Stenographisches Protokoll
9.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Mittwoch, 19. März 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
9. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 19. März 2003
Dauer der Sitzung
Mittwoch, 19. März
2003: 11.30 –
11.32 Uhr
14.31 –
16.35 Uhr
*****
Inhalt
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................. 6
Geschäftsbehandlung
Unterbrechung der Sitzung ............................................................................... 7
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................... 6
Dringlicher Antrag
der Abgeordneten Dr. Alexander
Van der Bellen, Kolleginnen
und Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die
Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Landtagswahlordnungen
(70/A) (E) ..................................................................... 7
Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................... 10
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 14
Debatte:
MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 16
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 18
Dr. Peter Wittmann ................................................................................... 20
Barbara Rosenkranz ................................................................................. 21
Dr. Eva Glawischnig ................................................................................. 23
Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................... 25
Dr. Josef Cap (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 26
Anton Heinzl ............................................................................................ 26
Anton Wattaul .......................................................................................... 28
Dieter Brosz .............................................................................................. 29
Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 30
Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................ 31
Michaela Sburny (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 32
Gabriele Binder ........................................................................................ 32
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 2 |
Rudolf Parnigoni ...................................................................................... 34
Karl Donabauer ......................................................................................... 35
Mag. Werner Kogler ................................................................................. 36
Dr. Reinhold Lopatka (tatsächliche Berichtigung) ........................................ 37
Karl Öllinger ............................................................................................. 38
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesverfassungsrechtliche Mindeststandards für Landtagswahlordnungen – Ablehnung 24, 38
Ablehnung des
Selbständigen Entschließungsantrages 70/A (E) ......................... 38
Eingebracht wurden
Petition ........................................................................................................... 6
Petition betreffend „Fortbestand von Radio Agora und Radio dva“ (Ordnungsnummer 2) (überreicht von den Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Mag. Christine Muttonen)
Regierungsvorlage ......................................................................................... 6
23: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (22. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden
Bericht ............................................................................................................ 6
III-16: Gemeinsamer Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 10a GlBG für das Jahr 2001; BM f. soziale Sicherheit und Generationen und BM f. Wirtschaft und Arbeit
Anträge der Abgeordneten
Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen
und Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die
Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für
Landtagswahlordnungen (70/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend skandalöse personelle Unterausstattung des Büros der Datenschutzkommission und damit auch des Büros des Datenschutzrates (71/A) (E)
Anfragen der Abgeordneten
Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Reformpläne im Bereich des
Landesverteidigungsministeriums (186/J)
Dr. Gabriela
Moser,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zukunft
der Post AG (187/J)
Dr. Gabriela
Moser,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie betreffend Zukunft der Post AG (188/J)
Mag. Dietmar
Hoscher,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend Zentralausschuss und Dienststellenausschuss beim BMSG
(189/J)
Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend
„Österreichischen Gesundheitsplan“ (190/J)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 3 |
Ing. Kurt
Gartlehner,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die
schleppende Auszahlung der Entschädigungszahlungen für Hochwasserschäden (191/J)
Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend
Wegekostenrichtlinie der EU (192/J)
Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausbau der Westbahnstrecke
im Schneckentempo (193/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Behinderung der Markteinführung der EN 12566-3 geprüften
Kläranlagen (194/J)
Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Inneres betreffend Zollwache in Vorarlberg (195/J)
Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Inneres betreffend Exekutiveinsatz anlässlich der
Nationalratssitzung am 6. März 2003 (196/J)
Mag. Christine
Lapp,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Valorisierung des
Pflegegeldes (197/J)
Mag. Christine
Lapp, Kolleginnen
und Kollegen an den Vizekanzler betreffend Valorisierung des Pflegegeldes (198/J)
Mag. Christine
Lapp,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
Valorisierung des Pflegegeldes (199/J)
Mag. Christine
Muttonen,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Regierungsübereinkommen –
Bereich Kunst und Kultur (200/J)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 4 |
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundeskanzler betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (201/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Diskriminierung
von Menschen mit Behinderung (202/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung (203/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Inneres betreffend Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung (204/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Justiz betreffend Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung (205/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Diskriminierung von Menschen
mit Behinderung (206/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (207/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend
Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (208/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Diskriminierung von
Menschen mit Behinderung (209/J)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend
Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (210/J)
Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend die Angabe des Ministeriums zur Gesamtsumme der Hochwasserschäden
nach der Überschwemmungskatastrophe vom Sommer 2002 (211/J)
Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend die Verwendung der Mittel zur
Entschädigung von Hochwasserschäden nach der Überschwemmungskatastrophe vom
Sommer 2002 (212/J)
Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Fragebogen der
Europäischen Kommission zur „Einhaltung der Zusagen hinsichtlich der Erfüllung
der auf dem Millenniumsgipfel vereinbarten Entwicklungsziele“ (213/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend das Forschungsprojekt über virusresistente Marillen der Universität
für Bodenkultur Wien (214/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend das
Forschungsprojekt über virusresistente Marillen der Universität für
Bodenkultur Wien (215/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Futtermittel-Kontrollen auf gentechnisch veränderte Bestandteile (216/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Position der Bundesregierung zur
geplanten Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens (217/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Position der Bundesregierung zur geplanten Aufstockung des
EURATOM-Kreditrahmens (218/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Absage von EU-Kommissar Franz Fischler an gentechnikfreie Zonen und
die Problematik der Koexistenz gentechnisch veränderter und unveränderter
Landwirtschaft in Österreich (219/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (19/AB zu 19/J)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 5 |
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (20/AB zu 32/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (21/AB zu 25/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (22/AB zu 72/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (23/AB zu 73/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (24/AB zu 74/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (25/AB zu 75/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (26/AB zu 76/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (27/AB zu 77/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (28/AB zu 57/J)
des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (29/AB zu 78/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (30/AB zu 93/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (31/AB zu 34/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (32/AB zu 85/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (33/AB zu 18/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (34/AB zu 23/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (35/AB zu 46/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (36/AB zu 47/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (37/AB zu 17/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (38/AB zu 20/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (39/AB zu 30/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (40/AB zu 31/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (41/AB zu 53/J)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 6 |
Beginn der
Sitzung: 11.30 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich eröffne
die 9. Sitzung des Nationalrates, die auf Grund eines ausreichend
unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des
Nationalrates einberufen wurde; hinlänglich bekannt als „Sondersitzung“.
Die Amtlichen
Protokolle der 7. und 8. Sitzung vom 6. März 2003 sind in der
Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.
Als verhindert
gemeldet sind die Abgeordneten Pendl, Schieder und
Dipl.-Ing. Prinzhorn.
Einlauf und
Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten
Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23
Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die
schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A) Eingelangte
Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 186/J bis 190/J.
2. Anfragebeantwortungen: 19/AB bis 41/AB.
3. Regierungsvorlage:
Bundesgesetz, mit dem das
Kraftfahrgesetz 1967 (22. KFG-Novelle) und die
4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (23 der Beilagen).
B) Zuweisungen:
1. Zuweisungen seit der
letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1,
100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:
Ausschuss für Petitionen
und Bürgerinitiativen:
Petition Nr. 2
betreffend „Fortbestand von Radio Agora und Radio dva“, überreicht von den
Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Mag. Christine Muttonen.
2. Zuweisungen in dieser
Sitzung:
zur Enderledigung im
Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des
Ausschusses):
Gleichbehandlungsausschuss:
Gemeinsamer Bericht des
Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen und des Bundesministers
für Wirtschaft und Arbeit über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes
gemäß § 10a GlBG für das Jahr 2001 (III-16 der Beilagen).
*****
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 7 |
Ankündigung eines
Dringlichen Antrages
Präsident Dr. Andreas Khol:
Die Abgeordneten
Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt,
den Selbständigen Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Dr. Van der
Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der
Nationalratswahlordnung sowie die Schaffung bundesverfassungsrechtlicher
Mindeststandards für Landtagswahlordnungen dringlich zu behandeln.
Ich habe den
Dringlichen Antrag geprüft: Er ist Gegenstand unserer Zuständigkeit, und daher
wird er zugelassen.
Die Durchführung
der Debatte über den Dringlichen Antrag wird frühestens drei Stunden nach
dessen Einbringung, also um 14.31 Uhr erfolgen.
Ich unterbreche
nunmehr die Sitzung bis 14.31 Uhr.
Nach
Wiederaufnahme der Verhandlungen wird die dringliche Behandlung des
Selbständigen Antrages 70/A (E) stattfinden.
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Die Sitzung
wird um 11.32 Uhr unterbrochen und um 14.31 Uhr wieder
aufgenommen.)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich nehme
die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Dringlicher Antrag
der Abgeordneten
Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen gemäß §§ 74a
Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG an die
Bundesregierung betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die
Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für
Landtagswahlordnungen (70/A) (E)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gelangen zur
dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 70/A (E).
Da dieser
inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung
durch den Schriftführer.
Der Antrag hat
folgenden Wortlaut:
„Die
niederösterreichische Landeswahlbehörde hat die Entscheidung getroffen, dass es
sich bei den Kurzbezeichnungen „GRÜNE“ für „Die Grünen“ und „GRÜNÖ“ für „Grünes
Unabhängiges Österreich, Liste der EU-Opposition, Gabriele Wladyka“ nicht um
„schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen“ im Sinne des §43 der
niederösterreichischen Landtagswahlordnung handelt. Auf den Stimmzetteln für
die kommende Landtagswahl werden daher die Parteibezeichnungen kleingedruckt,
die Kurzbezeichnungen „GRÜNE“ und „GRÜNÖ“ jedoch deutlich größer und
fettgedruckt zu finden sein. In 10 Wahlkreisen werden diese sehr ähnlichen
Kurzbezeichnungen unmittelbar nebeneinander stehen.
Diese
Entscheidung der letztlich zuständigen Landeswahlbehörde, die ausschließlich
mit den Stimmen von ÖVP- und FPÖ-VertreterInnen gefasst wurde, war allerdings
erst der letzte Akt eines für westliche Demokratien unwürdigen Schauspiels, bei
dem es letztlich nur darum ging, durch die (Schein-)Kandidatur einer
pseudogrünen Liste Wählerinnen und Wähler zu täuschen. Die Grünen (Liste
„GRÜNE“) haben politisch, inhaltlich und ideologisch mit der Gruppierung
„GRÜNÖ“ nichts gemeinsam, wie die folgende Kurzcharakteristik zeigt:
Die nunmehr mit schwarz-blauer Unterstützung unter dem Namen „GRÜNÖ“ kandidierende Gruppierung war bislang ausschließlich unter dem Namen „Liste der EU-Opposition“ (LEO) in Erscheinung getreten. Es handelt sich dabei um eine Gruppierung, die radikale Anti-EU Positio-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 8 |
nen vertritt. Die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin und ehemalige
Proponentin des Anti-EU-Volksbegehrens W. bewegt sich dabei regelmäßig im Dunstkreis
obskurer Organisationen wie etwa dem „Verein zur Förderung der psychologischen
Menschenkenntnis“, dem im „Lexikon der Sekten“ (Herder) „...sektenhafte Züge
nachgewiesen werden“, und anderer rechtskonservativer Bewegungen, die wiederum
gute Kontakte mit Revisionisten und Rechtsextremisten pflegen. Nicht zuletzt
tat sich die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin. immer wieder mit einschlägigen Zitaten
hervor, die bezeichnend sind für die Geisteshaltung ihrer Gruppierung: so
bezeichnete sie die Europäische Union als „Völker-Kerker“ („Krone“, 24.4.02),
„Diktatur“ („Die Presse“ v. 22.02.2003) und zuletzt als „kapitalistisches
Kriegsprojekt“ und die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“
(beides in „Die Presse“ v. 4.3.2003).
Umso
überraschender war es daher, dass ausgerechnet Vertreter der „Europa-Partei“
ÖVP ihre Sympathie für eine derartig europafeindliche Gruppierung entdeckten:
im Vorfeld der niederösterreichischen Landtagswahlen leisteten zahlreiche
VertreterInnen der niederösterreichischen Volkspartei Unterstützungserklärungen
für die nunmehr plötzlich unter dem Namen „GRÜNÖ“ auftretende Gruppierung, um
ihr die Kandidatur zu ermöglichen. So unterzeichneten beispielsweise in der
Gemeinde Purgstall u.a. VP-Bürgermeister Franz Ressl, Vizebürgermeister Ferdinand
Bachler sowie eine Reihe anderer VP-Funktionäre und Personen aus dem
unmittelbaren Umfeld der Gemeindeverwaltung. Ein ähnliches Bild ergibt ein
Blick in andere Gemeinden, wo Familienmitglieder, Nachbarn etc. von
VP-Bürgermeistern Unterstützungserklärungen abgaben. Der Verdacht, dass es sich
hierbei um eine konzertierte Aktion der ÖVP handelte, die geplant und
durchgeführt wurde, um durch die Verwechslungsgefahr bzw. den Eindruck zweier
konkurrierender Listen den Grünen zu schaden, ist mehr als naheliegend.
In 5
Wahlkreisen erhielt „GRÜNÖ“ durch diese VP-Aktion die ausreichende Anzahl an
Unterstützungserklärungen, nicht wenige davon von ÖVP-FunktionärInnen. Die
Kandidatur in den restlichen 16 Wahlkreisen wurde ermöglicht, indem die
FPÖ-Landtagsabgeordneten Ram, Hrubesch und Waldhäusl mit ihrer
Unterstützungs-Unterschrift das Sammeln weiterer Unterstützungserklärungen
überflüssig machten. Somit ermöglichte ein gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen
die Kandidatur dieser EU-feindlichen Liste.
Und ein
gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen ermöglichte in der zuständigen Wahlbehörde,
dass sich die obskure LEO-Liste in einer Kurzbezeichnung auf dem Stimmzettel
wiederfindet, die der seit Jahren gebräuchlichen Kurzbezeichnung der Grünen zum
Verwechseln ähnlich ist: Die niederösterreichische Landeswahlordnung verlangt
als einen Bestandteil von Wahlvorschlägen „die unterscheidbare
Parteibezeichnung in Worten und eine allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben“.
§ 43 regelt ein Verfahren für den Fall, dass „mehrere Wahlvorschläge
dieselben oder schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen tragen“. Entscheidend
ist dabei laut Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 8848) die
„Maßgeblichkeit des Gesamtbildes der Parteibezeichnung“: diese sei als
unteilbares Ganzes aufzufassen, wobei auf das Bestehen einer
Verwechslungsgefahr nach allgemeiner Lebenserfahrung abgestellt wird. In diesem
Zusammenhang sei erwähnt, dass der aus dem B-VG ableitbare Grundsatz des
„freien Wahlrechtes“ implizit beinhaltet, dass die politische Willensbildung
dem wahren Wählerwillen entsprechen soll. In diesem Sinne führen die
Materialien zu § 44 NRWO (873 BlgNR 5.GP, S. 5) aus, dass es dem
öffentlichen Interesse widersprechen würde, wenn die Wähler durch Täuschung
nicht ihren wahren Willen zum Ausdruck bringen könnten. Eine auf die
Langbezeichnung der Parteien beschränkter Vergleich könnte dem Grundsatz freien
Wahlrechtes nicht Rechnung tragen, seien doch auf dem Wahlzettel abgedruckte
Kurzbezeichnungen von Parteien zweifellos geeignet, das Wahlverhalten massiv zu
beeinflussen.
Im konkreten Fall hätte daher insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Kurzbezeichnungen auf dem Stimmzettel größer und fett gedruckt sind besonderes Augenmerk darauf gelegt werden müssen, dass auch bei den Kurzbezeichnungen keine Verwechslungsgefahr besteht. Die Kurzbezeichnungen GRÜNE und GRÜNÖ unterscheiden sich aber nur durch einen (den letzten) Buchstaben, der zumal phonetisch ähnlich klingt. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VfGH aber einer Wahlanfechtung stattgegeben, weil so stellte das Höchstgericht fest der Verwechselbarkeit der Kurzbezeichnungen KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) und KB (Kommunistischer Bund Österreichs) auch im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 9 |
Beachtung zu schenken sei. Die Abkürzungen „KPÖ“ und „KB“ würden
sich von der Sprechweise her kaum unterscheiden. Dieses Argument des VfGH
trifft aber im Vergleich der gesprochenen Worte auf „GRÜNE“ und „GRÜNÖ“ umso
mehr zu. Nicht zuletzt könnte die Endung NÖ auch als Hinweis auf die Grüne
Landesorganisation Niederösterreich gedeutet werden.
Die von der
Landeswahlbehörde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ gefällte Entscheidung, die
Kurzbezeichnung GRÜNÖ zuzulassen, ist demnach aufgrund der massiven
Verwechslungsgefahr rechtlich auch nach Ansicht namhafter
Verfassungsrechtsexperten mehr als fraglich und erscheint in Betrachtung der
Gesamtumstände eher als schwarzblauer Willkürakt, um durch die bewusst in Kauf
genommene Verwechslungsgefahr den Grünen zu schaden.
Eine
Betrachtung der entsprechenden Regelungen auf Bundesebene (NRWO) führt
schließlich zum Ergebnis, dass auf dieser Ebene zwar eine ausdrückliche
Regelung für den Fall verwechselbarer Kurzbezeichnungen besteht. Dennoch
erscheint die bestehende Regelung für den Fall einer willkürlichen,
missbräuchlichen (Mehrheits-) Entscheidung der zuständigen Wahlbehörde auch zu
kurz zu greifen.
Wahlbehörden
werden von den politischen Parteien beschickt. Dementsprechend können Entscheidungen
dieser „Behörden“ mitunter auch durchaus „politische“ Entscheidungen sein. Derzeit
gibt es aber gegen Entscheidungen der obersten Wahlbehörden (Bundeswahlbehörde
bei Nationalratswahlen, Landeswahlbehörde bei Landtagswahlen) für wahlwerbende
Parteien kein Rechtsmittel vor dem Wahltermin. Als Rechtsmittel gegen
Entscheidungen, die gegen das geltende Wahlrecht verstoßen, steht derzeit nur
nach dem Wahltermin eine Wahl-Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zur
Verfügung. Ziel einer Wahlordnung kann es aber nicht sein, dass es bei
Verfahrensmängeln zwangsläufig zu einer Wahlaufhebung und -wiederholung kommt.
Sinnvoller erscheint es, wenn gesetzeswidrige Entscheidungen von Wahlbehörden
bereits vor dem Wahltermin durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden
können. Dem entsprechend soll wahlwerbenden Parteien künftig bereits vor dem
Wahltermin ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen von Wahlbehörden einräumt
werden.
