Stenographisches Protokoll

696. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 15. Mai 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

696. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Mai 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Mai 2003: 12.05 – 20.48 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Wahl von zwei Ordnern für den Rest des 1. Halbjahres 2003

2. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienst­gebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz geändert wird

3. Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Ge­setz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilpro­zess­ordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kind­schafts­rechts-Änderungsgesetzes 2001

4. Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorga­ni­sationsgesetz geändert werden

5. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugs­ge­­bührengesetz – VGebG) geschaffen und die Exekutionsordnung geändert wird (Exeku­tionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003)

6. Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechts­gesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov. 2003)

7. Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insol­venz­­rechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungs­auf­sichts­gesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenz­recht – IIRG)

8. Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Ka­pi­tal­markt­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktauf­sichts­be­hördengesetz geändert werden

9. Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellge­setz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Versicherungsvertragsge­setz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börse­gesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (VAG-Novelle 2003)

10. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissions­höchst­mengen für bestimmte Luftschadstoffe (Emissionshöchstmengengesetz-Luft, EG-


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L) erlassen sowie das Ozongesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden

11. Wahl von Ausschüssen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Landtages von Niederösterreich betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .................................................................... 8

Angelobung der Bundesräte Karl Bader, Karl Boden, Martina Diesner-Wais, Adelheid Ebner, Michaela Gansterer, Johann Giefing, Ing. Her­mann Haller, Johann Höfinger, Elisabeth Kerschbaum, Elisabeth Roth-Halvax, Ernst Winter, Sonja Zwazl .......................................................... 9

Wahl von zwei Ordnern für den Rest des 1. Halbjahres 2003 ............................... 11

Wahl von Ausschüssen ................................................................................... 82

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny ..................................................................................... 83

Ordnungsruf ................................................................................................ 112

Sitzungsunterbrechung .................................................................................... 84

Personalien

Entschuldigungen ............................................................................................. 8

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebungen und gleich­zeiti­ge Ernennung eines Mitglieds der Bundesregierung und eines Staatsse­kre­tärs ...................................................... 10

Vertretungsschreiben ....................................................................................... 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisungen ................................................................................................... 11

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundes­ministe­rin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bewahrung der kulturel­len und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwen­dung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich (2068/J-BR/03)

Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 60

Beantwortung: Bundesministerin Elisabeth Gehrer .......................................... 62


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 3

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach ....................................................................... 65

Dr. Andreas Schnider ....................................................................  67 und 74

Mag. John Gudenus ................................................................................. 69

Stefan Schennach ..................................................................................... 71

Albrecht Konecny ..................................................................................... 73

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend finanzielle Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes, insbe­son­de­re der Pensionsreform, auf Länder und Gemeinden – Konsultationsme­cha­nis­mus durch die Länder Burgenland, Kärnten, Salzburg und Wien aus­ge­löst – Runder Tisch beim Herrn Bundespräsidenten zur Pensions­reform – Konsequenzen des Runden Tisches für die Bundesregierung (2072/J-BR/03)

Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 84

Beantwortung: Staatssekretär Franz Morak ..................................................... 92

Redner:

Reinhard Todt ........................................................................................... 93

Mag. Harald Himmer ................................................................................. 97

Klaus Gasteiger .........................................................................  100 und 114

Christoph Hagen...................................................................................... 102

Stefan Schennach ................................................................................... 104

Anna Schlaffer ........................................................................................ 107

Helmut Kritzinger .................................................................................... 110

Roswitha Bachner ................................................................................... 112

Albrecht Konecny ................................................................................... 114

Ludwig Bieringer .................................................................................... 117

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen gemäß § 37 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Zitation des Bundes­kanzlers .................................................... 92

Ablehnung .................................................................................................... 92

Verhandlungen

(2) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienst­gebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allge­mei­ne Sozialversicherungsgesetz geändert wird (74/A und 63/NR sowie 6779/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen ................................................................... 12

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Hedda Kainz ............................................................................................. 12

Ilse Giesinger ............................................................................................ 14

Harald Reisenberger ................................................................................. 15

Bundesminister Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ...........................  17 und 22

Ing. Gerd Klamt .............................................................................  18 und 23

Stefan Schennach ..................................................................................... 19

Manfred Gruber ........................................................................................ 21

Roswitha Bachner ..................................................................................... 23


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)           ............................................................................................................. 24

(3) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozess­ord­nung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kind­schaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (24 und 47/NR sowie 6780/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Auer ..................................................................... 24

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Andreas Schnider ............................................................................... 25

Anna Schlaffer .......................................................................................... 27

Dr. Peter Böhm ......................................................................................... 28

Manfred Gruber ........................................................................................ 29

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ...................................................... 30

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 31

(4) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisa­tions­gesetz geändert werden (26 und 48/NR sowie 6781/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen ................................................................... 31

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Anna Schlaffer .......................................................................................... 31

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ..........................................  34 und 47

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................... 35

Harald Reisenberger ................................................................................. 37

Dr. Robert Aspöck .................................................................................... 39

Stefan Schennach ..................................................................................... 41

Dr. Elisabeth Hlavac .................................................................................. 45

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................. 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)           ............................................................................................................. 51

(5) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsge­büh­ren­gesetz – VGebG) geschaffen und die Exekutionsordnung geändert wird (Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003) (39 und 50/NR sowie 6782/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer .................................................................... 52

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................... 52

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ...................................................... 53


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696. Sitzung / Seite 5

Johanna Auer ........................................................................................... 54

Wilhelm Grissemann ................................................................................ 55

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 56

(6) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsge­setz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003) (40 und 51/NR sowie 6777 und 6783/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck.................................................................. 56

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Reinhard Todt ........................................................................................... 57

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................... 58

Dr. Peter Böhm ......................................................................................... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)           ............................................................................................................. 60

(7) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenz­rechts­ein­führungs­gesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungsauf­sichts­gesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insol­venz­recht – IIRG) (33 und 49/NR sowie 6784/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer .................................................................... 75

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 75

(8) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapital­markt­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktauf­sichts­­behörden­gesetz geändert werden (32 und 67/NR sowie 6778 und 6785/BR d. B.)

Berichterstatter: Herwig Hösele ....................................................................... 76

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Reinhard Todt ........................................................................................... 76

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ................................................................... 77

Ing. Franz Gruber ..................................................................................... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)           ............................................................................................................. 79

(9) Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundes­ge­­setz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Versicherungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiter­ten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichtsbehörden­gesetz,


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696. Sitzung / Seite 6

das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (VAG-Novelle 2003) (27 und 68/NR sowie 6786/BR d. B.)

Berichterstatter: Günther Molzbichler ............................................................. 79

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 79

(10) Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (Emissionshöchstmengengesetz-Luft, EG-L) erlas­sen sowie das Ozongesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geän­dert werden (38 und 66/NR sowie 6787/BR d. B.)

Berichterstatter: Paul Fasching ....................................................................... 80

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................. 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 82

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Harald Reisenberger und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend völlige Nichtbeantwortung einer Zusatzfrage in der Fragestunde (2067/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bewahrung der kulturellen und re­ligiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Anti­se­mi­tismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich (2068/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Ha­gen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betref­fend Wahrung von Landesinteressen in Verhandlungen über internationale Han­delsabkommen (2069/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Ha­gen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­no­logie betreffend Einsparungen durch die Übertragung der Bundesstraßen an die Länder (2070/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Ha­gen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie betreffend Regelungen für die Versprühung von Flugzeugtreibstoff über dem Bodenseeraum (2071/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betref­fend finanzielle Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes, insbesondere der Pen­sions­reform, auf Länder und Gemeinden – Konsultationsmechanismus durch die Län­der Burgenland, Kärnten, Salzburg und Wien ausgelöst – Runder Tisch beim


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696. Sitzung / Seite 7

Herrn Bundespräsidenten zur Pensionsreform – Konsequenzen des Runden Ti­sches für die Bundesregierung (2072/J-BR/03)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Herwig Hösele und Gottfried Kneifel an den Bun­desminister für Finanzen betreffend 15a-Vereinbarung im Zusammenhang mit der Verländerung der Bundesstraßen (2073/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bun­desräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1888/AB-BR/03 zu 2054/J-BR/03)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen (1889/AB-BR/03 zu 2063/J-BR/03)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1890/AB-BR/03 zu 2060/J-BR/03)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kolle­gIn­nen (1891/AB-BR/03 zu 2056/J-BR/03)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und KollegInnen (1892/AB-BR/03 zu 2057/J-BR/03)

 


 


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 12.05 Uhr


Präsident Herwig Hösele: Ich eröffne die 696. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 695. Sitzung des Bundesrates vom 11. April 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Klaus Peter Nittmann, Engelbert Weilharter und Ulrike Haunschmid.

Angelobungen


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Landtages von Niederösterreich betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 1. Sitzung am 24. April 2003 die Wahl der Mit­glieder, die vom Landtag in den Bundesrat entsendet werden, und ebenso die Wahl der Ersatz­mitglieder vorgenommen.

Als Mitglieder wurden gewählt:

1. Sissy Roth-Halvax, Arthur Schmid-Gasse 20, 2326 Maria Lanzendorf

2. Adelheid Ebner, 3665 Gutenbrunn 150

3. Ing. Hermann Haller, Schulgasse 5, 2202 Enzersfeld

4. Karl Bader, Durlass-Straße 14, 3163 Rohrbach/Gölsen

5. Johann Giefing, Markt 5, 2803 Schwarzenbach

6. Johann Höfinger, Hauptsraße 21, 3004 Ollern

7. Ernst Winter, Pulkauser Straße 7, 3743 Röschitz

8. Sonja Zwazl, Agnesstraße 1, 3400 Klosterneuburg

9. Martina Diesner-Wais, Pürbach 96, 3944 Schrems

10. Karl Boden, Reibers 41, 3844 Waldkirchen/Thaya

11. Michaela Gansterer, Donaulände 27, 2410 Hainburg

12. Elisabeth Kerschbaum, Dr. Krammerstraße 15, 2100 Korneuburg Als Ersatzmitglieder wurden gewählt:1. Dr. Martin Michalitsch, Josef Plangger-Straße 25, 3032 Eichgraben

2. Johann Pichler, Dr.-A.-Schärf-Straße 14, 3860 Heidenreichstein

3. Marianne Lembacher, Wilhelmsdorf 25, 3712 Maissau

4. Mag. Karl Wilfing, Fasanweg 23, 2170 Wetzelsdorf

5. Traude Dierdorf, Jakob Haydn-Gasse 3, 2700 Wiener Neustadt

6. Franz Hiller, Hanfthal 37, 2136 Laa/Thaya


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 9

7. Karin Kadenbach, Ringendorferstraße 173, 2002 Großmugl

8. Dipl.-Ing. Franz Seywerth, Hochstraße 15, 2380 Perchtoldsdorf

9. Karl Honeder, Kirchschlag 14, 3631 Ottenschlag

10. Helmut Cerwenka, Hauptstraße 30, 3462 Frauendorf/Au

11. Dr. Christian Moser, Schießstattgasse 28, 2000 Stockerau

12. Liane Marecsek, Prof. Großmann-Straße 5/15, 3430 Tulln“


Präsident Herwig Hösele: Danke der Schriftführung.

Die neuen beziehungsweise die wieder gewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.


Schriftführerin Hedda Kainz: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Öster­reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“


Schriftführerin Kainz: Karl Bader.


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Karl Boden.


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Martina Diesner-Wais.


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe, sowahr mir Gott helfe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Adelheid Ebner.


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Michaela Gansterer.


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe, sowahr mir Gott helfe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Johann Giefing.


Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Ing. Hermann Haller.


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe, sowahr mir Gott helfe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Johann Höfinger.


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe, sowahr mir Gott helfe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Elisabeth Kerschbaum.



Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 10

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Sissy Roth-Halvax.


Bundesrätin Elisabeth Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe, sowahr mir Gott helfe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Ernst Winter.


Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Ich gelobe.


Schriftführerin Hedda Kainz: Sonja Zwazl.


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe.


Präsident Herwig Hösele: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wieder gewählten Mitglie­der des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte, gratuliere herzlich und wünsche viel Erfolg und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit im Interesse unseres Bundesstaates, der Repu­blik Österreich. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebungen und gleichzeitige Ernennung eines Mitgliedes der Bundesregierung und eines Staatssekretärs.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 30. April 2003, GZ 300.000/4-BEV/2003, die Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2003 vom Amte enthoben und sie gleichzeitig gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zur Bundesministerin für Gesundheit und Frauen ernannt.

Mit gleicher Entschließung hat der Herr Bundespräsident den zum Staatssekretär ernannten und zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat beigegebenen Universitätsprofessor Dr. Reinhart Waneck mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2003 gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbin­dung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz des Amtes enthoben und ihn gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamenta­rischen Vertretung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen beigegeben.“


Präsident Herwig Hösele: Den eingelangten Außenpolitischen Bericht 2002 der Bundesregie­rung habe ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur weiteren geschäftsord­nungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung auch hier um Verlesung dieser Schreiben.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Der Herr Bundespräsident hat am 7. Mai 2003, GZ 300.100/11-BEV/2003, folgende Entschlie­ßung gefasst:


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 11

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundes­ministers für Inneres Dr. Ernst Strasser innerhalb des Zeitraumes vom 14. bis 17. Mai 2003 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll mit der Vertretung.“

Ein weiteres Vertretungsschreiben lautet wie folgt:

„Der Herr Bundespräsident hat am 14. Mai 2003, GZ 300.100/16-BEV/2003, folgende Entschlie­ßung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundes­ministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner am 15. Mai 2003 den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein mit der Vertretung.“


Präsident Herwig Hösele: Ich bedanke mich bei der Schriftführung für die Verlesung.

Eingelangt sind auch Anfragebeantwortungen, 1888/AB bis 1892/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundes­rates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfrage­beantwortungen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zuge­wiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen sowie die Wahl von zwei Ordnern für den Rest des ersten Halbjahres 2003 und die Wahl von Ausschüssen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage


Präsident Herwig Hösele: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne von § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dring­liche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Prof. Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Wahl von zwei Ordnern für den Rest des 1. Halbjahres 2003


Präsident Herwig Hösele: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl von zwei Ordnern für den Rest des 1. Halbjahres 2003.


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 12

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Niederösterreichischen Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden. Ich werde daher diese Wahl sogleich – sofern sich kein Einwand erhebt – durch Handzeichen vornehmen lassen.

Es liegen mir die Wahlvorschläge vor, die Bundesräte Mag. Gerhard Tusek und Karl Boden für den Rest des 1. Halbjahres 2003 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesen Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Die Wahlvorschläge sind somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. – Herr Bundesrat Mag. Tusek.


Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an.


Präsident Herwig Hösele: Herr Bundesrat Boden.


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Ich danke auch für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Herwig Hösele: Die Bundesräte Mag. Gerhard Tusek und Karl Boden sind somit für den Rest des 1. Halbjahres 2003 zu Ordnern gewählt. Ich bitte Sie, Ihre verantwortungsvolle Aufgabe bestmöglich wahrzunehmen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig be­schäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (74/A und 63/NR sowie 6779/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig be­schäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Christoph Hagen: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicher­heit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, zu der ich sehr herzlich Herrn Vizekanzler Mag. Haupt und Herrn Staatssekretär Univ.-Prof. Dr. Waneck begrüße.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.

12.21


Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir sollen heute die Reparatur eines Umstandes


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vornehmen, der bereits 14 Monate zurückliegt. Die Tatsache, dass die pauschalierte Einhebung von Versicherungsbeiträgen im ASVG für geringfügig Beschäftigte bereits vor 14 Monaten vom Verfassungsgerichtshof als nicht zulässig festgestellt wurde, wurde bis heute nicht repariert.

Es ist bereits vielfach darauf hingewiesen worden, welche finanziellen Auswirkungen dieser Umstand hat: Dadurch werden der Sozialversicherung in etwa 10 Millionen € vorenthalten. Das ist im Vergleich zum Budget keine Riesen-Summe; aber ich bin der Meinung, dass dieser Be­trag, gemessen an den Bedürfnissen einzelner Versicherter, doch große Bedeutung hat.

Ich kündige jetzt schon an, dass meine Fraktion dem, was uns heute hier vorliegt, nicht zustim­men wird, weil der Inhalt wieder nicht geändert wird, sondern nur formelle Änderungen vorge­nommen werden, indem man den Umstand, dass im ASVG diese pauschalierten Abgaben nicht verankerbar sind, repariert.

Ich möchte so manche Einwände gleich vorwegnehmen: Auch wir wissen, dass es in Einzel­fällen und für kleine Gruppierungen durchaus Sinn macht, geringfügige Beschäftigungen ohne jede Versicherungspflicht einzugehen. Ich gehe jedoch davon aus, dass in erster Linie zum Schutz jener Frauen, die von den Unternehmen aus unterschiedlichsten Gründen gedrängt werden, geringfügige Beschäftigungen anzunehmen – etwa im Handel, wo sich dieser Trend verstärkt –, Lenkungsmaßnahmen notwendig geworden sind.

Ich weiß schon, dass sich der Zulauf zu den Geringfügigen verringert hat, seit die letzte Ver­sicherungspflicht eingetreten ist. Mir ist schon bekannt, dass das etwas bewirkt hat. Wir sehen jedoch, dass in manchen Branchen der Trend zu Teilzeitdienstverhältnissen, zu geringfügigen, atypischen Dienstverhältnissen sehr groß ist, ein Umstand, dem sich gerade Frauen aus verschiedenen Gründen sehr oft nicht entziehen können. Vordergründig wird ein solches Dienstverhältnis vielleicht sogar als positiv gesehen, weil die Frauen die Illusion haben, auf diese Weise Familie und Beruf besser vereinbaren zu können.

Wir wissen jedoch, wie es aussieht, wenn diese Frauen dann Leistungen aus der Sozialver­sicherung benötigen, und wir wissen auch, wie es diesen Frauen geht, wenn sie in höherem Lebensalter ihren Lebensunterhalt finanzieren müssen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist der Grund, warum wir diesem Gesetz in der vorliegenden Form nicht zustimmen können.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass das Einbeziehen aller Be­schäftigten in das Sozialversicherungssystem auch ein Beitrag wäre, die Finanzierungsgrund­lagen der Sozial-, Kranken- und Pensionsversicherung zu verbreitern, um so systematisch zu vernünftigen Leistungen für die Betroffenen zu kommen.

Meine Damen und Herren! Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als uns Gewerkschafte­rInnen die ersten haarsträubenden Beispiele, was in der Praxis mit geringfügig Beschäftigten passiert, so richtig wachgerüttelt haben. Es ist schon einige Jahre her, und auch auf unser Drängen hin ist schließlich dieser erste Schritt der Einbeziehung in die Sozialversicherung erfolgt. Und ich bekenne mich hier voll und ganz zu entsprechenden Lenkungsmaßnahmen.

Mir ist der Fall einer Frau zur Kenntnis gebracht worden, die mit einfachster Ausbildung eine Reinigungstätigkeit ausgeübt und sich sehr wenig Gedanken über ihr Dienstverhältnis gemacht hat. Ihre Bezahlung war zwar nicht großzügig, aber immerhin ortsüblich, und erst als diese Frau schwanger war und in den Mutterschaftsurlaub gehen wollte, hat sich herausgestellt, dass sie mit mehreren geringfügigen Dienstverhältnissen bei einem Dienstgeber beschäftigt ist und somit keine Leistung für die Mutterschaft zu erwarten hatte.

Für mich war das wirklich ein Schlüsselerlebnis, aber ich behaupte nicht, dass man mit gering­fügig Beschäftigten überall so umgeht. Es ist dies aber doch ein Beispiel dafür, dass man seitens des Gesetzgebers weit davon entfernt ist, zu wissen, was sich dann in der Realität abspielt. Daher ist es notwendig, wenn solche Schlupflöcher genutzt werden, diese nach Mög­lichkeit zu schließen.


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Die Vorgangsweise, pauschalierte Dienstgeberbeiträge für geringfügig Beschäftigte abführen zu lassen, bedeutet nichts anderes als eine Reduzierung der Beiträge, die ein Dienstgeber zu bezahlen hätte, wenn die volle Abgabenpflicht gelten würde.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals betonen, dass ich nicht der Meinung bin, dass das gang und gäbe ist, dass es aber in manchen Branchen nach wie vor Frauen gibt, die immer wieder zu uns kommen und um unsere Unterstützung bitten, wenn solche Schlupflöcher genutzt werden, wenn unkorrekt vorgegangen wird. Es muss verhindert werden, dass Frauen, die einer solchen geringfügigen Beschäftigung nachgehen, in manchen Situationen regelrecht der Armut ausgeliefert sind.

Ich möchte es mir heute dennoch ersparen, auf all diese Dinge hinzuweisen, die wir gerade in den letzten Wochen diskutieren. Wenn ich von einem Hineintreiben in die Armut rede, habe ich neben dem, was die geplante Pensionsreform bedeutet, durchaus auch all das, was im Zusam­menhang mit der Notstandshilfe, der Verlagerung zu den Gemeinden, geplant ist, im Sinn. Auf diese Weise gehen die Gemeinden pleite, und es werden auch die Betroffenen in die Armut getrieben und zu Bittstellern degradiert. Ich glaube nicht, dass das etwas ist, was wir als ver­antwortungsvoller Gesetzgeber den Menschen dieses Landes zumuten wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.29


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

12.30


Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Frau Bundesrätin Kainz! Sie haben das Beispiel gebracht, dass jemand bei einem Dienstgeber mehrere geringfügige Beschäftigun­gen ausgeübt hat. Dazu möchte ich vorab feststellen, dass der Dienstnehmer eine Kopie der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse bekommt, also hat er das auch gewusst. Das möchte ich dazu betonen.

Ich verstehe eigentlich nicht – Sie haben zwar auch gesagt, dass es nicht überall so sei –, dass man immer wieder nur negative Beispiele bringt und so tut, als ob das gang und gäbe wäre. (Bundesrat Konecny: Das ist Realitätsverweigerung!)

Diese Änderung des Sozialversicherungsgesetzes, mit der auch eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen wird, ist darum notwendig, weil der Verfassungsgerichtshof Teile des § 53a der 55. Novelle des ASVG mit Wirkung vom 1. April 2003 als verfassungswidrig aufgehoben hat.

Ich bitte auch, dass man immer die ganze Wahrheit sagt, Frau Bundesrätin Kainz, und nicht nur die halbe. Sie haben gesagt, das wurde vor 14 Monaten aufgehoben. Das stimmt zwar, aber es wurde mit Wirkung vom 1. 4. 2003 aufgehoben.

Dieses Modell, sich freiwillig als geringfügig Beschäftigter eine Anwartschaft für die Pension zu erwerben, hat vielen Frauen, aber auch Männern die Möglichkeit gegeben, sich mit relativ gerin­gen Beiträgen Zeiten für die Pension zu sichern. Im März 2003 haben 30 413 Frauen und 9 418 Männer dies in Anspruch genommen.

Es war bisher so – und es bleibt auch so –, dass Arbeitgeber 16,4 Prozent Beitrag bezahlen mussten beziehungsweise müssen, wenn sie in ihrem Betrieb mehr als das Eineinhalbfache an geringfügig Beschäftigten hatten, also wenn der Betrag über 464,07 € ausmachte. Davon gehen 23,5 Prozent für die Finanzierung der Krankenversicherung und 76,5 Prozent für die Finanzie­rung der Pensionsversicherung auf – unabhängig davon, ob sich geringfügig beschäftigte Per­sonen selbst versichern. Da dieser Betrag unabhängig vom Entstehen eines Sozialversiche­rungsver­hältnisses vom Dienstgeber zu bezahlen war, hat der Verfassungsgerichtshof dies als verfas­sungswidrig aufgehoben. Daher ist heute diese Änderung notwendig. Nun wird es als


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Abgabe definiert, und im Prinzip erhöht das die Arbeitskosten auch für geringfügig Beschäftigte und ist auch eine Geldbeschaffung für die Kranken- und Pensionskassen.

Ich möchte allerdings betonen, dass ich dafür bin, Arbeitgeberbeiträge zu bezahlen, wenn sich der geringfügig Beschäftigte selbst auch versichert. Jetzt ist es aber so, dass man das für alle bezahlen muss, unabhängig von der Versicherung des geringfügig Beschäftigten.

In der Praxis ist es auch so, dass viele Frauen und Männer geringfügig beschäftigt sein möch­ten und dann keinen Beitrag zahlen, weil es momentan mehr Geld bringt. Wenn diese Personen dann in Pension gehen möchten, erkennen sie oft, dass dies ein Fehler war, aber dann ist es meistens zu spät. Das ist meiner Meinung nach die Entscheidung dieser Personen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, aber dem Einzelnen die Ent­scheidung selbst überlässt. Wir müssen die Mündigkeit des Bürgers auch anerkennen!

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass wir heute im Rahmen dieser Änderung sehen, wie notwendig und wichtig es ist, Regierungsvorlagen und Gesetze gründlich durchdacht vorzu­legen und dann zu entscheiden. – Besten Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

12.34


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Reisenberger. Ich erteile es ihm.

12.34


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Frau Kollegin Giesinger! Sie verstehen nicht, warum man so negative Beispiele bringt, wie Kollegin Kainz es getan hat? – Das ist ganz einfach: Weil es sie gibt, und weil wir daher die Chance gehabt hätten, darauf zu reagieren! Und genau darum geht es uns! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Pauschalierte Abgaben für Dienstgeber bei geringfügiger Beschäftigung, so ist der Titel. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass derzeit über 200 000 Menschen geringfügig beschäf­tigt sind. Das ist keine geringe Anzahl, und diese Vorgaben sind eher dazu angetan, dass sich diese Zahl noch erhöht.

Der Verfassungsgerichtshof sagte bereits vor einem Jahr, dass bis 31. März 2003 die pauscha­lierte Abgabe im ASVG nicht mehr als solche tituliert werden darf. Was aber hat die Regierung gemacht? – Sie hat die Zeit tatenlos verstreichen lassen.

Die SPÖ-Fraktion hat den Antrag eingebracht, dass Dienstgeber den gleichen Beitrag wie Dienstnehmer zahlen sollten. Das wäre, glaube ich, auch in Ihrem Interesse, nach dem, was Sie gerade vorher bekundet haben. Der Zweck dieses unseres Antrages ist auch, dass der Anreiz, billige Arbeitnehmer zu beschäftigen, genommen wird. Menschen sollen nicht immer mehr ge­ringfügig, sondern in Vollzeitarbeit beschäftigt werden. Es ist heute schon gesagt worden: Wenn man in die Pension kommt, weiß man genau, dass diese Zeiten zwar vielleicht kurzfristig ange­nehm, weil weniger mit Abgaben belegt, sind, dass sich das aber dann oft sehr negativ auswir­ken kann.

Der Antrag, den die ÖVP eingebracht hat, bedeutet, dass es so bleibt, wie es war, mit allen negativen Punkten, die es gibt. Gerade da hätten wir die Chance gehabt, Änderungen vorzu­nehmen. Eine Änderung ist nur insofern gegeben, als die Abgabe aus dem ASVG genommen wird. Dass vor allem und in erster Linie Frauen betroffen sind, ist, so glaube ich, jedem hier klar. Dass das auch Auswirkungen auf die Pensionsreform hat, ist logisch. Wenn man sagt: Okay, ich zahle freiwillig ein, ich zahle freiwillig Pensionsversicherung weiter, dann heißt das aber auch – gerade für junge Menschen; und da hören wir immer, Herr Vizekanzler, dass Sie für diese Gruppe soviel machen möchten, dass Sie diese besonders absichern möchten –, dass die Deckelung von 10 Prozent für den Durchrechnungszeitraum, die es zurzeit noch gibt, mit dem Jahr 2028 aufgehoben wird. Das bedeutet im Klartext nichts anderes als große Verluste für


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junge Menschen, für diejenigen, die heute 30, 35 Jahre alt sind. – Soviel zur Sicherung der Pensionen für Junge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Politikerpensionen sehen für diese Regierung, zumindest im tiefsten Inneren, offensichtlich ganz anders aus. Wie anders kann man sich sonst den Vorschlag erklären, für Politiker Frühpensionen mit geringen Abschlägen zu machen? Dann sagt der Freiheitliche Scheibner, dass das nur eine „Trägerrakete“ sei, und gleich darauf wieder­holt es Frau Ministerin Gehrer in der „ZiB 2“ am Dienstag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, recht herzlichen Dank für diese Aufklärung! Jetzt weiß ich nämlich endlich, warum Sie so dringend die Abfangjäger benötigen: offensichtlich für diese Trägerraketen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Präsident des Katholischen Familienverbandes, dem man zweifelsohne nicht nachsagen kann, dass er uns Sozialdemokraten nahe steht, hat in einer Aussendung festgestellt: Die ge­planten Abfederungsmaßnahmen für Mütter sind reine Kosmetik, und Teilzeitbeschäftigte gehen überhaupt leer aus. Die Bundesregierung war ein Jahr lang in einer so wichtigen und von möglichen Lenkungseffekten gespickten Sache untätig. – Das darf man nicht vergessen: Diese Regelung wäre gespickt mit Lenkungseffekten! Aber die Bundesregierung war untätig, untätig auf Kosten der Menschen, denen die Pension, wenn sie in 20, 25, 30 Jahren vielleicht in Pension gehen können, um 25, 30 oder 40 Prozent gekürzt werden soll.

Wie Recht hatte doch vorgestern bei unserer wirklich großartigen Demo ÖVP-Abgeordneter Neugebauer, als er sagte, Pallas Athene, die griechische Göttin der Weisheit, stehe leider für viele Abgeordnete nur vor dem Parlament! – Ich muss ihm da völlig Recht geben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die heutige Regelung tritt erst mit 1. Juni 2003 in Kraft. Arbeitgeber ersparen sich somit für die Monate April und Mai die Beiträge für ihre geringfügig Beschäftigten. – Wieder ein Geschenk an die Arbeitgeber! Wunderbar! Die Arbeitnehmer hingegen werden mehr und mehr belastet, um das Budget zu frisieren, denn als verantwortungsbewusste Budgetpolitik kann ich diese Politik nun wirklich nicht bezeichnen.

Der Sozialversicherung entsteht ein Schaden in der Höhe von über 10 Millionen €. Konkret werden der Krankenversicherung 2 Millionen € und der Pensionsversicherung über 8 Millio­nen € vorenthalten. Das sind ja keine Summen, bei denen man sagen kann: Was soll’s?

Dann sagt man: Die Selbstverwaltung kann nicht wirtschaften! Ich behaupte, dass der Sozial­versicherung bewusst Schaden zugefügt wird.

Übrigens – auch nur zur Erinnerung; ich nehme an, Sie wissen es ohnehin –: Die Wirtschaft hat bei der Sozialversicherung zurzeit Schulden in Höhe von 11,6 Milliarden Schilling, davon sind 5 Milliarden Arbeitnehmerbeiträge. (Bundesrat Konecny: Oh!) Das heißt, die Beschäftigten haben das Geld bezahlt, und wo ist es? Wer kommt für diesen Schaden auf, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren?

Wenn das Verursacherprinzip wie in fast allen anderen Fällen angewandt würde, was in unse­rem Rechtssystem eigentlich üblich wäre, wäre die Bundesregierung dafür haftbar zu machen.

Rund 200 000 Menschen waren an diesem Dienstag auf den Straßen Wiens, und zwar nicht nur von den Oppositionsparteien, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Weichen Sie von dieser unverantwortlichen und offensichtlich nur von der selbstherrlichen Meinung einiger Regierungsmitglieder getragenen Politik gegen diese Menschen ab! Hören Sie auf die Menschen! Es ist nicht die Straße, es ist nicht der Mob der Straße, wie es der eine oder andere formulierte. Es sind Menschen, die in Österreich arbeiten, Menschen, die in Österreich auch einmal ihre Pension genießen wollen und die sich um diese gefoppt fühlen.


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Meine Fraktion wird in verantwortungsbewusster Art und Weise den Menschen gegenüber diesem Gesetz natürlich nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. Ich erteile es ihm.

12.41


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vize­kanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Die vorliegende Gesetzesmaterie ist aus formalen Gründen vom Höchstgericht aufgehoben worden. Die Klage wurde von einer ganzen Reihe von nationalen und internationalen Firmen­gruppen eingebracht. Das Gesetz wird in der gleichen Form, wie es im Übrigen von der sozia­listisch geführten Regierung 1998 eingebracht worden ist, nunmehr wieder eingeführt. (Bundes­rat Bieringer: Ach so! – Rufe bei der ÖVP: Schau! Schau!) Ich sage das so, damit man weiß, welche Gesetzeslage hier fortgeschrieben wird.

Ich bitte meinen Vorredner, der das Beispiel mit der Pallas Athene, das am Heldenplatz ge­bracht wurde, im Sitzungssaal des Bundesrates zitiert hat, seine Aufmerksamkeit auf die Statue selbst zu lenken. Er wird dann draufkommen, dass die Pallas Athene deutlich und klar für jeden sichtbar mit dem rechten Fuß nach vor tritt und nicht mit dem linken. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Sehr geehrter Herr Kollege! Wenn Sie davon gesprochen haben, dass man auf die Menschen hören soll, dann sollten Sie nicht vergessen, dass 80 Prozent der Österreicherinnen und Öster­reicher überzeugt davon sind, dass wir eine Pensionsreform brauchen (Bundesrat Konecny: Aber nicht diese!) und dass diese Reform so gemacht werden soll, dass sie sozial verträglich und gerecht ist. (Bundesrat Konecny: Nein, wirklich nicht!)

Ich bin sehr gespannt, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ob die Äuße­rungen Ihres Parteivorsitzenden Gusenbauer vom Jänner dieses Jahres, als er – in den Medien nachlesbar – ein Volumen von einer Milliarde € als Ziel der Sozialdemokratie bei der Umset­zung der Pensionsreform formuliert hat, als er von Harmonisierung und der Schaffung eines Pensionskontos gesprochen hat, als er ein leistungs- und beitragsorientiertes Recht harmoni­siert für alle vorgesehen hat (Bundesrat Konecny: Also das Gegenteil von dem, was Sie machen!), als er Durchrechnungszeiträume, die das gesamte Arbeitsleben umfassen, als gerecht betrachtet hat, als er versicherungsmathematische Abschläge und Steigerungsbeträge nach seiner goldenen Formel 65 Lebensjahre, 45 Beitragsjahre, 80 Prozent Bemessungsgrund­lage, also einen Steigerungsbetrag in der Höhe von 1,77 Prozent, als gerechtfertigt betrachtet hat, auch tatsächlich in der parlamentarischen Debatte heute, morgen, übermorgen und in den nächsten Jahren standhalten werden. (Bundesrat Gasteiger: Herr Vizekanzler! Was sagt der Haider überhaupt dazu?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade die Durchrechnungszeiträume sind ein entscheiden­des Problem jener Frauen, die in geringfügigen Beschäftigungen stehen. Wir alle sind uns einig, dass sie allein von jenen Einkünften, die sie aus der geringfügigen Beschäftigung beziehen, nicht leben können, sondern dass dies im Regelfall Zusatzeinkommen sind für Tätigkeiten, die die Frauen neben der Kinderbetreuung, weil ihnen die Kinder eben wichtig sind, verrichten. (Bundesrat Konecny: Geh bitte, das ist absurd!) Ich kenne sehr viele Beispiele aus meiner Um­gebung, Sie haben Beispiele aus Ihrer Umgebung angeführt. (Bundesrat Konecny: 200 000! – Sind das die, die ein bisschen etwas dazuverdienen? Ungeheuerlich!)

Es ist auch klar, dass es in der österreichischen Beschäftigungslandschaft immer wieder zu Missbräuchen des Sozialsystems kommt. Man sollte daher endlich alle Bemühungen der Sozialversicherungen fördern, die dahin gehen, eine Chip-Karte einzuführen. (Bundesrat Konecny: Chip-Karte! Oh je, der nächste Flop! – Bundesrat Gasteiger: Was sagt der Haider zur Pensionsreform?) Mit der Chip-Karte könnte man auch den monatlichen und vierteljähr­lichen Auskunftsverpflichtungen an die Versicherten, wie es im ASVG normiert ist, nachkom­men, damit die Versicherten über ihren tatsächlichen Versicherungsstatus während ihrer Arbeitszeit und nicht erst am Ende ihres Arbeitslebens informiert werden. Somit könnten sie


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rechtzeitig bei Fehlleistungen innerhalb des Systems, von wem auch immer, reagieren und ent­sprechende Schritte zeitgerecht setzen und nicht erst zehn oder 20 Jahre im Nachhinein, wenn keine Reparaturen mehr möglich sind. Ich meine, dass die Transparenz des Systems und die Nachvollziehbarkeit durch den einzelnen Versicherten wichtig sind.

Wir haben uns gerade im Budgetausschuss mit den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemo­kratie über die Schuldenstände in den Krankenversicherungen unterhalten. Dazu muss ich sagen, wir haben nicht nichts getan, sondern wir haben gerade im Bereich der Überprüfung der Lohnsteuer- und der Krankenversicherungsbeiträge die beiden Prüforgane des Bundes und der Krankenversicherungsträger kurz geschlossen, damit wir in einem Prüfungsvorgang alles überprüfen können: die Anmeldung, die Krankenversicherung, die Pensionsversicherung und die Steuerleistungen, um so endlich Schwarzarbeit im weitesten Sinn und Schattenwirtschaft in Österreich gemeinsam massiv bekämpfen zu können.

Wenn Sie die Abbuchungsverluste der so genannten Schulden der Wirtschaft bei der Sozialver­sicherung anschauen – ich verweise auf die Aktion, die innerhalb der Wiener Gebietskranken­kasse im letzten Jahr notwendig war, nämlich die Bereinigung der Bilanzen –, dann werden Sie sehen, dass der Löwenanteil der ausgefallenen Beitragsleistungen auf Insolvenzen und Haftun­gen von Geschäftsführern, die nicht mehr greifbar sind und wo kein Vermögen zur Verfügung steht, zurückgeht. Es handelt sich um so genannte uneinbringliche Schulden.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass es große Rückstände bei Firmen gibt, die die Krankenver­sicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer nicht abgeliefert haben. Die Überlegungen der Arbeit­nehmervertretungen in den Krankenversicherungen gingen dahin, dass man von Seiten der Krankenversicherungen die Arbeitsplätze nicht durch Konkursverfahren gefährden wollte, sondern man hat gehofft, durch Stundungen die Betriebe und damit auch die Arbeitsplätze am Leben zu erhalten.

Das Problem ist vielschichtiger, als es in der verkürzten Form durch Sie dargestellt wird. Ich hoffe, dass wieder Seriosität in der Diskussion bei allen Beteiligten in allen Gremien einkehrt und sich diese ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden. (Beifall bei den Freiheit­lichen. – Bundesrat Konecny: Ha! Ha! Ha! Herr Minister! Sie sind sehr unterhaltsam! Wissen Sie, dass Sie über sich selbst lachen können, macht Sie sympathisch!)

Wir sind hier auf parlamentarischer Ebene, und ich darf abschließend nochmals feststellen, dass es nicht unsere Absicht war, den Versicherungsträgern einen Schaden in Höhe von 10 Mil­lionen € zuzufügen, sondern es ist für jeden in Österreich nachvollziehbar, dass nach den Wahlen, bis es zu der Bildung einer neuen Regierung gekommen ist und die Verhandlungen zwischen den betroffenen Gruppen und den Ministerien abgeschlossen werden konnten, leider einige Zeit vergangen ist, sodass wir zwei Monate Interregnum hatten. Es ist aber leider nicht möglich, ein Gesetz rückwirkend mit Datum des Erkenntnisses zu beschließen, sondern es gilt erst ab Publikation des Beschlusses des Bundesrates. Dabei handelt es sich eben um einen Verlust von zwei Monaten und 10 Millionen € für die Sozialversicherungen. Das ist eben so, und ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, das als absichtlich und mutwillig zu denunzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.49


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. Ich erteile es ihm.

12.49


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Ausführun­gen meines Vorredners, des Bundesrates Reisenberger, hat der Herr Vizekanzler bereits sehr ausführlich repliziert. Es ist schon klar, dass die Pensionsfrage im Moment alle anderen Themen überlagert, aber wer bei diesem Tagesordnungspunkt auf die Pensionsfrage zu spre­chen kommt, muss sich fast die Beurteilung „Thema verfehlt“ gefallen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Oh! Oh!)


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Im Zuge des gegenständlichen Tagesordnungspunktes befassen wir uns mit einer Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes. Die Änderung oder, besser gesagt, die Repara­tur wurde notwendig, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. März 2002 Teile des § 53a ASVG als verfassungswidrig aufgehoben hat. (Bundesrat Gasteiger: Einen Pfusch habt ihr gebaut! Gib es zu!)

Die Grundidee der nun aufgehobenen Regelung war positiv und wurde auch vom Verfassungs­gerichtshof nicht in Frage gestellt. In sozialpartnerschaftlichem Konsens sollten die Dienstgeber über Sozialversicherungsbeiträge in die Pflicht genommen werden, um Missbrauch bei Arbeits­verhältnissen mit geringfügig Beschäftigten hintanzuhalten. Der Verfassungsgerichtshof bean­standete lediglich, dass die Kompetenztatbestände für die an und für sich gut gemeinte Rege­lung weder im Sozialversicherungswesen noch im Abgabewesen Deckung fänden. Die nun vorliegende Regelung sieht eine pauschalierte Abgabe für Dienstgeber geringfügig Beschäftig­ter vor, die dem Sozialversicherungszweck Pensionsversicherung, Krankenversicherung zuge­ordnet wird. Damit wird einerseits dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes formalrechtlich entsprochen und andererseits die ursprüngliche Idee nicht aus dem Auge verloren.

Tatsache ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sich die Arbeitswelt in einer wirk­lich rasanten Entwicklung befindet, die sich durch immer härter werdenden Wettbewerb aus­zeichnet. Der Einfallsreichtum der Unternehmen in Richtung Kostensenkung ist damit sehr ver­ständlich, aber – das gebe ich zu – nicht immer akzeptabel. Langfristig gesehen hilft man aus meiner Sicht den Unternehmungen, wenn man verhindert, dass aus Gründen kurzfristiger Kostenreduktion geringfügig Beschäftigte Teil- und Vollzeitbeschäftigte ersetzen. Geordnete Arbeitsverhältnisse und damit auch zufriedene Mitarbeiter sind aus meiner Sicht unabdingbar für optimale Arbeitsleistung und auch für eine positive Wirtschaftsentwicklung. In diesem Sinne findet dieser Tagesordnungspunkt die freiheitliche Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.53


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.

12.53


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Gratulation, Herr Vizekanzler, zu diesem sensationellen argumentativen Slalom. Sie haben hier etwas argumentiert, das eigentlich kaum argumentierbar ist, aber Sie haben gezeigt, dass Sie ein guter Slalomläufer sind, und haben uns hier einen Slalom vorgelegt, der aber nicht gewertet wird, Herr Minister! Er wird nicht gewertet, er ist sozusagen außer Konkurrenz. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ.)

Tatsache ist, dass es ein Reparaturgesetz ist. Zweite Tatsache ist, dass der Herr Bundespräsi­dent nach der Nationalratswahl eine provisorische Bundesregierung angelobt hat. Weitere Tat­sache ist, dass es bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Sitzungen des Nationalrates gegeben hat. Es gab also genug Zeit, um einer Verpflichtung, die durch den Verfassungsge­richtshof dem Parlament auferlegt wurde, auch nachzukommen.

Wenn Sie nun sagen, wir mussten abwarten, bis wir eine Regierung hatten, und jetzt kommt das in der Form und in der Schnelligkeit, dann muss ich dem entgegenhalten: Das ist unrichtig! Diese Frist war nicht gestern, war nicht vorgestern, war nicht erst seit einer Woche bekannt.

Frau Kollegin Giesinger! Sie haben es dem Herrn Minister und jenen, die es gemacht haben, heute ins Stammbuch geschrieben. Sie haben gesagt: Die Gesetze müssen gründlich durch­dacht werden. Sie haben also massive Kritik an jenen geübt, die dieses Gesetz ausgearbeitet haben, das vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. (Bundesrat Konecny: Die Initiativ­anträge waren nicht schlecht!)

Im Herzen verstehe ich die Kritik der SPÖ. Wir werden trotzdem dieser Reparatur zustimmen, weil es notwendig ist, dass etwas geschieht, dass diese Frist auch eingehalten wird. Allerdings


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weise ich nichts von dem, was wir heute an Kritik daran gehört haben, zurück, sondern ich bestätige diese Kritik. Wer hat denn jetzt die Option? – Jetzt haben die geringfügig Beschäftig­ten – 440 € Einkommen – die Option. Geringfügig beschäftigt heißt geringfügiges Einkommen, heißt wenig Einkommen. Und jetzt habe ich wenig Einkommen und muss optionieren, und zwar für die Pensionsversicherung und für die Krankenversicherung. Ich habe die Wahl zwischen wenig und nichts. Und genau in dieser Situation entlasse ich den Arbeitgeber aus der Verant­wortung, der in diesem Fall nicht aus der Pflicht genommen werden kann.

Wenn Herr Kollege Klamt meint, wer bei diesem Thema auf die Pensionsversicherung zu spre­chen komme, hat das Thema verfehlt, dann muss ich sagen: Herr Klamt, Sie haben das Thema nicht erkannt! (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ.)

Geringfügig beschäftigt sind – das haben wir heute schon gehört – in der Mehrzahl Frauen, aber auch immer mehr Jugendliche, die unter Druck kommen und geringfügige Beschäftigun­gen annehmen. Nun kommt die Pensionsreform – heute findet der „Runde Tisch“ statt – mit ihrem 40-jährigen Durchrechnungszeitraum. Es ist nicht so, Herr Minister Haupt, dass wir hier ein Gesetz machen für geringfügig Beschäftigte, und zwar ausschließlich für jene Frauen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen. Das ist eine Gruppe, aber es gibt viele. Es gibt Jugendliche, Studierende, Männer und Frauen, die heute zum Teil die Geringfügigkeit, auf Grund welcher Lebensumstände auch immer, wählen oder in die Geringfügigkeit auf Grund mangelnder Arbeitsplatzmöglichkeiten gezwungen werden.

