Parlamentskorrespondenz Nr. 699 vom 26.06.2020

Wirtschaftsausschuss ebnet Weg für Investitionskontrollgesetz

Weitere Beschlüsse: Geldwäschenovelle, Wirtschaftstreuhandberufegesetz, Bilanzbuchhaltungsgesetz, Lehrlingsausbildung

Wien (PK) – Im Hinblick auf zunehmende Direktinvestitionen aus Drittstaaten, die eine Bedrohung für die Sicherheit oder öffentliche Ordnung darstellen können, sollen die geltenden österreichischen Bestimmungen, die derzeit im Außenwirtschaftsgesetz enthalten sind, geändert und in einem neuen Gesetz, dem Investitionskontrollgesetz (Gesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen) zusammengefasst werden. Der Wirtschaftsausschuss brachte heute ein entsprechende Regierungsvorlage auf den Weg, die etwa bei ausländischen Direktinvestitionen in "besonders sensiblen Bereichen" in Verteidigung und Infrastruktur eine Absenkung der Prüfeintrittsschwelle von derzeit 25 auf 10 Prozent der Stimmrechtsanteile vorsieht.

Außerdem befürwortete der Ausschuss eine Geldwäschenovelle mit bestimmten Verschärfungen, Anpassungen im Wirtschaftstreuhandberufegesetz und Bilanzbuchhaltungsgesetz zur 5. Geldwäsche-Richtlinie sowie eine Entschließung der Koalitionsparteien zur Sicherung der Lehrlingsausbildung in Corona-Zeiten. Der Ressortbericht über die EU-Jahresvorschau im Bereich Wirtschaft wurde einhellig zur Kenntnis genommen. Zahlreiche Anträge der Opposition wurden allesamt vertagt.

Investitionskontrollgesetz mit Senkung der Prüfeintrittsschwelle in besonders sensiblen Bereichen

Im Visier hat das Investitionskontrollgesetz (240 d.B.) den ausländischen Erwerb österreichischer Unternehmen bzw. von Anteilen, die eine Kontrollfunktion bei diesen Unternehmen ermöglichen, wenn aufgrund des sensiblen Charakters dieses Bereichs eine Bedrohung für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung zu befürchten ist. So soll nun eine Genehmigungspflicht bei besonders verteidigungsrelevanten Unternehmen sowie bei Beteiligungserwerben an Unternehmen, die besonders sicherheitsrelevante zivile Infrastrukturen betreiben oder Leistungen im Umfeld solcher Infrastrukturen erbringen, bereits ab 10% von Stimmrechtsanteilen (bisher 25%) bestehen. Betroffen sind neben Verteidigung das Betreiben kritischer Energieinfrastruktur und kritischer digitaler Infrastruktur, Wasser, das Betreiben von Systemen, die die Datensouveränität der Republik Österreich gewährleisten sowie – befristet bis Ende 2022 - Forschung und Entwicklung im Bereich Arzneimittel und Medizinprodukte, inklusive persönlicher Schutzausrüstung.

Die Vorlage wurde im Ausschuss mit ÖVP-Grüne-Mehrheit beschlossen. Während etwa Christoph Matznetter (SPÖ) sich eine "flächendeckende" Regelung mit 10% wünscht, ist das Gesetz aus Sicht von Josef Schellhorn (NEOS) überschießend und nicht nachvollziehbar. Matznetter sprach sich etwa für Unbedenklichkeitsbescheinigungen aus, "die rechtlich halten" und plädierte außerdem dafür, über die Bilanzsummen nachzudenken. Wenn die Zeit bis zum Plenum genutzt werden könne, noch gemeinsam Anpassungen der Vorlage zu finden, könne er sich gegebenenfalls eine gemeinsame Beschlussfassung im Plenum vorstellen, so Matznetter. Schellhorn wiederum warnte vor einer Übererfüllung von EU-Vorgaben und sieht die Materie insofern kritisch, als es zu Willkür und Rechtsunsicherheit kommen könne. Das Gesetz werde die realen Probleme nicht lösen, so Schellhorn. Gerald Loacker (NEOS) schloss sich dem an, mit dem Gesetz werde man das Ziel nicht erreichen, weil Investoren "zu verschachteln" wissen würden.