Schließlich
scheint geboten, dass die neu zu schaffenden bzw. zu präzisierenden Bestimmungen
in der Nationalratswahlordnung hinsichtlich der Vermeidung der
Verwechselbarkeit von Parteien und die Notwendigkeit von
Unterstützungserklärungen auch als Mindeststandard für die
Landtagswahlordnungen gelten sollen. Dem entsprechend soll der
Bundesverfassungsgesetzgeber zur Vereinheitlichung der Wahlrechte auch eine
entsprechende Rahmenregelung als Mindeststandards schaffen, die für alle
Landtagswahlordnungen verbindlich sein soll.
Die
unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Dringlichen Antrag:
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem
Nationalrat ein Bundesgesetz betreffend die Änderung der
Nationalratswahlordnung zur Beschlussfassung vorzulegen, das folgende
Regelungen umfasst:
1. Die klare und eindeutige Unterscheidbarkeit
von Partei- und Kurzbezeichnungen am Stimmzettel soll durch eine präzisere
Regelung sichergestellt werden: künftig sollen im Konfliktfall Partei- und
Kurzbezeichnungen jener Parteien, die bereits im Nationalrat vertreten sind,
jedenfalls Vorrang vor neu auftretenden wahlwerbenden Gruppierungen haben.
Parteibezeichnungen von nicht im Nationalrat vertretenen Parteien sind
entsprechend abzuändern bzw. deren Kurzbezeichnungen allenfalls zu streichen,
sofern eine Verwechselbarkeit möglich erscheint.
2. Künftig soll für Wahlvorschläge von
Parteien, die bereits im Nationalrat vertreten sind, die Vorlage von
Unterstützungserklärungen nicht mehr erforderlich sein.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 10 |
3. Die Regelung, wonach die Unterschriften von
(drei) Nationalratsabgeordneten das Sammeln der erforderlichen Unterstützungserklärungen
ersetzt, soll ersatzlos gestrichen werden.
Die Bundesregierung wird darüber hinaus
aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des B-VG zur Beschlussfassung
vorzulegen, die den Landtagswahlordnungen sinngemäß diese 3 Punkte als
Mindeststandard vorschreibt.
Schließlich wird die Bundesregierung
aufgefordert, dem Nationalrat eine BV-G-Novelle zur Beschlussfassung
vorzulegen, die wahlwerbenden Parteien bereits vor dem Wahltermin gegen
Entscheidungen von Wahlbehörden ein Rechtsmittel an den Verfassungsgerichtshof
einräumt. Der VfGH soll daher künftig nicht nur im Nachhinein über
Wahlanfechtungen zu befinden haben, sondern strittige Entscheidungen von
Wahlbehörden auch kurzfristig vor dem Wahltermin aufheben können, wenn sie
gegen das geltende Wahlrecht verstoßen.
Die unterfertigten Abgeordneten verlangen,
diesen Antrag gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 1
GOG dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung
zu geben.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich erteile Herrn
Abgeordnetem Dr. Van der Bellen als Antragsteller zur Begründung des
Dringlichen Antrages das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten; Herr
Professor, Sie wissen das. – Bitte.
14.32
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel
hat heute gesagt, der bevorstehende Gipfel der EU-Regierungschefs werde massiv
von der Irak-Krise überschattet sein. – Ja, so ist es, und natürlich wird
nicht nur der EU-Gipfel der Regierungschefs von der Irak-Krise überschattet
sein, sondern auch diese Sitzung ist davon überschattet. Wir alle hier im Hohen
Haus machen uns Sorgen; aber naturgemäß nicht nur wir. All die Menschen in
Österreich und in Europa stehen unter derselben Anspannung, stehen vor den Fragen:
Was wird sein? Wann wird der Krieg beginnen? Wann wird er enden? Welche Folgen
wird er für Österreich, für Europa und für die übrige Welt haben? (Abg. Mag. Molterer: Die Sondersitzung haben Sie zu verantworten!)
Dieser Schatten
ist nicht zu leugnen und nicht wegzuradieren. Ich selbst tue mich auch nicht
ganz leicht, damit umzugehen, aber es nützt nichts: Die Innenpolitik steht in
keinem europäischen Land still, auch nicht in Österreich. Die
niederösterreichischen Landtagswahlen werden auch wegen eines Irak-Krieges
nicht verschoben, sondern finden am 30. März statt. Und im Zusammenhang
mit den niederösterreichischen Landtagswahlen sind wir gezwungen, bestimmte
Fragen zu stellen, politische Fragen, juristische Fragen und insbesondere
demokratiepolitische Fragen von, wie wir glauben, hochrangiger Bedeutung (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), sonst hätten wir Sie, meine
Damen und Herren, nicht für heute zu einer Sondersitzung ins Parlament gebeten,
denn die Grünen können ja, wie Sie wissen, in einem Jahr nur eine so
genannte Sondersitzung beantragen. Es muss also um etwas in unseren Augen
Wichtiges gehen, und es geht hier auch um etwas Wichtiges.
Es geht um den
Machtmissbrauch, den wir sehen, den Machtmissbrauch durch ÖVP und FPÖ in Niederösterreich,
einen Machtmissbrauch, der sich in willkürlichen und, wie wir meinen,
rechtswidrigen Entscheidungen äußert, Entscheidungen von Behörden, in denen die
ÖVP und die FPÖ die Mehrheit haben. Mit dieser Mehrheit werden solche
Entscheidungen durchgedrückt, beschlossen, koste es, was es wolle, was
demokratiepolitische Standards betrifft. – Das sind harte Worte, und ich
muss daher auch den Zusehern dieser Sitzung ein bisschen erklären, worum es
dabei geht.
Bei den niederösterreichischen Landtagswahlen kandidieren als Liste 1, Liste 2 und Liste 3 – wie gewohnt – die ÖVP, die SPÖ und die FPÖ. Als Liste 4 kandidieren die Grünen. So weit alles wie gehabt, wie bekannt aus der Vergangenheit und wie es auf Nationalratsebene auch
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 11 |
nicht
anders ist. Aber als Liste 5, in manchen Bezirken als Liste 6,
kandidiert eine Gruppierung, der die niederösterreichischen Wahlbehörden mit
ihrer Mehrheit aus Volkspartei und Freiheitlichen einen bemerkenswerten Namen
zuerkannt haben, nämlich die Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“. Wir, die Grünen –
die tue mich schon schwer, das unterschiedlich auszusprechen –, werden
einer Partei, einer Gruppierung, einer Gruppe, jedenfalls einer wahlwerbenden
Liste gegenübergestellt, die sich „GRÜNÖ“ nennt.
Das schaut dann
auf dem Wahlzettel so aus (der Redner
zeigt den entsprechenden Teil eines Wahlzettels): Liste 4 GRÜNE,
Spitzenkandidatin: Dr. Madeleine Petrovic, und daneben – oder in
manchen Wahlbezirken an übernächster Stelle – die Liste „GRÜNÖ“ (Ruf bei den Freiheitlichen: Wer ist da
Spitzenkandidat?), in der Langfassung „Grünes Unabhängiges Österreich,
Liste der EU-Opposition, Gabriele Wladyka“.
(Abg. Großruck: Wie „Austria“ und
„Australia“, das verwechselt man auch immer, da kann man nichts machen!)
Wir halten diese
Entscheidung von ÖVP und FPÖ für willkürlich und rechtswidrig (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ), nämlich die Entscheidung, einer Gruppierung, die
mit den Grünen absolut nichts zu tun hat, einen Namen zu geben, der ihr
tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sieht.
Meine Damen und
Herren von der ÖVP, die Sie jetzt so höflich oder weniger höflich lächeln! Ich
darf Sie an § 43 der niederösterreichischen Landtagswahlordnung erinnern.
Man möchte meinen, das sei ein klarer Paragraph, aber er wird – wie die
Ereignisse zeigen – von ÖVP und FPÖ in einer Weise interpretiert, die
jeder Beschreibung spottet. Dieser Paragraph sieht eindeutig vor, dass schwer
unterscheidbare Parteibezeichnungen zu vermeiden sind. Ich betone: dass schwer
unterscheidbare Parteibezeichnungen zu vermeiden sind! Ich meine schon, dass
eine Parteibezeichnung, die sich nur im letzten Buchstaben durch dieses
sagenhafte Ö von der Bezeichnung „GRÜNE“ unterscheidet, ziemlich schwer zu
unterscheiden ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Im vollen Wortlaut!)
Herr Kollege
Stummvoll von der ÖVP! Das, was Sie hier beschlossen haben, ist schwer
unterscheidbar. Hier liegt eine Verwechslungsgefahr für die
Wählerinnen und Wähler nahe. Doch wenn Sie nicht nahe liegt, Herr Kollege
Stummvoll von der ÖVP, dann ist das nur einem Umstand zuzuschreiben: den
Bemühungen der Grünen in den letzten Wochen und nicht zuletzt heute, auf diese
Verwechslungsgefahr aufmerksam zu machen und die Wählerinnen und Wähler vor
diesem Irrtum, wenn Sie so wollen, zu beschützen.
An Ihnen von der
ÖVP liegt es ganz sicher nicht, denn es stand ja die Absicht dahinter, diese
Verwechslung zu Lasten der Grünen herbeizuführen. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist nichts anderes, Herr Kollege
Molterer von der ÖVP, als ein plumper Versuch der Wählertäuschung (Abg. Ellmauer:
Wie hoch ist die Analphabetenrate in Österreich?), wie ich ihn in
Österreich für nicht möglich gehalten hätte; das sage ich Ihnen ganz offen. (Neuerlicher
Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es ist dies ein
plumper Versuch der Wählertäuschung, der keinen Erfolg haben wird – aber
nicht, weil Sie es nicht probiert hätten; probieren tun Sie es bis heute. Ich
bin ja gespannt, was Sie dazu sagen werden. Es wird keinen Erfolg haben, weil
wir uns in den letzten Wochen und auch heute unermüdlich bemühen, auf diesen
plumpen Versuch der Irreführung hinzuweisen. (Abg. Mag. Molterer:
Wahlkampf!)
Meine Damen und
Herren! Die Liste „GRÜNÖ“, mit Ö am Schluss – O-Umlaut –, hat mit den
GRÜNEN, Liste Madeleine Petrovic, nichts, aber schon gar nichts zu tun (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni) – inhaltlich,
politisch, ideologisch, in keiner Weise! (Abg.
Dr. Stummvoll: Das ist Ihre
Spitzenkandidatin vom letzten Mal!) Ich könnte mich damit lange aufhalten,
aber es genügt, glaube ich, dass ich Ihnen zeige, was diese Gruppierung zur
Europäischen Union zu sagen hat. (Abg.
Mag. Molterer: Wie hat bei der
letzten Wahl die Spitzenkandidatin geheißen?)
Die
Spitzenkandidatin dieser Gruppierung war einmal bei den Grünen (Abg. Mag. Mainoni: 1999!), und sie ist dem Ausschluss, Herr Kollege
Molterer, zuvorgekommen, indem sie selbst gegangen ist. Das ist die Wahrheit und sonst nichts! (Beifall bei den
Grünen.)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 12 |
Die Europäische
Union ist nach Ansicht der Spitzenkandidatin dieser Gruppierung ein
„Völker-Kerker“, „Kronen Zeitung“ vom 24. April letzten Jahres, eine
„Diktatur“, „Die Presse“ vom 22. Februar dieses Jahres, ein
„kapitalistisches Kriegsprojekt“ – all das sind wörtliche Zitate. Und die
EU-Erweiterung bezeichnet die Spitzenkandidatin dieser Gruppe als „Ostfeldzug
des Vierten Reichs“. – Na sehr schön!
Dieser Liste geben
ÖVP und FPÖ ihre Unterstützung, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Das Ziel dieser
Gruppierung – das folgt ja aus dem bereits Gesagten – ist
ausdrücklich der Austritt Österreichs aus der Europäischen Union, so
nachzulesen in der Zeitung „Die Presse“ von gestern.
Wenn man es nicht
so genau nimmt, meine Damen und Herren von der FPÖ, könnte man sagen: Diese
Gruppierung ist in ihrer EU-feindlichen und vor allem
EU-erweiterungsfeindlichen Haltung am ehesten mit der FPÖ zu vergleichen (Abg. Scheibner:
Aber wirklich nicht, Herr Kollege! Die Grünen sind schon bei Ihnen, nicht bei
uns!) – ich komme noch darauf zurück. Wenn überhaupt, dann konkurriert
diese Gruppierung mit der Freiheitlichen Partei. (Abg. Scheibner: Wir machen
nur eine grüne Umweltpolitik, aber wir nehmen keine Grünen!)
Solche Positionen,
meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, von Schwarz und Blau,
nämlich die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“ zu bezeichnen, werden
von Ihrer Seite unterstützt. Das wird von den Funktionären von ÖVP und FPÖ
unterstützt!
Ich hoffe, ich
kann es mir ersparen, im Detail darzulegen, dass das nicht die Positionen der
Grünen sind. Wir halten die EU – bei aller Kritik – nicht für eine Diktatur,
und schon gar nicht halten wir die EU-Erweiterung für einen „Ostfeldzug des
Vierten Reichs“, mit der impliziten Unterstellung, dass die Europäische Union
nichts anderes ist als eine Nachfolgeorganisation der Nazidiktatur. – Das
ist nun wirklich jenseits! Das ist das Letzte!
Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und
FPÖ, unterstützen das nicht nur in Bezug auf den Namen, sondern es war Ihnen
auch nicht zu blöd, sich im Vorfeld der Kandidatur dieser Gruppierung für diese
Gruppe einzusetzen.
Ich muss, glaube
ich, den Leuten außerhalb dieses Hohen Hauses erklären, dass eine Kandidatur
einer Gruppierung nur dann zustande kommt, wenn eine Gruppe entweder Unterstützungserklärungen
in den einzelnen Wahlbezirken sammelt – in Niederösterreich sind etwas
mehr als 1 000 Unterschriften erforderlich, um in allen Bezirken
kandidieren zu können – oder die Unterschrift von drei Abgeordneten, die
schon im Landtag vertreten sind, beibringt.
Was ist im Vorfeld
dieser Kandidatur passiert? – Es gibt jede Menge Unterstützungserklärungen
von ÖVP-Funktionären, hervorgestochen ist insbesondere die Gemeinde Purgstall,
wo der Bürgermeister, der Vizebürgermeister und noch fast ein Dutzend weiterer
ÖVP-Funktionäre die Kandidatur dieser Gruppe unterstützt haben.
Erklären Sie mir,
meine Damen und Herren von der ÖVP, wie man dazu kommt, eine Gruppierung zu
unterstützen, die die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des Vierten Reichs“
bezeichnet! Erklären Sie das einem durchschnittlich begabten Österreicher, so
wie ich – das habe ich bis jetzt zumindest geglaubt – einer bin.
Volkspartei und
FPÖ – die Regierungsparteien sind das. Trotz der Tatsache, dass das so
viele ÖVP-Funktionäre unterschrieben haben, wollen Sie uns glauben machen, dass
das keine konzertierte Aktion der ÖVP war, keine abgesprochene Aktion
innerhalb der ÖVP – ausgerechnet in Niederösterreich, dem angeblich
bestorganisierten Land der ÖVP? (Zwischenruf
des Abg. Schöls.) – Schwer
zu glauben! Schwer zu glauben!
Die Kandidatur dieser Gruppe ist letztlich von drei FPÖ-Abgeordneten ermöglicht worden, was insofern eine gewisse Ironie in sich birgt, als diese Gruppierung vom Inhaltlichen her am ehesten noch mit den Freiheitlichen konkurriert. Jene drei, die die Unterschrift geleistet haben,
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 13 |
müssen sich mit Sicherheit darauf verlassen
haben, dass „Grüne“ und „GRÜNÖ“ verwechselt werden und dass das nicht zu Lasten
der Freiheitlichen Partei geht.
Von der FPÖ kann
man sich vielleicht nichts anderes erwarten (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Das ist so
billig! – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni), aber Funktionäre der angeblichen Europapartei, der
ÖVP, unterstützen solche Listen? – Genieren Sie sich nicht ein bisschen? (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Die Volkspartei
steht vor der absoluten Mehrheit in Niederösterreich. Alle Umfragen zeigen,
dass die ÖVP ohnehin die absolute Mehrheit bekommt. Was wollen Sie denn noch? (Abg. Mag. Molterer: Die gute Politik von Erwin Pröll!)
„Die gute Politik
von Erwin Pröll!“, sagt die Volkspartei. (Abg.
Dr. Stummvoll: Das sagt die
Mehrheit der Bevölkerung!) Mit solchen Methoden?
Es liegt mir ganz
fern, die Politik von Landeshauptmann Pröll in der Sache generell zu kritisieren
(Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so schwach, was Sie da sagen!), aber
dieser Landeshauptmann Pröll will mit der Sache, nämlich der Namensnennung
„GRÜNÖ“ trotz „GRÜNE“, nichts zu tun haben. Herr Kollege Molterer von der ÖVP!
Er will damit nichts zu tun haben, es ist ihm offenbar etwas peinlich. (Abg. Großruck:
Gehen Sie zum Staatsanwalt!)
Peinlich ist
jedoch, dass niemand anderer als Landeshauptmann Pröll Leiter jener Wahlbehörde
ist, die dieser Gruppierung den Namen „GRÜNÖ“ zuerkannt hat. Davon will
Landeshauptmann Pröll heute begreiflicherweise aber nichts mehr wissen.
Besonders mutig finde ich das nicht, ehrlich gesagt (Beifall bei den Grünen
und der SPÖ): zuerst Leiter einer Wahlbehörde zu sein und sich dann, wenn
die Sache schief geht und auffliegt, davon zu distanzieren und andere die Sache
ausbaden zu lassen. Das finde ich nicht besonders schön bezüglich jenen, die jetzt
sozusagen den Scherben aufhaben.
Von Seiten der ÖVP
wird uns – zumindest sinngemäß – gesagt: Seid nicht so empfindlich,
das ist ein guter Schmäh! Warum macht ihr solch einen Wind um diese
Sache? – Erlauben Sie mir dazu drei Bemerkungen.
Erstens: Ich finde
es schon schlimm genug, wenn zwei Regierungsparteien – Regierungsparteien! –
eine Gruppierung unterstützen, die die EU-Erweiterung als „Ostfeldzug des
Vierten Reichs“ bezeichnet (Abg.
Mag. Langreiter:
Wiederholung!), aber es widerspricht auch dem Regierungsprogramm, dachte
ich, und den österreichischen Interessen. Es widerspricht auch dem gesunden
Menschenverstand, glaube ich. (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Ihre Worte
widersprechen auch der Notwendigkeit einer Sondersitzung!) Aber sei es
darum, es ist das gute Recht dieser Gruppierung zu kandidieren, wenn sie die
erforderlichen Unterschriften aufbringt, das ist gar keine Frage. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so schwach!) Selbstverständlich ist es
ihr gutes Recht, aber warum mit Ihrer Unterstützung? Warum mit der
Unterstützung der Österreichischen Volkspartei? Das müssen Sie einmal den
Leuten erklären.