Mit der Pensionsreform, die Sie vorhaben, schaffen Sie die Ausgleichszulagenempfänger der Zukunft. Diese Geringfügigkeit ist das Problem, ist das Pensionsproblem der Zukunft, Herr Ing. Klamt! Sie können nicht sagen, dass das irgendetwas mit „Thema verfehlt“ zu tun hat. Sie haben das Thema nicht erkannt. Geringfügige Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigungen und alle Formen von prekären Arbeitsverhältnissen werden in 20, 30 Jahren die Pensionsversicherun­gen und vor allem das soziale System in Österreich vor Riesenprobleme stellen. Heute schaffen wir ein weiteres Puzzle in diesem Problembereich. (Bundesrat Ing. Klamt: Habe ich gesagt!) Sie haben gesagt, wer heute über Pensionsversicherungen redet, hat das Thema verfehlt. Und das stimmt einfach nicht. (Bundesrat Ing. Klamt: Die Vollzeitbeschäftigung soll das Ziel sein! – Bundesrat Gasteiger: Das müsst ihr der Bundesregierung sagen!) – Ja, Vollzeitbeschäftigung sollte das Ziel sein. Wir alle wissen, dass wir heute Arbeitszeiten anders verteilen müssen und auch wollen. Und viele Menschen haben in ihrem Leben auch andere Optionen. Aber wir müssen schauen, dass niemand aus diesem System unserer solidarischen Pensionsversiche­rung stürzt.

Herr Minister, Sie haben heute einen „Runden Tisch“ initiiert. Sie und jeder einzelne FPÖ-Minis­ter könnten in kürzester Zeit zum Helden werden. Sie brauchen nur zu sagen: Es gibt in der Regierung eine Nein-Stimme. Sie könnten das machen, Herr Minister Haupt, Sie brauchen den Bundespräsidenten nicht. Sie treten auch hier mutig auf, machen einen Slalom, wo keiner mehr gesteckt ist (Heiterkeit und Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ), und könnten genau das, was die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung denkt, dass diese Pensionsre­form ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Wo haben Sie das her, dass das die Mehrheit ist?)

Liebe ÖVP! Sie haben die Wahlen gewonnen, aber Sie haben mittlerweile die Mehrheit verlo­ren. Das ist Realität! (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich empfehle Ihnen, sich einmal mit Ihrem Bundesparteisekretariat in Verbindung zu setzen. Dort hat man die verschiedenen Daten, dort weiß man das. Und wenn Sie schauen, wie viele Leute auch von den christdemo­kratischen Gewerkschaftern am Heldenplatz waren, um den Heldenplatz waren, dorthin gegan­gen sind, dann wissen Sie, es geht tief in Ihre Reihen. Das ist Realität.

In dieser Situation könnte Herr Minister Haupt aus Kärnten aufstehen und sagen: So nicht! Wenn er das heute beim Bundespräsidenten tut (Bundesrat Konecny: Er wird wieder einen Slalom fahren!), dann ermöglicht er eine Option, mit den Sozialpartnern, mit der Opposition hier im Haus einen Weg zu gehen, denn niemand – niemand! – braucht diese übereilte Pensionsre­form, wie sie derzeit diskutiert wird. (Bundesrat Boden: Das Budget braucht sie!) – Nur das Budget, aber mit Sicherheit nicht jene, die zum Handkuss gebeten werden, nämlich der ASVG-


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 21

Bereich. Dort holt man das große Geld, weil man es ganz ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Bundesrätin Roth-Halvax: Warum haben Sie es nicht schon viel früher begonnen?) Herr Kollege Himmer! Selbst die Tabelle, die die Bundesregierung ausgesandt hat (Bundesrätin Roth-Halvax: Warum haben Sie es nicht schon viel früher angefangen?), belegt Zahl um Zahl, dass es beim ASVG-Bereich bis zum Jahre 2007 keinen Handlungsbedarf, keinen echten Handlungsbedarf gibt. Das ist etwas, was Sie der Bevölkerung vormachen wollen, dass es im ASVG Handlungsbedarf gebe. Es gibt ihn nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Minister Haupt die Zielflagge sehen will, dann sollte er jetzt sagen: Nein, im ASVG-Bereich ist dieser Bedarf nicht gegeben!

Herr Schöls, jener liebe Kollege, der uns verlassen hat, der da hinten gesessen ist, wird als alter christdemokratischer Gewerkschafter denken: Ich werde in der Pause Kollegen Himmer sagen müssen, dass seine Zwischenrufe einfach falsch waren. – Ich danke Ihnen! (Beifall der Bundes­rätin Kerschbaum und bei der SPÖ.)

13.03



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 22

Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Gruber. Ich erteile es ihm.

13.03


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Vizekanzler! Entschuldigen Sie, wenn ich Sie so direkt anspreche, aber ich bekomme schön langsam ein Problem: Sie sind doch ein sehr kompetenter Mann, und ich verstehe nicht, dass Leute, die Kompetenz anstreben und auch Kompetenz bekommen, Kompetenz abgeben. Wenn ein Minister, der aus seinem Ressort eine Gesetzesvorlage in den Nationalrat einbringt, auf einmal nichts mehr oder fast nichts mehr damit zu tun haben will und einen Bundespräsidenten als höhere Instanz anrufen muss, dann gibt er Kompetenz ab. Ich frage mich: Warum sind Sie Vizekanzler geworden, warum haben Sie das Ressort übernommen, wenn Sie gar keine Kompetenz haben wollen, wenn Sie diese an den Herrn Bundespräsidenten abgeben? (Beifall bei der SPÖ.)

Entschuldigen Sie, Herr Vizekanzler, Sie sind privat ein sehr netter Kerl, und Sie haben einiges erlebt und ausgehalten, aber über Ihre Haltung in der Politik muss ich mich wundern. Ich höre Sie oft im Originalton in der Früh, zu Mittag und am Abend, und wenn ich dann versuche, die drei Sachen unter einen Hut zu bringen, dann muss ich sagen, gibt es keinen so großen Hut, um all das darunter zu bringen, was Sie im Laufe eines Tages alles sagen. Ich verstehe das nicht. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, Sie sind ein Schönredner, auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, Sie sind mit Blindheit geschlagen, und weiters habe ich das Gefühl, Sie leben in Ihrem Amt nur von Schuldzuweisungen gegenüber jenen, die vor Ihnen regiert haben. Wenn Sie noch 20 Jahre hier sitzen, dann sind noch immer die schuld, die vor 30 Jahren regiert haben. So kann es nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch bei diesem Gesetz, Herr Minister, haben Sie wieder Schuldzuweisungen gemacht. Viel­leicht sind Fehler passiert, überhaupt keine Frage, wir geben es auch zu, wir sind ehrlich. Aber, Herr Minister, was hindert Sie daran, gescheiter zu werden? Es hat einmal jemanden gegeben, der gesagt hat: Es kann mich niemand daran hindern, gescheiter zu werden. Wenn Sie die Fehler und die Problematik erkannt haben – und das haben Sie anscheinend, wenn man hört, wie Sie jetzt gerade gesprochen haben –, dann frage ich Sie, warum machen Sie es nicht besser? Warum machen Sie nicht die Politik für den kleinen Mann oder die kleine Frau, wie Sie immer behaupten? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde Ihnen das empfehlen, Herr Vizekanzler! Das wäre Politik. Da hätten Sie auch unsere Unterstützung. Aber, wie schon Kollege Schennach gesagt hat: Ständig auf der Piste, ständig einen Torlauf fahren, leider hie und da ein Tor auslassen – das muss ich auch dazusagen –, das kann es nicht sein! Wir laden Sie ein: Machen Sie eine gute Vorlage! Wir stimmen zu. Aber diesem Slalom, Herr Vizekanzler, können wir wirklich nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.06



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 23

Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. Ich erteile es ihm.

13.06


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vize­kanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf meinen Vorred­ner ganz kurz replizieren, damit das auch nachvollziehbar ist: Ich gebe keine Kompetenzen an den Herrn Bundespräsidenten ab, sondern ich habe den Herrn Bundespräsidenten gebeten, beim heutigen „Runden Tisch“ eine Mediation zu machen (Bundesrat Gasteiger: Braucht die Regierung eine Mediation? Was ist das für eine Regierung, die eine Mediation braucht?), um die festgefahrenen Diskussionsfronten zwischen der Sozialpartnerschaft einerseits und Teilen des Parlaments auf der anderen Seite wieder aufzuweichen.

Es hat mich gefreut, dass die Sozialpartnerschaft der Einladung vom Herrn Bundeskanzler und mir für nächsten Montag bereits heute die Zusicherung gegeben hat, damit der Dialog zwischen den Sozialpartnern und der Bundesregierung weitergeht.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, Herr Kollege Schennach, dass nunmehr die Pensionsreform im Parlament liegt und nicht mehr bei der Bundesregierung. Die verfassungsmäßige Frage, die Sie damit releviert haben, können Sie sich selbst beantworten, weil Sie als parlamentarischer Mitarbeiter lang genug dem Hohen Hause angehören und die Kompetenz haben, sich das selbst und nicht dialektisch zu beantworten.

Ich sehe in der jetzigen Rechtsmaterie, in der vorangegangenen Rechtssituation und im inter­nationalen Vergleich zwei Spannungsfelder. Mann will geringfügige Beschäftigungen für jene schaffen, die diese geringfügigen Beschäftigungen wollen. In der Bundesrepublik Deutschland geht man im Übrigen einen anderen Weg. Dort ist die gesamte Befreiung für diese Billigjobs, die es dort in einem höheren Ausmaß gibt als in Österreich, nicht nur Diskussionsthema, sondern auch Tatsache, weil man dort der Arbeitslosigkeit mit anderen Überlegungen und anderen Mitteln gegenübertritt.

Die Alternative zur heutigen Gesetzesmaterie – das hat Kollege Schennach klar erkannt – wäre ein unbefriedigender Zustand, weil nämlich jene, die mit geringfügiger Beschäftigung auch keine geringfügigen Beschäftigungszeiten für die Pensionsversicherung nachweisen können, dann, wenn etwas in ihrer Lebensplanung schief geht, nicht einmal den Ausgleichszulagen­richtsatz zur Lebensexistenzsicherung bekommen würden. Da ist überhaupt nichts vorhanden, weil es ohne Beitragsleistungen auch keine Pensionsversicherung gibt und im österreichi­schen System ausschließlich die Sozialhilfe und sonst nichts vorhanden wäre.

Ich sehe es auch nicht so negativ wie die Vorrednerin, dass sich die Bundesregierung bemüht, zur Absicherung einer Grundversorgung in Österreich die gemeinsamen Bemühungen der Län­der, des Bundes und der Gemeinden so zu koordinieren, dass mit dem vorhandenen Geld neben der Grundsicherung, die der Ausgleichszulagenrichtsatz festschreibt, auch für jene, die davon nicht berücksichtigt sind, endlich die Lücke geschlossen wird, die es in Österreich noch aus der Vergangenheit gibt, als man sich Sozialleistungen abkaufen konnte. Wenn die Lebens­planung schief gegangen ist – etwa bei Scheidung, vorzeitigem Tod des Lebenspartners oder anderen Dingen mehr, die in der Arbeits- und in der Beschäftigungswelt geschehen –, hatte das zur Folge, dass jemand auf einmal in mittleren und höheren Lebensjahren gänzlich ohne soziale Absicherung dagestanden ist.

Daher glaube ich, dass es kein Kompetenzverlust ist, diese Bemühungen gemeinsam fortzuset­zen, sondern im Gegenteil, die Diskussionsbasis wird damit wieder geschaffen. Es wird, sehr geehrter Kollege aus Salzburg, kein Abtreten der Kompetenzen geben. Jeder hat seine staats­politische Verantwortung zu übernehmen: die Regierung ihre, das Parlament seine. Eine Vermi­schung der staatspolitisch und verfassungsmäßig sinnvoll geteilten Kompetenzen wird es weder am „Runden Tisch“ noch sonst wo geben, denn eine Nebenregierung, die nicht gewählt ist, ist das Schlechteste in einer Demokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Die haben ja Sie ins Leben gerufen, diese Nebenregierung! Sie wollen ja den „Runden Tisch“! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.10


Präsident Herwig Hösele: Wünscht noch jemand das Wort. – Herr Bundesrat Ing. Klamt, ich erteile Ihnen das Wort.

13.10


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Hoher Bundesrat! Herr Kollege Schennach hat mich persönlich angesprochen. Ich darf ihn beruhigen: Ich verstehe die Thema­tik, und ich verstehe es auch sehr gut, dass man bei diesem Punkt gerne auf das Pensions­thema zu sprechen kommt, weil es gewisse Kreuzungspunkte gibt. Aber trotzdem ist mir dazu eine Geschichte eingefallen, nämlich jene, dass sich ein Prüfling in Naturgeschichte nur mit dem Thema Würmer auseinander gesetzt hat. Als der Prüfer ihn nach den Löwen fragt, führt er aus, dass der Löwe einen wurmähnlichen Schwanz hat, und setzt dann fort: Die Würmer teilt man ein ... – Das zu dieser Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Aber, Herr Kollege Klamt, auch der Löwe wird irgendwann von Würmern gefressen! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich bin bei Ihnen, Herr Kollege Schennach, dass die Pensionsthematik sehr wichtig ist, und ich begrüße es auch, dass man versucht ist, bei jedem Punkt der Tagesordnung dazu zu sprechen. Vielleicht ist es die Sache auch wert. (Bundesrat Gasteiger: Nicht einmal der Koalitionspartner hört Ihnen zu!) Ich bin auch bei vielen hier im Hause, die sagen, dass wir im ASVG-Bereich den geringsten Handlungsbedarf haben. Dazu stehe ich auch. In diesem Bereich funktioniert der Generationenvertrag, deswegen sollte auch das ASVG das Maß der Dinge werden. Ich wünsche mir zu dieser Pensionsthematik auch eine andere Prioritätensetzung: zunächst Privi­legienabbau, dann Harmonisierung und bei der Reform eine breite Basis. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Der Herr Vizekanzler ist mit seiner Forderung nach einem „Runden Tisch“ eindeutig auf dem richtigen Weg, und ich hoffe, dass alle konstruktiven Kräfte ihm folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.13


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. Ich erteile es ihr.

13.13


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich gleich meinem Vorredner anschließen. Ich halte das auch für eine sehr gute Idee, egal, ob das jetzt ein Mediator für die Regierung ist oder nicht. Ich als Vertreterin in erster Linie des Österreichischen Gewerkschafts­bundes bin froh darüber, dass es zu dem heutigen „Runden Tisch“ kommt. Das ist genau die Form, die wir schon seit langem gefordert haben. Es war eine unserer Ideen, dass wir gesagt haben, bei einem solch wichtigen Thema, wie es die Sicherung des Pensions­systems, auch für die Jugend, darstellt, ist es notwendig, dass sich alle Parteien gemeinsam mit den Sozialpart­nern zusammensetzen, und in Ruhe und zukunftsorientiert über diese Thematik diskutieren. Das kann man weder in kurzer Zeit machen noch unter dem Aspekt, dass man gewisse Beträge für das Budget hereinbringen muss.

Wenn man es wirklich ernst meint mit dem System, dann sollte man genau diesem Ansatz nachgeben. Ich hoffe, dass es wenigstens hier in diesem Saal zu einem Einverständnis kommt. Ich hoffe, dass uns dieses Thema wirklich wichtig ist und dass wir eine Einigung herbeiführen können und dass auch die Partner, die heute Nachmittag zusammensitzen werden, zu dieser Erkenntnis kommen.

Das Thema, das wir gerade jetzt bei dem vorliegenden Entwurf behandelt haben, ist eines der wesentlichsten dabei, weil eine der Grundlagen für das Pensionssystem natürlich auch die Einbeziehung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Das heißt, die Problematik des Pensionssystems ist genau die, dass in Wahrheit der Arbeitsmarkt die Grundlage dafür ist, dass es auch im Umlagesystem funktioniert. Deshalb ist es nicht unwesentlich – ganz im Gegenteil,


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 24

und da bin ich bei Kollegen Schennach –, dass wir die in rasanter Zahl zunehmenden prekären Arbeits- und Dienstverhältnisse eindämmen, denn sonst werden wir die Problematik und die Diskussion am laufenden Band haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt noch viele andere Faktoren, die dabei zu berücksichtigen sind. Deshalb ist auch dieser Zeitdruck eine Katastrophe. Dabei geht es auch um die Harmonisierung der Systeme. Das wird so leicht gesagt, es wird immer gesagt, es müsse schnell geschehen. Das kann gar nicht passieren. Jemand, der nur halbwegs eine Ahnung von den einzelnen Systemen hat, weiß, was das beinhaltet und welche Zeitabläufe notwendig sind, um menschengerechte Systeme zu schaffen, die die Zukunft der Menschen sichern. All diese Dinge sind zu berücksichtigen, ohne dass einem vorgeworfen wird, man wolle etwas verhindern oder verzögern. Dieser Verantwor­tung müssen wir uns als Mandatare einfach bewusst werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb hoffe ich sehr – ganz egal, wo die Pallas Athene momentan steht –, dass heute, egal, ob in diesem Raum oder an dem Ort, wo der „Runde Tisch“ stattfindet, diese Einsicht in den Köpfen Platz greift. Mit dem linken oder dem rechten Fuß kann ich Ihnen nicht Recht geben, denn Sie als Mediziner, wenn auch Tiermediziner, müssen wissen, dass sich die Gliedmaßen nur dann bewegen, wenn das Hirn funktioniert. Und das wünsche ich mir für den heutigen Tag. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.17


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz über Media­tion in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Ände­rungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Ge­richtsgebührengesetzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (24 und 47/NR sowie 6780/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengeset­zes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Johanna Auer übernommen. Ich bitte um den Be­richt.


Berichterstatterin Johanna Auer: Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen – Zivilrechts-Mediations-Gesetz – sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengeset­zes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001.


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 25

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Ausfertigung vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für den Bericht.

Wir begrüßen den Herrn Bundesminister, der für die Vorlage zuständig ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Andreas Schnider. Ich erteile es ihm.

13.19


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mediationsverfahren werden in Europa in zuneh­mendem Maße und in einer Vielzahl von Bereichen durchgeführt. Daran, dass sich die EU mit Mediation und ihren Verfahren beschäftigt und sich dessen auch angenommen hat, können wir eindeutig sehen, welch große Bedeutung diesem Anliegen zukommt und in Zukunft noch mehr zukommen muss.

In Österreich hat man bereits positive Erfahrungen mit der Anwendung von Mediation in Familien- und Sorgerechts-Angelegenheiten gemacht. Es gibt außerdem im österreichischen Recht seit langer Zeit Ansätze und Methoden, Lösungen in rechtlichen Streitigkeiten anders als durch den klassischen Richterspruch herbeizuführen; beachten Sie das Instrument des Außer­streitverfahrens vor Gericht. Mediation ist jedoch ein Verfahren außerhalb des Gerichts. Letzt­lich geben gerade die erschreckend vielen Meldungen von der Überlastung der Gerichte meiner Ansicht nach einen Hinweis darauf, dass wir uns auf den Weg nach neuen Methoden und neuen Möglichkeiten machen müssen.

Doch kurz etwas zur Charakteristik, damit man auch etwas zur Würdigung sagen kann: Media­tion basiert auf dem Gedanken, dass Lösungen in Konflikten dann optimal erarbeitet werden können, wenn alle betroffenen Personen und Gruppen in ein Verfahren einbezogen werden. Sie unterliegt dem Prinzip der freiwilligen Beteiligung der Parteien. Schließlich obliegt die moderie­rende Verfahrensleitung einem allparteilichen, neutralen Dritten. Das Verfahren ist durch Trans­parenz nach innen, aber auch durch Vertraulichkeit nach außen gekennzeichnet. Es wird – und ich glaube, das muss man hier hinzufügen – in der Mediation auf kein bestimmtes letztes Ergebnis hingearbeitet, sondern es wird ein am Anfang offener Lösungsweg gemeinsam und selbstbestimmt von den Parteien erarbeitet, wobei die Eigenverantwortlichkeit nicht angetastet wird.

Damit kommen wir zur Würdigung. Die Gefahr der begrifflichen und inhaltlichen Unschärfe hat man durch das nun vorliegende Mediationsgesetz für Österreich und auch für den europäischen Kontext richtungsweisend gebannt. Es wurde – so sehe ich es – ein präzises Regelungswerk geschaffen, das sich einer doppelten Qualitätssicherung verschreibt: Erstens geht es um die Ausbildung der Mediatorinnen und Mediatoren und zweitens um die Sicherung im Hinblick auf die Durchführung von Mediationsverfahren. Ich denke, da werden einige Staaten insbesondere innerhalb der Europäischen Union nachziehen.

Im vorliegenden Mediationsgesetz geht es um Verfahren mit zivilrechtlicher Anknüpfung. Es zeigt sich jedoch, dass die Prinzipien der Mediation bereits in Bereichen angewendet werden, die nicht in den Regelungsbereich dieses Gesetzes fallen, eben gerade Bereiche, die für uns Länder nicht uninteressant sind. Zum Beispiel: Umweltmediation – denken wir an die Planung größerer Bauvorhaben –, Verwaltungsmediation; Bereiche, in denen – das möchte ich hier im Bundesrat noch einmal betonen – gerade aus Ländersicht Mediation große Einsparungspoten­ziale bringen würde. Ich bin also zuversichtlich, dass das Mediationsgesetz in punkto Sicherung eines Qualitätsstandards auch auf diese Bereiche Auswirkungen haben wird.

Doch lassen Sie mich auf die Mediation noch tief greifender eingehen: Wir sehen auch in anderen Bereichen, dass diese Prinzipien angewandt werden. Im schulischen Bereich wird die


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 26

Ausbildung von Schülerinnen und Schülern, von Lehrerinnen und Lehrern zur Konfliktlösung vorgenommen, dort reden wir von Schulmediation, und es sind gute Erfolge erzielt worden. Allerdings zeigt sich an diesem Beispiel, dass es nicht sinnvoll ist, auf eine pauschale Einord­nung aller Anwendungsbereiche der Mediation unter ein Mediationsgesetz hinzuarbeiten. Schülerinnen und Schüler müssten sonst den gesetzlichen Anforderungen genügen, auch wenn sie – unter Anführungszeichen – „nur“ in der Schule tätig werden.

Mediation wird sogar zur Lösung von interkulturellen Konflikten herangezogen. So hat die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt im April 2003 ein Forschungskolleg ins Leben gerufen, um Lösungsansätze für Konflikte in der deutsch-polnischen Grenzregion zu erarbeiten. Media­torische Mittel werden ebenso in der Behandlung internationaler politischer Konflikte angewen­det, auch wenn manchmal fehlende Konsensbereitschaft zu einem Scheitern führt; wir brauchen hier nur an die Vermittlungsmission der UNO im Irak zu denken.

Wo finden sich mediatorische Prozesse in der Lösung nationaler politischer Konflikte? Wo fin­den sie sich in unserem Umgang mit politischen Inhalten? – Politische Prozesse, die gemein­sam von allen Parteien in einem Mediationsverfahren stattfinden und von Lösungsorientierung anstelle von parteipolitischen Eitelkeiten geprägt sind, sind sicherlich kürzer, kostengünstiger und zielführender als ein starres Verfahren in eingefahrenen Mustern.

Die Grundvoraussetzung für das Gelingen einer solchen neuen Politik ist allerdings auch klar: Was nützt der schönste runde oder eckige Tisch, wenn keine Konsensbereitschaft an ihm Platz nimmt, wenn in gewisser Weise nicht auch eine Freiwilligkeit gegeben ist, wenn eben nicht von vornherein schon ein Ergebnis angestrebt, sondern im Grunde die Weite der Diskussion zuge­lassen wird? Doch wer wird am „Runden Tisch“ Platz nehmen, um den Konfliktparteien bei ihrem Lösungsweg zu helfen? Wer soll also politischer Mediator sein? – Es ist nicht damit ge­meint, dass es nur in bestimmten Situationen, in denen es gerade ansteht, plötzlich einen oder mehrere Mediatoren gibt, sondern hier ist auch auf Qualität zu achten. Wie installiert man ein System der Qualitätskontrolle für Mediation auch hier, am „Runden Tisch“ der politischen Aus­einandersetzung?

Diese Fragen müssten wir uns, so glaube ich, auch beim Österreich-Konvent stellen. Denn eine Mediation an einem „Runden Tisch“ im Hinblick auf Politik ist keine Nebenregierung, sondern ist eben außerhalb der Regierung, so wie dieses Mediationsgesetz außergerichtlich zu sehen ist. Wir werden, wie ich gerade festgestellt habe, heute noch über die Gewalt der Worte reden, aber ich denke, in Richtung Mediation in der Politik gibt es schon einiges zu sagen. Einen ausge­zeichneten Beleg für ein nicht gerade positives Beispiel habe ich, wenn ich an unsere Landtags­sitzung in dieser Woche denke: Wenn Anfragen innerhalb eines Parlaments eher einem politi­schen Pamphlet aus irgendeinem Generalsekretariat gleichen, dann frage ich mich, was das für eine Sprache ist! Bei Mediation stehen wohl an erster Stelle die Worte, die Sprache und die Kultur, wie wir miteinander umgehen.

Die Erfolge, die wir in Sorgerechts-Angelegenheiten mit Mediation erzielen, sollten für uns auch hier richtungsweisend sein. In Sorgerechts-Angelegenheiten geht es darum, dass behutsam mit den Anliegen des Kindes umgegangen wird, dass Eltern an das Kind und nicht an ihre eigenen Belange denken! Würden wir uns öfter das Vertrauen, das Bürger dieses Landes in uns setzen, und die Anliegen der Bürger vergegenwärtigen und unsere parteipolitischen Rangeleien hintan­stellen, dann wäre uns schneller und kostengünstiger ein Erfolg beschieden.

Daher stimmen wir dem zu, aber auch in die Richtung, dass es noch ein Stück weiter geht. Ich denke, wir können hier – und ich hoffe, auch noch heute Nachmittag – ein paar Schritte in diese Richtung setzen, sodass das ein erster Meilenstein ist. Aber wenn wir etwas von den Bürgerin­nen und Bürgern wollen, dann müssen die Kriterien, die für Mediation gelten, erst recht hier in unserem Parlament gelten! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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13.30


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. Ich erteile es ihr.

13.30


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Trotz des mit großer Leidenschaft vorgetragenen Vortrages meines Vorredners über Mediation haben wir es beim vorliegenden Zivilrechts-Mediations-Gesetz mit der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Mediation zu tun, welche im Interesse der Klientel, aber auch – und das ist der springende Punkt – im Interesse fachlich ausgebildeter und qualifizierter Mediatoren eine sichere Grundlage für die Nutzung einer erfolgreichen Methode außergerichtlicher Konfliktregelung in Zivilrechtssachen gewähr­leisten soll. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

In den letzten Jahren hat sich in Österreich die Mediation neben der Psychotherapie zu einem eigenen Beruf entwickelt. Sie findet erfolgreiche Anwendung in verschiedenen Feldern wie im Sozialbereich, im Schul- und Bildungsbereich, auch – das nehme ich an, Herr Dr. Böhm, da Sie das auch in Ihren Vorlesungen so bringen – in der Wirtschaft als Methode für eine bewährte Unternehmenspolitik, vor allem im klassischen Kernbereich, in Nachbarschafts- und Umwelt­konflikten sowie bei gerichtlichen Angelegenheiten und behördlichen Stellen.

Wie ich vor wenigen Minuten den Aussagen von Herrn Vizekanzler Mag. Haupt habe entneh­men können, hat die Mediation auch Einzug in die Politik in Österreich gehalten; zumindest sieht er die Rolle des Herrn Bundespräsidenten beim „Runden Tisch“ als die eines Mediators. Ich kann es dem Herrn Vizekanzler nicht persönlich sagen, aber er sollte schon auch wissen, dass ein Mediationsprozess nur dann erfolgreich verlaufen kann, wenn alle betroffenen und handelnden Personen auch bereit sind, sich auf einen Mediationsprozess einzulassen. (Bun­desrat Schennach: Wollen! Sie müssen wollen!) Ohne die Bereitschaft, ebendiesen Prozess zu durchlaufen, ist Mediation kaum als positive und erfolgreiche Konfliktregelung möglich. Das sollte sich vielleicht auch der Herr Bundeskanzler zu Herzen nehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine kürzlich von Herrn Staatssekretär Dr. Waneck ge­machte Aussage anlässlich der für 6. Mai angekündigten Protestbewegungen zurückweisen: Wenn ein österreichischer Politiker in einem Land, das zu den Vorzeigeländern eines demokra­tischen Staatsgefüges zählt, mögliche Streiks in Verbindung mit einer Gefahr für Menschen­leben bringt, so missachtet er nicht nur das Recht des Volkes, sondern disqualifiziert sich auch selbst als Politiker!

Obwohl Mediatoren immer wieder über gute Erfolge ihrer Arbeit berichten, verrichten sie ihre Tätigkeit auch in Österreich noch weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Der Tätigkeit der Mediatoren wird – wie auch in vielen anderen sozialen Handlungsfeldern – vielfach mit Skepsis begegnet, und es wird wenig Vertrauen in ihre Nützlichkeit gesetzt. In Unkenntnis der Grundlagen der Mediation, ihrer Anwendungsfelder, Abläufe und Erfolge sehen sich Mediatoren aber oftmals auch mit übertriebenen Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit konfrontiert. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn auch die Erfahrung der missbräuchlichen Verwendung von Mediation gemacht, einerseits in Form der Anmaßung – in meinem Bereich hauptsächlich von Rechtsanwälten –, Mediation ohne fundierte Ausbildung anbieten zu können, andererseits durch nicht sachgerecht angewandte und unprofessionell durchgeführte Mediation von schlecht ausgebildeten Mediatoren.

Ich begrüße daher das vorliegende Gesetz und sehe es als taugliches Mittel an, Mediation nicht nur der Öffentlichkeit bekannt zu machen, sondern durch einen entsprechenden rechtlichen Rahmen auch eine Qualitätssicherung und -entwicklung in den Fragen der Ausbildung und An­wendung zu gewährleisten. Wie mein Vorredner bereits erwähnt hat, ist im Strafrecht Mediation in Form des außergerichtlichen Tatausgleiches schon seit vielen Jahren rechtlich verankert. Das vorliegende Gesetz schafft nun eine sichere rechtliche Grundlage für die qualifizierte Nutzung von Mediation zur Lösung von Konflikten, für deren Entscheidung an sich die ordent­lichen Zivilgerichte zuständig sind.

In diesem Bereich zählen die Scheidungen sicherlich zu den schwierigsten Konfliktfeldern. Im Jahr 1994 wurde Mediation als Pilotprojekt bei Trennung und Scheidung von Eltern an den


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 28

Bezirksgerichten Floridsdorf und Salzburg eingeführt. Der erfolgreiche Verlauf dieses Projektes ist daher als Basis für die Entstehung des vorliegenden Gesetzes zu sehen.

Da heute so viel von Konfliktregelungen die Rede ist, möchte ich als Burgenländerin nicht uner­wähnt lassen, dass das internationale Friedensinstitut in Schlaining zu den renommiertesten Instituten zählt, die sich mit Fragen der Vermittlung in Konflikten, die das makrosoziale System im internationalen Bereich zum Feld des Geschehens machen, beschäftigen. Es ist dies ein Institut, für das sein Gründer, der vormalige Landesrat Dr. Mader, vor mehr als 20 Jahren be­lächelt wurde und das heute international große Beachtung findet!

Ich hoffe daher, dass das Zivilrechts-Mediations-Gesetz dazu beiträgt, dass die Mediation als Instrument der Konfliktregelung in Zivilrechtssachen öffentliche Anerkennung findet. Die Aner­kennung meiner Fraktion ist sowohl der Mediation als auch diesem Gesetz sicher. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

13.37


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Bevor ich in die Sache eingehe, möchte ich mir erlauben, dir, sehr verehrter Herr Bundesminister, auch von dieser Stelle, von diesem Pult aus zum bevorstehenden runden Geburtstag sehr herzlich zu gratulieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

Zur Sache selbst kann ich mich relativ kurz halten, weil ich mich da ganz auf der Linie der sehr sachbezogenen Ausführungen meiner Vorrednerin und meines Vorredners bewege.

Die ursprünglich dem angloamerikanischen Rechtskreis entstammende Mediation als eine spe­zifische Form und Methode außergerichtlicher Vermittlung und Konfliktlösung ist inzwischen auch bei uns fest verankert. Vorerst – auch das ist heute schon erwähnt worden – wurde sie in einem Modellprojekt, an dem das Justizministerium auch führend beteiligt war, auf dem Gebiete der Familienmediation erprobt, und sie hat sich dort bewährt. Seither haben sich auch die Wirt­schafts-, Umwelt-, Verwaltungs-, Schulmediation und vieles mehr etabliert.

Bedauerlicherweise ist es zugleich zu einem gewissen Wildwuchs auf der Angebotsseite des Marktes gekommen. Dies hat es dringend geboten erscheinen lassen, für das Berufsbild des Mediators rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und insbesondere verbindliche Richt­linien für die professionelle fachliche Ausbildung zu erlassen. Damit ist in Zukunft die wün­schenswerte Qualitätssicherung gewährleistet.

Erstmals werden für die Mediation auch materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Vorkeh­rungen umfassend getroffen, soweit zur Entscheidung des Konflikts an sich die ordentlichen Gerichte zuständig wären. Zu verweisen ist insbesondere auf die Hemmung von Fristen durch die Aufnahme eines Mediationsverfahrens – also dem Gerichtsverfahren vorgeschaltet – sowie vor allem auf die Absicherung der nötigen Vertraulichkeit des Mediationsprozesses und der dabei von den Beteiligten offen gelegten Informationen.

Freilich frage ich mich persönlich ein wenig, ob nicht eine staatlich anerkannte Verschwiegen­heitspflicht mit der Möglichkeit der Entbindung des Mediators davon durch beide beziehungs­weise alle Medianten ausgereicht hätte, ob also, mit anderen Worten, das jetzt vorgesehene absolute Vernehmungsverbot nicht doch etwas zu weit geht.

Man denke etwa an nachfolgende Sorgerechtsstreitigkeiten, bei denen es stets um das vor­rangige Kindeswohl geht. Es könnte sein – das wird hoffentlich selten der Fall sein –, dass in einem allenfalls vorangegangenen Mediationsverfahren Umstände hervorgekommen sind, die bei der Zuteilung des Sorgerechts unbedingt beachtet werden müssten.


Bundesrat
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Mir ist aber auch klar, dass es ein dringendes Anliegen der Mediatoren selbst war, die Vertrau­lichkeit, mit der ja der Kommunikationsprozess selbst und das Vertrauen darin steht und fällt, institutionell so stark wie möglich zu verankern, und dass man diesem verständlichen Wunsch entsprochen hat.

Ganz allgemein ist dem Bundesministerium für Justiz einmal mehr zu einem gut gelungenen Gesetzeswerk zu gratulieren, nicht zuletzt auch den beiden federführenden Herren des Hauses, Herrn Sektionschef Dr. Hopf und dem Herrn leitenden Staatsanwalt Dr. Stormann.

Die von ihnen geleitete beratende Arbeitsgruppe, der ich selbst angehören durfte, hat in ge­radezu vorbildlicherweise die betroffenen Berufsgruppen und Interessenverbände der Mediato­ren miteingebunden. Die Vorbereitung des Gesetzentwurfes hätte selbst als geglücktes Beispiel eines Mediationsprozesses dienen können. Umso mehr verdient es Respekt und Anerkennung, dass das Ministerium allzu großen Begehrlichkeiten von Seiten der Interessenverbände nicht nachgegeben hat. Das gilt vornehmlich für die Beibehaltung einer öffentlichen Zertifizierung, indem der Bundesminister für Justiz für die Eintragung in die Liste dieser Zivilrechtsmediatoren zuständig sein soll.

Eine Ausgliederung dieser an sich hoheitlichen Funktion an einen derzeit gar nicht existieren­den bundesweiten Dachverband der Mediatoren, also gleichsam die Selbstzertifizierung der Mediatoren, ist meines Erachtens mit Recht abgelehnt worden. Die Eintragung, auf die bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ohnehin ein Rechtsanspruch besteht, wird in Ver­bindung mit den um einen hohen Qualitätsstandard bemühten Ausbildungsrichtlinien dem Interesse der Klientel an professioneller Betreuung dienen.

Aus all diesen Gründen wird meine Fraktion dieser Vorlage gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte.

13.42


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben bereits die Notwendig­keit und Wichtigkeit der Mediation ausgeführt. Ich kann dem nur zustimmen und möchte anhand eines Beispieles eine gewisse Problematik aufzeigen.

Wir haben im Jahr 1999 im Gasteinertal im Zuge des zweigleisigen Ausbaus der Tauernachse Nord eine Mediation begonnen. Das war mit einer großen Problematik verbunden. Der Perso­nenkreis bestand aus 40 bis 50 Personen aus dem Bundesministerium für Verkehr, von den Österreichischen Bundesbahnen, der Salzburger Landesregierung, der Gemeinden des Gasteinertales und von Bürgerinitiativen. 40 bis 50 Personen sind an einem Tisch gesessen, und es gab das Problem, in Österreich Mediatoren zu finden. Wir haben den Prozess begonnen und diesen abbrechen müssen, weil die in Österreich vorhandenen Mediatoren dieser techni­schen Anforderung, die noch zur rechtlichen Anforderung dazu kam, nicht gewachsen waren.

Das Verfahren hat bis zu diesem Zeitpunkt zirka 1 Million Schilling gekostet. Wir haben dann einen zweiten Anlauf genommen mit Anleihen aus Deutschland und aus der Schweiz, mit einem gewissen Professor Zilleßen aus Deutschland und Herrn Dipl.-Ing. Thomas Flucher aus der Schweiz. Wir sind mit diesen Herren nach zweieinhalb Jahren zu einem scheinbar verbindlichen Ergebnis gekommen. Die ganze Problematik eines Tales, das vom Fremdenverkehr lebt, dessen Bahn zweigleisig ausgebaut werden soll, um damit dem Lärm zu begegnen, ist dabei herausgekommen – angefangen bei der Hotellerie, die Bahnlinien wünschen, bis zu den Kur­angeboten. Es war dies mit guten Mediatoren möglich, aber es fehlen in Österreich speziell in dem Bereich, im technischen Bereich, im Umweltbereich qualifizierte Mediatoren.

Wir haben das mit diesen beiden Herren zusammengebracht. Wir haben nach zweieinhalb Jah­ren ein Ergebnis gemeinsam unterschrieben. Mir, Herr Bundesminister, wäre das sehr wichtig,


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weil es um Behördenverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen geht. Man geht in dem Verfah­ren so weit, dass man als Partei sagt: Wenn wir eine Lösung finden, die wir alle unterschreiben können, dann verzichten wir unter Umständen auch auf bestimmte Auflagen. – Den Verzicht bringt man ein, dann wird unterschrieben. Wir alle wissen aber nicht – das hängt natürlich auch mit den finanziellen Mitteln zusammen –, ob das Ergebnis in fünf Jahren, in zehn Jahren oder in 15 Jahren umgesetzt wird.

Meine Bitte und mein Wunsch wäre, nachdem das ein irrsinniger Aufwand war – es hat zwei­einhalb bis drei Jahre gedauert, es waren 40 bis 50 Leute dabei, man ist drei-, viermal im Monat stundenlang beieinander gesessen – und in Summe 3,5 bis 4 Millionen Schilling gekostet hat, dass es auch eine rechtliche Verbindlichkeit gibt, dass alle, die unterschrieben und teilgenom­men haben, die Parteien sind, letzten Endes dann auch verpflichtet werden, das einzuhalten, was sie unterzeichnet haben.

Bei uns gibt es jetzt die Ängste der Bürgerinitiativen. Man ist sich nicht mehr ganz sicher, ob das eingehalten wird oder nicht. Meine Bitte wäre daher, formalrechtlich vorzusorgen, dass es für die Parteien letzten Endes verpflichtend ist, Lösungen, Entscheidungen, die man im Rah­men des Mediationsverfahrens getroffen hat, einzuhalten. Ich würde Sie bitten, in dieser Rich­tung aktiv zu sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie sind am Wort. – Bitte.

13.46


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte mich sehr herzlich für die vielen engagierten Beiträge bedanken, die ich heute gehört habe und die die Debatte im Nationalrat ergänzt und abgerundet haben.

Tatsache ist, dass wir mit der Mediation rechtlich, indem wir ein neues Gesetz beschlossen haben, insofern Neuland betreten haben, als wir das einzige Land in der Welt sind, das ein solches Mediationsgesetz hat. Wir haben damit auch eine Herausforderung durch unsere Legisten bewältigt, die dieses Gesetz, das allgemeine Anerkennung findet, geschaffen haben. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeitern im Bundesministerium für Justiz bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte aber auch die Vollständigkeit zu sehen. Wenn ich gesagt habe, wir haben das abgerun­det, so möchte ich Folgendes in Erinnerung rufen: Die Streitigkeiten bei Gericht haben eine privatwirtschaftliche Konkurrenz durch die Schiedsgerichte, wobei ich das sehr gerne betone, weil mir diese Konkurrenz noch zu wenig zum Blühen gekommen ist. Hätten wir mehr zulässige Konkurrenz zwischen den öffentlichen Gerichten einerseits und den Schiedsgerichten anderer­seits, dann wäre vielleicht das eine oder andere Verfahren schneller abzuwickeln.

Wir haben die Schlichtungen, die auch nicht mit Mediation zu verwechseln sind, weil die Schlichtungen bedeuten, dass insbesondere Massenverfahren in einem gerichtsähnlichen Ver­fahren manchmal auch ohne Willen der Beteiligten erledigt werden können. Zum Beispiel ist das bei den Schlichtungsstellenentscheidungen, wie wir sie im Mietrecht kennen, der Fall. Aber Schlichtungen sind, wie gesagt, dort wesentlich und zweckdienlich, wo man gleichartige Verfahren hat, weil der Schlichter sein Fachwissen besser verwenden kann.

Nun kommt die Ergänzung durch die Mediation. Es freut mich besonders, dass das heute zu Recht so herausgestrichen wurde, dass bei der Mediation die Beteiligten – das können unend­lich viele sein, und die Thematik kann unendlich verschieden sein – selbst die Lösung finden. Das ist das Wesentliche daran, das ist die Ergänzung, und das rundet unser Bemühen um eine möglichst konfliktfreie Erledigung von Streitigkeiten wirklich ab.

Das, was Sie gesagt haben, Herr Bundesrat, ist völlig richtig: Was noch fehlt, ist der letzte Akt, nämlich die Verbindlicherklärung eines Mediationsergebnisses. Da kann ich Sie vorläufig nur an die Rechtsanwälte, an die Notare oder an wen auch immer verweisen, allenfalls auch an die Be-


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zirksgerichte, wo exekutierbare Vergleiche geschlossen werden können, aber ohne diese Be­rufsgruppen kommt man nicht aus. Aber das ist eine gute Idee von Ihnen gewesen, dass man bewusst auch von Seiten der Mediatoren daran denkt, diesen letzten Schritt noch zu empfeh­len, um nicht die eigene Arbeit selbst zu frustrieren. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.49


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (26 und 48/NR sowie 6781/BR der Beilagen)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisations­gesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hagen übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Christoph Hagen: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

13.51


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Es wird Sie wenig überraschen, dass ich nach meiner eher positiven Stellungnahme jetzt keine positiven Aspekte zum vorliegenden Jugendgerichtsgesetz und Gerichtsorganisationsgesetz finden kann. (Bundesrat Mag. Tusek: Schade!) Dieses Gesetz wird für mich zu den dunklen Kapiteln österreichischer Justizpolitik zählen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mit der nunmehr endgültig auch gesetzlichen Abschaffung des Jugendgerichtshofes Wien wird ein Stück österreichischen Erfolges mit hoher internationaler Anerkennung zu Grabe getragen – entgegen jeglicher fachlicher und wissenschaftlicher Erkenntnisse und entgegen den Stimmen sämtlicher Experten. Vorangegangen ist diesem Gesetzesbeschluss ein Schauspiel, das in aller


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Öffentlichkeit ausgetragen wurde und das weder eines Ministers der Republik Österreich noch eines leitenden Beamten würdig ist.

Beim vorherigen Tagesordnungspunkt, Herr Bundesminister, haben wir über Mediation als Methode zur Konfliktbereinigung gesprochen. So wie Sie, Herr Minister, und Ihr Ministerium den Konflikt mit dem beherzt um den Bestand eines erfolgreichen Bestandteils des österreichischen Justizwesens kämpfenden Präsidenten des Jugendgerichtshofes, Dr. Jesionek, geregelt haben, lässt das nicht einmal annähernd mediatives Handeln erkennen. Es war durch und durch autoritäres Handeln und reine Machtdemonstration. Das ist unwürdig und zum Schaden der österreichischen Strafrechtsentwicklung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich redlich bemüht, sowohl im Gesetzes­text als auch in den Erläuterungen fachlich qualifizierte Begründungen für die Abschaffung des Jugendgerichtshofes Wien zu erkennen. Ich habe nichts gefunden, was mir als plausible und unabdingbare Gründe erscheinen hätte können.

Wenn ich lese, dass im Gegensatz zu anderen Gerichten der Jugendgerichtshof Wien weitaus weniger Fälle des außergerichtlichen Tatausgleiches aufweist und dies ein Abschaffungsgrund sein soll, dann frage ich mich, warum die in den letzten drei Jahren unverhältnismäßig hoch angestiegene Zahl von inhaftierten Jugendlichen kein Rücktrittsgrund für den zuständigen Minister ist.

Haben Sie, Herr Bundesminister, in beiden Fällen nach den Ursachen geforscht? Stellten Sie den Jugendgerichtshof als Ganzes in Frage, weil auch Ihnen zu Ohren gekommen ist, dass es zumindest einen oder vielleicht auch mehrere dort tätige Staatsanwälte gibt, die kein Freund von diversionellen Maßnahmen sind? Staatsanwälte sind weisungsgebunden. Warum haben Sie nicht gehandelt? – Vielleicht haben sich diese Frage auch die dort tätigen Richter gestellt und hat Ihnen daher der Mut gefehlt, sich gegen die Anträge der Staatsanwaltschaft zu stellen, denn eines ist sicher: Es sind zunächst die Staatsanwälte, die den Antrag auf diversionelle Maßnahmen zu stellen haben, und erst im zweiten Schritt ist der Richter zuständig. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das kann aber auch der Richter von sich aus machen! Das ist ein zweiter Schritt!)

