EU-einheitliche Regeln für den Eisenbahnverkehr sollen Wettbewerbsfähigkeit der Schiene langfristig stärken
Gelegenheitsverkehr-Gesetz vom Nationalrat nach heftiger Debatte mehrheitlich angenommen
Wien (PK) – Mit unterschiedlichen Verkehrsthemen ging die heutige Sitzung des Nationalrats zu Ende. Auf der Tagesordnung standen mehrere Gesetzesänderungen, die zu einer Verbesserung des Mobilitätsangebots beitragen sollen. So setzt Österreich mit Änderungen im Eisenbahngesetz und Unfalluntersuchungsgesetz einen wesentlichen Teil des 4. Eisenbahnpakets der EU um. Dieses soll einen weiteren Schritt in Richtung eines einheitlichen Eisenbahnmarkts bringen und die Schiene im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern stärken. Die Novelle wurde in zweiter Lesung teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen. Die dritte Lesung fiel einstimmig aus. Ein Entschließungsantrag, in dem die SPÖ auf die rasche Elektrifizierung aller ÖBB-Strecken drängt, wurde abgelehnt.
Das Gelegenheitsverkehr-Gesetz soll ab 2021 die gesetzliche Grundlage für ein gemeinsames Gewerbe von Taxi- und Mietwagendiensten sein. Um allen AnbieterInnen gleiche Rahmenbedingungen zu bieten, wurde nun festgelegt, dass bei mittels Telefon oder Internet bestellten Fahrten ein Pauschalpreis vereinbart werden darf – gleich, ob ein Taxi oder ein anderer Anbieter von Fahrdiensten bestellt wird. Für diese Änderungen gab es mehrheitliche Zustimmung.
Teil des 4. COVID-19-Gesetzes sind Regelungen im Seilbahngesetz sowie im Kraftfahrgesetz, die mit Jahresende ablaufen sollten. Aufgrund der Entwicklung der Pandemie wurden nun die dort vorgesehenen Möglichkeiten der Verkehrsministerin, Verordnungen zu erlassen, bis ins Jahr 2021 verlängert. Für das Seilbahngesetz fiel die Zustimmung einstimmig, für das Kraftfahrgesetz mehrheitlich aus.
Eisenbahngesetz definiert technische Voraussetzungen für gemeinsamen europäischen Eisenbahnraum
Eine umfassende Novelle zum Eisenbahngesetz und Unfalluntersuchungsgesetz bringt die Umsetzung von zwei EU-Richtlinien – fachsprachlich als technische Säule des 4. Eisenbahnpakets. Die Europäische Union verfolgt seit längerem das Ziel eines einheitlichen Eisenbahnraums, um den Schienenverkehr in Europa zu stärken. In mehreren Eisenbahnpaketen wurde daher die Harmonisierung des Rechts und der beim Eisenbahnverkehr anzuwendenden Vorschriften vorangetrieben. Neben marktrelevanten Maßnahmen soll dabei die Vereinheitlichung unterschiedlicher technischer Systeme ein interoperables Schienennetz in ganz Europa ermöglichen.
Nach kleineren Abänderungen der Regierungsvorlage im Verkehrsausschuss brachten ÖVP und Grüne im Plenum noch einen weiteren Abänderungsantrag ein. Nach einem Urteil des EU-Gerichtshofs zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission muss Österreich die Zuständigkeit für Triebfahrzeugführerangelegenheiten ändern. Nach der derzeitigen Rechtslage ist die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH (SCHIG) die zuständige Behörde. Um dem Urteil des EUGH zu entsprechen, wird die Zuständigkeit nun der nationalen Sicherheitsbehörde, im Konkreten der Verkehrsministerin, übertragen.
Die Eisenbahn als Säule des öffentlichen Verkehrs müsse weiter gestärkt werden, sagte SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger. Die Umsetzung des Eisenbahnpakets und die dabei erfolgte Vereinheitlichung der Behördenstruktur sei daher ein wichtiger Schritt, das Gesetz vorbehaltslos zu begrüßen. Dietmar Keck (SPÖ) wies darauf hin, dass es für Bahnbedienstete eine hohe und anhaltende psychische Belastung darstelle, Unfälle und Suizide miterleben zu müssen. Daher sei es eine wichtige Errungenschaft, dass künftig die Betroffenen nicht mehr allein gelassen werden. Sein Fraktionskollege Klaus Köchl sah ebenfalls diesen Schritt als wichtig und lobte die Umsetzung des Eisenbahnpakets als vorbildlich.