Zweitens: Es
stimmt schon, dass dieser Streit um das E oder das Ö am Schluss einer gewissen
Komik nicht entbehrt. (Abg. Dr. Stummvoll: Genau so ist es!) Das stimmt!
Auch die diesbezüglichen Karikaturen der letzten zehn Tage sprechen eine
deutliche Sprache. Die Karikaturisten aller Printmedien in Österreich hatten ja
dieser Tage Highlife, es war wirklich sehr amüsant, im „Kurier“, im „Standard“,
in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ und so weiter, muss ich sagen.
Übrigens: nicht zu unseren Lasten – bevor Sie, meine Damen und Herren von
der ÖVP, lachen.
Etwas amüsanter
würde ich es finden, wenn man sich auch nur eine Sekunde lang vorstellen
könnte, dass beispielsweise die ÖVP Niederösterreich einer neuen Liste –
nennen wir sie zum Beispiel „Neue Österreichische Volkstumspartei“ – als
Kurzbezeichnung den Namen „NÖVP“ zuerkennen würde. Kann man sich das
vorstellen? Die Wahlbehörde mit ihrer Dominanz von ÖVP und FPÖ würde dann
akzeptieren, dass auf dem Stimmzettel dann „ÖVP“ an erster Stelle und „NÖVP“ an
zweiter Stelle stünde? – Sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und der
SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 14 |
Keine Sekunde lang
kann man sich das vorstellen. (Abg. Dr. Stummvoll: Bei uns spaltet sich niemand
ab!) Ich sehe Ihren Gesichtern ja an, dass Sie mir diesbezüglich zustimmen.
Das ist undenkbar! Genau das, meine Damen und Herren von der ÖVP, zeigt die
Willkür bei dieser Entscheidung.
Drittens: Der österreichische Verfassungsgerichtshof, Herr Molterer von
der ÖVP, betrachtet meiner Meinung nach zu Recht diese Spielerei mit
Kurzbezeichnungen keineswegs als preiswerte Unterhaltung von
Krähwinkler – sagen wir es so – ÖVP-Funktionären, sondern als eine
ernste Sache. (Abg. Scheibner: Von wo sind die?) Ich empfehle Ihnen dringend, die
Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage nachzulesen. Dieser geht
eindeutig und nachvollziehbar davon aus, dass freie Wahlen, die den so
genannten wahren Wählerwillen erkennen lassen sollen, voraussetzen, dass eine
Verwechselbarkeit von politischen Parteien nicht besteht, nicht bestehen darf.
Dazu gibt es einschlägige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes
sowohl zu den Langbezeichnungen als auch zu den Kurzbezeichnungen der
Parteien.
Meine Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat in solchen Fragen
schon in weniger heiklen Fällen zugunsten einer Aufhebung von Wahlen
entschieden. Wir streben eine Anfechtung der Wahl und eine anschließende
Aufhebung nicht an, überhaupt nicht. (Abg.
Dr. Stummvoll: Sie hätten auch
keine Chance! Sehr klug!) Aber die Volkspartei und die FPÖ scheinen es
darauf anzulegen, und das ist meiner Meinung nach ein unwürdiges Verhalten in
einer funktionierenden Demokratie. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Mich würde interessieren, worin Sie in dem Antrag, den die Grünen heute
eingebracht haben, Probleme sehen.
Wir würden ersuchen, über Folgendes zu diskutieren: Der
Verfassungsgerichtshof möge eine Art Recht erhalten, so etwas Ähnliches wie
eine Einstweilige Verfügung schon im Vorfeld einer Wahl erlassen zu können, um
nicht erst im Nachhinein tätig werden zu müssen, wenn es zu spät ist, wenn es
zu einer Anfechtung und zu einer Aufhebung von Wahlen kommt. Im Zivilbereich
ist so etwas schon längst üblich: Wenn ein Unternehmer auf die Idee kommt, ein
Coca- Cola-ähnliches Getränk anzubieten, und auf die Etikette „Koca
Kola“ – mit zwei K – schreibt, dann hat er binnen Sekunden eine
Millionenklage am Hals. (Abg. Scheibner: Sie machen aber eine ordentliche
Werbung!) Nur politische Parteien sollen sich den genau analogen Fall
gefallen lassen. (Zwischenruf des Abg.
Mag. Molterer.) – Sehr
lustig, Herr Kollege Molterer!
Wir schlagen weiters vor, dass die Nationalrats-Wahlordnung in mehreren
Punkten klarer gefasst wird beziehungsweise geändert wird. Erstens muss es
eine Regelung geben, die die Verwechselbarkeit von politischen Parteien
ausschließt. Zweitens halten wir es für überflüssig, dass drei Abgeordnete für
andere
politische Parteien Unterschriften abgeben und abgeben können. Das führt nur zu
taktischem Missbrauch, wie insbesondere jetzt der Fall Niederösterreich wieder
zeigt. Drittens regen wir an, dass die Landtage mittels eines
Bundesverfassungsgesetzes angehalten werden, ihre Wahlordnungen entsprechend
dieser Regelung klarer zu fassen, damit derartige Vorgangsweisen wenigstens in
Zukunft nicht mehr vorkommen können, wenn sie auch für dieses Mal nicht mehr
verhinderbar sind.
Ich glaube, meine Damen und Herren, insbesondere jene von der ÖVP, es
gibt hier einen demokratiepolitischen Handlungsbedarf, und ich ersuche Sie
sehr, unsere Bedenken ernst zu nehmen und diesem Dringlichen Antrag heute
zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den
Grünen und der SPÖ.)
14.52
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zur Abgabe einer
Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu Wort
gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. –
Bitte, Herr Bundeskanzler.
14.52
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, Sie haben heute einen Dringlichen Antrag eingebracht,
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 15 |
der
meines Erachtens an einem anderen Ort diskutiert gehört, nämlich im
Niederösterreichischen Landtag. Dort gehört er hin! (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger:
Dort kann man das nicht diskutieren!)
Ich halte wenig
davon, dass Landtage ständig Bundesthemen diskutieren oder der Nationalrat
Landesthemen diskutiert. Dafür haben wir ja einen funktionierenden
Föderalismus, dass jede Institution für ihre Themen sowohl legislativ wie
natürlich auch kontrollierend tätig wird. Wie wir alle wissen, funktioniert die
Demokratie in Österreich, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf
Landesebene, und daher sollen diese Themen sowohl im kontrollierenden als auch
im gesetzgebenden Bereich dort auch diskutiert werden.
Sie haben drei
Punkte in Ihrem Dringlichen Antrag vorgeschlagen. Der erste ist erfüllt, über
den zweiten kann man jederzeit diskutieren, und den dritten halte ich für
äußerst problematisch. Ich werde es kurz begründen.
Für eine Änderung
der Nationalrats-Wahlordnung gibt es überhaupt keinen zwingenden Grund, denn
die Nationalrats-Wahlordnung – Sie haben ja selber die
Nationalrats-Wahlordnung zitiert – ist ausreichend, um Ihrem Anliegen
gerecht zu werden. Ich verstehe Ihr Anliegen durchaus, Sie wollen nicht, dass
Ihre Partei mit der Lang- und Kurzbezeichnung einer anderen politischen Partei
verwechselt wird. Ich glaube, dass die Nationalrats-Wahlordnung vollkommen
diesem Gedanken entspricht, und es ist, wie wir wissen, in der Vergangenheit
immer wieder die Gelegenheit gegeben gewesen, Wahlen in freier und fairer Art
und Weise in einem offenen Wettbewerb aller politischen Gruppierungen
durchzuführen.
Dazu kommt, dass
wir eine ganz klare und unabhängige Entscheidungsmöglichkeit für Streitfragen
haben. Sie haben völlig Recht, es kann im Einzelfall zu Problemen kommen, und
das ist auch auf Nationalratsebene immer wieder der Fall gewesen. Ich darf nur
erinnern: Ich glaube, im Jahre 1986 hatten wir drei Grün-Gruppierungen,
deren Kurzbezeichnungen sich übrigens auch nur durch einen Buchstaben
unterschieden haben: VGÖ, DGÖ und und und, und der Verfassungsgerichtshof hat
darüber befunden.
Das heißt, jede
Entscheidung der Wahlbehörde ist jederzeit anfechtbar, die Judikatur des
Höchstgerichtes, die Ihnen natürlich bekannt ist, ist dazu sehr differenziert
und umfangreich. Die Entscheidungen sind jederzeit auch überprüfbar. Das
bedeutet konkret: Wenn durch eine solche Entscheidung das Wahlergebnis
beeinflusst wird, dann hat die Rechtsprechung sogar die Möglichkeit, Wahlen
wiederholen zu lassen.
Wir haben daher
ein Maximum an Transparenz, an Kontrolle und Korrekturmöglichkeiten, und ich
finde es sehr gut, dass diese Korrektur- und Kontrollmöglichkeiten in den
Händen der unabhängigen Justiz liegen. Dort gehören sie auch hin – nicht
in eine Sondersitzung des Nationalrates! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Abg. Öllinger:
In Niederösterreich ist es finster!)
Zweitens fordern
Sie, dass der Bund, der Bundesgesetzgeber den Ländern hinsichtlich ihrer
Wahlordnungen Vorschriften machen soll, punktuelle Auflagen erteilen soll, und
zwar in Form eines Verfassungsgesetzes. Ich halte das für sehr problematisch,
Herr Abgeordneter, denn die Verfassung legt ja die Eckpunkte fest, die für eine
demokratische und zulässige Landtagswahlordnung Geltung haben, und sie werden
auch jederzeit überprüft. Andererseits jetzt aber im Detail weiter zu gehen ist
meiner Meinung nach deswegen sehr problematisch, weil es natürlich als ein
Eingriff in die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten der Länder und der Landtage
interpretiert werden könnte.
Es ist aus meiner Sicht auch wirklich ungerechtfertigt, hier den Eindruck erwecken zu wollen, als hätten die Länder Österreichs, die zum Teil eine längere demokratische Tradition haben als der Bund, einen schlechteren demokratischen Standard als der Bundesgesetzgeber. Das ist einfach nicht richtig, und ich bitte Sie daher wieder, Diskussionen über die Verbesserung einer Landtagswahlordnung, die man jederzeit führen kann, dort zu führen, wo sie hingehören,
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 16 |
nämlich im
Niederösterreichischen Landtag, der der zuständige Gesetzgeber ist. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dazu kommt, dass
sich die meisten, ja alle Landtagswahlordnungen im Großen und Ganzen, sogar
auch in den Formulierungen, von der Nationalrats-Wahlordnung nur unwesentlich
unterscheiden, weil eben mit den von der Verfassung vorgegebenen Eckpunkten
ein demokratisches und faires Wahlteilnahmerecht garantiert ist.
Weiters haben Sie
einige zusätzliche Verbesserungswünsche – über die kann man natürlich
immer diskutieren. Ich glaube, dass der Konvent, den wir demnächst einrichten
werden, ein sinnvolles Diskussionsforum dafür ist, wo unabhängig von einem
Anlassfall über all diese Dinge gesprochen werden kann. Ich verstehe natürlich,
Sie sind Wahlkämpfer in Niederösterreich, Sie wollen das, und jetzt haben Sie
hier auch die Möglichkeit, vor den Fernsehzuschauern Ihre Themen zu artikulieren,
auch wenn es besser im Niederösterreichischen Landtag Platz haben würde, aber
okay. (Abg. Öllinger: Dort geht es nicht!)
Ich glaube
dennoch, dass einige Themen diskutabel sind, und die gehören in den Konvent, so
wie auch manche Vorschläge, die wir von der Bundesregierung vorgelegt haben,
wie etwa die Verbesserung der Teilnahmemöglichkeiten von Wählerinnen und
Wählern, wie etwa die Frage des Briefwahlrechtes, das es besonders kranken
Menschen oder Österreichern im Ausland ermöglichen sollte, ihr demokratisches
Recht einfacher auszuüben, wie es auch in anderen EU-Ländern der Fall ist. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich glaube daher:
Punkt eins Ihrer Wünsche ist erfüllt; Stichwort: Nationalrats-Wahlordnung.
Punkt zwei, nämlich Verbesserungsmöglichkeiten, werden wir im Konvent
diskutieren. Punkt drei, nämlich den Eingriff des Bundes via Verfassungsgesetz
in die Landeskompetenzen, lehne ich ab, weil das eine unzulässige und nicht
notwendige Bevormundung ist.
Ich glaube, die
Österreicher vertrauen durchaus den demokratischen Institutionen und den unabhängigen
Gerichten. Ich wünsche mir, dass bei der Wahl am 30. März viele
Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher zur Wahl gehen, ihr
demokratisches Recht ausüben. Ich bin mir sicher, dass sie auch ganz genau
überlegen werden, wem sie ihre Stimme geben, und ich hoffe sehr, dass die
politische Mitte gestärkt wird, die Stabilität, natürlich auch der europapolitische
Kurs, der gerade für Niederösterreich so wichtig ist, weil es von der
EU-Erweiterung besonders und, wie ich hoffe, im Positiven berührt sein wird. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
14.59
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gehen nunmehr
in die Debatte ein. Sie wissen, 10 Minuten Redezeit für jeden Redner.
Zu Wort gelangt
Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.
15.00
Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler!
Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler, Sie meinten, die Thematik gehöre nicht
in dieses Haus. Ich meine das schon, und zwar aus mehreren Gründen. Es waren ja
nicht zuletzt namhafte Bundesverfassungsrechtler wie Theo Öhlinger und Heinz
Mayer, die gemeint haben, da sei man in einem Bundesland zu weit gegangen, da
sei eine übermächtige Partei zu weit gegangen, indem sie ihre Vormachtstellung
gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner auf Bundesebene – also Blau und
Schwarz Hand in Hand – ausgenützt habe, ausgenützt zu Lasten einer
kleineren Partei, ausgenützt natürlich auch zu Lasten der Wählerinnen und
Wähler. Und das lehnen wir ab! (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler! Sie haben gemeint, dies sei eine Angelegenheit des Föderalismus, das ginge Sie, das ginge dieses Haus nichts an. Molterer nickt dazu heftig. – Nein, so ist es nicht! Denn Sie wissen genau, dass Landesrecht, auch Landesverfassungsrecht dem Bundesverfassungsrecht nicht widersprechen darf, und ich glaube auch, dass die Bevölkerung ein Recht hat, über die österreichischen Bundesländer hinweg im gesamten Bundesgebiet nach ungefähr
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 17 |
gleichen demokratiepolitischen Spielregeln vertreten zu sein und dass ihre
Rechte nach den gleichen Spielregeln gewahrt werden. – Das ist derzeit
nicht der Fall.
Herr Abgeordneter
Molterer, können Sie erklären, wieso etwa zum Einbringen von Anträgen im
Burgenland 11 Prozent der Abgeordnetenstimmen, in Niederösterreich über
10 Prozent und auf Bundesebene 2 Prozent notwendig sind? Sind die
Wählerinnen und Wähler, die da vertreten werden, im Burgenland oder in Niederösterreich
weniger wert? Warum soll da das Mandat eines Abgeordneten weniger zählen? Warum
soll die Inanspruchnahme von klassischen Rechten, die zu einem Mandat
gehören – Anträge zu stellen, mit den Regierenden darüber zu diskutieren –,
nur in Teilen des Bundesgebietes möglich sein und in anderen nicht? – Das
ist nicht zu verstehen, das ist abzulehnen, und das ist rechtlich
problematisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie sagen: Bringen
Sie dieses Thema in einen Landtag! – Meine Damen und Herren! Das ist nach
der Geschäftsordnung nicht möglich, nach den Geschäftsordnungen, die Sie
mit Mehrheit so beschließen, damit andere dort nicht zu Wort kommen. Deswegen
machen wir Ihnen den Vorwurf, dass Sie, die Sie in vielen Bundesländern
wirklich deutliche, überwältigende Mehrheiten haben, genau in diesen
Bundesländern – es betraf in der Vergangenheit Niederösterreich, es
betraf in der Vergangenheit auch die Steiermark; mein Kollege Brosz wird dazu
Näheres ausführen, es betraf nicht nur ein Bundesland –, genau dort, wo
Sie die Fülle Ihrer Vormacht gespürt haben, auch noch auf die Ebene von Tricks
und Täuschungen gegangen sind. Und ich frage Sie: Hat das eine Partei, die in
den Umfragen so deutlich voran liegt, haben Sie das wirklich notwendig, auf
diese Ebene herunterzusteigen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der SPÖ.)
Wissen Sie, wir
waren nie irgendwie kleinlich oder angerührt oder verletzlich, aber das
hat ... (Rufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen: Nein! Nein! Überhaupt nicht! – Ironische Heiterkeit bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Nein, gar nicht, gar nicht! Wir
reden ja immer noch mit Ihnen, und wir streiten immer noch mit Ihnen! (Beifall
bei den Grünen.) Aber wissen Sie, wenn mit amtlicher Mitteilung
eines Bürgermeisters im Vorfeld der Nationalratswahl zur Wahl der ÖVP
aufgerufen wird und dazu noch falsche Tatsachen verbreitet werden, dann haben
Sie völlig Recht – einige haben das ja im Vorfeld gerufen –: Das ist
ein Fall für die Staatsanwaltschaft, amtswegig! Das braucht nicht unser
Einschreiten! Ich nehme an, irgendwer von der Staatsanwaltschaft wird uns
hören. Meine Damen und Herren, handeln Sie! Das ist nach dem StGB verboten, und
das StGB muss auch für die Mächtigen in diesem Lande gelten, meine Damen und
Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich finde, dass
das eine Partei, die eine solche Vormachtstellung hat und durchaus auch Dinge
im Bundesgebiet realisiert hat, die in Ordnung sind – nicht umsonst haben
wir sehr ernsthafte Koalitionsgespräche geführt –, wirklich nicht
notwendig hat. Ich frage Sie, ob es wirklich angeht, dass zumindest in
Teilbereichen ganze Bezirksorganisationen in einer Nacht- und Nebelaktion
Unterschriften gegen die Grünen sammeln für eine Gruppe, die sich nie so
genannt hat, sondern die man extra noch für Zwecke dieser Wahl erst im März
dieses Jahres umbenannt hat, damit sie eben ein bisschen ähnlicher klingt und
damit sich eben vielleicht doch ein paar Leute irren. Ich frage Sie, ob das
dann noch rechtens ist, was Sie davon halten, wenn dieselben Leute, die in
Amstetten, Scheibbs, Horn und Waidhofen ihre Unterschriftentrupps aussenden und
sagen: Der Bürgermeister macht das schon! (Abg.