Vielleicht ist es auch vorauseilender Gehorsam, dass es nicht gemacht wurde. Wenn Ihnen, Herr Bundesminister, die Diversion so ein wichtiges Anliegen ist, warum haben Sie sich nie von der Aussage Ihres Parteikollegen und vormaligen Justizsprechers des Kabinetts Schüssel I, Dr. Harald Ofner, distanziert, der in einer der ersten Nationalratssitzungen der schwarz-blauen Bundesregierung die Abschaffung der Diversion gefordert hat? – Auch Sie selbst haben sich zu Beginn Ihrer Amtszeit nicht gerade als Freund der Diversion geoutet.

Warum signalisieren Sie weder Staatsanwälten noch Richtern, dass Sie die Diversion als geeig­netes Mittel ansehen und allfällige Folgen einer Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleichen? Jetzt den Vorwurf des zu geringen Einsatzes derartiger Maßnahmen wie den außergerichtlichen Tatausgleich zu erheben, kann ich daher nur im Licht eines faden­scheinigen Argumentes sehen.

Haben Sie sich auch die Frage gestellt, wo die Ursache für die hohe Anzahl von Häftlingen liegt? Haben Sie erkannt, dass dies ein Ausdruck einer in den letzten Jahren verstärkt zur An­wendung gelangten Justizpolitik, die dem Law-and-order-Prinzip huldigt, sein kann? Ich habe in meinem eigenen beruflichen Handlungsfeld erfahren, welche Auswirkungen Ihre Politik für die Betreuung jugendlicher Straftäter hat.

Die geographische Lage und auch die geringe Einwohnerzahl meines Heimatlandes Burgen­land haben den Aufbau ambulanter Betreuungsdienste nur unter erschwerten Bedingungen und mit hohem finanziellen Aufwand möglich gemacht. Als Form der Selbsthilfe haben sich daher die sozialen Institutionen des Landes zu einem Netzwerk zusammengefunden, das nicht nur eine gute psychosoziale Betreuung ermöglicht, sondern es wurden auch immer wieder soziale Projekte mit dem Ziel des Aufbaus weiterer Betreuungsdienste entwickelt.


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Besonders im Bereich der Betreuung gefährdeter Jugendlicher entwickelte sich eine gegen­seitig befruchtende enge Zusammenarbeit zwischen der Bewährungshilfe und der Jugendwohl­fahrt, in die auch die Gerichte eingebunden waren. Obwohl sachlich nicht zuständig, aber in An­erkennung des engagierten Einsatzes der Bewährungshilfe Burgenland gewährte die Burgen­ländische Landesregierung dem Verein eine jährlich nicht geringe Subvention.

Der Geschäftsstelle Eisenstadt war es dadurch auch immer wieder möglich, neue Tätigkeits­felder zu erschließen. Jedoch trotz ihres erfolgreichen Wirkens wurde im Vorjahr die Geschäfts­stelle Eisenstadt als selbständige Geschäftsstelle aufgelöst und in die Geschäftsstelle Wiener Neustadt eingegliedert. Kein plausibler Grund sprach dafür und schon gar nicht fachlich qualifi­zierte Aussagen. Obwohl sich Landeshauptmann Niessl für den Weiterbestand der Geschäfts­stelle Eisenstadt eingesetzt hat, haben Sie, Herr Minister, die Auflösung nicht verhindert.

Die Parallele zum Jugendgerichtshof Wien liegt darin, dass sich so wie Dr. Jesionek auch der Geschäftsstellenleiter von Eisenstadt für den Weiterbestand vehement eingesetzt hat. Und wie bei Dr. Jesionek war die Folge zunächst die Androhung eines Disziplinarverfahrens, und es endete auch bei Herrn Neureiter mit der vorzeitigen Pensionierung.

Nur ein Jahr später führt die Bewährungshilfe oder NEUSTART, wie sie jetzt heißt, im Burgen­land ein Schattendasein im sozialen Netzwerk des Landes. Die Auflösung der Geschäftsstelle Eisenstadt hat nicht nur das kooperative Zusammenarbeiten mit den anderen Institutionen beendet, sondern auch die Bedeutung von NEUSTART stark vermindert.

Die Leidtragenden sind die Jugendlichen des Landes. Entgegen allen Beteuerungen ist es zu einer qualitativen Verschlechterung und auch zu einem Motivationsverlust der Mitarbeiter ge­kommen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Beispiel wollte ich zeigen, wie sich eine Reorgani­sation, die nicht fachlich qualifizierten Überlegungen folgt, innerhalb kurzer Zeit negativ auswir­ken kann. Wenn am so genannten Reißbrett Entscheidungen getroffen werden, ohne die Meinung der handelnden Personen gelten zulassen, ist ein Erfolg nicht möglich.

Herr Bundesminister! Eines Ihrer Hauptargumente für die Schließung des Jugendgerichtshofes Wien war auch, dass die Unterbringung der Jugendlichen in der Justizanstalt Erdberg angeblich schlechter war als in der Justizanstalt Josefstadt.

Wie sehen Sie es dann, dass es möglich ist, dass eine wissenschaftliche Studie – nach einer anonymen Umfrage unter den betroffenen jugendlichen Häftlingen – das genaue Gegenteil er­geben hat? – Wie sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, kann auch nicht gänzlich verhindert werden, dass jugendliche Häftlinge mit erwachsenen Insassen in Kontakt kommen.

Wer sich jemals mit der Situation und den Vorgängen in Justizanstalten beschäftigt hat, weiß, welch raue Sitten dort herrschen – raue Sitten unter den Häftlingen wohlgemerkt. Das ist eine eigene Welt, in der sich selbst Erwachsene nur schwer zurechtfinden. Wie soll es dann ein Jugendlicher können?

Wenn wir Resozialisierung nicht nur als Schlagwort verstehen wollen, dürfen wir Jugendliche nicht Gefahren aussetzen, die sowohl zu psychischen als auch zu physischen Verletzungen führen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Fülle von Gründen spricht gegen eine Zustim­mung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Die Aufzählung aller Gründe würde die mir zur Ver­fügung stehende Redezeit bei weitem überschreiten. Es bedarf für meine Fraktion jedoch nicht vieler Gründe, um diesem Gesetz die Zustimmung zu verweigern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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14.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister! Sie haben das Wort ge­wünscht. – Bitte.

14.01


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren des Bundesrates! Frau Bundesrätin Schlaffer! Ich möchte mich jetzt gleich zu Wort melden, damit Ihre Gesinnungsfreunde die Gelegenheit haben, sich noch zu melden und die Begründung nachzuliefern, die Sie jetzt nicht geben konnten.

Ich möchte Folgendes klarstellen: Sie haben keinen einzigen Grund genannt, der wirklich sach­lich maßgeblich für die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Jugendgerichtshof war – keinen einzigen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, was wirklich passiert ist – Sie sollten oder müssten es eigentlich wissen –: In der vergangenen Gesetzgebungsperiode wurden die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes auf zwei weitere Jahrgänge ausgedehnt, nämlich auf die 20- und 21-Jährigen. Das geschah in verminderter, kurvenartiger Form, und ein Jahrgang wurde zurückgenommen. Es gibt dadurch eine Einschleifregelung für die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes, die nicht abrupt bei 19 Jahren endet und in die Welt der Erwachsenen überführt, sondern die bei 18 Jahren beginnt und bei 21 Jahren endet.

Dem Jugendgerichtshof ist – wie jedem anderen Gerichtshof auch – eine Haftanstalt ange­schlossen, nämlich die Justizanstalt Erdberg, in der es 40 Zellen gibt. Diese sind sehr klein, sehr alt und nicht erweiterbar, da es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt.

Durch die Erweiterung der Privilegien des Jugendstrafrechtes in Verbindung mit dem Umstand, dass die jungen Erwachsenen von den Jugendrichtern verhandelt werden sollen, weil das so ge­wollt worden ist und wir diesem Wunsch nachgekommen sind, bestand mehr Haftbedarf. Das ist ganz logisch. Es ist auch logisch, dass die Jahrgänge 20 und 21 mehr Delikte begehen als zum Beispiel die 14- und 15-Jährigen. Es ist leider weiters eine Tatsache, dass Jugendliche ihre Delikte in Gruppen begehen. Der Jurist nennt das „Banden“. Das führt notwendigerweise zu dem Umstand, dass der Untersuchungsrichter die Jugendlichen, wenn sie bei Begehung der Tat betreten wurden, nach der Tat getrennt vernehmen muss. Das bedeutet die Notwendigkeit der U-Haft, weil sie nicht auf freiem Fuß angezeigt werden können, wenn sie zum Beispiel eine Tankstelle, eine Person oder eine Trafik überfallen haben. Das bedeutet auch mehr Haftbedarf und außerdem, dass wir mit 40 Zellen in der Justizanstalt Erdberg nicht mehr das Auslangen gefunden haben.

Herr Präsident Jesionek hat dabei zugesehen, dass in einigen der 40 Zellen Stockbetten gestellt wurden, die Jugendlichen in unzulässig beengten Räumlichkeiten leben mussten und dadurch die Zellen so sehr überausgenutzt waren, also zu klein geworden waren, dass diese Zellenverwendung der Anti-Folter-Konvention widersprach. (Bundesrat Gasteiger: Jetzt kommen die G’schichterln!)

Wir konnten dem nicht mehr länger zusehen. Man kann nicht 170 Personen in 40 Zellen inhaftieren – und das war der zusätzliche Haftbedarf auf Grund der Modernisierung der Novelle. Des­halb mussten wir eine neue, angemessene Umgebung für die Jugendlichen suchen.

Die Zellen in Erdberg sind nicht nur zu klein, sondern auch alt. Die WCs sind nur durch Vorhänge abge­trennt, die Jugendlichen wurden durch die zu engen Raumverhältnisse auch unnötig aggressiv und haben die Vorhänge angezündet. In einem Gefängnis dauert es eben einige Tage – manchmal mehr als eine Woche –, bis dort wieder neue Vorhänge hängen. Und gerade im jugendlichen Alter ist die Verletzung der Intimsphäre – diese war die Folge, wenn nicht einmal mehr Vorhänge vorhanden waren – eine besonders heikle Sache. Das, was sich dort abgespielt hat, war unzumutbar – und dies als Ergebnis einer modernisierten Jugendge­richts­­barkeit durch die Ausdehnung auf zwei Jahrgänge.

Ich hatte mit Herrn Präsidenten Jesionek nicht den geringsten Konflikt. Er war der Erste, der auf Grund des Prozessbegleitungsfonds, den wir eingerichtet haben, taxfrei 100 000 S a conto von mir bekommen hat. Sein eigenes Umfeld hat sich gewundert, warum der Parteigegner Böhm­dorfer dem Sozialdemokraten Jesionek 100 000 S gibt. Ich habe geantwortet: weil er Richter ist,


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sich um die Geschädigten kümmert und weil ich eine sachliche Zusammenarbeit mit ihm suche. Von Konflikt ist da überhaupt keine Rede!

Ich würde Sie einladen, mir endlich einmal zu sagen, wo Sie bis dahin einen Konflikt zwischen Jesionek und mir gesehen hätten. Er ist im Jahre 2002 in Pension gegangen: nicht in Früh­pension, in Pension. Er konnte nicht weiter tätig sein. Auch das ist ein Grund, Ihnen sagen zu dürfen: Das war keine Maßnahme gegen ihn, denn erst nach seiner Pensionierung ist die Über­siedlung des Jugendgerichtshofes erfolgt. – Das sei nur zu Ihrer Kenntnisnahme gesagt.

In der neuen Umgebung haben die Jugendlichen moderne Zellen mit abgemauerten WCs, die sich auch jeder ansehen kann. Man darf nicht die Augen vor der Realität verschließen: Die Jugendlichen haben Sozialräume, haben einen Turnsaal, haben Lehrwerkstätten, können wei­tergebildet werden und müssen nicht, wie in ihrer alten Umgebung, mit Bussen durch die Stadt gefahren werden – deprimierenderweise an der Schließe –, sondern sie werden durch eine Türe in das angrenzende Gerichtsgebäude in ihre Verhandlungssäle geführt. Das ist es!

Das Einzige, was in der neuen Umgebung an Kontakt möglich ist, ist, dass von einigen Erwach­senenzellen aus in jene Spazierhöfe – es gibt jetzt zwei und nicht nur einen – gesehen werden kann, in denen die Jugendlichen spazieren gehen dürfen. Das ist die einzige Kontaktmöglich­keit.

Wenn Sie, wie Sie sagen, engagiert sind und jemals früher am Jugendgerichtshof waren, so sind Sie durch Gänge gegangen, in denen Erwachsene neben Jugendlichen gestanden oder gesessen sind. Das und die Fahrten durch die Stadt waren die Kontaktmöglichkeiten in der alten Umgebung. Das hat sich jetzt aufgehört. Es gibt überhaupt keinen Grund, etwas gegen diese sinnvolle Maßnahme zu haben.

Es gibt jedoch andere Gründe, die zwar nicht das Motiv waren, aber Begleiterscheinungen sind. Die Republik Österreich hat ein Gebäude im Wert von 120 Millionen Schilling – Schilling zuge­gebenermaßen – ohne einen Schilling Investment bekommen. Die Jugendrichter benützen dort jetzt Büroräumlichkeiten und Verhandlungsräumlichkeiten, für die die Republik Österreich vor­her im Landesgericht für Strafsachen Zahlung geleistet hat, ohne sie zu nutzen. Diese sind leer gestanden, waren aber eingerichtet. Alle Verhandlungssäle, alle Kanzleiräumlichkeiten, alle Richterzimmer waren eingerichtet, bis hin zum PC. Diesen wirtschaftlichen Unsinn haben wir als Folgeerscheinung – und das war nicht das Motiv – ebenfalls behoben.

Ich könnte Ihnen noch einige Dinge nennen, denn vielleicht sagt der eine oder andere etwas zu diesen Argumenten. Das Netzwerk blieb bestehen. Die Jugendgerichtshilfe und das gesamte Netzwerk blieben bestehen und stehen wie bisher zur Verfügung.

Ich habe Herrn Präsidenten Jesionek, der bekanntlich Präsident des Weißen Ringes ist, wes­halb ich ihm als Erstem diese 100 000 S an Subvention von Anfang an gegeben habe, angebo­ten, mit seiner Organisation in das Landesgericht für Strafsachen in Wien einzuziehen, um noch näher bei den Jugendlichen zu sein. Er hat das abgelehnt. – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Schau, schau!)

14.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liech­tenstein. – Bitte.

14.10


Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schon gesagt wurde, wird der Jugendgerichtshof Wien mit Ablauf des 30. Juni dieses Jahres aufgelassen. Die am 30. Juni beim Jugendgerichtshof Wien in Ausübung der den Gerichtshöfen erster Instanz zustehenden Gerichtsbarkeit anhängigen Strafsachen sind vom Landesgericht für Strafsachen übernommen und weitergeführt worden. Die am 30. Juni beim Jugendgerichtshof Wien in Ausübung der den Bezirksgerichten zustehenden Gerichtsbarkeit anhängigen Straf-, Jugendschutz- und Pfleg­schaftssachen sind vom jeweils örtlich zuständigen Bezirksgericht weiterzuführen.


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Durch die schon Anfang Jänner 2003 erfolgte Eingliederung der Justizanstalt Wien-Erdberg in die Justizanstalt Wien-Josefstadt und die zur selben Zeit erfolgte Verlegung des Sitzes des Jugendgerichtshofs Wien von der Rüdengasse, wie schon erwähnt, in die Landesgerichtsstraße konnte insbesondere die zum Teil unzureichende Unterbringung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an den Europastandard angepasst werden. Das ist eine Tatsache, an der man nicht vorbei kann.

Das hat zweifelsohne – der Herr Minister hat es schon angedeutet – sicher auch finanzielle Auswirkungen, die insofern positiv sind, da es die Räumlichkeiten bereits gibt und diese zur Verfügung stehen. Was mich sehr beruhig hat, war auch die Trennlinie, dass die Jugendlichen nicht wirklich sehen, was sich sonst alles in der Haftanstalt abspielt. (Bundesrat Konecny: Da müssen Sie Ihnen aber Binden umbinden! Das ist ja lächerlich!)

Im Gegensatz dazu sind außerhalb Wiens – mit Ausnahme des Sprengels des Jugendgerichts Graz und der Sonderzuständigkeit des Bezirksgerichts Linz-Land für die Sprengel der Bezirks­gerichte Linz und Urfahr-Umgebung – alle Jugendliche betreffenden Pflegschafts- und strafge­richtlichen Agenden bei den Bezirksgerichten zusammengefasst.

Ich muss natürlich Folgendes sagen: Wien ist eine Großstadt und hat diesbezüglich andere Not­wendigkeiten und Begehrlichkeiten, die man auch sehen muss.

Wie schon gesagt: Die Ausgangslage legt eine Umstrukturierung nahe, bei der alle bezirksge­richtlichen Agenden des Jugendgerichtshofs Wien aus dem Straf- und Pflegschaftsbereich, wie in anderen Landeshauptstädten, auf die bestehenden Vollbezirksgerichte in Wien aufgeteilt werden und in die Gerichtshofzuständigkeiten des Landesgerichts für Strafsachen Wien fallen­den strafrechtlichen Materien übergeht.

Ich darf dazu etliche Schwerpunkte anführen, die ich aus dem Gesetzentwurf gelesen habe. Die Jugendgerichtsbarkeit soll in allen Bundesländern gleich organisiert werden. Das ist sicherlich einer der Gründe. Bezweckt ist eine Vereinheitlichung der Gerichtsstruktur durch Beseitigung der getrennten Stellung des Jugendgerichtshofs Wien zwischen Gerichtshof und Bezirksgericht. Da ist sicherlich eine spezielle Eignung der mit Jugendstrafsachen zu betrauenden Richter und Staatsanwälte nötig, und diese bleibt unverändert in Geltung. Es ist auch sehr wichtig, dass diese Richter und Staatsanwälte vorhanden sind.

Das Gerichtsorganisationsgesetz normiert grundsätzlich die Jugendstraf- und Pflegschafts­sachen, die notwendige Spezialisierung beziehungsweise Konzentrierung auf Jugendliche und junge Erwachsene bei einem Richter. Künftig werden österreichweit spezialisierte Richter für Jugendstraf- und Jugendschutzstrafsachen junger Erwachsener sowie Pflegschaftssachen Min­derjähriger, bei denen aus bestimmtem Anlass eine Gefährdung der persönlichen Entwicklung zu besorgen ist, zuständig sein.

Strafverfahren, an denen sowohl erwachsene als auch jugendliche Beschuldigte beteiligt sind, können rascher abgewickelt werden. Es ist auch die stärkere Inanspruchnahme von Sozialmaß­nahmen wie etwa im außergerichtlichen Tatausgleich – die Frau Kollegin hat es schon erwähnt – in Aussicht genommen, was diese Umstrukturierungen erwarten lassen. Außerdem ist natürlich der Verwaltungsaufwand geringer.

Bei den Übergangsvorschriften wird garantiert, dass anhängige Verfahren nach den geänderten Zu­ständigkeitsbestimmungen bei den jeweils sachlich und örtlich zuständigen Landes- be­ziehungs­­weise Bezirksgerichten weitergeführt werden können.

Die Aufhebung der Sonderzuständigkeit des Jugendgerichtshofs Wien stellt dabei eine Auf­lösung der Organisation als eigenes Gericht dar, lässt aber doch die Jugendgerichtsbarkeit als solche unberührt. Die Jugendgerichtsbarkeit in Wien soll eben auf Gerichtshofebene nur zum Landesgericht für Strafsachen Wien verlagert werden, ohne die Rechtsprechungsqualität irgendwie zu beeinträchtigen.


Bundesrat
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Über die Räumlichkeiten und über die Historie des bisherigen Gebäudes wurde bereits gespro­chen. Es ist tatsächlich unter Schutz gestellt. Das ist natürlich eine Frage, die man relativ schwer bezüglich Denkmalschutz klären kann angesichts der Tatsache, dass dort 40 Zellen sind und 170 Personen inhaftiert sind. Da muss man natürlich zu modernen, neuen europakon­formen Kriterien kommen. Wie auch schon gesagt wurde, darf dabei nicht der Anti-Folter-Kon­vention aus dem EU-Bereich widersprochen werden.

Ich glaube, dass es absolut notwendig ist, eine Erneuerung durchzuführen. Wir müssen natür­lich danach trachten, dass die Jugendlichen nicht den Eindruck haben, dass sie in dem großen Gefängnis schwerer involviert sind, weil Jugendliche Leute sind, die man ganz besonders ansprechen muss. Ihnen gegenüber hat man noch eine große Verantwortung, und man muss danach trachten, dass sie von der Kriminalität wegkommen und zu einem normalen Leben finden.

Wir von der ÖVP werden der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 und des Gerichts­organisationsgesetzes zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Reisenberger. – Bitte.

14.17


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sie haben vorhin gemeint, dass keine Argumente von den Vorrednern gekommen seien. Ich hoffe, ich kann Ihnen eine Reihe von Argumenten liefern, die Sie selbst sicherlich ge­nauso gut kennen wie ich – und das ist das Schlimme daran. Wenn Sie, Herr Bundesminister, heute davon gesprochen haben, dass die 20- bis 21-Jährigen in dem alten Gebäude zu wenig Platz gefunden hätten, so gebe ich Ihnen schon Recht, nur – ich darf noch darauf zurück­kommen – wenn wir von zu wenig Platz in Haftanstalten an und für sich sprechen, so muss ich sagen, ist das ein grundsätzliches Problem, das wir in Österreich mit dem Ost-West-Gefälle haben, das natürlich als dramatisch zu bezeichnen ist.

40 Zellen für 170 Personen – das geht natürlich nicht. Die Möglichkeit darin zu sehen, ein Sys­tem abzuschaffen, ein System zu verändern, ein System zu zerschlagen, sehr geehrter Herr Bundesminister, ist aber auch keine Lösung – keine für die Menschen in Österreich und vor allem keine für die Jugend in Österreich!

Wirtschaftliche Gründe als Nebeneffekt anzuführen und zu sagen, das sei positiv, schön und gut, dazu kann ich nur sagen: aber nicht auf Kosten der Menschen, nicht auf Kosten der jungen Menschen! Außerdem wäre es nicht notwendig gewesen.

Mein lieber Freund Dr. Liechtenstein! Ich hoffe, es schadet dir nicht, wenn ich das jetzt sage: Uns verbinden wirklich viele gemeinsame Ansichten. Aber ich kann nicht glauben, dass es dir ernst ist, wenn du sagst: Man hat ohnehin eine Trennlinie zwischen den jungen und den er­wachse­­nen Straffälligen geschaffen. – Das glaubst du selbst nicht; und niemand, der hier sitzt und ehrlich darüber diskutiert, kann solch eine Argumentation ernst nehmen.

Wien als Großstadt hat andere Voraussetzungen als die Bundesländer, hast du gesagt. – Das ist völlig richtig, da sind wir wieder voll auf einer Linie. Daher geht es hier auch um andere Voraussetzungen. (Zwischenrufe.) – Großstädte grundsätzlich, das mag schon sein! Aber dann muss man sich nach dem Bedarf richten und darf nicht sozusagen über alles darüberwischen und darüberwandern. Alle Bundesländer gleich und das auf Kosten der Jugendlichen – das lese ich aus diesem System heraus, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auflösung des Jugendgerichtshofes hat zur Folge, dass positive Dinge nicht erhalten bleiben können. Das ist ganz klar, und das zeigt sich auch. Die Jugend ist eine besondere Gruppe, wurde von Herrn Bundesrat Dr. Liechtenstein ge­sagt, und diesbezüglich sind wir auf der gleichen Linie. Daher ist es meiner Meinung nach umso betrüblicher, dass man sich nun zur Auflösung des Jugendgerichtshofes entschlossen hat.


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Es geht bei dieser Gesetzesvorlage in Wirklichkeit um die Zerschlagung des Jugendgerichts­hofes, auch wenn der Tagesordnungspunkt heißt: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichts­gesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine politische Partei hat die Zerstörung einer so beispielgebenden Einrichtung zur Resozialisierung Jugendlicher in ihrem Wahl- oder Parteipro­gramm jemals gehabt – weder die ÖVP noch die FPÖ, aber das war bei anderen, dem Wohl der Menschen widersprechenden Regierungsvorhaben im Wahlkampf auch nicht der Fall.

Herr Bundesminister! Dass diese Idee nicht von Ihnen stammt beziehungsweise nicht von Ihnen kommen kann und auch nicht Ihrem Verständnis für Resozialisierung Jugendlicher entspricht, würde ich Ihnen im positiven Sinn „unterstellen“. Unsere Bemühungen um Sachlichkeit gingen so weit, dass wir eine Enquete veranstaltet haben, um mit in- und ausländischen Wissen­schaftlern dieses Thema zu beraten.

Herr Bundesminister! Sie kennen das Ergebnis dieser Beratungen. Viele von Ihnen hier wissen, was bei dieser Enquete herausgekommen ist. Sukkus der Aussagen aller Fachleute war, dass es sich bei der Auflösung des Jugendgerichtshofes um einen „justizpolitischen Wahnsinn“ handelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da kann man wirklich nicht sagen, das sei parteipoli­tisch gefärbt, da wolle man nur politisches Kleingeld machen, sondern da geht es um Grund­sätzliches. Da geht es in die Tiefe: Einen Jugendgerichtshof zu zerschlagen und das Ganze auf 12 Gerichte in Wien aufzuteilen, bewirkt eine klare Verschlechterung beim Umgang mit jungen Menschen.

Gerade hier – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig; nur hinsichtlich der Umsetzung sind wir anderer Meinung – darf man Jung und Alt nicht „gemeinsam“ – unter Anführungszeichen – betreuen. Es muss uns darum gehen, zu verhindern, dass junge Menschen kriminell werden beziehungsweise nicht bleiben, wenn sie in die Kriminalität abgerutscht sind. Es heißt ja nicht, einen Fehltritt zu machen, einmal hinzufallen, bedeutet, ewig liegen zu bleiben. Es ist in unser aller Sinn, dass wir da Hilfestellung leisten, damit die Jugendlichen wieder aufstehen können.

Eine schlechte Auslastung der Gefängnisse kann wohl nicht der Grund sein, Herr Minister, der Sie zu dieser Maßnahme veranlasst hat. Ich sage Ihnen nichts Neues; Sie kennen wahrschein­lich sogar die Zahlen vom gestrigen oder heutigen Tag. Mit unseren über 8 000 Haftplätzen fin­den wir nicht das Auslangen. Wir haben eine Auslastung der Plätze nicht nur von 100 Prozent – so schlimm das klingen mag –, sondern darüber hinaus. Wir haben mehr Häftlinge, als es dafür Plätze gibt.

Dabei gibt es – ich habe das heute schon einmal angesprochen – ein großes Ost-West-Gefälle. Wenn wir uns in Wien die Dienststelle Josefstadt ansehen, dann können wir feststellen, dass es dort mehr Insassen gibt, als mit 950 Haftplätzen das Auslangen gefunden werden kann.

Herr Minister! Sie wissen das ganz genau, und das ist auch der Grund, warum für die Justiz­anstalt Josefstadt eine Außenstelle in Simmering errichtet wurde, und zwar für U-Häftlinge. Wenn wir das wissen, dann können wir doch nicht von einer besseren Auslastung sprechen und davon, dass wir den Jugendgerichtshof nicht mehr brauchen. Wir hätten nichts anderes machen müssen, als den Jugendgerichtshof Wien, der in Wirklichkeit wunderbar funktioniert hat, mit einem zweiten Haus zu erweitern. Auch diese Möglichkeit hätte es zweifelsohne gegeben.

Genau die gleiche Frage stellte sich, als Sie Ersatz für die U-Häftlinge gefunden haben. Wenn man sucht, dann findet man eine Lösung. Herr Minister! Ich bin überzeugt, Sie hätten gefunden, wenn Sie gewollt hätten.

Wir wollen keine Zerstörung eines bestens funktionierenden Jugendstrafvollzuges, der sich in erster Linie die prophylaktische Arbeit mit Jugendlichen zur Verhinderung einer „Karriere“ in der Szene der Kriminellen zur Aufgabe gemacht hat.


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Ihren Wortspenden ist zu entnehmen – ich bin zwar sehr überrascht –, dass Sie auch Herrn Präsidenten Jesionek als einen äußerst fähigen Menschen einschätzen. Er war Garant dafür, dass die Resozialisierung – auch und vor allem in prophylaktischer Art und Weise – Platz gegriffen hat.

Es geht mir auch um die Kolleginnen und Kollegen, die in den Strafanstalten einen wirklich nicht einfachen Dienst zu versehen haben. Herr Minister! Sie wissen das auch, Sie selbst haben auch schon davon gesprochen. Ich will nicht hören – aber diese Gefahr sehe ich –, dass die Beschäftigten in der Jugendstrafanstalt Josefstadt ihren Dienst nicht ordentlich versehen hätten, denn wir wissen, dass sie überlastet sind, dass sie nicht die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche Zeit haben!

Die Jugendstrafanstalt Josefstadt ist für dieses Vorhaben bei allem Einsatz der Beschäftigten – und der geht bereits jetzt weit über das normale Maß hinaus – nicht geeignet.

Herr Minister! Sie feierten vor ein paar Tagen Ihren 60. Geburtstag, zu dem ich Ihnen – und das ist ganz ehrlich gemeint – alles Gute wünschen möchte. Machen Sie sich vielleicht selbst noch ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk, und befolgen Sie meinen Rat, denn ich bin überzeugt, es würde Ihrer inneren Überzeugung entsprechen: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück! Es gibt andere Lösungen in dieser Frage. Opfern Sie nicht die Resozialisierung junger Menschen und damit die Zukunft dieser schnöden Einsparungsmaßnahmen!

Herr Bundesminister! Geben Sie den Menschen, die die Verantwortung in den Strafanstalten Wiens haben, also auch den Beschäftigten, die Chance, ihren Beruf so auszuüben, wie es ihrem Arbeitsvertrag entspricht! Schlagen Sie nicht den gleichen Weg wie Bundesminister Strasser ein! Ich war entsetzt, als ich vor ein paar Tagen zu hören bekam, dass er eine Redu­zierung der Zahl der Dienstposten um 460 für 2004, um 460 für 2005 und um 1 000 für 2006 plant.

Sicherheit ist genau so wenig ein geeigneter Bereich wie die Pensionen, um eine schlechte und unprofessionelle Budgetpolitik zu kompensieren!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nehmen wir gemeinsam die Anforderungen der Zukunft an! Geben Sie uns, Herr Bundesminister, den Jugendgerichtshof Wien wieder zurück in der Form, in der er sich in der Vergangenheit bewährt hat! Die Kosten – die gebe ich schon zu, und die haben auch Sie angeführt –, die entstehen würden, um ihn auf den letzten Stand der Dinge zu bringen, stehen in keiner Relation zu dem Schaden, welcher mit dieser Gesetzes­änderung bewirkt werden wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Dr. Aspöck. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.27


Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nach der Wortspende von Frau Kollegin Schlaffer habe ich gehofft, dass wenigstens vom Herrn Kollegen Reisenberger stichhältige Argumente kommen würden. Doch es kam nicht eines! Kollegin Schlaffer hat uns erzählt, dass es mit der Betreuung im Burgenland nicht funktioniere. Was, bitte, hat das mit dem Jugendgerichtshof Wien zu tun? (Bundesrätin Schlaffer: Moment! Da haben Sie nicht zugehört! Ich habe Parallelen herge­stellt! – Bundesrat Konecny: Zuhören! Zuhören!)

Kollege Reisenberger hat – auch wir verstehen uns in vielen Punkten sehr gut, wie ich auch von hier aus bestätigen kann – ein schlagendes Argument gebracht. Er hat gesagt: Herr Bundes­minister, Sie wissen ja, viele Fachleute haben Argumente gehabt! Aber ich habe kein einziges gehört. Ich frage Sie: Welche Fachleute haben bei dieser Enquete was behauptet? Ich habe über die „erfolgreiche“ Tätigkeit des Jugendgerichtshofes Wien andere Informationen, insbeson­dere auch aus dem vorliegenden Bericht, und zwar aus den Erläuterungen dazu.


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Ich möchte ganz allgemein sagen: Bei unserem so reformfreudigen – Gott sei Dank so reform­freudigen – Justizminister gab es kaum ein Thema, das von der Opposition mehr emotionalisiert wurde als genau dieser Punkt. Jetzt sage ich auch in aller Offenheit, was meines Erachtens dahinter steckt: Da man keine Argumente zu hören bekommt, kommt es mir so vor, als ob die SPÖ-Opposition den eigentlichen Grund ihrer ablehnenden Haltung, nämlich die Erhaltung geschützter roter Werkstätten mit bestimmten Bedingungen, die aber gar nicht so erfolgreich waren, wie immer wieder behauptet wird (anhaltende heftige Zwischenrufe bei der SPÖ), krampfhaft mit anderen Argumenten zu verteidigen versucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man kann doch nicht über Argumente drüberfahren (Bundesrat Konecny: Das tun Sie gerade!), wenn man weiß, dass menschenrechtswidrige Zustände in Zellen herrschen! (Bundesrätin Schlaffer: Das hätte der Bundesminister abschaffen können! Dazu hätte er die finanziellen Mittel gehabt! Statt einfach hinzugehen und zu sagen: Kein Platz! Das ist etwas, was der Herr Bundesminister selbst verursacht hat!)

Meine Damen und Herren! Was hier vom Kollegen Reisenberger und von Ihnen, Frau Schlaffer, eröffnet wurde, das war eine allgemeine Debatte darüber, dass man insgesamt für die Justiz mehr Geld ausgeben müsste, um bessere Haftbedingungen und Nachbetreuungsbedingungen et cetera zu schaffen. Das steht aber beim Jugendgerichtshof Wien nicht zur Debatte, sondern das ist eine Frage, die Sie an Karl-Heinz Grasser richten müssen, der dem Justizminister nicht so viel Geld gibt. (Bundesrat Konecny: Haben Sie mit dem irgendetwas zu tun? Sie sind in einer Regierung, der auch Herr Grasser angehört!)

Meine Damen und Herren! Bringen wir es doch logisch auf den Punkt (Bundesrat Konecny: Sie mögen den Grasser nicht!) und fragen wir uns: Was ist das Ziel einer erfolgreichen Jugend­gerichtsbarkeit? (Bundesrat Konecny: Der Herr Minister mag ihn auch nicht!) Herr Klubvor­sitzender! Ich frage Sie: Was ist das Ziel einer erfolgreichen Jugendgerichtsbarkeit? Was will ich damit erreichen? – Es gibt nur eine Antwort, Herr Klubvorsitzender, Herr Professor Konecny! (Bundesrat Konecny: Machen wir einen Beschluss: Wir mögen ihn alle nicht!) Die Antwort heißt: die möglichst rasche und vor allem nachhaltige Resozialisierung.

Wenn der Wiener Jugendgerichtshof wirklich so erfolgreich war, dann frage ich mich, warum frühere Koalitionen – an denen natürlich auch die ÖVP mit beteiligt war, in welchen aber die Justizminister stets rot dominiert waren – beziehungsweise warum denn die Vorgänger meines Freundes Dieter Böhmdorfer nicht längst solche Jugendgerichtshöfe in ganz Österreich einge­führt haben? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! So geht es doch nicht, nämlich einfach zu behaupten: Wien ist eine Großstadt, und deswegen brauchen wir das, und die Vorarlberger, die Salzburger, die Tiroler und die Kärntner kriminellen Jugendlichen sind uns völlig egal. Wäre dieser Jugendgerichts­hof erfolgreich gewesen, dann hätte doch schon Broda dahin gehend agiert und flächen­deckend – denn alle Österreicher sind gleich! – in Österreich solche eingeführt.

Jetzt komme ich zum nächsten logischen Punkt, meine Damen und Herren: Offenbar ist es genau umgekehrt gewesen! Die Wahrheit ist: Im Jugendgerichtshof hat es mit der Resozialisie­rung und mit dem außergerichtlichen Tatausgleich et cetera nicht so gut funktioniert.

Frau Kollegin Schlaffer! Nun zur Ihrem Argument mit den Staatsanwälten und dazu, dass Sie plötzlich wieder Weisungen vom Herrn Justizminister verlangen – von einem Justizminister, den Sie immer wieder angreifen und von dem Sie fordern, dass er endlich auf sein Weisungsrecht verzichten soll, der jedoch von diesem Weisungsrecht noch nie Gebrauch gemacht hat. Früher gab es Justizminister, die geradezu in skandalöser Weise vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht haben. Damals hätte dieser Ruf gegolten, heute gilt er nicht. Bei einem solchen Justiz­minister ist alles in Ordnung! (Bundesrat Konecny: Hat er nicht Ofner geheißen!) – Nein! Er ist diesbezüglich mit Broda nicht zu vergleichen, der ist uneinholbar. Das ist so, als würde Franz Berger heute noch die Rennsiege von Schuhmacher erreichen wollen. Das ist nicht möglich. So ungefähr ist das Verhältnis. (Bundesrätin Schlaffer: Gerhard Berger ist das! Nicht einmal das wissen Sie! Setzen Sie sich nieder!)


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Meine Damen und Herren! Ich zitiere Ihnen aus dem Bericht – und das ist die Essenz, die daraus hervorgeht, wie „erfolgreich“ – aber bitte unter Anführungszeichen – dieser Jugendge­richtshof war –: Obwohl der besonders für junge Straftäter prädestinierte und auch ohne Antrag­stellung der Staatsanwaltschaft anwendbare – Frau Kollegin, das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! – außergerichtliche Tatausgleich einen Eckpunkt der Jugendstrafrechtspflege dar­stellt, liegt hier der Jugendgerichtshof Wien zahlenmäßig weit hinter sämtlichen anderen Bun­desländern, in denen die Jugendgerichtsbarkeit an den zuständigen Bezirks- und Landesgerich­ten ausgeübt wird. (Bundesrätin Schlaffer: Ich habe Ihnen alle Gründe dafür gesagt, aber Sie haben nicht zuhören wollen!)

Ich zitiere weiter: Offensichtlich wurden hier die Ergebnisse einer bereits 1994 vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie erstellten vergleichenden Studie zur Jugendgerichtspraxis und Rückfallstatistik weiter fortgesetzt. Schon damals ist festgestellt worden, dass trotz des beste­henden Netzwerks von den Möglichkeiten sozial konstruktiver Intervention am Jugendgerichts­hof Wien wenig Gebrauch gemacht wird und entweder nicht intervenierende Diversionsmaß­nahmen – so wie der Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, so wie der Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit und so weiter – oder relativ strenge Sanktio­nen, was ein ungewöhnlich hoher Anteil unbedingter Strafen zeigt, gesetzt werden. – Wo? – Am Jugendgerichtshof Wien!

Ich zitiere weiters: Von diesem Reaktionsmuster hebt sich die jugendgerichtliche Praxis in ande­ren Gerichtssprengeln zum Teil deutlich ab, obwohl bei einer vergleichenden Betrachtung der Kriminalitätsverhältnisse Wien nicht schlechter abschneidet als die größeren Landeshaupt­städte.

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten!

Wäre er besser gewesen, dann wäre er doch längst für ganz Österreich eingeführt worden! Warum das nicht geschehen ist, obwohl er angeblich besser gewesen ist, verstehe ich nicht. Das hätte doch geschehen müssen – aber schon viele Jahre vor diesem heutigen Tage.

Dieses Zitat belegt, dass er in Wahrheit schlechter war. Das heißt: Wenn man jetzt den Schluss vom übrigen Österreich auf Wien zieht, dann kann man sich für die künftigen straftätigen Jugendlichen in Wien nur freuen und ihnen zurufen: Mit diesem Gesetz wird die Betreuung aller Voraussicht nach besser, liebe Jugendliche! (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. – Bundesrätin Schlaffer: Der Dr. Böhm, der glaubt es! – Bundesrat Konecny: Einer Hoffnung kann man applaudieren, wobei der Kollege nicht wirklich eine Hoffnung ist!) Wir können auf diesem Niveau natürlich auch weiter diskutieren, ob ich eine Hoffnung bin oder nicht. (Bundesrat Konecny: Sie tun es die ganze Zeit!) Nein, ich habe Ihnen zwei Argumente genannt.

Das eine Argument lautet: Wäre diese Einrichtung besser gewesen, dann hätten Ihre sozial­demokratischen Justizminister sie längst für ganz Österreich schaffen müssen.

Tatsache ist, dass die Justiz im Bereich der Jugendlichen im übrigen Österreich besser funktioniert, als sie am Jugendgerichtshof Wien funktioniert hat. Ich kann daraus nur einen Schluss ziehen: dass Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, gerade bei diesem Thema wieder nicht Opposition, sondern Fundamentalopposition betreiben! (Beifall bei den Bundes­räten Ing. Klamt und Dr. Kanovsky-Wintermann. – Bundesrat Konecny – in Bezug auf den Beifall –: Die einen sind nicht da, und die anderen sind nicht Ihrer Meinung!)

14.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.37


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Aspöck! Ich habe hier Hunderte Seiten Text zu diesem Thema, aber ich muss sagen – mit allem Respekt, und das ist noch höflich –:


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696. Sitzung / Seite 42

So viel Nonsens zu diesem Thema habe ich noch nie gehört! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Jawohl!)

Ich gehe im Gegensatz zu Ihnen, Herr Aspöck, im Jugendgerichtshof Wien seit 26 Jahren ein und aus und kenne das Haus mit Sicherheit von allen hier in diesem Haus am besten. Ich kenne es wahrscheinlich auch besser als der zuständige Herr Justizminister, weil ich im Auftrag des Justizministeriums dort tätig bin. (Bundesrat Konecny: Das muss man schnell ändern und Schennach abdrehen!)

Der Herr Justizminister ist seit seinem Amtsantritt oft kritisiert worden, ich sage: oft auch über­zogen kritisiert worden, im dem einen oder anderen Fall vielleicht auch zu Unrecht, aber in diesem Bereich, bei dieser Materie, Herr Minister, verdienen Sie die Kritik zu Recht.

Da Herr Gruber so besonders amüsiert war: Es sind keine Volltrotteln gewesen, die 1919 und 1920 beisammen gesessen sind und die österreichische Bundesverfassung erarbeitet haben. Diese haben 1919 und 1920 eine rechtsstaatliche Anomalie als notwendig erkannt und festge­schrieben. Das ist eine Gerichtskonstruktion, die zwischen Bezirksgericht und Landesgericht angesiedelt ist. Das waren Leute – und darunter waren auch welche aus dem christdemokrati­schen Lager; Sie wissen das –, die diese Notwendigkeit erkannt haben, und sie haben eine Konstruktion der Bündelung an Wissen, der Bündelung an Resozialisierung und der Bündelung an Organisation geschaffen.

Wissen Sie, wer aller in diesem Jugendgerichtshof ansässig ist? – Das sind das Jugendamt, die Jugendgerichtshilfe, das Pflegschaftsgericht, das Landesgericht, das Bezirksgericht, das Gefan­genenhaus und die Bundespolizeidirektion.

Das heißt, wir haben hier eine unglaubliche Bündelung. Heute, mit der Zustimmung zur Schlie­ßung, splittern wir das auf 14 Gerichte in Wien auf. Wir hatten seit 1920, respektive seit es das Haus in der Rüdengasse gibt, eine Zusammenfassung. Ich glaube, das war 1928, vorher war es im 10. Bezirk.

Dieses Modell ist natürlich auf eine Großstadt zugeschnitten. Es ist doch Nonsens, eine solche Konstruktion für Kärnten, Salzburg oder Tirol zu erfinden! Das ist das Modell für eine Großstadt mit ihren spezifischen, jugendkriminellen Entwicklungen in Bezug auf Jugendbandentum und so weiter.

Herr Bundesminister Böhmdorfer weiß das, und er weiß es von seinen Vorgängern. Übrigens, bei allem Respekt: dass Herr Minister Foregger und Herr Minister Michalek Parteimitglieder der SPÖ sind, ist mir neu. Ich würde sagen, sie würden hier wahrscheinlich eine tatsächliche Berichtigung verlangen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck.)

Sie wissen doch, wie lange ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Den Jugendgerichtshof hat es lange genug gegeben, da hat es sozialistische Minister gegeben!) Sie haben gesagt, der Vorgänger des Herrn ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Ich habe gesagt, vor vielen Jahren! – Bundesrat Konecny: Nein, das haben Sie nicht gesagt!)

Wissen Sie, es geht hier doch gar nicht darum, ob das ein rotes Haus ist oder nicht. Vielleicht ist das die Motivation der FPÖ oder des Herrn Ministers. Oder geht es tatsächlich um die persön­lichen Unverträglichkeiten zwischen Jesionek und Böhmdorfer? – Herr Böhmdorfer streitet das ab, das gab es nicht. Ich nehme das einmal zur Kenntnis.

Ich gehe jetzt auf die Argumente des Herrn Ministers ein. Das erste ist die rechtspolitische Anomalie. – Diese Anomalie war von den Verfassungsgebern der Zweiten Republik ganz bewusst gewünscht, und diese rechtsstaatliche Anomalie ist ein Vorbild.

Sehen Sie sich die Entwicklung in den Reformstaaten an! Der Jugendgerichtshof Wien, der jetzt abgeschafft wird, entsteht derzeit nach österreichischem Muster in den Reformstaaten, entstand nach österreichischem Vorbild in Japan, wobei Japan noch das Familienrecht hinzugefügt hat und damit über das Vorbild Österreich sogar weit hinausgegangen ist.


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696. Sitzung / Seite 43

Nächstes Argument, lieber Kollege Vincenz Liechtenstein: Herr Dr. Böhmdorfer sagt immer wieder: dieses Armenhaus in der Rüdengasse. – Das ist kein Armenhaus, das war ein hoch modernes Gericht! Vor vier Jahren hat die Republik, haben die Vorgänger von Herrn Dr. Böhm­dorfer 90 Millionen Schilling in die Sanierung des Gebäudes in der Rüdengasse investiert. Das ist ja unglaublich! 90 Millionen Schilling wurden in ein Objekt investiert.

Richtig, es gab Gebäudeteile, die sanierungsbedürftig waren, da haben Sie völlig Recht. Ich kenne diese Zellen. Da waren Teile noch nicht saniert, und das ist abträglich gewesen, es war unzumutbar, dass Jugendliche dort aufbewahrt werden.

Aber bei aller Zusammenführung, die wir in der Rüdengasse hatten, war eines garantiert: die Trennung von Erwachsenen und Jugendlichen. Mit diesem Milieu sind die Jugendlichen in der Rüdengasse nicht zusammen gekommen.

