stimmeneinhelligkeit!) – Danke und Entschuldigung: Stim­meneinhelligkeit war das. – Umso besser! (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesrätin Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen.

Lediglich in formeller Hinsicht enthält er eine Bezugnahme auf diesen Tagesord­nungspunkt; das ist nicht verlesen worden, sondern verlesen wurde lediglich der Be­schlussantrag. (Zwischenrufe bei den Grünen.) In der Begründung wird auf den Tagesordnungspunkt Bezug genommen. – Im Zweifel lasse ich den Antrag zu, zumal er ausreichend unterstützt ist.

Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag.

Wer diesem Antrag die Zustimmung erteilt, möge bitte ein Zeichen mit der Hand ge­ben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

20.19.0433. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) (995 d.B. und 1002 d.B. sowie 7368/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 33. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Haller. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


20.19.21

Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrs­bereich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.20.02

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die eigentlich bewirken sollte, dass es zu einer strategischen Planung unserer Verkehrswege kommt.

Sieht man sich aber die Vorgeschichte dieses heutigen Tagesordnungspunktes an, stimmt das doch etwas betrüblich, denn es wurde ja schon im Nationalrat sehr heftig kritisiert, dass sich der Ressortchef sehr wenig mit diesen Dingen befasst hat. Es ist dort zu Tage gekommen, dass Bundesminister Gorbach am 12. März das letzte Mal überhaupt eine Verkehrsausschusssitzung in diesem Haus wahrgenommen hat (Bun­desrat Konecny: Wann? Das war aber schon heuer!), allerdings nicht am 12. März 2005, sondern am 12. März 2004. (Bundesrat Mag. Pehm: Das sind ja Monate! Wahn­sinn! Bundesrat Konecny: Wenn man auf Jobsuche ist, braucht man viel Zeit!)

Ich weiß nicht, ob es schon eine Gehaltsabtretung des Herrn Bundesministers Gorbach an den Herrn Staatssekretär Kukacka gibt. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Gibt es leider nicht; das kann man also jetzt im Protokoll festhalten. Das spricht sehr für den Herrn Staatssekretär, dass Sie offensichtlich doppelte Arbeit für das halbe Gehalt machen müssen. Das ist ganz beachtlich. (Allgemeine Heiter-


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keit. Staatssekretär Mag. Kukacka: Der erste, der mich bedauert!) – Als Ober­österreicher habe ich für Sie Verständnis. (Bundesrat Kneifel: Und ihr wollt die Staats­sekretäre abschaffen!) Gottfried Kneifel, wir müssen den Staatssekretär Kukacka hier haben – du kennst und schätzt ihn ja als einer seiner früheren Mitarbeiter –, denn ohne Herrn Staatssekretär Kukacka wäre es um dieses Ministerium schlecht bestellt.

Wenn wir uns jetzt anschauen, wie diese Richtlinie umgesetzt werden soll, dann schaut es eigentlich nicht gut aus, denn geplant ist nur die strategische Betrachtung der großen Verkehrswege. – Ich meine da die Hochleistungstrassen der Bundesbahnen, die Verkehrswege, Autobahnen, Wasserstraßen und dergleichen mehr.

Nun weiß aber jeder – besonders Herr Staatssekretär Kukacka als Oberösterreicher –, wie wichtig die regionale Bestückung mit Verkehrsmitteln ist. – Man denke an die vielen Pendler, die in Zentralräume fahren, und dergleichen mehr. Das fällt bei dem Gesetzeswerk, das hier auf dem Tisch liegt, leider alles durch. Es wird da wirklich eine Kirchturmpolitik betrieben. (Bundesrat Mag. Himmer: Was ist eine „Kirchturmpolitik“?)

Es kann nicht sein, dass wir uns nur auf einige wenige Punkte beschränken. Man hätte wirklich einen großen Wurf machen und etwas bewegen können. Kollege Molzbichler hat ja heute schon darauf hingewiesen, dass es eben leider in vielen Bereichen fehlt. Denken wir an die ASFINAG: Es hat uns gerade – leider ist er schon gegangen – der Herr Staatssekretär für Finanzen vorgerechnet, wie toll das eigentlich ist, dass da alles ausgegliedert wird.

Kollege Molzbichler hat heute vorgerechnet, dass es nur mehr etwa zehn Jahre dauern wird, bis die Schulden in der ASFINAG 10 Millionen € betragen werden. Dann brauchen wir eigentlich diese Planung nicht mehr durchzuführen, denn dann stellt sich die Frage, wer diese Schulden in Bezug auf Straßen bezahlen wird. – Ob Road-Pricing oder was auch immer: Man wird das nicht refinanzieren können.

Ich hätte mir gewünscht, dass man diese EU-Richtlinie dazu genützt hätte, um wirklich ein umfassendes Verkehrswerk zu gestalten und die Regionen mit einzubeziehen. Herr Staatssekretär Kukacka, Sie wissen, gerade in Oberösterreich sind die verschie­denen Regionalforen sehr aktiv. Auch Gottfried Kneifel ist sehr engagiert, dass sich dort etwas für die Wirtschaft bewegt, dass Verkehrswege geplant werden. (Bundesrat Kneifel nickt demonstrativ. Beifall bei Bundesräten der ÖVP in Richtung des Bun­desrates Kneifel.) – Wenn du jetzt nickst, dann nehme ich an, du stehst auch dazu.

Mit dieser Regelung wird das jedoch alles nicht möglich sein. Ich ersuche daher um Verständnis, dass unsere Fraktion diesem so engstirnig geplanten Regelwerk nicht die Zustimmung geben kann. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bader. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.23.58

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn ich auf den Vorredner kurz replizieren darf: Ich habe mir die Protokolle der Nationalratssitzung angeschaut und denke, sachliche Argumente gegen dieses Gesetz wurden von der SPÖ-Fraktion auch dort nicht vorgebracht. (Bundesrat Konecny: Wieso? Haben Sie nicht zugehört?) Daher bezieht man sich da auf gewisse Polemiken.

Das alleine ist jedoch, glaube ich, zu wenig. Was an diesem Gesetz durchfällt, ist mir eigentlich unerklärlich. (Bundesrat Schimböck: Regionen! Der lokale Verkehr!) Dieses Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, nicht deswegen, weil es eine EU-Richtlinie umsetzt – das ist das eine –,


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sondern weil insbesondere Umweltgründe dafür sprechen, dieses Gesetz auch in Kraft zu setzen.

Ich glaube, dass es da ein bisschen einen Widerspruch zu dem gibt, was die Grünen im Nationalrat gemeint haben, dass es im Verkehrsressort kein Interesse an der Berücksichtigung von Umweltbelangen gebe. Gerade dieses Gesetz zeigt ja, dass die strategische Prüfung zum einen Fehlplanungen und Fehlinvestitionen verhindern soll und dass zum zweiten im Rahmen der Prüfung gerade Umweltauswirkungen zu berücksichtigen sind, genauso wie auch soziale Kriterien. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wenn vor allem im Nationalrat von den Grünen zu bedenken gegeben wurde, dass von den zehn Zielen, denen die Verkehrsprojekte gemäß diesem Gesetz entsprechen sollen, nur eines die Umwelt betrifft, dann möchte ich auf jeden Fall darauf verweisen, dass es in diesem Gesetz einen § 8 zum Thema Umweltbericht gibt, der genau zehn Punkte umfasst, die fast alle reine Umweltbelange betreffen beziehungsweise wo reine Umweltbelange darzustellen sind.

