Stenographisches Protokoll

9. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 19. März 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

9. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                    Mittwoch, 19. März 2003


Dauer der Sitzung

Mittwoch, 19. März 2003:   11.30 – 11.32 Uhr

                                                                                                 14.31 – 16.35 Uhr

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................. 6

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................... 7

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................... 6

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die Schaffung bun­desverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Landtagswahlordnun­gen (70/A) (E) ..................................................................... 7

Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................... 10

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 14

Debatte:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 16

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 18

Dr. Peter Wittmann ................................................................................... 20

Barbara Rosenkranz ................................................................................. 21

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................. 23

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................... 25

Dr. Josef Cap (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 26

Anton Heinzl ............................................................................................ 26

Anton Wattaul .......................................................................................... 28

Dieter Brosz .............................................................................................. 29

Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 30

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................ 31

Michaela Sburny (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 32

Gabriele Binder ........................................................................................ 32


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9. Sitzung / Seite 2

Rudolf Parnigoni ...................................................................................... 34

Karl Donabauer ......................................................................................... 35

Mag. Werner Kogler ................................................................................. 36

Dr. Reinhold Lopatka (tatsächliche Berichtigung) ........................................ 37

Karl Öllinger ............................................................................................. 38

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kollegin­nen und Kollegen betreffend bundesverfassungsrechtliche Mindeststandards für Landtagswahlordnungen – Ablehnung     24, 38

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 70/A (E) ......................... 38

Eingebracht wurden

Petition ........................................................................................................... 6

Petition betreffend „Fortbestand von Radio Agora und Radio dva“ (Ord­nungs­nummer 2) (überreicht von den Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Mag. Christine Muttonen)

Regierungsvorlage ......................................................................................... 6

23: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (22. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden

Bericht ............................................................................................................ 6

III-16: Gemeinsamer Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungs­gesetzes gemäß § 10a GlBG für das Jahr 2001; BM f. soziale Sicherheit und Generationen und BM f. Wirtschaft und Arbeit

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Ände­rung der Nationalratswahlordnung sowie die Schaffung bundesverfassungs­rechtli­cher Mindeststandards für Landtagswahlordnungen (70/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend skandalöse personelle Un­terausstattung des Büros der Datenschutzkommission und damit auch des Bü­ros des Datenschutzrates (71/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­tei­di­gung betreffend Reformpläne im Bereich des Landesverteidigungsministeriums (186/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Zukunft der Post AG (187/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zukunft der Post AG (188/J)

Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für so­ziale Sicherheit und Generationen betreffend Zentralausschuss und Dienststellen­ausschuss beim BMSG (189/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­­­­cher­heit und Generationen betreffend „Österreichischen Gesundheitsplan“ (190/J)


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9. Sitzung / Seite 3

Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend die schleppende Auszahlung der Entschädigungszahlungen für Hoch­­wasserschäden (191/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­va­tion und Technologie betreffend Wegekostenrichtlinie der EU (192/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­va­tion und Technologie betreffend Ausbau der Westbahnstrecke im Schnecken­tempo (193/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Behinderung der Markt­einführung der EN 12566-3 geprüften Kläranlagen (194/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Zollwache in Vorarlberg (195/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Exekutiveinsatz anlässlich der Nationalratssitzung am 6. März 2003 (196/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Va­lorisierung des Pflegegeldes (197/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Vizekanzler be­treffend Valorisierung des Pflegegeldes (198/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes (199/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Re­gierungsübereinkommen – Bereich Kunst und Kultur (200/J)


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9. Sitzung / Seite 4

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (201/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wär­ti­ge Angelegenheiten betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinde­rung (202/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (203/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (204/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (205/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­des­verteidigung betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (206/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Diskriminierung von Men­schen mit Behinderung (207/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Diskriminierung von Menschen mit Be­hinderung (208/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (209/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Diskriminierung von Menschen mit Be­hinderung (210/J)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Angabe des Ministe­riums zur Gesamtsumme der Hochwasserschäden nach der Überschwemmungs­ka­tastrophe vom Sommer 2002 (211/J)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend die Verwendung der Mittel zur Entschädigung von Hochwasserschäden nach der Überschwemmungskatastrophe vom Sommer 2002 (212/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige An­ge­legenheiten betreffend den Fragebogen der Europäischen Kommission zur „Ein­haltung der Zusagen hinsichtlich der Erfüllung der auf dem Millenniumsgipfel vereinbarten Entwicklungsziele“ (213/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend das Forschungsprojekt über virusresistente Marillen der Universität für Bodenkultur Wien (214/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur betreffend das Forschungsprojekt über virusresistente Ma­rillen der Universität für Bodenkultur Wien (215/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Futtermittel-Kontrollen auf gen­technisch veränderte Bestandteile (216/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­tref­fend Position der Bundesregierung zur geplanten Aufstockung des EURA­TOM-Kreditrahmens (217/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Position der Bundesre­gierung zur geplanten Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens (218/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Absage von EU-Kommis­sar Franz Fischler an gentechnikfreie Zonen und die Problematik der Koexistenz gen­technisch veränderter und unveränderter Landwirtschaft in Österreich (219/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (19/AB zu 19/J)


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9. Sitzung / Seite 5

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (20/AB zu 32/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (21/AB zu 25/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (22/AB zu 72/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (23/AB zu 73/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (24/AB zu 74/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (25/AB zu 75/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (26/AB zu 76/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (27/AB zu 77/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (28/AB zu 57/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (29/AB zu 78/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Ab­ge­ordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (30/AB zu 93/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (31/AB zu 34/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (32/AB zu 85/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (33/AB zu 18/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (34/AB zu 23/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (35/AB zu 46/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (36/AB zu 47/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (37/AB zu 17/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (38/AB zu 20/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (39/AB zu 30/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (40/AB zu 31/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Ab­ge­ordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (41/AB zu 53/J)


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Beginn der Sitzung: 11.30 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 9. Sitzung des Nationalrates, die auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des National­rates einberufen wurde; hinlänglich bekannt als „Sondersitzung“.

Die Amtlichen Protokolle der 7. und 8. Sitzung vom 6. März 2003 sind in der Parlamentsdirek­tion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Pendl, Schieder und Dipl.-Ing. Prinzhorn.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungs­saal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 186/J bis 190/J.

2. Anfragebeantwortungen: 19/AB bis 41/AB.

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (22. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (23 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 2 betreffend „Fortbestand von Radio Agora und Radio dva“, überreicht von den Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Mag. Christine Muttonen.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Gleichbehandlungsausschuss:

Gemeinsamer Bericht des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen und des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 10a GlBG für das Jahr 2001 (III-16 der Beilagen).

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Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, den Selbständigen Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Landtagswahlordnun­gen dringlich zu behandeln.

Ich habe den Dringlichen Antrag geprüft: Er ist Gegenstand unserer Zuständigkeit, und daher wird er zugelassen.

Die Durchführung der Debatte über den Dringlichen Antrag wird frühestens drei Stunden nach dessen Einbringung, also um 14.31 Uhr erfolgen.

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 14.31 Uhr.

Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen wird die dringliche Behandlung des Selbständigen Antrages 70/A (E) stattfinden.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 11.32 Uhr unterbrochen und um 14.31 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG an die Bundesregierung betreffend eine Ände­rung der Nationalratswahlordnung sowie die Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Landtagswahlordnungen (70/A) (E)


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 70/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

„Die niederösterreichische Landeswahlbehörde hat die Entscheidung getroffen, dass es sich bei den Kurzbezeichnungen „GRÜNE“ für „Die Grünen“ und „GRÜNÖ“ für „Grünes Unabhängiges Österreich, Liste der EU-Opposition, Gabriele Wladyka“ nicht um „schwer unterscheidbare Par­teibezeichnungen“ im Sinne des §43 der niederösterreichischen Landtagswahlordnung handelt. Auf den Stimmzetteln für die kommende Landtagswahl werden daher die Parteibezeichnungen kleingedruckt, die Kurzbezeichnungen „GRÜNE“ und „GRÜNÖ“ jedoch deutlich größer und fettgedruckt zu finden sein. In 10 Wahlkreisen werden diese sehr ähnlichen Kurzbezeichnungen unmittelbar nebeneinander stehen.

Diese Entscheidung der letztlich zuständigen Landeswahlbehörde, die ausschließlich mit den Stimmen von ÖVP- und FPÖ-VertreterInnen gefasst wurde, war allerdings erst der letzte Akt eines für westliche Demokratien unwürdigen Schauspiels, bei dem es letztlich nur darum ging, durch die (Schein-)Kandidatur einer pseudogrünen Liste Wählerinnen und Wähler zu täuschen. Die Grünen (Liste „GRÜNE“) haben politisch, inhaltlich und ideologisch mit der Gruppierung „GRÜNÖ“ nichts gemeinsam, wie die folgende Kurzcharakteristik zeigt:

Die nunmehr mit schwarz-blauer Unterstützung unter dem Namen „GRÜNÖ“ kandidierende Gruppierung war bislang ausschließlich unter dem Namen „Liste der EU-Opposition“ (LEO) in Erscheinung getreten. Es handelt sich dabei um eine Gruppierung, die radikale Anti-EU Positio-


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nen vertritt. Die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin und ehemalige Proponentin des Anti-EU-Volksbe­gehrens W. bewegt sich dabei regelmäßig im Dunstkreis obskurer Organisationen wie etwa dem „Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“, dem im „Lexikon der Sekten“ (Herder) „...sektenhafte Züge nachgewiesen werden“, und anderer rechtskonservativer Bewegungen, die wiederum gute Kontakte mit Revisionisten und Rechtsextremisten pflegen. Nicht zuletzt tat sich die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin. immer wieder mit einschlägigen Zitaten hervor, die bezeichnend sind für die Geisteshaltung ihrer Gruppierung: so bezeichnete sie die Europäische Union als „Völker-Kerker“ („Krone“, 24.4.02), „Diktatur“ („Die Presse“ v. 22.02.2003) und zuletzt als „kapitalistisches Kriegsprojekt“ und die EU-Erweiterung als „Ostfeld­zug des Vierten Reichs“ (beides in „Die Presse“ v. 4.3.2003).

Umso überraschender war es daher, dass ausgerechnet Vertreter der „Europa-Partei“ ÖVP ihre Sympathie für eine derartig europafeindliche Gruppierung entdeckten: im Vorfeld der nieder­österreichischen Landtagswahlen leisteten zahlreiche VertreterInnen der niederösterreichischen Volkspartei Unterstützungserklärungen für die nunmehr plötzlich unter dem Namen „GRÜNÖ“ auftretende Gruppierung, um ihr die Kandidatur zu ermöglichen. So unterzeichneten beispiels­weise in der Gemeinde Purgstall u.a. VP-Bürgermeister Franz Ressl, Vizebürgermeister Ferdi­nand Bachler sowie eine Reihe anderer VP-Funktionäre und Personen aus dem unmittelbaren Umfeld der Gemeindeverwaltung. Ein ähnliches Bild ergibt ein Blick in andere Gemeinden, wo Familienmitglieder, Nachbarn etc. von VP-Bürgermeistern Unterstützungserklärungen abgaben. Der Verdacht, dass es sich hierbei um eine konzertierte Aktion der ÖVP handelte, die geplant und durchgeführt wurde, um durch die Verwechslungsgefahr bzw. den Eindruck zweier konkur­rierender Listen den Grünen zu schaden, ist mehr als naheliegend.

In 5 Wahlkreisen erhielt „GRÜNÖ“ durch diese VP-Aktion die ausreichende Anzahl an Unter­stützungserklärungen, nicht wenige davon von ÖVP-FunktionärInnen. Die Kandidatur in den restlichen 16 Wahlkreisen wurde ermöglicht, indem die FPÖ-Landtagsabgeordneten Ram, Hrubesch und Waldhäusl mit ihrer Unterstützungs-Unterschrift das Sammeln weiterer Unterstüt­zungserklärungen überflüssig machten. Somit ermöglichte ein gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen die Kandidatur dieser EU-feindlichen Liste.

Und ein gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen ermöglichte in der zuständigen Wahlbehörde, dass sich die obskure LEO-Liste in einer Kurzbezeichnung auf dem Stimmzettel wiederfindet, die der seit Jahren gebräuchlichen Kurzbezeichnung der Grünen zum Verwechseln ähnlich ist: Die niederösterreichische Landeswahlordnung verlangt als einen Bestandteil von Wahlvorschlä­gen „die unterscheidbare Parteibezeichnung in Worten und eine allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben“. § 43 regelt ein Verfahren für den Fall, dass „mehrere Wahlvorschläge dieselben oder schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen tragen“. Entscheidend ist dabei laut Judika­tur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 8848) die „Maßgeblichkeit des Gesamtbildes der Par­teibezeichnung“: diese sei als unteilbares Ganzes aufzufassen, wobei auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr nach allgemeiner Lebenserfahrung abgestellt wird. In diesem Zusammen­hang sei erwähnt, dass der aus dem B-VG ableitbare Grundsatz des „freien Wahlrechtes“ implizit beinhaltet, dass die politische Willensbildung dem wahren Wählerwillen entsprechen soll. In diesem Sinne führen die Materialien zu § 44 NRWO (873 BlgNR 5.GP, S. 5) aus, dass es dem öffentlichen Interesse widersprechen würde, wenn die Wähler durch Täuschung nicht ihren wahren Willen zum Ausdruck bringen könnten. Eine auf die Langbezeichnung der Parteien beschränkter Vergleich könnte dem Grundsatz freien Wahlrechtes nicht Rechnung tragen, seien doch auf dem Wahlzettel abgedruckte Kurzbezeichnungen von Parteien zweifellos geeignet, das Wahlverhalten massiv zu beeinflussen.

Im konkreten Fall hätte daher insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Kurzbezeich­nungen auf dem Stimmzettel größer und fett gedruckt sind besonderes Augenmerk darauf gelegt werden müssen, dass auch bei den Kurzbezeichnungen keine Verwechslungsgefahr besteht. Die Kurzbezeichnungen GRÜNE und GRÜNÖ unterscheiden sich aber nur durch einen (den letzten) Buchstaben, der zumal phonetisch ähnlich klingt. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VfGH aber einer Wahlanfechtung stattgegeben, weil so stellte das Höchstgericht fest der Verwechselbarkeit der Kurzbezeichnungen KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) und KB (Kommunistischer Bund Österreichs) auch im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch


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Beachtung zu schenken sei. Die Abkürzungen „KPÖ“ und „KB“ würden sich von der Sprech­weise her kaum unterscheiden. Dieses Argument des VfGH trifft aber im Vergleich der gespro­chenen Worte auf „GRÜNE“ und „GRÜNÖ“ umso mehr zu. Nicht zuletzt könnte die Endung NÖ auch als Hinweis auf die Grüne Landesorganisation Niederösterreich gedeutet werden.

Die von der Landeswahlbehörde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ gefällte Entscheidung, die Kurzbezeichnung GRÜNÖ zuzulassen, ist demnach aufgrund der massiven Verwechslungsge­fahr rechtlich auch nach Ansicht namhafter Verfassungsrechtsexperten mehr als fraglich und erscheint in Betrachtung der Gesamtumstände eher als schwarzblauer Willkürakt, um durch die bewusst in Kauf genommene Verwechslungsgefahr den Grünen zu schaden.

Eine Betrachtung der entsprechenden Regelungen auf Bundesebene (NRWO) führt schließlich zum Ergebnis, dass auf dieser Ebene zwar eine ausdrückliche Regelung für den Fall verwech­selbarer Kurzbezeichnungen besteht. Dennoch erscheint die bestehende Regelung für den Fall einer willkürlichen, missbräuchlichen (Mehrheits-) Entscheidung der zuständigen Wahlbehörde auch zu kurz zu greifen.

Wahlbehörden werden von den politischen Parteien beschickt. Dementsprechend können Ent­scheidungen dieser „Behörden“ mitunter auch durchaus „politische“ Entscheidungen sein. Der­zeit gibt es aber gegen Entscheidungen der obersten Wahlbehörden (Bundeswahlbehörde bei Nationalratswahlen, Landeswahlbehörde bei Landtagswahlen) für wahlwerbende Parteien kein Rechtsmittel vor dem Wahltermin. Als Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die gegen das geltende Wahlrecht verstoßen, steht derzeit nur nach dem Wahltermin eine Wahl-Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zur Verfügung. Ziel einer Wahlordnung kann es aber nicht sein, dass es bei Verfahrensmängeln zwangsläufig zu einer Wahlaufhebung und -wiederholung kommt. Sinnvoller erscheint es, wenn gesetzeswidrige Entscheidungen von Wahlbehörden bereits vor dem Wahltermin durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden können. Dem entsprechend soll wahlwerbenden Parteien künftig bereits vor dem Wahltermin ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen von Wahlbehörden einräumt werden.

Schließlich scheint geboten, dass die neu zu schaffenden bzw. zu präzisierenden Bestimmun­gen in der Nationalratswahlordnung hinsichtlich der Vermeidung der Verwechselbarkeit von Parteien und die Notwendigkeit von Unterstützungserklärungen auch als Mindeststandard für die Landtagswahlordnungen gelten sollen. Dem entsprechend soll der Bundesverfassungsge­setzgeber zur Vereinheitlichung der Wahlrechte auch eine entsprechende Rahmenregelung als Mindeststandards schaffen, die für alle Landtagswahlordnungen verbindlich sein soll.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Bundesgesetz betreffend die Ände­rung der Nationalratswahlordnung zur Beschlussfassung vorzulegen, das folgende Regelungen umfasst:

1. Die klare und eindeutige Unterscheidbarkeit von Partei- und Kurzbezeichnungen am Stimm­zettel soll durch eine präzisere Regelung sichergestellt werden: künftig sollen im Konfliktfall Partei- und Kurzbezeichnungen jener Parteien, die bereits im Nationalrat vertreten sind, jeden­falls Vorrang vor neu auftretenden wahlwerbenden Gruppierungen haben. Parteibezeichnungen von nicht im Nationalrat vertretenen Parteien sind entsprechend abzuändern bzw. deren Kurz­bezeichnungen allenfalls zu streichen, sofern eine Verwechselbarkeit möglich erscheint.