Hätten wir den 90 Millionen Schilling vielleicht noch 5, 6 oder 7 Millionen Schilling nachfolgen lassen, dann wären auch jene Teile, die nicht der Menschenrechtskonvention entsprochen haben, saniert worden. Aber was wurde eingesetzt? – Nichts! Wir haben in der Rüdengasse hoch moderne Lehr- und Unterrichtsräume. Das Justizministerium hat das Personal abgezogen! Da standen hoch moderne Unterrichts- und Lehrwerkstätten still!

Dort, wo die Jugendlichen jetzt hinkommen, können Sie weder Fußball spielen, noch bekom­men sie eine Ausbildung. Das wird alles noch kommen, aber in der Zeit, die das, was der Herr Minister angekündigt hat, braucht, hätten wir das in der Rüdengasse schon längst erledigen können.

Weiters: die Transportkosten. Es war klar – das sollte wohl ein Grundsatz dieser Trennung sein –, dass weibliche Gefangene im Gefangenenhaus in der Rüdengasse nichts zu suchen haben, es war klar, dass volljährige Komplizen dort nichts zu suchen haben, und es war klar, dass Häftlinge, die unter besonderem Maßnahmenvollzug sind, dort nichts zu suchen haben. Aber Transportkosten haben wir jetzt auch! Jetzt haben wir 14 Gerichte, die dafür zuständig sind, und jetzt müssen wir wiederum die Gefangenen durch Wien transportieren. Die Transport­kosten können also nicht der Grund für die Schließung des Jugendgerichtshofes sein.

Gehen wir in der Geschichte des Hauses in der Rüdengasse noch ein Stück zurück! Ich möchte nur zwei Dinge erwähnen. Einer der Meilensteine auch dieses Gremiums hier war sicherlich die Verabschiedung des außergerichtlichen Tatausgleiches. Das war sicherlich ein Meilenstein in der Justizgeschichte. Aber das ging nicht ohne die Vorarbeit und ohne ein maßgebliches Zutun des Wissens, das im Hause des Jugendgerichtshofes erarbeitet wurde. – Herr Minister Böhm­dorfer! Wenn Sie fair sind, dann werden Sie zugeben, welche besondere Rolle der Jugendge­richtshof dabei immer wieder gespielt hat.

Nächster Punkt: Die Jugendgerichtshilfe, deren Sitz in der Rüdengasse war, hat in den letzten Jahren ein Anti-Aggressions-Modell entwickelt, das heute international von hohem Wert ist und hohe Anerkennung findet. Dieses Anti-Aggressions-Modell hat die Jugendgerichtshilfe natürlich dort verwirklichen können, wo alles wieder zusammen war, nämlich im Gefangenenhaus in der Rüdengasse.

Nun kommen die Jugendlichen in ein Haus mit 1 300 Häftlingen. Ich habe mir einen Bericht her­ausgesucht. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Herr Gruber, ich würde Sie gerne einmal einladen, sich anzuschauen, wie das ist, wenn 1 300 Häftlinge nach 15 Uhr mit 35 Wachebeamten in einem Haus sind, wenn 15- bis 17-jährige Jugendliche Zelle an Zelle neben Mafiapaten aus der polnischen Szene einquartiert werden! Kollege Gruber! Angesichts dessen sollten Sie keine solchen Zwischenrufe mehr machen!

Das ist die Realität: 35 Wachebeamte mit 1 300 Häftlingen! Und das nennen Sie heute „Erfolg für die Jugendlichen“?! – In der Rüdengasse konnten die Jugendlichen ruhig schlafen, ohne daran denken zu müssen, dass neben ihnen, in der nächsten Zelle, Leute der Mafia oder andere schwere Burschen sitzen.


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696. Sitzung / Seite 44

Es geht darum: Wenn heute ein Jugendlicher mit der Justiz in Berührung kommt, dann gibt es in der Regel eine entsprechende Familiengeschichte. Professor Friedrich hat das bei der Enquete auch gesagt: Wenn die Familie bereits über zwanzig Mal einen polizeilichen Kontakt hatte, dann ist das Allerwichtigste für die Resozialisierung, den Jugendlichen genau diesem Milieu zu ent­ziehen, damit Resozialisierung überhaupt eine Chance hat. – Und jetzt kommen diese Jugend­lichen in ein Haus, in dem auch ältere, erwachsene Gefangene einsitzen.

Ich hatte in der Betreuung in der Rüdengasse einmal einen Jugendlichen, der wegen zwei Kas­setten, die er aus einem Auto entwendet hat, neun Monate lang gesessen ist. Er war 15 Jahre alt, und das Gericht hat ihn nach neun Monaten U-Haft freigesprochen. Der Richter hat nachher gesagt: Glauben Sie nicht, Sie haben jetzt ein Guthaben für die Zukunft! – Es wurde erklärt, wie wichtig es ist, dass gerade solche Jugendliche nicht mit einem Gefangenenhaus in Berührung kommen, das für sie prägend wird, in dem sie vielleicht sexuelle Nötigung oder andere Formen von Erpressung erleben! Es geht darum, zu verhindern, dass diese Jugendlichen dort neue Vorbilder bekommen, nämlich tatsächlich kriminelle Vorbilder.

Den Jugendlichen mit den zwei Kassetten und neun Monaten U-Haft konnten wir Gott sei Dank so weit resozialisieren, dass er bis zum heutigen Tag nicht mehr straffällig geworden ist.

Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen! Ich muss bei der Jugendgerichtsbarkeit auch auf den Hintergrund hinweisen. Wir verzeichnen seit dem Jahre 2000 Zuwächse, die beängstigend sind! Im Suchtgiftbereich: plus 60 Prozent, gewerbsmäßiger Diebstahl: plus 84 Prozent, Haftzu­gänge Jugendliche: plus 66 Prozent, Haftzugänge junge Erwachsene – das sind jene zwischen 19 und 21 Jahren –: plus 35 Prozent.

Dazu kommt bei den jungen Erwachsenen, dass das Parlament quasi mit einem Federstrich beschlossen hat, dass die volle Straffähigkeit um ein Jahr gesenkt wird. Mit einem kleinen „Auf­zeigen“ bei der Abstimmung hat man im Grunde die Verdoppelung des Strafrahmens riskiert.

Ich möchte wissen, wo da der große Sprung zwischen 18 und 19 ist, für den man den Strafrah­men einfach verdoppelt! Mit welchem Recht man da die Besonderheiten des Jugendgesetzes einfach beiseite schiebt, das ist eine Frage, die sich der Gesetzgeber, wie ich meine, besser überlegen hätte sollen. Ein paar Dinge wären dabei wohl noch zu berücksichtigen gewesen.

Die Grenzmengen für Drogen sind herabgesetzt worden, was einer Erhöhung der Strafen gleichkommt.

Zu den bedingten Entlassungen: Herr Minister! Die Entwicklung in diesem Bereich bedauere ich sehr! Sie wissen, was das für die Resozialisierung bedeutet. 80 Prozent der Verurteilten sitzen derzeit ihre Strafe ab. Dieser Rückgang bei den bedingten Entlassungen, die gerade die Chance bieten würden, den Jugendlichen durch verschiedenste Möglichkeiten wieder in die Ge­sellschaft zu integrieren, ist bedenklich. Nicht das Wegsperren ist à la longue das Ziel, sondern die Resozialisierung. Und gerade die Zahl der bedingten Entlassungen geht zurück!

Eine Zahl, Herr Kollege Gruber: Die Bewährungshilfe kostet am Tag 10 €, die Haftanstalt 100 €. – Ich frage mich, was à la longue insgesamt – wenn man noch das Sozialsystem dazu­rechnet – günstiger kommt: die Haft oder die Bewährung, die schrittweise Resozialisierung und das Vermeiden des Kontaktes mit schweren Kriminellen. Es geht darum, zu verhindern, dass die Kriminalisierung, die Stufe der Gewalt, so früh in einem Leben einsetzt. Es geht darum, zu verhindern, dass die Jugendlichen neue kriminelle Vorbilder bekommen. Dies wird aber unter Umständen der Fall sein, wenn jetzt der Jugendgerichtshof seine Pforte schließen muss.

Herr Minister Böhmdorfer! Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie oft zu Unrecht oder zu hart kritisiert wurden. Aber ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich glaube, das ist einer der entscheidendsten Fehler in Ihrer Amtszeit.

Minister Grasser, der lange Zeit Ihr Parteikollege war, hat diese Woche gesagt: Wir haben Fehler gemacht. – Es wäre schön, wenn Sie sagen könnten: Ich habe mit der Abschaffung, mit der Auflösung des Jugendgerichtshofes überzogen, ich habe tatsächlich einen Fehler gemacht.


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696. Sitzung / Seite 45

Herr Bundesminister Böhmdorfer! Setzen Sie das aus, überlegen Sie sich das! Alle Jugend­richter, alle Jugendstaatsanwälte, alle, die etwas damit zu tun haben, sagen: Das darf doch nicht wahr sein! Das ist ein Fehler!

Herr Bundesminister! Berufen Sie einen „Runden Tisch“ ein! Machen Sie noch einmal eine Pause. Ich glaube, die Schließung des Jugendgerichtshofes ist der falsche Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Hlavac. – Bitte.

14.52


Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich ursprünglich nicht zu Wort melden, weil ich leider das Gefühl habe, dass die Debatte festgelaufen ist, dass ohnedies keine Chance mehr besteht, zu einer Änderung zu kommen. Ich teile den Appell des Kollegen Schennach, fürchte aber, dass er ungehört verhallen wird.

Ich habe mich aber doch zu Wort gemeldet, weil hier einiges gesagt worden ist, das ich so nicht im Raum stehen lassen möchte.

Herr Kollege Aspöck – er ist leider jetzt nicht hier, aber Herr Dr. Böhm, der immer sehr aufmerk­sam hier ausharrt, wird es ihm sicher ausrichten – hat gesagt, wir führen hier eine sehr emotio­nalisierte Debatte. – Es ist richtig, dass wir eine Debatte mit Emotionen führen, und ich denke, dass das auch angebracht ist, weil das ein Thema ist, das uns alle sehr berühren sollte.

Es geht um die Zukunft, um das Schicksal von Jugendlichen, die ohnedies in einer sehr schwie­rigen Situation sind, die auf die schiefe Bahn gekommen sind, von der es wieder wegzukom­men, wie wir alle wissen, sehr schwer ist.

Wenn man sich die sozialen Verhältnisse ansieht, wenn man sich anschaut, wie Jugendliche durch eine Dummheit in den Strudel der Gerichtsbarkeit geraten, dann erkennt man, dass es oft nur ein Zufall ist, der entscheidet, ob Jugendliche, wenn sie sozusagen einen Blödsinn machen, erwischt werden oder nicht. Wenn sie Glück haben und nicht dabei entdeckt werden, dann führen sie ein ganz normales Leben, geraten nie wieder in Schwierigkeiten, wohingegen jene, die das Pech haben, erwischt zu werden – meist bei etwas, was gar nicht so gravierend ist –, in einen Sog geraten, aus dem sie nicht mehr herauskommen.

Wir müssen dieses Thema daher sehr ernst nehmen. Wir müssen uns sehr genau und mit großer Verantwortung überlegen, wie wir damit umgehen, wie wir diesen Jugendlichen klar machen, dass das, was sie getan haben, nicht akzeptiert werden kann, dass es aber einen Rückweg für sie geben muss.

Wir führen diese Debatte natürlich mit Emotion, wir führen sie aber sehr wohl auch mit Argu­menten, und ich möchte einige dieser Argumente einbringen.

Noch eine Bemerkung zu Herrn Aspöck: Er hat im Zusammenhang mit dem Jugendgerichtshof von einer „roten, geschützten Werkstätte“ gesprochen. – Ich möchte das ganz ruhig, obwohl ich eigentlich nicht so ruhig bin, zurückweisen.

Es handelt sich hier um ein Gericht, in dem eine sehr schwierige Aufgabe bewältigt wird, mit Richterinnen und Richtern, die sehr engagiert sind. Ich kenne viele dieser Richterinnen und Richter persönlich, und ich weiß, dass sie sehr engagiert sind. Ich weiß, dass sie mehr tun, als sie eigentlich tun müssten, und ich muss sagen, ich weiß eigentlich von kaum jemandem, welcher Partei er angehört oder ob er überhaupt einer Partei angehört.


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696. Sitzung / Seite 46

Ich möchte hier ganz entschieden sagen: Diese Richterinnen und Richter sind unabhängig, und sie verdienen unseren Respekt! Es handelt sich hier um keine geschützte Werkstätte, weder um eine rote, noch um eine sonstige. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Nun zu Ihren Argumenten, Herr Bundesminister! Sie hängen die Debatte immer an der Frage der Räumlichkeiten auf. Das Argument der beengten Verhältnisse im Jugendgerichtshof ist auch heute wieder gekommen. – Es ist keine Frage, dass das ein altes Gebäude ist, es ist keine Frage, dass da noch einiges hätte verbessert werden können, auch wenn vor gar nicht so langer Zeit 90 Millionen Schilling investiert worden sind.

Es hat im Übrigen auch die Gemeinde Wien Geld in verschiedene soziale Einrichtungen in­vestiert, damit die Zusammenarbeit zwischen dem Jugendgerichtshof und der Gemeinde Wien, sprich: Sozialamt, Jugendhilfe, noch besser funktioniert. Die Gemeinde Wien ist dabei davon ausgegangen, dass dieser Gerichtshof Bestand hat. Aber von einem Tag auf den anderen haben wir von Ihnen, Herr Bundesminister, gehört, dass dieser Gerichtshof aufgelöst werden muss.

Ich habe schon damals im Rahmen einer Fragestunde eine Anfrage an Sie gerichtet. Ich habe Sie gefragt, mit wem Sie das besprochen haben, und Sie haben mir damals gesagt, Sie haben das in der Regierung besprochen und werden erst dann mit den Expertinnen und Experten, mit dem Parlament, mit der Gemeinde und mit anderen reden.

Ich habe in der Fragestunde nicht dazu Stellung nehmen können, aber ich möchte jetzt beto­nen, dass ich das für die falsche Vorgangsweise halte. Ich glaube, dass es wichtig gewesen wäre, vorher einmal bei den Experten nachzufragen, wie diese das sehen, denn es zeigt sich, dass sehr viele Experten – mir fällt eigentlich niemand ein, der das nicht so sieht – sehr wohl Bedenken gegen die Auflösung des Jugendgerichtshofes haben.

Ich zitiere etwa Herrn Univ.-Prof. Burgstaller, der gesagt hat: „Ich halte das Konzept, das dem Jugendgerichtshof zu Grunde liegt, die Kombination von Straf- und Pflegschaftssachen und die Zusammenführung von juristischen, psychologischen und sozialarbeiterischen Einrichtungen, die sich mit straffälligen jungen Menschen beschäftigen, an einem Ort für unverändert attraktiv. Für eine auch nur teilweise Preisgabe des skizzierten Konzeptes sehe ich keine überzeugen­den Gründe.“ – Zitatende.

Das Problem bezüglich der Räumlichkeiten gibt es auch in der Josefstadt. Die Situation in der Josefstadt ist keineswegs rosig. Es gibt dort einen einzigen Turnsaal – für so viele Häftlinge! Noch dazu müssen Sie die Jugendlichen von den Erwachsenen trennen. Ich kann nur hoffen, dass das gelingt, aber ich muss zugeben, dass ich und sehr viele Experten Zweifel daran haben. Die Trennung der Jugendlichen von den Erwachsenen ist aber ein ganz wichtiger Punkt. Wenn ich Zeit habe, komme ich dann noch darauf zurück. – Es gibt also nur einen Turnsaal für so viele Häftlinge; das ist äußerst bescheiden.

Es gibt auch eine Studie von Univ.-Prof. Grafl und Frau Dr. Stummer über die Zufriedenheit der Unterbringung. – Die Jugendlichen waren am Erdberg trotz der Beengtheit wesentlich zufriede­ner, weil man sich einfach mehr auf sie konzentrieren konnte und weil es dort eben mehr Einrichtungen gibt, die jugendgerecht sind.

Was auch notwendig gewesen wäre, ist mehr Personal. Herr Kollege Schennach hat es schon angesprochen: Es gibt Werkstätten, es sind neue Werkstätten eingerichtet worden, und diese können nicht verwendet werden, weil kein Personal dafür da ist. Das ist wirklich eine Ver­schwendung von Geld: dass man zuerst Einrichtungen schafft, die gerade für die Jungen sehr wichtig sind – diesbezüglich gibt es ja hier, glaube ich, auch gar keine Meinungs­unter­schiede –, und sie dann leer stehen lässt. Das ist sehr unbefriedigend.

Immer wieder wird auch die Menschenrechtssituation angesprochen. – Ich glaube auch, dass es möglich gewesen wäre, mit zusätzlichen Maßnahmen, mit noch etwas mehr Geld die Situation zu verbessern, aber ich kann nicht mehr hören, dass gesagt wird, etwa von Kollegen


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Aspöck, der inzwischen wieder im Saal ist, dass die Menschenrechtssituation dabei im Vorder­grund steht. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte bezüglich Menschenrechtssituation ein Thema aufgreifen, nämlich die Debatte über die Isolierzellen. Da sind junge Menschen tagelang in kleinen Kammerln unter grässlichen Ver­hältnissen isoliert gewesen. – Wenn es um Menschenrechte geht, dann frage ich mich: Ist das nicht wirklich ein ganz gravierender Verstoß? – Ich sehe, Sie machen sich Notizen, Herr Bundesminister! Ich möchte von Ihnen hören, wie Sie dazu stehen.

Nochmals: Der Jugendgerichtshof ist ein ausgezeichneter Gerichtshof gewesen, ein Gerichtshof für die Großstadt. Es hat keinen Sinn, jetzt überall, flächendeckend Jugendgerichtshöfe einzu­richten, obwohl ich zugebe, dass es vielleicht erwägenswert wäre, für Linz so etwas zu machen. Wien, die Großstadt, hat natürlich eine eigene Situation. Es ist so, dass ungefähr die Hälfte der Fälle der Jugendgerichtsbarkeit in der Großstadt anfällt und daher eine besondere Konzen­tration wichtig und vernünftig ist.

Das Großartige am Jugendgerichtshof war, dass man sich auf die besondere Situation einge­stellt hat, dass man darauf eingegangen ist und so schnell auch darauf reagiert hat. Deshalb ist der Jugendgerichtshof Wien ein Vorbild für so viele andere Gerichtshöfe in anderen Ländern. Es sind auch immer wieder Expertendelegationen gekommen – Richterdelegationen, Politiker­delegationen –, die sich angesehen haben, was dort geleistet wird, weil eben die Betreuung und die Auseinandersetzung mit den Jugendlichen so umfassend war. Man hat sich nicht nur mit dem strafrechtlichen Aspekt auseinander gesetzt, sondern auch mit dem sozialen, mit der Aus­bildung und mit der Bekämpfung von Jugendbanden. Es gab Anti-Aggressions-Modelle, es gab soziale Trainingskurse – es ist sehr viel gemacht worden, und es wäre schade, wenn all das jetzt wieder wegfällt.

Ich möchte noch einen Experten nennen: Herr Professor Friedrich, der bekannte Kinder- und Jugendpsychiater, hat kritisiert, dass in Wirklichkeit die Haftbedingungen in der Josefstadt keineswegs so gut sind. Er hat gesagt – ich zitiere –, der Herr Bundesminister habe die Haft­bedingungen der Josefstadt, gelinde gesagt, schöngeredet, in Erdberg seien die Umstände wesent­lich besser gewesen. Als völlig untragbar bezeichnete er die Haftbedingungen in Isolier­zellen in der Justizanstalt Josefstadt. – Da geht es wiederum um die Frage nach der Men­schenrechtssituation, die ich bereits angesprochen habe.

Der Jugendgerichtshof hat so viel geleistet, dieser Gerichtshof ist so wichtig für die jungen Menschen, dass es eine Katastrophe ist, dass er aufgelöst wird. Ich bedauere das ganz außer­ordentlich.

Ich möchte daher abschließend noch ein Zitat von Professor Burgstaller bringen, der gesagt hat: „Richtig ist wohl, dass mit der geplanten Auflösung des Jugendgerichtshofes Einsparungen erzielt werden können. Das ist heute bei der bekannten Ressourcenknappheit gewiss kein gering zu schätzendes Argument. Dem steht aber die von mir als real eingeschätzte Gefahr gegenüber, Qualitätseinbußen im Umgang mit jungen Straftätern zu erleiden, deren gesell­schaftliche Kosten mittel- und langfristig sehr hoch sein könnten.“ – Zitatende.

Dem ist leider nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

15.06


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich gehe natürlich gerne auf diese Fragen ein. Ich mache es kurz, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es vollständig machen werde.

Was die Haftbedingungen anlangt, ist zu sagen, dass es sich dabei um eine objektiv überprüf­bare Tatsache handelt. Der Herr Bundespräsident hat sich beide Justizanstalten angesehen –


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ich ver­wei­se auf seinen Pres­sedienst. Das Gebäude, in dem die Jugendlichen jetzt sind, ist ein sehr moder­nes Ge­bäude, in dem die Insassen voneinander getrennt werden können. Das ist außer­dem Routine in der öster­reichischen Justizwache: Man muss die Frauen von den Männern trennen, man muss die Mittäter voneinander trennen, man muss die Süchtigen von den nicht Süch­tigen trennen. Man muss andauernd trennen – das kann man –, viel mehr noch bei großen Gruppen, also bei Ju-gendlichen, aber das ist überhaupt kein Problem! – Herr Bun­desrat Schen­­nach! Bitte bestätigen Sie das, zumindest im persönlichen Gespräch! Man kann hier wirklich nicht von Rückschritt reden. Ganz im Gegenteil! Die Trennung ist jetzt problemlos durchführbar und baulich perfekt.

Das Projekt an sich, Herr Bundesrat Schennach, Frau Bundesrätin Hlavac, besteht seit vielen Jahren im Justizministerium, ist unter Exminister Michalek entstanden. Als die Haftbedingungen in Erdberg begonnen haben, der Anti-Folter-Konvention zu widersprechen, musste ich zur Tat schreiten.

Die Aufforderung, dort umzubauen, geht wirklich ins Leere. Niemand konnte dort umbauen, keine einzige Zelle konnte man hinzufügen – bitte, bestätigen Sie das bei Gelegenheit, Herr Bundesrat –, man konnte die Zellen auch nicht noch mehr verkleinern. Das endgültige Ende der Entwicklung war dort erreicht, man musste einen anderen Standort suchen.

Warum nicht nach Simmering? ist gefragt worden. – Die meisten werden es wohl wissen: Zu jedem Landesgericht gehört eine Justizanstalt, weil man meistens U-Häftlinge hat. Man hätte also in Simmering noch ein Gericht dazubauen müssen. Und das ging schon überhaupt nicht! Wir mussten also den freien Raum in der Justizanstalt Josefstadt und den freien Raum im Landesgericht für Strafsachen Wien, der in ausreichender Größe zur Verfügung stand und steht, verwenden. Wir konnten am Tag genau nach der Pensionierung des Herrn Präsidenten Jesionek übersiedeln, nämlich am Jahresende; das ist so im öffentlichen Dienst. – Auch in diesem Zusammenhang gibt es eigentlich kein schlagendes Argument.

Zu dem Argument: 1920 waren das keine Volltrotteln. – Natürlich waren das keine Volltrotteln, die den Jugendgerichtshof begründet haben, aber mittlerweile sind mehr als 80 Jahre ver­gangen, und die Entwicklung hat sich eben geändert. Wir haben auch eine andere Kriminalität, die wir zu bekämpfen haben; zum Beispiel momentan die Suchtmittel-Kriminalität, die nicht – wie Sie sagen, Herr Bundesrat – um 60 Prozent steigt, sondern um 144 Prozent bei den 14- bis 18-Jährigen, zuordenbar einem bestimmten Land in Afrika. – Entschuldigen Sie, das ist die Tatsache, Sie wissen es, Sie sind Fachmann, verschweigen wir es doch bitte beide nicht, das wäre wirklich ungerecht gegenüber dem Niveau dieser Debatte! Angesichts dessen können wir nicht anders, als auch andere Methoden anzuwenden.

Wir haben auch nicht mehr nur oder hauptsächlich das Problem der sozialen Unterschiede, son­dern wir haben auch ein Sprachenproblem. Wir haben Staatsbürger von 89 Nationen in Haft. Gerade bei den Jugendlichen sind sehr viele Ausländer dabei – Sie wissen das. Nicht alle von ihnen kann man ausbilden, bei vielen besteht ein Sprachenproblem, und das ist auch ein Ausbildungs- und Fortbildungs- und Arbeitsproblem. – Die Umstände haben sich seit 1920 geändert, ganz abgesehen von der Infrastruktur. Sie erreichen heute Klagenfurt von Spittal aus wahrscheinlich schneller als die Rüdengasse von Hütteldorf aus im Jahr 1920; entschuldigen Sie, aber ich kann das nicht anders ausdrücken.

Das muss man einmal akzeptieren, dass sich die Verhältnisse so weit geändert haben, dass wir anders als im Jahr 1920 vorgehen mussten.

Zum Netzwerk: Sie wissen, Herr Bundesrat Schennach, und Sie werden es auch wissen, Frau Dr. Hlavac, dass das Netzwerk nicht zerschlagen wurde. 1920 hat man vielleicht mehr persön­lichen Kontakt bei der Behörde gehabt, heute haben wir ein reines Aktenverfahren. Es ist nicht so, dass der Richter zum Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe geht, sondern das ist ein reines Akten­verfahren. Die Richter des Jugendgerichtshofes Wien nehmen zu 37 Prozent die Jugend­gerichtshilfe in Anspruch, ansonsten nehmen auch andere Gerichte – Mödling zum Beispiel; Sie wissen das, Herr Bundesrat Schennach – die Jugendgerichtshilfe in Anspruch.


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Dieses Netzwerk bleibt erhalten, es wurde nicht zerschlagen. Es ist angesichts dieser verteilten Inanspruchnahme nicht mehr primär wichtig, wo diese Jugendgerichtshilfe ihren Sitz hat.

Stichwort: Armenhaus. – Jetzt appelliere ich an die Hausfrauenvernunft. Wenn ich ein Gebäude, das 100 Millionen Schilling wert ist, um 90 Millionen Schilling repariere und es noch immer nicht besser, noch immer nicht funktioneller wird, kann ich dann sagen: Jetzt bleibe ich erst recht und repariere es weiter!? – Entschuldigen Sie, aber das sind die Sünden der Vergangenheit.

Wir haben ein Objekt in St. Georgen am Längsee in Kärnten, das die Justiz um 17 Millionen Schilling gekauft und um 147 Millionen Schilling repariert hat, und heute können wir es um 40 Millionen Schilling nicht verkaufen. Das sind Geldverschwendungsmechanismen gewesen, die ich weiterzuführen ablehne.

Wir haben eine ähnliche Situation in der Riemergasse: zirka 200 Millionen Schilling Wert, zirka 200 Millionen Schilling Reparaturkosten und noch immer nicht besser – derselbe Grundriss, noch immer keine Klimaanlage, noch immer keine U-Bahn in der Nähe und so weiter. Daher mussten wir auch von dort übersiedeln.

Das Argument: 90 Millionen Schilling haben wir investiert, also bleiben wir, ist ein Wahnsinn! Wenn Sie ein Einfamilienhaus haben, Kostenpunkt 1 Million Schilling, und um 1 Million Schilling sanieren müssen, denken Sie sich: Nein, wozu? Wenn ich das alte Einfamilienhaus um 500 000 S verkaufe, die Million nehme und mir um 1,5 Millionen ein neues Haus kaufe, bin ich g’scheiter dran. – Ich kann und will daher diesem Argument nicht folgen, weil es einfach kein wirtschaftlich richtiges Argument ist.

Die Lehr- und Unterrichtsräume sind besser, moderner und dichter in der Josefstadt. Sie wissen das, Herr Bundesrat, bitte, verschweigen wir es nicht. Sie haben gesagt – vielleicht habe ich mich verhört, aber ich habe geglaubt, ich bin in einem fremden Saal –: Die Häftlinge können dort nicht Fußball spielen. – Dort gibt es eine modernst eingerichtete Halle. (Bundesrat Schennach: Nicht im Freien!)

Ich habe dort gemeinsam mit der Justizwache – für die Zusammenarbeit bedanke ich mich – unter den Jugendlichen ein Fußballturnier inszeniert, habe einen Nationalspieler aus einem ande­ren Land eingeladen, der ebenso wie ich einen Pokal überreicht hat. Daneben befindet sich ein riesiger Fitnessraum. Die Justizwache hat gemeint: Wir plagen uns, und die bekommen einen Pokal! Ich habe gesagt: Natürlich werdet ihr auch geehrt.

Wir bemühen uns wirklich um die Jugendlichen. Den Minister möchte ich sehen, der sich mit mir diesbezüglich vergleichen kann. Ich mache so etwas sonst nicht, aber wer hat hier mehr Engagement und mehr Überlegungen hineingesteckt!? (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.) Das betrifft jetzt aber nicht das Fußballspiel, sondern das ist eine prinzipielle Einstellung des gesamten Ministeriums.

Zum außergerichtlichen Tatausgleich, den Sie zu Recht – aber nur zum Teil! – Herrn Präsi­denten Jesionek zuordnen: Die wirklichen Schöpfer waren Broda-Sekretär Sektionschef Dr. Neider, der heute noch im Ministerium ist, und Broda selbst. Sicher hat Jesionek ihn weiter­entwickelt, aber Urheber, Vater und Nestor dieser Institution ist er nicht! Das wäre auch traurig, besonders traurig, denn im Jugendgerichtshof Wien – ich muss diese Zahl jetzt einmal ganz deutlich nennen – haben wir im Jahr 2001 40 außergerichtliche Tatausgleiche gehabt. Das ist jene Form der Diversion, bei der das größte Engagement dahintersteckt, bei der man den Geschädigten und den Täter zusammenbringt und dann eine Lösung findet.

Der Jugendgerichtshof Wien hatte im Jahr 2001 40 außergerichtliche Tatausgleiche! Nennen Sie doch zum Beispiel die Zahl von Oberösterreich, Herr Bundesrat: 590 Mal. In Wien gibt es 2 Mil­lionen Einwohner, in Oberösterreich 1,5 Millionen Einwohner. Wo ist da das tolle Engage­ment im Jugendgerichtshof Wien?

Entschuldigen Sie vielmals! Ich habe mir all das überlegt, wollte es gar nicht so in den Vorder­grund stellen, aber wenn man hier mit solchen Argumenten kommt, als ob das ein Rohheitsakt


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wäre, für die Jugendlichen etwas zu unternehmen, dann muss ich einmal in diesem Haus die Wahrheit sagen dürfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

15.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile ihr das Wort.

15.15


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Ich muss noch etwas sagen, weil mir bei den Ausführungen der Frau Kollegin Schlaffer am Anfang nicht klar war, ob sie tatsächlich nicht weiß, dass der Sondergerichtshof nicht dasselbe ist wie die Sonderge­richts­barkeit in Österreich, oder ob sie nur so tut, als ob sie es nicht wüsste. Das ist mir eigentlich während ihres gesamten Redebeitrages nicht ganz klar geworden. Ich habe auch bei manch anderem Kollegen aus dem sozialdemokratischen Bereich nicht herausgehört, ob er jetzt vor dem Bundesrat absichtlich so tut, als würde das dasselbe sein, oder ob er es tatsächlich nicht weiß.

Folgendes muss man schon einmal sagen: Es wird nicht die Jugendgerichtsbarkeit zu Grabe getragen – so wie Sie das darstellen, so verheerend –, sondern im Gegenteil: Die Jugendge­richtsbarkeit bleibt selbstverständlich in ganz Österreich bestehen. Es wird für ein bisserl mehr Ausgewogenheit gesorgt werden. Auch das ist wichtig. (Bundesrätin Schlaffer: Reden Sie nicht von etwas, wovon Sie keine Ahnung haben!)

Damit komme ich gleich zum nächsten Punkt. Ich verstehe wirklich nicht, warum gerade im Bundesrat, der eine Vertretung der Bundesländer sein sollte, dem Zentralismus und Privile­gientum in Wien das Wort gesprochen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Ist Wien kein Bundesland? – Bundesrat Schennach: Wien ist ein Bundesland!)

Ich bin der Meinung, dass ein straffällig gewordener Jugendlicher in ganz Österreich gleich viel wert sein sollte, in ganz Österreich gleichsam der Besserung, der Resozialisierung zugeführt werden sollte. Dass sich die Richter nicht nur in Wien besonders um die straffällig gewordenen Jugendlichen bemühen, sondern sehr wohl auch in den Bundesländern, möchte ich an dieser Stelle auch hervorheben. Das sind sehr überzeugte, meist sehr junge, sehr engagierte Richter, die sich sehr bemühen, den Jugendlichen die entsprechende Gerechtigkeit zukommen zu las­sen. Das lasse ich mir wirklich nicht sagen, dass das nur in Wien der Fall ist, dass das nur am Jugendgerichtshof so gewesen ist, sondern das ist überall so – manchmal unter Bedin­gungen, die wirklich nicht einfach sind.

Ich kann Ihnen aber versichern, auch in Kärnten wird natürlich ein jugendlicher Straffälliger von einem erwachsenen Straffälligen getrennt, ebenso – wie der Herr Minister schon gesagt hat – Frauen von Männern, Drogensüchtige von nicht Drogensüchtigen et cetera. Tun Sie bitte nicht immer so, als wäre all das nur in Ihrem geheiligten Jugendgerichtshof der Fall gewesen.

Ich verstehe auch nicht, weshalb dieses Argument, das jetzt auch der Minister noch einmal be­tont und erwähnt hat, bei Ihnen überhaupt nicht fruchtet, denn für mich ist es schon wichtig, ob man mit diesem neuen Instrument des außerordentlichen Tatausgleiches auch umgehen kann und vor allem will, ob man eine Chance sieht für Jugendliche, auch eine außergerichtliche Lösung zu finden, sie also ohne Richterspruch wieder in das „normale“ – unter Anführungs­zeichen – Leben zurückführt, ihnen wieder die Chance gibt, eine Ausbildung zu machen, die Schule zu machen, oder ob man das eben nicht tut, ob man dieses Instrument nicht anwenden will.

Wenn ich höre, dass die Vergleichszahlen Oberösterreich und Wien so eklatant auseinander driften, dann muss ich mich fragen: Was hat es im Jugendgerichtshof gegeben, dass dieser außergerichtliche Tatausgleich, die Diversion, einfach nicht angewandt wurde? Warum hat man das nicht getan? Wollte man es nicht, oder waren vielleicht die Jugendlichen nicht so viel wert, wie sie es sein sollten?


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Gerade Ihnen von der Sozialdemokratie, die Sie immer wieder internationale Kommissionen – wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht – bemühen und zitieren, möchte ich sagen: Ich habe von Ihnen nie einen Aufschrei gehört, dass es einen menschenrechtswidrigen Zustand in der Justizanstalt des Jugendgerichtshofes gegeben hat. Wo haben Sie sich aufgeregt? Wo haben Sie das argumentiert? Wo haben Sie es andiskutiert? – Ich habe nichts von Ihnen gehört.

Ich bin froh darüber, dass unser Minister endlich eine Lösung gefunden hat, denn ich bin nicht jemand, der die Menschenrechtsverletzungen noch verteidigt und sie beschönigt, so wie es manche meiner Vorredner offensichtlich tun. (Bundesrätin Schlaffer: Eine, die keine Ahnung hat!)

Zuletzt noch etwas zu Herrn Schennach, der historisch zurückgeblickt und gesagt hat: 1918 wurde der Jugendgerichtshof sogar in die Verfassung aufgenommen. Herr Kollege Schennach! Ich weiß schon, es ist gut, wenn man fallweise aus der Vergangenheit zitiert, aber es ist heute nicht immer alles noch gültig, was in der Vergangenheit festgeschrieben wurde. Zum Beispiel kann ich mich sehr wohl auch erinnern, dass in der Verfassung gestanden ist: Deutsch­öster­reich ist eine Republik. Ich glaube, Sie würden sich sehr bedanken, wenn wir das in die heutige Ver­fassungspräambel schreiben würden. – Dies sei nur erwähnt, um ein Beispiel zu nennen, ich könnte Ihnen noch mehrere sagen.

Es ist nicht immer richtig, das zu zitieren, was irgendwann einmal, vor vielen Jahren oder Jahrzehnten, in Verfassungsgesetzen richtig gewesen ist.

Für die damaligen Verfasser dieser Verfassung war das eben richtig, sie haben das als richtig empfunden. Dass es einige Jahre später nicht mehr so gesehen wurde, ist wieder ein anderes Thema, über das wir extra diskutieren könnten. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.20


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsgebührengesetz – VGebG) ge­schaffen und die Exekutionsordnung geändert wird (Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003) (39 und 50/NR sowie 6782/BR der Beilagen)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsgebührengesetz) geschaffen und die Exekutionsordnung geän­dert wird (Exekutionsordnungs-Novelle 2003).

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Schlaffer übernommen. Ich bitte um den Be­richt.



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Berichterstatterin Anna Schlaffer: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über die Vollzugsgebühren (Vollzugsgebührenge­setz) geschaffen und die Exeku­tions­ordnung geändert wird (Exekutionsordnungs-No­vel­le 2003).

Da Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sogleich zur Verlesung des An­trages:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke sehr. Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger das Wort. – Bitte.

15.22


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Bereits im Jahre 1995 wurde mit einer Reform der Exekutionsordnung im Bereich der Fahrnisexekution begonnen, und jetzt wird nach entsprechender Erfahrung in der Praxis ein weiterer Reformschritt gesetzt.

Eine vom Bundesministerium für Justiz in Auftrag gegebene Studie zum Gerichtsvoll­ziehungs­wesen zeigt eine Reihe von wesentlichen Punkten und gleichzeitig auch Empfeh­lungen auf. Es sind dies: auf der einen Seite Senkung des Verwaltungsaufwandes durch Vereinfachung des Voll­zugs- und Wege­gebührenrechtes, Erhöhung des Einbringungserfolges bei Exekutions­ver­fahren durch dessen stärkere Berücksichtigung bei der Vergütung der Gerichtsvollzieher, Ver­meidung unnötiger Aktenläufe, Zurückdrängung unökonomischer Vollzugsversuche durch deren Ver­gebührung, durchgehender Einsatz der EDV im Exekutionsverfahren und auf der anderen Seite eine Verbesserung der Ausbildung der Gerichtsvollzieher.

Mit der Schaffung eines neuen Vollzugsgebührengesetzes und der Novelle zur Exeku­tions­ord­nung soll dieser Studie Folge geleistet werden. Vor allem im Bereich der Gebühren­be­rech­nung und der Gebührenverrechnung bei den Tätigkeiten der Gerichtsvollzieher soll eine starke Vereinfachung erfolgen. Der Schwerpunkt der Arbeit der Gerichtsvollzieher liegt im Be­reich der Fahrnisexekution. Im bisherigen Vollzugs- und Wegegebührengesetz wurde die Ge­bühr von der Höhe der hereinzubringenden Forderung berechnet. Im neuen Vollzugsge­büh­ren­gesetz wird vom erzielten Ergebnis der Fahrnisexekution ausgegangen und damit eine stärkere Leistungs­komponente in der Bezahlung der Gerichtsvollzieher eingeführt. Auch in einer Empfeh­­lung des Europarates vom 16. Mai 2002 ist eine adäquate erfolgsorientierte Entlohnung der Ge­richts­vollzieher vorgesehen.

In der Exekutionsordnungs-Novelle 1995 wurde bereits ein Teil des Fahrnisexekutions­ver­fahrens, nämlich das Auffindungsverfahren, in die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers über­tragen. Der Gerichtsvollzieher hat, ohne das Entscheidungsorgan zu befassen, tätig zu werden, bis der Erfolg oder Nichterfolg der Fahrnisexekution feststeht. Diese Vorgangsweise soll vom Auffindungsverfahren im Fahrnisexekutionsverfahren auch auf andere Exekutionsmittel, deren Durchführung dem Gerichtsvollzieher obliegt, erweitert werden.

Ich als gerichtlich beeideter Sachverständiger im Immobilienbereich und mit Exekutions­schätzungen für Gerichte betrauter Schätzer kann Ihnen eine Reihe von Vorfällen darlegen, bei denen es sehr wichtig ist, dass der beigestellte Gerichtsvollzieher eine möglichst große Selbständigkeit und Flexibilität aufweist. Vor allem im Bereich der Fahrnisexekution und der Exekution von ganzen Liegenschaften, von Wohnhäusern, von ganzen Bauernhöfen kommt es immer wieder zu sehr schwierigen und kritischen Situationen, in denen der Gerichtsvollzieher besonders gefordert ist.


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696. Sitzung / Seite 53

Man muss sich vorstellen: Wer lässt sich schon gerne etwas wegnehmen, sein Schlafzimmer zur Befundaufnahme betreten und durchstöbern? Wer hat es gern, wenn die versperrten Räume mit dem beigezogenen Schlüsseldienst aufgesperrt werden müssen? – Wohl niemand.

Oft sind im bäuerlichen Bereich die zu schätzenden und zu exekutierenden Maschinen und Geräte auf mehrere Höfe verteilt, teilweise kaum auffindbar und oft gut verborgen. Sie können mir glauben, dass es bei diesen Exekutionen und Fahrnisschätzungen die skurrilsten Vor­kommnisse gibt und dass es dabei wichtig ist, dass der Gerichtsvollzieher rasch und eigen­verantwortlich reagieren kann, und dass er dies oft auch muss.

In der Änderung der Exekutionsordnung sind noch eine Reihe von weiteren Maßnahmen wie die Anpassung der Regelung der Pfändbarkeit von Abfindungen nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz und die einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt in der Familie neu geregelt. Vor allem der so genannte geschützte Personenkreis wird neu definiert. Bisher war eine taxative Aufzählung des geschützten Personenkreises vorgesehen, und in der Novelle wird von dieser taxativen Aufzählung abgegangen und der Begriff des „nahen Angehörigen“ ein-geführt, womit auf die aktuelle soziale Entwicklung Bedacht genommen wird. So werden zum Beispiel Stiefkinder und Personen, die nach Auflösung ihrer Ehe weiterhin zusammenleben, vom Schutz des § 382b umfasst.

Weiters ist eine neue Regelung über die Nichtabholung von Sachen eines Käufers in Auktions­hallen vorgesehen. Bisher konnte nur ein Lagerzins für die Zeit der Lagerung verrechnet werden. In der Novelle wird vorgesehen, dass auf Beschluss des Gerichtes eine neuerliche Verwertung der nicht abgeholten Sachen nach drei Monaten erfolgen kann.

Mit der Novelle wird auch eine Rechtsbereinigung vorgenommen, da das Auktionshallen­gesetz und das Bundesgesetz über die Aufschiebung von Exekutionen bei Naturkatastrophen in die Exekutionsordnung eingebaut werden.

Mit dem neuen Vollzugsgebührengesetz ergeben sich Vorteile für die Verpflichteten und die Gläubiger auf der einen Seite und Einsparungen für den Bund auf der anderen Seite. Daher stimmen wir diesem Gesetz und der Novelle der Exekutionsordnung zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

15.27


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Diese scheinbar so trockene Materie hat auch einen sehr wirtschaftlichen Hintergrund. Ich möchte das etwas erläutern, insbesondere auch deshalb, weil mittlerweile sehr viele jugendliche Zuseher und Zuhörer im Saal anwesend sind, die bedauerlicherweise das Thema, das sie wahrscheinlich noch mehr interessiert hätte, näm­lich die Debatte um den Jugendgerichtshof – die wir aber leider nicht wiederholen können –, noch nicht mitverfolgen konnten. Es wäre für Sie, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, wirklich interessant gewesen, und Sie hätten sicherlich vieles erfahren, was Sie bisher nicht in der Zeitung gelesen haben. (Bundesrat Gasteiger: Ja! Das stimmt!) – Das stimmt. Sie hätten auch über die von Ihnen dazu eingenommene Haltung etwas erfahren. (Bundesrat Gasteiger: Da hätten sie nämlich einmal gehört, ...., im Originalton!) – Ja, ist okay.

Aber Sie sehen: Ich gehe wenigstens darauf ein (Bundesrat Gasteiger: Da ist es schon viel wert, wenn ein Mensch darauf eingeht!), und ich werde auch bei jeder Gelegenheit in den Schu­len – es kommt dabei immer darauf an, dass einen die Lehrer einladen – den Jugendlichen Rede und Antwort stehen, weil es sehr interessant ist, mit den Jugendlichen, insbesondere mit den 17- und 18-Jährigen, zu diskutieren, die sonst den Kontakt zu den Politikern nicht so leicht finden. Ich sage das immer dann, wenn Lehrer hier sind und zuhören: Jede Einladung wird von jedem Minister angenommen, damit die Jugendlichen einen näheren Kontakt, insbesondere zur Justiz, bekommen.


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696. Sitzung / Seite 54

Zur heutigen scheinbar trockenen Materie: Wenn ein Urteil vorliegt und das Urteil auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme lautet, gerät man häufig in die Notwendigkeit, Exekution zu füh­ren. Diese Exekutionsführung ist eine der wesentlichen staatlichen Hoheitsakte. Das heißt, es ist ein Eingriff in das Vermögen eines Staatsbürgers oder eines anderen Bewohners dieses Lan­des auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung. Diesen Eingriff führen Beamte durch, das sind die Gerichtsvollzieher.

Diese Gerichtsvollzieher teilen sich – man hat es soeben gehört – ihre Zeit, wann sie zu einem Verpflichteten gehen, im Wesentlichen selbst ein. Seit vielen Jahrzehnten sind sie zum Teil am Erfolg ihrer Bemühungen beteiligt. Das wird von manchen kritisiert, hat aber seinen tiefen Sinn. Diese Beteiligung vermehren und verstärken wir jetzt, um die Effizienz dieser Exekutions­maßnahmen zu erhöhen. Dies geschieht nicht etwa, um den Verpflichteten – so heißen jene, die Geld schuldig sind – besonders wehzutun, sondern um die Kosten gering zu halten, denn je kürzer die Frist ist zwischen dem Urteil und der Vollzugsmaßnahme, durch die das Geld hereinkommt, umso geringer ist auch der damit verbundene Kostenaufwand.

