Pionierinnen der Politik in Österreich

Sie sind allesamt beeindruckende Persönlichkeiten und brauchten enorme Klarheit im Kopf, dazu Ausdauer und Energie, um sich durchzusetzen. Eine Würdigung der Pionierinnen in Österreichs Politik.

Die ersten Frauen im Parlament

Als die Konstituierende Nationalversammlung am 4. März 1919 zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, zogen auch die ersten acht weiblichen Abgeordneten ins Parlament ein: Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch für die Sozialdemokratische Partei sowie Dr. Hildegard Burjan für die Christlichsoziale Partei.

Die ersten Acht (Parlamentskorrespondenz Nr. 154/2002)

Frauen im Parlament / PDF, 12542 KB

Woher sie kamen

Zum Zeitpunkt ihres Eintritts in die Konstituierende Nationalversammlung hatten diese Frauen eines gemeinsam: Sie alle waren seit Jahren in Partei- oder Gewerkschaftsorganisationen aktiv. Sieben davon waren in Wiener Wahlkreisen gewählt worden, eine im Wahlkreis Kärnten (Maria Tusch). Ihrer Herkunft nach stammten vier der weiblichen Abgeordneten aus Wien, je eine aus Böhmen, Mähren, Schlesien bzw. Kärnten. Fünf stammten aus einfachsten Verhältnissen: ehemalige Arbeiterinnen oder Hausgehilfinnen. Die meisten hatten sich in Privatstudien ausgebildet. Ein akademisches Studium hatte nur Hildegard Burjan absolviert.

Politisch sehr aktiv

Die starke Einbindung der weiblichen Mitglieder der Konstituierenden Nationalversammlung in das politische Geschehen kam auch darin zum Ausdruck, dass sechs von ihnen gleichzeitig dem Wiener Gemeinderat angehörten. Mit Ausnahme von Hildegard Burjan, die 1919 die "Caritas socialis" gründete, waren die weiblichen Mitglieder der Konstituierenden Nationalversammlung die ganze Erste Republik hindurch weiter im Nationalrat tätig (Ausnahme: Therese Schlesinger wirkte nur bis 1930 im Bundesrat). Gabriele Proft zog sogar nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in den Nationalrat ein.

H. Burjan - Keyvisual - Portrait. Wien 1928

Hildegard Burjan (1883 – 1933)

Die Gründerin der Caritas Socialis.

Bildnis in mittleren Jahren. ANMERKUNG: Auf der Rückseite des Fotos eigenhändiger Namenszug

Anna Boschek (1874 – 1957)

Pionierin der österreichischen Gewerkschaftsbewegung.

Portrait von Emmy Freundlich, 1878 - 1948.

Emmy Freundlich (1878 – 1948)

Über das Leben der einzigen Frau in der Wirtschaftssektion des Völkerbundes.

Portrait der Adelheid Popp [1869-1939]

Adelheid Popp (1869 – 1939)

Vom Weberkind zur politischen Leitfigur: Über das Leben und Wirken von Adelheid Popp.

Portrait der Gabriele Proft in mittleren Jahren. Originalfoto

Gabriele Proft (1879 – 1971)

Geborene Schusterstochter und Parlamentarierin der Ersten und Zweiten Republik: Die Biografie von Gabriele Proft.

Schlesinger Therese

Therese Schlesinger (1863 – 1940)

Mit sogenannten "Zentralküchen" für Arbeiterfamilien schaffte Therese Schlesinger mehr Zeit im Alltag der Frauen.

Bildnis der Seidel, Amalie [1876-1952], in Oval. Postkarte

Amalie Seidel (1876 – 1952)

Sie organisierte mit 17 Jahren den ersten Streik. Über das Leben von Amalie Seidel.

Portraitfoto

Maria Tusch (1868 – 1939)

Sie zog als eine der ersten acht Frauen ins Parlament ein und setzte sich für die Straffreiheit der Abtreibung ein.

Die ersten Frauen im Präsidium des Nationalrats

Die erste Frau im Präsidium des Nationalrats war Dr.in Marga Hubinek (ÖVP), die 1986 bis 1990 die Funktion der Zweiten Präsidentin inne hatte. Darauf folgend bekleidete in den Jahren 1990 bis 1994 Mag.a Dr.in Heide Schmidt (FPÖ/LIF) das Amt der Dritten Präsidentin. Ebenso parlamentarische Frauengeschichte schrieb Nationalratspräsidentin Mag.a Barbara Prammer (SPÖ), die vom 30. Oktober 2006 bis 02. August 2014 als erste Frau an der Spitze des Nationalrats tätig war. Ihr folgte Doris Bures nach, die von 2. September 2014 bis 9. November 2017 Präsidentin des Nationalrats war.