2. Künftig soll für Wahlvorschläge von Parteien, die bereits im Nationalrat vertreten sind, die Vorlage von Unterstützungserklärungen nicht mehr erforderlich sein.


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3. Die Regelung, wonach die Unterschriften von (drei) Nationalratsabgeordneten das Sammeln der erforderlichen Unterstützungserklärungen ersetzt, soll ersatzlos gestrichen werden.

Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des B-VG zur Beschlussfassung vorzulegen, die den Landtagswahlordnungen sinngemäß diese 3 Punkte als Mindeststandard vorschreibt.

Schließlich wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat eine BV-G-Novelle zur Beschlussfassung vorzulegen, die wahlwerbenden Parteien bereits vor dem Wahltermin gegen Entscheidungen von Wahlbehörden ein Rechtsmittel an den Verfassungsgerichtshof einräumt. Der VfGH soll daher künftig nicht nur im Nachhinein über Wahlanfechtungen zu befinden haben, sondern strittige Entscheidungen von Wahlbehörden auch kurzfristig vor dem Wahl­termin aufheben können, wenn sie gegen das geltende Wahlrecht verstoßen.

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen, diesen Antrag gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begrün­dung zu geben.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen als Antrag­steller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten; Herr Professor, Sie wissen das. – Bitte.

14.32


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel hat heute gesagt, der bevorstehende Gipfel der EU-Regie­rungschefs werde massiv von der Irak-Krise überschattet sein. – Ja, so ist es, und natürlich wird nicht nur der EU-Gipfel der Regierungschefs von der Irak-Krise überschattet sein, sondern auch diese Sitzung ist davon überschattet. Wir alle hier im Hohen Haus machen uns Sorgen; aber naturgemäß nicht nur wir. All die Menschen in Österreich und in Europa stehen unter derselben Anspannung, stehen vor den Fragen: Was wird sein? Wann wird der Krieg beginnen? Wann wird er enden? Welche Folgen wird er für Österreich, für Europa und für die übrige Welt haben? (Abg. Mag. Molterer: Die Sondersitzung haben Sie zu verantworten!)

Dieser Schatten ist nicht zu leugnen und nicht wegzuradieren. Ich selbst tue mich auch nicht ganz leicht, damit umzugehen, aber es nützt nichts: Die Innenpolitik steht in keinem europäi­schen Land still, auch nicht in Österreich. Die niederösterreichischen Landtagswahlen werden auch wegen eines Irak-Krieges nicht verschoben, sondern finden am 30. März statt. Und im Zusammenhang mit den niederösterreichischen Landtagswahlen sind wir gezwungen, be­stimmte Fragen zu stellen, politische Fragen, juristische Fragen und insbesondere demokratie­politische Fragen von, wie wir glauben, hochrangiger Bedeutung (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), sonst hätten wir Sie, meine Damen und Herren, nicht für heute zu einer Sondersitzung ins Parlament gebeten, denn die Grünen können ja, wie Sie wissen, in einem Jahr nur eine so genannte Sondersitzung beantragen. Es muss also um etwas in unseren Augen Wichtiges gehen, und es geht hier auch um etwas Wichtiges.

Es geht um den Machtmissbrauch, den wir sehen, den Machtmissbrauch durch ÖVP und FPÖ in Niederösterreich, einen Machtmissbrauch, der sich in willkürlichen und, wie wir meinen, rechtswidrigen Entscheidungen äußert, Entscheidungen von Behörden, in denen die ÖVP und die FPÖ die Mehrheit haben. Mit dieser Mehrheit werden solche Entscheidungen durchge­drückt, beschlossen, koste es, was es wolle, was demokratiepolitische Standards betrifft. – Das sind harte Worte, und ich muss daher auch den Zusehern dieser Sitzung ein bisschen erklären, worum es dabei geht.

Bei den niederösterreichischen Landtagswahlen kandidieren als Liste 1, Liste 2 und Liste 3 – wie gewohnt – die ÖVP, die SPÖ und die FPÖ. Als Liste 4 kandidieren die Grünen. So weit alles wie gehabt, wie bekannt aus der Vergangenheit und wie es auf Nationalratsebene auch


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nicht anders ist. Aber als Liste 5, in manchen Bezirken als Liste 6, kandidiert eine Gruppierung, der die niederösterreichischen Wahlbehörden mit ihrer Mehrheit aus Volkspartei und Freiheit­lichen einen bemerkenswerten Namen zuerkannt haben, nämlich die Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“. Wir, die Grünen – die tue mich schon schwer, das unterschiedlich auszusprechen –, werden einer Partei, einer Gruppierung, einer Gruppe, jedenfalls einer wahlwerbenden Liste gegenüber­gestellt, die sich „GRÜNÖ“ nennt.

Das schaut dann auf dem Wahlzettel so aus (der Redner zeigt den entsprechenden Teil eines Wahlzettels): Liste 4 GRÜNE, Spitzenkandidatin: Dr. Madeleine Petrovic, und daneben – oder in manchen Wahlbezirken an übernächster Stelle – die Liste „GRÜNÖ“ (Ruf bei den Freiheit­lichen: Wer ist da Spitzenkandidat?), in der Langfassung „Grünes Unabhängiges Österreich, Liste der EU-Opposition, Gabriele Wladyka“. (Abg. Großruck: Wie „Austria“ und „Australia“, das verwechselt man auch immer, da kann man nichts machen!)

Wir halten diese Entscheidung von ÖVP und FPÖ für willkürlich und rechtswidrig (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), nämlich die Entscheidung, einer Gruppierung, die mit den Grünen abso­lut nichts zu tun hat, einen Namen zu geben, der ihr tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sieht.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, die Sie jetzt so höflich oder weniger höflich lächeln! Ich darf Sie an § 43 der niederösterreichischen Landtagswahlordnung erinnern. Man möchte mei­nen, das sei ein klarer Paragraph, aber er wird – wie die Ereignisse zeigen – von ÖVP und FPÖ in einer Weise interpretiert, die jeder Beschreibung spottet. Dieser Paragraph sieht eindeutig vor, dass schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen zu vermeiden sind. Ich betone: dass schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen zu vermeiden sind! Ich meine schon, dass eine Parteibezeichnung, die sich nur im letzten Buchstaben durch dieses sagenhafte Ö von der Be­zeichnung „GRÜNE“ unterscheidet, ziemlich schwer zu unterscheiden ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Im vollen Wortlaut!)

Herr Kollege Stummvoll von der ÖVP! Das, was Sie hier beschlossen haben, ist schwer unter­scheidbar. Hier liegt eine Verwechslungsgefahr für die Wählerinnen und Wähler nahe. Doch wenn Sie nicht nahe liegt, Herr Kollege Stummvoll von der ÖVP, dann ist das nur einem Um­stand zuzuschreiben: den Bemühungen der Grünen in den letzten Wochen und nicht zuletzt heute, auf diese Verwechslungsgefahr aufmerksam zu machen und die Wählerinnen und Wähler vor diesem Irrtum, wenn Sie so wollen, zu beschützen.

An Ihnen von der ÖVP liegt es ganz sicher nicht, denn es stand ja die Absicht dahinter, diese Verwechslung zu Lasten der Grünen herbeizuführen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.) Das ist nichts anderes, Herr Kollege Molterer von der ÖVP, als ein plumper Versuch der Wählertäuschung (Abg. Ellmauer: Wie hoch ist die Analphabetenrate in Öster­reich?), wie ich ihn in Österreich für nicht möglich gehalten hätte; das sage ich Ihnen ganz offen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist dies ein plumper Versuch der Wählertäuschung, der keinen Erfolg haben wird – aber nicht, weil Sie es nicht probiert hätten; probieren tun Sie es bis heute. Ich bin ja gespannt, was Sie dazu sagen werden. Es wird keinen Erfolg haben, weil wir uns in den letzten Wochen und auch heute unermüdlich bemühen, auf diesen plumpen Versuch der Irreführung hinzuweisen. (Abg. Mag. Molterer: Wahlkampf!)

Meine Damen und Herren! Die Liste „GRÜNÖ“, mit Ö am Schluss – O-Umlaut –, hat mit den GRÜNEN, Liste Madeleine Petrovic, nichts, aber schon gar nichts zu tun (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni) – inhaltlich, politisch, ideologisch, in keiner Weise! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist Ihre Spitzenkandidatin vom letzten Mal!) Ich könnte mich damit lange aufhalten, aber es genügt, glaube ich, dass ich Ihnen zeige, was diese Gruppierung zur Europäischen Union zu sagen hat. (Abg. Mag. Molterer: Wie hat bei der letzten Wahl die Spitzenkandidatin geheißen?)

Die Spitzenkandidatin dieser Gruppierung war einmal bei den Grünen (Abg. Mag. Mainoni: 1999!), und sie ist dem Ausschluss, Herr Kollege Molterer, zuvorgekommen, indem sie selbst gegangen ist. Das ist die Wahrheit und sonst nichts! (Beifall bei den Grünen.)


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Die Europäische Union ist nach Ansicht der Spitzenkandidatin dieser Gruppierung ein „Völker-Kerker“, „Kronen Zeitung“ vom 24. April letzten Jahres, eine „Diktatur“, „Die Presse“ vom 22. Februar dieses Jahres, ein „kapitalistisches Kriegsprojekt“ – all das sind wörtliche Zitate. Und die EU-Erweiterung bezeichnet die Spitzenkandidatin dieser Gruppe als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“. – Na sehr schön!

Dieser Liste geben ÖVP und FPÖ ihre Unterstützung, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Das Ziel dieser Gruppierung – das folgt ja aus dem bereits Gesagten – ist ausdrücklich der Aus­tritt Österreichs aus der Europäischen Union, so nachzulesen in der Zeitung „Die Presse“ von gestern.

Wenn man es nicht so genau nimmt, meine Damen und Herren von der FPÖ, könnte man sagen: Diese Gruppierung ist in ihrer EU-feindlichen und vor allem EU-erweiterungsfeindlichen Haltung am ehesten mit der FPÖ zu vergleichen (Abg. Scheibner: Aber wirklich nicht, Herr Kollege! Die Grünen sind schon bei Ihnen, nicht bei uns!) – ich komme noch darauf zurück. Wenn überhaupt, dann konkurriert diese Gruppierung mit der Freiheitlichen Partei. (Abg. Scheibner: Wir machen nur eine grüne Umweltpolitik, aber wir nehmen keine Grünen!)

Solche Positionen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, von Schwarz und Blau, nämlich die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“ zu bezeichnen, werden von Ihrer Seite unterstützt. Das wird von den Funktionären von ÖVP und FPÖ unterstützt!

Ich hoffe, ich kann es mir ersparen, im Detail darzulegen, dass das nicht die Positionen der Grünen sind. Wir halten die EU – bei aller Kritik – nicht für eine Diktatur, und schon gar nicht halten wir die EU-Erweiterung für einen „Ostfeldzug des Vierten Reichs“, mit der impliziten Unterstellung, dass die Europäische Union nichts anderes ist als eine Nachfolgeorganisation der Nazidiktatur. – Das ist nun wirklich jenseits! Das ist das Letzte!

Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, unterstützen das nicht nur in Bezug auf den Namen, sondern es war Ihnen auch nicht zu blöd, sich im Vorfeld der Kandidatur dieser Gruppierung für diese Gruppe einzusetzen.

Ich muss, glaube ich, den Leuten außerhalb dieses Hohen Hauses erklären, dass eine Kandi­datur einer Gruppierung nur dann zustande kommt, wenn eine Gruppe entweder Unterstüt­zungserklärungen in den einzelnen Wahlbezirken sammelt – in Niederösterreich sind etwas mehr als 1 000 Unterschriften erforderlich, um in allen Bezirken kandidieren zu können – oder die Unterschrift von drei Abgeordneten, die schon im Landtag vertreten sind, beibringt.

Was ist im Vorfeld dieser Kandidatur passiert? – Es gibt jede Menge Unterstützungserklärungen von ÖVP-Funktionären, hervorgestochen ist insbesondere die Gemeinde Purgstall, wo der Bür­germeister, der Vizebürgermeister und noch fast ein Dutzend weiterer ÖVP-Funktionäre die Kandidatur dieser Gruppe unterstützt haben.

Erklären Sie mir, meine Damen und Herren von der ÖVP, wie man dazu kommt, eine Gruppie­rung zu unterstützen, die die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“ bezeichnet! Erklären Sie das einem durchschnittlich begabten Österreicher, so wie ich – das habe ich bis jetzt zumindest geglaubt – einer bin.

Volkspartei und FPÖ – die Regierungsparteien sind das. Trotz der Tatsache, dass das so viele ÖVP-Funktionäre unterschrieben haben, wollen Sie uns glauben machen, dass das keine kon­zertierte Aktion der ÖVP war, keine abgesprochene Aktion innerhalb der ÖVP – ausgerechnet in Niederösterreich, dem angeblich bestorganisierten Land der ÖVP? (Zwischenruf des Abg. Schöls.) – Schwer zu glauben! Schwer zu glauben!

Die Kandidatur dieser Gruppe ist letztlich von drei FPÖ-Abgeordneten ermöglicht worden, was insofern eine gewisse Ironie in sich birgt, als diese Gruppierung vom Inhaltlichen her am ehesten noch mit den Freiheitlichen konkurriert. Jene drei, die die Unterschrift geleistet haben,


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müssen sich mit Sicherheit darauf verlassen haben, dass „Grüne“ und „GRÜNÖ“ verwechselt werden und dass das nicht zu Lasten der Freiheitlichen Partei geht.

Von der FPÖ kann man sich vielleicht nichts anderes erwarten (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so billig! – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni), aber Funktionäre der angeblichen Europapar­tei, der ÖVP, unterstützen solche Listen? – Genieren Sie sich nicht ein bisschen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Volkspartei steht vor der absoluten Mehrheit in Niederösterreich. Alle Umfragen zeigen, dass die ÖVP ohnehin die absolute Mehrheit bekommt. Was wollen Sie denn noch? (Abg. Mag. Molterer: Die gute Politik von Erwin Pröll!)

„Die gute Politik von Erwin Pröll!“, sagt die Volkspartei. (Abg. Dr. Stummvoll: Das sagt die Mehrheit der Bevölkerung!) Mit solchen Methoden?

Es liegt mir ganz fern, die Politik von Landeshauptmann Pröll in der Sache generell zu kritisie­ren (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so schwach, was Sie da sagen!), aber dieser Landeshaupt­mann Pröll will mit der Sache, nämlich der Namensnennung „GRÜNÖ“ trotz „GRÜNE“, nichts zu tun haben. Herr Kollege Molterer von der ÖVP! Er will damit nichts zu tun haben, es ist ihm offenbar etwas peinlich. (Abg. Großruck: Gehen Sie zum Staatsanwalt!)

Peinlich ist jedoch, dass niemand anderer als Landeshauptmann Pröll Leiter jener Wahlbehörde ist, die dieser Gruppierung den Namen „GRÜNÖ“ zuerkannt hat. Davon will Landeshauptmann Pröll heute begreiflicherweise aber nichts mehr wissen. Besonders mutig finde ich das nicht, ehrlich gesagt (Beifall bei den Grünen und der SPÖ): zuerst Leiter einer Wahlbehörde zu sein und sich dann, wenn die Sache schief geht und auffliegt, davon zu distanzieren und andere die Sache ausbaden zu lassen. Das finde ich nicht besonders schön bezüglich jenen, die jetzt sozusagen den Scherben aufhaben.

Von Seiten der ÖVP wird uns – zumindest sinngemäß – gesagt: Seid nicht so empfindlich, das ist ein guter Schmäh! Warum macht ihr solch einen Wind um diese Sache? – Erlauben Sie mir dazu drei Bemerkungen.

Erstens: Ich finde es schon schlimm genug, wenn zwei Regierungsparteien – Regierungspar­teien! – eine Gruppierung unterstützen, die die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“ bezeichnet (Abg. Mag. Langreiter: Wiederholung!), aber es widerspricht auch dem Regierungsprogramm, dachte ich, und den österreichischen Interessen. Es widerspricht auch dem gesunden Menschenverstand, glaube ich. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Worte widerspre­chen auch der Notwendigkeit einer Sondersitzung!) Aber sei es darum, es ist das gute Recht dieser Gruppierung zu kandidieren, wenn sie die erforderlichen Unterschriften aufbringt, das ist gar keine Frage. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so schwach!) Selbstverständlich ist es ihr gutes Recht, aber warum mit Ihrer Unterstützung? Warum mit der Unterstützung der Österreichischen Volkspartei? Das müssen Sie einmal den Leuten erklären.

Zweitens: Es stimmt schon, dass dieser Streit um das E oder das Ö am Schluss einer gewissen Komik nicht entbehrt. (Abg. Dr. Stummvoll: Genau so ist es!) Das stimmt! Auch die diesbezüg­lichen Karikaturen der letzten zehn Tage sprechen eine deutliche Sprache. Die Karikaturisten aller Printmedien in Österreich hatten ja dieser Tage Highlife, es war wirklich sehr amüsant, im „Kurier“, im „Standard“, in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ und so weiter, muss ich sagen. Übrigens: nicht zu unseren Lasten – bevor Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, lachen.