Hornek: Das stimmt nicht!) –
wir haben lauter eidesstattliche Erklärungen diesbezüglich; das können wir
ruhig auch vor die Gerichte bringen –, wenn dieselben Leute, die diese
Unterschriften sammeln, ÖVP-Mandatare, freiheitliche Mandatare, sich dann am
Nachmittag, nachdem sie am Vormittag diese Unterschriften sammeln waren, in der
Wahlbehörde zusammensetzen und sagen: Ist das recht oder unrecht? Na ja, ist
schon recht, ist schon recht! – Die SPÖ war dagegen, natürlich haben sich
auch Grüne dagegen ausgesprochen, aber die blau-schwarze Mehrheit auf
Bundesebene (Zwischenruf bei der ÖVP)
und die blau-schwarze Mehrheit im Land haben so entschieden. (Abg. Scheibner:
So entscheiden Sie in der Wahlkommission? Nach solchen Kriterien entscheiden
Sie in der Wahlkommission? Das ist aber sehr interessant! – Abg.
Mag. Molterer: Haben Sie
gesagt, dass Sie diese Leute vor Gericht bringen wollen?)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 18 |
Wie gesagt, das
muss die Staatsanwaltschaft von sich aus tun, Herr Molterer, das braucht nicht
mein Einschreiten. Das braucht nicht mein Einschreiten! (Abg. Mag. Molterer:
Sie haben gesagt, Sie werden die Leute, die Unterschriften gesammelt haben,
vor Gericht bringen! Ist das Ihr Demokratieverständnis?) Die Klagsdrohungen
haben Ihre Funktionäre gegen Grüne ausgesprochen, als wir das aufgedeckt
haben! Und ich frage Sie einmal mehr: Hat es eine Partei, die in den Umfragen
bei ungefähr 60 Prozent liegt, notwendig, jene, die einen Schwindel
aufdecken, mit Klagen einzudecken? – Das ist doch wirklich eigentlich
niedrig, und ich finde das ziemlich feig. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Herr
Bundeskanzler, damit Sie es nur recht wissen und damit Sie es auch sehen, wofür
ÖVP-Mandatare, ÖVP-Bürgermeister, freiheitliche Landtagsabgeordnete ihre
Unterschrift gegeben haben (die Rednerin
zeigt ein Schriftstück): Veto zur EU-Osterweiterung. – Bravo, kann ich
nur sagen! (Abg. Mag. Molterer: Ihre Spitzenkandidatin!)
Als wir dann
darauf aufmerksam gemacht haben, hat der Herr Bürgermeister gesagt: Das war
nicht ich, es gibt mehrere, die so heißen! Das habe nicht ich
unterschrieben! – Dann haben wir den Nachweis erbracht, dass es doch so
war, und dann hat er gesagt: Ich habe nicht gewusst, was ich unterschrieben
habe! – Dazu kann ich nur bravo sagen, wenn die mächtigste Partei im Land
Funktionäre, ganze Bezirksgruppen hat, die irgendetwas unterschreiben, von dem
sie nicht wissen, was es ist. Bravo, kann ich nur sagen. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Auch an Ihre
Adresse, Herr Bundeskanzler, der Sie sagen: Was geht mich das an? Ich bin der
Bundeskanzler dieser Republik, und das ist irgendwo in einem Bundesland! –
Herr Bundeskanzler! Die Proponentin dieser Liste hat Sie und Ihre Ausführungen
im Jahr 1998 mit Worten Hermann Görings verglichen. Ich will das hier
nicht zitieren, weil das nicht in dieses Haus gehört, aber ich stelle Ihnen
die Frage, für wen Sie oder Ihre Funktionäre da unterschreiben. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler
Dr. Schüssel. –
Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Wenn dieselbe
Proponentin dieser Liste Europol-Beamte mit der Gestapo vergleicht, dann
appelliere ich dringend, dass diese Funktionäre sich in Hinkunft besser
anschauen, was sie unterschreiben. Und den Wählerinnen und Wählern empfehle
ich, keine Liste zu wählen, bei der die Funktionäre nicht wissen, was sie tun
und was sie unterschreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.)
15.09
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. Wunschgemäß wird die Uhr auf
8 Minuten eingestellt. – Bitte.
15.09
Abgeordneter
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
muss gestehen, ich finde es schon ein bisschen beklemmend (Ah-Rufe bei den Grünen – Abg. Dr. Grünewald: Fürchtet euch nicht!), wenn am heutigen Tag, an dem
die ganze Welt sorgenvoll in den Irak blickt, an dem Millionen Menschen auf
der Straße für den Frieden demonstrieren (Abg.
Mag. Maier: Wofür haben Sie
jemals demonstriert?), an dem die Regierungen auf der ganzen Welt
Strategien entwickeln, wie der Schaden durch diesen Konflikt für das eigene
Land minimiert werden kann, von möglichen Terroranschlägen bis hin zur Frage,
wie man den Flüchtlingsstrom bewältigen kann, wenn an einem solchen Tag die
grüne Fraktion, die einmal im Jahr eine Sondersitzung verlangen kann, eine
Sondersitzung zu dem Thema abhält, ob eine Kurzbezeichnung einer Liste auf dem
Stimmzettel einer Landtagswahl genügend Unterscheidungsmöglichkeiten bietet. (Abg. Öllinger:
So etwas Scheinheiliges!)
Meine Damen und
Herren! Die Bürgerinnen und Bürger in Niederösterreich werden sich ein Bild
über Ihre politischen Prioritäten machen! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Der 30. März
wird Ihnen zeigen, wie die Bürgerinnen und Bürger in Niederösterreich Ihr
Verhalten beurteilen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist doch beschämend, was
Sie da von sich geben!)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 19 |
Meine Damen und
Herren! Was liegt hier vor? – Sie sagen, es liegt Wählertäuschung vor,
weil sich auf dem Wahlzettel neben der Langbezeichnung – die eine Fraktion
hat eine Zeile, die andere Fraktion hat drei Zeilen – zwei
Kurzbezeichnungen befinden, die sich durch einen Buchstaben unterscheiden,
genauso wie sich SPÖ und FPÖ durch einen Buchstaben unterscheiden, genauso wie
sich KPÖ und SPÖ durch einen Buchstaben unterscheiden. Ich habe hiefür nur eine
Erklärung, es gibt eigentlich nur zwei Varianten: Entweder, meine Damen und
Herren – kommen Sie heraus und erklären Sie das hier! –, halten Sie
den Wähler wirklich für so dumm, dass er das nicht unterscheiden kann –
das wäre eine Beleidigung des Wählers –, oder Sie sagen, Sie haben so
wenig eigenes Profil (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass
der Wähler es wirklich nicht unterscheiden kann.
Meine Damen und
Herren! Schauen wir uns einmal an, was hier wirklich vorliegt! Es ist so, dass
sich die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Landtagswahl 1999 aus dem Bezirk
Mödling mit der grünen Parteiführung zerstritten und eine eigene Liste
gegründet hat. (Abg. Mag. Mainoni: Genau das ist es!) Familienkrach
im Hause Grün. Daraus abzuleiten, dass dieses Haus die Bundesverfassung ändern
soll, weil grüne Splittergruppen untereinander streiten, das ist eine Zumutung
für dieses Hohe Haus, Herr Kollege Grünewald! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Dazu kommt, dass
seit 1988, also innerhalb von 15 Jahren, auf Landes- und Bundesebene
Grün-Gruppierungen insgesamt acht Mal ihre Listenbezeichnungen geändert haben. (Abg.
Mag. Mainoni: Zerstrittener Haufen!) Ich habe einen Mitarbeiter
unseres Klubs gebeten, sich das anzuschauen. Er ist dann zu mir gekommen und
hat – Pardon! – den eher derben Vergleich gewählt, die Grünen hätten
ihre Bezeichnungen so rasch geändert, wie manche ihre Unterhosen gewechselt
hätten. Pardon für diesen derben Vergleich. Acht verschiedene Bezeichnungen
innerhalb von 15 Jahren, meine Damen und Herren! Und da erwarten Sie, dass
dieses Haus die Bundesverfassung ändert? Das erwarten Sie wirklich? Das ist ein
absurder Missbrauch des Parlaments, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Der Wähler kann genau
unterscheiden zwischen SPÖ, KPÖ und FPÖ. Der Wähler kann sehr genau
unterscheiden zwischen Ihrer Fraktion und der neuen Fraktion, einer Kandidatin,
die aus Ihrem grünen Haus stammt, Herr Kollege Grünewald. Aber ich gebe zu, Sie
haben es nicht leicht als Opposition in Niederösterreich. Es ist dort so, wie
es immer ist (Abg. Dr. Grünewald: Ja!): Die Opposition hat
es umso schwerer, je besser die Regierung ist. Wie schwer müssen Sie es in
Niederösterreich haben, Herr Kollege Grünewald? Wie schwer müssen Sie es dort
haben? (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ihre frühere
Spitzenkandidatin – ich habe das heute zufällig im „Standard“
gelesen –, die jetzt für „GRÜNÖ“ kandidiert, hat heute laut „Standard“
gesagt, eigentlich dürften Sie sich nicht Grüne nennen, denn mit Grün hätten
Sie nichts mehr am Hut. – Zitat aus der heutigen Ausgabe des „Standard“,
Herr Kollege Grünewald! (Abg. Dr. Van der Bellen: Sie
unterstützen also diese Liste!?)
Ich sehe ein, Sie
haben in Niederösterreich noch ein Problem, nämlich dass Sie dort keine
Kernkompetenz mehr haben. Niederösterreich ist heute unter Erwin Pröll und
seinem Team das Umweltland Nummer eins. Wir haben in Niederösterreich die
meisten Naturparks. Wir sind, bitte, das einzige Bundesland mit zwei Nationalparks.
Wir waren das erste Bundesland, das zum Schutz des Wassers eine eigene
Wassercharta verabschiedet hat. Wir haben in Niederösterreich
200 Klimabündnisgemeinden, meine Damen und Herren. Wir haben in
Niederösterreich, wie Ihre frühere Abgeordnete, Monika Langthaler, unlängst in
einem Pressegespräch mit Erwin Pröll bestätigt hat, den größten Anteil an
ökologischer Landwirtschaft. Dort sitzen die wahren Grünen, unsere Landwirte,
unsere Bauern! Die tun etwas für die Erhaltung der Kulturlandschaft. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die sorgen dafür, dass eine lebenswerte
Umwelt erhalten wird, Herr Kollege Grünewald. Das ist Ihr wahres Problem!
Aber glauben Sie mir, der Wähler kann genau unterscheiden, wer Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat für die Bürgerinnen und Bürger und für das Land arbeitet (Abg. Groß-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 20 |
ruck:
So ist es!), und wer sich fünf Jahre nicht blicken lässt und zehn Tage
vor der Wahl hier im Hohen Haus ein riesiges Spektakel macht. Das ist es, was
Sie wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Sie haben das
nächste Problem, nicht nur dass Niederösterreich heute das Umweltland Nummer
eins ist, herzeigbar. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Stimmt ja
nicht!) – Bitte, ich weiß es aus meinem eigenen Wahlkreis:
Ökokreislauf Harbach – ein Vorbildprojekt für Europa, Edelhof bei
Zwettl – ein Vorzeigeprojekt, die Biolandwirtschaft im Horner Becken, etwa
in Maiersch. Das sind ja lauter Projekte, wo die Praxis längst bewiesen hat,
sie können es besser als jede Grünfraktion in diesem Haus oder in einem
Landtag.
Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich eines auch sagen, weil hier immer wieder die EU
angesprochen wurde und gerade weil Niederösterreich vor unglaublich spannenden
Jahren steht: Kein Land – Professor Felderer hat es bestätigt – hat
sich so intensiv auf die EU-Erweiterung vorbereitet wie Niederösterreich.
Daher wage ich zu behaupten, dass die Vorhersage des Herrn Landeshauptmannes
Pröll, Niederösterreich werde erster Gewinner der EU-Erweiterung sein, auch
tatsächlich eintreten wird. Bei einer solchen Politik, wo das Land in guter
Hand ist, wo die Menschen Vertrauen haben zu Erwin Pröll und seinem Team, da
tun Sie sich natürlich schwer. Daher heute dieses Politspektakel, das wir
ablehnen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.16
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 5 Minuten haben Sie
gewünscht. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.17
Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich
finde es etwas schade, dass der Bundeskanzler – und da stimme ich mit
Ihnen überein, Herr Abgeordneter – in dieser Situation diese Sondersitzung
nicht genützt hat, auch eine Erklärung zum Irak abzugeben. Aber diese Chance
wurde vertan. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner:
Das darf er ja gar nicht! Wer hat denn das eingebracht?) Es ist schade,
dass er das nicht gemacht hat. Es wäre eine Chance gewesen, die österreichische
Bevölkerung darüber zu informieren. Schade um die vertane Chance!
Zum Thema. –
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob es ein Landeshauptmann
Pröll, der hier in den buntesten und schillerndsten Farben von einem Vorredner
dargestellt wurde, wirklich notwendig hat, dass er seinen Parteiapparat dazu
missbraucht, Unterschriften zu sammeln, um eine wirklich fragwürdige
Gruppierung in Konkurrenz zu einer demokratisch fundierten Partei zu stellen.
Braucht dieser Landeshauptmann wirklich derartige Methoden? Ist dieses
Doppelspiel notwendig? Ich frage mich, ob es jemand, der durchaus auch seine
Vorzüge für das Land hat, wirklich notwendig hat, so zu agieren. – Ich
glaube, dass diese tiefe Lade seinem Standard nicht entspricht. (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen.)
Aber dieses
Doppelspiel haben wir ja schon einmal erlebt. Wir haben dieses Doppelspiel ja
schon erlebt, als er halbherzig diese blau-schwarze Regierungsbildung kritisiert
hat – halbherzig! Seit sein Neffe in der Regierung sitzt, hört man nichts
mehr davon. Da ist Blau-Schwarz auf einmal in Ordnung. Man hat keine Kritik
mehr gehört. (Abg. Scheibner: Er hat sich überzeugen lassen, dass die
Regierung gut ist!)
Dann sitzen hier
die niederösterreichischen Abgeordneten, die nicht hier sitzen würden, wenn sie
sich nicht in der niederösterreichischen Partei durchgesetzt hätten und
sozusagen die Meinung des Chefs der niederösterreichischen Partei hier
vertreten würden. Das heißt, sie, die niederösterreichischen Abgeordneten, die
angeblich mit Blau-Schwarz nichts zu tun haben oder deren Landeshauptmann sich
von Blau-Schwarz abheben will, vertreten hier in diesem Haus die Anhebung der
Mineralölsteuer, die die Pendler besonders trifft, und die Selbstbehalte bei
einem Besuch von einem Arzt.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 21 |
Ich verweise auf
dieses Doppelspiel: Auf der einen Seite bin ich der Überlegene, über etwas
Stehende, aber dann missbrauche ich meinen Machtapparat und meinen
Parteiapparat, um eine Gruppierung zu bilden, die ganz einfach den Grünen
schadet. Und dann bin ich noch der Chef der Wahlbehörde und lasse das
zu. – Dieses Doppelspiel ist so vordergründig!
Auf der einen
Seite diese schwarz-blaue Ablehnung, und auf der anderen Seite stimmen wir all
diesen Belastungen zu. Wir identifizieren uns mit diesem Belastungspaket, wir
sind als ÖVP-Niederösterreich Teil dieses Belastungspakets. – Das ist ein
Doppelspiel, das die Bevölkerung durchschauen wird! Und ich glaube nicht, dass
er das notwendig hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Es ist schade,
dass er sich nicht als Staatsmann gibt und nicht als Staatsmann lebt. Es ist
schade, denn das ist Kleinkariertheit. Das ist eines Landeshauptmannes von
Niederösterreich nicht würdig, und das ist schon gar nicht würdig einer
staatstragenden Partei wie der ÖVP.
So wie Sie das
darzustellen versucht haben, stimmt das alles nicht im Lande Niederösterreich.
Ich erinnere nur daran, dass der niederösterreichische Finanzlandesreferent
Landesrat Sobotka die Steuermittel in der Wohnbauförderung auf dem Aktienmarkt
verspekuliert. Er verspekuliert sie! (Abg. Dr. Spindelegger: Ihre
Zustimmung! – Abg. Dr. Stummvoll: Viermal zugestimmt!) Es
kann schon sein, dass in den Landesgremien ein Beschluss gefasst wird, dass man
sie auf dem Kapitalmarkt anlegt, aber wenn Landesrat Sobotka unfähig ist, den
Kapitalmarkt zu durchschauen, und im
Jahr 2002 270 Millionen € oder 3,7 Milliarden
Schilling an Wohnbauförderungsmitteln verspekuliert, dann ist das Unfähigkeit!
Dieses Land braucht Kontrolle, damit es nicht zum Selbstbedienungsladen der ÖVP
wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine Damen und
Herren! 3,7 Milliarden Schilling auf dem Aktienmarkt verspekuliert
bedeutet, dass 10 000 Wohnungen nicht gebaut werden konnten im
Jahr 2002, 10 000 Wohnungen, weil der Landesrat für Finanzen
spekulieren gegangen ist! Er ist ganz einfach auf den Aktienmarkt gegangen. Das
hat ihm niemand angeschafft, sondern das war seine eigene freie Entscheidung.
Also dieses Land braucht Kontrolle!
Zu den Auftritten
des Landeshauptmannes vielleicht noch ein Wort, weil dies auch diese
Doppelbödigkeit zeigt. Bei manchen Spatenstichen tritt der Landeshauptmann so
auf, dass die SPÖ-Plakate von den Arbeitern der Straßenverwaltung weggeräumt
werden müssen, und die Plakate, die um Bäume gehängt sind, werden mit weißen
Tüchern verhängt, weil der Landeshauptmann keine SPÖ-Plakate sehen will. Das
ist ein Demokratieverständnis, das in diese tiefe Lade passt, die ich vorher
erwähnt habe. Und ich glaube nicht, dass das ein Landeshauptmann notwendig hat
in diesem Land. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
15.22
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Rosenkranz. 10 Minuten ist Ihr
Zeitlimit. – Bitte, Frau Abgeordnete.
15.23
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Professor Van der Bellen! Sie haben in
Ihrer Einleitung zu erkennen gegeben, dass Sie selbst befürchten, dass man sich
über das Thema dieser Sondersitzung wundert. Sie haben begründet, dass Ihnen
das wichtig ist. Aber Sie haben schon Recht. Sie können das befürchten, diese
Befürchtungen bestehen zu Recht, denn ganz offensichtlich sind Sie der Meinung,
dass Sie die fünf Jahre, die in Niederösterreich von den Grünen nicht sehr gut
genützt worden sind, hier ein bisschen kompensieren müssen. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie müssen diese
Sondersitzung als Wahlkampfforum nützen, weil eben in fünf Jahren nicht genug
passiert ist. (Rufe bei der SPÖ: Rosenstingl!)