Wir haben festgestellt, dass sich die Vollstrecker ihre Zeit nicht immer ideal einteilen. Ins­gesamt – wenn man das Kanzleiwesen dazurechnet, denn sie brauchen für ihre Arbeit auch ein Büro, eine Kanzlei und so weiter – ergibt sich dann in Summe, dass sie nur 12 Prozent ihrer Zeit am Ort, beim Verpflichteten, für die eigentliche Pfändungsmaßnahme verwenden. Das hat eine wirtschaftliche Untersuchung ergeben.

Wir haben jetzt im Ministerium eine EDV-Studie gemacht, mit deren Hilfe wir die Vollstrecker in vier Stationen, bei den Oberlandesgerichten Linz, Innsbruck, Graz und Wien, steuern und ihnen Vorschläge machen, wo sie jeweils ihre Vollzugsmaßnahmen setzen sollen und wann sie das tun sollen. Wenn man weiß, dass ein Verpflichteter – also jemand, der zahlen muss – Ange­stellter ist, hat es nicht viel Sinn, um 10 Uhr vormittags bei ihm einen Vollzug zu versuchen, sondern da muss man um 5 oder 6 Uhr früh hingegen.

All das kennt dieses EDV-System. Mit Hilfe dieses EDV-Systems steuern wir die Vollstrecker, und wir haben auch die Vergütung, die sie für ihre erfolgreichen Maßnahmen bekommen, er­höht und hoffen, dass damit die staatliche Anordnung, dass jemand Geld bezahlen muss, schneller und damit auch günstiger umgesetzt wird. Das ist der Kernbereich dieses Gesetzes, das ein Justizgesetz ist. Wir glauben, dass wir damit auch einen sinnvollen Beitrag zur Erhöhung der Effizienz des Staates und der öffentlichen Wirtschaft geleistet haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Auer. Ich erteile ihr das Wort.

15.32


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Thematik wurde bereits von Herrn Bundes­rat Bogensperger angerissen. Er hat ausführlich erklärt, worum es in dieser Novelle geht. Ich möchte zu § 382, „Schutz vor Gewalt in der Familie“, welcher in diesem Konvolut verpackt ist, Stellung nehmen.

Geändert werden die Regelungen im Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz. Anstelle der bisherigen detaillierten Aufzählung wird nunmehr dem Begriff für nahe Angehörige eine allgemeine Umschreibung zugewiesen, um der Rechtsprechung Gelegenheit zu geben, beim Schutz vor familiärer Gewalt auf aktuelle soziale Entwicklungen Bedacht zu nehmen oder Bedacht nehmen zu können.

Es werden vom Schutz des § 382 Exekutionsordnung künftig auch jene Personen umfasst, die nach Auflösung ihrer Ehe weiterhin zusammenleben, und es wird darin auch eine Ausdehnung über den engen Begriff von Lebensgefährten hinaus vorgenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 55

Grundsätzlich begrüßen wir jene Bestimmungen in der Novelle zur Exekutionsordnung, die Verbesserungen im Bereich des Schutzes vor Gewalt vorsehen. Aber es sind noch andere Schritte notwendig, um möglichst allen Opfern familiärer Gewalt ausreichend Schutz zu gewähren.

Damit möchte ich zum Wegweiserecht überleiten und mit Nachdruck bemerken, dass wir in Österreich – und ich glaube, das wird mir auch bestätigt – in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernommen haben. Es ist bisher kein anderes Land in der Lage gewesen, ein solches Gesetz zu installieren.

Wir beschließen heute die Änderung in diesen Gesetzen, und ich darf jetzt schon darauf hinweisen, dass meine Fraktion dem zustimmen wird. Eine Kritik möchte ich aber noch anbrin­gen, nämlich dahin gehend, dass es mehrere kleine Punkte gibt, welche in diese Novelle hätten einfließen können, beziehungsweise man könnte versuchen, diese Kritikpunkte noch aufzu­nehmen.

Da ist zum Beispiel die Dauer der einstweiligen Verfügung anzuführen. Opfer von Gewalt in der Familie brauchen ausreichend Zeit, sich ihr Leben und ihr Umfeld entsprechend zu ordnen. Dazu sind die bisher angeführten drei Monate nicht ausreichend. Chancen auf eine Verlänge­rung der Wegweisung gibt es wenige, lediglich beim Anstreben eines Folgeverfahrens – meis-tens ist das ein Scheidungsverfahren.

Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang die Stellung des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin – heute eine durchaus normale Situation – anzuführen. Diese Situation ist von der jetzigen Regierung leider nicht berücksichtigt worden.

Dann gibt es noch die Gruppe jener Personen – und das betrifft vor allem die Frauen –, die von ihrem Ehepartner oder von ihrem Lebensgefährten finanziell abhängig sind, weil sie selbst keinem Beruf nachgehen beziehungsweise selbst keine Einkünfte beziehen.

Als Letztes möchte ich die Migrantinnen und ihre Kinder anführen, die keine eigene Aufent­halts­bewilligung haben. Für sie gibt es in diesem Gesetz keine Lösung, oder zumindest habe ich kei­ne Lösungsansätze herauslesen können.

Im Übrigen: Die Kinder wurden in dieser Novelle komplett vergessen. Sie haben keine Mög­lichkeit, ein Nachfolgeverfahren anzustreben. Die einstweilige Verfügung endet nach drei Monaten, und die Kinder werden dem Schutz dieser Verfügung entzogen.

Deshalb wäre eine Verlängerung der Fristen des Wegweiserechtes unbedingt anzustreben und in das Gesetz aufzunehmen. Ich denke dabei an das Wohl der Geschützten, und ich hoffe auf Unterstützung in diesem Gremium. Die Geschützten sind es, die mit dieser Entscheidung, mit unserer Entscheidung, in Zukunft leben müssen.

Zum Schluss möchte ich noch die Möglichkeit nutzen, allen, die an der jetzigen Novellierung dieses Bundesgesetzes gearbeitet haben, zu danken. Vor allem möchte ich aber den Vor­bereiterinnen dieses Gesetzes danken – und das waren die Frauenministerinnen der SPÖ! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann. Ich erteile ihm das Wort.

15.37


Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Der Herr Minister und Herr Kollege Bogensperger haben Wesentliches bereits ausgeführt. Ich darf mich daher auf einige Anmerkungen beschränken.

Der Job eines Gerichtsvollziehers ist wahrlich keiner, um den er zu beneiden ist: Ungern gesehen waltet er seines Amtes und braucht viel Fingerspitzengefühl bei seinem Beruf.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 56

Zwischen Zahlungsunwilligen und Zahlungsunfähigen unterscheiden darf er nicht; für ihn müssen alle Schuldner gleich sein.

Ich kann Sie beruhigen, meine Damen und Herren von der SPÖ: Immer mehr und immer öfter bedienen sich natürlich auch die Gebietskrankenkassen und das Finanzamt des Exekutors – ein Spiegelbild unserer derzeit nicht gerade idealen Wirtschaftslage.

Abgesehen von der prekären Situation Tausender Gewerbetreibender, Händler und Hand­werker, tappen auch Tausende Jugendliche in die Schuldenfalle – keine Frage. An dieser Stelle sei ein Dank an den Herrn Justizminister zum Ausdruck gebracht: Sein Vorgehen im Zusam­menhang mit dem so genannten Lombard-Club hat wenigstens zu einem echten Wettbewerb und damit zu niedrigeren Zinsen bei den Banken geführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Herzlichen Dank, Herr Justizminister! Lassen Sie sich nicht beirren!

Freilich: Forderungen, die rechtmäßig bestehen und rechtmäßig festgestellt worden sind, sollen auch effizient eingehoben werden. Dazu dient die heutige Vorlage. Dass jetzt der Einsatz der EDV erfolgt, ist sinnvoll. Der Herr Minister hat das an einem Beispiel vor Augen geführt: Ein Werktätiger wird eben um zehn Uhr vormittags beim besten Willen nicht anzutreffen sein – auch wenn der Exekutor mehrmals dort hingeht. Das war sicher keine ideale Vorgangsweise, aber das war bis jetzt nicht geregelt. Wenn hier die EDV ein sinnvolles Vorgehen ermöglicht, soll dies recht sein. Sinnvoll ist auch der Anreiz beziehungsweise die bessere Vergütung für sein Wirken, um insgesamt die Kosten zu verringern.

Zum Schluss: Bei Zahlungsunfähigen ist die Exekution immer eine Tragödie. Zahlungsunwillige wird der Vorgang wahrscheinlich auch weiterhin kalt lassen. Trotzdem, oder gerade deshalb, werden wir Freiheitlichen dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein. Danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003) (40 und 51/NR sowie 6777 und 6783/BR der Beilagen)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung: Urheber­rechts­gesetz-Novelle 2003.

Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Robert Aspöck, den Bericht zu erstatten.


Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 57

Der Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Reinhard Todt das Wort. – Bitte.

15.42


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Urheberrechtsgesetz-Novelle ist, wie sie hier vorliegt, eine Novelle, die man als völlig verunglückt bezeichnen kann. Es hätte im Prinzip eine Vielzahl von Möglichkeiten gegeben, eine innovative und zukunftsträchtige Gesetzgebung zu betreiben. Auf der einen Seite hätte man auf die Probleme der Künstler eingehen können, auf der anderen Seite hätte man die Wünsche der Konsumenten berücksichtigen können.

Das, was hier stattfindet, ist im Wesentlichen – und das kommt auch viel zu spät – nichts anderes als eine Reparatur, und zwar der sehr viel zu späte Versuch, eine EU-Richtlinie um­zusetzen. Sie leisten sich damit an sich einen Fehlgriff, der sowohl Künstler als auch Konsu­menten betrifft. Er begünstigt im Grunde niemand anderen als die Industrie.

Wir wissen, dass die so genannte Info-Richtlinie auf Druck der Industrie in Europa durchgesetzt worden ist. Künstler haben sich dagegen ausgesprochen, aber auch alle wichtigen euro­päischen Verbraucherorganisationen waren dagegen.

Worum geht es in dieser Novelle? – Es geht im Wesentlichen darum – ich habe das schon gesagt –, eine EU-Richtlinie umzusetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie kaufen eine CD, zum Beispiel eine Musik-CD, geben sie zu Hause in den CD-Player, dort spielt die CD die gewünschte Musik – Mozart, Beethoven, die Beatles, Rolling Stones oder was Sie gerne hören möchten –, Sie nehmen die CD mit ins Auto, geben sie ins Autoradio – und dort spielt sie nicht. Das würde das alles bewirken, denn in dieser CD ist nichts anderes als ein Kopierschutz, und daher passt sie nicht in alle Systeme. Aber es geht nicht nur um den Kopierschutz, sondern: Wenn Sie ein japanisches Auto haben, das mit einem japa­nischen CD-Player ausgestattet ist, kann es vorkommen, dass das Ding nicht kompatibel ist, und dann kann diese CD ganz einfach nicht abgespielt werden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wenn man keinen CD-Player hat, geht es auch nicht!) – Herr Bundesrat! Da haben Sie völlig Recht: Wenn man keinen CD-Player hat, geht es auch nicht.

Ich möchte damit nur aufzeigen, dass der Konsument, der sich diese CD gekauft hat, ein Benützungsentgelt dafür bezahlt hat, aber nichts davon hat. Er hat nichts davon! (Bundesrat Kraml: Das ist Betrug!) Ich denke, Sie machen dieses Gesetz, weil Ihnen die Konsumenten in diesem Land überhaupt nicht am Herzen liegen, denn sonst würden Sie mit diesem Gesetz auch notwendige Rahmenbedingungen schaffen, nämlich auch die Rahmenbedingung, dass jemand, der so etwas kauft, es benützen kann und nicht nicht benützen kann.

Dasselbe gilt für die Vergütungsansprüche bei der pauschalen Leerkassettenvergütung. Darüber wurde sehr lange diskutiert, aber die Verbesserung wurde ganz einfach nicht in das Gesetz mit aufgenommen. Es ist leider nur bei der Diskussion geblieben, die Regie­rungs­parteien haben es nicht aufgenommen oder auch nicht akzeptiert.

Was die vielen Urheberrechte anlangt, so gibt es darüber seit längerem eine Diskussion. Derzeit ist die Aufteilung der Beträge so, dass ein Drittel die Künstler bekommen und zwei Drittel die Produzenten. Das heißt also, der Urheber bekommt ein Drittel des Geldes, und jene, die nicht Urheber sind, bekommen zwei Drittel. Ich denke, das ist inakzeptabel. Wenn man das genauer anschaut, muss man sagen: In Wirklichkeit ist das ein Betrug an den Konsumenten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 58

Sie kreieren mit dieser Novelle einen neuen Eigentumsbegriff, der die Nutzungsrechte des Käufers beschränkt.

Im Sommer 2002 sollte diese EU-Richtlinie in das österreichische Recht implementiert werden, und es war in der Diskussion – ich habe es schon erwähnt – sehr viel enthalten, es sollte ein großer Wurf werden, man wollte alles hineinnehmen. Man wollte gleichzeitig die notwendige Modernisierung des österreichischen Urheberrechts vornehmen. Dies wäre wichtig zum Schutz der Arbeit der Künstlerinnen und Künstler und für eine gerechte Entlohnung der Künstlerinnen und Künstler. Dieser Entwurf wurde jedoch nicht realisiert. Im Gegenteil: Es kam zu einer Novelle, die in Wirklichkeit die Konsumenten bevormundet und den Künstlern das Geld, das sie bekommen sollten, vorenthält. Das ist von der geplanten Novelle übrig geblieben.

Es ist dies ein Husch-Pfusch-Gesetz geworden, daher werden wir dieses Gesetz ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm das Wort.

15.48


Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verzeihen Sie mir meine Stimme, ich bin ein bisschen leichtsinnig gewesen, wahrscheinlich war ich gestern zu leicht gekleidet draußen, und da hat es mich erwischt. (Bundesrat Kraml: Ich habe mir gedacht, Sie waren demonstrieren! Waren Sie demonstrieren?) – Genau.

Etliches wurde schon gesagt: Die EG hat mit Mai 2001 die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft erlassen. Es ist ein absolutes Ziel und eine Kontinuität in der EU, die Urheberrechtsgesetze an die erwähnte Richtlinie anzupassen und die erwähnten Übereinkommen, die zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit der Euro­päischen Gemeinschaft und den anderen Mitgliedstaaten ratifiziert werden sollen, anzupassen.

Der Inhalt ist die Anpassung des österreichischen Urheberrechts an die erwähnte Richtlinie. Es wird insbesondere die Nutzung von geschützten Werken im Internet geregelt. Ferner wird ein völlig neuer Rechtsschutz gegen die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen, die die Ver­letzung von Rechten verhindern sollen, und für Kennzeichnungen zur elektronischen Rechts­verwaltung vorgesehen.

Es gibt auch Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich. Der Erlass und die Umsetzung der Richtlinie gehören zu den vom Europäischen Rat in Lissabon gesetzten Prioritäten, die den Weg für eine wettbewerbsfähige, dynamische, auf Wissen basierende europäische Wirtschaft ebnen sollen. Mit der Richtlinie und deren Umsetzung sollen sichere Rahmenbedingungen für einen innergemeinschaftlichen Handel mit urheberrechtlich geschützten Waren und Leistungen geschaffen und die Expansion des elektronischen Handels mit neuen Waren, Multimedia-Produkten und Dienstleistungen erleichtert werden.

Ich darf auf die heutige Ausgabe des „Kurier“ hinweisen, in der über diese Sache unter „Lexi­kon“ geschrieben wird:

„Mit 1. Juli 2003 tritt die Novelle des heimischen Urheberrechts in Kraft. Ziel der auf einer EU-Richt­linie fußenden Neufassung ist die Verschärfung und Präzisierung des Schutzes von geistigem Eigentum.

So ist künftig die Bereitstellung von Daten im Internet dem Urheber vorbehalten. Damit ist der Gebrauch nicht-kommerzieller Tauschbörsen illegal. Das Umgehen von Kopierschutzein­rich­tungen wird bestraft. Illegal hergestellte Datenträger oder illegale Internet-Angebote können nicht als Privatkopie legalisiert werden.“


Bundesrat
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Es ist also insgesamt sehr klar, worum es geht. Diese EU-Richtlinie und deren Umsetzung sind auf Grund der heutigen technischen Möglichkeiten absolut notwendig. In diesem Sinne werden wir dem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

15.51


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der vorliegenden Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 trägt das Parlament – heute auch wir in der zweiten Kammer – der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheber­rechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft Rechnung.

Die Pflicht jedes Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Umsetzung solcher Richtlinien versteht sich von selbst, will man Vertragsverletzungsverfahren und die Entstehung von Staats­haftungsansprüchen vermeiden.

Allein deshalb erscheint es unbegreiflich, wenn die Opposition die Zustimmung zu einem Ge­setzesbeschluss verweigert, der dieser Pflicht zur Umsetzung verbindlicher Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts nachkommt. Freilich kann man sich in der Gewissheit, ohne­hin von der Mehrheit der Regierungsparteien überstimmt zu werden, solchen Populismus leisten, ungeliebte Ergebnisse der EU-Regelung abzulehnen.

Demgegenüber war es also geboten, das österreichische Urheberrecht an die erwähnte Richt­linie anzupassen und dabei insbesondere die Nutzung geschützter Werke im digitalen Bereich und im Internet zu regeln. Zudem war ein effektiver Rechtsschutz gegen die Umgehung tech­nischer Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verletzung von Urheberrechten einzu­richten. Nicht zuletzt deshalb wurde auch der Katalog der freien Werknutzungen überarbeitet.

Der Debatte, die im Nationalrat stattgefunden hat, muss ich leider entnehmen, dass manche Redner der Opposition es bedauerten, wenn die Richtlinie und ihre Umsetzung im öster­reichischen Recht Vorgehensweisen unterbindet, die als Raubkopien einzustufen sind. Die von der SPÖ geforderte Verkürzung der Rechte des Rechteinhabers und der Hersteller von Soft­ware-Produkten liefe auf eine kalte Enteignung der Urheberrechte beziehungsweise Werk­nutzungsrechte hinaus. Das – seien Sie mir nicht böse, liebe Kollegen von der SPÖ (Bundesrat Todt: Sie zahlen ja den Urheberbeitrag mit beim Kauf!) – macht einmal mehr deutlich, wie Sie es mit dem Eigentumsschutz halten!

Meines Erachtens ist es rechtspolitisch durchaus gerechtfertigt, dem Rechteinhaber Unter­lassungs- und Schadenersatzansprüche für den Fall einzuräumen, dass technische Zugangs-, Kontroll- oder Kopierschutzeinrichtungen von einer Person umgangen werden, der bekannt sein musste, dass sie dieses verbotene Ziel verfolgt. Dass der Konsument, wie eingewendet wurde, damit nur seine angeblich rechtmäßigen Vervielfältigungsrechte durchzusetzen versuchte, trifft nicht zu, denn einerseits ist in der österreichischen Rechtsordnung Selbsthilfe grundsätzlich unzulässig, andererseits geht es eben gerade um eine sachgerechte Interessenabwägung zwischen den Urhebern, den Herstellern und den Konsumenten.

Dies gilt insbesondere auch für die Urheberrechte von Werken, die Musiknoten wiedergeben. Die kostenaufwendige Herstellung solcher Produkte müsste früher oder später unterbleiben, falls auch hierbei die völlig freie Werknutzung eröffnet werden würde. Deshalb wäre es ökono­misch unvertretbar, wenn Musiknoten vervielfältigt werden könnten, ohne dass dafür die Ver­wertungsrechte entgolten werden müssten.

Da auch das Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum bei der Gesetzesan­passung zu berücksichtigen war, musste bedacht werden, dass dieses Abkommen die un­entgeltliche Vervielfältigung beziehungsweise Verwertung von auf Musiknoten bezogenen


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696. Sitzung / Seite 60

Werken verbietet. Wir können und wollen weder internationale Abkommen brechen noch kleine­re Musikverlage schädigen.

Aus all diesen Gründen wird meine Fraktion dieser heute zu beschließenden Gesetzesvorlage zu­stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung noch ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen An­frage der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Aus­wirkungen des Budgetbegleitgesetzes auf Länder und Gemeinden an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 1 der Geschäftsordnung wird verlangt, diese Anfrage nach Erledigung der Tagesordnung zu behandeln.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt in Österreich – Gewalt mit Worten und die Verwendung von Antisemitismen gefährden die innere Sicherheit und Demokratie in Österreich (2068/J-BR/03)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Be­gründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

15.57


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Wir waren in den letzten Wochen in zunehmendem Maße mit einem Notschrei der Israelitischen Kultusgemeinde konfrontiert, die darauf verwiesen hat, dass sie aus eigenen Mitteln nicht mehr in der Lage ist, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. Diese Forderung – und


Bundesrat
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696. Sitzung / Seite 61

es ist eine Forderung an die Adresse der Bundesregierung – hat aber ganz offensichtlich nicht jene Beantwortung gefunden, die sie verdient.

Dieses Land, Österreich, verdankt seine Geltung, seine Identität jener Vielfalt, die uns auszeichnet. Dieses Österreich ist ein Land – ich hoffe doch – der nationalen, der religiösen und der kulturellen Vielfalt und jener Toleranz, die die Entwicklung dieser Vielfalt ermöglicht.

Wir haben eine Vielzahl von staatlichen Instrumenten der Förderung, die diese Vielfalt ermöglichen und unterstützen sollen, und das halten wir – ich hoffe, alle – für richtig.

Wir fördern die autochthonen nationalen Minderheiten in unserer Republik, die auch ihre sprachliche Identität bewahren sollen. Wir fördern die Religionsgemeinschaften in unserem Land. Wir bemühen uns, den vielfältigen regionalen Aspekten unserer Vielfalt gerecht zu werden. Wir fördern naturgemäß auch kulturelle Initiativen sehr unterschiedlichen Zuschnitts – ich hoffe, in der genügenden Breite, obwohl wir diesbezüglich auch gelegentlich Kritik anzu­merken haben. Wir fördern politische, ideologische Gruppierungen und die von ihnen gesetzten Maßnahmen zur Verbreitung der Ansichten, die sie vertreten. Wir fördern Publikationen, die diese Standpunkte zum Ausdruck bringen.

Wir haben in den letzten Jahren beim Ausbau dieser Förderungen sicherlich nicht in dem Aus­maß Schritt gehalten, wie es einer differenzierten Gesellschaft angemessen gewesen wäre. Wir haben das Diktat der angeblich leeren Kassen auch in diesem Bereich durchschlagen lassen.

Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen dieses Thema zu diskutieren ist. Aber jene Aspekte, denen sich unsere dringliche Anfrage widmet, sind nicht nur in diesem Zusammen­hang zu debattieren. Dass jüdische Mitbürger – in Klammer gesagt: religiös oder nicht religiös – ein wichtiges und in vielen Bereichen geradezu identitätsstiftendes Merkmal dieses Landes waren, ist jedem bekannt, der das nicht verdrängen will.

Ich erspare es mir, jene lange Liste von Nobelpreisträgern, Wissenschaftlern und Künstlern aufzuzählen, auf die dieses Land – manchmal zu Recht und oft nicht zu Recht – stolz ist, das heißt: Stolz kann man schon auf sie sein, aber ob wir ein Recht darauf haben, uns heute mit ihnen zu brüsten, das ist in vielen Fällen höchst zweifelhaft!

Aber sie sind jedenfalls ein Stück der positiven Identität dieses Landes, das über weite Strecken – wenn ich in die Landschaft schaue: über weite Teile unserer Republik – vernichtet und zahlenmäßig nur mehr zu einem Bruchteil einstiger Größe vorhanden ist.

Wir kennen heute die Namen von 65 000 österreichischen Juden, die ermordet wurden, wir wissen um die Schicksale. Unsere Kinder – und ich habe das für eine der schönsten Aktionen gehalten – haben ihnen Botschaften geschickt, und zwar an die einzige Adresse, die es, wenn man das glaubt, noch gibt: nach oben, in den Himmel.

Was es heute noch gibt, sind kleine Restbestände. Es ist eine Ehre für unser Land und für jene, die solche Aktivitäten initiiert haben, dass wir dem in vielen Bereichen gedenken, es würdigen und Einrichtungen schaffen, die das tun. Wir haben in Hohenems, in Eisenstadt, in Wien jüdische Museen. Wir haben Gedenksteine und Gedenkmale, wir haben von der Bevölkerung stark angenommene Gedenkfeiertage wie die Befreiung Mauthausens oder die Feier hier im Parlament. – All das ist wichtig!

Das Gedenken an die Toten der Shoah ist ein Element, aber wir sollten um nichts in der Welt den Eindruck entstehen lassen, dass bei diesem Gedenken nur eines stört, nämlich die paar lebenden Juden, die es in Österreich noch gibt.

Wenn wir Schuld zum Ausdruck bringen – keine, die einer von denen, die hier im Saal sitzen, trägt, aber eine Schuld unserer gemeinsamen Geschichte –, wenn wir ein Ja sagen zu dieser Vielfalt, dann müssen wir auch – und gerade – die wenigen lebendigen Zentren jüdischen Lebens in unserem Land erhalten, und, wenn sie das aus eigener Kraft nicht können, sie dabei unterstützen.


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696. Sitzung / Seite 62

Die Israelitische Kultusgemeinde in Wien ist eine kleine Gemeinde geworden, sie ist allein in jener Zeit, in der ich ihr Schicksal verfolge, auf etwa die Hälfte der Mitglieder geschrumpft, und sie hat unter anderem auch für den hohen Prozentsatz älterer und hilfsbedürftiger Gemeinde­mitglieder die finanzielle Belastung zu tragen. Sie mit den vielfältigen Einrichtungen, die sie erhält, und mit den vielfältigen Leistungen, die sie erbringt, allein zu lassen, ist unseres Landes nicht würdig!

Sich darauf zu verlassen, dass uns größere, finanzstärkere jüdische Gemeinden – die gibt es –gewissermaßen aus der Verantwortung entlassen, indem sie aus Amerika etwas überweisen, wäre eine wahrhaft miese Haltung, die unserem Selbstverständnis – das gilt jedenfalls für uns – nicht gerecht werden würde.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde hat rechtzeitig und in klaren Worten auf den Notstand dieser Gemeinschaft aufmerksam gemacht. Es hat Gespräche gegeben – so weit ich weiß, auch mit Ihnen, Frau Bundesministerin –, die nicht erquicklich verlaufen sind und jeden­falls bislang zu keinen Resultaten führten.

Ich will mich gar nicht in extenso in die Diskussion darüber einschalten, wie nun der Herr Bun­deskanzler mit welchen Worten reagiert hat. Wenn es so war, wie es mitgeteilt wurde, ist es einfach schmerzlich. Wenn es nicht so war und er nur ohne die Hinzufügung eines Epitheton ornans von „Mossad-Agenten“ gesprochen hat, war es zumindest geschmacklos.

Aber darum geht es nicht! Es geht darum, dass sich die Republik als politischer Ausdruck unserer Geschichte und unserer geschichtlichen Verantwortung dieser Verantwortung stellt, und es geht darum, dass sich die Regierung als politischer Mandatsträger dieses Volkes ihrer Ver­antwortung stellt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe mir persönlich vor dieser Wortmeldung sehr bewusst verboten, auch nur annäherungs­weise an Polemik heranzukommen, denn das ist kein Thema dafür! Ich klage nicht an, ich mache keine Vorwürfe, ich attackiere auch Sie nicht, Frau Bundesministerin (Zwischenruf des Bu­ndesrates Bieringer), aber ich erwarte eine klare und positive Antwort.

Diese dringliche Anfrage hat einen einzigen Zweck, nämlich Ihnen die Möglichkeit zu geben, vor einer Kammer des österreichischen Parlaments klar zum Ausdruck zu bringen: Ja, wir drücken uns nicht vor dieser Verantwortung, wir sind bereit, einzuspringen und zu helfen!

Ich mache am Schluss meines Debattenbeitrages nichts anderes als auszudrücken, dass ich von Ihnen erwarte, dass Sie dieser Verantwortung gerecht werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein.)

16.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an sie gerichteten Anfrage erteile ich Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Elisabeth Gehrer, das Wort. – Bitte.

16.09


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Regierung drückt sich vor keiner Verantwortung in keinem Bereich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum grundsätzlichen Verständnis muss ich in der Geschichte etwas weiter zurückgehen: Die Republik hat nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1960 ein Gesetz beschlossen, nach dem für verlorenes Vermögen von Religionsgemeinschaften jährliche Zahlungen geleistet werden, und zwar als Entschädigungszahlungen.

In diesem Gesetz wurde damals vereinbart, dass eine einmalige Zahlung geleistet wird und da­zu jährliche Zahlungen, die etwa alle sechs Jahre, wenn der Geldwertschwund ein bestimmtes Maß überschritten hat, valorisiert werden, das heißt also, dass dieses Gesetz von 1960 dann novelliert wird.


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Die österreichische Regierung zahlt diese Beiträge den Religionsgemeinschaften nicht zur Aus­übung ihrer Tätigkeit, sondern ausdrücklich als Entschädigungszahlung für während des NS-Regimes verlorenes Vermögen. Darin besteht ein grundsätzlicher Unterschied zu Deutschland, denn in Deutschland wird der Kirchenbeitrag vom Staat eingehoben, danach werden diese Geld­mittel verteilt. Das heißt also: Wenn man Deutschland als Beispiel hernimmt – das erklärt mir Herr Dr. Muzicant immer wieder, welche Zahlungen man dort laufend leistet –, dann muss man sagen, ist das eine andere Konstruktion.

Damals, im Jahr 1960, wurde ein bestimmter Betrag für die römisch-katholische Kirche und für die beiden bestehenden evangelischen Kirchen, angepasst an ihre jeweilige Mitgliederzahl, ver­einbart. Beim Betrag für die Israelitische Kultusgemeinde wurden die Mitgliederzahlen von vor 1938 genommen. Schon seit 1958 wurden diese Zahlungen überwiesen. Wir leisten also jährliche Entschädigungszahlungen auf Basis der Mitgliederzahlen der Israelitischen Kultus­gemeinde von vor 1938!

Derzeit ist das ein jährlicher Betrag in der Höhe von 772 177,27 €. Bitte mitschreiben, damit wir alles zusammenzählen können! Dieser Betrag, nämlich 772 177,27 € – das ergibt sich aus den Aufwertungsfaktoren, da kommen dann solche Beträge heraus –, wird der Kultusgemeinde jährlich quasi als Entschädigungszahlung überwiesen, und zwar ad infinitum! Das ist im Gesetz so festgelegt.

Die einmalige Zuwendung, welche die Kultusgemeinde damals, im Jahr 1958, erhalten hat, hat nach damaligen Geldwert 30 Millionen Schilling betragen, heute sind das mit dem Aufwertungs­faktor etwa 143 Millionen Schilling. Dazu kommt noch, dass wir der Israelitischen Kultusge­mein­de selbstverständlich die Kosten für die Lehrer und Lehrerinnen an ihren Schulen ersetzen, das sind etwa 3 Millionen € jährlich. Dazu kommt weiters, dass wir sehr viele Projekte der Israeli­tischen Kultusgemeinde bewilligt und unterstützt haben. Wir legen in diesem gesamten Bereich großes Augenmerk darauf, dass diese kulturelle Vielfalt in unserem Lande bestmöglich unter­stützt wird.

Sie haben es selbst schon erwähnt: Es werden die jüdischen Museen in Hohenems, in Wien und in Eisenstadt unterstützt, es wird die Universität in Jerusalem unterstützt, es werden Zivildiener zu den Gedenkstätten geschickt, es werden die Gedenkstätten unterstützt. Es wer­den an den Schulen, gerade im Rahmen der politischen Bildung, enorm viele Projekte gemacht, Maßnahmen gesetzt, mit Zeitzeugen, mit all den Broschüren, die wir erstellt haben, auch mit dem letzten Projekt „Aktionstage Politische Bildung“, bei dem all diese Fragen mit den Schülern diskutiert werden und eine breite Basis in Richtung Toleranz, in Richtung „Miteinander leben“ grundgelegt wird.

Wir sind in ständigem Kontakt mit der jüdischen Gemeinschaft und haben auch sehr erfreuliche und sehr gute Gespräche mit ihr. Ich weiß nicht, woher Sie das haben, dass es unerfreuliche Gespräche seien.

Die österreichische Bundesregierung hat als zusätzlichen Schritt den so genannten Ent­schädigungsfonds gegründet. Dieser Entschädigungsfonds, der unter der Führung von Frau Präsidentin Schaumayer und in Zusammenarbeit mit allen jüdischen Gemeinden auch in den Ver­einigten Staaten ins Leben gerufen wurde, ist dazu da, um noch offene Fragen der Ent­schädigung abzuklären und eine entsprechende Entschädigungszahlung zu leisten. Das wurde vereinbart und im Jänner 2001 unterschrieben. Der damalige Staatssekretär Stuart Eizenstat hat mitgeteilt, dass auch Herr Dr. Muzicant diese Vereinbarung unterschrieben hat. Noch be­stehende Entschädigungsansprüche, Restitutionsansprüche müssen diesem Entschädi­gungs­fonds bis Ende Mai gemeldet werden.

Ich habe ein sehr konstruktives Gespräch mit Herrn Dr. Muzicant gehabt, und es ist mir auch mitgeteilt worden, dass er diese noch bestehenden Ansprüche, die alle gesammelt worden sind, bei diesem Entschädigungsfonds, der mit 210 Millionen US-Dollar dotiert ist, anmelden wird. Das ist kein Geld, das aus Amerika an uns geliefert wird, das ist Geld, das aus Österreich be­zahlt wird. Die österreichische Bundesregierung hat erreicht, dass in diesen Fonds 210 Mil-


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lionen US-Dollar geflossen sind, mit denen Entschädigungen für Ansprüche, die noch da sind, vorgenommen werden können.

Herr Dr. Muzicant hat diese Ansprüche in einem sehr großen Kompendium gesammelt. Es ist, glaube ich, seine Pflicht, diese Ansprüche beim Entschädigungsfonds geltend zu machen, damit dann auch die entsprechenden Entschädigungszahlungen geleistet werden.

Ich werde nun Ihre Fragen im Einzelnen beantworten:

Frage 1: „Welche Maßnahmen werden Sie als zuständiges Mitglied der Bundesregierung unter­nehmen, um die Existenz der Israelitischen Kultusgemeinde in finanzieller Hinsicht zu gewähr­leisten?“

Wir werden weiterhin die vereinbarten Zahlungen leisten, wir werden weiterhin Projekten der Israelitischen Kultusgemeinde Unterstützung zukommen lassen, und wenn die Israelitische Kultusgemeinde die Entschädigungszahlung aus diesem Entschädigungsfonds erhält, dann wird ein großer Teil ihres finanziellen Problems gelöst sein.

Ich weiß aber auch, dass eine kleiner werdende Israelitische Kultusgemeinde wahrscheinlich einige Projekte hat, die man dementsprechend unterstützen muss, und habe deshalb mit Herrn Dr. Muzicant – und das beantwortet auch Ihre weiteren Fragen – vereinbart, dass wir, wenn es Projekte im sozialen Bereich gibt, wenn es Projekte im Bildungsbereich gibt, wenn es Projekte im Sicherheitsbereich gibt, sehr gerne mit ihm über eine finanzielle Unterstützung solcher Pro­jekte – nicht als Dauerfinanzierung, sondern für die Laufzeit eines Projektes – reden werden.

Bezüglich der jüdischen Friedhöfe kann ich mir durchaus vorstellen, dass ein Sanierungsprojekt notwendig ist. Normalerweise ist die Erhaltung von Friedhöfen Sache der Gemeinden, der Städte, also der Kommunen. Wenn aber eine einmalige Hilfestellung notwendig ist und ein Projekt dargestellt wird, dann werden wir sehr gerne darüber reden.

Zur Frage betreffend den Sicherheitsaufwand möchte ich Folgendes feststellen – das ist auch meine Bitte an den Antragsteller –: Sie haben gesagt, Sie wollen sehr moderat und sehr sachlich darüber reden. Das ist mir sehr recht. Allerdings schreiben Sie in Ihrer Anfrage – ich zitiere –: „Die finanzielle Notsituation der Kultusgemeinde begründet sich nicht nur auf den hohen Kosten für – und dies ist wohl ein beschämendes Zeugnis menschlichen Unvermögens ein Miteinander zu leben – ...“ – Ich weiß nicht, wen Sie damit meinen, ich hoffe, Sie meinen damit nicht die Österreicher und Österreicherinnen! (Bundesrat Konecny: Nein!)

Sie bezeichnen diese Mehraufwendungen für Sicherheitsmaßnahmen als „ein beschämendes Zeugnis menschlichen Unvermögens ein Miteinander zu leben“!

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe Herrn Dr. Muzicant gefragt, woher die Bedrohung kommt. Er sagte mir, dass sie infolge des 11. September Drohbriefe erhalten hätten, nicht von uns, nicht von Österreicherinnen und Österreichern! Infolge des Irak-Krieges gibt es zusätzliche Bedrohungen, aber ganz sicher nicht von Österreicherinnen und Österreichern. – Ich bitte also wirklich darum, nicht etwas in diese Anfrage zu schreiben, das den Geruch aufkommen lässt, dass wir in Österreich nicht dieses menschliche Miteinander leben.

Wir leben dieses menschliche Miteinander. Wir unterstützen die Israelitische Kultusgemeinde, wir wollen, dass es ihr gut geht, wir wollen, dass sie in Österreich ihren Platz hat, und wir tun alles, was möglich ist! Auch dieser Fonds, der in Amerika beschlossen und gegründet wurde und mit österreichischen Geldern gefüllt wurde, dient dieser Wiedergutmachung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 5 bezüglich Sicherheit ist noch zu sagen, dass sämtliche Sicherheitsdirektionen, Bun­despolizeidirektionen, Landesgendarmeriekommanden bereits in der Vergangenheit ange­wiesen wurden, jüdische Einrichtungen in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu erfassen, mit den für Sicherheitsfragen zuständigen Verantwortlichen dieser Objekte Kontakt aufzu-


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nehmen und allenfalls Objektschutzmaßnahmen im Rahmen des Rayons- und Streifendienstes zu veranlassen. Das wird auch vom Innenministerium gemacht.

Derzeit werden zum Beispiel in Wien 25 jüdische Objekte durchgehend – beziehungsweise zeitweilig, wenn es besonders notwendig ist, wenn wieder ein neuer Anlass gegeben ist – von uniformierten Exekutivkräften überwacht.

Zu diesem Zweck sind insgesamt etwa 50 bis 100 Sicherheitswachebeamte eingesetzt. Jede weitere Verstärkung der Objektschutzmaßnahmen durch Exekutivorgane wird situations­ange­passt geprüft und veranlasst.

Zur Vornahme von Anschaffungen von Geräten zur technischen Überwachung werden von der Israelitischen Kultusgemeinde Subventionsanträge eingebracht. Wir haben den Herrn Präsiden­ten gebeten, zum Beispiel für Sicherheitsschleusen, Alarmanlagen Projekte einzubringen. Das Bundesministerium für Inneres wird diese Anschaffungen gerne unterstützen und auch fördern.

Das Bundesministerium für Inneres wird auch weiterhin alles rechtlich, personell und finanziell Mögliche für den Schutz von jüdischen Einrichtungen unternehmen.

Das war zur Frage 5, die Sie gestellt haben.

Zur Frage 6: In welchem zeitlichen Rahmen wird mit Restitutionsmaßnahmen hinsichtlich des Eigentums der Israelitischen Kultusgemeinde gerechnet werden können?

Dazu ist meine Information, dass Herr Präsident Dr. Muzicant seine Anträge bis Ende Mai beim Allgemeinen Entschädigungsfonds einbringen wird. Dort werden dann die Ansprüche geprüft und Entschädigungszahlungen geleistet.

Ich möchte zusammenfassend feststellen: Es ist das große Anliegen der österreichischen Bun­des­regierung – und ich weiß, es ist dies das große Anliegen aller Mitglieder des Hohen Hauses, des Bundesrates, des Nationalrates –, dass wir unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen, die in der Israelitischen Kultusgemeinde sind, so gut wie möglich unterstützen, dass wir ihre Schulen so gut wie möglich fördern. Wir haben die Bauten der Lauder-Chabat-School mit einer besonderen finanziellen Förderung versehen. Wir unterstützen die Einrichtungen, wir unterstützen mit Son­dertranchen die Errichtung von Turnsälen, wir zahlen regelmäßig das gesamte Lehrperso­nal. Wir schauen nicht darauf, ob es große oder kleine Klassen sind, es wird wirklich nach Not­wendigkeit gefördert.

Mir ist es ein Anliegen, dass sich die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen in unserem Land wohl fühlen, in unserem Land gut leben können. Die österreichische Bundesregierung wird alles unter­nehmen, damit dies auch weiterhin möglich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

16.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, in der die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach das Wort. – Bitte.

16.23


Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht lange her, dass wir am Tag des Gedenkens an die Opfer des Faschismus und gegen den Rassismus inne­gehalten haben, uns erinnert haben und über Zukünftiges nachgedacht haben.

Das, was unseren Mitbürgern in der Zeit des Faschismus passiert ist, wird zwar immer wieder beschrieben, aber ich frage mich, ob wir überhaupt ermessen können, was die Opfer zu ertragen hatten, und ich gestehe es hier ganz offen, mein Vorstellungsvermögen übersteigt es.


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Mein Vorstellungsvermögen übersteigt es allerdings nicht, wenn es um Sensibilität für Ver­letzlichkeit und Kränkung geht. Und da darf ich jetzt etwas einfügen, was bitte nicht miss­ver­standen werden soll, weil ich es aus den Worten der Frau Bundesministerin nicht herausgehört habe: In vielen Diskussionen macht es mir schon Sorge, dass manchmal so ein Unterton herauszuhören ist, der sagen will: Was wollen die noch? Ich glaube, dass das nicht gut ist, wenn in solchen Diskussionen dann so ein Unterton herauskommt, weil dieser dann natürlich auch auslöst, dass auf der anderen Seite gesagt wird: Na ihr seht ja, der Antisemitismus ist da, der ist nicht wegzubringen!, und so weiter.

Daher ist gerade in allen Diskussionen, die sich mit dem Thema, das durch die dringliche Anfrage angeschnitten wurde, beschäftigen, eine besonders sensible Wortwahl vonnöten, denn es gibt so vieles, was verletzt. Es verletzt eben die Nichtachtung von berechtigten Wünschen beziehungsweise Ansprüchen. Es verletzt eben, wenn religiösen Vorstellungen nicht der gebührende Respekt entgegengebracht wird, und es verletzt natürlich auch, wenn die Sprache rüde ist, ja, wenn die Sprache vielleicht sogar Angst macht.

Menschen jüdischen Glaubens haben halt auch eine besondere Beziehung zu den Gräbern ihrer Vorfahren, und es ist daher für Menschen jüdischen Glaubens besonders schmerzlich, wenn es keine Nachfahren gibt, die sich um Familiengräber kümmern können, wenn Friedhöfe ver­wahrlosen. Daher soll uns auch das ein besonderes Anliegen sein.

Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen wissen, warum jüdische Menschen Steine auf die Gräber legen, denn wir sind es ja gewohnt, Blumen hinzulegen. Diese Tradition des Steine-Hinlegens hat eigentlich einen furchtbaren Hintergrund: Eine Blume verwelkt. Die Überlegung da­bei war, die Familienmitglieder der Verstorbenen, die sehr oft in Zeiten der Pogrome verfolgt waren, zu schützen. Wenn nämlich frische Blumen auf den Gräbern zu finden waren, dann haben na­türlich jene, die zu den Verfolgern gehört haben, genau gewusst, dass es da irgendwo An­gehörige geben muss. So ist diese Tradition des Steine-Niederlegens entstanden.

Ich glaube, auch das ist etwas, was wir uns immer ins Gedächtnis rufen sollten, dass die Ver­fol­gung nicht erst eine Sache des 20. Jahrhunderts ist. Das ist eine unendlich lange alte Ge­schich­te, die in diesen Menschen Angst verfestigt hat. Diese Angst ist für viele nicht erst ein Be­gleiter seit dem Holocaust, sie ist aber verstärkt ein Begleiter, seit es Anschläge gegen jüdi­sche Einrichtungen und gegen jüdische Menschen gibt. Auch in Österreich gab es Anschläge, am Flug­hafen, in der Seitenstettengasse. Sie werden sich wahrscheinlich auch noch an die Gei­selnahme von sowjetisch-jüdischen Emigranten erinnern.

Damit hier nicht der Eindruck einer Einseitigkeit entsteht: Ich will nicht darüber sprechen, was zu Selbstmordanschlägen in Israel führt, denn ich habe hier eine sehr differenzierte Meinung, was es bedeutet, Gegenden zu okkupieren und mit harter Hand zu regieren. Das ist nicht etwas, was ich gutheiße. Aber diese Selbstmordanschläge in Israel führen natürlich dazu, dass Men­schen jüdischen Glaubens überall auf der Welt ständig Angst davor haben. Auch das ist wieder etwas, was wir uns nicht vorstellen können, was diese Angst bedeutet, unter Umständen ein bis zur Unkenntlichkeit zerfetztes Kind nach Hause zu bekommen, das einem in der Früh noch gesund und lachend einen Abschiedskuss gegeben hat, oder dass Ehepartner be­ziehungs­weise andere Familienmitglieder nie mehr heimkommen.

Das ist eine Angst, die schwer zu ermessen ist, die aber in diesen Menschen vorhanden ist, und Angst wird gemildert, wenn man in einer Gemeinschaft Geborgenheit findet. Ich glaube, dass die Kultusgemeinde, soweit es ihre österreichischen Mitglieder betrifft, diese Erwartung erfüllt, sie muss aber – und darin sind wir uns alle auch einig – natürlich die Ressourcen haben, um diese Rolle wirklich voll erfüllen zu können.

Die Angst wird auch gemildert, wenn es Menschen gibt, denen man es zutraut, dass sie Leben schützen können. Daher appelliere ich an alle Zuständigen: Verlieren wir bitte nie die be­sondere Situation der wenigen unter uns lebenden jüdischen Menschen aus den Augen, und versuchen Sie vor allen Dingen ihre Angst und ihren doch wahrhaft tief sitzenden Schmerz zu verstehen!