Etwas amüsanter würde ich es finden, wenn man sich auch nur eine Sekunde lang vorstellen könnte, dass beispielsweise die ÖVP Niederösterreich einer neuen Liste – nennen wir sie zum Beispiel „Neue Österreichische Volkstumspartei“ – als Kurzbezeichnung den Namen „NÖVP“ zuerkennen würde. Kann man sich das vorstellen? Die Wahlbehörde mit ihrer Dominanz von ÖVP und FPÖ würde dann akzeptieren, dass auf dem Stimmzettel dann „ÖVP“ an erster Stelle und „NÖVP“ an zweiter Stelle stünde? – Sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Keine Sekunde lang kann man sich das vorstellen. (Abg. Dr. Stummvoll: Bei uns spaltet sich niemand ab!) Ich sehe Ihren Gesichtern ja an, dass Sie mir diesbezüglich zustimmen. Das ist undenkbar! Genau das, meine Damen und Herren von der ÖVP, zeigt die Willkür bei dieser Entscheidung.

Drittens: Der österreichische Verfassungsgerichtshof, Herr Molterer von der ÖVP, betrachtet meiner Meinung nach zu Recht diese Spielerei mit Kurzbezeichnungen keineswegs als preis­werte Unterhaltung von Krähwinkler – sagen wir es so – ÖVP-Funktionären, sondern als eine ernste Sache. (Abg. Scheibner: Von wo sind die?) Ich empfehle Ihnen dringend, die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage nachzulesen. Dieser geht eindeutig und nach­vollziehbar davon aus, dass freie Wahlen, die den so genannten wahren Wählerwillen erkennen lassen sollen, voraussetzen, dass eine Verwechselbarkeit von politischen Parteien nicht besteht, nicht bestehen darf.

Dazu gibt es einschlägige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes sowohl zu den Langbe­zeichnungen als auch zu den Kurzbezeichnungen der Parteien.

Meine Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat in solchen Fragen schon in weniger heiklen Fällen zugunsten einer Aufhebung von Wahlen entschieden. Wir streben eine Anfech­tung der Wahl und eine anschließende Aufhebung nicht an, überhaupt nicht. (Abg. Dr. Stumm­voll: Sie hätten auch keine Chance! Sehr klug!) Aber die Volkspartei und die FPÖ scheinen es darauf anzulegen, und das ist meiner Meinung nach ein unwürdiges Verhalten in einer funktio­nierenden Demokratie. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Mich würde interessieren, worin Sie in dem Antrag, den die Grünen heute eingebracht haben, Probleme sehen.

Wir würden ersuchen, über Folgendes zu diskutieren: Der Verfassungsgerichtshof möge eine Art Recht erhalten, so etwas Ähnliches wie eine Einstweilige Verfügung schon im Vorfeld einer Wahl erlassen zu können, um nicht erst im Nachhinein tätig werden zu müssen, wenn es zu spät ist, wenn es zu einer Anfechtung und zu einer Aufhebung von Wahlen kommt. Im Zivilbe­reich ist so etwas schon längst üblich: Wenn ein Unternehmer auf die Idee kommt, ein Coca- Cola-ähnliches Getränk anzubieten, und auf die Etikette „Koca Kola“ – mit zwei K – schreibt, dann hat er binnen Sekunden eine Millionenklage am Hals. (Abg. Scheibner: Sie machen aber eine ordentliche Werbung!) Nur politische Parteien sollen sich den genau analogen Fall gefallen lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) – Sehr lustig, Herr Kollege Molterer!

Wir schlagen weiters vor, dass die Nationalrats-Wahlordnung in mehreren Punkten klarer ge­fasst wird beziehungsweise geändert wird. Erstens muss es eine Regelung geben, die die Ver­wechselbar­keit von politischen Parteien ausschließt. Zweitens halten wir es für überflüssig, dass drei Abge­ordnete für andere politische Parteien Unterschriften abgeben und abgeben können. Das führt nur zu takti­schem Missbrauch, wie insbesondere jetzt der Fall Niederösterreich wieder zeigt. Drittens regen wir an, dass die Landtage mittels eines Bundesverfassungsgesetzes ange­halten werden, ihre Wahlordnungen entsprechend dieser Regelung klarer zu fassen, damit derartige Vorgangswei­sen wenigstens in Zukunft nicht mehr vorkommen können, wenn sie auch für dieses Mal nicht mehr verhinderbar sind.

Ich glaube, meine Damen und Herren, insbesondere jene von der ÖVP, es gibt hier einen demokratiepolitischen Handlungsbedarf, und ich ersuche Sie sehr, unsere Bedenken ernst zu nehmen und diesem Dringlichen Antrag heute zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.52


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, Sie haben heute einen Dringlichen Antrag eingebracht,


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der meines Erachtens an einem anderen Ort diskutiert gehört, nämlich im Niederösterreichi­schen Landtag. Dort gehört er hin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Dort kann man das nicht diskutieren!)

Ich halte wenig davon, dass Landtage ständig Bundesthemen diskutieren oder der Nationalrat Landesthemen diskutiert. Dafür haben wir ja einen funktionierenden Föderalismus, dass jede Institution für ihre Themen sowohl legislativ wie natürlich auch kontrollierend tätig wird. Wie wir alle wissen, funktioniert die Demokratie in Österreich, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene, und daher sollen diese Themen sowohl im kontrollierenden als auch im gesetz­gebenden Bereich dort auch diskutiert werden.

Sie haben drei Punkte in Ihrem Dringlichen Antrag vorgeschlagen. Der erste ist erfüllt, über den zweiten kann man jederzeit diskutieren, und den dritten halte ich für äußerst problematisch. Ich werde es kurz begründen.

Für eine Änderung der Nationalrats-Wahlordnung gibt es überhaupt keinen zwingenden Grund, denn die Nationalrats-Wahlordnung – Sie haben ja selber die Nationalrats-Wahlordnung zitiert – ist ausreichend, um Ihrem Anliegen gerecht zu werden. Ich verstehe Ihr Anliegen durchaus, Sie wollen nicht, dass Ihre Partei mit der Lang- und Kurzbezeichnung einer anderen politischen Partei verwechselt wird. Ich glaube, dass die Nationalrats-Wahlordnung vollkommen diesem Gedanken entspricht, und es ist, wie wir wissen, in der Vergangenheit immer wieder die Gele­genheit gegeben gewesen, Wahlen in freier und fairer Art und Weise in einem offenen Wettbe­werb aller politischen Gruppierungen durchzuführen.

Dazu kommt, dass wir eine ganz klare und unabhängige Entscheidungsmöglichkeit für Streit­fragen haben. Sie haben völlig Recht, es kann im Einzelfall zu Problemen kommen, und das ist auch auf Nationalratsebene immer wieder der Fall gewesen. Ich darf nur erinnern: Ich glaube, im Jahre 1986 hatten wir drei Grün-Gruppierungen, deren Kurzbezeichnungen sich übrigens auch nur durch einen Buchstaben unterschieden haben: VGÖ, DGÖ und und und, und der Ver­fassungsgerichtshof hat darüber befunden.

Das heißt, jede Entscheidung der Wahlbehörde ist jederzeit anfechtbar, die Judikatur des Höchstgerichtes, die Ihnen natürlich bekannt ist, ist dazu sehr differenziert und umfangreich. Die Entscheidungen sind jederzeit auch überprüfbar. Das bedeutet konkret: Wenn durch eine solche Entscheidung das Wahlergebnis beeinflusst wird, dann hat die Rechtsprechung sogar die Möglichkeit, Wahlen wiederholen zu lassen.

Wir haben daher ein Maximum an Transparenz, an Kontrolle und Korrekturmöglichkeiten, und ich finde es sehr gut, dass diese Korrektur- und Kontrollmöglichkeiten in den Händen der unab­hängigen Justiz liegen. Dort gehören sie auch hin – nicht in eine Sondersitzung des National­rates! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: In Niederösterreich ist es finster!)

Zweitens fordern Sie, dass der Bund, der Bundesgesetzgeber den Ländern hinsichtlich ihrer Wahlordnungen Vorschriften machen soll, punktuelle Auflagen erteilen soll, und zwar in Form eines Verfassungsgesetzes. Ich halte das für sehr problematisch, Herr Abgeordneter, denn die Verfassung legt ja die Eckpunkte fest, die für eine demokratische und zulässige Landtagswahl­ordnung Geltung haben, und sie werden auch jederzeit überprüft. Andererseits jetzt aber im Detail weiter zu gehen ist meiner Meinung nach deswegen sehr problematisch, weil es natürlich als ein Eingriff in die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten der Länder und der Landtage inter­pretiert werden könnte.

Es ist aus meiner Sicht auch wirklich ungerechtfertigt, hier den Eindruck erwecken zu wollen, als hätten die Länder Österreichs, die zum Teil eine längere demokratische Tradition haben als der Bund, einen schlechteren demokratischen Standard als der Bundesgesetzgeber. Das ist einfach nicht richtig, und ich bitte Sie daher wieder, Diskussionen über die Verbesserung einer Landtagswahlordnung, die man jederzeit führen kann, dort zu führen, wo sie hingehören,


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nämlich im Niederösterreichischen Landtag, der der zuständige Gesetzgeber ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt, dass sich die meisten, ja alle Landtagswahlordnungen im Großen und Ganzen, sogar auch in den Formulierungen, von der Nationalrats-Wahlordnung nur unwesentlich unter­scheiden, weil eben mit den von der Verfassung vorgegebenen Eckpunkten ein demokratisches und faires Wahlteilnahmerecht garantiert ist.

Weiters haben Sie einige zusätzliche Verbesserungswünsche – über die kann man natürlich immer diskutieren. Ich glaube, dass der Konvent, den wir demnächst einrichten werden, ein sinnvolles Diskussionsforum dafür ist, wo unabhängig von einem Anlassfall über all diese Dinge gesprochen werden kann. Ich verstehe natürlich, Sie sind Wahlkämpfer in Niederösterreich, Sie wollen das, und jetzt haben Sie hier auch die Möglichkeit, vor den Fernsehzuschauern Ihre Themen zu artikulieren, auch wenn es besser im Niederösterreichischen Landtag Platz haben würde, aber okay. (Abg. Öllinger: Dort geht es nicht!)

Ich glaube dennoch, dass einige Themen diskutabel sind, und die gehören in den Konvent, so wie auch manche Vorschläge, die wir von der Bundesregierung vorgelegt haben, wie etwa die Verbesserung der Teilnahmemöglichkeiten von Wählerinnen und Wählern, wie etwa die Frage des Briefwahlrechtes, das es besonders kranken Menschen oder Österreichern im Ausland ermöglichen sollte, ihr demokratisches Recht einfacher auszuüben, wie es auch in anderen EU-Ländern der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube daher: Punkt eins Ihrer Wünsche ist erfüllt; Stichwort: Nationalrats-Wahlordnung. Punkt zwei, nämlich Verbesserungsmöglichkeiten, werden wir im Konvent diskutieren. Punkt drei, nämlich den Eingriff des Bundes via Verfassungsgesetz in die Landeskompetenzen, lehne ich ab, weil das eine unzulässige und nicht notwendige Bevormundung ist.

Ich glaube, die Österreicher vertrauen durchaus den demokratischen Institutionen und den un­abhängigen Gerichten. Ich wünsche mir, dass bei der Wahl am 30. März viele Niederösterrei­cherinnen und Niederösterreicher zur Wahl gehen, ihr demokratisches Recht ausüben. Ich bin mir sicher, dass sie auch ganz genau überlegen werden, wem sie ihre Stimme geben, und ich hoffe sehr, dass die politische Mitte gestärkt wird, die Stabilität, natürlich auch der europapoli­tische Kurs, der gerade für Niederösterreich so wichtig ist, weil es von der EU-Erweiterung besonders und, wie ich hoffe, im Positiven berührt sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Sie wissen, 10 Minuten Redezeit für jeden Redner.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.00


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler, Sie meinten, die Thematik gehöre nicht in dieses Haus. Ich meine das schon, und zwar aus mehreren Gründen. Es waren ja nicht zuletzt nam­hafte Bundesverfassungsrechtler wie Theo Öhlinger und Heinz Mayer, die gemeint haben, da sei man in einem Bundesland zu weit gegangen, da sei eine übermächtige Partei zu weit gegangen, indem sie ihre Vormachtstellung gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner auf Bundes­ebene – also Blau und Schwarz Hand in Hand – ausgenützt habe, ausgenützt zu Lasten einer kleineren Partei, ausgenützt natürlich auch zu Lasten der Wählerinnen und Wähler. Und das lehnen wir ab! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben gemeint, dies sei eine Angelegenheit des Föderalismus, das ginge Sie, das ginge dieses Haus nichts an. Molterer nickt dazu heftig. – Nein, so ist es nicht! Denn Sie wissen genau, dass Landesrecht, auch Landesverfassungsrecht dem Bundesverfas­sungsrecht nicht widersprechen darf, und ich glaube auch, dass die Bevölkerung ein Recht hat, über die österreichischen Bundesländer hinweg im gesamten Bundesgebiet nach ungefähr


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gleichen demokratiepolitischen Spielregeln vertreten zu sein und dass ihre Rechte nach den gleichen Spielregeln gewahrt werden. – Das ist derzeit nicht der Fall.

Herr Abgeordneter Molterer, können Sie erklären, wieso etwa zum Einbringen von Anträgen im Burgenland 11 Prozent der Abgeordnetenstimmen, in Niederösterreich über 10 Prozent und auf Bundesebene 2 Prozent notwendig sind? Sind die Wählerinnen und Wähler, die da vertreten werden, im Burgenland oder in Niederösterreich weniger wert? Warum soll da das Mandat eines Abgeordneten weniger zählen? Warum soll die Inanspruchnahme von klassischen Rech­ten, die zu einem Mandat gehören – Anträge zu stellen, mit den Regierenden darüber zu disku­tieren –, nur in Teilen des Bundesgebietes möglich sein und in anderen nicht? – Das ist nicht zu verstehen, das ist abzulehnen, und das ist rechtlich problematisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sagen: Bringen Sie dieses Thema in einen Landtag! – Meine Damen und Herren! Das ist nach der Ge­schäftsordnung nicht möglich, nach den Geschäftsordnungen, die Sie mit Mehrheit so beschlie­ßen, damit andere dort nicht zu Wort kommen. Deswegen machen wir Ihnen den Vorwurf, dass Sie, die Sie in vielen Bundesländern wirklich deutliche, überwältigende Mehr­hei­ten haben, genau in diesen Bundesländern – es betraf in der Vergangenheit Niederöster­reich, es betraf in der Vergangenheit auch die Steiermark; mein Kollege Brosz wird dazu Näheres ausführen, es betraf nicht nur ein Bundesland –, genau dort, wo Sie die Fülle Ihrer Vormacht gespürt haben, auch noch auf die Ebene von Tricks und Täuschungen gegangen sind. Und ich frage Sie: Hat das eine Partei, die in den Umfragen so deutlich voran liegt, haben Sie das wirklich notwendig, auf diese Ebene herunterzusteigen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wissen Sie, wir waren nie irgendwie kleinlich oder angerührt oder verletzlich, aber das hat ... (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Nein! Nein! Überhaupt nicht! – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Nein, gar nicht, gar nicht! Wir reden ja immer noch mit Ihnen, und wir streiten immer noch mit Ihnen! (Beifall bei den Grünen.) Aber wissen Sie, wenn mit amtlicher Mitteilung eines Bürgermeisters im Vorfeld der Nationalratswahl zur Wahl der ÖVP aufgerufen wird und dazu noch falsche Tatsachen verbreitet werden, dann haben Sie völlig Recht – einige haben das ja im Vorfeld gerufen –: Das ist ein Fall für die Staatsanwalt­schaft, amtswegig! Das braucht nicht unser Einschreiten! Ich nehme an, irgendwer von der Staatsanwaltschaft wird uns hören. Meine Damen und Herren, handeln Sie! Das ist nach dem StGB verboten, und das StGB muss auch für die Mächtigen in diesem Lande gelten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich finde, dass das eine Partei, die eine solche Vormachtstellung hat und durchaus auch Dinge im Bundesgebiet realisiert hat, die in Ordnung sind – nicht umsonst haben wir sehr ernsthafte Koali­tionsgespräche geführt –, wirklich nicht notwendig hat. Ich frage Sie, ob es wirklich angeht, dass zumindest in Teilbereichen ganze Bezirksorganisationen in einer Nacht- und Nebelaktion Unterschriften gegen die Grünen sammeln für eine Gruppe, die sich nie so genannt hat, son­dern die man extra noch für Zwecke dieser Wahl erst im März dieses Jahres umbenannt hat, damit sie eben ein bisschen ähnlicher klingt und damit sich eben vielleicht doch ein paar Leute irren. Ich frage Sie, ob das dann noch rechtens ist, was Sie davon halten, wenn dieselben Leute, die in Amstetten, Scheibbs, Horn und Waidhofen ihre Unterschriftentrupps aussenden und sagen: Der Bürgermeister macht das schon! (Abg. Hornek: Das stimmt nicht!) – wir haben lauter eidesstattliche Erklärungen diesbezüglich; das können wir ruhig auch vor die Gerichte bringen –, wenn dieselben Leute, die diese Unterschriften sammeln, ÖVP-Mandatare, freiheit­liche Mandatare, sich dann am Nachmittag, nachdem sie am Vormittag diese Unterschriften sammeln waren, in der Wahlbehörde zusammensetzen und sagen: Ist das recht oder unrecht? Na ja, ist schon recht, ist schon recht! – Die SPÖ war dagegen, natürlich haben sich auch Grüne dagegen ausgesprochen, aber die blau-schwarze Mehrheit auf Bundesebene (Zwischen­ruf bei der ÖVP) und die blau-schwarze Mehrheit im Land haben so entschieden. (Abg. Scheib­ner: So entscheiden Sie in der Wahlkommission? Nach solchen Kriterien ent­scheiden Sie in der Wahlkommission? Das ist aber sehr interessant! – Abg. Mag. Molterer: Haben Sie gesagt, dass Sie diese Leute vor Gericht bringen wollen?)