Herr Staatssekretär, dennoch glaube ich, dass dazu auch einige Fragen und Anmer­kungen angebracht sind. Zum einen denke ich, dass vor allem in Bereichen wie zum Beispiel bei der Beurteilung einer Bundesstraße, im Zuge derer man feststellt, dass auf Grund der strategischen Prüfung eine entsprechende Finanzierung durch die ASFINAG zu gewährleisten ist, sichergestellt werden soll, dass die Kosten dieser stra­tegischen Prüfung dann in das Gesamtfinanzierungskonzept eingerechnet werden und somit dem Initiator zu refundieren sind. – Das ist aus meiner Sicht eine sehr wesent­liche Sache, die da beinhaltet sein soll.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch die Änderung des Bundesstraßen­gesetzes ansprechen und vor allem an dich, lieber Herr Staatssekretär Kukacka, die Frage richten, wann diese Änderung stattfinden wird. Da im Nationalrat auch zu diesem Tagesordnungspunkt ein Antrag beschlossen wurde, dass die B 317 über den Neumarkter Sattel in das Bundesstraßengesetz aufgenommen werden und durch die ASFINAG finanziert werden soll, möchte ich an dieser Stelle auch auf die Situation sowie auf die Straßenzüge in Niederösterreich hinweisen.

Das Land Niederösterreich hat im Frühling vorigen Jahres, 2004 also, den Antrag gestellt, drei Straßenzüge in das Bundesstraßengesetz aufzunehmen und die Finan­zierung durch die ASFINAG sicherzustellen, und zwar sicherlich entsprechend begründet und auch vorbereitet. Es sind das zum einen die B 334 – die Traisental­schnellstraße –, zum Zweiten die Weinviertelschnellstraße und zum Dritten die Straße mit dem Arbeitstitel „Marchfeldkorridor“ als Verbindung in die Slowakei.

Lieber Herr Staatssekretär Kukacka, ich möchte diese Anträge heute auch hier noch­mals namens des Landes Niederösterreich deponieren, unterstützen und auch die Änderung des Bundesstraßengesetzes noch in diesem Jahr einfordern.

Ich darf auch berichten, dass ich als Initiator einer Plattform zur B 334 – zur Traisental­schnellstraße – einiges an Initiativen gesetzt habe. Es ist das eine Plattform, die eine regionale gemeinsame Kraftanstrengung aller Fraktionen in der Region des Bezirkes Lilienfeld und des Bezirkes St. Pölten-Land betrifft: zum einen eine regionale Kraft­anstrengung, auch sehr stark unterstützt von allen Betrieben dieser Region, wobei das Ziel darin liegt, eine Verbesserung der Verkehrsverbindung in das Traisental zu schaf­fen, um da vor allem ein Gebiet, das sehr ländlich strukturiert ist, entsprechend zu stärken und diesem Gebiet Zukunft zu geben.

Diese Straße hat jedoch auch eine sehr wesentliche überregionale Funktion quer zur sehr starken Wirtschaftsachse in Niederösterreich entlang der Westbahn und der


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West­autobahn – eine im rechten Winkel dazu gelegene Wirtschaftszone, die nach Norden durch die S 33 aufgeschlossen ist und nach Süden eben keine adäquate Verkehrsanbindung hat. Dort soll vor allem eine wesentliche Entlastung der Gemein­den und Siedlungsbereiche entlang der B 20 sichergestellt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf ein Faktum hinweisen, nämlich dass im Besonderen in dieser Region schon derzeit tägliche Kraftfahrzeugszahlen von 13 000 zu verzeichnen sind, wobei die Prognosen dahin gehen, dass bis zum Jahr 2020 24 000 Kraftfahrzeuge täglich zu erwarten sind – und das in einem Gebiet, das von einem sehr starken Rückgang der Bevölkerungsentwicklung betroffen ist.

In unserem Bezirk gab es bei der letzten Volkszählung Gemeinden wie beispielsweise Annaberg, die ein Bevölkerungsminus von über 20 Prozent zu verzeichnen hatten.

Es geht also bei diesem Projekt – bei dieser Straßenverbindung – um wirtschaftliche Fragen. Es geht um Standortfragen in der Region, um die Betriebe, die vorhanden sind, auch entsprechend zu stärken und zu erhalten. Es geht um Arbeitsplätze, um Umwelt, um die Lebensqualität der Bevölkerung, und es geht ganz einfach um eine entsprechende Zukunft dieser ländlichen Region im Bezirk Lilienfeld.

Lieber Herr Staatssekretär Kukacka, ich darf dir heute auch ein Schreiben dieser Platt­form mit auf den Weg geben, in dem wir unsere Ziele zusammengefasst haben, in dem auch verschiedene Zahlen und Daten enthalten sind und in dem vor allem die Unter­stützung der Betriebe und der Gemeinden dieser Region verzeichnet ist. – Ich würde auch dich sehr um deine Unterstützung bitten! (Der Redner überreicht Staatssekretär Kukacka das erwähnte Schreiben. Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Solche Plattformen wie jene zur B 334 soll es auch schon bei den anderen beiden Straßenzügen geben. Wir in Niederösterreich sind jedenfalls im Hinblick auf dieses Gesetz der strategischen Prüfung im Verkehrsbereich bestens vorbereitet. Wir haben für diese drei uns sehr wesentlich erscheinenden Straßenbauprojekte die entsprechen­den Vorarbeiten geleistet, die Projekte bestens ausgearbeitet, Korridoruntersuchungen durchgeführt und auch schon jene Untersuchungen und Erfordernisse erfüllt, die auf Grund dieses neuen Gesetzes notwendig sind. Wir können auch sofort nach Inkraft­treten dieses Gesetzes die entsprechenden Unterlagen vorlegen.

Ich bitte daher darum, diese Verhandlungen zur Änderung des Bundesstraßen­ge­setzes so rasch wie möglich durchzuführen und abzuschließen, sodass eine Änderung noch im heurigen Jahr möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.32.42

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren ist die Rede von der Umsetzung der SUP-Richtlinie in Österreich: von einer bundes­staatlichen Verwirklichung einer strategischen Umweltprüfung.

Gemäß EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten ab 21. Juli 2004 gewährleisten, dass für die Pläne, die den Rahmen für UVP-pflichtige Projekte im Sinne der UVP-Richtlinie abgeben oder die in weiterer Folge Natura-2000-Gebiet beeinträchtigen könnten, ein Umweltbericht vorgelegt wird, Konsultationen durchgeführt werden, die Ergebnisse des Umweltberichtes und der Konsultationen bei den Entscheidungen berücksichtigt und die Umweltauswirkungen der Pläne kontrolliert werden.


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Das klingt für Menschen, die unter Verkehrsplanung ein bisschen mehr verstehen, als eine Spur dazu zu bauen, wenn es sich auf einer Straße staut, sehr erstrebenswert. Deshalb fordern meines Wissens auch Bürgerinitiativen landesweit überall diese SUP-Gesetzgebung in Österreich ein.

Jetzt – mit einem Jahr Verspätung – beschließen wir eine Umsetzung dieser SUP-Richtlinie, aber statt eines SUP-Gesetzes, das man noch relativ flüssig aussprechen könnte, gibt es jetzt nur mehr ein SP-V-Gesetz, nämlich eine strategische Prüfung im Verkehrsbereich. Die Umwelt ist bei dieser strategischen Prüfung schon aus dem Titel herausgefallen.