Seitens der grünen Fraktion zeigte sich Verkehrssprecher Hermann Weratschnig zufrieden mit der Modernisierung der Behördenstruktur im Schienenverkehr. Er begrüßte ebenfalls die Regelung, wonach TriebwagenführerInnen nach Unfällen mit Todesfolge 72 Stunden dienstfrei gestellt werden und zudem Anspruch auf psychologische Betreuung erhalten.
Gerhard Deimek (FPÖ) wies darauf hin, dass die fehlende Interoperabilität im Eisenbahnverkehr für diesen einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil darstellt. Hier müsse noch viel geschehen. Die kurzfristige Einbringung des "durchaus wichtigen Abänderungsantrags" durch die Koalition kritisierte Deimek als respektlos gegenüber den anderen Parteien. Die FPÖ werde daher hier nicht mitstimmen, kündigte er an.
Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) sah im Wechsel der Zuständigkeit bei der Zulassung von Schienenfahrzeugen auf EU-Ebene einen wichtigen Schritt. Leider sei die Einheitlichkeit der technischen Ausstattung im Eisenbahnnetz noch immer nicht gegeben, was den Bahnverkehr verlangsame und ihn gegenüber der Straße benachteilige. Die Hürden im grenzüberschreitenden Verkehr müssten radikal abgebaut werden.
Grundsätzlich handle es sich um ein gutes Gesetz, sagte Johannes Margreiter (NEOS). Lokwechsel an jeder Grenze sollten eigentlich der Vergangenheit angehören. Auch die einheitlichen Standards der Eisenbahnsicherheit seien zu begrüßen. Warum man das EUGH-Urteil kurzfristig mit einem Abänderungsantrag einbringe, sei für ihn allerdings unverständlich.
Abgelehnt wurde ein ebenfalls zur Debatte stehender Antrag des SPÖ-Abgeordneten Alois Stöger, der forderte, eine rasche Umsetzung der ÖBBElektrifizierung im ÖBB-Rahmenplan 2020-2025 festzuschreiben. Abgeordneter Johann Singer (ÖVP) wies darauf hin, dass der aktuelle Rahmenplan konkrete Schritte zur Elektrifizierung weiterer Streckenabschnitte treffe. Ins Eisenbahnnetz werde zudem in den kommenden Jahren investiert wie nie zuvor.
Gemeinsam mit dem Eisenbahngesetz verhandelte der Nationalrat eine Änderung des Seilbahngesetzes. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz wurde im Seilbahngesetz die Möglichkeit geschaffen, den Ablauf gewisser Fristen mittels Verordnung zu hemmen. Die Befristung der Regelung mit 31. Dezember sei angesichts der derzeitigen Entwicklung der Pandemie nicht mehr ausreichend und werde um ein weiteres Jahr verlängert, erläuterte Hermann Gahr (ÖVP). Die Seilbahnwirtschaft bringe Österreich eine hohe Wertschöpfung, es sei daher wichtig, sie zu unterstützen, hielt er fest.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler erklärte, die von der SPÖ geforderte Elektrifizierung werde bereits mit dem neuen ÖBB-Rahmenplan umgesetzt. In den letzten zehn Monaten sei eine große Zahl von Schritten zur Stärkung des Schienenverkehrs umgesetzt worden. Die Verlängerungen der Bestimmungen im Seilbahngesetz und mit der Umsetzung des 4. Eisenbahnpakets werde nun eine Reihe von Entscheidungen auf die europäische Ebene gehoben, indem die Europäische Eisenbahnagentur nun mehr Zuständigkeiten erhält, vor allem bei den wichtigen Fahrzeugzulassungen. Die hohe Zahl der Eisenbahnbehörden in Österreich, die dadurch gegeben war, dass einzelne Agenden auf Bezirksebene angesiedelt waren, sei nun reduziert worden.