Ich bin auch
darüber verwundert, wie gering Sie über Ihre eigenen Wähler denken. Als jemand,
der in Niederösterreich seine neue Heimat gefunden hat, muss ich die
Niederösterreicher schon verteidigen. Sie können lesen und schreiben, und sie
können vor allem auch Langbezeichnungen erkennen. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich bin überzeugt davon, dass
sich die Niederösterreicher ein Bild darüber machen, wen sie wählen sollen.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 22 |
Ich bin auch
überrascht über Ihren demokratiepolitischen Trugschluss. Mandatare haben die
Kandidatur einer Liste unterstützt, und Sie unterstellen Identifikation mit den
politischen Inhalten. Das ist völlig unberechtigt. Ganz im Gegenteil, diese
Personen, die diese Liste tragen, stehen Ihnen nahe. (Abg.
Dr. Van der Bellen: Wirklich nicht!) Es ist gerade eine Aussage
aus dem Jahr 1998 von Frau Kollegin Petrovic zitiert worden. Ich stelle
hier klar und fest, dass die Spitzenkandidatin dieser Liste im Jahr 1998
Ihre Bezirksspitzenkandidatin im Bezirk Mödling war. Diese Personen stehen
Ihnen nahe, und es besteht im Übrigen kein Anlass, aus der Unterstützung einer
Liste zugleich eine Identifikation mit deren Inhalten herauszulesen.
Ähnlich seltsam
kommt mir auch Ihr Antrag dahin gehend vor, dass Sie eine ungeheure Privilegierung
der bereits im Nationalrat vertretenen Parteien wünschen. Da ist Ihnen einiges
vom Wagemut Ihrer Anfangszeit abhanden gekommen. Ein bisschen mehr Förderung
der direkten Demokratie hätte ich bei Ihnen eigentlich schon vorausgesetzt.
Da bin ich jetzt
ganz in Niederösterreich. Niederösterreich ist ein gutes Land, da gebe ich den
großartigen Plakaten natürlich Recht. Es sind fleißige Menschen, es sind
begabte Menschen, es sind eigentlich vor allem sehr zurückhaltende Menschen,
denen lärmender Prunk und Protz fernstehen. Nicht allen, Ausnahmen bestätigen
die Regel, auch wenn in diesem Fall der Landeshauptmann die Ausnahme ist. Aber
die Niederösterreicher leben ein bisschen nach dem Prinzip „Mehr sein als
scheinen“, auch nicht alle, noch einmal: Ausnahmen bestätigen die Regel, auch
wenn es diesmal der Landeshauptmann ist.
Aber da hätte ich
mir doch gedacht, dass Sie vielleicht auf diese Themen ein bisschen mehr
Augenmerk legen, und zwar gerade in den Bereichen, die Sie interessieren, dass
Sie zum Beispiel kritisieren, dass es für die Tierheime nach wie vor eine
ungenügende finanzielle Grundlage gibt. Wenn das geschafft worden wäre, dann
hätte vielleicht der Elchbulle auch verschmerzt, dass er sich nicht Erwin
nennen darf. Ich glaube, es wäre besser gewesen, die Tierheimfinanzierung
richtig zu stellen.
Ich meine, dass
Sie hier am Thema vorbeigehen. Sie haben in Niederösterreich viel Zeit gehabt,
Sie haben sie nicht genutzt, und Sie versuchen, sie jetzt zu nutzen.
Niederösterreich wäre sehr wohl eine Sondersitzung wert, es gibt genügend
Probleme. Niederösterreich ist das Land, das von der Osterweiterung am meisten
betroffen sein wird. Es ist die Frage zu stellen: Ist Niederösterreich gut
vorbereitet? Wie wird es mit dem Arbeitsmarkt sein? Wir hatten in Niederösterreich
voriges Jahr die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945.
Man kann die ÖVP
zum Beispiel fragen: Werden Sie die sieben Jahre Übergangsfrist auch einhalten,
oder werden Sie, wie man so hört, darauf drängen, dass sie verkürzt
wird? – Das wäre etwas, worauf sich der Landeshauptmann zum Beispiel jetzt
festlegen müsste. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Oder aber was ist
mit dem Wirtschaftsstandort? Mit Schlagwörtern wie „Top Ten“ ist zu guter Letzt
wenig gemacht. Sie alle kennen die EUROSTAT-Rankings, in denen Niederösterreich
unter dem europäischen Schnitt liegt, und zwar nicht weil die Leute nicht
könnten. Die Leute sind – noch einmal – fleißig und begabt. Die
Wirtschaftspolitik richtet sich ausschließlich auf Show und zeigt wenig
Substanz. Das ist es, was man hier sagen könnte, was man hier sagen müsste.
Herr Kollege
Wittmann, wenn Sie auf Sobotka zu sprechen kommen, dann muss ich sagen, ich
gebe Ihnen Recht, es ist ein Skandal, wie dort mit öffentlichen Geldern umgegangen
wird. Nur, darf ich Ihnen vielleicht noch einmal sagen, wie mutig Ihre Kollegen
in Niederösterreich sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Das war noch zu meiner
Zeit als Klubobfrau. Sie wissen vielleicht, im Niederösterreichischen Landtag
stand es in der letzten Legislaturperiode 28 : 28. Das heißt, es war
immer wichtig, dass jeder da war, und es war so, dass man, wenn sich alle
anderen vereinigt hatten, Blau, Rot und Grün, zumindest den Antrag der ÖVP
zurückweisen konnte, mehr nicht, immerhin. Wenn allerdings jemand von der ÖVP
gefehlt hat, dann bot sich die einzigartige Gelegenheit, dass man einen Antrag
gegen die ÖVP beschließen konnte.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 23 |
Landtagssitzung:
Roter Antrag zum Thema Lehrlinge, hat inhaltlich auch unsere Meinung getroffen,
wir haben selbst sehr oft Initiativen dazu gesetzt. Wir haben gesagt,
eigentlich ist das von uns zu unterstützen. Dann haben wir abgezählt und
gesagt, schaut, bei den Schwarzen ist schon einer nach Hause gegangen,
sensationelle Gelegenheit, man kann einen Antrag durchbringen.
Sehr geehrter Herr
Kollege Wittmann! Wir haben also Ihrer Partei den Vorschlag gemacht, sie zu
unterstützen, die Grünen waren auch mit dabei. Und was ist dann
passiert? – Die SPÖ hat einen ihrer Leute nach Hause geschickt, damit die
ordentliche Verhältnismäßigkeit der niederösterreichischen Zustände wieder
gegeben ist. Sie haben einen Mann nach Hause geschickt, damit Ihr eigener
Antrag niedergestimmt werden kann. Meine Damen und Herren! Sie brauchen sich
hier nicht großmächtig und wichtig zu machen! Sie müssen in Niederösterreich
Mumm und Mut beweisen! Hier ist der falsche Ort. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Noch einmal zur
Prioritätensetzung der Grünen. Sie haben selbst befürchtet, dass man sich
wundert. Man wird sich wundern. Es gibt genügend andere Dinge, die einer
Sondersitzung wert wären (Abg. Öllinger: Die Politikerbezüge
vielleicht!), allgemeinpolitisch, aber auch zum Thema Niederösterreich. Sie
haben mit dieser Sondersitzung eigentlich nur klar gemacht, dass Sie Ihr
politisches Versagen in Niederösterreich noch einmal zu kompensieren versuchen.
(Beifall bei den Freiheitlichen.)
15.29
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Frau Abgeordnete, Sie
haben wunschgemäß 7 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.30
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen
und Herren vor den Fernsehgeräten! Es geht hier nicht um niederösterreichischen
Wahlkampf, sollte dieser Eindruck jetzt vielleicht bei den letzten Ausführungen
entstanden sein (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen), sondern
es geht um verfassungsrechtliche Mindeststandards, es geht um
demokratiepolitische Spielregeln, es geht um die Frage, wie wird Macht
verteilt, und es geht um die Frage der Willkür, wenn mit so großer Machtmehrheit,
wie sie die ÖVP Niederösterreich hat, Willkür gegenüber kleineren Parteien
gesetzt wird. Es geht um Demokratiepolitik! (Beifall bei den Grünen.)
Es geht um die
Spielregeln, wie wo Macht verteilt wird. Dass die ÖVP in vielen Bundesländern
einen deutlichen Machtüberhang hat – und das schon sehr lange – und
dass dieses Spiel, nämlich kleineren Gruppierungen, insbesondere den Grünen,
immer wieder Prügel vor die Füße zu werfen, bereits seit 1986 nachweisbar ist,
muss einmal gesagt werden. (Abg.
Mag. Molterer: Wir haben nur
jene Macht, die uns die Wähler gegeben haben!) Wir haben lange genug dazu
geschwiegen. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem man solch einen Missbrauch einmal aufzeigen
muss! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
1986,
ÖVP-Wahlhelfer bestätigen es (die
Rednerin hält die Kopie einer Zeitungsseite in die Höhe): Zwei grüne
Listen! – Wenn man diesen Medienberichten Glauben schenken darf, dann ist
damals sogar Geld dafür bezahlt worden, dass diese Gruppierungen als „grüne
Listen“ kleine grüne Parteien in den Bundesländern schädigen. (Abg. Öllinger:
Gekaufte Listen!) Das ist schon etwas, was den Bundesverfassungsgesetzgeber
interessieren sollte.
Da Herr Stummvoll
heute gemeint hat, das sei ein „Politspektakel“, muss ich einmal mehr sagen,
was tatsächlich ein Politspektakel ist, nämlich etwas völlig anderes:
Diskussionen, ob sich jetzt fünf Mandatare abspalten, ob sie mit dem
Bezügegesetz ein Problem haben, ob man mit dem Kärntner Landeshauptmann über
die Bundesregierung verhandeln muss, et cetera. Das ist meiner Ansicht
nach ein Politikspektakel! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.)
In Anbetracht der Tatsache, dass die führenden Verfassungsrechtler dieser Republik sagen, das Vorgehen der Wahlbehörde sei verfassungsrechtlich extrem bedenklich, eine Wahlanfech-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 24 |
tung hätte gute Aussicht auf Erfolg (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer:
Nur einer!), es gäbe zumindest Diskussionsbedarf, kann ich Herrn Stummvoll
nicht mehr verstehen, denn genau das ist die Zielrichtung unseres Antrags und
der heutigen Debatte. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Haben Sie das
Gutachten gelesen?)
Die Meinung des
Herrn Bundeskanzlers, dass es in ganz Österreich ach so rosig aussieht und dass
man sich da nicht einmischen sollte, kann ich auch nicht nachvollziehen. Es
ist vielleicht vielen hier im Hause entgangen, dass die Kärntner Wahlordnung
mit keinem einzigen europäischen Land vergleichbar ist. Meines Wissens gibt es
das nur in der Türkei, dass eine Partei mehr als 10 Prozent der Stimmen
haben muss, um überhaupt einen Sitz in der Volksvertretung zu bekommen. Es
wurde von allen Seiten das Versprechen abgegeben, dass man das ändern werde.
Aber es gibt nach wie vor keinen Auftrag an den Verfassungsgesetzgeber,
diesbezüglich Mindeststandards festzulegen, damit jede Stimme jedes Wählers
und jeder Wählerin, die in den Bundesländern abgegeben wird, auch gleich viel
zählt und gleich viel wert ist. Wenn da kein Handlungsauftrag nötig ist, dann
weiß ich nicht, wann sonst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.)
Der Ausdruck
„absurder Missbrauch“ ist heute hier gefallen. Angesichts der Tatsache, dass
sehr wohl über die genaue Zusammensetzung eines Konvents diskutiert wird und
darüber, wer dabei wie viele Stimmen hat, wer wie viele Mitglieder entsenden
darf, wäre es meiner Ansicht nach auch einmal angebracht, über derartige
Mindeststandards zu diskutieren. Das würde nicht nur in Niederösterreich und in
Kärnten Sinn machen, es gibt auch noch andere Wahlordnungen mit
Ungereimtheiten. Um die Dringlichkeit unserer Forderung, dass sich der
Verfassungsgesetzgeber damit beschäftigen sollte, zu betonen, möchte ich noch
weitere Beispiele nennen. Neben dem bereits erwähnten Kärnten wäre auch eine
Änderung in Wien nötig. Es tut mir zwar Leid, das hier anschneiden zu müssen,
aber eine derart unproportionale Verteilung, dass mit einem Stimmenanteil von
rund 46 Prozent ein Mandatsanteil von 52 Prozent und damit eine
absolute Mehrheit erreicht werden kann, ist absolut diskussionswürdig. Das muss
man ändern! (Beifall bei den Grünen.)
In diesem Sinne
möchte ich auch einen Entschließungsantrag einbringen, der darauf abzielt,
diese ungleiche Stimmgewichtung, eben dass eine Stimme in einem Bundesland weniger
wert ist als in einem anderen, aufzuheben. Dieser Antrag lautet:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesverfassungsrechtliche
Mindeststandards für Landtagswahlordnungen
Der Nationalrat
möge beschließen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des B-VG zur
Beschlussfassung vorzulegen, die den Landtagswahlordnungen folgende
Mindeststandards vorschreibt:
eine Regelung,
wonach in den Landtagswahlordnungen zwingend ein abschließendes (ausgleichendes)
Ermittlungsverfahren im gesamten Landesgebiet vorzusehen ist, bei dem –
wie im 3. Ermittlungsverfahren der NRWO – nach d’Hondt eine
Gesamtmandatszahl ermittelt wird,
eine Regelung,
wonach alle Parteien an diesem abschließenden (ausgleichenden) Ermittlungsverfahren
teilnehmen, sofern sie ein Grundmandat oder landesweit einen in der
Landtagswahlordnung festzusetzenden Stimmenanteil erreichen. Dieser für die
Teilnahme am abschließenden Ermittlungsverfahren erforderliche landesweite
Stimmanteil darf nicht höher als 5 Prozent sein.
*****
Zur Erklärung der
erstgenannten Regelung: Damit sind Verzerrungseffekte wie zum Beispiel jene in
Wien nicht mehr möglich. Die zweitgenannte Regelung betrifft das Problem in
Kärnten.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 25 |
Ich bitte Sie,
noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken, ob Sie sich als Verfassungsgesetzgeber
solchen Fragestellungen verschließen oder das einfach damit abtun können, zu
sagen, es sei ein Politspektakel und nicht Ihre Aufgabe, endlich einmal
Mindeststandards, demokratiepolitische Fair-Play-Regeln fix
festzulegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.)
15.35
Präsident Dr. Andreas Khol:
Der von Frau
Abgeordneter Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte
Entschließungsantrag betreffend bundesverfassungsrechtliche Mindeststandards
für Landtagswahlordnungen ist hinreichend unterstützt und steht mit in
Verhandlung.
Zu Wort gemeldet
ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Wunschgemäß ist die
Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen
das Wort.
15.36
Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr
geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung
zu den Ausführungen des Abgeordneten Wittmann, der heute von diesem Rednerpult
aus gesagt hat, er bedauere es außerordentlich, dass der Herr Bundeskanzler
keine Worte zur Irak-Frage gefunden habe. – Herr Kollege Wittmann, dazu
fällt mir eigentlich nur das Wort „schräg“ ein, denn es war nämlich ein Antrag
der Opposition, heute hier über die niederösterreichische Landeswahlordnung zu
diskutieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Daher liegt es in Ihrer Hand, Sie haben das Thema bestimmt. Das jetzt uns vorzuwerfen,
ist schräg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Zu Frau Kollegin
Glawischnig: Sie stellen sich allen Ernstes hier her und behaupten, das sei
keine Wahlveranstaltung (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist
demokratiepolitische Diskussion!), Sie hätten es so nicht geplant. Haben
Sie denn nicht gehört, was Ihre Vorredner, etwa Herr Abgeordneter Wittmann,
aber auch Ihre Fraktionskollegin Frau Petrovic, heute „abgeliefert“
haben? – Das waren lupenreine Wahlreden, Frau Kollegin! Vielleicht waren
Sie gerade nicht im Saal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van
der Bellen: Und der Stummvoll? Den haben Sie vergessen?)
Ich möchte mich
gerne mit dem Demokratiepolitischen und mit Ihren diesbezüglichen Vorwürfen
auseinander setzen und ganz kurz dazu Stellung nehmen. Allerdings muss ich
Ihnen vorwerfen, dass genau Sie diesen niederösterreichischen Wahlkampf in das
gesamtösterreichische Parlament getragen haben. Das war Ihre Initiative! (Abg. Mag. Mainoni: Der Versuch!)
Die Wortwahl im
Dringlichen Antrag, aber auch in den dazugehörenden Ausführungen des Herrn
Kollegen Van der Bellen war für Ihre Verhältnisse ungewöhnlich heftig, ich
würde sogar sagen, geradezu polemisch. (Oh-Rufe
bei den Grünen.) Sie haben ausdrücklich von Willkür geredet, Sie haben der
Behörde vorgeworfen, dass sie „willkürlich“ und geradezu „rechtswidrig“
gehandelt habe.
Meine lieben
Kollegen von den Grünen! Sie müssen sich die Dinge schon genau ansehen. Sie
müssen sich auch die niederösterreichische und andere Wahlordnungen genau
anschauen. (Abg. Öllinger: Sie sollen sie ändern!) Ich möchte nämlich genau
dieser Ihrer Behauptung ganz entschieden entgegentreten, sie ist nämlich nicht
richtig! Juristisch gesehen geht es nicht um „Grüne“ oder „GRÜNÖ“, sondern es
geht um die Betrachtung des Ganzen – und das wird auch der
Verfassungsgerichtshof in einer allfälligen Judikatur immer heranziehen. Daher
muss ich Ihnen entgegenhalten: Es geht nicht darum, „Grüne“ und „GRÜNÖ“
miteinander zu vergleichen, sondern es wird alles herangezogen, was auf der
Liste steht. Darauf steht, wie Herr Kollege Van der Bellen schon vorgetragen
hat, die Kurzbezeichnung „Grüne“ für „Die Grünen“ sowie die Kurzbezeichnung
„GRÜNÖ“ für „Grünes Unabhängiges Österreich, Liste der EU-Opposition, Gabriela Wladyka“.
(Abg. Dr. Van der Bellen: Fett gedruckt!) Das wird herangezogen!