Rechtsunsicherheit ortet auch Erwin Angerer (FPÖ) im Hinblick auf die Auslegungsmöglichkeiten, welches Unternehmen in welchen Bereich fällt. Aber auch er wolle, dass strategisch wichtige Unternehmen in Österreich geschützt werden, und hinterfragte, warum in 10%- und 25%-Hürde unterschieden werde und die 10% nicht für alle gelten sollen. Außerdem könne er die zeitliche Befristung für den medizinischen Bereich nicht nachvollziehen. Er brachte dazu einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, der allerdings in der Minderheit blieb.

Maria Theresia Niss (ÖVP) zufolge werden mit dem Gesetz einerseits Maßnahmen gegen einen Ausverkauf getroffen, andererseits eine europäische Verordnung umgesetzt. Zu begrüßen sei außerdem die Regelung, dass damit auch von Amts wegen geprüft werden könne. Positiv hob Niss auch die Unbedenklichkeitsbescheinigungen hervor. Die Definitionen der kritischen bzw. sensiblen Bereiche seien abschließend festgelegt, erwiderte sie der Kritik von Erwin Angerer. Auch das wichtige Thema Medizin habe man nun aufgenommen. Elisabeth Götze (Grüne) fasste aus der Diskussion zusammen, wenn eine Seite sage, es sei zu viel, die andere, es sei zu wenig, könne man wohl nicht ganz falsch liegen. Man wolle mit den Regelungen prüfen, nicht verbieten, hielt sie fest. Besonders schützenswert seien etwa das Wasser, aber auch der Bereich 5G-Technologie und die Medizin, wo aber auch noch evaluiert werde.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sieht in den unterschiedlichen Standpunkten auch Gemeinsamkeiten und unterstrich, dass sich die Zeiten seit Bestehen des Außenwirtschaftsgesetzes massiv geändert haben. So bestehe derzeit nur die Möglichkeit, im Nachhinein zu strafen oder zu verhindern, außerdem können keine Auflagen erteilt werden. Das neue Gesetz schaue nun auf den wahren Eigentümer. Der Tatbestand Sicherheit und Ordnung werde bereits angewendet, so die Ministerin zur Definitionsfrage. Ebenso klar seien in der Vorlage die "besonders sensiblen Bereiche" definiert. Darüber hinaus seien Kleinstbetriebe ausgenommen, was in Österreich 85% der Übernahmen betreffe. Die Vorschläge etwa von Christoph Matznetter werde sie sich ansehen, so die Ministerin. Insgesamt brauche es eine ausgewogene Lösung, dass es einerseits nicht zum Ausverkauf komme, andererseits aber auch international offen zu sein.

Klimaneutralität, Digitalisierung und Green Deal im Fokus der EU-Wirtschaftspolitik

Auf der Tagesordnung stand auch der Ressortbericht über die EU-Jahresvorschau im Bereich Wirtschaft (III-111 d.B.), der vor allem die Themen Klimaneutralität und Digitalisierung hervorhebt und von den Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Margarethe Schramböck betont in dem Papier überdies die Bedeutung des Green Deal als Strategie für nachhaltiges Wachstum, unterstreicht die Rolle der europäischen Industriestrategie bei der Stärkung der industriellen Wertschöpfungsketten und des Programms "Digitales Europa" beim Kapazitätsaufbau in Schlüsselbereichen der Digitalisierung. 

Gegenüber den Abgeordneten unterstrich Wirtschaftsministerin Schramböck, die Corona-Krise habe auch zu neuen Schwerpunktsetzungen auf EU-Ebene geführt. Aber wie vorher gelte auch jetzt, dass Europa im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Arbeitsplätze eine gemeinsame Industriestrategie brauche. Neben einer Stärkung der Wertschöpfungsketten müsse Schramböck zufolge die Überarbeitung des Wettbewerbsrechtes einen klarer Auftrag an die Europäische Kommission darstellen. Darüber hinaus betonte sie die Bedeutung einer europäischen Datenstrategie. Außerdem gelte es, am Weg aus der Krise auch den Handel zu stärken.

Zum EU-Recovery-Plan, den etwa Christoph Matznetter (SPÖ), Axel Kassegger (FPÖ) und Andreas Ottenschläger (ÖVP) debattierten, betonte Schramböck, es gelte einerseits, achtsam mit dem österreichischen Steuergeld umzugehen, aber auch Arbeitsplätze und insbesondere KMUs in Österreich abzusichern. Während sich Matznetter für eine volle Unterstützung des Recovery-Plans aussprach, signalisierte Kassegger Ablehnung. Ottenschläger unterstrich, es gehe hier um Ausgewogenheit zwischen den Interessen der SteuerzahlerInnen und jenen des Standorts bzw. der Exportwirtschaft.