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Wie gesagt, das muss die Staatsanwaltschaft von sich aus tun, Herr Molterer, das braucht nicht mein Einschreiten. Das braucht nicht mein Einschreiten! (Abg. Mag. Molterer: Sie haben ge­sagt, Sie werden die Leute, die Unterschriften gesammelt haben, vor Gericht bringen! Ist das Ihr Demokratieverständnis?) Die Klagsdrohungen haben Ihre Funktionäre gegen Grüne ausgespro­chen, als wir das aufgedeckt haben! Und ich frage Sie einmal mehr: Hat es eine Partei, die in den Umfragen bei ungefähr 60 Prozent liegt, notwendig, jene, die einen Schwindel aufdecken, mit Klagen einzudecken? – Das ist doch wirklich eigentlich niedrig, und ich finde das ziemlich feig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, damit Sie es nur recht wissen und damit Sie es auch sehen, wofür ÖVP-Mandatare, ÖVP-Bürgermeister, freiheitliche Landtagsabgeordnete ihre Unterschrift gegeben haben (die Rednerin zeigt ein Schriftstück): Veto zur EU-Osterweiterung. – Bravo, kann ich nur sagen! (Abg. Mag. Molterer: Ihre Spitzenkandidatin!)

Als wir dann darauf aufmerksam gemacht haben, hat der Herr Bürgermeister gesagt: Das war nicht ich, es gibt mehrere, die so heißen! Das habe nicht ich unterschrieben! – Dann haben wir den Nachweis erbracht, dass es doch so war, und dann hat er gesagt: Ich habe nicht gewusst, was ich unterschrieben habe! – Dazu kann ich nur bravo sagen, wenn die mächtigste Partei im Land Funktionäre, ganze Bezirksgruppen hat, die irgendetwas unterschreiben, von dem sie nicht wissen, was es ist. Bravo, kann ich nur sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Auch an Ihre Adresse, Herr Bundeskanzler, der Sie sagen: Was geht mich das an? Ich bin der Bundeskanzler dieser Republik, und das ist irgendwo in einem Bundesland! – Herr Bundes­kanzler! Die Proponentin dieser Liste hat Sie und Ihre Ausführungen im Jahr 1998 mit Worten Hermann Görings verglichen. Ich will das hier nicht zitieren, weil das nicht in dieses Haus ge­hört, aber ich stelle Ihnen die Frage, für wen Sie oder Ihre Funktionäre da unterschreiben. (Zwi­schenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn dieselbe Proponentin dieser Liste Europol-Beamte mit der Gestapo vergleicht, dann appelliere ich dringend, dass diese Funktionäre sich in Hinkunft besser anschauen, was sie unterschreiben. Und den Wählerinnen und Wählern empfehle ich, keine Liste zu wählen, bei der die Funktionäre nicht wissen, was sie tun und was sie unterschreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stumm­voll. Wunschgemäß wird die Uhr auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

15.09


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, ich finde es schon ein bisschen beklemmend (Ah-Rufe bei den Grünen – Abg. Dr. Grünewald: Fürchtet euch nicht!), wenn am heutigen Tag, an dem die ganze Welt sorgenvoll in den Irak blickt, an dem Mil­lionen Menschen auf der Straße für den Frieden demonstrieren (Abg. Mag. Maier: Wofür haben Sie jemals demonstriert?), an dem die Regierungen auf der ganzen Welt Strategien entwickeln, wie der Schaden durch diesen Konflikt für das eigene Land minimiert werden kann, von mög­lichen Terroranschlägen bis hin zur Frage, wie man den Flüchtlingsstrom bewältigen kann, wenn an einem solchen Tag die grüne Fraktion, die einmal im Jahr eine Sondersitzung verlan­gen kann, eine Sondersitzung zu dem Thema abhält, ob eine Kurzbezeichnung einer Liste auf dem Stimmzettel einer Landtagswahl genügend Unterscheidungsmöglichkeiten bietet. (Abg. Öllinger: So etwas Scheinheiliges!)

Meine Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger in Niederösterreich werden sich ein Bild über Ihre politischen Prioritäten machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Der 30. März wird Ihnen zeigen, wie die Bürgerinnen und Bürger in Niederösterreich Ihr Verhal­ten beurteilen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist doch beschämend, was Sie da von sich geben!)


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Meine Damen und Herren! Was liegt hier vor? – Sie sagen, es liegt Wählertäuschung vor, weil sich auf dem Wahlzettel neben der Langbezeichnung – die eine Fraktion hat eine Zeile, die andere Fraktion hat drei Zeilen – zwei Kurzbezeichnungen befinden, die sich durch einen Buch­staben unterscheiden, genauso wie sich SPÖ und FPÖ durch einen Buchstaben unterscheiden, genauso wie sich KPÖ und SPÖ durch einen Buchstaben unterscheiden. Ich habe hiefür nur eine Erklärung, es gibt eigentlich nur zwei Varianten: Entweder, meine Damen und Herren – kommen Sie heraus und erklären Sie das hier! –, halten Sie den Wähler wirklich für so dumm, dass er das nicht unterscheiden kann – das wäre eine Beleidigung des Wählers –, oder Sie sagen, Sie haben so wenig eigenes Profil (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass der Wähler es wirklich nicht unterscheiden kann.

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns einmal an, was hier wirklich vorliegt! Es ist so, dass sich die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Landtagswahl 1999 aus dem Bezirk Mödling mit der grünen Parteiführung zerstritten und eine eigene Liste gegründet hat. (Abg. Mag. Mainoni: Genau das ist es!) Familienkrach im Hause Grün. Daraus abzuleiten, dass dieses Haus die Bundesverfassung ändern soll, weil grüne Splittergruppen untereinander streiten, das ist eine Zumutung für dieses Hohe Haus, Herr Kollege Grünewald! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt, dass seit 1988, also innerhalb von 15 Jahren, auf Landes- und Bundesebene Grün-Gruppierungen insgesamt acht Mal ihre Listenbezeichnungen geändert haben. (Abg. Mag. Mainoni: Zerstrittener Haufen!) Ich habe einen Mitarbeiter unseres Klubs gebeten, sich das anzuschauen. Er ist dann zu mir gekommen und hat – Pardon! – den eher derben Ver­gleich gewählt, die Grünen hätten ihre Bezeichnungen so rasch geändert, wie manche ihre Unterhosen gewechselt hätten. Pardon für diesen derben Vergleich. Acht verschiedene Be­zeichnungen innerhalb von 15 Jahren, meine Damen und Herren! Und da erwarten Sie, dass dieses Haus die Bundesverfassung ändert? Das erwarten Sie wirklich? Das ist ein absurder Missbrauch des Parlaments, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Wähler kann genau unterscheiden zwischen SPÖ, KPÖ und FPÖ. Der Wähler kann sehr genau unterscheiden zwischen Ihrer Fraktion und der neuen Fraktion, einer Kandidatin, die aus Ihrem grünen Haus stammt, Herr Kollege Grünewald. Aber ich gebe zu, Sie haben es nicht leicht als Opposition in Niederösterreich. Es ist dort so, wie es immer ist (Abg. Dr. Grünewald: Ja!): Die Opposition hat es umso schwerer, je besser die Regierung ist. Wie schwer müssen Sie es in Niederösterreich haben, Herr Kollege Grünewald? Wie schwer müssen Sie es dort haben? (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ihre frühere Spitzenkandidatin – ich habe das heute zufällig im „Standard“ gelesen –, die jetzt für „GRÜNÖ“ kandidiert, hat heute laut „Standard“ gesagt, eigentlich dürften Sie sich nicht Grüne nennen, denn mit Grün hätten Sie nichts mehr am Hut. – Zitat aus der heutigen Ausgabe des „Standard“, Herr Kollege Grünewald! (Abg. Dr. Van der Bellen: Sie unterstützen also diese Liste!?)

Ich sehe ein, Sie haben in Niederösterreich noch ein Problem, nämlich dass Sie dort keine Kernkompetenz mehr haben. Niederösterreich ist heute unter Erwin Pröll und seinem Team das Umweltland Nummer eins. Wir haben in Niederösterreich die meisten Naturparks. Wir sind, bitte, das einzige Bundesland mit zwei Nationalparks. Wir waren das erste Bundesland, das zum Schutz des Wassers eine eigene Wassercharta verabschiedet hat. Wir haben in Nieder­österreich 200 Klimabündnisgemeinden, meine Damen und Herren. Wir haben in Niederöster­reich, wie Ihre frühere Abgeordnete, Monika Langthaler, unlängst in einem Pressegespräch mit Erwin Pröll bestätigt hat, den größten Anteil an ökologischer Landwirtschaft. Dort sitzen die wahren Grünen, unsere Landwirte, unsere Bauern! Die tun etwas für die Erhaltung der Kultur­landschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die sorgen dafür, dass eine lebens­werte Umwelt erhalten wird, Herr Kollege Grünewald. Das ist Ihr wahres Problem!

Aber glauben Sie mir, der Wähler kann genau unterscheiden, wer Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat für die Bürgerinnen und Bürger und für das Land arbeitet (Abg. Groß-


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ruck: So ist es!), und wer sich fünf Jahre nicht blicken lässt und zehn Tage vor der Wahl hier im Hohen Haus ein riesiges Spektakel macht. Das ist es, was Sie wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben das nächste Problem, nicht nur dass Niederösterreich heute das Umweltland Num­mer eins ist, herzeigbar. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Stimmt ja nicht!) – Bitte, ich weiß es aus meinem eigenen Wahlkreis: Ökokreislauf Harbach – ein Vorbildprojekt für Europa, Edelhof bei Zwettl – ein Vorzeigeprojekt, die Biolandwirtschaft im Horner Becken, etwa in Maiersch. Das sind ja lauter Projekte, wo die Praxis längst bewiesen hat, sie können es besser als jede Grün­fraktion in diesem Haus oder in einem Landtag.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines auch sagen, weil hier immer wieder die EU angesprochen wurde und gerade weil Niederösterreich vor unglaublich spannenden Jahren steht: Kein Land – Professor Felderer hat es bestätigt – hat sich so intensiv auf die EU-Erweite­rung vorbereitet wie Niederösterreich. Daher wage ich zu behaupten, dass die Vorhersage des Herrn Landeshauptmannes Pröll, Niederösterreich werde erster Gewinner der EU-Erweiterung sein, auch tatsächlich eintreten wird. Bei einer solchen Politik, wo das Land in guter Hand ist, wo die Menschen Vertrauen haben zu Erwin Pröll und seinem Team, da tun Sie sich natürlich schwer. Daher heute dieses Politspektakel, das wir ablehnen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 5 Mi­nuten haben Sie gewünscht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.17


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich finde es etwas schade, dass der Bundeskanzler – und da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Abgeordneter – in dieser Situation diese Sondersitzung nicht genützt hat, auch eine Erklärung zum Irak abzugeben. Aber diese Chance wurde vertan. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Das darf er ja gar nicht! Wer hat denn das eingebracht?) Es ist schade, dass er das nicht gemacht hat. Es wäre eine Chance gewesen, die österreichische Bevölkerung dar­über zu informieren. Schade um die vertane Chance!

Zum Thema. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob es ein Landes­hauptmann Pröll, der hier in den buntesten und schillerndsten Farben von einem Vorredner dar­gestellt wurde, wirklich notwendig hat, dass er seinen Parteiapparat dazu missbraucht, Unter­schriften zu sammeln, um eine wirklich fragwürdige Gruppierung in Konkurrenz zu einer demo­kratisch fundierten Partei zu stellen. Braucht dieser Landeshauptmann wirklich derartige Metho­den? Ist dieses Doppelspiel notwendig? Ich frage mich, ob es jemand, der durchaus auch seine Vorzüge für das Land hat, wirklich notwendig hat, so zu agieren. – Ich glaube, dass diese tiefe Lade seinem Standard nicht entspricht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber dieses Doppelspiel haben wir ja schon einmal erlebt. Wir haben dieses Doppelspiel ja schon erlebt, als er halbherzig diese blau-schwarze Regierungsbildung kritisiert hat – halbher­zig! Seit sein Neffe in der Regierung sitzt, hört man nichts mehr davon. Da ist Blau-Schwarz auf einmal in Ordnung. Man hat keine Kritik mehr gehört. (Abg. Scheibner: Er hat sich überzeugen lassen, dass die Regierung gut ist!)

Dann sitzen hier die niederösterreichischen Abgeordneten, die nicht hier sitzen würden, wenn sie sich nicht in der niederösterreichischen Partei durchgesetzt hätten und sozusagen die Mei­nung des Chefs der niederösterreichischen Partei hier vertreten würden. Das heißt, sie, die niederösterreichischen Abgeordneten, die angeblich mit Blau-Schwarz nichts zu tun haben oder deren Landeshauptmann sich von Blau-Schwarz abheben will, vertreten hier in diesem Haus die Anhebung der Mineralölsteuer, die die Pendler besonders trifft, und die Selbstbehalte bei einem Besuch von einem Arzt.


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Ich verweise auf dieses Doppelspiel: Auf der einen Seite bin ich der Überlegene, über etwas Stehende, aber dann missbrauche ich meinen Machtapparat und meinen Parteiapparat, um eine Gruppierung zu bilden, die ganz einfach den Grünen schadet. Und dann bin ich noch der Chef der Wahlbehörde und lasse das zu. – Dieses Doppelspiel ist so vordergründig!

Auf der einen Seite diese schwarz-blaue Ablehnung, und auf der anderen Seite stimmen wir all diesen Belastungen zu. Wir identifizieren uns mit diesem Belastungspaket, wir sind als ÖVP-Niederösterreich Teil dieses Belastungspakets. – Das ist ein Doppelspiel, das die Bevölkerung durchschauen wird! Und ich glaube nicht, dass er das notwendig hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist schade, dass er sich nicht als Staatsmann gibt und nicht als Staatsmann lebt. Es ist schade, denn das ist Kleinkariertheit. Das ist eines Landeshauptmannes von Niederösterreich nicht würdig, und das ist schon gar nicht würdig einer staatstragenden Partei wie der ÖVP.

So wie Sie das darzustellen versucht haben, stimmt das alles nicht im Lande Niederösterreich. Ich erinnere nur daran, dass der niederösterreichische Finanzlandesreferent Landesrat Sobotka die Steuermittel in der Wohnbauförderung auf dem Aktienmarkt verspekuliert. Er verspekuliert sie! (Abg. Dr. Spindelegger: Ihre Zustimmung! – Abg. Dr. Stummvoll: Viermal zugestimmt!) Es kann schon sein, dass in den Landesgremien ein Beschluss gefasst wird, dass man sie auf dem Kapitalmarkt anlegt, aber wenn Landesrat Sobotka unfähig ist, den Kapitalmarkt zu durch­schauen, und im Jahr 2002 270 Millionen € oder 3,7 Milliarden Schilling an Wohnbauförde­rungsmitteln verspekuliert, dann ist das Unfähigkeit! Dieses Land braucht Kontrolle, damit es nicht zum Selbstbedienungsladen der ÖVP wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! 3,7 Milliarden Schilling auf dem Aktienmarkt verspekuliert bedeutet, dass 10 000 Wohnungen nicht gebaut werden konnten im Jahr 2002, 10 000 Wohnungen, weil der Landesrat für Finanzen spekulieren gegangen ist! Er ist ganz einfach auf den Aktienmarkt gegangen. Das hat ihm niemand angeschafft, sondern das war seine eigene freie Entschei­dung. Also dieses Land braucht Kontrolle!

Zu den Auftritten des Landeshauptmannes vielleicht noch ein Wort, weil dies auch diese Doppelbödigkeit zeigt. Bei manchen Spatenstichen tritt der Landeshauptmann so auf, dass die SPÖ-Plakate von den Arbeitern der Straßenverwaltung weggeräumt werden müssen, und die Plakate, die um Bäume gehängt sind, werden mit weißen Tüchern verhängt, weil der Landes­hauptmann keine SPÖ-Plakate sehen will. Das ist ein Demokratieverständnis, das in diese tiefe Lade passt, die ich vorher erwähnt habe. Und ich glaube nicht, dass das ein Landeshauptmann notwendig hat in diesem Land. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Rosen­kranz. 10 Minuten ist Ihr Zeitlimit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.23


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Professor Van der Bellen! Sie haben in Ihrer Einleitung zu erkennen gegeben, dass Sie selbst befürchten, dass man sich über das Thema dieser Sondersitzung wundert. Sie haben begründet, dass Ihnen das wichtig ist. Aber Sie haben schon Recht. Sie können das befürchten, diese Befürchtungen bestehen zu Recht, denn ganz offensichtlich sind Sie der Meinung, dass Sie die fünf Jahre, die in Niederösterreich von den Grünen nicht sehr gut genützt worden sind, hier ein bisschen kompensieren müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie müssen diese Sondersitzung als Wahlkampfforum nützen, weil eben in fünf Jah­ren nicht genug passiert ist. (Rufe bei der SPÖ: Rosenstingl!)