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Abgesehen von allem anderen, glaube ich wirklich eines: Wenn die Kultusgemeinde über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügt, wird sie sehr gerne für die Sicherheit selbst sorgen. Das sind nicht Menschen, die man dann von irgendwo herholt und denen man einen Job gibt, sondern das sind Menschen, zu denen sie Vertrauen haben, denen sie eben zutrauen, dass sie ihr Leben schützen können. Das werden sie sicher gerne selbst finanzieren, wenn sie die entsprechenden finanziellen Ressourcen haben. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)

Ich bitte noch einmal, in dieser Situation zu bedenken: Es geht um Menschen, Menschen mit Ängsten, Menschen mit Hoffnungen, von denen wahrscheinlich jeder einzelne auf eine Familien­geschichte verweisen kann, die nicht einfach ist, um es einmal so auszudrücken. Daher: Es geht um Menschen. Die Sachfragen sind natürlich nüchtern abzuhandeln, aber immer mit dem Hintergedanken, es geht um Menschen in einer besonderen Situation. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.32


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Andreas Schnider. Ich erteile es ihm.

16.32


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn bei Professor Konecny und Frau Vizepräsidentin Haselbach bedanken, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir haben in diesem Haus von Vielfalt, von Erinnerung, von Bewahrung und von Gedenken gesprochen. Wir haben auch von Schmerz und von Angst gehört. Und ich glaube, das ist die richtige Sprache, wie man über dieses Anliegen zu reden hat. Doch erlauben Sie mir, auch meine Anmerkungen dazu zu machen.

Erstens: Ich möchte vorausschicken, dass ich niemandem hier einen Vorwurf machen möchte, und ich möchte mich auch jeglicher Polemik enthalten, aber etwas ist, glaube ich, wichtig, eingangs gesagt zu werden: Wenn man von der Bewahrung der kulturellen und religiösen Vielfalt spricht, wenn man von der Gewalt der Sprache spricht, dann, denke ich, ist es zu kurz gegriffen, sechs oder sieben Fragen zu stellen, die eigentlich nur das Geld betreffen.

Ich denke, wir müssten etwas tiefer gehen, und ich glaube, ich weiß auch, warum nur diese sieben Fragen gestellt wurden: weil wir uns alle hier einig sind, dass unter dieser Bundes­regierung sehr viel für die Religionsgemeinschaften in diesem Land gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was meine ich damit? – Es ist angesprochen worden, und ich möchte nicht alles wiederholen, aber etwas möchte ich schon sagen in Bezug auf die Finanzierung der Lehrer, die Finanzierung des Religionsunterrichtes. Darf ich an die sozialdemokratischen Mitbewerber in diesem Land eine Frage stellen: Warum verfolgen Sie in den letzten Jahren ganz stark das Ziel, dass der Re­ligionsunterricht nicht mehr zur Gänze mit öffentlichen Geldern finanziert werden soll? Warum verfolgen Sie das Ziel, dass die Unterrichtseinheiten des Faches Religion eingeschränkt werden sollen? Warum hört man aus Ihren Reihen Kritik, wenn die Frau Bundesministerin im Zusam­menhang mit den Stundenkürzungen auch selbst aus ihrem eigenen Bekennen heraus sagt, sie will nicht, dass diese Stunden gekürzt werden? Ich denke, das ist sehr wohl der richtige Weg, um das Religiöse – ich rede ganz bewusst so davon: das Religiöse – in diesem Land gerade in der Bildungslandschaft zu bewahren. Das ist das Erste. (Bundesrat Boden: Ihr kürzt ja die Stunden! Kürzen wir die Stunden?)

Das Zweite ist: Wenn wir schon von der Bewahrung reden, dann sollten wir auch davon reden, worüber wir heute zu Mittag schon gesprochen haben: von der Sprache. Es war schade, dass bei dem Punkt Mediation wenige hier waren, weil ich denke, das ist eine Umgangsform, die wir überall brauchen würden, gerade auch, wenn es um solche Fragen geht: dass man freiwillig bereit ist, sich zusammenzusetzen und gemeinsam nicht irgendein Ergebnis zu verfolgen, sondern eines gemeinsam zu suchen und zu diskutieren.


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Zur Sprache: Ich bin sehr dankbar, dass es diese Publikation „Macht und Sprache“ gibt. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.) Diese hat nicht irgendjemand herausgegeben, sondern das war Elisabeth Gehrer. Schon auf der ersten Seite – und das ist eine besonders wichtige Geschichte – geht es um die Macht und um die Sprache innerhalb der Politik. Ich glaube, dieser Herausforderung müssten wir uns stellen, dass wir noch viel mehr in der Art und Weise miteinander reden, wie wir es heute eingangs gehört haben, wofür ich aufrichtig dankbar bin.

Aber eines möchte ich auch sagen, auch wenn jetzt wahrscheinlich, wenn ich das sage, die Wogen hochgehen werden: Ich bin noch nicht so lange in diesem Haus, aber ich habe bei den letzten Malen, als ich hier war, Worte gehört, die mich schon verwundert haben, die auch Schmerz bereitet haben demjenigen, der es gehört hat. Wenn hier der Bundeskanzler sitzt und von einer „Wolfgang-Schanze“ gesprochen wird, dann frage ich mich, welche Art der Wortwahl das ist und welcher Sprachstil das ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch etwas: Wir selbst müssen uns so ernst nehmen in unserem Sprachstil, in unserer Sprach- und Wortwahl, dass wir nicht nur nach dem Hörensagen gehen dürfen. Das, was gesprochen worden ist, was wer wie gesagt hat, können wir in den Protokollen, in den Gesprächsprotokollen nachlesen, aber ich finde, am allerbesten ist, wenn man sich fragt, wie wer was gesagt hat, dass man auf denjenigen zugeht und fragt: Wie hast du das gemeint? – Artikuliere dich, bringe ein Argument dafür, warum du es so und nicht anders gesagt hast! Das würde ich auch erbitten, dass wir nicht in der Politik in erster Linie vom Hörensagen leben, denn ich glaube, es gibt viele Institutionen, die das tun.

Zur religiösen Vielfalt: Gerade im Bereich der Bildung stelle ich fest, dass genau die religiöse und kulturelle Vielfalt in einem hohen Maß bewahrt wird. Schauen wir uns einmal, meine Kolle­ginnen und Kollegen, § 2 des Schulorganisationsgesetzes an. Da wird eindeutig von der Ver­mittlung und Bewahrung der sittlich-religiösen und sozialen Werte gesprochen. Schauen wir uns die neuen Lehrpläne der Sekundarstufe 1 an, die unter Elisabeth Gehrer gemacht worden sind, und schauen wir uns auch den neuen AHS-Oberstufenlehrplan an: Es werden drei Auf­gaben­bereiche genannt: Wissensvermittlung, Kompetenz und religiös-ethisch-philosophische Bil­dungs­dimension. Und als wichtiger Bildungsbereich werden Sprache, Kommunikation und – als zweiter – Mensch und Gesellschaft genannt. Und dort steht wiederum: soziale und kulturelle Zusammenhänge. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Es wurde heute angesprochen, ob sich Menschen verschiedener religiöser Ge­meinschaften bei uns wohl fühlen. Ich möchte hier ganz laut und deutlich ja sagen. Warum? – Nicht, weil das mein subjektives Empfinden ist, sondern schauen wir uns doch an, wie viele Treffen es bei uns in Österreich gibt! Ich denke jetzt gerade als Steirer an das Welt-Ökumene-Treffen in Graz oder an das Welttreffen der buddhistischen Religionsgemeinschaft! Glauben Sie nicht, dass die sich überlegen, ob ihre Mitglieder, die sie aus der ganzen Welt holen, hier sicher sind? – Ich glaube sehr wohl, dass sie sich das überlegen! Sie denken nicht nur daran, dass die Steiermark ein schönes Land ist und dass es dort einen guten Wein gibt. – Das sei zur religiösen Vielfalt gesagt.

Nun noch eine Bemerkung zur Sicherheit. – Ich denke, es ist ganz klar gesagt worden, dass alles für den Schutz und die Sicherheit getan wird. Jetzt kommt aber noch etwas dazu: Man sagt nicht einfach, das lässt man irgendjemanden auf der Welt machen, den man herholt, der das hier machen soll, nein, die eigenen Sicherheitskräften – die eigenen! – sind aufgefordert – und das wird ihnen immer wieder gesagt –, für diese Sicherheit zu sorgen – es geht nicht nur um Objektschutz, sondern um persönlichen Schutz, persönliche Sicherheit!

Aber vielleicht sollten wir uns in diesem Hohen Haus auch in diesem Zusammenhang über­legen: Was ist uns die Sicherheit wert – nicht nur am Boden, möchte ich hinzufügen? Wenn man sich die unterschiedlichsten Kräfte und Einrichtungen, die da zusammenwirken, näher an­schaut – oder würden Sie mir hier etwas anderes entgegnen als das, was hier eindeutig gesagt worden ist; ich glaube dem –, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass der Innenminister alles tut, damit diese innere Sicherheit auch tatsächlich gegeben ist.


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Lassen Sie mich zum Schluss kommen. (Rufe bei der SPÖ: Gerne! Gerne! – Bundesrat Bieringer: Ich glaube, wir waren bisher ruhig und haben allen zugehört, ich glaube, ich kann dasselbe auch von euch verlangen!) Lassen Sie mich einfach zum Schluss kommen und nur sagen: Ich glaube, dass wir hier schon einen Auftrag hätten – ich bitte um Entschuldigung, ich möchte hier niemandem etwas zuweisen, aber ich persönlich, und ich rede hier wirklich als Person, halte das für wesentlich –, nämlich den Auftrag, Argumente auszutauschen, aber nicht in der Form, dass wir uns einfach nur irgendetwas „zufetzen“, sondern dass wir ganz bewusst Argumente austauschen.

Ich möchte abschließend noch einmal sagen: Danke für diese Anfrage!, aber ich möchte auch noch einmal betonen, dass wir dieses Thema viel intensiver angehen müssen. Wir müssen uns auf allen Ebenen viel mehr überlegen: Wie gehen wir mit Menschen um? – Auch hier im Saal. Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber deshalb kontere ich nicht immer gleich. Es ist mir nicht so wichtig, ob mir jetzt jemand zuruft: Okay, hör oder hören Sie schnell auf!, aber etwas möchte ich schon sagen: Wenn wir Menschen in diesem Land nicht mehr aussprechen lassen, und wenn wir Menschen erst recht in diesen Häusern hier keine bestimmte Sprach- und Wortkultur zutrauen und diese von einander einfordern – wirklich einfordern! –, dann wird es schwierig sein, dass wir von anderen etwas verlangen, was wir selbst nicht einzuhalten imstande sind. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.43


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

16.44


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin der Ansicht, dass Professor Konecny ein durchaus interessantes Thema angerissen hat und uns zum Nachdenken und Argumentieren veranlasst – was auch schon sehr gut gelingt; und ich danke den Vorrednern für ihre Beiträge.

Ich möchte doch auf ein paar Punkte bezüglich der Präambel der Anfrage, also des Textes, der von den Sozialdemokraten, insbesondere von Professor Konecny, vorgelegt worden ist, ein­gehen. Es wird hier von leichtfertigen Wortspielen, die Antisemitismus beinhalten, und von Verharmlosen gesprochen. – Ich als Christ sage: Wir nehmen im Fernsehen und in der Kultur­welt ungeheuerlich viel an antichristlichen oder nur zur Not christlich verbrämten Aussagen fast schon zu gelassen hin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sollte man auch eine Anfrage stellen: Wie halten wir es mit unserem Glauben?

Ich bin sehr wohl der Ansicht, dass die religiösen Gefühle aller geschützt gehören – persönlich versuche ich es auch immer so zu halten –, aber ich nehme auch für mich in Anspruch zu sagen: Ich möchte auch, dass die christlichen Werte, Herr Professor, geschützt gehören und nicht immer mit der Kulturfreiheit in Frage gestellt werden können. Sonst müsste ich Ihnen sagen, Herr Professor: Auch diese leichtfertigen Wortspiele und Antisemitismen, die diese ent­halten mögen, fallen vielleicht unter Kultur- und Kunstfreiheit. – Das sollte nicht übertrieben wer­den, aber ich habe den Eindruck, in Österreich werden die christlichen Werte schon so mit Füßen getreten und mit Worten geschmäht, dass ich mich oft wundere, wie die Vertreter, die beruflichen Vertreter der christlichen Glaubensgemeinschaften das über sich ergehen lassen können. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, auch in Ihrer Anfrage, wenn ich so zwischen den Zeilen lese, ein bisschen Selbst-Rechtfertigung zu erkennen, Herr Professor! Ich konnte das unlängst schon darlegen und wiederhole es heute gerne: Vor wenigen Wochen wurde in der „Presse“ Professor Rathkolb zitiert, der meint: Es gibt ein Schlüsseldokument: Karl Renner hat nach den ersten Gesprächen mit sowjetischen Offizieren, bevor er Staatskanzler wurde, eine Denkschrift verfasst, in der er sich auch mit der Frage der Entschädigung auseinander gesetzt hat. Seine Zielrichtung ist die der Zweiten Republik, die er vorgegeben hat, noch ehe es eine provisorische Regierung gab: Die Rückkehr der Juden muss verhindert werden, keine Restitution 1 : 1, sondern einen anonymen Fonds, damit nur ja niemand zurückkommt. – Das sagte der große Staatskanzler


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und erste Kanzler der Republik Österreich, Renner, der wirklich kein Freiheitlicher, wirklich kein Christlich-Sozialer, sondern ein waschechter Sozialist war.

Ich sehe also einen gewissen Nachholbedarf auf der sozialdemokratischen Seite, dieses The­ma, das in den ersten 20, 30 Jahren der Zweiten Republik noch kein Thema war, zu über­tünchen und jetzt sozusagen auf der Überholspur anzusetzen.

Ich erkenne in Ihren Aussagen einige doch nicht ganz gerechtfertigte Bemerkungen. Sie zitieren ihn nicht, aber Sie nennen meinen Freund, Volksanwalt Stadler. Stadler stammt selbst aus einer Familie, die in den letzten Kriegstagen durch Übergriffe der damaligen politischen Kompetenzen ein Menschenleben im engsten Familienkreis zu beklagen hatte, also er ist meines Erachtens wirklich ein Fehlbeispiel dafür, hier zitiert zu werden. Das heißt natürlich nicht, dass er nicht frei reden und seine eigene Meinung vertreten kann!

Oder: die burschenschaftliche Trauerfeier am Heldenplatz, an der ich auch heuer teilgenommen habe, liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich haben wir alle das Recht, unserer Toten zu gedenken, das ist nicht nur auf eine Gruppe bezogen! Das ist keine Salonfähigmachung einer Meinung, sondern der Toten zu gedenken, sollten wir gemeinsam nachkommen. – Aber am 5. Mai einer Gruppe zu gedenken, das ist zu wenig. Gedenken wir doch aller Toten, unter welchen politischen Regimen, unter welchem Bombenhagel auch immer, in welcher Gefangenschaft, unter welcher Malträtiertheit auch immer sie ums Leben gekom­men sind: Gedenken wir derer doch endlich gemeinsam!

70 000 tote Juden sind zu viel, aber ebenso zu viel sind 330 000 andere Österreicher, die zwischen 1933 und 1955 ums Leben gekommen sind, Herr Professor! (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Gedenken wir einmal gemeinsam aller Toten! Das ist mir ein Anliegen. Wenn wir das Anliegen vielleicht gemeinsam vertreten – vielleicht haben Sie es nur ganz schüchtern angesprochen, nicht direkt ausgedrückt; Sie sind aber nicht so schüchtern, Herr Professor, das weiß ich schon, aber das könnte man daraus schließen –, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Sie kommen auf den richtigen Weg, Herr Professor! Sie sind noch nicht ganz dort, aber Sie kommen dorthin! Schließen Sie sich einem gemeinsamen Totengedenken an!

Frau Vizepräsidentin Haselbach hat den besonderen Bezug der Juden zu ihren Gräbern erwähnt. Es ist ein allgemeines Gut von Kulturvölkern, ihrer Toten zu gedenken, und es haben alle anderen Toten das gleiche Recht, dass ihrer gedacht wird, wie es die einen Toten haben. Es gibt keine auserwählten Toten, und wir müssen auch in unserer Republik 58 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg endlich davon wegkommen, nur einer Gruppe von Toten zu gedenken. Zu viele Tote hat es in allen Familien gegeben. Ich möchte eine Familie kennen, die, bedingt durch die verschiedensten politischen Umstände und auch den Krieg, nicht selbst Tote zu beklagen gehabt hat!

Da Sie die Kultusgemeinde angesprochen haben: Das ist eine wichtige Einrichtung. Aber warum war die Kultusgemeinde zur Zeit des von mir besonders geschätzten Paul Groß so ruhig geführt? Warum ist jetzt die Kultusgemeinde so oft in Diskussion? Sie hat ein reiches kulturelles Leben entwickelt durch die Möglichkeiten, die die Frau Bundesministerin aufgezeigt hat, die derzeit auch rechtliche Gültigkeit haben, aber diese Aufgeregtheit war früher nicht vorhanden.

Es gelingt dem derzeitigen Leiter der Kultusgemeinde wahrscheinlich, eine gewisse Aufge­regtheit hereinzubringen, die möglicherweise – ich behaupte es einmal – der Sache nicht immer sehr dienlich ist. Wer sagt, dass es nur eine Kultusgemeinde geben muss? – Im Religions­gesetz steht nichts von einer Kultusgemeinde. Die Frau Bundesministerin weiß es wahrschein­lich genauso gut wie ich; und sie schmunzelt schon ein bisschen. Es gibt einen Rabbiner namens Friedmann, der darum kämpft, seiner eigenen Kultusgemeinde mit orthodoxen Juden Rechtsgültigkeit zu geben. Er kämpft darum. Er ist zum Verwaltungsgerichtshof gegangen, und das Verfahren ist anhängig.


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Auch das ist wichtig! Geben wir auch den Anhängern des israelischen Glaubens, des jüdischen Glaubens in Österreich, die Möglichkeit, sich in mehreren Kultusgemeinden zu finden, so wie es für Anhänger der christlichen Glaubensgemeinschaften, mehrerer christlicher Glaubensgemein­schaften, die Möglichkeit gibt, gesetzeskonform und ihren Glaubensgrundsätzen entsprechend zu leben. Auch das ist ein Punkt, den wir beachten müssen, um nicht nur eine Fokussierung auf eine jüdische Kultusgemeinde zu haben, die nicht einmal die Anerkennung aller anderen findet, die eine eigene Kultusgemeinde gründen möchten.

Zu den finanziellen Dingen: Finanzen kann man immer als – sagen wir – schmutzig oder weniger schmutzig, als schmierig betrachten, insbesondere wenn es um ein solches Thema geht. Herr Professor! Ich betrachte die Finanzen als sehr wichtig ... (Bundesrat Konecny: Hab’ ich nicht gesagt!) – Sie haben das nicht gesagt, das weiß ich schon. Aber anschauen darf ich Sie dabei trotzdem, wenn ich rede. (Bundesrat Konecny: Aber „schmierig“ dürfen Sie in dem Zusammenhang nicht sagen!) Nein, aber man sagt ja oft, Geldsachen sind schmierig. Nein, sie sind wichtig, denn Geld ermöglicht das Leben. Das ist ganz richtig. (Bundesrat Konecny: Was soll das? Sind Sie noch bei ...? Das ist ja ungeheuerlich!) Ich habe gar nicht gesagt, dass es so ist. (Bundesrat Konecny: Sie haben das Wort „schmierig“ verwendet! Bitte erklären Sie, wen Sie damit gemeint haben!) – Sie nicht! (Bundesrat Konecny: Wen sonst?) – Ich habe über­haupt niemanden gemeint! (Bundesrat Konecny: Sich selbst – oder was?) Aber haben Sie mich gern! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Konecny! Ihre künstliche Aufgeregtheit ist mir bekannt. (Bundesrat Konecny: Sie sagen „schmierig“, und dann sagen Sie, Sie haben niemanden gemeint!) Ich rate Ihnen zu keiner künstlichen Aufgeregtheit. Herr Kollege Konecny! Nehmen wir das so, wie es ist. Neh­men Sie das Thema weniger wichtig. Was ich gesagt habe im Zusammenhang mit „schmie­rig“, ist: Geld ist ein Schmiermittel, und es ist notwendig. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Das wollte ich damit sagen.

Da wir das Geld haben, welches, wie die Frau Bundesministerin angetönt hat, in den verschie­densten Verhandlungen, bei denen auch Dr. Eizenstat dabei war, beschlossen wurde, glaube ich, dass dieses Thema durch die Republik Österreich bestens gelöst worden ist. Die Republik Österreich hat durch diese zwei Bundesregierungen, in der ÖVP und Freiheitliche vereint sind, wirklich Wesentliches getan, um an der jüdischen Gemeinde in Österreich und den Juden in aller Welt, denen Unrecht geschehen ist, das gutzumachen, was materiell gutzumachen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.55


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.

16.55


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In der Zeit zwischen 1938 und 1945 waren Österreich und Deutsch­land kein Kulturvolk, es war eine Barbarei und kein Kulturvolk.

Wenn Sie für den Schmerz den Tag der Kapitulation wählen, dann schwingt damit möglicher­weise der Schmerz über die Kapitulation mit, was bei bestimmten Verbindungen immer wieder zum Ausdruck kommt.

Wenn man der Toten gedenkt, so hat sich die Republik in der Verantwortung, in der sie steht, den richtigen Tag ausgewählt, nämlich jenen Tag, an dem man der Barbarei eines Regimes in besonderer Weise gedenkt. Da geht es nicht um die Differenzierung der Opfer, nur: Sie beharren auf dem Tag der Kapitulation, und diese Konnotation ist falsch.

Die Zweite Republik steht in einer Verantwortung, und lange hat es gedauert, bis das offizielle Österreich gesagt hat, Österreicher und Österreicherinnen – beim ersten wahrscheinlich weniger – waren Täter und Opfer zugleich.


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Wenn Kollege Schnider von Erinnerungen, Schmerz und Gedenken gesprochen hat, so ist das eine Dimension, die wir, die in eine glückliche Phase des Lebens hineingeboren wurden, fernab von Krieg und Barbarei, letztlich nicht erfassen können, selbst wenn wir viele Worte bemühen. Aber wir können über die politische Verantwortung reden, in der die Republik steht, da Österreicher und Österreicherinnen Opfer und Täter zugleich waren.

Es hat lange gedauert. Die Frau Bundesministerin hat gesagt, im Jahr 1960 wurde das Gesetz verabschiedet. Also erst 15 Jahre nach Kriegsende denkt man an die Entschädigung der Israeli­tischen Kultusgemeinde! 1958 wurde es aufgenommen; ich habe das nicht vergessen.

Wenn man – und das hängt auch mit politischer Verantwortung zusammen, und es geht jetzt nicht um Schuldzuschiebung in irgendein politisches Lager – die Ministerratsprotokolle der Nach­kriegsjahrzehnte liest, die jetzt dankenswerterweise wissenschaftlich aufgearbeitet wur­den, dann bekommt man so etwas wie eine Gänsehaut, wenn man sieht, wie auch das offizielle Ös­terreich bemüht war, die Vertriebenen, Exilierten, Geflüchteten ja nicht zurückzu­holen und ja alles zu verzögern, zu verzögern, zu verzögern, um nur den wenigen Überlebenden bezie­hungs­weise deren Erben eine Entschädigung zukommen lassen zu müssen.

In den letzten Jahren ist viel geschehen. Einer der ersten Schritte war sicherlich die Reise des früheren Bundeskanzlers Vranitzky nach Jerusalem, die Einrichtung des Entschädigungsfonds, der Jabloner-Bericht und – in der Verantwortung der Frau Bundesministerin – die ersten Über­prüfungen, was an Kunst- und Kulturrestitutionen notwendig war.

Herr Kollege Gudenus! Geld ist ein „Schmiermittel“? – Ich weise diesen Satz zurück, denn all das, was die Republik durch die Bundesregierung an finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt hat, ist doch mehr als minimal im Vergleich zu dem, was geraubt wurde! Wenn ich sage, die Republik steht in einer Verantwortung, dann müssen wir doch auch, so meine ich, zugeben, dass es vor allem unsere vielgeliebte Republik ist und war, die zu den Nutznießern der Arisierung zählte – und das über Jahrzehnte hindurch. Ebenso waren in der Zweiten Republik Firmen, Einzelpersonen und Einrichtungen Nutznießer von Arisierungen – und sind es nach wie vor. Letztlich haben in den Fonds, von dem die Frau Bundesministerin heute schon gesprochen hat, die Republik, Firmen und auch die katholische Kirche eingezahlt, also all jene, denen man nachweisen konnte, dass sie Nutznießer dieser Barbarei Arisierung waren.

Dieses Vermögen, das Menschen entwendet wurde – es war nicht so, dass man das so einfach nur genommen hat –, war mit Raub, Mord und der Auslöschung von Familien verbunden.

Wenn wir heute durch Wien gehen, müssen wir beispielsweise feststellen, dass ein Drittel der Wiener Apotheken arisiert wurde. Wenn Sie die Geschichte der Wiederzulassung von Apothekern jüdischen Glaubens, die ihre Apotheken zurück haben wollten, lesen, wenn Sie lesen, wie das offizielle Österreich das verhindert hat, weil es gesagt hat: Ihr habt von 1938 bis 1945 eure Apotheke nicht betrieben – die man ihnen doch weggenommen hat –, und deshalb erlischt eure Berechtigung, Apotheker zu sein!, so ist das ein Kapitel, das ganz klar zeigt, dass wir nach wie vor in dieser Verantwortung stehen.

Die Israelitische Kultusgemeinde ist eine kleine Kultusgemeinde – all das wurde heute bereits angesprochen –, die man nicht unter dem Aspekt „Gleichbehandlung anderer Religionsgemein­schaften“ sehen darf, sondern es ist eben eine ganz bestimmte geschichtliche Situation, in der sich diese immer kleiner werdende Kultusgemeinde befindet.

Die Israelitische Kultusgemeinde in Österreich fordert nun 2,7 Millionen € – unter anderem für die Sicherheit der jüdischen Einrichtungen. Wir alle wissen doch, dass jüdische Einrichtungen weltweit bedroht sind beziehungsweise dass eben diese Religionsgemeinschaft auf Grund des Holocaust, einem einzigartigen Verbrechen der Menschheit, ein anderes Gefühl hat, was die Sicherheit von Leib und Leben anlangt.

Erinnern wir uns doch beispielsweise nur daran, dass die Schändung jüdischer Friedhöfe von österreichischen Sicherheitskräften nicht verhindert werden konnte. Ich denke da zum Beispiel


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an die Schändung jüdischer Friedhöfe in Linz beziehungsweise in Eisenstadt oder auch an das Attentat auf die Synagoge in der Seitenstettengasse, um hier nur zwei Dinge anzuführen.

Weiters ist es doch auch so, dass die israelische Luftfahrtgesellschaft „El Al“ nicht auf das Wiener Sicherheitspersonal zurückgreift – auch nicht auf das amerikanische, nicht auf das deutsche, nicht auf das französische oder auf das italienische –, sondern sie greift aus­schließlich auf das eigene Sicherheitspersonal zurück.

All das hat also einfach eine andere Bedeutung, eine andere Geschichte. Es geht da um ein Volk in einer ganz spezifischen Situation der Bedrohung. Und da kann man doch nicht mit einer Forderung so umgehen, dass man sagt: Dann schicken wir halt vom Innenministerium noch zehn Sicherheitskräfte hin!, sondern wir, meine Damen und Herren, müssen auf dieses subjektive Empfinden eingehen.

Wenn wir die Situation weiters betrachten, so müssen wir schon auch einen Unterschied zu Deutschland insofern erkennen, als in Deutschland immerhin 86 Synagogen wieder errichtet wurden. 86 Synagogen! – In Österreich gibt es hingegen eine einzige!

Weiterer Unterschied: Die Bundesrepublik Deutschland hat Zehntausenden Juden, und zwar aktiv, die Zuwanderung wieder ermöglicht, und die einzelnen Bundesländer Deutschlands ha­ben daran ganz besonderen Anteil, und sie finanzieren auch sehr viel.

Bis zum 28. Mai 2003 hat die Israelitische Kultusgemeinde Österreichs die Möglichkeit, Anträge an den Entschädigungsfonds zu stellen. Dadurch aber wird – das muss uns auch klar sein – jener finanzielle Anteil geringer, der für Einzelpersonen gedacht ist. Dieser Fonds hat sozu­sagen einen Deckel, eine bestimmte Größe. Die Frage ist, wie weit wir hier großzügig sind – „großzügig“ erlaube ich mir angesichts dessen, wie der Staat, wie verschiedene Einrichtungen, wie Firmen letztlich in der Zeit von 1938 bis 1945 und danach profitiert haben, fast gar nicht zu sagen, da in Anbetracht dessen die Großzügigkeit relativ ist. Jedenfalls bin ich der Über­zeugung, dass wir anders mit dieser Forderung der Israelitischen Kultusgemeinde umgehen sollten.

In diesem Sinne hoffe ich, dass sich die Bundesregierung und die Verantwortlichen der Israelitischen Kultusgemeinde Österreichs in dem Sinne aufeinander zubewegen, dass sie von dieser Konfrontationssituation wegkommen, die sich hier in den letzten Tagen gezeigt hat: gerade auch vor diesem Hintergrund der Geschichte, auf Grund all dieser Vorkommnisse, die, wie wir wissen, in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten aufgearbeitet wurden und werden. Noch immer kommt man oft erst jetzt darauf: Um Gottes willen, das ist ja auch arisiert worden! Das sitzt jetzt ein Bundesinstitut drinnen, das Gebäude ist auch arisiert worden und so weiter und so fort.

Trachten wir alle daher danach, dass es da zu einer Lösung kommt, zu einer Lösung, die der Geschichte und dieser kleinen Religionsgemeinschaft, die in unserem Lande so viel Leid erfahren musste und der so viel Unfassbares angetan wurde, auch gerecht wird. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ und ÖVP.)

17.07


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Professor Konecny. – Bitte.

17.07


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wer sich am Ende einer solchen Debatte zu Wort meldet, läuft naturgemäß Gefahr, sich vorwerfen lassen zu müssen, dass er einen netten Konsens zu zerstören im Begriff ist. – Und dies ist auch tatsächlich meine Absicht.

Ich halte es für in höchstem Maße schädlich, wie diese Debatte zumindest von den beiden Vertretern der Regierungsparteien geführt wurde. Ich halte es für unzulässig, und zwar in beiden Richtungen, die Veranstaltung eines buddhistischen Weltkongresses in Graz in irgend­einen Zusammenhang mit dem angeschnittenen Thema zu bringen.


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Ich halte es weiters für unzulässig, weiter auszuholen und jeglichen Toten der letzten hundert Jahre auf die gleiche Stufe zu stellen.

Ich habe nicht die Absicht, eine – das wäre auch von der 20-minütigen Redezeit her nur schwer möglich – detaillierte historische Debatte hier durchzuführen. Aber wollen wir doch bitte, liebe Kollegen, die Proportionen richtig sehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in Österreich in irgendeinem historischen Zeitalter Buddhisten ermordet wurden; sie waren auch in histo­rischen Zeiten nicht in großer Zahl hier bei uns anwesend.

Es gibt zwei österreichische Volksgruppen – das eine sind die Juden, das andere sind die Sinti und Roma –, die nahezu ausgerottet wurden. Was immer man mit etwas anderem vergleichen kann: Mit dem kann man nichts vergleichen!

Die Methode, weiter auszuholen und zu sagen: Opfer hat es gegeben, Opfer hat es überall gegeben!, führt am wesentlichen Kern des Problems vorbei – es ist für mich persönlich wichtig, das hier zu sagen –, und das kann durch nichts relativiert werden.

Wer anders an dieses Thema herangeht, ist schon auf der falschen und in diesem Fall sehr schiefen Bahn. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Sie haben nichts gesagt, was falsch ist. Sie haben sehr korrekt eine Seite aus der Buchhaltung Ihres Ressorts referiert. Das ist die sachliche Wahrheit.

Jawohl, diese Gesetze sind zu den von Ihnen angegebenen Zeitpunkten beschlossen worden, daraus gehen Leistungen hervor. – Aber wenn Sie meinen, dass es darum geht, dann glaube ich, dass Sie sich irren.

Die Frage ist, ob man bereit ist, auch offenen Herzens – und das kann manchmal, auch wenn es schwierig sein mag, Herr Kollege, auch offener Hand heißen – auf dieses Problem und auf die neuen Problemstellungen zuzugehen, ob man bereit ist, zu sehen, dass Leistungen, die eine Gemeinschaft für ihre Mitglieder erbringt, etwa einen gewissen finanziellen Sockel brauchen, der annähernd gleich hoch ist, unabhängig davon, wie viele Menschen letztendlich von diesen Leistungen umfasst sind.

Der Hinweis: Wir schicken auch gerne noch einen uniformierten Polizisten durch die Seiten­stettengasse – das ist schon von zwei Rednern gesagt worden, und ich brauche es daher nur ganz kurz zu wiederholen –, hat wenig damit zu tun, worum es geht, nämlich um das subjektive Sicherheitsbewusstsein von Menschen, für die Bedrohung eine noch nicht so weit zurück­liegende und auf einer anderen Ebene wieder reale Angelegenheit ist.

Das ist ein Gefühl, das niemand von uns je erlebt hat – auch Sie nicht, Frau Bundesministerin, auch ich nicht! Wir können nur versuchen, das zu erahnen, aber wir sollten uns mit der Demut dessen, der es nicht begreift und nicht begreifen kann, dieser Frage nähern.

Es geht nicht darum, an irgendeinem Ihrer Worte Kritik zu üben, sehr wohl aber darum, eine Menge an Kritik an der Haltung, die offensichtlich dahinter steht, zu üben.

Kollege Schennach hat mit einem Wunsch geschlossen. Diesem Wunsch schließe ich mich aus ganzem Herzen an, sage aber auch dazu, dass derjenige, der mit all den Machtmitteln des Staates ausgestattet der Gesprächspartner ist, den größeren Schritt tun muss gegenüber jenem, der eine kleine und klein gewordene Gruppe in unserer Gesellschaft vertritt.

Ich glaube, dass Großzügigkeit und Entgegenkommen die einzig angemessene Verhaltens­weise sind, um hier zu einer Lösung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.13


Präsident Herwig Hösele: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Dr. Schnider, bitte.

17.13


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): In aller Kürze, um Folgendes zu klären: Ich als Theologe pflege nicht eine Religion mit einer anderen zu vergleichen. Ich habe nur vor-


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hin im Zusammenhang mit der religiösen Vielfalt in diesem Land bewusst machen wollen, dass sich viele Religionsgemeinschaften bei uns zu Hause fühlen und dass wir ein Land sind, das sie auch gerne einlädt. Das wollte ich damit sagen.

Aber ich bin nicht jemand  –  und das können Sie mir glauben, noch dazu, wo ich vom Fach bin –, der Religionen miteinander vergleicht.

Aber etwas zum Schluss: Jede Religionsgemeinschaft hat ihre Biographie, mit Freude, aber auch mit Schmerzen. Das muss man auch dazu sagen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.14


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Herwig Hösele: Ich nehme die Verhandlung zur Tagesordnung wieder auf.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Bundes­gesetz über das Internationale Insolvenzrecht – IIRG) (33 und 49/NR sowie 6784/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir kommen zur Verhandlung über Tagesordnungspunkt 7: Bun­des­gesetz über das Internationale Insolvenzrecht.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Schlaffer übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatterin Anna Schlaffer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insol­venz­rechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungs­aufsichts­gesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versiche­rungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (32 und 67/NR sowie 6778 und 6785/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versiche­rungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Franz Wolfinger übernommen, aber er ist nicht im Saal, die Obfrau ist auch nicht anwesend, das ist Frau Bundesrätin Schicker. (Rufe bei der SPÖ: Entschuldigt!) Dann darf ich den Bericht selbst geben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichts­behörden­gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf Ihnen daher den Antrag des Finanz­ausschusses zur Kenntnis bringen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

17.18


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Einige kurze Bemerkungen zu einer Novelle beziehungsweise zu einer Teilumsetzung einer EU-Richtlinie, zu der es noch viel mehr zu sagen gäbe.

In Österreich war das Thema Geldwäsche immer ein sehr sensibles Thema. Aus dem Ausland kamen immer wieder viele Angriffe, auch viele, die unter der Gürtellinie gewesen sind. Ich erinnere an einen Angriff, den der Vizepräsident der Antimafia-Kommission des italienischen Parlaments, Mauricio Calvi, gemacht hat, der meinte, Österreich sei das Zentrum der inter­nationalen Geldwäscherei.

In der Begründung zu dieser Novelle wurde auch der 11. September angeführt. Dieses schreck­liche Ereignis in New York beziehungsweise die Finanzierung dieser Ereignisse wäre jedoch auch mit dieser Geldwäsche-Richtlinie nicht verhinderbar gewesen, selbst dann nicht, wenn sie weltweit angewandt worden wäre.

Nach derzeitigem Wissensstand ist die Finanzierung aus originär sauberen Quellen erfolgt und nicht aus vorher gewaschenem Geld. Auch daran kann man wieder sehen, dass die Geld­wäsche-Richtlinie nicht das Allheilmittel für die Terrorismusbekämpfung und für die Bekämpfung sonstiger krimineller Aktivitäten ist.

Ich darf nur daran erinnern, dass beispielsweise der Internationale Währungsfonds der Meinung ist, dass Geldwäsche in der Lage ist, Kapitalbewegungen zu initiieren, damit auch Wechsel­kurse und Zinse und somit auch die Stabilität von Finanzmärkten zu beeinflussen, sodass auch dieses wesentliche Thema zu berücksichtigen ist.


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Bei all dem darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich bei der Geldwäschebekämpfung lediglich um eine Symptombekämpfung handelt und dass damit die zugrunde liegenden Probleme nicht beseitigt oder „therapiert“ werden können. Es ist vielmehr ähnlich zu sehen wie das Niederbrennen von Feldern von Koka-Bauern. Das löst die Suchtgiftproblematik nicht, auch nicht die nachfolgende Geldwäscheproblematik. Ähnliche Probleme gibt es im Bereich Men­schen­handel und Schlepperei.

Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft nicht gelingt, so wie im Bereich der Geldwäsche zum Beispiel auch im Bereich der Armutsbekämpfung internationale Übereinkom­men zu schaffen, um ökonomische Gründe für derartige kriminelle Aktivitäten beiseite zu schaf­fen, wird all das zusammen nur Stückwerk bleiben.

Es tut mir Leid, dass wir einem an sich guten Gesetz die Zustimmung verwehren müssen. Wir müssen die Zustimmung deshalb verwehren, weil die Regierungsfraktionen es wieder einmal verabsäumt haben, mit uns über verschiedene Anträge zu reden. Im Nationalrat wurde im letzten Augenblick ein Abänderungsantrag eingebracht, der einen Konsens zunichte gemacht hat. In dem Abänderungsantrag ging es darum, Dinge, bei denen es um das Ansehen des österreichischen Kreditwesens geht, in einer Husch-Pfusch-Aktion zu regeln. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Regierungsfraktionen auch bei größtmöglicher Konsensbereitschaft der Opposition einfach nur drüberfahren. Daher werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Finz, den ich begrüße und dem ich das Wort erteile. – Bitte.

17.23


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte einmal aufzeigen, was es bedeuten würde, wenn dieses Gesetz nicht beschlossen werden würde.

Mit diesem gegenständlichen Gesetzentwurf wird die EU-Richtlinie 2001/97/EG zur Änderung der Geldwäsche-Richtlinie 91/308/EWG umgesetzt. Weiters sieht der gegenständliche Entwurf die Umsetzung von drei der acht FATF-Sonderempfehlungen zur Bekämpfung der Terrorismus­finanzierung vom Oktober 2001 in nationales Recht vor. Eine rasche Behandlung dieser The­men ist und war notwendig wegen des Umsetzungstermins für die EU-Geldwäsche-Richtlinie am 15. Juni 2003. Auch die FATF-Sonderempfehlungen bedürfen der dringenden Umsetzung.

Welche Rechtsfolgen sind damit für die Geld- und Kreditinstitute verbunden? – Es bedeutet nunmehr eine eindeutige Klarstellung, dass die Erstidentifikation von Kunden anhand eines Ausweises zu erfolgen hat. Dies entspricht den internationalen Vorgaben, insbesondere der EU-Geldwäsche-Richtlinie. Artikel III Abs. 1 der Richtlinie besagt: Feststellung der Identität mittels eines beweiskräftigen Dokuments. Auf andere Art und Weise kann der Geldwäsche-Richtlinie nicht entsprochen werden.

Wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen würden, dann hätten wir große Probleme. Es ist betreffend FATF nämlich daran zu erinnern, dass Österreich aus der FATF im Februar 2000 – also noch vor dem Kabinett Schüssel I, noch unter Finanzminister Edlinger, nur um das auch klarzustellen – bereits vorübergehend wegen der noch immer bestehenden Anonymität der Sparbücher ausgeschlossen war, die zur Abschaffung der Anonymität geschaffene Rechtslage seitens der FATF nur als minimal ausreichend beurteilt wurde, Österreich seitdem quasi unter Beobachtung steht und sich daher ein Ausreizen vermeintlicher Spielräume äußerst negativ auswirken könnte.

Zur möglichen negativen Auswirkung gehört auch die Gefahr, dass Sparbuchprodukte, die seit der Abschaffung der anonymen Sparbücher von Kreditinstituten aller Sektoren nach praktischen Bedürfnissen der Sparer gestaltet und angeboten wurden, ins Zentrum der internationalen Kritik rücken könnten.


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Ich bedaure es daher sehr, wenn aus ganz anderen Erwägungen heraus keine Zustimmung erfolgt, weil es hier auch um eine andere EU-Richtlinie geht, nämlich darum, dass niemand verurteilt wird, bevor es noch ein richterliches Urteil gibt. Auch das war in dem Abände­rungsantrag enthalten. Es geht darum, dass Geschäftsführer von Geld- und Kreditinstituten bisher gemäß einer Ist-Bestimmung schon bei einer Anklageerhebung zu entheben waren. Allein um diese Bestimmung ist es gegangen. Das ist eine ganz andere Nebenbestimmung, denn es entspricht nicht dem internationalen Recht, dass jemand schon, noch ehe eine Verurteilung erfolgt ist, vorverurteilt wird.

Aus diesem Grund erscheint es mir wichtig, dass diesem Gesetz mehrheitlich zugestimmt wird. – Danke. (Bundesrat Gasteiger: Kein Applaus!)

17.26


Präsident Herwig Hösele: Danke, Herr Staatssekretär.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. Ich erteile es ihm.

17.26


Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich kann mich jetzt kürzer halten, nachdem der Herr Staatssekretär umfassend informiert hat. Ich darf aber trotzdem ein paar Sätze zuerst zum Glücksspielgesetz sagen, weil darüber auch im Kärntner Landtag in diesem Moment diskutiert wird.

Zum Glücksspielgesetz muss ich sagen, dass Spielsucht eine Krankheit ist. Das Glücksspiel im Untergrund ist meiner Meinung nach sehr bedenklich, und die Geldspielautomaten sollten nicht unbedingt Wirtschaftsinteressen dienen. Deshalb, liebe Freunde, bin ich für eine verstärkte Kontrolle, und ich glaube, das ist gut so. (Beifall des Bundesrates Ing. Klamt.)

Nun ein paar Sätze zum Bankwesengesetz: Herr Todt! Es ist keine Symptombekämpfung, der Vergleich mit den Koka-Bauern – ich weiß nicht, aus welchem Nest du das herausgezogen hast – ist nicht richtig, und es ist auch kein Husch-Pfusch-Gesetz, sondern, sehr geehrte Damen und Herren, es ist ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Änderung der Geldwäsche-Richtlinie, so wie wir es vom Herrn Staatssekretär schon gehört haben.

Betreffend die Änderung des Bankwesengesetzes gibt es nach dem, was wir von Herrn Todt gehört haben, anscheinend sehr viele Missverständnisse. Es trifft nämlich nicht zu, dass sich langjährige Bankkunden nach der neuen Rechtslage bei der Bank ausweisen müssen. Das müssen nur jene machen, die mit der Bank noch keine Verbindung gehabt haben, die das erste Mal mit der Bank in Verbindung getreten sind oder nach dem eine erste Transaktion statt­gefunden hat. Es ist nicht erforderlich, von einem Kunden, der schon eine Kreditverbindung oder eine Bankverbindung gehabt hat, noch einen Lichtbildausweis oder Ähnliches zu ver­langen. Die Ausweispflicht soll nur bei der Eröffnung einer neuen Geschäftsbeziehung gelten und praktisch als Maßnahme zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität dienen.

Trotzdem, liebe Freunde, ist mit dieser Vorlage eine größtmögliche Kundenfreundlichkeit und Praxisgerechtigkeit erreicht, und ich danke dir, lieber Herr Staatssekretär, und auch dem Minister sehr herzlich dafür, dass dadurch die Glaubwürdigkeit, die Stabilität und die Ver­trauensbildung in den österreichischen Finanzplatz gegeben sind.

Wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

17.29


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


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Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Versicherungssteuerge­setz 1953, das Versicherungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichts­be­hördengesetz, das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (VAG-Novelle 2003) (27 und 68/NR sowie 6786/BR der Beilagen)



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Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: VAG-Novelle 2003.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Molzbichler übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Günther Molzbichler: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versiche­rungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Ver­sicherungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsege­setz und das Bankwesengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (Emissionshöchstmengengesetz-Luft, EG-L) erlassen sowie das Ozongesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden (38 und 66/NR sowie 6787/BR der Bei­lagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschad­stoffe erlassen sowie das Ozongesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Paul Fasching übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Paul Fasching: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe erlassen sowie das Ozongesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Be­ratung der Vorlage am 13. Mai 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

17.34


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute eine Änderung des Immissions­schutzgesetzes und des Ozongesetzes. Diese regeln in erster Linie die Emissionserfassung und die Dokumentation, aber sie enthalten keine Instrumente zur Reduktion der Luftschad­stoffe. Es fehlen auch noch die Verordnungen des Bundesministeriums und der Landeshaupt­leute in Bezug auf die Genauigkeit der Erfassung der Emissionen – also wie weit wird jetzt tatsächlich gemessen, wie weit werden die Emissionen nur geschätzt und hypothetische Annahmen gestellt –, es fehlen die Verordnungen zur IPPC-Richtlinie zur Genehmigung und Um­rüstung von Anlagen mit höheren Emissionsmengen, und es fehlt die Verordnung des Bundesministeriums, welche Programme die Bundesregierung ausarbeiten wird, um die Ziele bis zum Jahr 2010 zu erreichen.