Zur Diskussion über den österreichischen Standpunkt zum Recovery-Plan meinte die Ministerin, es müsse auch möglich sein, dass kleine Länder auf EU-Ebene Vorschläge unterbreiten, ohne wertende Urteile zu bekommen. Was die Aussetzung von "Basel 3 bzw. 4" betreffe, sei letztere auf ein Jahr ausgesetzt. Es brauche hier aber eine Diskussion über eine längere Aussetzung für beispielsweise zwei Jahre, warf Schramböck auf. Einsetzen werde sie sich auf EU-Ebene auch für das Wettbewerbsrecht und das Beihilfenrecht, wie die Ministerin betonte. Außerdem gehe es darum, Unternehmen in Schwierigkeiten besser unterstützen zu können.

Schramböck ging dazu auch auf die wirtschaftliche Situation Österreichs im Hinblick auf die Corona-bedingte Weltwirtschaftskrise ein und verwies auf wichtige Maßnahmen für Unternehmen wie die Investitionsprämie von 7 bzw. 14 Prozent in Kombination mit der degressiven Abschreibung oder die Rücktragsmöglichkeit im Hinblick auf Gewinn und Verlust. Auf Kritik vonseiten Petra Oberrauner (SPÖ) und Josef Schellhorn (NEOS), dass die Auszahlungen der Hilfen in Österreich nicht ankommen würden, hob sie bereits abgewickelte Teile hervor. Gegenüber Schellhorn kündigte die Ministerin ein Paket zur Eigenkapitalstärkung an, das über den Sommer ausgearbeitet werden und speziell auch KMU im Fokus haben soll. Sie werde sich außerdem für Investitionsmöglichkeiten in zukunftsträchtige KMU einsetzen.

Geldwäschenovelle verschärft Sorgfaltspflichten

Die Umsetzung der Vorgaben einer EU-Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ist Hintergrund einer Geldwäschenovelle 2020 (106 d.B.), für die sich der Ausschuss einstimmig aussprach. So soll nun etwa das Vorhandensein von Strohmännern einen Grund für die Entziehung der Gewerbeberechtigung darstellen. Darüber hinaus enthält die Regierungsvorlage verstärkte Prüfpflichten der Gewerbetreibenden hinsichtlich ihrer MitarbeiterInnen. Festgelegt werden zudem auch erhöhte Sorgfaltspflichten gegenüber KundInnen aus Drittländern mit hohem Risiko.

Die 5. Geldwäsche-Richtlinie macht auch Anpassungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (107 d.B.) und im Bilanzbuchhaltungsgesetz (109 d.B.) notwendig. Entsprechende Vorlagen, die ebenso einstimmig unterstützt wurden, ermächtigen in diesem Sinn die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Wirtschaftskammer, durch Verordnung die Voraussetzungen für die Online-Identifikation von KundInnen festzulegen. Mit zwei Abänderungsanträgen trafen die Koalitionsparteien darüber hinaus eine gesetzliche Klarstellung, dass Steuerberater bei Durchführung der Kontrollen nach dem COVID-19-Förderprüfungsgesetz auch vertreten dürfen.

Ausschuss ruft zur Sicherung der Lehrlingsausbildung in Corona-Zeiten auf

Die Sicherung der Lehrlingsausbildung vor den Auswirkungen der Corona-Krise ist Anliegen aller Fraktionen. Zu diesem Thema lagen dem Ausschuss gleich vier Anträge vor, wobei letztlich eine Initiative der Koalitionsparteien (621/A(E)) beschlossen wurde, in der ÖVP- und Grünen-Abgeordnete die Bundesregierung dazu aufrufen, über die bisher bereits getroffenen Maßnahmen hinaus Möglichkeiten zur Unterstützung der Lehrbetriebe zu prüfen, um ein ausgewogenes und bedarfsgerechtes  Angebot an Lehrstellen zu garantieren.

Die drei Anträge der Opposition zu dem Thema wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Die SPÖ plädierte für eine Lehrlingsgarantie und forderte namens ihres Wirtschaftssprechers Christoph Matznetter in einer Initiative (642/A(E)) ein umfassendes Lehrlingspaket, das allen Jugendlichen, die im Herbst eine Lehrstelle suchen möchten und in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise keinen Platz finden, einen entsprechenden Lehrplatz in überbetrieblichen Lehrwerkstätten bzw. direkt bei der öffentlichen Hand garantiert.