Im Wasserrecht und im Abfallwirtschaftsgesetz wurde die EU-Richtlinie ja schon berück­sichtigt, und jetzt kommt eben der dritte Teil: der Verkehr. Ob mit diesen drei Bereichen wirklich alle umweltrelevanten Gebiete erfasst sind, sei dahingestellt. – Ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch etwas nachkommen könnte.

Uns wäre es auf jeden Fall lieber gewesen, wenn es statt Einzellösungen ein bun­desweit gültiges Gesetz für alle Bereiche gegeben hätte. Von diesem SP-V-Gesetz – es ist nicht leicht auszusprechen – sind jetzt nur Schienenverkehrs-Hochleistungs­strecken betroffen. Flughäfen und Häfen gehören entweder nicht zum Verkehrsbereich oder sie haben keine umweltrelevanten Auswirkungen, und Landesstraßen sind auch nicht erfasst, weil da die Kompetenz nicht beim Bund liegt. Klare Kompetenzen und klare Zuständigkeiten wären aber gerade in Umweltfragen strategisch einfacher und für ein effizientes Handeln weitaus zielführender.

Abgesehen vom Titel – und der Tatsache, dass die Umwelt darin nicht mehr vor­kommt – und vom Fehlen einheitlichen Kompetenzen haben wir aber auch noch andere Probleme mit dieser Umsetzung der Richtlinie. Es gibt noch zahlreiche weitere Forderungen der Grünen, die leider nicht berücksichtigt wurden.

Die wichtigste Forderung ist eine strategische Umweltprüfung des gesamten General­verkehrsplanes und seiner Revisionen, denn sämtliche Hochleistungsstraßenbau­projekte, die jetzt zum Beispiel bei uns in Niederösterreich laufen, werden laut dieser Umsetzung nicht mehr überprüft. Auch bezüglich des Stichwortes „verkehrsträgerüber­greifend“, das so gut und nett klingt, wird der vorhandene Generalverkehrsplan nicht mehr überprüft.

Letztendlich ist es ja so, dass eben bei uns in Niederösterreich momentan enorm viel ausgebaut wird, und es gibt noch immer neue Wünsche. – Bei dem, was in letzter Zeit gebaut wurde und was in nächster Zeit gebaut werden soll, könnte man glauben, wir hätten in Niederösterreich bisher noch gar keine Straßen gehabt. All diese Projekte sollen keiner strategischen Prüfung mehr unterzogen werden, sondern lediglich Erwei­terungen dieses Generalverkehrsplans beziehungsweise dieses Bundesstraßengeset­zes sollen überprüft werden.

Ich habe im Ausschuss nachgefragt, welche Projekte das betreffen könnte. – Die Antwort war, dass es sich in erster Linie um Netzschlüsse handeln wird. Aber gerade wenn es um Netzschlüsse geht, ist die verkehrsträgerübergreifende Prüfung letzt­endlich ja doch nur eine Farce, denn man wird wohl nicht zwei Bundesstraßen oder zwei Autobahnen mit einer Eisenbahn verbinden. Vielmehr wird es dann wieder eine Schnellstraße geben. – Genau deshalb sind wir der Meinung, dass diese Prüfung von Teilbereichen gerade bei der strategischen Umweltprüfung eigentlich eine Farce ist.

Ein weiterer Punkt, der uns fehlt, ist die Aufnahme von Flughäfen und sonstigen umweltrelevanten Bereichen wie Eisenbahnen und Häfen in die USVP sowie eine verpflichtende Berücksichtigung des Umweltberichtes und der Stellungnahme bei der Planentscheidung. – Kollege Bader hat schon Recht gehabt: Es gibt zehn Punkte, die


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dieser Umweltbericht zu enthalten hat, aber das Problem ist, dass nirgends vorge­sehen ist, dass dieser Umweltbericht bei der Entscheidung berücksichtigt werden muss. Das ist das Problem, das wir haben: Einen Bericht ohne Konsequenzen kann man ja leicht und schnell schreiben.

Was weiters fehlt, sind Übergangsbestimmungen für die Erfassung von Netzände­rungen, die seit dem 21. Juli 2004 eingeleitet wurden. – Das sind auch einige, und letztendlich hätte die Richtlinie ja schon im Vorjahr umgesetzt sein müssen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist folgender: Wenn sich der Herr Verkehrsminister gegen eine Prüfpflicht entscheidet, dann gibt es kein Mittel, das NGOs oder Umweltanwaltschaften und Umweltministerium anwenden könnten, um die Prüfung doch zu erreichen. Es reicht, wenn der Verkehrsminister diese Entscheidung oder diesen Verdacht begründet und auf seiner Homepage veröffentlicht. Dann braucht er keine SUP mehr.

Ich habe schon angesprochen, dass von den zehn Zielen, denen die Verkehrspläne entsprechen müssen, nur eines mit Umweltschutz zu tun hat, und das auch nur sehr unkonkret und sehr schwammig. Das lässt vermuten, dass das Thema Umwelt nicht nur aus dem Titel des Gesetzes geflogen ist. Es gibt ja konkrete Vereinbarungen, gerade im Bereich Umweltschutz: das Kyoto-Protokoll, die Alpenkonvention, Luftschad­stoffvereinbarungen. – Sie alle sind aber im Gesetz nicht angeführt – und auch nicht, dass sie verpflichtend einzuhalten wären.

Auch die Verträglichkeit dieser Netzänderungen mit regionalen Raumordnungspro­grammen und Fachplanungen der Länder sowie Schutzgebietsausweisungen wird nicht geprüft. Es reicht offenbar, wenn die Beziehungen zu anderen Plänen und die Probleme, die sich für schutzwürdige Gebiete ergeben, dargestellt werden. – Also uns reicht das sicher nicht, wenn Probleme nur dargestellt werden! Wir sind der Meinung, sie brauchen auch eine Lösung! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Was wir auch schon beim UVP-Gesetz beanstandet haben, ist, dass der Projekt­betreiber seinen Umweltbericht künftig mehr oder weniger selbst schreiben soll. Wir mussten jetzt bei der A 5 feststellen, dass Projektbetreiber ganz gerne Berichte schreiben. Manchmal schauen die Berichte für die UVP anders aus als die Berichte für die „Private Partners“, die man dann ja irgendwann einmal braucht, um die Straße mitzufinanzieren.

Bei der A 5 war es konkret so, dass ein weiterer Bericht mit Verkehrsprognosen auf­getaucht ist, in dem die Prognosen plötzlich doppelt so hoch ausgefallen sind als bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, damit sich leichter jemand findet, der glaubt, dass das ein gewinnbringendes Projekt sein könnte, das er mitfinanzieren soll.

Was in der SVP wirklich noch dringend fehlt, was leider nur angedeutet ist, sind Über­wachungsmaßnahmen und Abhilfemaßnahmen. Wie die konkret ausschauen sollen, wenn die Verkehrsentwicklung dann vielleicht doch anders kommt als erwartet, oder wie Maßnahmen gesetzlich angekündigt werden sollen, das steht leider nicht in diesem Gesetz.