Ich bin auch darüber verwundert, wie gering Sie über Ihre eigenen Wähler denken. Als jemand, der in Niederösterreich seine neue Heimat gefunden hat, muss ich die Niederösterreicher schon verteidigen. Sie können lesen und schreiben, und sie können vor allem auch Langbezeichnun­gen erkennen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich bin überzeugt davon, dass sich die Niederösterreicher ein Bild darüber machen, wen sie wählen sollen.


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Ich bin auch überrascht über Ihren demokratiepolitischen Trugschluss. Mandatare haben die Kandidatur einer Liste unterstützt, und Sie unterstellen Identifikation mit den politischen In­halten. Das ist völlig unberechtigt. Ganz im Gegenteil, diese Personen, die diese Liste tragen, stehen Ihnen nahe. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wirklich nicht!) Es ist gerade eine Aussage aus dem Jahr 1998 von Frau Kollegin Petrovic zitiert worden. Ich stelle hier klar und fest, dass die Spitzenkandidatin dieser Liste im Jahr 1998 Ihre Bezirksspitzenkandidatin im Bezirk Mödling war. Diese Personen stehen Ihnen nahe, und es besteht im Übrigen kein Anlass, aus der Unter­stützung einer Liste zugleich eine Identifikation mit deren Inhalten herauszulesen.

Ähnlich seltsam kommt mir auch Ihr Antrag dahin gehend vor, dass Sie eine ungeheure Privile­gierung der bereits im Nationalrat vertretenen Parteien wünschen. Da ist Ihnen einiges vom Wagemut Ihrer Anfangszeit abhanden gekommen. Ein bisschen mehr Förderung der direkten Demokratie hätte ich bei Ihnen eigentlich schon vorausgesetzt.

Da bin ich jetzt ganz in Niederösterreich. Niederösterreich ist ein gutes Land, da gebe ich den großartigen Plakaten natürlich Recht. Es sind fleißige Menschen, es sind begabte Menschen, es sind eigentlich vor allem sehr zurückhaltende Menschen, denen lärmender Prunk und Protz fernstehen. Nicht allen, Ausnahmen bestätigen die Regel, auch wenn in diesem Fall der Lan­deshauptmann die Ausnahme ist. Aber die Niederösterreicher leben ein bisschen nach dem Prinzip „Mehr sein als scheinen“, auch nicht alle, noch einmal: Ausnahmen bestätigen die Regel, auch wenn es diesmal der Landeshauptmann ist.

Aber da hätte ich mir doch gedacht, dass Sie vielleicht auf diese Themen ein bisschen mehr Augenmerk legen, und zwar gerade in den Bereichen, die Sie interessieren, dass Sie zum Bei­spiel kritisieren, dass es für die Tierheime nach wie vor eine ungenügende finanzielle Grundlage gibt. Wenn das geschafft worden wäre, dann hätte vielleicht der Elchbulle auch verschmerzt, dass er sich nicht Erwin nennen darf. Ich glaube, es wäre besser gewesen, die Tierheim­finanzierung richtig zu stellen.

Ich meine, dass Sie hier am Thema vorbeigehen. Sie haben in Niederösterreich viel Zeit ge­habt, Sie haben sie nicht genutzt, und Sie versuchen, sie jetzt zu nutzen. Niederösterreich wäre sehr wohl eine Sondersitzung wert, es gibt genügend Probleme. Niederösterreich ist das Land, das von der Osterweiterung am meisten betroffen sein wird. Es ist die Frage zu stellen: Ist Niederösterreich gut vorbereitet? Wie wird es mit dem Arbeitsmarkt sein? Wir hatten in Nieder­österreich voriges Jahr die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945.

Man kann die ÖVP zum Beispiel fragen: Werden Sie die sieben Jahre Übergangsfrist auch ein­halten, oder werden Sie, wie man so hört, darauf drängen, dass sie verkürzt wird? – Das wäre etwas, worauf sich der Landeshauptmann zum Beispiel jetzt festlegen müsste. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder aber was ist mit dem Wirtschaftsstandort? Mit Schlagwörtern wie „Top Ten“ ist zu guter Letzt wenig gemacht. Sie alle kennen die EUROSTAT-Rankings, in denen Niederösterreich unter dem europäischen Schnitt liegt, und zwar nicht weil die Leute nicht könnten. Die Leute sind – noch einmal – fleißig und begabt. Die Wirtschaftspolitik richtet sich ausschließlich auf Show und zeigt wenig Substanz. Das ist es, was man hier sagen könnte, was man hier sagen müsste.

Herr Kollege Wittmann, wenn Sie auf Sobotka zu sprechen kommen, dann muss ich sagen, ich gebe Ihnen Recht, es ist ein Skandal, wie dort mit öffentlichen Geldern umgegangen wird. Nur, darf ich Ihnen vielleicht noch einmal sagen, wie mutig Ihre Kollegen in Niederösterreich sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Das war noch zu meiner Zeit als Klubobfrau. Sie wissen vielleicht, im Niederösterreichischen Landtag stand es in der letzten Legislaturperiode 28 : 28. Das heißt, es war immer wichtig, dass jeder da war, und es war so, dass man, wenn sich alle anderen ver­einigt hatten, Blau, Rot und Grün, zumindest den Antrag der ÖVP zurückweisen konnte, mehr nicht, immerhin. Wenn allerdings jemand von der ÖVP gefehlt hat, dann bot sich die einzigartige Gelegenheit, dass man einen Antrag gegen die ÖVP beschließen konnte.


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Landtagssitzung: Roter Antrag zum Thema Lehrlinge, hat inhaltlich auch unsere Meinung getroffen, wir haben selbst sehr oft Initiativen dazu gesetzt. Wir haben gesagt, eigentlich ist das von uns zu unterstützen. Dann haben wir abgezählt und gesagt, schaut, bei den Schwarzen ist schon einer nach Hause gegangen, sensationelle Gelegenheit, man kann einen Antrag durch­bringen.

Sehr geehrter Herr Kollege Wittmann! Wir haben also Ihrer Partei den Vorschlag gemacht, sie zu unterstützen, die Grünen waren auch mit dabei. Und was ist dann passiert? – Die SPÖ hat einen ihrer Leute nach Hause geschickt, damit die ordentliche Verhältnismäßigkeit der nieder­österreichischen Zustände wieder gegeben ist. Sie haben einen Mann nach Hause geschickt, damit Ihr eigener Antrag niedergestimmt werden kann. Meine Damen und Herren! Sie brauchen sich hier nicht großmächtig und wichtig zu machen! Sie müssen in Niederösterreich Mumm und Mut beweisen! Hier ist der falsche Ort. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch einmal zur Prioritätensetzung der Grünen. Sie haben selbst befürchtet, dass man sich wundert. Man wird sich wundern. Es gibt genügend andere Dinge, die einer Sondersitzung wert wären (Abg. Öllinger: Die Politikerbezüge vielleicht!), allgemeinpolitisch, aber auch zum Thema Niederösterreich. Sie haben mit dieser Sondersitzung eigentlich nur klar gemacht, dass Sie Ihr politisches Versagen in Niederösterreich noch einmal zu kompensieren versuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Glawisch­nig. Frau Abgeordnete, Sie haben wunschgemäß 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.30


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Es geht hier nicht um niederösterreichi­schen Wahlkampf, sollte dieser Eindruck jetzt vielleicht bei den letzten Ausführungen entstan­den sein (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen), sondern es geht um verfas­sungsrechtliche Mindeststandards, es geht um demokratiepolitische Spielregeln, es geht um die Frage, wie wird Macht verteilt, und es geht um die Frage der Willkür, wenn mit so großer Macht­mehrheit, wie sie die ÖVP Niederösterreich hat, Willkür gegenüber kleineren Parteien gesetzt wird. Es geht um Demokratiepolitik! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht um die Spielregeln, wie wo Macht verteilt wird. Dass die ÖVP in vielen Bundesländern einen deutlichen Machtüberhang hat – und das schon sehr lange – und dass dieses Spiel, näm­lich kleineren Gruppierungen, insbesondere den Grünen, immer wieder Prügel vor die Füße zu werfen, bereits seit 1986 nachweisbar ist, muss einmal gesagt werden. (Abg. Mag. Molterer: Wir haben nur jene Macht, die uns die Wähler gegeben haben!) Wir haben lange genug dazu geschwiegen. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem man solch einen Missbrauch einmal aufzeigen muss! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

1986, ÖVP-Wahlhelfer bestätigen es (die Rednerin hält die Kopie einer Zeitungsseite in die Höhe): Zwei grüne Listen! – Wenn man diesen Medienberichten Glauben schenken darf, dann ist damals sogar Geld dafür bezahlt worden, dass diese Gruppierungen als „grüne Listen“ kleine grüne Parteien in den Bundesländern schädigen. (Abg. Öllinger: Gekaufte Listen!) Das ist schon etwas, was den Bundesverfassungsgesetzgeber interessieren sollte.

Da Herr Stummvoll heute gemeint hat, das sei ein „Politspektakel“, muss ich einmal mehr sagen, was tatsächlich ein Politspektakel ist, nämlich etwas völlig anderes: Diskussionen, ob sich jetzt fünf Mandatare abspalten, ob sie mit dem Bezügegesetz ein Problem haben, ob man mit dem Kärntner Landeshauptmann über die Bundesregierung verhandeln muss, et cetera. Das ist meiner Ansicht nach ein Politikspektakel! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Anbetracht der Tatsache, dass die führenden Verfassungsrechtler dieser Republik sagen, das Vorgehen der Wahlbehörde sei verfassungsrechtlich extrem bedenklich, eine Wahlanfech-


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tung hätte gute Aussicht auf Erfolg (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Nur einer!), es gäbe zu­mindest Diskussionsbedarf, kann ich Herrn Stummvoll nicht mehr verstehen, denn genau das ist die Zielrichtung unseres Antrags und der heutigen Debatte. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabit­zer: Haben Sie das Gutachten gelesen?)

Die Meinung des Herrn Bundeskanzlers, dass es in ganz Österreich ach so rosig aussieht und dass man sich da nicht ein­mischen sollte, kann ich auch nicht nachvollziehen. Es ist vielleicht vielen hier im Hause entgan­gen, dass die Kärntner Wahlordnung mit keinem einzigen europäischen Land vergleichbar ist. Meines Wissens gibt es das nur in der Türkei, dass eine Partei mehr als 10 Prozent der Stimmen haben muss, um überhaupt einen Sitz in der Volksvertretung zu bekommen. Es wurde von allen Seiten das Versprechen abgegeben, dass man das ändern werde. Aber es gibt nach wie vor keinen Auftrag an den Verfassungs­gesetzgeber, diesbezüglich Mindeststandards fest­zulegen, damit jede Stimme jedes Wählers und jeder Wählerin, die in den Bundesländern abge­geben wird, auch gleich viel zählt und gleich viel wert ist. Wenn da kein Handlungsauftrag nötig ist, dann weiß ich nicht, wann sonst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Ausdruck „absurder Missbrauch“ ist heute hier gefallen. Angesichts der Tatsache, dass sehr wohl über die genaue Zusammensetzung eines Konvents diskutiert wird und darüber, wer dabei wie viele Stimmen hat, wer wie viele Mitglieder entsenden darf, wäre es meiner Ansicht nach auch einmal angebracht, über derartige Mindeststandards zu diskutieren. Das würde nicht nur in Niederösterreich und in Kärnten Sinn machen, es gibt auch noch andere Wahlordnungen mit Ungereimtheiten. Um die Dringlichkeit unserer Forderung, dass sich der Verfassungsgesetz­geber damit beschäftigen sollte, zu betonen, möchte ich noch weitere Beispiele nennen. Neben dem bereits erwähnten Kärnten wäre auch eine Änderung in Wien nötig. Es tut mir zwar Leid, das hier anschneiden zu müssen, aber eine derart unproportionale Verteilung, dass mit einem Stimmenanteil von rund 46 Prozent ein Mandatsanteil von 52 Prozent und damit eine absolute Mehrheit erreicht werden kann, ist absolut diskussionswürdig. Das muss man ändern! (Bei­fall bei den Grünen.)

In diesem Sinne möchte ich auch einen Entschließungsantrag einbringen, der darauf abzielt, diese ungleiche Stimmgewichtung, eben dass eine Stimme in einem Bundesland weniger wert ist als in einem anderen, aufzuheben. Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesverfassungs­rechtliche Mindeststandards für Landtagswahlordnungen

Der Nationalrat möge beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des B-VG zur Beschluss­fassung vorzulegen, die den Landtagswahlordnungen folgende Mindeststandards vorschreibt:

eine Regelung, wonach in den Landtagswahlordnungen zwingend ein abschließendes (ausglei­chendes) Ermittlungsverfahren im gesamten Landesgebiet vorzusehen ist, bei dem – wie im 3. Ermittlungsverfahren der NRWO – nach d’Hondt eine Gesamtmandatszahl ermittelt wird,

eine Regelung, wonach alle Parteien an diesem abschließenden (ausgleichenden) Ermittlungs­verfahren teilnehmen, sofern sie ein Grundmandat oder landesweit einen in der Landtagswahl­ordnung festzusetzenden Stimmenanteil erreichen. Dieser für die Teilnahme am abschließen­den Ermittlungsverfahren erforderliche landesweite Stimmanteil darf nicht höher als 5 Prozent sein.

*****

Zur Erklärung der erstgenannten Regelung: Damit sind Verzerrungseffekte wie zum Beispiel jene in Wien nicht mehr möglich. Die zweitgenannte Regelung betrifft das Problem in Kärnten.


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Ich bitte Sie, noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken, ob Sie sich als Verfassungsgesetz­geber solchen Fragestellungen verschließen oder das einfach damit abtun können, zu sagen, es sei ein Politspektakel und nicht Ihre Aufgabe, endlich einmal Mindeststandards, demokratie­politische Fair-Play-Regeln fix festzulegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

15.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend bundesverfassungsrechtliche Mindest­stan­dards für Landtagswahlordnungen ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Wunschgemäß ist die Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort.

15.36


Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung zu den Ausführungen des Abgeordneten Wittmann, der heute von diesem Rednerpult aus gesagt hat, er bedauere es außerordentlich, dass der Herr Bundeskanzler keine Worte zur Irak-Frage gefunden habe. – Herr Kollege Wittmann, dazu fällt mir eigentlich nur das Wort „schräg“ ein, denn es war nämlich ein Antrag der Opposition, heute hier über die nieder­österreichische Landeswahlordnung zu diskutieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher liegt es in Ihrer Hand, Sie haben das Thema bestimmt. Das jetzt uns vorzuwerfen, ist schräg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu Frau Kollegin Glawischnig: Sie stellen sich allen Ernstes hier her und behaupten, das sei keine Wahlveranstaltung (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist demokratiepolitische Diskussion!), Sie hätten es so nicht geplant. Haben Sie denn nicht gehört, was Ihre Vorredner, etwa Herr Abge­ordneter Wittmann, aber auch Ihre Fraktionskollegin Frau Petrovic, heute „abgeliefert“ haben? – Das waren lupenreine Wahlreden, Frau Kollegin! Vielleicht waren Sie gerade nicht im Saal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Und der Stummvoll? Den haben Sie vergessen?)

Ich möchte mich gerne mit dem Demokratiepolitischen und mit Ihren diesbezüglichen Vorwürfen auseinander setzen und ganz kurz dazu Stellung nehmen. Allerdings muss ich Ihnen vorwerfen, dass genau Sie diesen niederösterreichischen Wahlkampf in das gesamtösterreichische Parla­ment getragen haben. Das war Ihre Initiative! (Abg. Mag. Mainoni: Der Versuch!)

Die Wortwahl im Dringlichen Antrag, aber auch in den dazugehörenden Ausführungen des Herrn Kollegen Van der Bellen war für Ihre Verhältnisse ungewöhnlich heftig, ich würde sogar sagen, geradezu polemisch. (Oh-Rufe bei den Grünen.) Sie haben ausdrücklich von Willkür geredet, Sie haben der Behörde vorgeworfen, dass sie „willkürlich“ und geradezu „rechtswidrig“ gehandelt habe.

Meine lieben Kollegen von den Grünen! Sie müssen sich die Dinge schon genau ansehen. Sie müssen sich auch die niederösterreichische und andere Wahlordnungen genau anschauen. (Abg. Öllinger: Sie sollen sie ändern!) Ich möchte nämlich genau dieser Ihrer Behauptung ganz entschieden entgegentreten, sie ist nämlich nicht richtig! Juristisch gesehen geht es nicht um „Grüne“ oder „GRÜNÖ“, sondern es geht um die Betrachtung des Ganzen – und das wird auch der Verfassungsgerichtshof in einer allfälligen Judikatur immer heranziehen. Daher muss ich Ihnen entgegenhalten: Es geht nicht darum, „Grüne“ und „GRÜNÖ“ miteinander zu vergleichen, sondern es wird alles herangezogen, was auf der Liste steht. Darauf steht, wie Herr Kollege Van der Bellen schon vorgetragen hat, die Kurzbezeichnung „Grüne“ für „Die Grünen“ sowie die Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“ für „Grünes Unabhängiges Österreich, Liste der EU-Opposition, Gabriela Wladyka“. (Abg. Dr. Van der Bellen: Fett gedruckt!) Das wird herangezogen!