Sie können doch nicht allen Ernstes glauben – und Ihre Wähler für dermaßen schlicht halten –, dass diese den Unterschied zwischen den Kurzbezeichnungen „Grüne“ und „GRÜNÖ“ nicht verstehen, vor allem, da sie ohnehin auch die Langbezeichnung vor sich haben. Und nur das wird
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 26 |
der Verfassungsgerichtshof
letztlich in seiner Judikatur heranziehen. Das ist auch das, was in den
Wahlordnungen steht. (Abg. Dr. Matznetter: Die ÖVP weiß schon, was der
Verfassungsgerichtshof sagen wird!)
Das heißt: Eine
Verwechslung ist nicht möglich! (Abg. Öllinger: Kennen Sie schon das Urteil
des VfGH?) Das von Ihnen behauptete demokratiepolitische Problem ist daher
in Wirklichkeit nicht existent. Und das wissen Sie auch! (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Lassen Sie mich
noch ein Wort zu den von Ihnen geforderten Mindeststandards sagen. Mindeststandards
gibt es. In Artikel 95 B-VG ist vorgesehen, dass die Bedingungen des
aktiven und passiven Wahlrechts in den Landtagswahlordnungen nicht enger
gezogen werden dürfen als in der Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Das ist in meinen
Augen ein Mindeststandard.
Sie aber
versuchen, die Ausgestaltung des Wahlrechts der Länder, das den Ländern überlassen
bleiben sollte, weil dies dem bundesstaatlichen Prinzip, einem der
Bauprinzipien unserer Bundesverfassung, entspricht – zu dem wir und, wie
ich hoffe, auch Sie stehen –, einzuschränken, indem Sie sagen: Es passt
mir in ein paar Fällen nicht, daher möchte ich Mindeststandards verankern.
Diese
Vorgangsweise ist meiner Meinung nach – und das müssten eigentlich auch
Sie, Herr Van der Bellen, so sehen – Anlassgesetzgebung im klassischen
Sinn. Dafür stehen wir von der ÖVP nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.41
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet.
Redezeit: 2 Minuten. Sie kennen die entsprechenden Bestimmungen der
Geschäftsordnung. – Bitte.
15.41
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte die Ausführungen
der Abgeordneten Baumgartner-Gabitzer tatsächlich berichtigen: Nicht die
Opposition hat die Sondersitzung heute einberufen, sondern ein Teil der
Opposition, nämlich die Grünen.
Zweitens hätte der
Herr Bundeskanzler selbstverständlich im Rahmen dieser Sondersitzung, nämlich
vor der Behandlung der Dringlichen mit anschließender Debatte, entsprechend der
weltpolitischen Situation eine Erklärung zur Irak-Krise abgeben können. (Abg. Prinz:
Was hat das mit einer Berichtigung zu tun?) Dies wäre auf die Zustimmung aller Fraktionen gestoßen. (Abg. Mag. Molterer: Was ist das für eine Berichtigung?) Dies nur, um
keine Verwirrung aufkommen zu lassen! (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
15.42
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.42
Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Hohes Haus! Die Wählerinnen
und Wähler werden bei der niederösterreichischen Landtagswahl am 30. März
einen Stimmzettel in Plakatform in die Hand bekommen. Ich darf ein
Musterexemplar dieses Stimmzettels einmal herzeigen. (Der Redner entfaltet ein Muster eines Stimmzettels und hält diesen in
die Höhe.) Dies ist der Stimmzettel für die niederösterreichische
Landtagswahl. Darauf werden die Wählerinnen und Wähler zwei Kurzbezeichnungen
zweier wahlwerbender Parteien lesen können, die nicht die von der
Verfassung geforderte Unterscheidbarkeit aufweisen.
Um es hier noch einmal eindeutig festzuhalten: Die Sozialdemokraten haben bei der betreffenden Sitzung der Landeswahlbehörde gegen die Zulassung der Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“ gestimmt, weil – und davon sind wir fest überzeugt – dadurch zwei auf dem Stimmzettel aufscheinende Parteien für die Wählerinnen und Wähler nicht – wie es die Verfassung fordert – deutlich
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 27 |
unterscheidbar sind.
Deshalb ist der Beschluss von ÖVP und FPÖ in der niederösterreichischen
Landeswahlbehörde ein Versuch einer ungeheuerlichen Wählertäuschung. Zudem
zeigt dies wieder einmal die Geisteshaltung der ÖVP-Niederösterreich in
Demokratiefragen.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Hohes Haus! Wer sich in der niederösterreichischen Landespolitik
nur ein bisschen auskennt, weiß, dass die ÖVP bei der letzten Landtagswahl in
Niederösterreich weit unter 50 Prozent der Stimmen erreicht hat. Herr
Pröll ist jedoch – mit tatkräftiger Unterstützung von Innenminister
Strasser – gerade dabei, Niederösterreich zu 100 Prozent „einzuschwärzen“.
(Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.) Deshalb – und da können Sie noch so lachen –
braucht diese unkontrollierte Macht Kontrolle! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wie dringend dies
notwendig ist, zeigen die Machenschaften der ÖVP-Funktionäre in Niederösterreich.
Sie werden zwar jetzt zu brüllen anfangen, aber Sie können es nicht wegbrüllen,
sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP: Ihr ÖVP-Landesrat Sobotka hat
gesetzwidrig 3,7 Milliarden Schilling oder 272 Millionen €
verspekuliert. Das ist eine Tatsache!
Diese
Gesetzwidrigkeit hat auch der bekannte Verfassungsexperte Universitätsprofessor
Dr. Öhlinger nachgewiesen und belegt. Kollege Dr. Wittmann hat schon
ein paar Beispiele dafür angeführt, was man mit diesem verspekulierten Geld
hätte machen können. Man könnte zum Beispiel auch die
52 000 arbeitslosen Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher
mit diesem Geld unterstützen. Man könnte aber auch den über 1 000 jungen
Menschen, die in Niederösterreich eine Lehrstelle suchen, mit diesem Geld eine
Chance geben. Man könnte vieles damit machen.
Das Geld ist aber
weg. Herr Sobotka mit seinen Freunden von der ÖVP hat es in diversen Börsenkanälen
versickern lassen! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll:
Das ist reiner Wahlkampf!)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Hohes Haus! Hätte der niederösterreichische Finanzlandesrat Sobotka
von der ÖVP nur den Funken von politischem Anstand und Charakter (Abg. Dr. Stummvoll: Nur Wahlkampf!), wäre er schon längst
zurückgetreten, das sage ich in aller Deutlichkeit! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Das Einzige, was die ÖVP-Niederösterreich macht, ist (Abg. Dr. Trinkl: Wahlen gewinnen und arbeiten für unser Volk!), das
ganze Jahr über schöne Reden, Sonntagsreden zu halten, und am Wahltag,
Wählertäuschung zu versuchen.
Landeshauptmann
Pröll betreibt seit dem Frühjahr 2000 ein schwarz-blaues Doppelspiel. Er
ist mit verantwortlich für Schwarz-Blau – auch das ist wichtig, heute
festzuhalten. Im Mai 2000 war er ganz stolz darauf, der Architekt der
blau-schwarzen Regierung zu sein. Ende Februar 2003 ließ er seinen Neffen mit
den Stimmen der FPÖ zum Landwirtschaftsminister machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Demnächst, sehr
geehrte Damen und Herren von der ÖVP, werden aber alle 17 niederösterreichischen
ÖVP-Nationalratsabgeordneten die Möglichkeit haben, gegen die angedrohten
Schritte der blau-schwarzen Bundesregierung aufzutreten. Aber ich prophezeie
bereits jetzt: Der Landeshauptmann von Niederösterreich wird sich nach der
Landtagswahl nicht mehr dagegen wehren.
Ich möchte, weil
mir das wirklich ganz wichtig ist, allen Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern
Folgendes sagen: Wer bei der Landtagswahl am 30. März Pröll wählt, wählt
gleichzeitig Schüssel, Haupt und Haider! Das ist die ungeschminkte Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)
15.47
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wattaul. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Johann Maier:
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 28 |
... Spediteure in Niederösterreich? – Abg. Wattaul – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das kommt
schon! – Heiterkeit.)
15.48
Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident!
Hohes Haus! Jeder fragt, warum die Grünen heute eine Sondersitzung machen. Der
wahre Grund dafür ist: Sie haben Angst, Angst vor einer Parteispaltung! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. –
Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Petrovic: Was ist mit Ihren sieben
Herren?) Dafür werde ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, dann werden Sie
nicht mehr lachen.
Ich war bei einer
Wahlveranstaltung der Grünen in Amstetten. Dort ist Frau Petrovic in einem
grünen Zelt gestanden, links und rechts von ihr jeweils ein
Auslandsösterreicher, die beiden haben Luftballons verteilt. Nachdem Frau
Petrovic aufgehört hat zu reden, wurde im Hintergrund kurdische Volksmusik
gespielt. Ich habe mir überlegt, was die Botschaft dieses Auftrittes ist. Diese
kann nur lauten: Meine lieben Niederösterreicher, werft euren Trachtenanzug
weg, vergesst eure Volkslieder, vergesst eure Kultur, multikulturell ist
angesagt! (Abg. Dr. Petrovic: Na, das „Horst-Wessel-Lied“
singen wir nicht!) Das ist
Ihre Politik, Spittelberg-Politik!
Die
Niederösterreicher haben das nicht verstanden. Es sind Leute zu mir gekommen
und haben mich gefragt: Was ist denn da los? Denen habe ich gesagt: Ja, die
Grünen sind so! (Beifall bei Abgeordneten
der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei
Abgeordneten der Grünen.)
Das sehen auch die
grünen Funktionäre in Niederösterreich so. Deshalb gibt es eine zweite grüne
Fraktion in Niederösterreich. Was heißt denn das, wenn es in einem Bundesland
zwei Gruppen einer Partei gibt?
Ich werde Ihnen
einmal sagen, was wäre, wenn es zwei freiheitliche Parteien in Niederösterreich
gäbe. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ
und den Grünen. – Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Gibt es eh bald! –
Abg. Dr. Petrovic: Nicht zwei!
Vier!) Das würde auf allen Titelseiten stehen! Wissen Sie, warum das im
Falle der Grünen nicht auf den Titelseiten steht? – Nicht, weil die Medien
es nicht schreiben wollen, sondern weil es niemanden interessiert! (Heiterkeit und Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die Politik der
Grünen interessiert niemanden in Niederösterreich. Fragen Sie einen Niederösterreicher,
was die Grünen in den letzten fünf Jahren im Landtag erreicht haben! Sie werden
nichts hören, weil es nichts gibt. Und das ist Ihr Dilemma!
Nun missbraucht
Frau Petrovic eine Sondersitzung des Nationalrates für Wahlwerbung in
Niederösterreich. Das geschieht, weil Ihr Wahlkampf nicht läuft, weil Sie keiner
ernst nimmt! Das ist Ihr Problem!
Ich möchte noch
ein Wort zur Kurzbezeichnung „Grün“ sagen. (Abg.
Öllinger: Bitte!) Kurzbezeichnungen
sollten ja keinen Namen ergeben. Aber bei den Grünen ist „grün“ ein Name. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)
Dazu habe ich einen Vorschlag: Ihr könntet euch in VPPÖ umbenennen, das heißt:
Vereinte Populistische Partei Österreichs. (Neuerliche
ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)
Das wäre die
richtige Bezeichnung für euch, denn grün seid ihr schon lange nicht mehr. Nicht
überall, wo „grün“ drauf steht, ist grün drinnen. Das haben wir bei den
Regierungsverhandlungen gesehen. Ihr seid ja quasi als Liegende umgefallen (Heiterkeit
bei den Freiheitlichen), und zwar
bei jedem Punkt: Temelín, Umwelt, Sozialstandards. Was hat Herr Van der Bellen
gesagt? – Na ja, da müssen wir in den sauren Apfel hineinbeißen, dann
kaufen wir halt einen Abfangjäger. – Das ist eure Politik! (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
Es ist klar, dass ihr Angst habt. Ich wiederhole: Ihr habt Angst! – Schön, dass heute das Fernsehen da ist, damit man das sagen kann. – Heute beginnt die Spaltung der Grünen in Österreich, das ist die Wahrheit, denn ihr habt überhaupt kein Programm mehr. Ihr wollt nur mehr irgendwo drinnen sitzen und nur mehr Posten schachern. Da geben wir die Frau Petrovic nach
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 29 |
Niederösterreich, die Weinzinger
wieder nach Wien. Was ist das? Was habt ihr für Themen? Schaut euch eure
Plakate in Niederösterreich an! Was sagt die Grüne Partei in Niederösterreich? –
Nichts, weil sie nichts mehr zu sagen hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
15.51
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort ist nunmehr
Herr Abgeordneter Brosz gemeldet. Wunschgemäß stelle ich ihm die Uhr auf
5 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.52
Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Lassen Sie mich zunächst noch auf die Rahmenbedingungen dieser
heutigen Sitzung zurückkommen und die Frage, wieso es hier keine Debatte zu einem aktuellen weltpolitischen
Thema gegeben hat. Sie haben sich sehr echauffiert darüber, als von der
Opposition die Möglichkeit angesprochen wurde, dass es hier auch zum Irak eine Debatte hätte geben können.
Es ist gar nicht
so lange her. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es am 19. August 2002
eine Sondersitzung gegeben hat, von der SPÖ beantragt, eine Dringliche Anfrage
über eine Volksabstimmung zum Abfangjägerkauf angekündigt wurde und in der
Zwischenzeit, zwischen der Einbringung und der Debatte, eine Erklärung des Bundeskanzlers über das Hochwasser in
Österreich stattgefunden hat. (Abg. Scheibner: Hättet ihr doch eine
eingebracht zum Irak!) Was vor einem halben Jahr zur Frage Hochwasser
möglich gewesen ist, wäre doch wohl heute auch zum Thema Irak-Krieg möglich
gewesen, wenn der Kanzler es gewollt hätte. Er wollte es offenbar nicht.
Es ist die Verantwortung des Bundeskanzlers, das nicht getan zu
haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Herr Kollege
Stummvoll, wenn Sie die Rahmenbedingungen geißeln und uns vorwerfen, es sei
unpassend, dann kann ich Ihnen auch sagen, warum der Bundeskanzler zuvor nicht
hier anwesend war – und ich erwähne das lobend, denn es ist das nichts
Schlechtes –: Er hat das Panda-Gehege in Schönbrunn eröffnet. Wäre er
nicht dort gewesen, hätte es eine Debatte
hier geben können.
Zu Ihren
Ausführungen, Kollege Stummvoll, zurückkommend: Wissen Sie, was mich verwundert? –
Sie sagen hier vom Rednerpult und schreien auch von Ihrem Platz aus: Es gibt
keinen Grund für eine Wahlanfechtung, rechtlich ist das völlig in Ordnung!
Ich frage mich,
wer eigentlich die Verfassungsrechtler in Österreich sind: Theo Öhlinger, der
sagt, zweifellos ist das rechtlich mehr als problematisch, der sagt, es ist
denkbar, dass die Grünen die Wahl beim Verfassungsgerichtshof anfechten und
Recht bekommen, oder der Verfassungsrechtler Mayer, der gesagt hat: Wie sich
gezeigt hat, ist das eine eindeutige Verwechslungsgefahr!, und klar macht,
dass diese Entscheidung nicht korrekt ist. Mayer und Öhlinger – die zählen
für mich. In Verfassungsfragen nehme ich Ihr Wort bei weitem nicht so ernst wie
das der Verfassungsrechtler Mayer und Öhlinger. (Beifall bei den Grünen.)
Herr Abgeordneter
Strasser – vorher ist er da gesessen als Minister, jetzt ist er nicht mehr
da – hat eine gewisse Tradition entwickelt, wie man in Niederösterreich
mit der Zulassung anderer Parteien umgeht. Blenden wir zurück: „profil“ vom
Juni 1993: Dem „profil“ liegt laut einer Aussendung ein vertrauliches
internes Sitzungsprotokoll vor, dessen Echtheit Landesparteisekretär Ernst
Strasser gegenüber der Zeitschrift bestätigt hat. Zweck der Aktion VGÖ, damals
Vereinte Grüne Österreichs, war demnach, Unterstützungsunterschriften für die
Vereinten Grünen zu sammeln, um die Chancen der Parlaments-Grünen auf den
Einzug in den Landtag zu mindern, heißt es in der Aussendung.
1993 das gleiche Spiel mit einer anderen Partei, damals die VGÖ, damals der jetzige Innenminister federführend dabei, eine Wählertäuschung, wie sie auch jetzt geschieht, zu unterstützen. Und Sie setzen sich her und sagen auch jetzt wieder – und das finde ich schon bemerkenswert –, es gibt keinen Anlass zu handeln. Jetzt frage ich mich ernsthaft: Heißt das, bei den nächsten Wahlen in Niederösterreich, der nächsten Gemeinderatswahl, der nächsten Landtagswahl, soll genau das wieder passieren? Werden dann wieder Ihre Bürgermeister, Ihre Landes-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 30 |
parteisekretäre ausschwärmen, um irgendwelche Scheinkandidaturen zu
unterstützen, damit es zu einer Wählertäuschung kommt? Ist es das, was Sie
bezwecken? Ist das Ihr Wunsch? Wenn nicht, dann sollten Sie heute hier ein
Zeichen setzen, dass so etwas nicht mehr möglich ist. (Beifall bei den
Grünen und der SPÖ.)
Hier im Haus ist es schwer nachzuvollziehen, aber ich möchte die Zuseher
zu Hause doch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass keine und keiner der
grünen Abgeordneten heute hier zur niederösterreichischen Landespolitik
gesprochen hat, niemand, nicht Madeleine Petrovic, nicht Eva Glawischnig, nicht
Alexander Van der Bellen. Wir reden von einer demokratiepolitischen
Vorgangsweise, die wir für inakzeptabel halten. Sie reden von den
Verdiensten des Herrn Pröll, des Bundeskanzlers. Das war Ihr Thema. Wir
wollten demokratiepolitisch
sicherstellen, dass diese Wahl nicht angefochten werden muss, und das ist
unser gutes Recht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.56
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort ist nunmehr
Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger gemeldet. Er wünscht 5 Minuten
Redezeit. – Bitte.