Ich denke, es wäre enorm wichtig, Verkehrsprojekte wirklich sofort und in Zukunft schon im Vorhinein, schon vor ihrer Gesetzwerdung einer strategischen Prüfung zu unterziehen. Hinter diesem Gesetz scheint aber die Strategie zu stehen: Wir machen die Augen zu. Zuvor haben wir gar nicht gesehen, dass wir die EU-Richtlinie hätten um­setzen sollen. Es hat offensichtlich um die drei Seiten Gesetzestext lange Streitigkeiten gegeben, denn sonst hätte man das nicht ein Jahr zu spät beschlossen. Zuerst hat man den Umsetzungsbedarf überhaupt vergessen – und dann wurde es so


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schwammig umgesetzt, dass man keinen Unterschied zu vorher merken wird. (Beifall bei den Grünen.)

20.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte, Herr Vizepräsident, Sie haben das Wort.

 


20.41.14

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorredner haben teilweise schon darauf hingewiesen, dass wir mit der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in Verzug sind. Diese stammt aus dem Jahre 2001, und daher ist natürlich verständlich, dass nunmehr ein gewisser Zeitdruck entstanden ist. Zugute halten muss man dem Ver­kehrsministerium, dass nicht allein diese Richtlinie umzusetzen war, denn es gibt ja verschiedene Anwendungsbereiche. Der hier zur Diskussion stehende ist nur einer davon.

Das Begutachtungsverfahren hat zu teilweise heftigen Reaktionen der Länder geführt, weil ihnen die Pflicht übertragen worden wäre, als Initiator aufzutreten und den Um­weltbericht samt den damit verbundenen finanziellen Folgewirkungen zu erstellen. Das ist ganz nachdrücklich abgelehnt worden, insbesondere auch von den Bundesländern Salzburg und Vorarlberg. Die Regierungsvorlage wurde dann in der Weise geändert, dass die Länder nicht mehr verpflichtet sind, sondern so wie andere auch die Möglichkeit haben, als Initiator aufzutreten. Das heißt, die verfassungsrechtlich problematische und durch die EU-Richtlinie überhaupt nicht vorgegebene Verpflichtung der Länder wurde von einer rechtlichen Verpflichtung in eine politisch-faktische umge­wandelt und ist daher ohne Frage etwas anders zu beurteilen; was aber am Ergebnis für die Länder nichts ändert.

Wesentliche Kritik hat auch herausgefordert, dass die in den Erläuterungen enthal­tenen Kostendarstellungen – jetzt zitiere ich die Stellungnahme der Salzburger Landes­regierung – „nicht einmal annähernd den Anforderungen des § 14 Bundeshaus­halts­gesetz entspricht“. – Zitatende.

Das ist auch verständlich, weil die Regierungsvorlage lapidar annimmt, dass in einem Zeitraum von fünf Jahren einfach ein bestimmter Betrag anzusetzen sei. Das Land Vorarlberg hat in einem Schreiben an das Verkehrsministerium und nachfolgend dann an das Bundeskanzleramt die Aufnahme von Verhandlungen nach dem Konsultations­mechanismus verlangt. Dem wurde unter Hinweis darauf nicht Rechnung getragen, dass die für die Kostentragungspflicht des Bundes relevante Betragsgrenze nicht erreicht sei.

Es gibt verschiedene gute und berechtigte Gründe, zu sagen, etwas sei kein Anwen­dungsfall für das Konsultationsverfahren. Der Hinweis auf die Betragsgrenze ist aber ein ausgesprochen schlechter, denn sonst hätte es jedes Ressort in der Hand, durch entsprechend niedrig angesetzte Kostenschätzungen das Konsultationsverfahren ins Leere laufen zu lassen.

Sinn von Konsultationsverhandlungen ist es ja, zu verifizieren, ob diese getroffenen Annahmen hinsichtlich der Folgekosten Konsens finden oder nicht. Und daran knüpfen sich dann unter Umständen Konsequenzen – oder nicht. Dass jedoch der Vorgang nicht einmal eingeleitet wird, ruft natürlich schon Kritik hervor und wird auch Anlass sein, das ganz allgemein zu thematisieren.


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Diese Besorgnis wird noch verstärkt dadurch, dass nach § 6 Abs. 3 der Bundesminister durch Verordnung nähere Bestimmungen für die Erstellung der Unterlagen etwa für den Umweltbericht festlegen kann. Das heißt, es kann nachträglich noch ganz massiv – zum Nachteil der Länder – an der Kostenschraube gedreht werden.

Maßgeblich für das Verlangen des Landes Vorarlberg war, dass wir zwei offene Ver­kehrsprojekte haben. Eines ist im Bundesstraßengesetz rechtlich verankert. Das ist die umstrittene Schnellstraßenspange zwischen dem österreichischen und dem Schweizer Autobahnnetz, wo die Trasse an sich festgelegt ist, aber unter Umständen durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, die für die nächsten Monate zu erwarten ist, zu Fall gebracht wird, was möglicherweise gravierende Neuprojektierun­gen erforderlich machen könnte. Das hoffen wir nicht, aber es gibt natürlich auch in Vorarlberg manche, die das hoffen. (Bundesrat Schennach: Genau!)

Linie der Landespolitik ist es natürlich, das nicht zu hoffen, sondern darin eine ent­sprechende Gefahr zu sehen, dass der Bund unter Umständen sagt: Ja, wir ziehen uns hier zurück, und wenn das Land diese Straße will, soll es als Initiator auftreten und den Umweltbericht erstellen! Das hat eine gewisse Sensibilität, insbesondere deshalb, weil möglicherweise die Ausnahmebestimmung, dass es nicht erforderlich ist, wenn es nur in die Nachbargemeinde verschoben wird, nicht zutrifft – und das insbesondere auch deshalb, weil dieses ganze Vorhaben auch auslandsrelevant ist, was einen zusätz­lichen Faktor darstellt.

Das zweite Vorhaben betrifft eine politisch vereinbarte, auch im Finanzausgleich ver­ankerte, hinsichtlich der Finanzierung also klargestellte Umfahrung der Stadt Feldkirch, für die unter Umständen auch ein solcher Umweltbericht zu erstellen sein wird.

Unter Hinweis darauf, dass es sich um ein bereits verankertes beziehungsweise ver­einbartes Vorhaben handelt, wollte das Land einfach Vorsorge treffen, dass es da nicht unerwarteterweise und gegen die Absprache in unter Umständen beachtliche Kostenfolgen hineinläuft. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass ich mit meiner Zustim­mung keinen Blankoscheck in dieser Hinsicht unterschreibe. (Bundesrat Schennach: Das ist gefährlich!) – Ich nehme an, Herr Staatssekretär Kukacka wird das aufklären können. – Jedenfalls wird die Haltung zu diesen offenen Fragen ein maßgebliches Kriterium für mich sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Ein „Sicherheits-Nein“ wäre besser!)

20.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Kukacka, Sie haben das Wort.

 


20.47.47

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zuerst möchte ich mich ganz herzlich bei Kollegem Schimböck bedan­ken. Ich fühle mich fast geschmeichelt. Ich bin noch nie so – und schon gar nicht von der Opposition – im Bundesrat so gelobt worden. Ich hoffe, Sie meinen das ernst. (Bundesrat Schimböck: Das passt sicher!) Ich sehe, Sie sind weiser geworden, und das gefällt mir eigentlich sehr gut.