Sie können doch nicht allen Ernstes glauben – und Ihre Wähler für dermaßen schlicht halten –, dass diese den Unterschied zwischen den Kurzbezeichnungen „Grüne“ und „GRÜNÖ“ nicht ver­stehen, vor allem, da sie ohnehin auch die Langbezeichnung vor sich haben. Und nur das wird


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der Verfassungsgerichtshof letztlich in seiner Judikatur heranziehen. Das ist auch das, was in den Wahlordnungen steht. (Abg. Dr. Matznetter: Die ÖVP weiß schon, was der Verfassungsge­richtshof sagen wird!)

Das heißt: Eine Verwechslung ist nicht möglich! (Abg. Öllinger: Kennen Sie schon das Urteil des VfGH?) Das von Ihnen behauptete demokratiepolitische Problem ist daher in Wirklichkeit nicht existent. Und das wissen Sie auch! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu den von Ihnen geforderten Mindeststandards sagen. Min­deststandards gibt es. In Artikel 95 B-VG ist vorgesehen, dass die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts in den Landtagswahlordnungen nicht enger gezogen werden dürfen als in der Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawisch­nig.) Das ist in meinen Augen ein Mindeststandard.

Sie aber versuchen, die Ausgestaltung des Wahlrechts der Länder, das den Ländern überlas­sen bleiben sollte, weil dies dem bundesstaatlichen Prinzip, einem der Bauprinzipien unserer Bundesverfassung, entspricht – zu dem wir und, wie ich hoffe, auch Sie stehen –, einzuschrän­ken, indem Sie sagen: Es passt mir in ein paar Fällen nicht, daher möchte ich Mindeststandards verankern.

Diese Vorgangsweise ist meiner Meinung nach – und das müssten eigentlich auch Sie, Herr Van der Bellen, so sehen – Anlassgesetzgebung im klassischen Sinn. Dafür stehen wir von der ÖVP nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordne­ter Dr. Cap zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Sie kennen die entsprechenden Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

15.41


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte die Ausführungen der Abgeordneten Baum­gartner-Gabitzer tatsächlich berichtigen: Nicht die Opposition hat die Sondersitzung heute ein­berufen, sondern ein Teil der Opposition, nämlich die Grünen.

Zweitens hätte der Herr Bundeskanzler selbstverständlich im Rahmen dieser Sondersitzung, nämlich vor der Behandlung der Dringlichen mit anschließender Debatte, entsprechend der weltpolitischen Situation eine Erklärung zur Irak-Krise abgeben können. (Abg. Prinz: Was hat das mit einer Berichtigung zu tun?) Dies wäre auf die Zustimmung aller Fraktionen gestoßen. (Abg. Mag. Molterer: Was ist das für eine Berichtigung?) Dies nur, um keine Verwirrung auf­kommen zu lassen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.42


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Hohes Haus! Die Wählerinnen und Wähler werden bei der niederösterreichischen Landtagswahl am 30. März einen Stimmzettel in Plakatform in die Hand bekommen. Ich darf ein Musterexemplar dieses Stimmzettels einmal herzeigen. (Der Redner entfaltet ein Muster eines Stimmzettels und hält diesen in die Höhe.) Dies ist der Stimmzettel für die niederösterreichische Landtagswahl. Darauf werden die Wählerinnen und Wähler zwei Kurz­bezeichnungen zweier wahlwerbender Parteien lesen können, die nicht die von der Verfassung geforderte Unterscheidbarkeit aufweisen.

Um es hier noch einmal eindeutig festzuhalten: Die Sozialdemokraten haben bei der betreffen­den Sitzung der Landeswahlbehörde gegen die Zulassung der Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“ ge­stimmt, weil – und davon sind wir fest überzeugt – dadurch zwei auf dem Stimmzettel aufschei­nende Parteien für die Wählerinnen und Wähler nicht – wie es die Verfassung fordert – deutlich


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unterscheidbar sind. Deshalb ist der Beschluss von ÖVP und FPÖ in der niederösterreichischen Landeswahlbehörde ein Versuch einer ungeheuerlichen Wählertäuschung. Zudem zeigt dies wieder einmal die Geisteshaltung der ÖVP-Niederösterreich in Demokratiefragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wer sich in der niederösterreichischen Landes­politik nur ein bisschen auskennt, weiß, dass die ÖVP bei der letzten Landtagswahl in Nieder­österreich weit unter 50 Prozent der Stimmen erreicht hat. Herr Pröll ist jedoch – mit tatkräftiger Unterstützung von Innenminister Strasser – gerade dabei, Niederösterreich zu 100 Prozent „ein­zuschwärzen“. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Deshalb – und da können Sie noch so lachen – braucht diese unkontrollierte Macht Kontrolle! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie dringend dies notwendig ist, zeigen die Machenschaften der ÖVP-Funktionäre in Nieder­österreich. Sie werden zwar jetzt zu brüllen anfangen, aber Sie können es nicht wegbrüllen, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP: Ihr ÖVP-Landesrat Sobotka hat gesetzwidrig 3,7 Milliarden Schilling oder 272 Millionen € verspekuliert. Das ist eine Tatsache!

Diese Gesetzwidrigkeit hat auch der bekannte Verfassungsexperte Universitätsprofessor Dr. Öhlinger nachgewiesen und belegt. Kollege Dr. Wittmann hat schon ein paar Beispiele dafür angeführt, was man mit diesem verspekulierten Geld hätte machen können. Man könnte zum Beispiel auch die 52 000 arbeitslosen Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher mit die­sem Geld unterstützen. Man könnte aber auch den über 1 000 jungen Menschen, die in Nieder­österreich eine Lehrstelle suchen, mit diesem Geld eine Chance geben. Man könnte vieles damit machen.

Das Geld ist aber weg. Herr Sobotka mit seinen Freunden von der ÖVP hat es in diversen Börsenkanälen versickern lassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist reiner Wahlkampf!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Hätte der niederösterreichische Finanzlandesrat Sobotka von der ÖVP nur den Funken von politischem Anstand und Charakter (Abg. Dr. Stummvoll: Nur Wahlkampf!), wäre er schon längst zurückgetreten, das sage ich in aller Deutlichkeit! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Einzige, was die ÖVP-Niederösterreich macht, ist (Abg. Dr. Trinkl: Wahlen gewinnen und arbeiten für unser Volk!), das ganze Jahr über schöne Reden, Sonntagsreden zu halten, und am Wahltag, Wählertäuschung zu versuchen.

Landeshauptmann Pröll betreibt seit dem Frühjahr 2000 ein schwarz-blaues Doppelspiel. Er ist mit verantwortlich für Schwarz-Blau – auch das ist wichtig, heute festzuhalten. Im Mai 2000 war er ganz stolz darauf, der Architekt der blau-schwarzen Regierung zu sein. Ende Februar 2003 ließ er seinen Neffen mit den Stimmen der FPÖ zum Landwirtschaftsminister machen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Demnächst, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, werden aber alle 17 niederösterrei­chischen ÖVP-Nationalratsabgeordneten die Möglichkeit haben, gegen die angedrohten Schritte der blau-schwarzen Bundesregierung aufzutreten. Aber ich prophezeie bereits jetzt: Der Landeshauptmann von Niederösterreich wird sich nach der Landtagswahl nicht mehr dage­gen wehren.

Ich möchte, weil mir das wirklich ganz wichtig ist, allen Niederösterreicherinnen und Nieder­österreichern Folgendes sagen: Wer bei der Landtagswahl am 30. März Pröll wählt, wählt gleichzeitig Schüssel, Haupt und Haider! Das ist die ungeschminkte Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wattaul. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Johann Maier:


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... Spediteure in Niederösterreich? – Abg. Wattaul – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das kommt schon! – Heiterkeit.)

15.48


Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Jeder fragt, warum die Grünen heute eine Sondersitzung machen. Der wahre Grund dafür ist: Sie haben Angst, Angst vor einer Parteispaltung! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiter­keit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Petrovic: Was ist mit Ihren sieben Herren?) Dafür werde ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, dann werden Sie nicht mehr lachen.

Ich war bei einer Wahlveranstaltung der Grünen in Amstetten. Dort ist Frau Petrovic in einem grünen Zelt gestanden, links und rechts von ihr jeweils ein Auslandsösterreicher, die beiden haben Luftballons verteilt. Nachdem Frau Petrovic aufgehört hat zu reden, wurde im Hinter­grund kurdische Volksmusik gespielt. Ich habe mir überlegt, was die Botschaft dieses Auftrittes ist. Diese kann nur lauten: Meine lieben Niederösterreicher, werft euren Trachtenanzug weg, vergesst eure Volkslieder, vergesst eure Kultur, multikulturell ist angesagt! (Abg. Dr. Petrovic: Na, das „Horst-Wessel-Lied“ singen wir nicht!) Das ist Ihre Politik, Spittelberg-Politik!

Die Niederösterreicher haben das nicht verstanden. Es sind Leute zu mir gekommen und haben mich gefragt: Was ist denn da los? Denen habe ich gesagt: Ja, die Grünen sind so! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei Abgeord­neten der Grünen.)

Das sehen auch die grünen Funktionäre in Niederösterreich so. Deshalb gibt es eine zweite grüne Fraktion in Niederösterreich. Was heißt denn das, wenn es in einem Bundesland zwei Gruppen einer Partei gibt?

Ich werde Ihnen einmal sagen, was wäre, wenn es zwei freiheitliche Parteien in Niederöster­reich gäbe. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Gibt es eh bald! – Abg. Dr. Petrovic: Nicht zwei! Vier!) Das würde auf allen Titelseiten stehen! Wissen Sie, warum das im Falle der Grünen nicht auf den Titelseiten steht? – Nicht, weil die Medien es nicht schreiben wollen, sondern weil es niemanden interessiert! (Heiterkeit und Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Politik der Grünen interessiert niemanden in Niederösterreich. Fragen Sie einen Nieder­österreicher, was die Grünen in den letzten fünf Jahren im Landtag erreicht haben! Sie werden nichts hören, weil es nichts gibt. Und das ist Ihr Dilemma!

Nun missbraucht Frau Petrovic eine Sondersitzung des Nationalrates für Wahlwerbung in Niederösterreich. Das geschieht, weil Ihr Wahlkampf nicht läuft, weil Sie keiner ernst nimmt! Das ist Ihr Problem!

Ich möchte noch ein Wort zur Kurzbezeichnung „Grün“ sagen. (Abg. Öllinger: Bitte!) Kurzbe­zeichnungen sollten ja keinen Namen ergeben. Aber bei den Grünen ist „grün“ ein Name. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Dazu habe ich einen Vorschlag: Ihr könntet euch in VPPÖ umbenennen, das heißt: Vereinte Populistische Partei Österreichs. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Das wäre die richtige Bezeichnung für euch, denn grün seid ihr schon lange nicht mehr. Nicht überall, wo „grün“ drauf steht, ist grün drinnen. Das haben wir bei den Regierungsverhandlun­gen gesehen. Ihr seid ja quasi als Liegende umgefallen (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und zwar bei jedem Punkt: Temelín, Umwelt, Sozialstandards. Was hat Herr Van der Bellen gesagt? – Na ja, da müssen wir in den sauren Apfel hineinbeißen, dann kaufen wir halt einen Abfangjäger. – Das ist eure Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist klar, dass ihr Angst habt. Ich wiederhole: Ihr habt Angst! – Schön, dass heute das Fern­sehen da ist, damit man das sagen kann. – Heute beginnt die Spaltung der Grünen in Öster­reich, das ist die Wahrheit, denn ihr habt überhaupt kein Programm mehr. Ihr wollt nur mehr irgendwo drinnen sitzen und nur mehr Posten schachern. Da geben wir die Frau Petrovic nach


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Niederösterreich, die Weinzinger wieder nach Wien. Was ist das? Was habt ihr für Themen? Schaut euch eure Plakate in Niederösterreich an! Was sagt die Grüne Partei in Niederöster­reich? – Nichts, weil sie nichts mehr zu sagen hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Brosz gemeldet. Wunsch­­gemäß stelle ich ihm die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.52


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lassen Sie mich zunächst noch auf die Rahmenbedingungen dieser heutigen Sitzung zurückkommen und die Frage, wieso es hier keine Debatte zu einem aktuellen weltpolitischen Thema gegeben hat. Sie haben sich sehr echauffiert darüber, als von der Opposition die Möglichkeit angesprochen wurde, dass es hier auch zum Irak eine Debatte hätte geben können.

Es ist gar nicht so lange her. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es am 19. August 2002 eine Sondersitzung gegeben hat, von der SPÖ beantragt, eine Dringliche Anfrage über eine Volks­abstimmung zum Abfangjägerkauf angekündigt wurde und in der Zwischenzeit, zwischen der Einbringung und der Debatte, eine Erklärung des Bundeskanzlers über das Hochwasser in Österreich stattgefunden hat. (Abg. Scheibner: Hättet ihr doch eine eingebracht zum Irak!) Was vor einem halben Jahr zur Frage Hochwasser möglich gewesen ist, wäre doch wohl heute auch zum Thema Irak-Krieg möglich gewesen, wenn der Kanzler es gewollt hätte. Er wollte es offen­bar nicht. Es ist die Verantwortung des Bundeskanzlers, das nicht getan zu haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Kollege Stummvoll, wenn Sie die Rahmenbedingungen geißeln und uns vorwerfen, es sei unpassend, dann kann ich Ihnen auch sagen, warum der Bundeskanzler zuvor nicht hier anwe­send war – und ich erwähne das lobend, denn es ist das nichts Schlechtes –: Er hat das Panda-Gehege in Schönbrunn eröffnet. Wäre er nicht dort gewesen, hätte es eine Debatte hier geben können.

Zu Ihren Ausführungen, Kollege Stummvoll, zurückkommend: Wissen Sie, was mich verwun­dert? – Sie sagen hier vom Rednerpult und schreien auch von Ihrem Platz aus: Es gibt keinen Grund für eine Wahlanfechtung, rechtlich ist das völlig in Ordnung!

Ich frage mich, wer eigentlich die Verfassungsrechtler in Österreich sind: Theo Öhlinger, der sagt, zweifellos ist das rechtlich mehr als problematisch, der sagt, es ist denkbar, dass die Grünen die Wahl beim Verfassungsgerichtshof anfechten und Recht bekommen, oder der Ver­fassungsrechtler Mayer, der gesagt hat: Wie sich gezeigt hat, ist das eine eindeutige Ver­wechslungsgefahr!, und klar macht, dass diese Entscheidung nicht korrekt ist. Mayer und Öhlinger – die zählen für mich. In Verfassungsfragen nehme ich Ihr Wort bei weitem nicht so ernst wie das der Verfassungsrechtler Mayer und Öhlinger. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Abgeordneter Strasser – vorher ist er da gesessen als Minister, jetzt ist er nicht mehr da – hat eine gewisse Tradition entwickelt, wie man in Niederösterreich mit der Zulassung anderer Parteien umgeht. Blenden wir zurück: „profil“ vom Juni 1993: Dem „profil“ liegt laut einer Aus­sendung ein vertrauliches internes Sitzungsprotokoll vor, dessen Echtheit Landesparteisekretär Ernst Strasser gegenüber der Zeitschrift bestätigt hat. Zweck der Aktion VGÖ, damals Vereinte Grüne Österreichs, war demnach, Unterstützungsunterschriften für die Vereinten Grünen zu sammeln, um die Chancen der Parlaments-Grünen auf den Einzug in den Landtag zu mindern, heißt es in der Aussendung.