Gelegenheitsverkehrs-Gesetz: Pauschalpreis darf bei mittels Telefon oder Internet bestellten Taxifahrten vereinbart werden
Das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz wurde bereits im Juli 2019 umfassend abgeändert, um einheitliche Rahmenbedingungen für Taxis und Mietwagen zu schaffen, sodass ab 1. Jänner 2021 ein gemeinsames Gewerbe für AnbieterInnen von Taxis und Mietwagen entsteht. Vorab vereinbarte Fixpreise, wie sie etwa bei "Uber" üblich sind, sollten dabei nur noch in wenigen Fällen, etwa für Schülertransporte, längere Pauschalmieten und Fahrten über Bundesländergrenzen hinweg möglich sein. Mit der nun beschlossenen Änderung soll diese Option der Preisbildung allen AnbieterInnen gleichermaßen ermöglicht werden. Nach lebhafter Debatte wurde die Änderung vom Nationalrat mehrheitlich angenommen, SPÖ und FPÖ hielten an ihrer Kritik fest.
Künftig darf bei Taxifahrten bzw. Personenbeförderungen, die mittels Kommunikationsdienst (Telefon, Internet etc.) bestellt werden, von Tarifen abgewichen werden, wenn Fahrpreis sowie Abfahrts- und Zielort vorab vereinbart werden. Der bei der Bestellung vereinbarte Preis darf dabei nicht überschritten werden. Per Verordnung können von den Landeshauptleuten Mindest- und Höchstentgelte festgelegt werden. Hintergrund dazu ist, dass das Gelegenheitsverkehrsgesetz den Landeshauptleuten erlaubt, per Verordnung für bestimmte Gebiete verbindliche Taxitarife festzulegen.
Mit der Novelle wird außerdem ermöglicht, bei der Bestellung einer Fahrt anzubieten, diese mit anderen Fahrgästen zu teilen. Andere Gäste können gegebenenfalls an verschiedenen Stellen aufgenommen und wieder abgesetzt werden. FahrerInnen müssen im Vorhinein bekanntgeben, wie lange die Fahrt dadurch länger dauert und um wie viel der Fahrpreis herabgesetzt wird, wobei er aber die in der Verordnung festgelegten Mindestentgelte pro Gast nicht unterschreiten darf. Im Verkehrsausschuss wurden mit einem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen noch einige Präzisierungen von Formulierungen zur Frage der Tarifbildung vorgenommen.
Er habe auf einheitliche Rahmenbedingungen für das Gewerbe gehofft, die Selbstausbeutung und Preisdumping verhindere, sagte SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter. Die SPÖ habe die notwendigen Voraussetzungen dafür klar dargelegt, die Regierungsparteien hätten aber keine Bereitschaft gezeigt, diese Punkte zu berücksichtigen. Auch SPÖ-Abgeordnete Julia Herr übte scharfe Kritik. Das Taxi-Gewerbe werde mit Sozial- und Lohndumping weiter unter Druck gesetzt.
Hermann Weratschnig (Grüne) betonte, das Gesetz schaffe faire Bedingungen für alle, ohne neue Mietwagenunternehmen vom Markt zu verdrängen. Auch werde der Digitalisierung Rechnung getragen. Explizit habe man die Möglichkeit für Landeshauptleute geschaffen, durch die Anwendung verschiedener Untergrenzen und die Verbindung mit Obergrenzen ein Preisband, etwa je nach Fahrtstrecke oder –dauer, festzulegen. In Kraft treten sollen die Änderungen betreffend vorbestellte Fahrten laut dem Abänderungsantrag mit 1. März 2021. Die Möglichkeit für Taxi-Sharing soll es ab 1. Juni 2021 geben und nicht schon ab 1. Jänner 2021. Er hoffe, dass künftig Taxi- und Mitwagenverkehre in Form von Mikroverkehren den öffentlichen Verkehr ergänzen und unterstützen.
Christian Hafenecker (FPÖ) konnte der Novelle nichts abgewinnen. Der ursprüngliche Zweck einer Vereinheitlichung des Gewerbes werde nicht erreicht. Seiner Meinung nach wird das traditionelle Taxi-Gewerbe verdrängt. Hafenecker vermutete dahinter massives Lobbying zugunsten neuer Mietwagenmodelle wie Uber, was aus seiner Sicht einem Gesetzeskauf gleichkomme. Für seine Aussage, das Taxi-Gewerbe sei "belogen worden", erhielt er von Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures einen Ordnungsruf.