Was allerdings die Kritik der Opposition an der Verhinderung des Herrn Vizekanzlers betrifft, möchte ich schon festhalten, dass diese Kritik unberechtigt ist, denn es ist nun einmal so: Sie wissen so wie ich, dass ein Staatssekretär zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers berufen ist, und wenn der Herr Vizekanzler von dieser verfassungsmäßigen Möglichkeit Gebrauch macht, so komme ich diesem Auftrag


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natürlich gerne nach. – Was jedoch an dieser Vorgangsweise auch nur irgendwie zu kritisieren sein soll, ist mir wirklich nicht einsichtig, meine Damen und Herren! (Bundesrat Gruber: Die hohen Kosten der Auslandsreisen des Herrn Vizekanzlers!)

Ganz kurz noch zu den grundsätzlichen Einwänden der Opposition gegen das Gesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Gesetz nicht nur eine Prüfung der Umweltauswirkungen neuer Planentwürfe vorsieht, sondern eben eine wirklich grundsätzliche verkehrsträgerübergreifende Alter­nativprüfung aller Verkehrsträger vornimmt.

Welche Programme und Pläne sind da zu überprüfen? Hier gibt es offensichtlich noch immer keine Klarheit bei einigen Damen und Herren von der Opposition. Meine Damen und Herren, Frau Kerschbaum, zu überprüfen ist all das, was von den Behörden an Verkehrsplänen und Programmen entwickelt wird und was in Zukunft gesetzlich verankert werden soll, also die Verordnungsentwürfe von geplanten oder bestehenden Eisenbahnstrecken, die zu Hochleistungsstrecken ausgebaut werden, Gesetzentwürfe zur Erklärung von Gewässern zu Wasserstraßen, Gesetzentwürfe zur Erklärung von Straßenzügen zu Bundesstraßen oder deren Auflassung. Es ist also ganz genau festgelegt und definiert, was diese strategische Prüfung umfasst und welche Aufgabe sie hat.

Es geht auch gar nicht darum, dass einzelne konkrete Programme oder Projekte über­prüft werden, denn die sind ja dann im Regelfall ohnedies einer weiteren Umwelt­verträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Alle Projekte werden im Regelfall im Nach­hinein, wenn sie realisiert werden, noch einer Umweltverträglichkeitsprüfung unter­zogen.

Es geht also darum, dass sozusagen die gesamte Verkehrsnetzbeziehung und Ver­kehrsnetzänderung entsprechend dargelegt wird. Es handelt sich hiebei wirklich um eine politisch vernünftige und sachlich richtige Umsetzung von EU-Richtlinien. Daran gibt es nichts zu zweifeln, und ich habe von niemandem, auch nicht im Stellung­nahmeverfahren dazu, irgendwelche andere, bessere, brauchbarere Alternativen dazu gesehen.

Meine Damen und Herren! Was seitens des Kollegen Bader sowie des Kollegen Jürgen Weiss hier zu einzelnen Projekten gesagt wurde, dafür haben wir großes Verständnis. Selbstverständlich gibt es in fast allen Bundesländern ganz konkrete Projekte der erneuten Übernahme von Straßenprojekten in das Bundesstraßennetz.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber schon auf Folgendes hinweisen: Die Länder haben gemeinsam mit dem Bund die so genannte Ausgliederung und Verlän­derung der Bundesstraßen beschlossen, weil sie das wollten und für richtig befunden haben. Diese Bundesstraßen sind den Ländern übertragen worden – dies aber auch mit all den Mitteln, die für die Erhaltung und Verbesserung dieser Straßen bisher vom Bund aufgewendet wurden.

Wenn es darum geht, dass jetzt bestimmte Bundesstraßen verbessert, ausgebaut und erweitert werden sollen, kann man also nicht so einfach kommen und sagen: Lieber Bund, wir behalten uns natürlich das Geld, das wir im Zuge der Verländerung der Bundesstraßen bekommen haben, aber diese Straße und jene Straße nimm bitte wieder zurück, und bau du sie mit deinem Geld aus! – So einfach kann man sich das auch nicht machen, das möchte ich schon klar und deutlich sagen.

Wir haben aber natürlich Verständnis dafür, dass das hochrangige Straßennetz insge­samt weiterer Überprüfung bedarf, eines weiteren Ausbaus bedarf und sicher auch die


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Notwendigkeit besteht, dass die eine oder andere Bundesstraße zu einer Hochleis­tungsstraße, zu einer Schnellstraße oder Autobahn ausgebaut und erweitert wird. Darüber sind wir ja auch mit den Ländern in Verhandlungen.

Ich habe eine ganze Liste mit solchen Projekten, wo die Länder die Bundesstraßen wieder dem Bund und der ASFINAG zum weiteren Ausbau übergeben wollen. Ich will die jetzt gar nicht alle anführen: Die B 317 in Kärnten ist genannt worden; in Nie­der­österreich die B 303, die B 334, die auch dem Kollegen Bader ein besonderes Anliegen ist, die B 800A, die Marchfeld Schnellstraße; in Wien gibt es solche Projekte; in Vorarlberg insbesondere eben die Umfahrung Feldkirch, die Kollege Weiss angeführt hat; in Tirol sind es zwei hochrangige Straßen; in der Steiermark; in Oberösterreich und im Burgenland ebenfalls.

Es sieht also beinahe so aus, als ob der Bund alle wichtigen Bundesstraßen, die er vor fünf Jahren verländert hat, jetzt wieder zurücknehmen und mit seinem Geld ausbauen soll. Dass das nicht so einfach funktionieren kann, ist klar; dass aber darüber mit den Ländern Verhandlungen stattfinden und wir in einer geplanten Novelle, die im Spätherbst dieses Jahres von Nationalrat und Bundesrat beschlossen werden soll, die wichtigsten und dringendsten Projekte auch übernehmen werden, ist auch unbestritten; da kann ich auch eine entsprechende Zusage machen. Das muss aber, wie gesagt, noch endgültig zwischen den Ländern, der ASFINAG und dem Bund abgestimmt werden.

Wir wissen natürlich auch – damit möchte ich schließen –, dass durch dieses neue SP-V-G, wenn jemand als Initiator einer neuen Verkehrsnetzänderung auftritt, bei demjenigen Kosten entstehen, weil natürlich entsprechende Studien und vor allem dieser Umweltbericht gemacht werden kann und soll und muss.

Es ist aber auch legitim, zu verlangen, dass von demjenigen, der eine neue Straße haben will, einen neuen Verkehrsweg, allenfalls auch eine neue Eisenbahnstrecke haben will – gleichgültig, ob das der Bund, das Land oder eine Gemeinde oder Region ist –, dass diese Gebietskörperschaft zuerst einmal auch einen Beitrag leisten muss, denn es soll ja ihr Wunsch realisiert werden, sie treten ja als Initiator auf.

Deshalb soll dieser Initiator auch die erste grundlegende Studie bezahlen, die für die Realisierung notwendig ist, nämlich welche Netzauswirkungen dieses neue Projekt hat, inklusive aller Umweltauswirkungen.

Deshalb ist die Regelung sinnvoll, richtig und notwendig, dass der Initiator eines neues Verkehrswegs auch einen entsprechenden Beitrag leisten soll. Selbstverständlich wird sich auch der Bund dort beteiligen, wo in erster Linie im Bundesinteresse solch ein neuer Verkehrsweg entsteht.

Beim Projekt der S 18 in Vorarlberg handelt es sich um einen Sonderfall, wo ich eigentlich kein Problem sehe, dass der Bund die Kosten übernimmt, denn diese Schnellstraßenverbindung ist bereits im Bundesstraßengesetz verankert, ist daher auch keinem neuen Verfahren nach diesem heute zu beschließenden Gesetz zu unter­ziehen.