Erst mit diesen Programmen wird sich dann zeigen, wie weit die Regierung bereit ist, auch Kosten für die Luftreinhaltung in Kauf zu nehmen, Kosten, die zusätzlich auch dem Schutz unserer Gesundheit zugute kommen. Derzeit schaut es nicht unbedingt so aus, als ob das allzu viel sein wird. Im neuen Budget stehen dem Klimaschutz trotz Hochwassers weniger Mittel zu Verfügung als im letzten. Wenn sich das nicht ändert, werden die Ziele unseres neuen Immissionsschutzgesetzes, das wir hier beschließen sollen, sicher nicht erreicht werden und schon gar nicht die Ziele des Kyoto-Abkommens. Und wenn wir das nicht erreichen, dann wird es wieder teuer, denn das Kyoto-Protokoll sieht auch Sanktionen bei Nichteinhaltung vor. Mir persönlich wäre es natürlich lieber, wenn wir jetzt das Geld aufwendeten, um in den Immissionsschutz zu investieren, anstatt dann Geld aufwenden zu müssen, um Strafzahlungen leisten zu können.

Den größten Unterschied zwischen dem Soll- und dem derzeitigen Zustand bei den Luft­schadstoffen haben wir bei den Stickstoffoxyden und bei den flüchtigen organischen Ver­bindungen. Die flüchtigen organischen Verbindungen müssten wir zirka um ein Drittel redu­zieren – Hauptverursacher ist da die Industrie und unter anderem auch die Massentierhaltung –, bei den Stickstoffoxydemissionen müssen wir fast halbieren. Hier ist der Verursacher der Verkehr.

Ich komme aus dem Weinviertel, und im Weinviertel haben wir momentan große Probleme mit dem Verkehr. Bei uns habe ich oft den Eindruck, die Politik besteht nur darin, dass man für neue Autos neue Straßen bauen muss, und ich denke, das ist ein bisschen wenig, da würde ich


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mir mehr Fantasie wünschen. Für das Weinviertel besteht die Gefahr, dass es mit Hoch­leistungsstraßen zugepflastert wird.

Genau im Bereich Verkehr ist es aber wichtig, dass die Bundesregierung Maßnahmen zur Verlagerung auf die Schiene und zur Verhinderung setzt. Im österreichischen Generalver­kehrsplan steht das auch in der Einleitung groß drinnen, bei den Umsetzungsmaßnahmen steht dann allerdings fast nur mehr etwas von der Straße und wenig von der Schiene darin.

Ich würde mir wünschen, dass es dem Immissionsschutzgesetz und dem Ozongesetz nicht so ergeht wie dieser Einleitung des Generalverkehrsplanes. Wir brauchen nämlich keine Lippenbekenntnisse, sondern wir brauchen Umsetzungsmaßnahmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. – Bundesrat Gasteiger: Geh sei ruhig da hinten! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit.) – Ich habe derweil noch keine Überweisung bekommen. Leider!

Zurück zum Ozon: Die Grenzwerte beim Ozon werden in Österreich nach wie vor immer wieder überschritten. Laut dem letzten UBA-Jahresbericht war die Langzeitbelastung im Südosten Öster­reichs im Vorjahr außerordentlich hoch. Es ist daher wichtig, dass man neue Emissionsquellen, aber auch die alten Emissionsquellen in den Griff bekommt, dass diese saniert und endlich in Angriff genommen werden. Das ist aber nicht allein nur Bundessache, das ist auch Sache der Länder. Diese sind damit auch aufgefordert, in diesem Bereich ihre Verordnungen zu erlassen und etwas zu tun.

Da das jetzt aber ein Pro-Rede ist, weil wir dieses Gesetz unterstützen wollen, möchte ich doch noch ein paar Verbesserungen hervorheben:

Erstmals gibt es in diesem neuen Gesetz eine Frist für die Erlassung eines Maßnahmen­katalogs. Früher war das unbefristet, deshalb hat es auch keine Maßnahmenkataloge gegeben beziehungsweise einen bei zehn Fällen, bei denen es notwendig gewesen wäre.

Bei den Anlagegenehmigungen wird künftig der Stand der Technik anders definiert, nämlich nicht mehr nach der Gewerbeordnung, sondern nach dem Abfallwirtschaftsgesetz.

Bei den Anlagen, die bisher keiner bundesgesetzlichen Bewilligung unterliegen, wird mit der Umsetzung einer IPPC-Richtlinie endlich auch das bewilligungspflichtig. Das trifft jetzt zum Teil auf Kesselanlagen und die Intensivtierhaltung zu.

Zusätzlich werden auch die Sanktionen bei Zuwiderhandeln verschärft.

Zu den Sanktionen noch kurz: Mir wäre es lieber gewesen, hätten wir dieses Immissions­schutzgesetz schon früher beschlossen. Leider sind wir auch hier wieder hintennach. Österreich ist bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in Verzug. Eigentlich hätte sie bis 27. November 2002 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Ich hoffe doch, dass die Verordnungen jetzt schneller vorangetrieben werden.

Auch bei der Ozonrichtlinie haben wir nicht gerade die Vorreiterrolle im Umweltschutz, die wir gerne für uns in Anspruch nehmen, übernommen. Die Änderung des Ozongesetzes erfolgt auf Grund eines Vertragsverletzungsverfahrens: Wir hatten zu hohe Grenzwerte in unserem Gesetz, wir hatten zu ausgedehnte Mittelwerte, und die Überschreitungen haben erst gegolten, wenn sie an zwei Messstellen festgestellt wurden. Letztendlich ist das, was wir hier beschlie­ßen, die Umsetzung einer EU-Richtlinie, nicht mehr und nicht weniger. Wir übernehmen keine Vorreiterrolle, und das ist sicherlich kein Grund dafür, uns deshalb ein Umwelt-Musterland zu nennen.

Aber letztlich freue ich mich trotzdem darüber, dass wir das Gesetz erst heute beschließen, weil ich nun mit abstimmen darf. (Heiterkeit. – Bundesrat Mag. Himmer: Die Freude werden wir Ihnen noch öfters machen können!)


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Jetzt baue ich noch auf eine innovative Gestaltung der fehlenden Verordnungen, und zwar deshalb, weil Investitionen in den Umweltschutz auch Investitionen in neue Technologien sind, Arbeitsplätze schaffen und unsere Gesundheit fördern. In diese Punkte zu investieren, erscheint mir sinnvoller, als Abschlagszahlungen für nicht erreichte Kyoto-Ziele zu leisten. (Allgemeiner Beifall.)

17.41


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Wahl von Ausschüssen


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Wahl von Ausschüssen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Professor Konecny, Professor Dr. Böhm folgenden Inhaltes vor, den ich jetzt verlese:

Folgende Ausschüsse mit jeweils 15 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern werden neu gewählt, wobei jeweils 8 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen.

Ich nenne die Ausschüsse:

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten,

Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur,

EU-Ausschuss,

Finanzausschuss,

Gesundheitsausschuss, zuständig für Vorlagen aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen betreffend Gesundheitsthemen,

Ausschuss für Frauenangelegenheiten, zuständig für Vorlagen aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen betreffend Frauen und Gleichbehandlungsthemen,

Ausschuss für innere Angelegenheiten,

Justizausschuss,

Landesverteidigungsausschuss,

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,

Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,

Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie sowie


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Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit.

Weiters wird beantragt:

Der Bundesrat wolle beschließen, anstelle des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport den

Ausschuss für Sportangelegenheiten, zuständig für Vorlagen aus dem Bundeskanzleramt be­treffend Angelegenheiten des Sports, und den

Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, zuständig für Vorlagen aus dem Bundes­kanzleramt ausgenommen Angelegenheiten des Sports,

mit jeweils 15 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 8 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem eben verlesenen Antrag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Die vorhin genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 der Geschäftsordnung neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen, und diese gelten damit als gewählt.

Die Konstituierung des EU-Ausschusses wird am kommenden Dienstag, dem 20. Mai 2003, um 14 Uhr, diejenige der anderen Ausschüsse am Dienstag, dem 17. Juni 2003, ab 14 Uhr er­folgen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend finanzielle Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes, insbesondere der Pensionsreform, auf Länder und Gemeinden – Konsultationsmechanismus durch die Länder Burgenland, Kärnten, Salzburg und Wien ausgelöst – Runder Tisch beim Herrn Bundespräsidenten zur Pensionsreform – Konsequenzen des Runden Tisches für die Bundesregierung (2072/J-BR/03)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler be­treffend finanzielle Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes, insbesondere der Pensions­re­form, auf Länder und Gemeinden – Konsultationsmechanismus durch die Länder Burgenland, Kärnten, Salzburg und Wien ausgelöst – Runder Tisch beim Herrn Bundespräsidenten zur Pensionsreform – Konsequenzen des Runden Tisches für die Bundesregierung. (Bundesrat Konecny: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident!)

Ich erteile Herrn Professor Konecny zur Geschäftsordnung das Wort. – Bitte.

17.45


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe für den Herrn Staatssekretär ein hohes Maß an Bewunderung. Allein dass er sich bei uns als Prophet produzieren soll, würde nicht einmal ich ihm abverlangen.

Es ist selbstverständlich möglich, Herr Präsident, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Fragen 1 bis 11, die wir in unserer dringlichen Anfrage stellen, zu beantworten. Ich fürchte, dass bei einer noch nicht abgeschlossenen Beratung auch der Herr Staatssekretär in all seinem Kenntnis­reichtum überfordert sein wird, die Fragestellungen 12 bis 14 zu beantworten.


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Ich würde vorschlagen, dass wir die Sitzung unterbrechen bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem eine vernünftige Antwort – ob sie vernünftig sein wird, ist eine andere Frage –, eine korrekte Antwort auf diese Fragen überhaupt erst möglich ist.


Präsident Herwig Hösele: Wie lautet der Antrag, Herr Professor?


Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Dass wir die dringliche Anfrage nach Ende des „Runden Tisches“ und damit dem Vorliegen ... (Widerspruch bei der ÖVP.)

Wir wissen, was wir fragen, und wir bitten den Herrn Bundeskanzler um eine Antwort. Das ist nicht illegitim, es ist im Rahmen der Geschäftsordnung erfolgt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Beantwortung nicht möglich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.46


Präsident Herwig Hösele: Wünscht zum Antrag von Herrn Professor Konecny jemand geschäftsordnungsmäßig das Wort? (Bundesrat Gasteiger: Nein!)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Professor, haben Sie den Antrag gestellt, die Sitzung zu unterbrechen, bis der Herr Bundeskanzler eintrifft. (Bundesrat Konecny: Jawohl!)

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. (Bundesrat Konecny: Herr Präsident! Unter diesen Umständen, da auch Kollege Bieringer nicht da ist, mache ich den Vorschlag: Überbrücken wir die Pause mit einer Präsidiale! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich unterbreche die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 17.47 Uhr unterbrochen und um 18.03 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Herwig Hösele: Ich nehme die für die Präsidiale unterbrochene Sitzung wieder auf.

Der vom Herrn Professor Konecny eingebrachte Antrag ist laut Geschäftsordnung nicht zulässig. Ich bitte ihn als erstem Anfragesteller daher, die dringliche Anfrage zu begründen. – Bitte.

18.03


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine dringliche Anfrage vorbereitet, die sich an den Bundeskanzler richtet. Sie hat – das sei offen zugegeben – zwei Themenbestandteile. Sie stellt darauf ab, dass nicht nur das Budgetbegleitgesetz, sondern insbesondere auch die Pensions­reform nicht nur auf die Menschen unseres Landes – für diese in allererster Linie –, nicht nur auf den Bund, sondern insbesondere auch auf die Länder und Gemeinden Auswirkungen hat. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Dies ist ein Thema – ich werde naturgemäß in meiner Begründung einiges dazu sagen –, das in der bisherigen öffentlichen Diskussion zu wenig zur Geltung gekommen ist, und es stünde, so meine ich, der Länderkammer gut an, sich diesem Thema im Besonderen zu widmen. Aber es hat naturgemäß ein zweites Element gegeben. (Die Bundesräte der SPÖ halten ein Transpa­rent mit folgender Aufschrift in die Höhe: Auf uns ist Verlass: Wir stimmen dagegen! Wer noch? Die SPÖ-Bundesratsfraktion) – Ich sage dazu, das ist kein Druckfehler, da ist absichtlich so viel Platz: Eigenhändige Unterschriften von Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen werden dort gerne entgegengenommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die Kärntner Kollegin und der Kärntner Kollege sind schon weg. Was heißt denn das? (Bundesrat Mag. Gudenus: Seien Sie nicht so böse, vielleicht hätte ich unterschrieben!) Na gut, das ist aber vom vorvorigen Tagesordnungspunkt oder Nicht-Tagesordnungspunkt der Dring­lichen. (Bundesrat Kritzinger: Ist das so üblich, dass man da ...!) – Natürlich, es verdeutlicht, Herr Kollege, manche hören schlecht und sehen besser! (Beifall bei der SPÖ.)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Konecny! Sie gestatten, dass ich Sie unterbreche. Es war die Frage, ob das hier so üblich sei. Es ist nicht üblich, dass solche


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Dinge im Sitzungssaal sind. Es hat dies jeder gelesen, Sie haben die Einladung des Kollegen Konecny gehört, man kann auch außerhalb dieses Saales Unterschriften anbringen, wenn man dies möchte.


Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Ich komme gerne zu meinen Ausführungen zurück. Wie gesagt, ich gebe zu, dass es eine zweite Hälfte dieser Anfrage gibt, die sich auf ein Ereignis bezieht, das in diesen Minuten zu Ende geht. Es hat der Herr Vizekanzler – er hat heute selbst hier darauf zu Recht gebührend verwiesen – nach einigen Unsicherheiten – aber das sind wir gewöhnt – ausdrücklich den Herrn Bundespräsidenten ersucht, in dieser schwierigen Debatte über die Pensionsreform einen neuen Anfang dadurch zu ermöglichen, dass er zu einem „Runden Tisch“ einlädt.

Der Herr Bundespräsident ist dieser Einladung, die von fast allen dafür als Teilnehmer in Frage kommenden gesellschaftlichen Kräften der Republik bestens aufgenommen wurde, nachge­kommen und hat für heute, 16 Uhr zu einem solchen „Runden Tisch“ eingeladen, auch wenn ich zugeben muss – mir ist das aus der APA bekannt –, dass es offenbar in der Republik noch ein paar Defizite gibt: Es war kein runder Tisch, aber darauf soll es wirklich nicht ankommen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.) – Er war oval, Herr Kollege, so teilt mir die APA mit.

Ich möchte mich daher zunächst einmal mit jenen Gesichtspunkten beschäftigen, die für das Thema insgesamt von Bedeutung sind, und dann zur Frage des föderalistischen Elements, wenn ich das so nennen darf, der so genannten Reform – wir haben andere Vokabel dafür – der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Pensionen zu sprechen kommen.

Wir haben heute wieder einmal gehört, dass 80 Prozent der Bevölkerung – der Herr Vizekanzler hat das gesagt – die Notwendigkeit einer – „einer“ ist ein unbestimmtes Wort – Reform bejahen. Tatsächlich: Eine Reform ist notwendig, und ich habe das bei einer Wortmeldung vor einigen Wochen hier schon einmal gesagt. Die jungen Menschen werden erfreulicherweise besser ausgebildet und treten daher auch später in den Beruf ein. Ebenso erfreulicherweise werden heute die Menschen älter als ihre Elterngeneration und noch die Generation vor 20 Jahren. Und angesichts dessen wird von Regierungsseite so gerne mit Schuldzuweisungen operiert. Es gibt sogar einen Schuldigen. Es war jener so geschmähte Bruno Kreisky, der vor 30 Jahren zum Kampf gegen das Sterben vor der Zeit aufgerufen hat, der einer Regierung vorgestanden ist, die diesen Kampf eröffnet hat. Und tatsächlich ist innerhalb eines Jahrzehnts die durch­schnittliche Lebenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher substanziell sprunghaft gestiegen und seither graduell weiter gewachsen.

Wir freuen uns darüber, dass die Menschen älter werden, wir finden es nicht lustig, wir freuen uns für unsere älteren Mitbürger darüber. Natürlich hat das Konsequenzen. (Zwischenbe­merkung des Staatssekretärs Morak.) – Natürlich, jeder von uns, wir fallen auch darunter. Wir haben uns also geeinigt, dass wir uns alle freuen. Aber naturgemäß hat das Auswirkungen auf ein System, das auf einer gewissen Balance zwischen beruflicher Aktivität und Ruhegenuss aufgebaut ist.

Wer das bestreitet, der muss irgendwie von einem anderen Stern kommen. Ich glaube nicht einmal, dass das 20 Prozent unserer Bevölkerung bestreiten. Aber die Frage ist, wie immer im Leben, die Frage nach dem Wie. Wir haben nun erlebt, dass es zunächst einmal einen Begut­achtungsentwurf gegeben hat, den diese Regierung ausgearbeitet hat – jetzt wird es schon wieder schwierig für mich –, aber es gibt natürlich einen Ressortminister, der federführend für eine solche Vorlage ist. Sie trägt auch seine Unterschrift.

Dieser Begutachtungsentwurf ist – und ich komme noch darauf – verheerend, im wahrsten Sinn des Wortes verheerend kritisiert worden von allen, die ihn in die Hand bekommen haben, und das in Wirklichkeit unabhängig davon, welcher politischen Fraktion sie in diesem Land angehören – ausgenommen jene, die in der Bundesregierung sitzen. Diese haben sich schon verpflichtet gefühlt, den Entwurf für gut zu halten, aber das war eine Promille-Minderheit der österreichischen Bevölkerung.


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Dann hat es Gespräche gegeben zwischen den Koalitionsparteien, so sagt man, und dann gab es einen weiteren Entwurf, sozusagen den wirklichen Entwurf. Dieser wirkliche Entwurf ist dann – ich nehme doch an über Antrag des ressortzuständigen Bundesministers – in der Bundesregierung beschlossen worden. Da war von Abfederung und vom Ziehen der Giftzähne und ich weiß nicht wovon alles die Rede, es hat sich nur beim ersten Blick auf die neue Vorlage bereits gezeigt, dass davon naturgemäß keine Rede sein kann.

Es gibt eine lange Liste von bedeutenden politischen Persönlichkeiten der Republik, die sich innerhalb von 48 Stunden lächerlich gemacht haben, in dem sie zunächst einmal voller Be­geisterung diesen neuen Entwurf, der jetzt ganz wunderbar ist und fast nichts mehr mit dem Begutachtungsentwurf zu tun hat, begrüßt haben und dann, als ihnen andere gesagt haben, aber all das stehe nicht darin, was sie behaupten, entdeckt haben, dass weiterer Verhandlungs­bedarf besteht.

Die Paulinische Wandlung, um dem Kollegen von der Theologischen Fakultät eine Freude zu machen, mancher, die jetzt den Parlamentarismus als das wahre Entscheidungszentrum entdeckt haben und meinen, dass sich das Parlament nun nichts dreinreden lassen dürfe, ist wirklich eine eindrucksvolle Regung politischen Opportunitätsgehabens.

Es gibt also einen Entwurf. Er ist kaum besser als das, was als Begutachtungsentwurf be­zeichnet wurde, und dann gibt es die Optimisten – allerdings Optimisten mit begrenztem Horizont –, die sagen, über das könne man heute noch gar nicht reden, weil es wird doch weiter verhandelt, und ein Urteil könne man erst dann fällen, wenn das endgültig beschlossen ist. Ja aber dann, Kolleginnen und Kollegen, ist es leider zu spät. Da kann man reden, so wie man in Österreich Kraftausdrücke gegen das Salzamt schleudert, aber beschlossen ist beschlossen, und das ist nicht das, was wir unter Dialog verstehen.

Der Herr Bundeskanzler – das hat er auch vor dem „Runden Tisch“ mehr oder weniger klar gesagt, ob er es dann dort auch gesagt hat, werden wir bald erfahren – verwechselt Dialog mit Psychotherapie. Dialog heißt, beide Seiten sagen etwas, und am Ende geht man auf die Argumente ein und versucht, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Bei der Psychotherapie ist das naturgemäß anders, da ist der eine der Behandelnde, und der andere hat etwas; wollen wir es nicht qualifizieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Man weiß zwar nicht immer, wer der Behandelnde ist!) – Das muss ich namens der Psychotherapeuten heftig zurückweisen. Ich bin mit einer Psychotherapeutin verheiratet und kann es mir nicht erlauben, Ihnen zuzustimmen. Aber es ist klar, dass der Psychotherapeut den anderen zum Reden bringt, damit er durch das Sprechen erkennt, wo er Unrecht hat. (Bundesrat Mag. Gudenus: Logo­therapie!)

Das ist genau der Dialog oder das, was einen Dialog ersetzen soll, den wir nicht zu führen bereit sind. Wenn der Bundeskanzler sagt, reden könnt ihr über alles, aber am 4. Juni wird das beschlossen, was ich sage ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind Sie zu behandeln oder wie ist das bei Ihnen?) – Nein, Herr Kollege, ich gebe freimütig zu, dass ich viele neue Einsichten aus dieser Partnerschaft gewonnen habe, die ich manchem Kollegen sehr vergönnen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie mir, Therapie für aufmüpfige Gewerkschafter, unzufriedene Arbeiter und Ange­stellte ist nicht das, was die Republik beim Herrn Bundeskanzler bestellt und beauftragt hat. Dialog ist es! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist auch eine Frage des Demokratieverständnisses. Sie sagen uns mit Recht, wir haben lange regiert, und wenn man ehrlich ist – ich bemühe mich das zu sein –, dann muss man sagen, nicht jeder Beschluss, den wir initiiert oder gefasst haben, war der Weisheit letzter Schluss. Aber auch eine allein regierende Sozialdemokratie hat mit Ihnen, etwa mit Ihren Bauernvertretern, etwa mit Ihren Justizvertretern nächtelang diskutiert. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie versuchten, die ÖVP zu spalten! Das war das Ziel! – Bundesrätin Bachner: Kann man das?) – Herr Kollege, quer oder hoch?


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Die Bauernvertreter der damaligen Generation – vielleicht haben sie das den heutigen weiter­erzählt ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Bitte, Herr Kollege, ich mache Sie doch nicht älter, als Sie ohnehin schon sind. Ich bin 61,5 Jahre alt, ich kann mir das erlauben. Aber ich stehe zu meinem Alter, und ich bekenne mich auch dazu, dass ich damals schon Ver­handlungen geführt habe. Wenn Sie das verdrängen und vergessen, ist das nicht meine An­gelegenheit. Mein Satz hat geheißen: Die Bauernvertreter von damals werden das vielleicht ihren Nachfolgern von heute erzählt haben, wie man damals gesprochen und verhandelt hat, auch wenn die heute hier Sitzenden in ihrer Mehrzahl damals nicht dabei waren.

Das Drüberfahren – und das ohne breite öffentliche Diskussion – nicht nur über die Gewerk­schaftsbewegung, obwohl sich diese naturgemäß lautstark und vor allem zahlreich zu Wort meldet, sondern auch über die Wirtschaftskammer, über viele andere gesellschaftliche Grup­pen, die spezifische und zumindest zu diskutierende Anliegen haben, tut in einer so funda­mentalen Frage der Republik nicht gut.

Wenn der Herr Bundeskanzler meint, das Wohl und Wehe des Landes hänge davon ab, dass er Recht behält, dann meine ich aus voller Überzeugung, dass er sich da fundamental irrt. Ich behaupte nicht, das ist deshalb so, weil er immer Unrecht hat, sondern weil er mit dieser Grundhaltung auf jeden Fall Unrecht haben muss, ganz egal, um welches Thema es geht.

Diese Pensionsreform – Pensionssicherungsreform sagen Sie –, also dieses Bündel von Maßnahmen, hilft kurzfristig dem Herrn Finanzminister, ein sonst gar nicht mehr darstellbares Budget doch noch über die Runden zu bringen, ermöglicht der Regierung, die unseligen Abfangjäger doch noch zu kaufen, aber bedeutet für die große Mehrheit der Menschen, dass die Perspektive ihres Alters für sie nicht wirklich mehr zum Positiven beeinflussbar ist.

Die Zeitungen haben nach der Wahl im vergangenen Jahr den Herrn Bundeskanzler als „takti­sches Genie“ beschrieben, und er bemüht sich natürlich, sich nicht gleichzeitig mit allen anzu­legen. Wissen Sie, jemanden mit dieser Art von Taktik möchte ich gar nicht haben, den würde ich in meiner Partei nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Dieser Sorge sind Sie tatsächlich ledig!)

Das glaube ich nicht, Herr Kollege! Wenn Sie sich die in der morgigen Ausgabe des „FORMAT“ veröffentlichten Zahlen über die Spitzenkandidaten anschauen, dann werden Sie, so schwer Ihnen das fällt, ein bisschen leiser treten. Aber lassen Sie die Wähler entscheiden – weder meine pompöse Behauptung noch Ihre hat für sich einen Wahrheitswert. Da bin ich ... (Bundes­rat Mag. Himmer: Im „FORMAT“ waren nicht einmal die Wahlergebnisse richtig, die sie ge­bracht haben!)

Herr Kollege! Wenn Sie meinen, sich mit dem „FORMAT“ kritisch auseinander setzen zu müssen, dann schreiben Sie einen Leserbrief, aber halten Sie uns damit nicht auf! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir haben eine Umfrage zitiert. Herr Kollege! Ich war sieben Jahre lang in diesem Geschäft, ich weiß auch, welchen Stellenwert Umfragen haben, aber sie sind ein Indikator, und als solchen sollten Sie ihn auch gelten lassen. Aber noch einmal: Ich habe keinen Ehrgeiz, Umfragen zu gewinnen, mir ist es viel lieber, die SPÖ gewinnt Wahlen. Das ist schon eine ehrliche Ansage.

Sie bringen mich in die schwierige Lage, dass mir Kollege Bieringer vorwerfen wird, dass ich ungebührlich lange begründe. Unterbrechen Sie mich also nicht dauernd, sonst wird es noch länger! (Bundesrätin Roth-Halvax: So ist es!)

Kehren wir zum Thema zurück! Der Herr Bundeskanzler glaubt, in der Lage zu sein, sich von vier Fronten zwei nicht aufzumachen. Es ist eine gute Frage, ob das wahr ist.

Da gibt es zunächst einmal jene, die in Pension sind. Auch wenn ich noch so kritisch das Budgetbegleitgesetz durchsehe: Mit Ausnahme einer durchaus moderaten Anhebung des Pensionssicherungsbeitrages im öffentlichen Dienst steht dort nichts. Die Frage ist: Ist das eine so wahrhaftige Ankündigung wie jene von Frau Rauch-Kallat im Herbst, als sie sagte, dass es in


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der nächsten Gesetzgebungsperiode keine Anhebung des Frühpensionsalters geben wird, oder ist es wirklich wahr? – Ich glaube ganz ehrlich, dass es nicht wahr ist. Aber wer wird schon so tölpelhaft sein, sich gleichzeitig mit allen Berufstätigen und mit den Pensionisten auch noch anzulegen?

Zweitens: Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, er könne die Opposition kleinhalten – nicht die politische Opposition, sondern die Opposition gegen diese Vorschläge. Damit hat er natürlich das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Reiterisch ist das vermutlich Schwachsinn – ich bin kein Reiter –, aber politisch mag es manchmal Sinn machen. Wir reden also nicht über ein harmonisiertes System, sondern wir reden über die ASVG-Versicherten, die ohnehin die „mistigsten“ Pensionen haben. Ich nehme an, dass der Herr Bundeskanzler mit heftigem und vor allem in eine bestimmte Richtung gezieltem Augenzwinkern versucht hat, dem öffentlichen Dienst klarzumachen: So wild wird es bei euch schon nicht werden.

Da bekunde ich Kollegen Neugebauer meinen tiefen Respekt: Die Gewerkschafter sind in diesem Bereich auf diesen Trick nicht hereingefallen, weil sie genau wissen: Wenn jetzt die einen – sagen wir einmal die roten Schafe – geschoren werden, dann kommen im Herbst mit mindestens derselben Schere auch die schwarzen Schafe an die Reihe – was ich jetzt nicht politisch meine, sondern nur zur Unterscheidbarkeit zwischen dem ASVG-Bereich und dem öffentlichen Dienst sage. Setzen Sie beliebige andere Farben ein! Sie haben genau begriffen, wie es ist: Tua res agitur! Es geht genauso um ihre Pensionen, und wenn jetzt die ASVG-Ver­sicherten verlieren – und das ist es, worum es geht –, dann ist auch ihre Verteidigungsposition umso schwächer.

Dann gibt es die dritte Gruppe – und das war der einzige Kompromiss, sowieso „mistig“ genug, den diese Regierung zwischen erster und zweiter Variante gemacht hat –: Das sind jene, die geistig schon ein bisschen in Pension sind, weil sie in den nächsten ein, zwei Jahre vorhaben, in Pension zu gehen. Die wenigen Maßnahmen, die es gegeben hat, haben ihnen ein bisschen Zuckerguss auf dieses ansonsten durchaus ungenießbare Gericht gegossen.

Auch diese haben sich – erfreulicherweise, wie die Teilnahme an den Aktionen zeigt – überhaupt nicht beirren lassen, weil sie klar erkennen, was ihnen wirklich blüht. Was ist der Kern der Sache? – Der Kern der Sache ist, dass die Bundesregierung, selbst wenn eine Harmonisierung kommt, im Begriff ist, ein System zu erfinden, wonach die große Mehrheit der durchschnittlichen Einkommensbezieher aus der so genannten ersten Säule keine aus­reichende Altersversorgung haben wird. Dabei handelt es sich um Menschen, deren Berufs­einkommen so gestaltet sind, dass sie nichts Nennenswertes an Privatvorsorge ansparen kön­nen. Ich brauche gar nicht bis zu den Extrembeispielen der geringfügig beschäftigten Frauen zu gehen, ich gehe von ganz normalen Berufstätigen aus. Sagen Sie mir, wo die Familien, aus denen die Stimmen stammen, mit denen Sie indirekt, aber doch hierher gewählt wurden, das Geld hernehmen sollen, um eine ernsthaft beitragende Altersversorgung der dritten Säule aufzubauen!

Wir haben damals, als das beschlossen wurde, warnend gesagt – und es gibt Fälle, bei denen man gar nicht so begeistert ist, wenn man Recht behält –: Wir halten die neue Abfertigungs­regelung und die Umwandlung der Abfertigungen in eine Zusatzpension für einen richtigen und fälligen Schritt, aber wir warnen davor, dies gewissermaßen als jene Karotte anzusehen, auf die die Menschen fasziniert schauen, während ihnen die Grundpension drastisch gekürzt wird. – Und genau das ist passiert.

Die Menschen werden wahrscheinlich in Summe – die meisten von ihnen – weniger aus der zweiten Säule bekommen, als sie jetzt in der ersten Säule einbüßen, und das macht diesen schönen Erfolg, den wir damals gemeinsam und mit den Gewerkschaften erreicht haben, sehr hohl und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Es ist gar keine Frage: Wir brauchen – das ist unsere feste Überzeugung, das ist auch Ihre, so höre ich, und das ist eine Überzeugung, die auch die Gewerkschaften teilen – ein harmo­nisiertes System. Jedes dieser Systeme ist natürlich historisch gewachsen. Bei vielem, was


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man sich, wenn man als junger Mensch von der Pensionsgeschichte der Republik wenig weiß und davon hört – auch als junger Journalist –, anschaut, schreit man einmal auf: Oh, was für ein Privileg! Wenn man sich die geschichtliche Entwicklung dieser Regelung vergegenwärtigt, dann geht sie auf bestimmte nur dort gegebene Sachverhalte ein und versucht beispielsweise, eine kürzere Lebenserwartung mit einer höheren Pension zu kompensieren; das kann man nicht wirklich, aber man versucht es. So sind manche Regelungen entstanden wie faktische Berufs­ausübungsunfähigkeit durch ein früheres Pensionsalter und Ähnliches mehr.

Nicht alles davon ist heute noch vernünftig; das sage ich überhaupt nicht, und es sagen auch die Kolleginnen und Kollegen von der Gewerkschaft nicht: Das muss alles so bleiben, weil es einmal so war! Aber man muss das schon in dem Geist diskutieren, dass man fragt: Was war denn die Überlegung dafür, warum das so erfunden wurde? – Manche zahlen eben einen höheren Pensionsversicherungsbeitrag dafür, dass solche Regelungen Bestand hatten.

Die Harmonisierung ist schwierig genug – gar keine Frage! –, ich bin nicht der größte Pensions­versicherungsexperte dieses Landes, aber ein bisschen etwas verstehe ich davon. Und weil ich ein bisschen etwas davon verstehe, bin ich voll Respekt und Demut denen gegenüber, die sich zutrauen, eine solche Harmonisierung in die Wege zu leiten.

Auch da wird es Proteste geben – natürlich, gar keine Frage! Auch da wird man vielleicht manches in einem Dialog später anpassen müssen. Aber zu sagen, zuerst reformieren wir – reformieren, nebbich! –, zuerst setzen wir einmal die künftigen ASVG-Pensionen herab, und dann reden wir über eine Harmonisierung der Systeme, das ist ein zutiefst falscher Ansatz von jeder Gesetzeslogik her, von jeder gesellschaftlichen Logik her.

Ich komme ganz kurz zu dem an dieser Stelle irgendwie unvermeidlichen Ausritt. Sie werden mir verzeihen, dass ich dieses Thema anschneide, aber diejenigen, die auf Regierungsseite die Gesetzentwürfe zimmern, sind ganz offensichtlich nicht jene, die das Werk einer Harmo­nisierung zu Wege bringen. Sie alle – ich weiß nicht, ob es jeder angeschaut hat – hatten jenen unglückseligen Initiativantrag der Kollegen Molterer und Scheibner aus dem Nationalrat in Ihren Unterlagen. Was sich da abgespielt hat, ist nicht angesichts dessen, weil auch ein bisschen etwas auf die Seite zu räumen versucht wurde – das interessiert mich in diesem Zusammen­hang gar nicht –, sondern angesichts des „Ernstes“, mit dem an Pensionsthemen herangegan­gen wurde, ein glatter Skandal!

Da gibt es jetzt nur noch Leute, die sagen, der andere sei schuld. Besonders schön habe ich die Aussage von Frau Bleckmann gefunden, die gesagt hat: In Zukunft werden wir uns alles von der ÖVP noch genauer anschauen, bevor wir es unterschreiben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie hat Recht!) – Sie hat Recht, aber sie hätte früher anfangen können, nicht?

Da gibt es Kollegen Scheibner, der die originelle Formulierung fand, er hätte das unterschreiben müssen, damit eine Diskussion darüber möglich wird. – Ich mache das auch immer so: Ich unterschreibe Schecks, damit eine Diskussion über meine Schulden möglich wird. Oder wie ist das?

Da gibt es Kollegen Molterer, der gemeint hat, das sei alles nicht so, das sei ein Irrtum gewesen. Ich glaube bei der ganzen Geschichte einem einzigen – wir alle kennen ihn –, der zu diesem Thema die vermutlich einzig wahrhaftige Auskunft gegeben hat. Der ÖVP-Klubdirektor, den ich ob seines Sachwissens hoch schätze, hat auf die Frage, wer für diesen Fehler im Antrag verantwortlich sei, kurz gesagt: Fehler ist wohl schwer übertrieben, sachkundige Beamte haben versucht, einen Beschluss der Regierung in Gesetzesform zu gießen.

Nicht gewollt haben es also diejenigen, die unterschrieben haben, ganz offensichtlich nicht. Auch Zögernitz räumt ein – vielleicht nicht mit der glücklichsten Formulierung; das sollte man sich als Klubdirektor auch anschauen –, dass der politische Wille genau das gewesen ist, was jetzt alle fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

Das legistische Meisterwerk – das finde ich wirklich besonders schön, weil es nämlich zeigt, wie gründlich und sachgerecht gearbeitet wird – ist Folgendes: Artikel 1, Übergangsbestimmungen,


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§ 491: Absatz 3 und Absatz 4 sind wortgleich, einfach wortgleich! Da steht zweimal unter verschiedenen Bezeichnungen dasselbe. Meine Damen und Herren! Wenn Sie das ASVG so reformieren, dann bekommt wahrscheinlich am Schluss überhaupt niemand mehr irgendetwas, weil Sie die entscheidenden Absätze nicht verdoppeln, sondern einfach vergessen.

Das regt die Menschen begreiflicherweise auf, und daher gibt es viele – ich wiederhole das –, die sagen, wir brauchen zuerst eine Vereinheitlichung der Systeme – das ist ohnehin eine herkulische Aufgabe –, und dann brauchen wir das Nachfolgesystem oder die Nachfolge­systeme. Ich will jetzt nicht für unser Pensionsmodell plädieren. Keines, das auf dem Tisch liegt, ist eins zu eins die Weisheit. Aber unser Vorschlag besagt einfach: Die erworbenen Ansprüche werden zum Stichtag bescheidmäßig festgelegt, dem Einzelnen auch mitgeteilt, von diesen verliert niemand etwas. Und dann gibt es ein anderes System, in das alle – jene, die morgen in das Berufsleben eintreten, und jene, die schon 30 Jahre lang arbeiten – einzahlen und ent­weder überhaupt nur von dort oder zusätzliche Ansprüche erwerben. Es geht wahrscheinlich auch anders, aber das ist nicht die schlechteste Idee.

Wenn wir dort anfangen und dann über ein gemeinsames System nachdenken, muss dieses gemeinsame System auch den besonderen Bedürfnissen anderer Berufsgruppen Rechnung tragen. Wir puzzeln jetzt nur am ASVG herum. Dass die Eisenbahner nicht ganz dieselbe Berufswirklichkeit haben, brauche ich niemandem zu erklären. Sie haben nicht nur ein unterschiedliches Pensionsrecht, sondern auch eine unterschiedliche Berufswirklichkeit. Jetzt wird all das novelliert, und dann wird gesagt: Hoppla, dieses neue ASVG passt für die nicht, für die nicht und für die nicht, und dann muss es wieder novelliert werden. Das ist einfach die falsche und eine extrem ungeschickte Vorgangsweise.

Dies gesagt habend, verweise ich darauf, dass es kein Privileg von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und auch kein Privileg von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern ist, das zu bemerken und politisch zu artikulieren. Auch wenn ich zugebe, dass zwischen der Aufmüpfigkeit von ÖVP-Landeshauptleuten und dem Stattgefundenhaben oder Bevorstehen von Landtagswahlen eine eigenartige und mit mathematischen Gesetzmäßigkeiten nicht zu erklärende Korrelation besteht, verneige ich mich respektvoll vor Landeshauptmann Pühringer. Gar nicht respektvoll tue ich dies vor dem niederösterreichischen Landeshauptmann, denn dieser hatte seine Landtagswahl schon, und daher interessieren ihn heikle Themen offensicht­lich in der Öffentlichkeit nicht mehr. Ich verneige mich aber vor Landeshauptmann Pühringer, der sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass dieser Entwurf den Menschen nicht zugemutet werden könne.

Ich respektiere mit großer Zustimmung auch die Meinung des Herrn Landeshauptmannes Sausgruber – sicher auch die Meinung eines Mannes, die nichts damit zu tun hat, dass auch er noch eine Landtagswahl vor sich hat –, der genauso gesagt hat, dass dieser Entwurf so nicht kommen kann und kommen darf.

Dass sich das Land Wien in gleicher Weise geäußert hat, ist klar, und dass sich das Land Kärnten – da ist es nicht so selbstverständlich – auch so geäußert hat, ist bemerkenswert. Aber es haben sich auch jene, die in der Öffentlichkeit dort, wo diese 30 Sekunden langen Fernsehclips gedreht werden, lückenlose Solidarität mit dem Herrn Bundeskanzler und seinen Pensionsplänen dokumentiert haben, im Kern ganz anders geäußert. Schauen Sie sich die Stellungnahme des Landes Tirol an, in der einfach über die finanziellen Auswirkungen auf das Bundesland die Rede ist, dort hört sich – nahe liegender Weise – die Freundlichkeit auf!

Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist eines unserer Anliegen. Es kann nicht so sein, dass nach dem Motto, am 4. Juni muss all das beschlossen werden, nicht nur über gute Argumente der parlamentarischen Opposition, nicht nur über 200 000 Menschen, die die Mariahilfer Straße und die Prinz-Eugen-Straße „herunterschwimmen“, sondern auch über die Bundesländer einfach drübergefahren wird. Es besteht Dialogbedarf in dieser Frage. Es besteht auch Bedarf aufeinander; das gilt für uns genauso wie für die Regierung, aber die Regierung ist relativ laut mit ihren Argumenten. Auch wenn wir nicht zuhören wollten, wir müssen fortwährend


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zuhören. Jedoch sollten auch die Argumente jener, die sich kritisch äußern, von der Regierung gehört werden.

Es ist einfach wahr, dass viele der Maßnahmen finanzielle Auswirkungen auf die Länder und auf die Gemeinden haben und dass demzufolge von mehreren Bundesländern das Konsulta­tionsverfahren mit der Bundesregierung eingeleitet wurde.

Es ist nur folgerichtig, dass wir natürlich als Länderkammer den Herrn Bundeskanzler danach fragen, wann das Konsultationsgremium zusammentritt, wie er das Wort „unverzüglich“ de­finiert, denn die Anträge auf Einleitung des Konsultationsverfahrens sind nicht erst gestern ge­stellt worden. „Unverzüglich“ heißt nach unserem Rechtsverständnis nicht: nach dem 4. Juni – um es einmal so zu formulieren. (Bundesrat Dr. Böhm: In einem halben Jahr!) – Das ist ein konstruktiver Vorschlag!

In Wirklichkeit hat ganz offensichtlich die Bundesregierung nicht die Absicht, ihre Ver­pflichtungen aus dem Konsultationsmechanismus so zeitgerecht zu erfüllen, dass sie auf ihrer Seite noch gesetzliche Veränderungen vornehmen kann.

Das ist das Nächste, was absolut inakzeptabel ist! Wir können im Bundesstaat nicht im Verhältnis von Über- und Unterordnung zusammenleben. Wir haben Kompetenzen, jede Ebene, aber an gewissen Punkten berühren sich diese Kompetenzen, überschneiden sie sich oder hat die Auswirkung dieser Kompetenzen Folgen für den anderen, und dort müssen wir einen gemeinsamen Weg finden, und der gemeinsame Weg ist nicht der, den der Bundes­kanzler vorgibt. Dazu gibt es konkrete Fragen, und ich rechne damit, dass wir darauf auch konkrete Antworten erhalten werden.

Wir haben aber naturgemäß diese Anfrage nicht einfach aus der Schublade genommen. Wir hätten sie vor 14 Tagen zwar nicht stellen können, weil keine Sitzung war, aber schreiben hätten wir sie können: Es tagt heute – das war bis vorgestern nicht wirklich klar – ab 16 Uhr jener „Runde Tisch“, zu dem der Herr Bundespräsident eingeladen hat. Die politischen Informationen, die darüber bisher eingetroffen sind, halten sich in Grenzen. Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass sich der Bundeskanzler „als erster am Tischgebäck delektierte“ – das teilt uns die APA mit – und dass es ... (Zwischenruf bei der ÖVP) – Bitte, mich nicht böse anzuschauen! Das stammt von der Austria Presse Agentur. Ich kann es auch wörtlich vorlesen. Es ist kein verzerrendes Zitat. Hier heißt es: „Zeit zum Naschen und fairen Kaffeetrinken haben die Diskutanten etwa zwei Stunden.“ – Das ist keine sehr politische Ansage, das gebe ich schon zu, aber so berichtet es die große österreichische Nachrichtenagentur. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Bitte, das ist ein Gerücht, das hat die APA nicht gemeldet! Das muss eine dunkle Quelle sein, mit Sicherheit keine rote.

Meine Damen und Herren! Es schließt diese Meldung mit dem Satz: „Nachher ist eine ausführliche Presseinformation geplant.“ (Bundesrätin Bachner händigt dem Redner eine Nachricht aus.) Nachher ist jetzt, wie ich soeben erfahren habe. Der „Runde Tisch“ ist beendet. Die Zeit zum Kaffeetrinken und Naschen wurde um eine Dreiviertelstunde überschritten, aber jetzt ist er aus.

Meine Damen und Herren! Ich respektiere den Wunsch der Akteure, die Medien zu informieren. Selbstverständlich! In diesem Haus tagt das Plenum des Bundesrates, in diesem Haus tagt im Übrigen auch der Budgetausschuss des Nationalrates. Ich halte es eigentlich für selbstver­ständlich, dass man uns informiert. Der Herr Bundespräsident, den wir schätzen, hat mit diesem Haus – da hat Herr Khol Recht – keine direkte Rechtsverbindung, aber der Bundeskanzler, der auf dem Vertrauen dieses Hauses aufbauend die Funktion des Bundeskanzlers ausübt, ist zur Information verpflichtet. Ich erachte es eigentlich als selbstverständlich, dass der Bundeskanzler die parlamentarischen Gremien – dieses hier und den Budgetausschuss des Nationalrates; über die Reihenfolge kann man, wenn er will, jederzeit reden – einerseits über den Verlauf dieses „Runden Tisches“ informiert und andererseits – es geht nicht darum, dass er die Funktion der APA in der Berichterstattung übernimmt, das macht diese ohnehin ganz gut – seine beabsichtigten Konsequenzen mitteilt.


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Es geht darum, dass er uns über das, was dort herausgekommen ist, informiert. Es geht darum, dass er sagt: Dies und jenes wurde gesagt, und daraus ziehe ich diese oder jene Konsequenz! Darauf haben wir als Parlamentarier ein Recht!

Ich habe schon bei meiner Wortmeldung zur Geschäftsordnung gesagt: Ich schätze den Herrn Staatssekretär vor allem als Künstler, aber ich muss sagen, auch wenn es mir Leid tut: Einen Bericht über ein Ereignis zu geben, an dem man nicht teilgenommen hat, ist nur schwer möglich. Um dem Herrn Staatssekretär dieses Arbeitsleid abzunehmen, bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Prof. Albrecht Konecny und KollegInnen gemäß § 37 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf Zitation des Bundeskanzlers

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, dass gemäß § 37 Abs. 2 die Anwesenheit des Bundeskanzlers bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage der Bundesräte Prof. Konecny und GenossInnen an den Herrn Bundeskanzler betreffend finanzielle Auswirkungen des Budget­begleitgesetzes, insbesondere der Pensionsreform, auf Länder und Gemeinden – Konsultationsmechanismus durch die Länder Burgenland, Kärnten, Salzburg und Wien ausge­löst – Runder Tisch beim Herrn Bundespräsidenten zur Pensionsreform – Konsequenzen des Runden Tisches für die Bundesregierung – verlangt wird.