15.57
Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Demokratie heißt offenbar für die
Grüne Partei: Wenn es einen grünen Mitbewerber gibt, dann ist das
Wählertäuschung. Dafür stehen wir nicht von der ÖVP nicht zur Verfügung, meine
Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Der Kern des
Vorwurfes, den Sie erheben, ist, dass offensichtlich die Wähler in Niederösterreich
nicht in der Lage sind, in der Wahlzelle ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu
machen. Meine Damen und Herren! Namens aller niederösterreichischen
Wähler möchte ich diese Unterstellung auf das Schärfste zurückweisen! Die
Niederösterreicher sind nicht so dumm, dass sie ihr Kreuz nicht bei der
richtigen Partei machen können! Das werden Sie uns hier auch heute nicht
einreden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zum Dritten, meine Damen und Herren: Es ist schon sehr interessant, dass
die neue Gruppierung „GRÜNÖ“ mit Frau Wladyka an der Spitze von Ihnen
weggewiesen wird, als würden Sie diese Dame nicht kennen. Über viele Jahre war
sie für Sie im Gemeinderat von Perchtoldsdorf (Oh-Rufe bei der ÖVP) –
sie ist noch immer dort! –, über viele Jahre war sie Ihr Aushängeschild im
Bezirk Mödling. Wir haben heute schon gehört, 1998, bei der letzten
Landtagswahl, war Frau Wladyka, die Sie heute so dargestellt haben, als wäre
sie es gar nicht wert erwähnt zu werden, Ihre Spitzenkandidatin der Grünen im
Bezirk Mödling, meine Damen und Herren! (Neuerliche Oh-Rufe bei der ÖVP.)
Sie, Frau Kollegin Petrovic, haben heute hier verlesen, was Frau Wladyka
1998 gesagt hat. Ich stimme Ihnen zu, das ist wirklich zu verurteilen. Dass
jemand mit einem Nazi verglichen wird, das hat wirklich niemand notwendig. Aber
zu diesem Zeitpunkt, Frau Kollegin Petrovic, war sie volles Mitglied bei Ihnen
und Ihre Repräsentantin. Und das finde ich ungeheuerlich, dass jemand in der
Grünen Partei solche Äußerungen machen kann, offenbar vollinhaltlich gedeckt
von der Parteiführung. Das weisen wir zurück! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich möchte Ihnen gerne noch etwas dazusagen. Dass jemand gegen die EU
aufgetreten ist wie Frau Wladyka, war bis vor kurzem auch Gegenstand der grünen
Politik. Das hat sich erst in den letzten Jahren geändert. Das heißt, Frau Wladyka
war ja Teil eines grünen Spektrums, das absolut gegen die Europäische Union
war. Wir waren das nie. Sie hat auch bei uns nie kandidiert. Ich war selber
mit ihr bei Podiumsdiskussionen, auch als Frau Kollegin Petrovic im Bezirk
Mödling unterwegs war und Frau Wladyka sie voll unterstützt hat. Daher:
Betreiben Sie heute keine Kindesweglegung einer Dame, die Sie in Ihren Reihen
viele Jahre haben groß werden lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei
der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 31 |
Ich darf noch
eines hinzufügen: Es ist eine wirklich schlechte Konfliktbewältigung innerhalb
der Grünen Partei. Nur weil Frau Wladyka bei der Landtagswahl antritt, wollen
Sie uns weismachen, dass der Nationalrat dafür als Bühne herhalten muss. Auch
dafür stehen wir nicht zur Verfügung, und ich halte es für eine schlechte
Themenwahl, dass wir wegen einer solchen Bezeichnung im Landtagswahlkampf
heute hier sitzen müssen!
Folgendes möchte
ich noch zur Rolle der Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang sagen: Wenn man
den Rednern zugehört hat, fiel einem ja schon eines auf: Der Herr Kollege
Heinzl macht uns hier weis, die SPÖ hätte immer von sich gewiesen, dass man
diese Parteibezeichnungen und auch die Kurzbezeichnungen so wählen kann. Ich
darf Ihnen berichten, meine Damen und Herren, in vier Fünftel aller
Kreiswahlbehörden gab es einstimmige Beschlüsse über diese
Kurzbezeichnung. Das heißt, die SPÖ hat mitgestimmt, Herr Kollege Heinzl! Einstimmige
Beschlüsse! (Zwischenrufe bei der
SPÖ.) – Lieber Herr Kollege Heinzl, das werden Sie auch durch
Zwischenrufe nicht leugnen können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zum Zweiten möchte
ich auch ein klares Wort zur Wohnbauförderung in Niederösterreich sagen. Der
Herr Landesrat Sobotka als Wohnbaureferent hat dafür Sorge getragen, dass niederösterreichische
Häuselbauer zukünftig auch nur 1 Prozent an Zinsbelastung für Kredite bekommen,
die ihnen die Landesregierung als Darlehen zur Verfügung stellt. Das war der
Grund für diese Aktienveranlagung. Und viermal, lieber Kollege Heinzl,
haben Ihre Regierungsmitglieder und Ihre Landtagsabgeordneten mitgestimmt! Einstimmige
Beschlüsse, lieber Herr Kollege Heinzl, die Sie heute gerne weglegen
wollen, aber das gelingt Ihnen nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege Wittmann hat in diesem
Zusammenhang nach mehr Kontrolle gerufen und dabei vergessen, dass es in
Niederösterreich drei Landesregierungsmitglieder von den Sozialdemokraten
gibt.
Das Rätsel, das ich
Ihnen zum Abschluss mitgeben möchte, ist: Wer ist eigentlich die Spitzenkandidatin
der SPÖ in Niederösterreich? (Heiterkeit
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Niemand hat sie bisher erwähnt, und
ich glaube, dieses Rätsel wird bis zum 30. März auch nicht gelöst werden. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.01
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Abgeordneter Dr. Bauer. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. –
Bitte.
16.02
Abgeordneter
Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Einleitend möchte ich
feststellen, dass es schon eigenartig ist, dass diese Partei-Zulassung
erfolgte, weil doch nicht nur der ausgeschriebene Name, sondern auch die
Kurzbezeichnung ein wesentlicher Bestandteil einer Parteibezeichnung ist. Die
Menschen verwenden in Wirklichkeit ja auch diesen Begriff, und daher sollte man
Verwechslungen ausschließen.
Vor allem, meine
geschätzten Damen und Herren, finde ich es sehr eigenartig, dass trotz der
Aussagen, die von der Spitzenkandidatin der „GRÜNÖ“ getroffen wurden, eine
Unterstützung von Seiten der Österreichischen Volkspartei auf so breiter Basis
erfolgte. Man kann nicht sagen, wie Frau Abgeordnete Mikl-Leitner gemeint hat,
das sei eine Privatangelegenheit der Bürgermeister, eine Privatangelegenheit
der Gemeinderäte. Wie ich gehört habe, wussten manche gar nicht, dass diese
Liste mit diesem Inhalt unterstützt wurde.
Ich halte es schon für bedenklich, meine geschätzten Damen und Herren, wenn man die arithmetischen Möglichkeiten so nützt, dass es wirklich zu Täuschungen kommen kann. Und ich halte es im Übrigen für kein gutes Wahlrecht – auch wenn die SPÖ dem dann zugestimmt hat –, wenn der Name vor der Partei zählt. Ich meine, entweder gibt es ein Splitting in einem fairen Verfahren – oder es zählt der Name zur Partei. Nichts gegen persönlichkeitsverstärkende Wahlmaßnahmen, aber es kann nicht sein, dass, wenn einer Pröll wählt und die SPÖ ankreuzt, diese Stimme für die ÖVP gilt und für die SPÖ verloren ist. Das kann es eigentlich nicht geben, son-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 32 |
dern das ist im demokratischen Umgang eigentlich eine Stimme,
die nicht zählt, weil damit die Wahl von zwei Parteien zum Ausdruck gebracht
wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine geschätzten
Damen und Herren! Ich möchte aber die Gelegenheit auch dazu nützen, darauf
hinzuweisen, dass es schon einzigartig ist, dass hier immer zwei oder mehrere
Firmentheorien entwickelt werden. Zum Beispiel haben diese „GRÜNÖ“ nur in fünf
Wahlkreisen die erforderliche Unterstützung bekommen. Um dann landesweit
antreten zu können, haben geschwind drei Abgeordnete der Freiheitlichen mit
unterschrieben, was also auch ein eigenartiges Licht auf die gesamte
Regierungsfraktion von VP und FP fallen lässt.
Ich möchte noch etwas hinzufügen: Meine geschätzten Damen und Herren,
ich finde es außerordentlich bemerkenswert, dass man, wenn es für die
jeweilige Partei unangenehm wird, so tut, als würde die Bundespartei überhaupt
keine Funktion oder Rolle im Hinblick auf die Umsetzung zum Beispiel des
Belastungspaketes haben. Herr Dr. Pröll hat mit Sicherheit sehr stark
mitgewirkt, das Kabinett Schüssel I zu installieren. Als er aber dann
merkte, dass 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das
Kabinett Schüssel II gar nicht wollen – die Fortsetzung dieser
Chaos-Regierung wollten 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher
nämlich nicht –, ging er auf Distanz zur Bundesebene, aber auf eine sehr
geringe Distanz: Er ist nämlich selbst mit einem Niederösterreicher aus seiner
Familie vertreten, aber das ist nicht das Thema. (Abg. Jakob Auer: Zwei!)
Von seiner Familie ist nur einer vertreten! (Beifall bei der SPÖ.)
Zum Zweiten, meine geschätzten Damen und Herren, ist es endlich an der
Zeit, dass die Niederösterreicher einmal sehen, dass es eine Einheit von
Verantwortung gibt und es nicht so ist: Hier bin ich Landeshauptmann, hier ist
alles ganz anders – und das, was die „böse“ Bundespartei der ÖVP tut,
geht mich nichts an!
Ich meine, es ist eine Frage der Redlichkeit, dass man zu den
politischen Beschlüssen seiner Partei steht, und zwar auf allen
Ebenen, auf Landes- und Bundesebene. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn die ÖVP plakatiert, Niederösterreich ist ein schönes Land, dann
stimme ich dem zu; wir haben viel dazu beigetragen. Aber Niederösterreich ist
zu schön, um nur schwarz zu sein! (Beifall bei der SPÖ.)
16.06
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet.
2 Minuten. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen
wollen – und stellen Sie diesem den berichtigten Sachverhalt gegenüber,
ohne wertende Kommentare. – Bitte.
16.07
Abgeordnete
Michaela Sburny (Grüne): Herr Kollege Spindelegger
hat festgestellt, dass die jetzige Spitzenkandidatin von „GRÜNÖ“ 1998 in
Mödling Spitzenkandidatin für die Grünen war und dass die Grünen ihre damaligen
Nazi-Vergleiche voll gedeckt hätten. – Das ist unrichtig!
Richtig ist vielmehr, dass Frau W.s Äußerungen damals zu einem
Parteiausschlussverfahren geführt haben, das dann zu diesem Zeitpunkt
eingeleitet wurde. (Beifall bei den Grünen.)
16.08
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Binder zu
Wort. Redezeit 5 Minuten. – Bitte.
16.08
Abgeordnete
Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Grüne
oder „GRÜNÖ“, das ist die Frage, und ich denke tatsächlich, dass die
Verunsicherung sehr groß ist und vor allen Dingen die Unterschiedlichkeit der
Parteien noch viel größer ist.
Grundsätzlich meine ich auch, dass wir in Niederösterreich viele
interessierte und informierte WählerInnen haben, die sicherlich wissen, was sie
tun. Aber die Zulassung der Kurzbezeichnung „GRÜNÖ“ und die Unterstützung
dieser Partei durch Unterschriften ist die eine Seite der Medaille, die andere
Seite der Medaille schaut tatsächlich anders aus.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 33 |
Ich habe sehr
aufmerksam den Spitzfindigkeiten von Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer gelauscht.
Ich meine, die Absicht, die dahinter steckt, ist sehr klar: Es wurde mit dieser
Benennung, mit dieser Kurzbezeichnung bewusst in Kauf genommen, die Grünen
durch eine missverständliche Parteibezeichnung zu schwächen, was eine
bewusste Täuschung der Wählerinnen und Wähler ist, steht doch hinter der Partei
„GRÜNÖ“ die Liste der EU-Opposition, eine deklarierte Anti-Europapartei, die
von zahlreichen ÖVP-Funktionären und auch ÖVP-Mandataren unterstützt
wurde. – So viel zur Glaubwürdigkeit und Seriosität der ÖVP als
Europapartei.
Für mich ist im
Übrigen eines sehr interessant: Dass auf den Pröll-Plakaten in Niederösterreich
überhaupt der Begriff „ÖVP“ fehlt, und da wird es tatsächlich kompliziert. Als
Bauherr und Architekt dieser FPÖ/ÖVP-Regierung angetreten, distanziert sich nun
Pröll von dieser ÖVP, und gleichzeitig werden Sie, meine Damen und Herren aus
Niederösterreich, dieses Regierungsprogramm mittragen und mitbeschließen,
nämlich Abbau, Kürzungen und Verschlechterungen.
Somit, meine Damen
und Herren, schließt sich der Kreis, dass Landesthemen sehr wohl auch
Bundesthemen sind. Das Doppelspiel, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der
Wählertäuschung in Niederösterreich geht tatsächlich lustig weiter. Natürlich
spielt die Landtagswahlordnung dabei eine wesentliche Rolle, aber bei dieser
Wahl am 30. März, meine Damen und Herren, geht es nicht um den
Landeshauptmann. (Rufe bei der ÖVP: O ja!) In erster Linie geht es uns
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um die Menschen in diesem Land und um
das politische Gleichgewicht der Kräfte. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Ich verstehe den Personenkult der ÖVP, denn er hat System. Es werden
alle möglichen Tricks angewendet, und Fairness und Respekt, wie immer
eingefordert werden, sind leere Worte, und das möchte ich anhand von zwei
Beispielen darstellen.
Der Herr
Landeshauptmann fühlt sich schon von Plakaten und Transparenten anderer
Parteien gestört und irritiert. Sie werden weggeräumt, sie werden verhüllt. Ich
frage Sie, meine Damen und Herren: Wie empfindlich, wie dünnhäutig ist dieser
Mann aus Niederösterreich? Ist sein Machtanspruch tatsächlich so unkontrolliert
und so maßlos?
Das zweite
Beispiel, meine Damen und Herren: Beschlossene und genehmigte Gelder für Kindergärten
in Niederösterreich werden von Landeshauptmann Pröll zurückgehalten. Die Begründung
dafür lautet – hören und staunen Sie! –: Protokollarische
Gepflogenheiten bei der Eröffnung dieser Kindergärten wurden nicht
eingehalten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Das ist
ja fast Majestätsbeleidigung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Ich denke, auch in
Niederösterreich muss Recht Recht bleiben. Auch in Niederösterreich müssen
ordnungsgemäß gefasste Beschlüsse umgesetzt werden. Gekränkte Eitelkeit und Wehleidigkeit
spielen dabei keine Rolle, denn die Betroffenen in diesem Fall, meine Damen und
Herren, sind die Gemeinden, sind die Firmen und ihre Mitarbeiter, und bei den
Kindergärten sind es vor allen Dingen die Kinder und ihre Familien. (Beifall
bei der SPÖ.)
So viel sei zum Demokratieverständnis
und zum Kompetenzmissbrauch der ÖVP gesagt, meine Damen und Herren!
Somit schließt
sich dieser Kreis zum Thema Sondersitzung. Ich bin sehr froh darüber – ich
hoffe, wir können es noch lange sein –, dass wir in einem freien Land mit
freien Menschen und frei gewählten Mandatarinnen und Mandataren leben, die eine
Sondersitzung dann einberufen, wenn sie glauben, dass es notwendig ist.
Was wir in
Niederösterreich brauchen, meine Damen und Herren, sind tatsächlich Lösungen
für die zukünftigen Jahre und für die zukünftigen Herausforderungen. Kollege
Spindelegger! Heidemaria Onodi in Niederösterreich steht für gerechte,
menschliche und auch soziale Lösungen! (Beifall bei der SPÖ.)
16.14
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 34 |
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Abgeordneter Parnigoni. Ihre Restredezeit: 4 Minuten. – Bitte.
16.14
Abgeordneter
Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich habe noch im Ohr: Schwarz-Grün hat „Phantasie“, hat Herr Pröll
einst gesagt. Zugleich hat er aber als Leiter der Landeswahlbehörde eine
demokratie- und verfassungsrechtlich bedenkliche Vorgangsweise gewählt. (Zwischenruf
des Abg. Mag. Kogler.) Sie sehen also, meine Damen und
Herren von den Grünen, wie es mit der ÖVP ist.
Wir wissen, dass diese Doppelstrategie, die Herr Pröll gewählt hat, auch
bei der Regierungsbildung fortgesetzt worden ist. Als Architekt der
schwarz-blauen Regierung I hat er Mitverantwortung übernommen für die
gesamte Belastungswelle, die über uns hereingebrochen ist. Zur Fortsetzung von
Schwarz-Blau hat er zuerst gemeint, na ja, das wolle er nicht, aber jetzt ist
es doch gekommen. Und alle ÖVP-Abgeordneten hier in diesem Haus haben mit
Freude der Regierungserklärung und dem Entschließungsantrag zugestimmt. Sie
tragen damit auch die Verantwortung für die Belastungen, die nun auf die
Bevölkerung zukommen, so nach dem Motto: Erhöhung der Mineralölsteuer, Erhöhung
des Preises für die Vignette, dafür keine Steuerreform 2003, Eurofighter
statt sicheren Pensionen in diesem Land und NATO-Beitritt statt Neutralitätssicherung.
(Abg. Kößl: Weniger Populismus!) Das ist das Motto dieser
Regierung. Dafür tragen auch die Niederösterreichische Volkspartei und ihr
Landeshauptmann voll die Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Die Verantwortung kann auch niemand Landesrat
Sobotka wegnehmen. Das ist gar keine Frage, denn er ist für die Platzierung
all der Anlagen verantwortlich. Und es ist ein Faktum, dass schlussendlich
273 Millionen € am Roulette-Tisch des internationalen Aktienmarktes
vergeudet und verschleudert worden sind. (Heiterkeit bei der ÖVP. –
Abg. Kößl: Bleib lieber bei der Wahrheit!) Sie hätten lieber
dafür sorgen sollen, meine Damen und Herren, dass diese Gelder als
100-prozentiger Ausgleich für die Hochwasseropfer zur Verfügung gestellt
werden. Das wäre eine Großtat gewesen. (Beifall bei der SPÖ.) Aber dazu
haben Sie sich nicht durchringen können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Es ist Ihnen in Wirklichkeit auch völlig egal, wie es mit der
Arbeitslosensituation in diesem Land ausschaut. In Österreich haben wir im
Vergleich zu Februar 2002 eine durchschnittliche Steigerung bei der
Arbeitslosenrate von 2,7 Prozent, in Niederösterreich sind es
4,7 Prozent; ich will gar nicht vom Waldviertel reden, wie dort die Situation
ist. – Meine Damen und Herren! Da hätten Sie etwas zu tun, aber da sind
Sie handlungsunfähig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Wie viel Macht, meine Damen und Herren, wollen die ÖVP und der
Landeshauptmann noch ausnützen? – Kollegin Binder hat schon davon
gesprochen, dass Plakate der SPÖ und auch anderer Parteien, auch der Blauen
verhüllt werden, wenn der Herr Landeshauptmann auftritt. Aber die neueste
lustige Geschichte ist, dass der Herr Landeshauptmann jetzt schon Spatenstiche
für Projekte macht, die erst 2006 zur Diskussion stehen. (Heiterkeit bei der
SPÖ.) So weit geht bereits dieser Machtwahn, in den sich die ÖVP
hineinsteigert und den der Landeshauptmann auch ausnützt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte daher abschließend sagen, angesichts
dieser Wählertäuschung, die auf dem Rücken der Grünen ausgetragen wird und die
unter Ausnützung des Namenswahlrechts von der ÖVP begangen wird, kann man die
Wählerinnen und Wähler in Niederösterreich nur auffordern und ihnen ganz klar
sagen: Wer Pröll ankreuzt, wählt die ÖVP, wählt damit Schüssel, Haupt und all
die Grauslichkeiten, die auf uns zukommen. – Danke. (Beifall bei der
SPÖ. – He-Rufe bei den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 35 |
16.18
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Abgeordneter Donabauer. Wunschgemäß ist die Uhr auf 5 Minuten
eingestellt. – Bitte.
