Sonja ABLINGER: Ganz sicher hat mich geprägt Johanna Dohnal. Ihr Politikverständnis ihr Umgang, Themen zu setzen, auch ihre Empathiefähigkeit.
Johannes VOGGENHUBER: Freda Meissner-Blau ist eine eigene Figur gewesen, die ja mehr Galionsfigur war.
Karl SCHWEITZER: Die Partik-Pablé hat jeden Einzelnen gekannt im Justizministerium und auch im Innenministerium.
Terezija STOISITS: Was da so manche gemeint haben, ob nicht vielleicht die Fußstapfen ihrer Vorgänger jetzt Fischer und Khol nicht vielleicht doch zu groß wären. Und sie hat dann alle Lügen gestraft, die sowas dachten. Das war mein Eindruck.
Clemens HAIPL: Die österreichische Politiklandschaft war lange Zeit sehr stark männlich geprägt und ist es zum Teil noch heute. Spätestens seit den 1970er und 80er Jahren sind Frauen aber auch in der Spitzenpolitik auf dem Vormarsch. Und das ist unter anderem Frauen zu verdanken, die den Weg in die höchsten Ämter gehen. Sie werden aus gutem Grund häufig als Vorbilder gesehen! Wer sind unter anderem diese Frauen? Und was machte sie aus?
Herzlich Willkommen zu dieser Folge von Geschichte(n) aus dem Parlament.
Jingle "Geschichte(n) aus dem Parlament"
HAIPL: In diesem Podcast hören Sie persönliche Erinnerungen von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion aus den Archiven des Parlaments. Heute geht es um Frauen. Und zwar nicht irgendwelche, sondern Frauen, die das Hohe Haus und die österreichische Politik auf ganz besondere Weise geprägt haben. In einer früheren Folge haben wir schon erzählt, wie Marga Hubinek zur ersten Frau im Nationalratspräsidium gewählt wurde. Sie galt vielen als Vorbild. Sie war aber nicht die einzige Frau, die andere inspirierte. Es gibt noch eine ganze Reihe mehr. Angefangen von einer Frau, die für Marga Hubinek selbst ein Vorbild war:
Marga HUBINEK: Prägend war für mich eigentlich die Hertha Firnberg auch. Eigentlich ein Wissenschaftsministerium zu schaffen beziehungsweise zu entrieren, dass sie es schaffen wird, und eigentlich auch ihr Engagement. Ich sage das so bewusst, dass sie ein Vorbild auch für mich war, obwohl wir uns heftigst attackiert haben in ORF-Diskussionen, vor allem, als es darum ging, diesen Schwangerschaftsabsatz im Strafrecht zu artikulieren oder zu formulieren. Das war ja der einzige Punkt, wo es Auseinandersetzungen gab, sonst waren wir uns einig, in allem haben wir einen Kompromiss gefunden.
HAIPL: Hertha Firnberg! Großartig. Sie war ab 1970 nicht nur die erste SPÖ-Ministerin, sondern die erste Wissenschaftsministerin und nach Grete Rehor die zweite Frau überhaupt, die jemals ein Ministeramt in Österreich innehatte. Über 20 Jahre war sie als Bundesrätin, Nationalrätin und Ministerin in der Spitzenpolitik tätig. Friedhelm Frischenschlager erinnert sich an sie:
Friedhelm FRISCHENSCHLAGER: Die Bundesministerin Firnberg war ja im positivsten Sinn eine ganz eigenartige Persönlichkeit. Erstens einmal war sie wirklich von ihrer Aufgabe überzeugt und hat das auch unglaublich gut gemacht und war sehr offen. Das war das eine. Das war wirklich interessant. Und sie hat mich als jungen Abgeordneten auch ernst genommen. Wir hatten regelmäßig auch Gespräche, sie hat den parlamentarischen Kontakt auch mit den Nichtregierungsfraktionen wirklich gepflogen. Das kann man wirklich sagen. Man war nicht irgendeine Nummer, ein Oppositionsabgeordneter, "na gut, der hält seine Reden, und ich mache sowieso …", sondern es war wirklich eine Diskurskultur, hat diese Ministerin wirklich gelebt.