Sollte eine EuGH-Entscheidung eine Änderung des Bundesstraßengesetzes notwendig machen, so ist selbst bei einer Neutrassierung dieser Strecke ein Verfahren nach dem SP-V-G sehr unwahrscheinlich: Es ist also auch bei Aufhebung durch den EuGH wahrscheinlich kein neuer Umweltbericht in diesem Zusammenhang notwendig. Wir würden uns aber jedenfalls sicherlich an den Kosten eines solchen Berichtes beteili-


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gen, weil diese Straße, wie gesagt, auch bereits in das Bundesstraßengesetz aufge­nommen ist.

Beim Projekt Tunnel Feldkirch, also der regionalen Umfahrung, stellt sich das Problem etwas anders dar. Da ist ja überhaupt noch die Trassenentscheidung durch das Land zu fällen – und dann wird es auch darüber, wer als Initiator auftritt und wer den Umweltbericht zu finanzieren hat, entsprechende Verhandlungen zwischen der ASFINAG und dem Land Vorarlberg geben. Das Ergebnis wird auch davon abhängen, ob und in welcher Weise dann allenfalls auch diese regionale Umfahrung in das Bun­desstraßengesetz aufgenommen werden kann oder nicht.

Wir sind hier also in guten Gesprächen mit allen Ländern; wir bemühen uns, mit den Ländern zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen. Und es sind – ich denke, das können Sie alle gemeinsam beobachten – im Bereich des Infrastrukturausbaus in den letzten Jahren wirklich sehr viele neue umfassende Projekte entwickelt und realisiert worden, mehr jedenfalls als in zehn Jahren davor. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Vizepräsident Weiss, Sie haben das Wort. – Bitte.

 


21.00.00

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bitte um Verständnis, ich greife aber jetzt zum gelinderen Mittel einer Wortmeldung und nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung. (Bundesrat Konecny: Oh!)

Zunächst bedanke ich mich für die Zusage hinsichtlich der S 18. Hinsichtlich des Letzetunnels – das muss ich natürlich schon sagen – unterscheidet sich dieser Fall von jenen, die zu Recht moniert werden, dass man sagt, na gut, jetzt haben die Länder schon die Bundesstraßen übernommen und jetzt wollen sie das dann doch wieder zurück an den Bund übertragen. Der Letzetunnel ist damals bei der Übertragung der Bundesstraßen an die Länder hinsichtlich der Finanzierung ausdrücklich heraus­genommen worden. – Also dieser Fall ist nicht vergleichbar und kann daher auch nicht mit denselben Maßstäben gemessen werden.

Ich gehe davon aus, dass diese Zusage – herzlichen Dank! –, hinsichtlich der S 18 die Kosten maßgeblich mitzutragen, auch hinsichtlich dieses Sonderfalles einer bereits damals bei der Übertragung finanziell gesondert behandelten Straßenverbindung so zu sehen ist. Davon gehe ich jetzt einmal aus, dass das so akzeptiert wird, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das noch klarstellen könnten. (Bundesrat Ing. Einwallner: Eine Zusage für Straßenfinanzierungen ist immer mit Vorsicht zu genießen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Es wünscht niemand mehr das Wort. Das heißt, die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 204

21.01.1934. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßen­polizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird (649/A und 1005 d.B. sowie 7337/BR d.B. und 7369/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zum 34. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Lindinger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

21.01.37

 


Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßen­verkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme nun zum Antrag.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage vom 19. Juli 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

 


21.02.30

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Es ist aber nur eine ganz kurze Wortmeldung. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehrgeehrte Damen und Herren! Mit dieser Änderung der StVO wird die rechtliche Grundlage für Verkehrsbeeinflussungsanlagen geschaffen.

Prinzipiell ist das eine gute Sache. Mir wäre es noch wichtig, festzuhalten, dass durch diese Formulierung im Gesetzestext, nämlich dass diese Maßnahmen nur „unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit“ verhängt werden können, ausgeschlossen ist, dass der Wunschtraum des Herrn Ministers von 160 Stundenkilometern auf der dreispurigen Autobahn nicht durch diese Gesetzesänderung verwirklicht werden kann.

Dazu würde ich Sie noch um eine kurze Aussage bitten. – Danke.

21.03


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Bundesrätin Kerschbaum: Wollen Sie mir nicht antworten, Herr Staatssekretär?)

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 205

21.03.5935. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Aufgaben und Organisation der Bundes-Wasser­straßenverwaltung – Wasserstraßengesetz geändert wird (Wasserstraßengesetz­novelle 2005) (651/A und 1007 d.B. sowie 7370/BR d.B.)

36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (650/A und 1008 d.B. sowie 7371/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 35 und 36 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 35 und 36 hat Frau Bundesrätin Fröhlich über­nommen. Ich bitte um die beiden Berichte.

21.04.31

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­no­lo­gie über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Aufgaben und Organisation der Bundes-Wasserstraßenverwaltung – Wasserstraßengesetz geändert wird (Wasserstraßen­gesetz­novelle 2005) bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich bringe daher nur den Antrag.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bring den zweiten Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie, und zwar über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um seine Worte.

 


21.06.11

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Viel beschäftigter Staatssekretär, haben wir heute gehört. Doppelte Arbeit (Bundesrat Konecny: Halber Minister!) Halber Minister, viel beschäftigt. (Bundesrat Konecny: Halbe Gage!) Halbe Gage nur. Das kann ich irgendwo verstehen mit der halben Gage. (Lebhafte Heiterkeit.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 206

Herr Staatssekretär! Sie haben sich so gefreut, weil Sie vom Kollegen Schimböck so gelobt worden sind, aber es heißt ja immer, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Sie haben wahrscheinlich gar nicht mehr damit gerechnet, dass ein Eisenbahner heute hier noch herauskommen wird, und es ist klar, dass ein Eisenbahner von dem viel beschäftigten Staatssekretär natürlich ein bisschen eine andere Meinung hat, als sie vielleicht dargestellt worden ist. Vielleicht wäre weniger Arbeit ... (Staatssekretär Mag. Kukacka: Glauben Sie mir, ich habe mich mit der Eisenbahn viel beschäftigt!) Ich glaube, da waren Sie aber schon lange nicht mehr dabei, da sind Sie schon lange nicht mehr mit dem Zug gefahren. (Heiterkeit.) Ich glaube, da wäre weniger Arbeit vielleicht mehr gewesen, wenn etwas Gescheites herausgekommen wäre.

Aber ich glaube, jetzt haben wir die Eisenbahn nicht auf der Tagesordnung, sondern heute geht es um etwas anderes. Ich möchte das nur kurz ausführen, denn wir haben uns ja vor nicht allzu langer Zeit schon mit derselben Thematik beschäftigt. Es war Ende 2004, als mit den Stimmen der Regierungsparteien die Ausgliederung der Bun­des­wasserstraßendirektion beschlossen wurde. Ich bin damals schon an selber Stelle gestanden und habe seitens meiner Fraktion vor den negativen Auswirkungen, die durch die geplanten unsinnigen Privatisierungen entstehen würden, welche nun von der derzeitigen Bundesregierung durchgedrückt werden, gewarnt. Unsere Fraktion hat damals schon dagegengestimmt, und wir werden – wahrscheinlich nicht zu Ihrer Überraschung, Herr Staatssekretär – dasselbe heute auch wieder machen.