1993 das gleiche Spiel mit einer anderen Partei, damals die VGÖ, damals der jetzige Innen­minister federführend dabei, eine Wählertäuschung, wie sie auch jetzt geschieht, zu unterstüt­zen. Und Sie setzen sich her und sagen auch jetzt wieder – und das finde ich schon bemer­kenswert –, es gibt keinen Anlass zu handeln. Jetzt frage ich mich ernsthaft: Heißt das, bei den nächsten Wahlen in Niederösterreich, der nächsten Gemeinderatswahl, der nächsten Landtags­wahl, soll genau das wieder passieren? Werden dann wieder Ihre Bürgermeister, Ihre Landes-


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parteisekretäre ausschwärmen, um irgendwelche Scheinkandidaturen zu unterstützen, damit es zu einer Wählertäuschung kommt? Ist es das, was Sie bezwecken? Ist das Ihr Wunsch? Wenn nicht, dann sollten Sie heute hier ein Zeichen setzen, dass so etwas nicht mehr möglich ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Hier im Haus ist es schwer nachzuvollziehen, aber ich möchte die Zuseher zu Hause doch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass keine und keiner der grünen Abgeordneten heute hier zur niederösterreichischen Landespolitik gesprochen hat, niemand, nicht Madeleine Petrovic, nicht Eva Glawischnig, nicht Alexander Van der Bellen. Wir reden von einer demokratiepoliti­schen Vorgangsweise, die wir für inakzeptabel halten. Sie reden von den Verdiensten des Herrn Pröll, des Bundeskanzlers. Das war Ihr Thema. Wir wollten demokratiepolitisch sicher­stellen, dass diese Wahl nicht angefochten werden muss, und das ist unser gutes Recht. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger gemel­det. Er wünscht 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.57


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Demokratie heißt offenbar für die Grüne Partei: Wenn es einen grünen Mit­bewerber gibt, dann ist das Wählertäuschung. Dafür stehen wir nicht von der ÖVP nicht zur Verfügung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

Der Kern des Vorwurfes, den Sie erheben, ist, dass offensichtlich die Wähler in Niederöster­reich nicht in der Lage sind, in der Wahlzelle ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Meine Damen und Herren! Namens aller niederösterreichischen Wähler möchte ich diese Unterstel­lung auf das Schärfste zurückweisen! Die Niederösterreicher sind nicht so dumm, dass sie ihr Kreuz nicht bei der richtigen Partei machen können! Das werden Sie uns hier auch heute nicht einreden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Dritten, meine Damen und Herren: Es ist schon sehr interessant, dass die neue Gruppie­rung „GRÜNÖ“ mit Frau Wladyka an der Spitze von Ihnen weggewiesen wird, als würden Sie diese Dame nicht kennen. Über viele Jahre war sie für Sie im Gemeinderat von Perchtoldsdorf (Oh-Rufe bei der ÖVP) – sie ist noch immer dort! –, über viele Jahre war sie Ihr Aushängeschild im Bezirk Mödling. Wir haben heute schon gehört, 1998, bei der letzten Landtagswahl, war Frau Wladyka, die Sie heute so dargestellt haben, als wäre sie es gar nicht wert erwähnt zu werden, Ihre Spitzenkandidatin der Grünen im Bezirk Mödling, meine Damen und Herren! (Neuerliche Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Sie, Frau Kollegin Petrovic, haben heute hier verlesen, was Frau Wladyka 1998 gesagt hat. Ich stimme Ihnen zu, das ist wirklich zu verurteilen. Dass jemand mit einem Nazi verglichen wird, das hat wirklich niemand notwendig. Aber zu diesem Zeitpunkt, Frau Kollegin Petrovic, war sie volles Mitglied bei Ihnen und Ihre Repräsentantin. Und das finde ich ungeheuerlich, dass je­mand in der Grünen Partei solche Äußerungen machen kann, offenbar vollinhaltlich gedeckt von der Parteiführung. Das weisen wir zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen gerne noch etwas dazusagen. Dass jemand gegen die EU aufgetreten ist wie Frau Wladyka, war bis vor kurzem auch Gegenstand der grünen Politik. Das hat sich erst in den letzten Jahren geändert. Das heißt, Frau Wladyka war ja Teil eines grünen Spektrums, das absolut gegen die Europäische Union war. Wir waren das nie. Sie hat auch bei uns nie kandi­diert. Ich war selber mit ihr bei Podiumsdiskussionen, auch als Frau Kollegin Petrovic im Bezirk Mödling unterwegs war und Frau Wladyka sie voll unterstützt hat. Daher: Betreiben Sie heute keine Kindesweglegung einer Dame, die Sie in Ihren Reihen viele Jahre haben groß werden lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)


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Ich darf noch eines hinzufügen: Es ist eine wirklich schlechte Konfliktbewältigung innerhalb der Grünen Partei. Nur weil Frau Wladyka bei der Landtagswahl antritt, wollen Sie uns weismachen, dass der Nationalrat dafür als Bühne herhalten muss. Auch dafür stehen wir nicht zur Verfü­gung, und ich halte es für eine schlechte Themenwahl, dass wir wegen einer solchen Bezeich­nung im Landtagswahlkampf heute hier sitzen müssen!

Folgendes möchte ich noch zur Rolle der Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang sagen: Wenn man den Rednern zugehört hat, fiel einem ja schon eines auf: Der Herr Kollege Heinzl macht uns hier weis, die SPÖ hätte immer von sich gewiesen, dass man diese Parteibezeich­nungen und auch die Kurzbezeichnungen so wählen kann. Ich darf Ihnen berichten, meine Damen und Herren, in vier Fünftel aller Kreiswahlbehörden gab es einstimmige Beschlüsse über diese Kurzbezeichnung. Das heißt, die SPÖ hat mitgestimmt, Herr Kollege Heinzl! Ein­stim­mige Beschlüsse! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Lieber Herr Kollege Heinzl, das werden Sie auch durch Zwischenrufe nicht leugnen können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Zum Zweiten möchte ich auch ein klares Wort zur Wohnbauförderung in Niederösterreich sagen. Der Herr Landesrat Sobotka als Wohnbaureferent hat dafür Sorge getragen, dass nie­derösterreichische Häuselbauer zukünftig auch nur 1 Prozent an Zinsbelastung für Kredite be­kommen, die ihnen die Landesregierung als Darlehen zur Verfügung stellt. Das war der Grund für diese Aktienveranlagung. Und viermal, lieber Kollege Heinzl, haben Ihre Regierungsmit­glieder und Ihre Landtagsabgeordneten mitgestimmt! Einstimmige Beschlüsse, lieber Herr Kollege Heinzl, die Sie heute gerne weglegen wollen, aber das gelingt Ihnen nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege Wittmann hat in diesem Zusammenhang nach mehr Kontrolle gerufen und dabei vergessen, dass es in Niederösterreich drei Landesregierungsmitglieder von den Sozialdemo­kraten gibt.

Das Rätsel, das ich Ihnen zum Abschluss mitgeben möchte, ist: Wer ist eigentlich die Spitzen­kandidatin der SPÖ in Niederösterreich? (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) Niemand hat sie bisher erwähnt, und ich glaube, dieses Rätsel wird bis zum 30. März auch nicht gelöst werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

16.02


Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Einleitend möchte ich feststellen, dass es schon eigen­artig ist, dass diese Partei-Zulassung erfolgte, weil doch nicht nur der ausgeschriebene Name, son­dern auch die Kurzbezeichnung ein wesentlicher Bestandteil einer Parteibezeichnung ist. Die Menschen verwenden in Wirklichkeit ja auch diesen Begriff, und daher sollte man Verwechslun­gen ausschließen.

Vor allem, meine geschätzten Damen und Herren, finde ich es sehr eigenartig, dass trotz der Aussagen, die von der Spitzenkandidatin der „GRÜNÖ“ getroffen wurden, eine Unterstützung von Seiten der Österreichischen Volkspartei auf so breiter Basis erfolgte. Man kann nicht sagen, wie Frau Abgeordnete Mikl-Leitner gemeint hat, das sei eine Privatangelegenheit der Bürger­meis­ter, eine Privatangelegenheit der Gemeinderäte. Wie ich gehört habe, wussten manche gar nicht, dass diese Liste mit diesem Inhalt unterstützt wurde.

Ich halte es schon für bedenklich, meine geschätzten Damen und Herren, wenn man die arithmetischen Möglichkeiten so nützt, dass es wirklich zu Täuschungen kommen kann. Und ich halte es im Übrigen für kein gutes Wahlrecht – auch wenn die SPÖ dem dann zugestimmt hat –, wenn der Name vor der Partei zählt. Ich meine, entweder gibt es ein Splitting in einem fairen Verfahren – oder es zählt der Name zur Partei. Nichts gegen persönlichkeitsverstärkende Wahl­maßnahmen, aber es kann nicht sein, dass, wenn einer Pröll wählt und die SPÖ ankreuzt, diese Stimme für die ÖVP gilt und für die SPÖ verloren ist. Das kann es eigentlich nicht geben, son-


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dern das ist im demokratischen Umgang eigentlich eine Stimme, die nicht zählt, weil damit die Wahl von zwei Parteien zum Ausdruck gebracht wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte aber die Gelegenheit auch dazu nützen, darauf hinzuweisen, dass es schon einzigartig ist, dass hier immer zwei oder mehrere Firmen­theorien entwickelt werden. Zum Beispiel haben diese „GRÜNÖ“ nur in fünf Wahlkreisen die erfor­derliche Unterstützung bekommen. Um dann landesweit antreten zu können, haben ge­schwind drei Abgeordnete der Freiheitlichen mit unterschrieben, was also auch ein eigenartiges Licht auf die gesamte Regierungsfraktion von VP und FP fallen lässt.

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Meine geschätzten Damen und Herren, ich finde es außer­ordentlich bemerkenswert, dass man, wenn es für die jeweilige Partei unangenehm wird, so tut, als würde die Bundespartei überhaupt keine Funktion oder Rolle im Hinblick auf die Umsetzung zum Beispiel des Belastungspaketes haben. Herr Dr. Pröll hat mit Sicherheit sehr stark mitge­wirkt, das Kabinett Schüssel I zu installieren. Als er aber dann merkte, dass 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das Kabinett Schüssel II gar nicht wollen – die Fortsetzung dieser Chaos-Regierung wollten 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nämlich nicht –, ging er auf Distanz zur Bundesebene, aber auf eine sehr geringe Distanz: Er ist nämlich selbst mit einem Niederösterreicher aus seiner Familie vertreten, aber das ist nicht das Thema. (Abg. Jakob Auer: Zwei!) Von seiner Familie ist nur einer vertreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten, meine geschätzten Damen und Herren, ist es endlich an der Zeit, dass die Nie­derösterreicher einmal sehen, dass es eine Einheit von Verantwortung gibt und es nicht so ist: Hier bin ich Landeshauptmann, hier ist alles ganz anders – und das, was die „böse“ Bundes­partei der ÖVP tut, geht mich nichts an!

Ich meine, es ist eine Frage der Redlichkeit, dass man zu den politischen Beschlüssen seiner Partei steht, und zwar auf allen Ebenen, auf Landes- und Bundesebene. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die ÖVP plakatiert, Niederösterreich ist ein schönes Land, dann stimme ich dem zu; wir haben viel dazu beigetragen. Aber Niederösterreich ist zu schön, um nur schwarz zu sein! (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet. 2 Minuten. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichti­gen wollen – und stellen Sie diesem den berichtigten Sachverhalt gegenüber, ohne wertende Kom­mentare. – Bitte.

16.07


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Kollege Spindelegger hat festgestellt, dass die jetzige Spitzenkandidatin von „GRÜNÖ“ 1998 in Mödling Spitzenkandidatin für die Grünen war und dass die Grünen ihre damaligen Nazi-Vergleiche voll gedeckt hätten. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass Frau W.s Äußerungen damals zu einem Parteiausschlussverfahren geführt haben, das dann zu diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde. (Beifall bei den Grünen.)

16.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Binder zu Wort. Redezeit 5 Minuten. – Bitte.

16.08


Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Grüne oder „GRÜNÖ“, das ist die Frage, und ich denke tatsächlich, dass die Verunsicherung sehr groß ist und vor allen Dingen die Unterschied­lichkeit der Parteien noch viel größer ist.

Grundsätzlich meine ich auch, dass wir in Niederösterreich viele interessierte und informierte WählerInnen haben, die sicherlich wissen, was sie tun. Aber die Zulassung der Kurzbezeich­nung „GRÜNÖ“ und die Unterstützung dieser Partei durch Unterschriften ist die eine Seite der Medaille, die andere Seite der Medaille schaut tatsächlich anders aus.


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Ich habe sehr aufmerksam den Spitzfindigkeiten von Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer ge­lauscht. Ich meine, die Absicht, die dahinter steckt, ist sehr klar: Es wurde mit dieser Benen­nung, mit dieser Kurzbezeichnung bewusst in Kauf genommen, die Grünen durch eine miss­ver­ständ­liche Parteibezeichnung zu schwächen, was eine bewusste Täuschung der Wählerinnen und Wähler ist, steht doch hinter der Partei „GRÜNÖ“ die Liste der EU-Opposition, eine dekla­rier­te Anti-Europapartei, die von zahlreichen ÖVP-Funktionären und auch ÖVP-Mandataren unter­stützt wurde. – So viel zur Glaubwürdigkeit und Seriosität der ÖVP als Europapartei.

Für mich ist im Übrigen eines sehr interessant: Dass auf den Pröll-Plakaten in Niederösterreich überhaupt der Begriff „ÖVP“ fehlt, und da wird es tatsächlich kompliziert. Als Bauherr und Architekt dieser FPÖ/ÖVP-Regierung angetreten, distanziert sich nun Pröll von dieser ÖVP, und gleichzeitig werden Sie, meine Damen und Herren aus Niederösterreich, dieses Regierungspro­gramm mittragen und mitbeschließen, nämlich Abbau, Kürzungen und Verschlechterungen.

Somit, meine Damen und Herren, schließt sich der Kreis, dass Landesthemen sehr wohl auch Bundesthemen sind. Das Doppelspiel, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Wählertäu­schung in Niederösterreich geht tatsächlich lustig weiter. Natürlich spielt die Landtagswahlord­nung dabei eine wesentliche Rolle, aber bei dieser Wahl am 30. März, meine Damen und Herren, geht es nicht um den Landeshauptmann. (Rufe bei der ÖVP: O ja!) In erster Linie geht es uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um die Menschen in diesem Land und um das politische Gleichgewicht der Kräfte. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe den Personenkult der ÖVP, denn er hat System. Es werden alle möglichen Tricks angewendet, und Fairness und Respekt, wie immer eingefordert werden, sind leere Worte, und das möchte ich anhand von zwei Beispielen darstellen.

Der Herr Landeshauptmann fühlt sich schon von Plakaten und Transparenten anderer Parteien gestört und irritiert. Sie werden weggeräumt, sie werden verhüllt. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie empfindlich, wie dünnhäutig ist dieser Mann aus Niederösterreich? Ist sein Machtanspruch tatsächlich so unkontrolliert und so maßlos?

Das zweite Beispiel, meine Damen und Herren: Beschlossene und genehmigte Gelder für Kin­dergärten in Niederösterreich werden von Landeshauptmann Pröll zurückgehalten. Die Begrün­dung dafür lautet – hören und staunen Sie! –: Protokollarische Gepflogenheiten bei der Eröff­nung dieser Kindergärten wurden nicht eingehalten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Das ist ja fast Majestätsbeleidigung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich denke, auch in Niederösterreich muss Recht Recht bleiben. Auch in Niederösterreich müssen ordnungsgemäß gefasste Beschlüsse umgesetzt werden. Gekränkte Eitelkeit und Weh­leidigkeit spielen dabei keine Rolle, denn die Betroffenen in diesem Fall, meine Damen und Herren, sind die Gemeinden, sind die Firmen und ihre Mitarbeiter, und bei den Kindergärten sind es vor allen Dingen die Kinder und ihre Familien. (Beifall bei der SPÖ.)

So viel sei zum Demokratieverständnis und zum Kompetenzmissbrauch der ÖVP gesagt, meine Damen und Herren!

Somit schließt sich dieser Kreis zum Thema Sondersitzung. Ich bin sehr froh darüber – ich hoffe, wir können es noch lange sein –, dass wir in einem freien Land mit freien Menschen und frei gewählten Mandatarinnen und Mandataren leben, die eine Sondersitzung dann einberufen, wenn sie glauben, dass es notwendig ist.

Was wir in Niederösterreich brauchen, meine Damen und Herren, sind tatsächlich Lösungen für die zukünftigen Jahre und für die zukünftigen Herausforderungen. Kollege Spindelegger! Heide­maria Onodi in Niederösterreich steht für gerechte, menschliche und auch soziale Lösungen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.14



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9. Sitzung / Seite 34

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Parnigoni. Ihre Restredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

16.14


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe noch im Ohr: Schwarz-Grün hat „Phantasie“, hat Herr Pröll einst gesagt. Zugleich hat er aber als Leiter der Landeswahlbehörde eine demokratie- und verfassungsrechtlich bedenkliche Vor­gangsweise gewählt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Sie sehen also, meine Damen und Herren von den Grünen, wie es mit der ÖVP ist.

Wir wissen, dass diese Doppelstrategie, die Herr Pröll gewählt hat, auch bei der Regierungsbil­dung fortgesetzt worden ist. Als Architekt der schwarz-blauen Regierung I hat er Mitverantwor­tung übernommen für die gesamte Belastungswelle, die über uns hereingebrochen ist. Zur Fort­setzung von Schwarz-Blau hat er zuerst gemeint, na ja, das wolle er nicht, aber jetzt ist es doch gekommen. Und alle ÖVP-Abgeordneten hier in diesem Haus haben mit Freude der Regie­rungserklärung und dem Entschließungsantrag zugestimmt. Sie tragen damit auch die Verant­wortung für die Belastungen, die nun auf die Bevölkerung zukommen, so nach dem Motto: Erhöhung der Mineralölsteuer, Erhöhung des Preises für die Vignette, dafür keine Steuerre­form 2003, Eurofighter statt sicheren Pensionen in diesem Land und NATO-Beitritt statt Neutra­litätssicherung. (Abg. Kößl: Weniger Populismus!) Das ist das Motto dieser Regierung. Dafür tragen auch die Niederösterreichische Volkspartei und ihr Landeshauptmann voll die Verantwor­tung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Verantwortung kann auch niemand Landesrat Sobotka wegneh­men. Das ist gar keine Frage, denn er ist für die Platzierung all der Anlagen verantwortlich. Und es ist ein Faktum, dass schlussendlich 273 Millionen € am Roulette-Tisch des internationalen Aktienmarktes vergeudet und verschleudert worden sind. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Kößl: Bleib lieber bei der Wahrheit!) Sie hätten lieber dafür sorgen sollen, meine Damen und Herren, dass diese Gelder als 100-prozentiger Ausgleich für die Hochwasseropfer zur Verfügung ge­stellt werden. Das wäre eine Großtat gewesen. (Beifall bei der SPÖ.) Aber dazu haben Sie sich nicht durchringen können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist Ihnen in Wirklichkeit auch völlig egal, wie es mit der Arbeitslosensituation in diesem Land ausschaut. In Österreich haben wir im Vergleich zu Februar 2002 eine durchschnittliche Steige­rung bei der Arbeitslosenrate von 2,7 Prozent, in Niederösterreich sind es 4,7 Prozent; ich will gar nicht vom Waldviertel reden, wie dort die Situation ist. – Meine Damen und Herren! Da hätten Sie etwas zu tun, aber da sind Sie handlungsunfähig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wie viel Macht, meine Damen und Herren, wollen die ÖVP und der Landeshauptmann noch ausnützen? – Kollegin Binder hat schon davon gesprochen, dass Plakate der SPÖ und auch anderer Parteien, auch der Blauen verhüllt werden, wenn der Herr Landeshauptmann auftritt. Aber die neueste lustige Geschichte ist, dass der Herr Landeshauptmann jetzt schon Spaten­stiche für Projekte macht, die erst 2006 zur Diskussion stehen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) So weit geht bereits dieser Machtwahn, in den sich die ÖVP hineinsteigert und den der Landeshaupt­mann auch ausnützt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte daher abschließend sagen, angesichts dieser Wähler­täuschung, die auf dem Rücken der Grünen ausgetragen wird und die unter Ausnützung des Namenswahlrechts von der ÖVP begangen wird, kann man die Wählerinnen und Wähler in Niederösterreich nur auffordern und ihnen ganz klar sagen: Wer Pröll ankreuzt, wählt die ÖVP, wählt damit Schüssel, Haupt und all die Grauslichkeiten, die auf uns zukommen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ. – He-Rufe bei den Freiheitlichen.)