HAIPL: Sich auch mal mit den Kolleginnen und Kollegen einer anderen Fraktion austauschen, die Konfrontation nicht scheuen, sondern schätzen, damit hat Hertha Firnberg den Respekt ihrer Kolleginnen und Kollegen gewonnen. Wertgeschätzt wird sie noch für viele andere Eigenschaften, unter anderem dafür, wie sie ihr Amt interpretierte. Heinrich Neisser, ehemaliger Nationalratsabgeordneter von der ÖVP über die Zusammenarbeit mit Firnberg:
Heinrich NEISSER: Als ich Wissenschaftssprecher geworden bin, war die Hertha Firnberg die erste Wissenschaftsministerin in Österreich, die in manchen Sachen sehr hart war und in vielem auch sehr sozialdemokratisch pointierte Wissenschaftspolitik betrieben hat, aber auf der anderen Seite wieder eine gewisse Offenheit hatte, und mit ihr habe ich mich sehr oft getroffen, und wir waren uns eigentlich im Klaren, wo man überhaupt etwas tun soll, und wenn es nicht gegangen ist, hat man gar nicht den gemeinsamen Versuch gemacht.
HAIPL: Nicht selten wird Hertha Firnberg in einem Atemzug mit einer weiteren Politikerin genannt: Johanna Dohnal. Sie wird 1990 erste Frauenministerin Österreichs. 1990 das ist gar nicht so lange her. Und vertrat in diesem Amt Ziele und Herausforderungen von Frauen. Johanna Dohnal rückte Interessen von Frauen immer wieder ins Zentrum der österreichischen Politik und besaß dabei eine Zielstrebigkeit, mit der sie bei Mitglieder ihrer und anderer Fraktionen Eindruck machte. Sonja Ablinger und Dohnals Nachfolgerin als Frauenministerin, Helga Konrad, erinnern sich an sie:
ABLINGER: Ganz sicher hat mich geprägt Johanna Dohnal. Ihr Politikverständnis ihr Umgang, Themen zu setzen, auch ihre Empathiefähigkeit, ihre Warmherzigkeit, ihr sich wirklich interessieren für ganz konkrete Problemlagen von Frauen, wie sie daraus dann eine politische Initiative gegründet hat oder bewirkt hat. Das hat mich sehr, sehr beeindruckt.
Helga KONRAD: Sie war so lange in der Politik, sie war 20 Jahre in der Politik mit Funktionen, ja?! Aber sie war durchaus auch eine Person, die unheimlich viel Witz und Humor gehabt hat. Wir haben also auch lustige Zeiten gehabt. Wir haben also nicht immer nur bissig irgendwo geschaut, wie wir uns wo durchsetzen, sondern wir haben also wirklich auch viel Spaß miteinander gehabt.
HAIPL: Nicht nur Dohnals Fraktionskolleginnen und –kollegen in der SPÖ wurden von der ersten Frauenministerin geprägt. So erzählt Terezija Stoisits, die während der Amtszeit von Johanna Dohnal für die Grünen im Nationalrat saß:
STOISITS: Ich war wahnsinnig beeindruckt von Johanna Dohnal. Das Beeindrucktsein hat sich schon von vorher abgeleitet, denn ich war noch eine Studentin, als sie damals Staatssekretärin wurde, und da hat es die erste Enquete "Frauen und Recht in Österreich" gegeben; das ist alles von ihr ausgegangen. Und dann bin ich ihr wiederbegegnet, als Frauenministerin, und ich war wirklich von ihrem Kampfgeist, von ihrer Integrität und auch von der Art und Weise, wie sie sich abgegrenzt hat gegenüber bestimmten Verhaltensformen in ihrer Partei, außerhalb, und mit welchem Selbstbewusstsein und mit welcher Selbstverständlichkeit sie das gemacht hat, das hat mich wirklich sehr beeindruckt.
HAIPL: Dass frau schon einen Eindruck hinterlassen kann, bevor sie in die Politik kommt, zeigt Helene Partik-Pablé. Ehe sie 1983 ihr Amt als FPÖ-Nationalratsabgeordnete im Parlament antrat, war sie bereits namhafte Richterin. Unter anderem kürte sie das Magazin "trend" 1981 zum "Mann des Jahres" – vor allem aufgrund ihrer Rolle als Untersuchungsrichterin beim sogenannten AKH-Skandal. Der ehemalige Fraktionskollege Karl Schweitzer beschreibt sie wie folgt:
SCHWEITZER: Die Partik-Pablé hat jeden Einzelnen gekannt im Justizministerium und auch im Innenministerium. Sie hat ja Tag und Nacht gearbeitet und jede Anregung, die gekommen ist, hat sie kontrolliert, aufgenommen, weiterverfolgt. Das war eine Spitzenabgeordnete, die Helene. Das ist eigentlich nie gewürdigt worden in dem Ausmaß, wie man es hätte tun müssen.