16.18
Abgeordneter
Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die niederösterreichische
Landtagswahl soll zeigen, dass wir für das Land gut weiterarbeiten wollen. Die
heutige Sondersitzung ist auf Grund einer Anfrage einberufen worden (Abg. Dr. Petrovic:
Antrag!), und dazu gibt es mehrere Statements.
Kollege Parnigoni!
Wenn Ihnen das Landtagswahlrecht in Niederösterreich nicht gefallen sollte, dann
darf ich Ihnen sagen, Sie haben es mit beschlossen, Sie sind dafür eingetreten.
Sie haben auch heute Herrn Landesrat Sobotka wiederholt angesprochen. (Zwischenruf
der Abg. Mag. Wurm.) Dazu darf ich Ihnen sagen: Sie haben bei
vier Regierungssitzungen diesem Projekt zugestimmt, daher sollten Sie heute
hier nicht etwas kritisieren, was Sie selbst mit verantwortet haben. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm:
Freies Mandat!)
Wenn Sie in diesem
Zusammenhang ein schlechtes Gewissen haben, dann gebe ich Ihnen eine
Denkaufgabe: HVB heißt das Zauberwort. Sie kennen es: 86 Prozent des
Kapitals wurden in Wien verspielt! Das ist Ihre Leistung! Das sollten Sie sich
bitte hinter die Ohren schreiben und nicht uns dafür kritisieren, wie wir in
Niederösterreich arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Zum Zweiten, zur
heutigen Sondersitzung, die einberufen wurde, weil es angeblich keine Unterscheidbarkeitsmerkmale
gibt (Zwischenruf des Abg. Parnigoni): Herrn Klubobmann Van
der Bellen, Frau Petrovic und allen ihren Freunden sage ich Folgendes
(Abg. Parnigoni: Sie geben es zu, dass Sobotka das Geld verspielt
hat!): Lesen Sie bitte das Gutachten von Dozent Dr. Bußjäger,
Föderalismusexperte, und von Professor Dr. Stolzlechner,
Verfassungsexperte, denn beide sagen, dass die Unterscheidbarkeit sehr wohl
gegeben ist. Sie wissen auch, dass das Parlament heute bei dieser Sondersitzung
in keinster Weise mehr eingreifen könnte. Und wenn Sie Unbefindlichkeiten haben,
werden Sie ohnehin zum Verfassungsgerichtshof gehen, und dort werden die Dinge
dann entschieden werden.
Deshalb meine ich,
dass Sie Ihr Kontingent an Sondersitzungen auch anders hätten nutzen können als
für eine Wahlwerbung Ihrerseits, die Sie für diese Landtagswahlen brauchen, um
überhaupt in Erscheinung zu treten. Das ist Ihr wahres Problem, und darüber
sollten Sie einmal reden! (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn Herr
Klubobmann Van der Bellen heute und hier eine Wahlrechtsreform
einfordert, dann hätte ich mir erwartet – mit Verlaub –, dass Sie
heute sagen: Es muss endlich in Österreich die Briefwahl eingeführt werden.
Diese ist jenes Element, auf das wir schon lange warten, jenes Element, das
eine große Partei in diesem Parlament blockiert und das wir dringend brauchen
würden. Da ist Handlungsbedarf gegeben, und da würde ich Sie bitten, dass Sie
mitgehen. (Beifall bei der ÖVP.)
Dass Ihr Problem
die Namensfindung ist, das ist legendär. Seit 1988 gab es acht verschiedene
Firmenbezeichnungen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die gekommen und
gegangen sind, dort haben Sie Ihre Schwierigkeit. Nein, Sie haben noch eine
zweite: Sie haben kein Monopol auf die Bezeichnung „grün“ – überhaupt
nicht. Sie hätten ein Monopol auf grüne Arbeit, aber da haben Sie Defizite,
denn das ist in Wahrheit nicht erkennbar. Der ökologische Faktor fehlt bei
Ihnen, das weiß doch jede Bürgerin, das merkt doch jeder Bürger. (Uhu-Rufe
bei den Grünen.) Das ist gerade für Sie in Niederösterreich peinlich, weil
Niederösterreich diesbezüglich ein Musterland ist, das können Sie nachlesen.
Wir machen Umweltpolitik mit Sensibilität und nicht mit Aktionismus, so wie
Sie vielleicht manchmal! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ein weiteres
Problem ist, Sie wollen – das ist Ihr gutes Recht – in die Regierung.
Bitte, Sie haben die Chance vertan. Sie haben bei der Bundespolitik leider
Gottes selbst Ihre eigenen Hoffnungen massiv zerstört. Sie haben sich nicht
drübergetraut. Mutlosigkeit ist Ihr Problem. Sagen Sie es doch offen! Weil Sie
auf der Bundesebene nichts geschafft haben, wollen Sie in Niederösterreich
plötzlich groß punkten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Das
wird Ihnen wahrscheinlich nicht gelingen, und das, so glaube ich, ist in
Wahrheit Ihre Schwierigkeit.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 36 |
Ein Drittes: Frau
Kollegin Petrovic! Sie sind eine wunderbare Dame. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein,
nein! Da muss ich Ihnen widersprechen! – Weiterer Widerspruch bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.) Sie kandidierten bei der Bundeswahl als
Spitzenkandidatin in Niederösterreich – leider ohne Spitzenergebnis. Nun
kandidieren Sie wieder als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in
Niederösterreich ohne Spitzenleistung. Das ist Ihr wahres Dilemma. Sie wissen
nicht, ist Petrovic bundespolitisch oder landespolitisch. Wer ist Frau
Petrovic? – Das ist die Frage, die Sie dem Wähler beantworten sollten,
dann würden Sie weiterkommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wunderbar
mit negativen Vorzeichen!)
Schlussendlich
darf ich Ihnen Folgendes sagen: Wir haben in Niederösterreich ein sehr modernes
Wahlrecht, ein Namenswahlrecht. Wenn Sie Probleme haben, lesen Sie das
Wahlrecht! Darin steht: Name zählt vor Partei. Wenn schon alles so gut ist,
wenn Sie schon so gut drauf sind, wenn Sie schon so große Hoffnungen haben,
dann sagen Sie den Bürgern, bei der Parteiunterscheidung gibt es nach Ihrer
Ansicht Probleme, aber Sie haben ja Kandidaten, die Sie präsentieren! –
Leider Gottes müssen diese halt die Leute zuerst kennen lernen. (Abg. Dr. Van
der Bellen: Petrovic!) Das ist Ihr Problem.
Arbeiten Sie mit
in Niederösterreich! Wir machen eine gute Politik! Steigen Sie ein, und hören
Sie auf, zu kritisieren und auszusteigen. (Beifall bei der ÖVP. –
Abg. Dr. Van der Bellen: Petrovic!)
16.23
Präsident
Dr. Andreas Khol: Als vorläufig letzter Redner ist
Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. 3 Minuten
Redezeit. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Niederösterreich!)
16.24
Abgeordneter
Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Zunächst möchte ich anerkennend zum
Ausdruck bringen, dass Sie in diesen doch leider sehr bewegten Zeiten die Zeit
für diese gemeinsame Sondersitzung gefunden haben. Ich halte das nicht für
selbstverständlich, obwohl festzuhalten ist, dass das Parlament das höchste
Organ in der Republik bezüglich Demokratie ist. Aber es war möglicherweise
nicht so leicht, diesen Termin zu finden.
Nichtsdestotrotz
muss ich gleich zur Sache kommen und ein paar Dinge zurechtrücken und mich auf
Sie und auch auf die Kollegen von der ÖVP beziehen.
Erstens: Die
erwähnte Spitzenkandidatin dieser unseligen Liste ist sozusagen von den Grünen
gegangen, als ihr nichts anderes mehr übrig geblieben ist. Gäbe es solche
Vorgänge in jeder anderen Partei, dann würde es in dieser Republik viel klarer
aussehen. (Beifall bei den Grünen.)
Zweitens zur
Betrachtung der Dinge hier im Haus: Herr Bundeskanzler! Sie haben es anlässlich
des Themas Volksanwalt Stadler und seine Ausführungen geschafft, hier
30 Minuten zu sprechen, ohne auf selbiges Thema überhaupt nur mit einer
Silbe einzugehen – damit ist auch diese Sache zurechtgerückt.
Was ist das
Grundproblem? – Natürlich ist es Sache des Nationalrates, wenn unserer
Meinung nach bundesverfassungsgesetzliche Regelungen verletzt sind, das hier zu
debattieren. Das ist doch selbstverständlich. Warum Sie dann auf den
Verfassungskonvent verweisen, ist wieder nicht selbstverständlich. Das ist doch
bitte nicht die Schublade der Nation! Wo kommen wir denn da hin, den
Verfassungskonvent anzurufen, wenn es um einen Machtmissbrauch der ÖVP geht?!
Deshalb war das Thema hier und heute dringlich zu behandeln. (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das Grundproblem bleibt – damit lässt sich das Ganze überschreiben; „GRÜNÖ“ hin oder her –, es geht einfach darum, dass ganz Österreich, jetzt einmal Niederösterreich, in schwarze Hand soll. Das ist doch das Grundthema der Sitzung. Dieses Modell Niederösterreich ist hoch infektiös. Das sehen wir bei Bundesminister Strasser, unter dem entsprechende Zustände im Innenministerium Einzug gehalten haben. (Abg. Dr. Stummvoll: Rot-weiß-rot!) Kaum hat er die Mög-
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 37 |
lichkeit gehabt, hat er im Rahmen der Postenbesetzung
parteibuchpolitisch umgefärbt. Das sind die herrschenden Zustände, und deshalb
weisen wir hier darauf hin.
Das gibt es im
Übrigen auch in der Steiermark; Kollege Lopatka ist ja jetzt ein neuer Kollege
hier. Wir hatten vor etlichen Jahren ein ähnliches Problem dort. Mehrere grüne
Listen standen zur Wahl. Zwei davon, außer den richtigen Grünen, wurden von der
ÖVP forciert und eine davon sogar von der ÖVP bezahlt. Als Lopatka dabei
ertappt wurde, als er das selbst ausgesprochen hat, habe ich ihn eingeladen,
mich zu klagen, wenn er das in der Öffentlichkeit nicht aushält. Das hat er
auch angekündigt, nur bis heute nicht eingelöst. Hier habe ich den entsprechenden
Zeitungsartikel. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Das ist das System
der ÖVP, das auf ganz Österreich ausgedehnt werden soll.
Zur Rolle der
Freiheitlichen in diesem Zusammenhang: Ich finde es erwähnenswert, dass Sie von
Spaltungstendenzen reden. Ich glaube, das wird auch als Ablenkungsmanöver
durchschaut werden. Sie plakatieren einen „Hecht im Karpfenteich“. Ich kann
Ihnen nur sagen, bei der kontrollpolitischen Rolle, die Sie mittlerweile einnehmen,
sind Sie günstigstenfalls ein Goldfisch im Haifischbecken. (Heiterkeit bei
den Grünen und der SPÖ.) Das ist Ihr Problem, und deshalb sollten Sie sich
eher zurückhalten und über den Fall Rosenstingl meditieren, denn daran knabbern
Sie heute noch. (Abg. Scheibner: Sie sollten in der Zoologie
etwas lernen, Herr Kollege! Ein Goldfisch im Haifischbecken wird schwer gehen!)
Ich komme zum
Schluss: Auf Bundesebene bleibt die Frage, wer tatsächlich eine zukunftsfähige
Regierungskonstellation darstellt und wer nicht. Wir haben immer etwas von
Zukunft und Stabilität gehört. Der Mega-GAU in dieser Sache zeichnet sich ab.
Sie haben das instabilste und am wenigsten zukunftsträchtige Modell gewählt,
Herr Bundeskanzler! Deshalb werden Sie sich auch dafür rechtfertigen müssen. Es
geht an dieser Stelle um nicht mehr oder weniger als um Demokratie und um
Machtmissbrauch. Deshalb wäre eigentlich auch in dieser Hinsicht ein neues
Regieren angesagt! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
16.28
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 38 |
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Lopatka zu Wort
gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Zuerst zu berichtigender Sachverhalt und
dann der richtige Sachverhalt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Es
war noch schlimmer!)
16.28
Abgeordneter
Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Kogler hat hier zwei Behauptungen
aufgestellt. Erstens hat er behauptet, die ÖVP hätte die Grün-Listen forciert.
Zweitens hat er behauptet, die ÖVP hätte sogar zwei Listen bezahlt. (Rufe
bei den Grünen: Eine! Eine!) – Eine!
Das ist falsch! Ob eine oder zwei: Es ist falsch!
Richtig ist
vielmehr, dass es kein Monopol für eine Partei gibt, als grüne Partei zu
kandidieren. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. –
Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Richtig ist, dass
in der Steiermark damals die Grünen Österreichs, die Grünalternative Liste
Steiermark (Abg. Gradwohl: Herr Präsident! – weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ), Grüne steirische Liste und Grünes Kernöl
kandidiert haben. Keine dieser Listen hat in irgendeiner Form die Unterstützung
durch die steirische Volkspartei gehabt. (Abg. Gradwohl: Herr
Präsident! Würden Sie bitte die Geschäftsordnung zur Anwendung bringen!) Ich
berichtige: Keine dieser Listen hat eine finanzielle oder eine sonstige
Unterstützung erhalten. (Abg. Bures: Das ist der Khol’sche
Freundschaftsdienst!)
Es waren
Aktivbürger unterschiedlichster Provenienz, die in vier Listen angetreten sind.
Das ist richtig! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bures: Das
war keine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsident! – Ruf bei der SPÖ:
Unerhört!)
16.29
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr als
vorläufig letzter Redner Herr Abgeordneter Öllinger von den Grünen. Restredezeit
seiner Fraktion: 2 Minuten. – Bitte.
16.30
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Viel, Herr Abgeordneter Lopatka, was Substanz gehabt hätte, haben
wir von Ihnen nicht erfahren. Wir hätten uns von einem neuen
ÖVP-Generalsekretär schon wünschen dürfen, dass er demokratiepolitische
Anliegen etwas ernster nimmt, als das in der ÖVP bisher offensichtlich der Fall
war. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Was wir lernen
mussten und offensichtlich lernen müssen – damit sind wir nicht
einverstanden, Herr Abgeordneter Lopatka (Zwischenruf des Abg. Dr. Lopatka) –, ist das Rezept der
ÖVP-Niederösterreich, das offensichtlich verallgemeinert werden soll (Abg. Kößl: Wir leben in einer Demokratie!) –
am Beispiel Strasser wurde es schon vorexerziert –, das heißt: Gib der
Opposition keine Chance! Schwäche die Opposition, wo es nur geht! Schicke ihr
Listen an den Hals, damit sie mit sich und nicht mit der Regierungspartei
beschäftigt ist!
Wenn es irgendwo
im Land etwas gibt, was sich regt, dann lasst die Leute, egal, ob es sich um
Listen oder Personen handelt, wissen (Abg. Kößl: Das Problem ist, dass die GRÜNÖ keine Partei, sondern eine
Bewegung ist!): Es gibt eine
Hand, die sie füttert, und die soll man nicht beißen! – Das haben wir
schon von einer Partei in diesem Haus gehört, und am Beispiel Niederösterreich
exerziert uns die ÖVP das seit Jahrzehnten vor, was sie damit meint! Das ist
nicht gut für das Land, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht
gut! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Darauf hinzuweisen
ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Opposition. Mir reicht es dann nicht
aus, so wenig wie den anderen Mitgliedern beider Oppositionsparteien, dass es
in Niederösterreich einen Landesvater gibt, der sich hinstellt und sagt: Ich
habe mit all dem nichts zu tun! (Abg. Kößl:
Niederösterreich ist liebenswert und lebenswert!) Ich weiß gar nicht,
wovon Sie sprechen, ich habe damit nichts zu tun! Ich bin zwar für die
Wahlkommission verantwortlich, aber ich habe nichts damit zu tun, was die
Entscheidung der Wahlkommission betrifft!
Das ist das
System! Wenn Sie, Herr Lopatka, sich hierher stellen und sagen, ich weiß nicht,
wie das gegangen ist, aber die ÖVP hat keine Listen unterstützt und
finanziert, ...
Präsident Dr. Andreas Khol:
Schlusswort, Herr
Kollege!
Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... dann
bestätigen Sie damit nur, dass es Tatsache und Faktum ist, dass dieses System
der ÖVP offensichtlich in ganz Österreich durchgezogen wird. (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ.)
16.32
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort ist niemand
mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag
70/A (E) der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und
Kollegen betreffend eine Änderung der Nationalratswahlordnung sowie die
Schaffung bundesverfassungsrechtlicher Mindeststandards für Landtagswahlordnungen.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der
Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend
bundesverfassungsrechtliche Mindeststandards für Landtagswahlordnungen.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.
Nationalrat, XXII.GP | 9. Sitzung / Seite 39 |
Einlauf
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich gebe noch
bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 70/A und 71/A
eingebracht wurden.
Ferner sind die
Anfragen 191/J bis 219/J eingelangt.
*****
Die nächste
Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 26. März 2003, um
9 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Weg einberufen
werden.
Bevor ich die
Sitzung schließe, noch zwei Mitteilungen: Eine ist für die Mitglieder der
Präsidialkonferenz: Die Präsidialkonferenz wird jetzt unmittelbar im Anschluss
an diese Sitzung, das heißt um 16.45 Uhr, im gewohnten Lokal stattfinden.
Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass der Wirtschaftsausschuss seine
Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses zum
Thema GATS im Lokal V fortsetzt.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der
Sitzung: 16.35 Uhr
Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH 783 |