Andreas Ottenschläger (ÖVP) wies die Darstellung von Hafenecker dezidiert zurück. Man habe sich um eine sinnvolle Lösung und um faire Rahmenbedingungen bemüht. Das Taxi-Gewerbe unterstütze, entgegen dem, was die FPÖ behaupte, unterdessen die Novelle. Selbstverständlich werde es im Gewerbe Veränderungen geben. Die Ausgestaltung der Tarife obliege den Landeshauptleuten. Diesen gebe das Gesetz einen vielfältigen Baukasten in die Hand, um per Verordnung auf regionale Gegebenheiten abgestimmte Modelle der Tarifgestaltung zu ermöglichen. Sein Fraktionskollege Joachim Schnabel betonte, dass die Digitalisierung auch im Taxi-Gewerbe allmählich ankomme. Die Anwendung neuer Software-Lösungen ermögliche vor allem dem ländlichen Raum neue Verkehrsmodelle und eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr.
Johannes Margreiter (NEOS) begrüßte das nun vorgelegte Modell, mit dem seiner Meinung die Zusammenlegung der Taxi- und Mietwagengewerbe nun sinnvoll geregelt werde. Man fördere damit Innovationen im Gewerbe, meinte der Abgeordnete. Er brachte einen Abänderungsantrag zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz ein, um ein überflüssiges "über" in der Formulierung eines Satzes im Gesetzestext zu streichen, der mehrheitlich angenommen wurde. Sein Fraktionskollege Douglas Hoyos-Trauttmansdorff betonte, es gehe nicht nur um Uber, sondern um viele neue Formen von Mietwagenunternehmen.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler betonte, ihr Ressort habe in den letzten Wochen in vielen Gesprächen viele Missverständnisse klären können. Ab 1. Jänner würden alle Unternehmen der Branche zu einem einheitlichen Gewerbe mit einheitlichen Rahmenbedingungen zusammengefasst. Den Bundesländern werde die Möglichkeit zur Einführung eines Preisbandes ermöglicht.
Möglichkeit der Suspendierung von Fahrverboten aufgrund von COVID-19 verlängert
Im Zuge des 4. COVID-19-Gesetzes wurde unter anderem der Verkehrsministerin in der Straßenverkehrsordnung ermöglicht, die Gültigkeit des Wochenend- und Feiertagsfahrverbots durch Verordnung zu suspendieren. Außerdem kann durch Verordnung das Gehen auf für den übrigen Verkehr gesperrten Fahrbahnen erlaubt werden. Auch diese Bestimmungen wurden bis 31. Dezember 2020 befristet und sollen nun verlängert werden.
Alois Schroll (SPÖ) kritisierte die Verlängerung der Regel. Seiner Meinung nach seien Lkw-Fahrten in der Nacht und am Wochenende auch derzeit nicht notwendig. Warum der Ministerin diese Möglichkeit eingeräumt werde, sei nicht nachvollziehbar.
Verkehrsministerin Gewessler erklärte, es gehe darum, für den Fall einer Verschärfung der COVID-19-Situation Vorsorge zu treffen, wodurch FahrerInnen an den Grenzen der Nachbarländer hängenbleiben könnten. Das könne ihr Ressort durch entsprechende Verordnungen dann verhindern.
Fristsetzung zu NEOS-Antrag über Aufnahme von Flüchtlingskindern abgelehnt
Am Ende seiner Sitzung stimmte der Nationalrat über einen Fristsetzungsantrag der NEOS ab, dem Innenausschuss zur Berichterstattung über einen von ihrer Fraktion eingebrachten Entschließungsantrag betreffend die Aufnahme von schutzbedürftigen Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern eine Frist bis 14.12. zu setzen. Konkret wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, Ländern, Städten, Gemeinden sowie der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Der Fristsetzungsantrag fand keine Mehrheit. (Schluss Nationalrat) sox
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Links
- 636/A(E) - eine rasche Umsetzung der ÖBB-Elektrifizierung im ÖBB-Rahmenplan 2020-2025
- 477 d.B. - Seilbahngesetz 2003
- 464 d.B. - Änderung der Straßenverkehrsordnung 1960
- 69/NRSITZ - 69. Sitzung des Nationalrats vom 10. und 11. Dezember 2020
- 470 d.B. - Eisenbahngesetz 1957 und Unfalluntersuchungsgesetz
- 473 d.B. - Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996