Die FPÖ wiederum setzt im Vorstoß (656/A(E)) ihres Wirtschaftssprechers Erwin Angerer auf die Wiedereinführung des so genannten "Blum-Bonus" und verlangt in diesem Sinn einen monatlichen Zuschuss für die Unternehmen während der gesamten Lehrzeit eines Lehrlings.

Den NEOS schließlich geht es in ihrem von Josef Schellhorn präsentierten Entschließungsantrag (671/A(E)) vor allem um eine Analyse der Übergänge zwischen Schule und Lehre sowie um eine Attraktivierung der Lehre, dies etwa durch Zahlung von staatlichen Zuschüssen für eine höhere Lehrlingsentschädigung an Lehrlinge mit besonderem Lehrerfolg.

Weitere Anträge der Opposition zur Corona-Krise vertagt

Unterstützungsmaßnahmen für Wirtschaft und Beschäftigung standen auch im Mittelpunkt von zwei Initiativen der SPÖ. Zunächst schlug Christoph Matznetter vor, einen Beteiligungsfonds nach Wiener Vorbild (Befristung von sieben Jahren und Maximalbeteiligung von 20%) zu schaffen, um Unternehmen  - neben Krediten und Haftungen – in Zeiten der Corona-Krise kapitalstützend unter die Arme zu greifen (641/A(E)).

Insgesamt ist die Krise für die SPÖ Anlass, das größte Investitions- und Beschäftigungsprogramm der Zweiten Republik in die Wege zu leiten (643/A(E)). Dies sollte jedenfalls ein Vorziehen der geplanten Steuerreform für kleine und mittlere Einkommen, öffentliche Investitionen insbesondere in Klimaschutz, Investitionsanreize für Unternehmen sowie öffentliche Beschäftigungsprogramme enthalten.

Unbürokratische Soforthilfe für die Unternehmen forderte die FPÖ. Konkret geht es Erwin Angerer dabei in seinem Antrag (599/A(E)) um vollen Ersatz des durch die erzwungenen Schließungen entstandenen Schadens , wobei sämtliche Unterstützungsmaßnahmen durch die Finanzämter abgewickelt werden sollten. Vorgeschlagen wird eine sofortige antragsfreie Akontozahlung an die Betroffenen mit anschließender Ex-post-Prüfung und Kontrolle durch die Finanzämter.

NEOS verlangen Senkung der Kammerumlagen

Eine Senkung der Arbeiterkammerumlage für Geringverdienende sowie der Wirtschaftskammerumlage 2 als Beitrag der Kammern zur Bewältigung der Corona-Krise fordern die NEOS in einem entsprechenden Initiativantrag (565/A(E)). Vorgesehen sind dabei Umlagenfreibeträge für Arbeitsverdienstteile bis zu 1.000 € der Beitragsgrundlage bzw. für die ersten 1.000 € je Arbeitnehmer. Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn erinnert in diesem Zusammenhang, dass Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer derzeit über 2,1 Mrd. € an Rücklagen und 550 Mio. € an Barguthaben verfügen. Es brauche deshalb einen Beitrag der Kammern in Form einer dauerhaften Umlagensenkung zur Schaffung von höherem verfügbaren Einkommen bei den ArbeitnehmerInnen und einer Lohnnebenkostensenkung bei den Unternehmen. Auch diese Initiative wurde vertagt.

SPÖ für Sicherstellung der medizinischen Versorgungssicherheit in Österreich

Die Sicherstellung der medizinischen Versorgungssicherheit ist ein weiteres Anliegen der SPÖ. Katharina Kucharowits fordert in diesem Zusammenhang die Wirtschaftsministerin auf, die Produktion von Medikamenten und Wirkstoffen sowie Medizinprodukten, insbesondere Schutzausrüstung, wieder nach Europa und nach Österreich zu holen. Ihr Antrag (718/A(E)) wurde ebenso vertagt.

Eine in der Sitzung eingebrachte Entschließung der NEOS blieb in der Minderheit. Gerald Loacker und Josef Schellhorn fordern, schnellstmöglich ein Pharmastandortkonzept auszuarbeiten und vorzulegen, das Möglichkeiten aufzeigt, die Ansiedlung der Arzneimittelindustrie und -forschung zu begünstigen, um in weiterer Folge die Arzneimittelversorgungssicherheit in Österreich besser garantieren zu können. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) mbu/hof