Ich will das hier und heute nochmals kurz wiederholen und bekräftigen: Durch die Gründung der Wasserstraßen GmbH im Dezember 2004 ist wieder einmal – und das ist ja bei dieser Regierung kein Einzelfall – riesengroßes Bundesvermögen in eine Gesellschaft verschoben worden. Ich betone es nochmals ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Was heißt „verschoben worden“?) Ich bewundere Ihre Ausdauer, Herr Kühnel: Sie haben von 9 Uhr Vormittag bis jetzt Zwischenrufe getätigt, also man kann sagen, zwölf Stunden. Dabei müssen Sie noch dazu immer schauen, dass alle bei der Abstimmung da sind. Sie haben wirklich eine gute Kondition. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist leider so, es ist leider traurige Tatsache, dass quasi wieder Familiensilber, großes Bundesvermögen, welches natürlich für die Privatwirtschaft sehr interessant und lukrativ ist, verschoben wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bun­desrat Molzbichler: Er ist ja ein Eisenbahner! Da redet man vom Verschieben!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Kühnel, wir sind mit unserer Meinung nicht alleine geblieben, denn auch der Rechnungshof hat die Bedenken der Opposition bestätigt. Herr Kühnel, auch für den Rechnungshof war und ist die Ausgliederung der Bundeswasserstraßendirektion eine der misslungensten Ausgliederungen überhaupt. (Bundesrat Konecny: Oh! – Bundesrätin Bachner: So ist es!) Das hat auch der Rechnungshof festgestellt. Somit waren wir mit unseren Bedenken nicht alleine. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wie ist das mit der Bank Austria gewesen?) Anscheinend – die, die im Ausschuss dabei waren, haben es vielleicht auch bemerkt – sind da dem Minis­terium schon die Argumente ausgegangen, weil zu diesem Tagesordnungspunkt keine Beamten da waren (Bundesrat Konecny: Oh!), denen wir irgendwelche Fragen hätte stellen können.

Die heutige Novelle zum Wasserstraßengesetz beinhaltet – damit wir wieder zur The­matik kommen – eine Fristverlängerung für die Privatisierung für die Schleusenauf­sicht, wo es ja vorerst geheißen hat, dass das in drei Monaten durchgezogen werden muss. Im Bericht des Ausschusses ist ja – ich habe gerade von den Kosten ge­sprochen – auch angeführt, warum man das ändern muss: Begründet wird die Maß-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 207

nahme mit dem hohen organisatorischen Aufwand der Neustrukturierung. (Bundesrat Konecny: Oh!) Da hat man sich wieder ein bisschen überschätzt. (Bundesrätin Bachner: Das wird sich bei der Eisenbahn auch noch herausstellen!)

Unserer Meinung nach ist die Schleusenaufsicht eine klassische öffentliche Aufgabe, die sicher nicht ausgegliedert werden soll. Aber es ist ja leider schon passiert, deshalb werden wir dieser Novelle nicht zustimmen.

Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zu den unsinnigen Privatisie­rungs­tendenzen erlauben Sie mir aber noch, einen Satz anzufügen, der mir persönlich im Sinne unserer vielen Bürgerinnen und Bürger besonders am Herzen liegt. Ich hoffe, dass Sie so viel Arbeit haben – alleine wenn der Verkehrsminister nicht da ist –, dass die Privatisierungstendenzen im Verkehrsressort bald ein Ende finden und dass sie vor allem noch vor der Bodenseeschifffahrt enden, obwohl das natürlich für den künftigen Arbeitgeber des Verkehrsministers sehr lukrativ wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur zweiten Novelle, die heute hier diskutiert wird, zur Novelle zum Luftfahrtgesetz: Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss sollen EU-Richtlinien Eingang in das öster­reichische Luftfahrtgesetz finden.

Ich möchte zuvorderst betonen, dass die SPÖ stets für die Einrichtung einer Unfall­untersuchungsstelle des Bundes eingetreten ist. – Ich kann mich noch erinnern, Herr Kühnel, dass Sie mich heute aufmerksam gemacht haben, ich solle Ruhe bewahren. Mir macht das nichts aus, ihr könnt ruhig schwätzen oder reden, aber ich will Sie nur darauf aufmerksam machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Da eine derartige Ein­richtung derzeit nur für die Luftfahrt existiert, soll diese auch auf Schiff und Bahn ausgedehnt werden.

Wie wahrscheinlich die meisten wissen, ist ein solches Unfalluntersuchungsgesetz in Vorbereitung. Da dazu aber auch Verfassungsbestimmungen notwendig sind, ist auch die SPÖ in die parlamentarischen Verhandlungen über das Gesamtpaket einge­bunden.

Was die heute hier vorliegende Luftfahrtgesetznovelle betrifft, handelt es sich um eine Notlösung, um einen Notantrag der Regierungsparteien, weil sie gegenüber dem EU-Termin mit den Umsetzungsfristen bereits in Verzug sind. Das Ganze hängt aber mit dem, was ich vorhin gesagt habe, eng zusammen: Es soll und muss ein Gesamtpaket geben. Wir von unserer Fraktion betrachten das als Gesamtpaket. Wir stimmen heute daher diesem einen Teil des Paketes, dieser Notlösung der Regierungsparteien, nicht zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte. (Bundesrätin Bachner: Heute ist anscheinend Oberöster­reich-Tag!)

 


21.13.35

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat es bereits betont: Zur Lösung der österreichischen und der europäischen Verkehrs­probleme ist ein Zusammenwirken aller Verkehrsträger erforderlich, also von Schiene, Straße, Wasserstraße. Niemand kann auf einen dieser Verkehrsträger, verzichten, wir brauchen ein sinnvolles Zusammenwirken all dieser Verkehrsträger. (Bundesrätin Bachner: Und Luftfahrt! – Bundesrat Boden: Die Luftfahrt brauchen wir auch noch!) Die Luftfahrt hat er auch betont. Da brauche ich nichts mehr dazu zu sagen. (Bun-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 208

desrat Boden: Die ist schon wichtig!) Die Luftfahrt leistet nur einen kleinen Teil vor allem der Güterbewegung, und du wirst sicher wissen, dass die Eisenbahn in diesem Bereich führend ist. Sie ist in diesem Bereich ganz gut unterwegs, aber sie muss noch besser werden. Sie muss noch besser werden: Sie muss wettbewerbsfähiger werden, sie muss europareif werden!

Ich war erst vor zwei Tagen in Rotterdam. Die sagen, es laufe an sich nicht schlecht, aber die Eisenbahn müsse noch ein wenig besser werden. Also wir sind sehr gut ... (Bundesrat Stadler: Das sagen die Holländer? – Bundesrat Boden: Da brauchen wir eine Regierung, die sich mehr um die Eisenbahn kümmert!) Bitte einigt euch, wer zuerst redet: Werner, du, oder du! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich muss sagen: Wir haben hervorragende Eisenbahnen in Österreich, ganz hervorragende Eisenbahnen. (Bravorufe und Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mich selbst erst vor kurzem davon überzeugt: Ich bin mit Karl Boden einmal einen Tag lang mit der Eisenbahn auf der Lok mitgefahren. Der macht das ausge­zeichnet. Ich würde euch – jedem von euch –, wenn ihr über die Eisenbahn redet, einmal empfehlen, dass ihr euch einmal an Ort und Stelle anschaut, wie das funk­tio­niert. Der Karl Boden macht das ausgezeichnet! (Bravorufe und Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind ein Binnenland, wir sind nicht an einer Küste gelegen, und wichtig ist, dass wir die logistischen Probleme, die dadurch entstehen, im Einklang und im Einvernehmen und unter Heranziehung aller Ver­kehrsträger lösen, auch der Luftfahrt natürlich.