HAIPL: Auch fraktionsübergreifend wird die Kompetenz von Helene Partik-Pablé hervorgehoben. Zum Beispiel vom ÖVP-Politiker und späteren Nationalratspräsidenten Andreas Khol. Beeindruckt hat ihn…:
Andreas KHO: Also eine Abgeordnete Partik-Pablé von den Freiheitlichen, die Richterin war und den Beruf auch ausübte und zugleich im Parlament war, das hat zwar den Aposteln der Gewaltenteilung irgendwie widersprochen, aber sie hat einen guten Job gemacht. Sie hat als Richterin einen guten Job gemacht und einen guten Job im Parlament gemacht.
HAIPL: Später – genauer gesagt 1986 – wird Freda Meissner-Blau als erste Klubobfrau in die Geschichte des Parlaments eingehen. Herbert Haupt, ab 2000 Frauenminister für die FPÖ, sieht in ihr ein Vorbild:
Herbert HAUPT: Die Persönlichkeiten, die mich besonders beeindruckt haben ... das war seinerzeit durch ihr Auftreten die Freda Meissner-Blau. Wir haben ja auch sehr viel gemeinsam damals gehabt, mit dem Antiatomstreit, mit den Aktionen in der Au – ohne als Auhirsch durch die Gegend gelaufen zu sein –, aber es ging um die grundsätzlichen philosophischen Dinge im damaligen grünen Bereich.
HAIPL: Johannes Voggenhuber streicht die Stärke seiner Fraktionskollegin Freda Meissner-Blau hervor:
VOGGENHUBER: Freda Meissner-Blau ist eine eigene Figur gewesen, die ja mehr Galionsfigur war. Galionsfigur haben immer ein sehr schweres Schicksal. Ich sage immer, sie verbringen ja auch schließlich die Hälfte der Zeit unter Wasser. Sie sind ja vorhin auf dem Kiel aufgenagelt. Auch nicht einfach. Und das hat sie versucht, glaube ich, doch mit großer Integrationskraft, solange das möglich war, auch zu machen.
HAIPL: Bei so einer Aufzählung wie in dieser Folge darf eine weitere prägende Politikerin nicht unerwähnt bleiben: Heide Schmidt. Sie war Dritte Nationalratspräsidentin, Abgeordnete der FPÖ im Nationalrat und später Gründerin des Liberalen Forums. Nicht nur ihre Fraktionskolleginnen und –kollegen waren von ihr beeindruckt. So zum Beispiel die SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger:
ABLINGER: Ich war ganz am Anfang im Kulturausschuss, unter anderem, das kann ich mich gut erinnern und da war die Heide Schmidt Vorsitzende und ihre Vorsitzführung hat mich sehr beeindruckt. Ich bin im Übrigen mit Heide Schmidt heute noch gut befreundet, weil sie durchaus, obwohl sie nicht meiner Fraktion angehört hat, eine prägende Persönlichkeit war im Parlamentarismus.
HAIPL: Was als Politikerin an ihr besonders war, beschreibt ihr früherer Fraktionskollege Thomas Barmüller:
Thomas BARMÜLLER: Wenn Sie sich die Reden von Heide Schmidt anhören, dann werden Sie sehen, dass Heide Schmidt, finde ich, am besten war in jenen Positionen, wo es um ganz grundsätzliche Fragen gegangen ist. Was ich beeindruckend gefunden habe, ist, dass oft kleine Fragen, die aufgetaucht sind, auf einmal zu einer prinzipiellen politischen Grundsatzfrage ausgeweitet wurden, wo man sich denkt: Hoppla, stimmt, das habe ich eigentlich so nicht gesehen, da hätte man eigentlich daran müssen denken. Warum ist das eine wichtige politische Grundsatzfrage? Und die Fähigkeit, diese Dinge, diese administrativ langweiligen zehn Fragen zurückzuführen auf politisch relevante Dinge, das macht in meiner Einschätzung eine gute politische Rede auch aus. Und das hat Heide Schmidt sicher oftmals gut gekonnt und auch getan im Parlament.