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9. Sitzung / Seite 35

16.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Donabauer. Wunschgemäß ist die Uhr auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.18


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Die niederösterreichische Landtagswahl soll zeigen, dass wir für das Land gut weiterarbeiten wollen. Die heutige Sondersitzung ist auf Grund einer Anfrage einberufen wor­den (Abg. Dr. Petrovic: Antrag!), und dazu gibt es mehrere Statements.

Kollege Parnigoni! Wenn Ihnen das Landtagswahlrecht in Niederösterreich nicht gefallen sollte, dann darf ich Ihnen sagen, Sie haben es mit beschlossen, Sie sind dafür eingetreten. Sie haben auch heute Herrn Landesrat Sobotka wiederholt angesprochen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Dazu darf ich Ihnen sagen: Sie haben bei vier Regierungssitzungen diesem Pro­jekt zugestimmt, daher sollten Sie heute hier nicht etwas kritisieren, was Sie selbst mit verant­wortet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Freies Mandat!)

Wenn Sie in diesem Zusammenhang ein schlechtes Gewissen haben, dann gebe ich Ihnen eine Denkaufgabe: HVB heißt das Zauberwort. Sie kennen es: 86 Prozent des Kapitals wurden in Wien verspielt! Das ist Ihre Leistung! Das sollten Sie sich bitte hinter die Ohren schreiben und nicht uns dafür kritisieren, wie wir in Niederösterreich arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Zweiten, zur heutigen Sondersitzung, die einberufen wurde, weil es angeblich keine Unter­scheidbarkeitsmerkmale gibt (Zwischenruf des Abg. Parnigoni): Herrn Klubobmann Van der Bellen, Frau Petrovic und allen ihren Freunden sage ich Folgendes (Abg. Parnigoni: Sie geben es zu, dass Sobotka das Geld verspielt hat!): Lesen Sie bitte das Gutachten von Dozent Dr. Bußjäger, Föderalismusexperte, und von Professor Dr. Stolzlechner, Verfassungsexperte, denn beide sagen, dass die Unterscheidbarkeit sehr wohl gegeben ist. Sie wissen auch, dass das Parlament heute bei dieser Sondersitzung in keinster Weise mehr eingreifen könnte. Und wenn Sie Unbefindlichkeiten haben, werden Sie ohnehin zum Verfassungsgerichtshof gehen, und dort werden die Dinge dann entschieden werden.

Deshalb meine ich, dass Sie Ihr Kontingent an Sondersitzungen auch anders hätten nutzen können als für eine Wahlwerbung Ihrerseits, die Sie für diese Landtagswahlen brauchen, um überhaupt in Erscheinung zu treten. Das ist Ihr wahres Problem, und darüber sollten Sie einmal reden! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Herr Klubobmann Van der Bellen heute und hier eine Wahlrechtsreform einfordert, dann hätte ich mir erwartet – mit Verlaub –, dass Sie heute sagen: Es muss endlich in Österreich die Briefwahl eingeführt werden. Diese ist jenes Element, auf das wir schon lange warten, jenes Element, das eine große Partei in diesem Parlament blockiert und das wir dringend brauchen würden. Da ist Handlungsbedarf gegeben, und da würde ich Sie bitten, dass Sie mitgehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass Ihr Problem die Namensfindung ist, das ist legendär. Seit 1988 gab es acht verschiedene Firmenbezeichnungen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die gekommen und gegangen sind, dort haben Sie Ihre Schwierigkeit. Nein, Sie haben noch eine zweite: Sie haben kein Monopol auf die Bezeichnung „grün“ – überhaupt nicht. Sie hätten ein Monopol auf grüne Arbeit, aber da haben Sie Defizite, denn das ist in Wahrheit nicht erkennbar. Der ökologische Faktor fehlt bei Ihnen, das weiß doch jede Bürgerin, das merkt doch jeder Bürger. (Uhu-Rufe bei den Grünen.) Das ist gerade für Sie in Niederösterreich peinlich, weil Niederösterreich dies­bezüglich ein Musterland ist, das können Sie nachlesen. Wir machen Umweltpolitik mit Sensi­bilität und nicht mit Aktionismus, so wie Sie vielleicht manchmal! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein weiteres Problem ist, Sie wollen – das ist Ihr gutes Recht – in die Regierung. Bitte, Sie haben die Chance vertan. Sie haben bei der Bundespolitik leider Gottes selbst Ihre eigenen Hoffnungen massiv zerstört. Sie haben sich nicht drübergetraut. Mutlosigkeit ist Ihr Problem. Sagen Sie es doch offen! Weil Sie auf der Bundesebene nichts geschafft haben, wollen Sie in Niederösterreich plötzlich groß punkten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Das wird Ihnen wahrscheinlich nicht gelingen, und das, so glaube ich, ist in Wahrheit Ihre Schwierigkeit.


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Ein Drittes: Frau Kollegin Petrovic! Sie sind eine wunderbare Dame. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, nein! Da muss ich Ihnen widerspre­chen! – Weiterer Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie kandidierten bei der Bundeswahl als Spitzenkandidatin in Niederösterreich – leider ohne Spitzenergebnis. Nun kandidieren Sie wieder als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Niederösterreich ohne Spitzenleistung. Das ist Ihr wahres Dilemma. Sie wissen nicht, ist Petrovic bundespolitisch oder landespolitisch. Wer ist Frau Petrovic? – Das ist die Frage, die Sie dem Wähler beantworten sollten, dann würden Sie weiterkommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wunderbar mit negativen Vor­zeichen!)

Schlussendlich darf ich Ihnen Folgendes sagen: Wir haben in Niederösterreich ein sehr moder­nes Wahlrecht, ein Namenswahlrecht. Wenn Sie Probleme haben, lesen Sie das Wahlrecht! Darin steht: Name zählt vor Partei. Wenn schon alles so gut ist, wenn Sie schon so gut drauf sind, wenn Sie schon so große Hoffnungen haben, dann sagen Sie den Bürgern, bei der Partei­unterscheidung gibt es nach Ihrer Ansicht Probleme, aber Sie haben ja Kandidaten, die Sie präsentieren! – Leider Gottes müssen diese halt die Leute zuerst kennen lernen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Petrovic!) Das ist Ihr Problem.

Arbeiten Sie mit in Niederösterreich! Wir machen eine gute Politik! Steigen Sie ein, und hören Sie auf, zu kritisieren und auszusteigen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Petro­vic!)

16.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Als vorläufig letzter Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Niederösterreich!)

16.24


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Zunächst möchte ich anerkennend zum Ausdruck bringen, dass Sie in diesen doch leider sehr bewegten Zeiten die Zeit für diese gemeinsame Sondersitzung gefunden haben. Ich halte das nicht für selbstverständlich, obwohl festzuhalten ist, dass das Parlament das höchste Organ in der Republik bezüglich Demokratie ist. Aber es war möglicherweise nicht so leicht, diesen Termin zu finden.

Nichtsdestotrotz muss ich gleich zur Sache kommen und ein paar Dinge zurechtrücken und mich auf Sie und auch auf die Kollegen von der ÖVP beziehen.

Erstens: Die erwähnte Spitzenkandidatin dieser unseligen Liste ist sozusagen von den Grünen gegangen, als ihr nichts anderes mehr übrig geblieben ist. Gäbe es solche Vorgänge in jeder anderen Partei, dann würde es in dieser Republik viel klarer aussehen. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens zur Betrachtung der Dinge hier im Haus: Herr Bundeskanzler! Sie haben es anlässlich des Themas Volksanwalt Stadler und seine Ausführungen geschafft, hier 30 Minuten zu spre­chen, ohne auf selbiges Thema überhaupt nur mit einer Silbe einzugehen – damit ist auch diese Sache zurechtgerückt.

Was ist das Grundproblem? – Natürlich ist es Sache des Nationalrates, wenn unserer Meinung nach bundesverfassungsgesetzliche Regelungen verletzt sind, das hier zu debattieren. Das ist doch selbstverständlich. Warum Sie dann auf den Verfassungskonvent verweisen, ist wieder nicht selbstverständlich. Das ist doch bitte nicht die Schublade der Nation! Wo kommen wir denn da hin, den Verfassungskonvent anzurufen, wenn es um einen Machtmissbrauch der ÖVP geht?! Deshalb war das Thema hier und heute dringlich zu behandeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Grundproblem bleibt – damit lässt sich das Ganze überschreiben; „GRÜNÖ“ hin oder her –, es geht einfach darum, dass ganz Österreich, jetzt einmal Niederösterreich, in schwarze Hand soll. Das ist doch das Grundthema der Sitzung. Dieses Modell Niederösterreich ist hoch infek­tiös. Das sehen wir bei Bundesminister Strasser, unter dem entsprechende Zustände im Innen­ministerium Einzug gehalten haben. (Abg. Dr. Stummvoll: Rot-weiß-rot!) Kaum hat er die Mög-


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lichkeit gehabt, hat er im Rahmen der Postenbesetzung parteibuchpolitisch umgefärbt. Das sind die herrschenden Zustände, und deshalb weisen wir hier darauf hin.

Das gibt es im Übrigen auch in der Steiermark; Kollege Lopatka ist ja jetzt ein neuer Kollege hier. Wir hatten vor etlichen Jahren ein ähnliches Problem dort. Mehrere grüne Listen standen zur Wahl. Zwei davon, außer den richtigen Grünen, wurden von der ÖVP forciert und eine da­von sogar von der ÖVP bezahlt. Als Lopatka dabei ertappt wurde, als er das selbst ausgespro­chen hat, habe ich ihn eingeladen, mich zu klagen, wenn er das in der Öffentlichkeit nicht aushält. Das hat er auch angekündigt, nur bis heute nicht eingelöst. Hier habe ich den entspre­chenden Zeitungsartikel. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist das System der ÖVP, das auf ganz Österreich ausgedehnt werden soll.

Zur Rolle der Freiheitlichen in diesem Zusammenhang: Ich finde es erwähnenswert, dass Sie von Spaltungstendenzen reden. Ich glaube, das wird auch als Ablenkungsmanöver durchschaut werden. Sie plakatieren einen „Hecht im Karpfenteich“. Ich kann Ihnen nur sagen, bei der kon­trollpolitischen Rolle, die Sie mittlerweile einnehmen, sind Sie günstigstenfalls ein Goldfisch im Haifischbecken. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist Ihr Problem, und deshalb sollten Sie sich eher zurückhalten und über den Fall Rosenstingl meditieren, denn daran knabbern Sie heute noch. (Abg. Scheibner: Sie sollten in der Zoologie etwas lernen, Herr Kollege! Ein Goldfisch im Haifischbecken wird schwer gehen!)

Ich komme zum Schluss: Auf Bundesebene bleibt die Frage, wer tatsächlich eine zukunfts­fähige Regierungskonstellation darstellt und wer nicht. Wir haben immer etwas von Zukunft und Stabilität gehört. Der Mega-GAU in dieser Sache zeichnet sich ab. Sie haben das instabilste und am wenigsten zukunftsträchtige Modell gewählt, Herr Bundeskanzler! Deshalb werden Sie sich auch dafür rechtfertigen müssen. Es geht an dieser Stelle um nicht mehr oder weniger als um Demokratie und um Machtmissbrauch. Deshalb wäre eigentlich auch in dieser Hinsicht ein neues Regieren angesagt! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.28



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9. Sitzung / Seite 38

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordne­ter Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Zuerst zu berichtigender Sachverhalt und dann der richtige Sachverhalt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Es war noch schlimmer!)

16.28


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Kogler hat hier zwei Behauptungen aufgestellt. Erstens hat er behauptet, die ÖVP hätte die Grün-Listen forciert. Zweitens hat er behauptet, die ÖVP hätte sogar zwei Listen bezahlt. (Rufe bei den Grünen: Eine! Eine!) – Eine! Das ist falsch! Ob eine oder zwei: Es ist falsch!

Richtig ist vielmehr, dass es kein Monopol für eine Partei gibt, als grüne Partei zu kandidieren. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Richtig ist, dass in der Steiermark damals die Grünen Österreichs, die Grünalternative Liste Steiermark (Abg. Gradwohl: Herr Präsident! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), Grüne steirische Liste und Grünes Kernöl kandidiert haben. Keine dieser Listen hat in irgendeiner Form die Unterstützung durch die steirische Volkspartei gehabt. (Abg. Gradwohl: Herr Präsi­dent! Würden Sie bitte die Geschäftsordnung zur Anwendung bringen!) Ich berichtige: Keine dieser Listen hat eine finanzielle oder eine sonstige Unterstützung erhalten. (Abg. Bures: Das ist der Khol’sche Freundschaftsdienst!)

Es waren Aktivbürger unterschiedlichster Provenienz, die in vier Listen angetreten sind. Das ist richtig! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bures: Das war keine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsi­dent! – Ruf bei der SPÖ: Unerhört!)

16.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr als vorläufig letzter Redner Herr Abge­ordneter Öllinger von den Grünen. Restredezeit seiner Fraktion: 2 Minuten. – Bitte.

16.30


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viel, Herr Abgeordneter Lopatka, was Substanz gehabt hätte, haben wir von Ihnen nicht erfahren. Wir hätten uns von einem neuen ÖVP-Generalsekretär schon wünschen dürfen, dass er demokra­tiepolitische Anliegen etwas ernster nimmt, als das in der ÖVP bisher offensichtlich der Fall war. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was wir lernen mussten und offensichtlich lernen müssen – damit sind wir nicht einverstanden, Herr Abgeordneter Lopatka (Zwischenruf des Abg. Dr. Lopatka) –, ist das Rezept der ÖVP-Niederösterreich, das offensichtlich verallgemeinert werden soll (Abg. Kößl: Wir leben in einer Demokratie!) – am Beispiel Strasser wurde es schon vorexerziert –, das heißt: Gib der Opposi­tion keine Chance! Schwäche die Opposition, wo es nur geht! Schicke ihr Listen an den Hals, damit sie mit sich und nicht mit der Regierungspartei beschäftigt ist!

Wenn es irgendwo im Land etwas gibt, was sich regt, dann lasst die Leute, egal, ob es sich um Listen oder Personen handelt, wissen (Abg. Kößl: Das Problem ist, dass die GRÜNÖ keine Partei, sondern eine Bewegung ist!): Es gibt eine Hand, die sie füttert, und die soll man nicht beißen! – Das haben wir schon von einer Partei in diesem Haus gehört, und am Beispiel Niederösterreich exerziert uns die ÖVP das seit Jahrzehnten vor, was sie damit meint! Das ist nicht gut für das Land, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht gut! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Darauf hinzuweisen ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Opposition. Mir reicht es dann nicht aus, so wenig wie den anderen Mitgliedern beider Oppositionsparteien, dass es in Nieder­österreich einen Landesvater gibt, der sich hinstellt und sagt: Ich habe mit all dem nichts zu tun! (Abg. Kößl: Niederösterreich ist liebenswert und lebenswert!) Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen, ich habe damit nichts zu tun! Ich bin zwar für die Wahlkommission verantwortlich, aber ich habe nichts damit zu tun, was die Entscheidung der Wahlkommission betrifft!

Das ist das System! Wenn Sie, Herr Lopatka, sich hierher stellen und sagen, ich weiß nicht, wie das gegangen ist, aber die ÖVP hat keine Listen unterstützt und finanziert, ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Schlusswort, Herr Kollege!


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... dann bestätigen Sie damit nur, dass es Tatsache und Faktum ist, dass dieses System der ÖVP offensichtlich in ganz Österreich durchgezogen wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 70/A (E) der Abgeord­neten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalrats­wahlordnung sowie die Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Land­tagswahlordnungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesverfassungsrechtliche Min­deststandards für Landtagswahlordnungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.


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9. Sitzung / Seite 39

Einlauf


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 70/A und 71/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 191/J bis 219/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 26. März 2003, um 9 Uhr in Aus­sicht genommen ist, wird auf schriftlichem Weg einberufen werden.

Bevor ich die Sitzung schließe, noch zwei Mitteilungen: Eine ist für die Mitglieder der Präsidial­konferenz: Die Präsidialkonferenz wird jetzt unmittelbar im Anschluss an diese Sitzung, das heißt um 16.45 Uhr, im gewohnten Lokal stattfinden. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass der Wirtschaftsausschuss seine Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses zum Thema GATS im Lokal V fortsetzt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 16.35 Uhr

 

 

 

 

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