Im Ost-West-Verkehr allein – und das wird immer auch zitiert, auch von den Kollegen der grünen Fraktion; Transitverkehr und so weiter nimmt zu, Ost-Erweiterung et cetera et cetera –, in der Ost-West-Relation, im Ost-West-Korridor werden die Güter jeweils zu einem Drittel auf der Schiene, zu einem Drittel auf der Straße und ungefähr zu einem Drittel, über den Daumen gepeilt, auf der Wasserstraße befördert.

Das Wasserstraßengesetz, das heute hier zur Debatte steht, ordnet eben den Rah­men, unter welchem diese Bewegungen erfolgen können. Die Wasserstraße ist – und da werden Sie mit mir übereinstimmen – der ökologieverträglichste Verkehrsträger, ist der umweltgerechteste Verkehrsträger, ist der unfallärmste Verkehrsträger, ist der energiesparendste Verkehrsträger und ist auch ein Verkehrsträger, den man mit relativ wenig Personal betreiben kann.

Deshalb bin ich der Regierung sehr dankbar dafür, dass in die Wasserstraße sehr viel investiert wird. In die Wasserstraße wurde in den letzten Jahren so viel wie noch nie in den vergangenen Jahren, überhaupt in der Zweiten Republik, investiert.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch – weil sie Kollege Stadler zuvor erwähnt hat – auf die Schleusenaufsicht hinweisen. Es sind insgesamt 45 Bedienstete, die in der Schleusenaufsicht bei der via donau tätig sind, und es sind 36 Bedienstete, die bei der Schifffahrtsaufsicht – früher Schifffahrtspolizei genannt – tätig sind. Ich glaube, denen sollte man auch einmal ein Dankeschön dafür sagen, wie sie diese Arbeit leisten. Die machen das nämlich ganz hervorragend, und auf sie können wir eigentlich nicht verzichten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und den Grünen.)

Es ist in den vergangenen Jahren große Infrastrukturarbeit zur Errichtung des Rhein-Main-Donau-Kanals geleistet worden, der1992 eröffnet wurde. Jetzt haben wir den Rhein-Main-Donau-Kanal mit einem Nadelöhr zwischen Straubing und Vilshofen, wo es Niederwasserstrecken gibt, die ausgebaut werden müssen, will der Rhein-Main-


Bundesrat
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724. Sitzung / Seite 209

Donau-Kanal seine volle Leistungskraft erbringen. Das ist notwendig, und das brauchen wir gerade im Hinblick auf den steigenden Ost-West- und West-Ost-Verkehr.

Übrigens ist das eine Leistung, die in den siebziger Jahren erbracht wurde, damals wurde das ausgemacht.

Bundeskanzler Kreisky war damals dabei, ebenso der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Sie haben sich geeinigt und dieses Projekt durchgesetzt. Damals sind Maßstäbe gesetzt worden, an die wir, glaube ich, anschließen sollten, und das wird zunehmend gelingen, wenn wir diese Niederwasserstrecke leistungsfähig gestal­ten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt geht es darum, nicht die westliche Ausrichtung der Wasserstraße zu fördern und Lobbying dafür zu betreiben, sondern jetzt geht es darum, die östliche Richtung aufzuschließen und leistungsfähig zu machen. In diesem Zusammenhang leistet der Österreichische Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein, der sich vor kurzem auch neu konstituiert hat, eine gute Arbeit.

Ich freue mich, dass, wie erst vorgestern bekannt geworden ist, in den Wiener Hafen 150 Millionen € investiert werden, damit dieser zu einer leistungsfähigen Logistik­drehscheibe gemacht werden kann. Wir reden ja von einem Logistikdreieck Linz, also Großraum Oberösterreich, Wien und Graz, und um das zu erreichen, sind diese Investitionen genau richtig, damit Österreich als wirtschaftlich aufstrebendes Land in diesem Bereich extrem leistungsfähig wird. (Bundesrat Konecny: Das hört aber der Kollege Kühnel jetzt gar nicht gern!) Aber selbstverständlich, denn es ist wichtig, dass wir diese Investitionen tätigen, es ist absolut notwendig für unsere Infrastruktur, um den Nachholbedarf in diesem Bereich, der in früheren Jahren sehr stiefmütterlich behandelt worden ist, zu decken. Wir haben in den letzten zehn Jahren weitgehend aufgeholt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wasserstraße ist eine Chance, die wir, glaube ich, nützen sollten. Wir sollten die vorhandenen Möglichkeiten, die Infrastruktur in Zukunft noch besser zu gestalten, nutzen.

Ich bedanke mich bei allen, die Lobbying für diesen vernachlässigten Logistikkörper Wasserstraße betreiben. Es gibt eine gute Lobby für die Eisenbahn, es gibt eine gute Lobby für die Straßen – ich denke da etwa an die Frächter –, aber es gibt leider keine Lobby für die Wasserstraße. (Bundesrat Konecny: Sehr richtig!) Die Schleusen­bediensteten, die Hafenangestellten, das sind nur eine Handvoll Leute, und das bedeutet wenig Wählerstimmen, aber der Verkehrsträger Wasserstraße ist dennoch absolut wichtig. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle auch der Bundes­regie­rung, weil sie die Zeichen der Zeit erkannt hat und die Wasserstraße ausbaut, damit wir nicht nur in Österreich, sondern europaweit leistungsfähig sind – zum Wohle unserer Betriebe und unserer Republik! (Allgemeiner Beifall.)

21.23


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 210

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die beiden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend eine Wasserstraßengesetznovelle 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Ich ersuche wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Konecny: Oje, oje!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

*****

Ich hoffe, dass Sie alle nicht zu sehr erschöpft sind, denn es winkt jetzt der Urlaub. Ich wünsche Ihnen allen alles erdenklich Gute, gute Erholung, und kommen Sie im Herbst gesund wieder! All jenen, die vor einer Landtagswahl stehen, wünsche ich gute Nerven, Langmut und Erfolg. Es soll jeder seinen Erfolg haben, das ist natürlich ganz klar; wie meine Wünsche ganz geheim ausschauen, werden Sie wahrscheinlich erraten. Aber nichtsdestotrotz, auch wenn wir in Wahlauseinandersetzungen gehen, sollten wir doch alle daran denken, dass es unsere Hauptaufgabe sein muss, für das Wohl der Menschen da zu sein.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute Erholung, schöne Ferien, und kommen Sie gesund wieder! (Allgemeiner Beifall.)

21.25.26Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung 22 Anfragen eingebracht wurden.

Die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage wurde von den Antragstellern zurückgezogen; die Anfrage gilt als schriftlich eingebracht.

Schließlich gebe ich noch bekannt, dass die Bundesräte Schimböck und Genossen den Selbständigen Entschließungsantrag – die Ziffer erspare ich Ihnen – betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie eingebracht haben.

Der Herr Präsident hat diesen Antrag dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zuge­wiesen.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 13. Oktober, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
724. Sitzung / Seite 211

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 11. Oktober, ab 14 Uhr, vorge­sehen.

Und jetzt das Allerwichtigste für das Protokoll: Die Sitzung ist geschlossen.

21.26.53 Schluss der Sitzung: 21.27 Uhr

 

 

 

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