HAIPL: Fehlen darf an dieser Stelle zuletzt nicht Barbara Prammer. Die ehemalige Frauenministerin wurde als erste Frau 2006 zur Nationalratspräsidentin und blieb es bis zu ihrem Tod 2014. Der frühere Innen- und spätere Verkehrsminister Caspar Einem erzählt, wie er Barbara Prammer kennengelernt hat:
Caspar EINEM: Wer mir – vor allem in den letzten Jahren – sehr imponiert hat, ist die Barbara Prammer, die ich seinerzeit… Ich war frischg’fangter Staatssekretär, da hat mich der Bundeskanzler ausgeschickt in die Bundesländer, um zu schauen, ob es irgendwo Leute gibt, die interessant sind, die man allenfalls in die Regierung holen könnte. Und habe von mehreren Seiten den Hinweis gekriegt, ich soll unbedingt die junge Zweite Landtagspräsidentin Prammer kennenlernen. Dann bin ich dort hin, habe sie kennengelernt, sie hat mich sehr beeindruckt, und es war aus diesem Fischzug sozusagen die Einzige, die ich wirklich wärmstens empfehlen habe können. Sie ist nur unter Vranitzky nichts mehr geworden. Wie sie dann nach Wien gefahren ist, um dem neuen Bundeskanzler, Viktor Klima, zu antworten auf die Frage, ob sie bereit ist, Frauenministerin zu werden, hat sie mich angerufen und gefragt, ob sie das machen soll. Ich bin froh, dass sie das gemacht hat. Die war eine tolle Kollegin!
HAIPL: Barbara Prammer war bei Mitarbeitenden der eigenen Fraktion als auch bei Personen aus anderen Fraktionen beliebt. So zum Beispiel bei den Abgeordneten Terezija Stoisits von den Grünen und Jürgen Weiss von der ÖVP:
STOISITS: …die mich wirklich sehr, sehr beeindruckt hat, vor allem auch deshalb, weil ich mich so gut erinnern kann, als sie Präsidentin wurde- Was da so manche gemeint haben, ob nicht vielleicht die Fußstapfen ihrer Vorgänger Fischer und Khol nicht vielleicht doch zu groß wären. Und sie hat dann alle Lügen gestraft, die sowas dachten. Das war mein Eindruck.
Jürgen WEISS: Wir hatten zwar vielfach unterschiedliche Meinungen, das ist klar, aufgrund unserer unterschiedlichen politischen Herkunft und auch aufgrund anderer unterschiedlicher Rollen, die wir auszuüben hatten, aber sie hat doch immer ein großes Verständnis für unsere Anliegen gehabt, und ich habe mit ihr wirklich gut zusammengearbeitet, das muss ich sagen. Es ist schade, dass sie so früh aus dem Amt scheiden musste, sie wäre auch eine gute Bundespräsidentin gewesen, wenn sie nicht gestorben wäre.
HAIPL: Es könnte jetzt noch länger so weiter gehen. Es gibt noch jede Menge andere Frauen, die Österreichs Politik nachhaltig geprägt und beeinflusst haben. Mehr dazu gibt’s ganz bestimmt in weiteren Folgen. Also kommen wir zum Fazit dieser Folge: Man könnte es wohl schon so sehen: Je mehr Vorbilder Frauen in politischen Institutionen haben, desto stärker sind Frauen in politischen Jobs und Aufgaben repräsentiert. Und das zahlt sich aus. Diese sechs Frauen jedenfalls waren inspirierende und prägende Vorbilder für ihre Kollegen und Kolleginnen und sind Beispiele für viele andere Frauen, die zum Gelingen und Gestalten unserer Gesellschaft beitragen. Ohne sie wäre die politische Landschaft Österreichs eine ganz andere und wahrscheinlich auch viel Ärmere gewesen.
Mehr über sie erfahren Sie auf der Webseite des Parlaments parlament.gv.at. Links dazu finden Sie in den Shownotes, also in der Episodenbeschreibung, dieser Folge.
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