Weltweit die Erste: Olga Rudel-Zeynek

Der österreichische Bundesrat war weltweit das erste nationale parlamentarische Organ, das von einer Frau geführt wurde. Seither haben insgesamt dreizehn weitere Frauen das Amt der Vorsitzenden bzw. Präsidentin des Bundesrats bekleidet: Dipl.-Ing. Dr.in Johanna Bayer (1953), Helene Tschitschko (1965, 1969 und 1974), Dr.in Helga Hieden-Sommer (1987), Anna Elisabeth Haselbach (1991, 1995, 2000 und 2004), Johanna Auer (2000), Uta Barbara Pühringer (2002), Sissy Roth-Halvax (2006), Mag.a Susanne Neuwirth (2011), Ana Blatnik (2014),  Sonja Ledl-Rossmann (2017), Inge Posch-Gruska (2018), Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler (2020), Mag.a Christine Schwarz-Fuchs (2022) und Korinna Schumann (2022).

Stellvertreterinnen im Bundesrat

Stellvertretende Vorsitzende bzw. Vizepräsidentinnen waren neben der langjährigen Bundesrats-Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach Rudolfine Muhr (1968), Hella Hanzlik (1973), Anna Demuth (1982), Mag.a Susanne Neuwirth (2008-2011 und 2012-2014), Inge Posch-Gruska (2014-2015), Ingrid Winkler (2016-2017), Sonja Ledl-Rossmann (2017-2018), Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler (2020), Mag.a Elisabeth Grossmann (2020), Doris Hahn, MEd MA (2021), Mag.a Christine Schwarz-Fuchs (2021), Sonja Zwazl (2022) und Andrea Kahofer (2023).

Erste Republik bis 1970er-Jahre

Weltweit die allererste Frau an der Spitze einer parlamentarischen Körperschaft war Olga Rudel-Zeynek, als sie 1927 Bundesratspräsidentin wurde. Andere Pionierinnen setzten in der Zweiten Republik Maßstäbe: Johanna Dohnal, Marga Hubinek, Franziska Fast und Grete Rehor, die erste "Frau Minister".

Blick auf die Regierungsbank. Von links: Staatssekretärin Franziska Fast (S), Staatssekretärin Johanna Dohnal (S), Gesundheitsminister Herbert Salcher (S)

Johanna Dohnal (1939 – 2010)

Österreichs berühmteste Frauenpolitikerin und erste Frauenministerin.

v.li.: Die Volksanwälte Helmut Jossek, Franziska Fast und Franz Bauer

Franziska Fast (1925 – 2003)

Die erste Volksanwältin: Über das Leben und die politische Geschichte von Franziska Fast.

Am Rednerpult: Die Zweite Nationalratspräsidentin Marga Hubinek (V) bei ihrer Ansprache
Am Präsidium: Nationalratspräsident Leopold Gratz (S)

Marga Hubinek (1926 – 2016)

Die erste Zweite Nationalratspräsidentin und damit erste Zweite Nationalratspräsidentin.

Portrait von Sozialministerin Grete Rehor (V)

Grete Rehor (1910 – 1987)

1966 wird in Österreich erstmals eine Frau auf einen Ministerposten berufen: Grete Rehor.

Olga Rudel-Zeynek - Erste Bundesratspräsidentin am Schreibtisch.

Olga Rudel-Zeynek (1871 – 1948)

Olga Rudel-Zeynek schreibt Geschichte als weltweit erste Frau an der Spitze einer parlamentarischen Körperschaft.

1980er-Jahre bis heute

Sie gründeten Parteien, kandidierten für die Bundespräsidentenwahl, standen dem Nationalrat und dem Rech­nungs­hof vor und wurden die erste Bundeskanzlerin:

Freda Meissner-Blau unter den Gästen

Freda Meissner-Blau (1927 – 2015)

Parteigründerin und erste Klubchefin Österreichs: Erfahren Sie mehr über die das Leben und Werk von Freda Meissner-Blau.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) am Präsidium

Barbara Prammer (1954 – 2014)

Die erste Nationalratspräsidentin: Über das Leben und das politische Schaffen von Barbara Prammer.

Jury-Vorsitzende Heide Schmidt am Wort

Heide Schmidt (geb. 1948)

Parteigründerin und erste Dritte Nationalratspräsidentin: Lesen Sie mehr über die Biografie von Heide Schmidt.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker am Wort

Margit Kraker (geb. 1960)

Die erste Präsidentin des Rechnungshofes: Über Margit Krakers Weg an die Spitze des Rechnungshofes.

Erklärung Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein

Brigitte Bierlein (geb. 1949)

Die erste Verfassungsgerichtshofpräsidentin und erste Bundeskanzlerin: Erfahren Sie mehr über Brigitte Bierlein.