*****

Ich sage außerhalb der Geschäftsordnung dazu: Unter der Voraussetzung, dass der Herr Bun­deskanzler unserer Einladung, zu den Fragen 9ff eine Stellungnahme abzugeben, nachkommt, sind wir gerne bereit, dem Herrn Staatssekretär die Möglichkeit zu geben, uns auf jene Fragen, auf die er vorbereitet sein kann, zu antworten. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

18.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sie haben den Antrag von Herrn Bundesrat Konecny auf Anwesenheit des Herrn Bundes­kanzlers gehört. Ich lasse nun darüber abstimmen, weise noch darauf hin, dass bei der Abstim­mung jeder auf seinem Platz zu sitzen hat.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Kollegen Konecny zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Darf ich die Schriftführung um Zählung der Stimmen er-suchen. Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit. (Die Schriftführung nimmt die Stimmenauszählung vor.) – Das sind 18 Stimmen dafür.

Ich darf ersuchen, dass auch die Zahl derjenigen, die nicht dafür gestimmt haben, erhoben wird. (Die Schriftführung nimmt abermals die Stimmenauszählung vor.)

Das Ergebnis der Stimmenauszählung lautet: 18 zu 24. Der Antrag des Kollegen Konecny ist daher abgelehnt.

Ich bitte nun den Herrn Staatssekretär um die Beantwortung der Fragen an den Herrn Bun­deskanzler. – Bitte.

18.49


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Herr Bundes­rat! Sie haben in Ihrer Anfrage an den Herrn Bundeskanzler geschrieben, dass sich die Pensionssicherungsreform nur im ASVG „aufhält.“ Ich möchte Ihnen schon sagen: Ich weiß, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ich bin gestern sehr lange im Ausschuss gesessen und habe den Bundeskanzler dort vertreten. Dort ging es auch darum, dass sich das Budget­begleitgesetz mit den Reformmaßnahmen im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes befasst.


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Ich kann Ihnen auch sagen: Ich habe durchaus dort erfahren, was unter „dialogischem Ver­halten“ zu verstehen ist, denn ich habe mir natürlich auch die Rede des Abgeordneten Öllinger von 17.30 Uhr bis 0.15 Uhr angehört. Ich möchte schon festhalten: Wenn ich auch die Technik seiner Rede bewundert habe, dialogisch war das nicht, eher monologisch!

Die Anfrage betrifft den Konsultationsmechanismus im Zusammenhang mit dem Bundesbudget­be­gleitgesetz. Ich darf daher die Fragen 1 bis 8 unter einem wie folgt beantworten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Oho-Rufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Der Konsultationsmechanismus ist gemäß Artikel 2 Abs. 1 der Vereinbarung dahin gehend geregelt, dass die Aufnahme von Verhandlungen in einem Konsultationsgremium verlangt werden kann, wenn die Verwirklichung eines Vorhabens zusätzliche finanzielle Ausgaben verursacht, und zwar aus Sicht des Antragstellers. (Bundesrat Gasteiger: Was es ja tut!)

Wird von einer gegenbeteiligten Gebietskörperschaft die Aufnahme von Verhandlungen im Konsultationsgremium verlangt, so ist dieses gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus zu konstituieren und hiezu vom Vorsitzenden unverzüglich einzuberufen.

Wie bei früheren Anträgen auf Auslösung des Konsultationsmechanismus wird auch in diesem Fall das bewährte Procedere gehalten werden. Nach diesem Procedere wird jedenfalls das betroffene Bundesministerium sowie das Bundesministerium für Finanzen einzubinden sein.

Bisher sind im Bundeskanzleramt folgende Verlangen eingelangt: Burgenland mit Schreiben vom 6. Mai 2003, Salzburg mit Schreiben vom 7. Mai 2003, Kärnten mit Schreiben vom 25. April 2003, Steiermark mit Schreiben vom 15. Mai 2003 und Wien mit Schreiben vom 5. Mai 2003.

Zu den Fragen 9 bis11:

Aus Sicht der Bundesregierung entstehen für andere Gebietskörperschaften keine zusätzlichen Kosten. (Bundesrat Konecny: Moment! Wo haben Sie die Frage 8 beantwortet?) Auf Grund des in der Beantwortung der Fragen 1 bis 8 beschriebenen Procedere des Konsultations­mechanismus ist es nicht möglich, schon vor Beginn der Gespräche allfällige Ergebnisse derselben vorwegzunehmen. (Bundesrat Konecny: Die Frage 9 betrifft die Städte und Gemeinden, nicht die Bundesländer!)

Zur Frage 12:

Die Ergebnisse des so genannten „Runden Tisches“ sind mir, da ich hier bin, nicht bekannt. Auf Grund dieser Tatsache, dass der „Runde Tisch“ soeben erst beendet wurde, kann ich hier diese Frage auch nicht beantworten.

Zur Frage 14:

Abänderungen zur Regierungsvorlage 59 der Beilagen fallen in die Zuständigkeit des Natio­nalrates. Seitens der Bundesregierung wird den Anträgen, die seitens der Opposition im Zuge der Ausschussberatungen vorgelegt werden, mit Interesse entgegengesehen. (Ironische Heiter­keit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Das ist ungeheuerlich!)

Ich darf die Abgeordneten der Opposition einladen, sich ein Beispiel an der deutschen Oppo­sition zu nehmen, die die Reformbestrebungen des deutschen Bundeskanzlers konstruktiv unterstützt! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

18.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Todt. Das Limit der Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Bundesrat.

18.54


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sie haben einen „hervorragenden“ Auftritt in Form eines sehr guten Schauspiels


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gegeben und haben uns erklärt, wann welche Schriftstücke der Bundesländer wo und wie einlangt sind. Sie haben überhaupt nichts gesagt zu bestimmten Fragen, deren Lösung sicher jetzt schon absehbar ist, sonst hätte man diese dringliche Anfrage nicht gestellt.

Bei der Frage der Stellungnahme des Landes Wien möchte ich auf ein paar Punkte hinweisen. Das Land Wien sagt in seiner Stellungnahme Folgendes: Der vorliegende Gesetzentwurf begegnet gravierenden, bis in die Verfassungssphäre reichenden Bedenken. Er ist abzulehnen, da er sowohl Kosten in massiver Form auf die Länder und Gemeinden abwälzt als auch gleichzeitig zu budgetären Mindereinnahmen dieser Gebietskörperschaften führt.

Faktum ist: Es werden Kosten des Bundes auf die Länder und auf die Gemeinden abgewälzt, und es kommt zu weniger Einnahmen für diese Gebietskörperschaften.

Was bedeutet das real? – Die Länder und Gemeinden haben zum Beispiel wesentlich weniger Spielraum, für ihre Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Die Länder und Gemeinden haben wesentlich weniger Möglichkeiten dazu. Genau das sind die geäußerten Bedenken. Das sind massive Bedenken! Sie aber wischen das hier von der Regierungsbank aus einfach mit einem Burgtheaterauftritt weg. So gehen Sie mit Bedenken der Länder und Gemeinden um! (Bundesrat Mag. Himmer: Nicht alles, was deutsch ist, ist Burgtheater!)

Nicht alles, was deutsch ist, ist Burgtheater. Da haben Sie Recht, Herr Himmer! Sie haben ja auch schon gute Sprüche produziert.

Vielleicht noch eine Geschichte, die für andere Länder auch zutrifft, die auch betroffen sind, und zwar in unterschiedlichster Form: Die geplante Pensionsreform hat massive Auswirkungen auf das Sozialhilfebudget; ich spreche hier für die Stadt Wien. Gerade in der Sozialhilfe sind kleinste Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt oder in den vorgelagerten sozialen Sicherungs­systemen fast sogleich zu spüren. Die Verschiebung der erstmaligen Valorisierung der Neu­pensionen um ein Jahr wird zu geschätzten Mehraufwendungen in der Sozialhilfe in der Höhe von 2,6 Millionen € führen. Die infolge der Verlängerung der Bemessungszeiträume und des Entfalls des Aufwertungsfaktors bei der Durchrechnung zu erwartenden massiven Pensionsein­bußen werden zusätzliche Kosten im Bereich der Mietbeihilfen in der Höhe von 16 Millionen € erforderlich machen. Der Entfall der vorzeitigen Alterspension wird zu einem Anstieg der Zahl der Sozialhilfebezieher und damit zu zusätzlichen Kosten von 11 Millionen € führen. Weitere Belastungen sind infolge zu erwartender vermehrter Antragstellungen – und so weiter und so fort.

Das Ganze bedeutet ganz einfach, insgesamt wäre im Bereich der Sozialhilfe mit einer jähr­lichen budgetären Mehrbelastung in der Höhe von 30 Millionen € zu rechnen.

Herr Staatssekretär! Sie machen hier entsprechende Mindereinnahmen. Die Mindereinnahmen bedeuten – das kommt heraus, wenn man das durchrechnet –, dass die Steuerreform 2004/2006 folgende Auswirkungen hat – ich nenne jetzt nur die Zahlen –: Die Bundesländer ver­lieren im Jahre 2004 29 Millionen €. Die Gemeinden verlieren – und es sind ja einige Bürger­meisterinnen und Bürgermeister hier anwesend, die das zu spüren bekommen werden – 32 Millionen €. Ich weiß nicht, wo ihr das dann hernehmen werdet! Im Jahre 2005 verlieren die Länder 66 Millionen € und die Gemeinden ebenfalls 66 Millionen €. Im Jahre 2006 verlieren die Bundesländer 95 Millionen € und die Gemeinden 90 Millionen €.

All das ist bereits berechnet. Das sind die Maßnahmen, die diese Regierung setzt, um die Be­völkerung – das ist das Entscheidende! – ärmer zu machen. Das, was Sie vorhaben, be­deutet, dass die Menschen in die Sozialhilfe gedrängt werden und dass sie damit aus der „Bun­des­betreuung“ – unter Anführungszeichen – fallen, dass die Bundesländer das bezahlen müssen.

Das heißt, die Bundesländer müssen für diese Steuerreform aufkommen. Sie haben das Geld den Leuten bereits gestohlen, und Sie geben es ihnen jetzt zurück, und die Bundesländer bezahlen das dann. (Bundesrat Bieringer: Das ist ungeheuerlich, was Sie da sagen! – Bundesrat Mag. Himmer: Das ist ungeheuerlich!) Das sind die Fakten! Das haben Sie vor! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das ist ungeheuerlich, was Sie da sagen!)


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Ja, es ist ungeheuerlich; Sie können sich ja zu Wort melden und können es widerlegen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Gerne! (Bundesrat Konecny – in Richtung der ÖVP –: Das ist ein ungeheuerlicher Sachverhalt! Ihn auszusprechen, ist nicht ungeheuerlich!)

Ihr Landeshauptmann aus Salzburg hat, sofern ich es richtig verstanden habe, in seinem letzten Interview Ähnliches gesagt.

Er hat gesagt, die Kosten für das Land Salzburg sind derart hoch, dass das Land Salzburg ge­nau den gleichen Mechanismus einführt wie das Land Wien. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Him­mer.) – Herr Himmer! Sie können sich gerne zu Wort melden. (Neuerlicher Zwi­schen­ruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Ruf bei der ÖVP: Stehlen ist ein strafrechtlicher Tatbe­stand!) – Sie haben es den Bürgern weggenommen – gut, sage ich es halt so. (Bundesrat Bie­ringer: Ungeheuerlich! Das kann man nicht dulden! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte gerne ... (Neuerliche Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Unruhe im Saal.)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Entschuldigen Sie, wenn ich hier kurz unterbre­che. Darf ich folgenden Vorschlag machen? – Auch ich teile die Meinung von einigen in diesem Haus, dass das Wort „gestohlen“ ... (Zwischenruf bei der ÖVP: Sehr spät!) – Also ob es zu spät oder zu früh ist, das entscheide ich und nicht Sie!

Das Wort „gestohlen“ hat laut meiner Beurteilung dieser Diskussion sicherlich hier nichts verlo­ren. Die Debatte soll so verlaufen, dass jeder seine politische Meinung kundtut, ohne dem an­de­ren kriminelle Handlungen vorzuwerfen. Ich bitte daher, von dem Wort „gestohlen“ Abstand zu nehmen. Ansonsten würde ich zusätzlich meinen, dass man sich ein bisschen zurückneh­men soll in einer Diskussion, die alle Menschen bewegt, denn alle Österreicher sind irgendwo und irgendwann davon betroffen, ob ihre Alterssicherung gewährleistet ist.


Bundesrat Reinhard Todt (fortsetzend): Ich nehme das Wort „gestohlen“, mit dem ich mich im Ton vergriffen habe, mit Bedauern zurück. (Bundesrätin Giesinger: Sie haben sich nicht im Ton ver­griffen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich habe mich im Ton vergriffen, daher habe ich es jetzt zurückgenommen. Ist das klar und deutlich genug? – Gut.

Ich habe am Dienstag erlebt, dass 200 000 Österreicherinnen und Österreicher bei einer De­monstration bei schlechtestem Wetter auf die Straße gegangen sind, weil sie betroffen waren, weil sie betroffen sind und ihre Meinung kundgetan haben.

Auch wenn Sie es nicht sehen wollen, ich denke, Sie werden genauso wie ich Zeitungen lesen, ich denke, Sie werden genauso wie ich fernsehen, und dabei werden Sie festgestellt haben, dass 200 000 Österreicherinnen und Österreicher gegen diese unsozialen Maßnahmen, die in einem Regierungsvorschlag enthalten sind, aufstehen und dagegen protestieren.

Es gab letzten Dienstag einen Streik, und ich möchte jetzt Aussagen zitieren, die die Bevöl­ke­rung am Bürgertelefon der Österreichischen Volkspartei gemacht hat, damit Sie auch hier hören, was die Bevölkerung dazu sagt. Schwerpunkte sind weiterhin die Diskussion um die Pen­sions­reform und die heutigen Streiks. Ich zitiere aus der Zusammenfassung.

Viele zeigen trotz der persönlichen Nachteile – frühes Aufstehen, Verspätungen et cetera – Ver­ständ­nis für die Aktionen der Gewerkschaft. Einige wenige kritische Stimmen zum heutigen Streik meinen: Lasst euch nicht durch den Druck der Straße erpressen! – Ich zitiere alles, auch die Kritik.

Weiter heißt es: Insgesamt zeigen die Reaktionen aber das Harmoniebedürfnis der Österrei­cher. Die Regierung soll wieder Gespräche mit den Sozialpartnern aufnehmen, und die Sozial­partner sollen Verständnis für die Maßnahmen zeigen.


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Ein weiterer Punkt: Von einer Konsenspolitik schlittert Österreich in eine Konfliktpolitik, sehr un­ös­terreichisch und irritierend für den Bürger. Die Reform ist zwar notwendig, hätte aber auch schon viel früher angegangen werden sollen. – So meinte ein Anrufer.

Ein weiterer Anrufer meinte: Reformen ja, aber warum muss man die Sozialpartner in dieser Wei­se reizen? Wenn dann scharf reagiert wird, klopft die Regierung den Streikenden auf die Finger.

Der „GRÖKAZ“ und der „GRÖFINANZ“, das ist der „größte Kanzler aller Zeiten“ und sein Fi­nanz­minister, der „größte Finanzminister aller Zeiten“, schreiben vor, was in diesem Land zu ge­schehen hat. – So sagte ein Anrufer.

Jedes Signal, dass Bürgermeinungen irgendwo ankommen, wäre jetzt wichtig. Wer das Pech hat, nach Jahren mit sehr gutem Einkommen zuletzt sehr abzusteigen, dessen gute Jahre wer­den zu wenig aufgewertet. Sollte für solche Situationen nicht eine Aufwertungsformel gefunden wer­den? – Das war die Meinung eines Anrufers beim Bürgertelefon der ÖVP.

Eine Anruferin meinte: Frauen und Schauspieler, die aus unterschiedlichen Gründen weniger Ver­sicherungszeiten zusammenbringen, geraten durch diese Pensionsreform vollends unter die Räder. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Das ist etwas, was die Österreichische Volkspartei im Rahmen des Bürgertelefons zusammen­ge­stellt hat. Wir haben das zufällig bekommen, und ich zitiere natürlich gerne aus diesen Anru­fen. Es ist sehr interessant, was da steht.

Eine Anruferin fragte: Warum hat sich der Bundeskanzler als Mitglied vorangegangener Regie­run­gen nicht schon früher zu den Pensionen zu Wort gemeldet? Die jetzige Kürzung der Pen­sio­nen einerseits und die praktische Unmöglichkeit, bei einem Nettoeinkommen in Höhe von vielleicht 800 € eine Vorsorge zu finanzieren, macht die Menschen so grantig, dass sie auf die Straße gehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Herr Himmer! Erzählen Sie es ihnen! Diese Menschen haben bei Ihnen angerufen. Was wir den Leuten an unserem Bürgertelefon sagen, das erklären wir ihnen schon richtig. Darauf können Sie sich verlassen! (Heiterkeit.)

Aber ich möchte gerne weiterzitieren.

Ein Anrufer meinte: Die Haltung von Herrn Dr. Finz finde ich skandalös. Die Volkspartei ist in ihren Wurzeln doch christlich-sozial. Sozialreformen sind auch notwendig, aber nicht in dieser Form, in der die Sozialpartnerschaft scheibchenweise demontiert wird. Die Reform umfasst aus­schließlich das ASVG! Wenn ohnedies die Harmonisierung folgen soll, frage ich mich schon, warum nicht eine Gesamtreform aus der Taufe gehoben wird, und ich habe aus Erfahrung tiefes Misstrauen, dass die angekündigten Schritte auch wirklich folgen werden. Niemand gibt mir eine befriedigende Antwort auf diese doch berechtigte Anfrage.

Laufend fragen Anruferinnen, ob sie wegen der bereits mit dem Arbeitgeber vereinbarten Alters­teil­zeitregelung mit massiven Verschlechterungen zu rechnen haben beziehungsweise ob sich die Frühpensionsmarke für sie nach oben verschiebt. Ferner wird mit Bitterkeit angemerkt, dass rück­wirkend per 1. 4. die alte Regelung ausläuft.

Weiter heißt es hier: Schüssel muss von seiner starrsinnigen Haltung abgehen und sich kom­pro­missbereiter zeigen. Die derzeitige ÖVP-Position zur Pensionsreform ist nicht zu vertreten. Uns kleinen Funktionären bläst der Wind ins Gesicht. Konnte ich noch für den Wahlkampf 2002 viele Mitarbeiter gewinnen, so will sich bei den bevorstehenden Gemeinderatswahlen in Ober­öster­reich so gut wie niemand mehr für die ÖVP engagieren. – Eva Moser, ÖVP-Gemeinderätin in Unterach am Attersee. (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.)


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Weiter heißt es: Lopatkas Äußerungen, die ÖGB-Spitze wolle sich durch die Demos nur die Pri­vi­le­gien sichern, ist eine Frechheit. Stummvoll und Fasslabend haben sich gegenüber vielen ÖVP-Granden ihre Pension längst gesichert. – In diesem Ton geht es weiter.

Ich möchte nur als Letzten noch einen Schulmann betreffend Schule zitieren. Er meinte: Als Schul­mann, der eurer Partei – nämlich der ÖVP – sehr nahe steht, bin ich verzweifelt, weil die ge­plante Stundenkürzung die Kollegenschaft entzweit und das Klima vergiftet. So löblich die mögli­che Auswahl des Stoffes ist, so grausam ist es, die Unterrichtsfächer gegeneinander auszu­spielen. Ich bedauere den Verlust der Menschlichkeit in dieser Partei, der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe den Ausführungen der Anruferinnen und Anrufer bei der ÖVP-Zentrale, beim Bürger­telefon kaum etwas hinzuzufügen. Ich möchte Ihnen nur ein Plakat zeigen. (Der Redner hält das histo­rische Plakat mit dem „Rentenklau“ in die Höhe. Die rote Aufschrift „Wehrt Euch gegen Ren­­te­nraub – wählt SPÖ!“ ist zu erkennen. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Man muss sich gegen den Rentenraub wehren – wie 1953! (Beifall bei der SPÖ.) Auch damals ha­ben sich die Menschen dagegen gewehrt. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafter Widerspruch bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ.)

19.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Him­mer. – Bitte.

19.10


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatsse­kre­tär! Hohes Haus! Ich werde mich sehr bemühen, mich nicht auf das Niveau des Herrn Kolle­gen Todt zu begeben, sonst würden Sie mich nämlich jetzt gar nicht hinter dem Rednerpult sehen.

Es ist auf jeden Fall so, dass wir heute wieder einiges von Herrn Professor Konecny gehört ha­ben, was sehr interessant war, auch geschichtlich, etwa, dass die Menschen länger leben, was Dr. Bru­no Kreisky bewirkt hat. – Ich habe gar nicht gewusst, dass Dr. Bruno Kreisky so ein be­rühmter Arzt war. Aber bei allem Respekt vor dieser Glanzfigur der Sozialdemokratie zeigt das doch wieder einmal den „Realitätssinn“ der SPÖ.

Zu dem Unwesentlicheren, was Professor Konecny gebracht hat, nämlich dass der „Runde Tisch“ nicht rund, sondern oval war, möchte ich nur anmerken: Er war vielleicht nicht kreisrund, aber oval ist immer noch rund und sicher nicht eckig. Aber das ist sicher ein Detail, für das man kei­ne Präsidiale einberufen muss. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Jetzt übertriffst du dich dann selber!)

Um noch etwas Unwesentliches anzusprechen: Als ich den Nachrichten entnommen habe, dass heu­te um 16 Uhr ein „Runder Tisch“ beginnt, habe ich mir gedacht, ich gehe heute schön abend­essen. Aber meine Schlussfolgerung war falsch: Ich dachte, wir haben vielleicht keine dringli­che Anfrage, denn die Opposition wird wohl nicht die Leute vom „Runden Tisch“ wegho­len wollen. Geirrt! Geirrt! (Bundesrat Gasteiger: Jetzt siehst du, wie wichtig uns das Thema ist!) Sie von der SPÖ haben doch eine dringliche Anfrage gestellt und wollten, noch während der „Runde Tisch“ im Gange ist, bereits die Antworten haben.

Gut, das haben wir jetzt gelernt, und es war auch sehr interessant. Worauf ich nur Bezug neh­men wollte, weil doch immer wieder Einzelne bei unterschiedlichen Fragen sehr ins Detail ge­hen, ist: Ich habe wirklich eine gute Nachricht, zumindest glaube ich, da werden wir uns alle mit­einander einig sein, dass das eine gute Nachricht ist.

Auf Seite 9 der Anfrage wurde vor dem Namen des Ab­ge­ordneten Karl Donabauer bereits das Kreuz gemacht. – Dazu darf ich Ihnen sagen, dass Karl Donabauer noch immer am Leben ist. Ich habe mich auch für Abgeordneten Dr. Kräuter er­­kun­­digt, über den Sie in der Anfrage auch das Kreuz gemacht haben. Ich kann Ihnen mitteilen: Vin­cenz Liechtenstein hat ihn vor ein paar


Bundesrat
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Tagen gesehen, und ich habe gehört, er ist auch ges­tern im Ausschuss noch gesehen worden. Diese gute Nachricht wollte ich Ihnen nicht vor­enthalten.

Generell ist es so, dass Fragen der Verteilungspolitik natürlich immer schwierig sind. Auch Ex­per­ten können etwa auf die Frage, wie viel soll ins Umlagesystem und wie viel in die zweite Säule kom­men, nicht sagen, dass es darauf eine falsche und eine richtige Antwort gibt, weil das letzt­endlich am Ende des Tages eine politische Entscheidung ist.

Verteilungspolitische Maßnahmen bedeuten immer, dass am Ende des Tages Geld von der einen Seite auf die andere, von den einen Menschen zu anderen Menschen gebracht wird. Dass dies immer mehr Faszination bei jenen auslöst, die gerade die Begünstigten sind, und nicht bei jenen, die gerade die Zahler sind, liegt in der Natur der Sache, das ist ganz selbst­ver­ständlich. Das ist natürlich auch der kritische Bestandteil jeder politischen Debatte, in der alle unterschiedlichen Gesichtswinkel eingebracht werden.

Ich möchte aber klar festhalten: Was immer man bei dieser Pensionsreform macht, ein Bild stimmt ganz sicher nicht, nämlich dass es irgendwo einen Goldschatz gibt, der jetzt ausgeräumt wird und den sich irgendjemand behält. – Wir reden vielmehr über unsere gemeinsame Kas­sa, die wir Österreicher haben. Wir reden darüber, wie wir dieses Geld verteilen, wer da einzahlt und wer etwas herausbekommt.

Es ist selbst bei der dümmsten und schlechtesten aller Reformen und bei der dümmsten und schlec­h­testen Verteilungspolitik nie möglich, dass alle verlieren. Es mag eine schlechte Reform sein, es mag eine dumme Reform sein, es mag eine unfaire Reform sein, aber es gibt keinen An­satz, bei dem man das Geld von der einen Seite auf die andere Seite umverteilt und alle ver­lieren. Das ist nicht möglich! (Bundesrat Gasteiger: Es kommt darauf an, wie man sie macht!)

Daher sind auch alle Aussagen, die von „Pensionsraub“ sprechen, auf einem besonders tiefen Le­­vel. Ich muss auch anerkennen, dass sich nach ungefähr dreiminütigem Murren im Plenar­saal Kollege Todt doch noch entschuldigt hat. Aber ich muss auch sagen – soviel muss erlaubt sein, Frau Präsidentin –, ich gehöre seit acht Jahren diesem Hohen Haus an, und ich warte noch heute auf den Tag, an dem Sie einmal einem Sozialdemokraten einen Ordnungsruf ertei­len, wenn ein solcher fällig wäre! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Kainz: Haben wir schon be­kommen!)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Kollege Himmer! Sie werden aber vielleicht mit­be­kommen haben, dass ich auch Mitgliedern der ÖVP noch keinen Ordnungsruf erteilt habe. (Bei­fall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Himmer, vielleicht sind Sie der Erste, wenn Sie so weitermachen!)


Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Den Dialog kann man auf unterschiedlichste Art und Weise führen. Wenn Sie zum Beispiel nach Deutschland schauen, dann werden Sie fest­stel­len, dass die CDU im Grunde fast schon versucht, dem Bundeskanzler zu helfen, Reformen durchzusetzen. Wenn Sie einmal nach Deutschland blicken, dann werden Sie auch bemerken, auf welchem Level dort agiert wird.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen das gesehen hat. Sie selbst gehen auch ganz begeistert mit den Tril­lerpfeifen durch die Gegend und demonstrieren recht fröhlich. Ich habe die Aussage des Vor­sitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehört: Bundeskanzler Schröder war der Meinung, dass diejenigen, die mit Trillerpfeifen agieren, zwar beweisen, dass sie volle Backen haben, aber auch, dass sie nichts im Hirn haben. – Das war die Meinung des deut­schen Bundeskanzlers zu den Demonstrationen in Deutschland. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das war keine Aussage von mir, sondern das ist die Aussage eines großen Sozialdemokraten, mit dem sich vor gar nicht allzu langer Zeit, in keinem allzu fremden Land, nämlich hier in Öster­reich, Ihr Parteivorsitzender Klima gemeinsam mit Tony Blair aus England plakatieren hat las­sen. Das möchte ich einfach nur in Erinnerung rufen, und das ist sozusagen etwas jüngere Ge­schichte als Bruno Kreisky.


Bundesrat
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Daher: Verteilungspolitische Maßnahmen – ja. Das Sichern von Pensionen ist kein populäres The­ma. Der erfreuliche Umstand, dass wir alle länger leben, alle älter werden, länger unsere Zeit verbringen und die Dinge Geld kosten, führt dazu, dass eine Pensionsreform notwendig ist, dass eine Pensionssicherung notwendig ist. Egal welche Ausdrücke man dafür auch immer ver­wendet: Pensionsreform bedeutet immer, wenn man die Mittel auf mehr Menschen aufteilen muss, die länger leben, dass die Leistung für den Einzelnen dabei geringer wird.

Natürlich ist es legitimer Bestandteil der Politik, wenn man jene Leute, die einen Beitrag dafür leis­ten müssen, indem sie entweder mehr zahlen oder weniger bekommen, politisch entspre­chend aufmischt. Das ist durchaus legitim! Aber es darf trotzdem darüber auch eine andere Meinung geben, und das ist das Thema, worum es im Prinzip eigentlich geht.

Ich möchte auf einige wenige Punkte, die in der Diskussion angesprochen wurden, Bezug neh­men. Es wird zum Beispiel immer wieder gebracht, dass diese Reform überfallsartig sei. – Dazu hal­te ich fest: Wir haben zehn Jahre Übergang für das Heranführen an das gesetzliche Pen­sions­alter. Wir haben 25 Jahre Übergang für die Anhebung des Durchrechnungszeitraumes von 15 auf 40 Jahre. Wir haben drei Jahre Übergang für die Senkung des Steigerungsbetrags von 2 Prozent auf 1,78 Prozent. Ich glaube nicht, dass man da von „überfallsartig“ sprechen kann.

Seit 1990 führen wir diese Debatte. Wie gesagt, man kann die Meinung haben, dass man bis zum Herbst diskutieren kann, aber wenn man der Meinung ist – wie die Regierungsmitglieder von der Volkspartei und den Freiheitlichen –, zwölf Jahre Diskussion sind genug, so halte ich das auch für legitim. Seit den neunziger Jahren diskutieren wir diese Reformen. Wir sind zwei Mal Reformen angegangen, die Reförmchen wurden. Der Effekt des Ganzen ist, dass diese Proble­me, die wir damals verwässert und verschoben, nicht gelöst haben, heute immer noch zur Bewältigung anstehen.

Seit drei Jahren – so viel zum Thema Hektik und „Reden wir noch einmal!“ – arbeitet eine par­tei­­unabhängige Expertenkommission zur Sicherung des österreichischen Pensionssystems – selbst­verständlich unter voller Einbindung der Sozialpartner, was durch entsprechende Sitzungs­protokolle dokumentiert ist –, und ich gehe einmal davon aus, dass die Leute nicht nur zum Kaffeetrinken dort gewesen sind.

Da wir so viel über Dialog gesprochen haben, muss ich ganz ehrlich sagen – es freut mich, dass es jetzt zwei Grüne Bundesräte gibt, das sei an dieser Stelle erwähnt –: Wenn Kollege Öllin­ger von Dialog redet und dann einen sechseinhalbstündigen Monolog im Ausschuss hält, dann würde man in der Sprache von Ö 3 schon sagen „Was is’ mit du?“ Das muss schon ein­mal erwähnt werden dürfen gegenüber jenen, die so besonders sensibel sind, was Dialognot­wen­digkeiten betrifft – offensichtlich aber nicht dann, wenn sie am Wort sind.

Die Fakten liegen auf dem Tisch, die Fakten liegen heute auf dem Tisch. Unterschiedliche Posi­tionen wird es immer geben, aber es ist auch einmal der Zeitpunkt gegeben, wo man viel dis­kutiert hat, wo man Jahre diskutiert hat, wo man zig Stunden im Parlament diskutiert hat, wo un­ter­schiedliche Standpunkte angeglichen worden sind und in einigen Standpunkten auch un­terschiedliche Bewertungen übrig bleiben. Diese unterschiedlichen Bewertungen bleiben auch dann, wenn man bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag diskutiert, aber für den Sankt-Nimmerleins-Tag kann man nicht Politik machen.

Wir haben eine Reformregierung, die handeln möchte. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind und dass der „Runde Tisch“ sicherlich auch ein wichtiger Beitrag dazu war. Ich wun­dere mich beinahe darüber, dass es hier die Intention gegeben hat, den Herrn Bundeskanzler zu befragen, obwohl es doch gerade auch einigen Vertretern von der Sozialdemokratie wichtig war, dass der Herr Bundespräsident diesen „Runden Tisch“ führt.

Ich denke, wir sollten einmal dem Herrn Bundespräsidenten die Möglichkeit geben, in der Öf­fent­lichkeit die Ergebnisse des „Runden Tisches“ zu präsentieren (Zwischenruf bei der SPÖ), sa­gen zu können, was in der Hofburg heute Nachmittag am ovalen Tisch los gewesen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.23



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
696. Sitzung / Seite 100

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Gasteiger. – Bitte.

19.24


Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Einen Satz zu den Geometrieverständnissen des Herrn Kollegen Himmer: Mir müssen Sie es nicht glauben, mir können Sie unterstellen, ich sei Parteipolitiker, aber dem Herrn Bundes­prä­sidenten werden Sie doch wohl glauben, der – wie in einem Zeitungsartikel von morgen nach­zu­lesen ist – sagt: Der Tisch, an dem wir sitzen, ist, wie Sie sehen können, nicht rund. – So viel zu Ihren Ausführungen, ob rund oder eckig oder oval; mir ist das im Grunde genommen egal. Wich­tig ist, Herr Kollege Himmer: Die Gesprächspartner sitzen am Tisch und reden miteinan­der. – So wie sich die Regierungsparteien eine Zeit lang benommen haben, indem sie mit nie­man­dem mehr geredet haben, weil sie das durchziehen wollten, so kann es wohl auch nicht gehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich darf die Anfrage betreffend die finanziellen Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes aus der Sicht der westlichen Bundesländer, im Speziellen für das Bundesland Tirol, natürlich unter­stützen.

Aus Sicht des Bundeslandes Tirol – und das sage jetzt natürlich nicht ich, sonst könnte man mir, ich habe es bereits gesagt, Parteipolitik unterstellen, sondern das sagt der Verfassungs­dienst des Landes Tirol – gibt es schwere Bedenken gegen den Entwurf des Budgetbegleitge­setzes.

Was mich wundert, ist, dass meine Tiroler Bundesratskollegen, unter ihnen Seniorenbund-Ob­mann Kritzinger, aber auch meine Tiroler Kollegen aus dem Nationalrat dazu nichts sagen. Was ist los, meine Damen und Herren? Agieren Sie parteipolitisch oder so, wofür Sie in der Länder­kammer angelobt worden sind: als Föderalisten, als Vertreter Ihres Bundeslandes in der Län­der­kammer des Parlaments?

Mich zumindest bewegt die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Landes Tirol so sehr, dass ich mir erlaube, diese meinen Kollegen Bundesräten hier im Hohen Haus zur Kenntnis zu bringen. Frau Präsidentin, mit Verlaub, ich bitte, zitieren zu dürfen:

Finanzielle Auswirkungen für das Land ergeben sich erstens durch die Erhöhung des Beitrags­satzes zur Krankenversicherung für die Vertragsbediensteten, zweitens durch die Verpflichtung des Landes zur Gewährung von Sozialhilfe, wobei die vorübergehenden Maßnahmen im Be­reich der Kranken- und Unfallversicherung und der Pensionsversicherung folgende Auswir­kun­gen haben:

a) Das Tiroler Sozialhilfegesetz sieht in § 5 einen Anspruch auf Krankenhilfe vor, der auch in Form der Beitragsleistungen zur Selbstversicherung in den Krankenversicherungen nach dem ASVG geleistet werden kann. Für das Land ist daher die vorgesehene Änderung zur Vereinheit­li­chung der Beitragssätze in Verbindung mit der Einführung eines Ergänzungsbeitrages zur Fi­nan­­zie­rung unfallbedingter Leistungen der Krankenversicherung unmittelbar kostenwirksam. Der konkret anfallende Mehraufwand kann allerdings momentan noch nicht abgeschätzt wer­den.

b) Für die Sozialhilfe sind ferner die im Entwurf vorgesehenen gesonderten Kostenbeiträge be­ziehungsweise diesbezügliche Verordnungsermächtigungen an den Hauptverband der österrei­chi­schen Sozialversicherungsträger mit zusätzlichen finanziellen Aufwendungen verbunden. Da diese Selbstbehalte noch nicht bekannt sind, können auch die zu erwartenden finanziellen Auf­wen­dungen für das Land noch nicht abgeschätzt werden.

Kostenfolgen unter Punkt c:

c) Für die Hilfe zum Lebensunterhalt sind unter anderem aus der geplanten gänzlichen Aufhe­bung aller vorzeitigen Alterspensionen, der Änderung des Durchrechnungszeitraumes die Ein-


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bin­dungen der betroffenen Personengruppen in den Regelungsbereich der Arbeitslosenversi­che­rung zu erwarten. Im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsrechtes sind keine dem Pen­sions­recht entsprechenden Mindestleistungen vorgesehen, sodass bei Bezug eines niedrigen Ar­beitslosengeldes beziehungsweise der neu geschaffenen Übergangsgelder durchaus ein An­spruch auf laufende Sozialhilfeleistungen, Hilfe zum Lebensunterhalt, gegeben sein kann.

Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass der Bezug von Sozialhilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt, bei älteren Menschen deutlich längere Zeit erforderlich sein wird, weil ein Wechsel in die Pen­sion erst zu einem deutlich späteren Lebensalter möglich sein wird.

Die geplanten Änderungen zur Berechnung von Pensionsleistungen, wie im Besonderen der praktisch für das ganze Erwerbsleben vorgesehene Durchrechnungszeitraum, die Verzögerung, Valorisierung von Neupensionen und dergleichen, werden, wie auch in den Erläuterungen dar­ge­stellt, insgesamt zu wesentlich geringeren Pensionshöhen führen. Die Verbesserungen ha­ben demgegenüber vernachlässigbare Auswirkungen.

Mit dem Absinken des Pensionsniveaus sinken gleichzeitig von in Pflegeheimen betreuten älte­ren Menschen mögliche Kostenbeiträge. Der Kostenanteil der Sozialhilfe für stationäre Pflege wird daher proportional zum Absinken der Pensionen entsprechend ansteigen. – Soweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Stellungnahme des Landes Tirol zu den finanziellen Aus­wirkungen dieses Budgetbegleitgesetzes.

Als Abgeordneter meines Bundeslandes kann ich dem Vorhaben sowieso nicht zustimmen.

In der „Presse“ vom 14. Mai lese ich: „Reform nicht auf Kosten der Länder“. „,Die Schere wird grö­­ßer, immer mehr fallen in die Sozialhilfe. Damit muss jetzt Schluss sein‘, so Niederöster­reichs Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop (VP) zur ,Presse‘.“

Oder Franz Schausberger, ÖVP: Deshalb habe man den Konsultationsmechanismus ausgelöst. Das Land Salzburg erwartet langfristig zusätzliche Kosten von 10 Millionen €, die auf das Land durch die Erhöhung der Sozialhilfe zukommen. Schausberger verlangt ein Zurück an den Ver­hand­lungstisch. Man müsse sich die Zeit nehmen, um bis zum Sommer Lösungen zu finden.

Oder: Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa, auch von der ÖVP, beharrt darauf, dass auch Po­litiker persönlich die Reform spüren müssten. Denen muss es auch wehtun, so der Tiroler Lan­des­hauptmann.

Soweit die Diskussion der letzten Tage wegen der Privilegien der Politiker.

Da frage ich mich, da wundert es mich: Wo bist du, ÖVP? Schau dich in den Spiegel und schä­me dich! Von den Freiheitlichen ganz zu schweigen, die in diesen Tagen ohnehin einen Re­form­­kurs im Zickzack fahren, der sich gewaschen hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vor­sitz.)

Die beiden hohen Politiker von den Regierungsparteien mit ihren Mehrfachpensionen und sonsti­gen Privilegien lieben sich sowieso selbst ein ganzes Stück mehr als die Hackler, als die benachteiligten Frauen, als die ganzen Heerscharen von kleinen Pensionistinnen, Pensionisten, die um einen saftigen Teil ihres wohl erworbenen und wohl erarbeiteten Rechtes umfallen. (Bun­desrat Mag. Himmer: Der Löschnak ...! Schieder!)

Kennt die ÖVP noch ihre christlich-soziale Geschichte und Urgeschichte?  – Vogelsang, 1818 – 1890, hat als Person die von ihm inspirierten päpstlichen Sozialenzykliken gar nicht mehr erlebt; er war es, der das geschrieben hat, er war der große Vorläufer. Sein verschollenes Werk oder wenigstens Auszüge davon gehörten eigentlich auf die Tische der Abgeordneten der christl­ich-sozialen Volkspartei.

Wissen Sie, was mich bei dem Budgetbegleitgesetz am meisten stört? Wissen Sie, was mich am meisten stört, Kollege Himmer? – Dass Sie, die Abgeordneten der Regierungsparteien im Bun­des­rat, im Nationalrat, ohne Wenn und Aber dem Budgetbegleitgesetz – Stichwort Pen-


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sions­­klau, Stichwort Eurofighter und vielen anderen Grauslichkeiten, wenn ich es einmal so sa­gen darf – die Zustimmung erteilen werden. Wissen Sie, weshalb mich das so wahnsinnig stört? (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Ihre Zustimmung, Kollege Himmer, und die von vielen anderen wird massive Verschlechterungen für große Teile der Bevölkerung mit sich brin­­gen.

Jene, die am vergangenen Dienstag auf die Straßen gegangen sind, waren ein kleiner Teil vom großen Teil der Bevölkerung, die von der Reform massiv betroffen sein werden. Berechnungs­modelle zeigen:

Männer mit 30 und jünger: minus 27 Prozent; Frauen mit 30 und jünger: minus 31 Prozent; Män­ner mit 40 (Bundesrat Mag. Himmer: Ruck’s raus, das Konzept!) – das betrifft uns, Kollege Himmer –: minus 29 Prozent; Frauen mit 40: minus 37 Prozent; Männer mit 50: minus 22 Pro­zent; Frauen mit 50: minus 11 Prozent. – So setzt sich die Litanei fort, und da wollen Sie mir erklä­ren, dass das kein Pensionsklau ist! Das müssen Sie einmal zu Stande bringen. (Bun­des­rat Mag. Himmer: Wer bekommt es? Gehen wir es gedanklich gemeinsam durch! Wer be­kommt es?)

Wissen Sie, was legitim und gerecht ist, Kollege Himmer? – Wenn die Regierungsparteien bei den nächsten Wahlen – und glauben Sie mir, die kommen, das dauert nicht mehr so lange – die Mehr­heit verlieren und die österreichische Bevölkerung endlich einmal aus dieser Geiselhaft ge­nom­men wird. Ich orte, dass es in den Reihen der Abgeordneten der beiden Regierungspar­teien, der christlich-sozialen – zumindest sagen sie, sie sind es – und der Freiheitlichen, brodelt. Ich appelliere an alle klar Denkenden in diesen beiden Parteien: Stoppen Sie den Wahnsinn des Herrn Bundeskanzlers! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

19.34


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bei Kollegen Gasteiger könnte man den Eindruck gewinnen, wenn man ihm zugehört hat, dass er die letzte Zeit oder in den letzten paar Wochen entweder hinter dem Mond gewohnt hat oder mit Kollegen Gusenbauer in Moskau gewesen ist. Jedenfalls hat er anscheinend nicht mitbekommen, was in Österreich in Bezug auf die Pensionsreform gelaufen ist.

Meine Damen und Herren! Der Regierungsvorschlag – da haben Sie Recht – ist etwas überzo­gen. Entschärfungen sind notwendig. Das ist auch das, was die Freiheitliche Partei immer wie­der vertreten hat. Wir haben daher die Initiative ergriffen und den Herrn Bundespräsidenten ge­be­­ten, einen „Runden Tisch“ einzuberufen – mit den Sozialpartnern, mit allen, die willig sind, an die­ser Pensionsreform, die ja, so wie wir hier gehört haben, unbestritten notwendig ist, an einem „Runden Tisch“ mitzuarbeiten. Das ist der Hintergrund dieses „Runden Tisches“, und es ist das Verdienst des Vizekanzlers Herbert Haupt, der die Fäden gezogen und dieses Vorgehen eingeleitet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Pensionsreform, auch dass sie etwas stärker ausgefallen ist, zumindest im Regierungs­ent­wurf, ist das Ergebnis vom Verschleppen dieses Problems über 15 Jahre. 15 Jahre wurde dieses Problem verschleppt, und, soweit mir bekannt ist, sind davon zwölf Jahre auf das Konto eines sozialdemokratischen Sozialministers beziehungsweise -ministerin gegangen. Sie haben das Problem verschlafen, man hätte es früher einfacher lösen können, meine Damen und Her­ren! Es wäre einfacher gegangen. Auch die ÖVP – und man muss hier auch etwas die ÖVP rügen – hat hier zu wenig vorwärts getrieben, und jetzt tut sie zu viel. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ein ganz wichtiger Punkt dieser Pensionsreform ist – es ist hier angesprochen worden – die Har­mo­nisierung der beiden Pensionssysteme, des Beamtensystems – ich bin selbst Beamter, ich weiß, wie das ausschaut – und des ASVG-Systems. Ich kann nicht eines anpacken und das


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andere liegen lassen, zumal ich genau weiß, dass für die Änderung des Pensionssystems eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist und diese Zweidrittelmehrheit wahrscheinlich nicht mehr zu Stande kommen wird. Also muss man harmonisieren und die Reform im Gesamten umsetzen.

Die Freiheitliche Partei hat im Nationalrat – sie hat ihn noch nicht eingebracht – einen Entschlie­ßungs­antrag vorbereitet, der sich dieses Problems annimmt. An diesem Entschließungsantrag habe ich persönlich mitgearbeitet. Er ist meiner Ansicht nach fair und gut und für alle.

Dass eine Reform notwendig ist und dass eine Reform auch Schmerzen verursacht, das wissen wir alle. In Zeiten, in denen kein Geld da ist, kann man nicht mehr ausgeben, als man hat. Ich als junger Mensch – ich bin 34 Jahre – möchte auch noch die Gewissheit haben, dass ich, wenn ich einmal in Pension gehe, eine Pension erhalte, und zwar in einer halbwegs fairen Höhe im Verhältnis zu dem, was ich eingezahlt habe. Dass im alten System viele Leute eine über­durch­schnittlich hohe Pension bekommen, für die sie meiner Ansicht nach zu wenig geleistet haben, das steht hier sicher nicht zur Diskussion; da wird mir jeder, der sich eingelesen hat, Recht geben.

Ich möchte jetzt kein System verteufeln, wenn ich das der Beamten anspreche. Ich möchte nicht auf die Beamten losgehen, weder auf die hohen noch auf die kleinen Beamten, aber ich sage schon, dass man von den hohen Beamten einen Solidaritätsbeitrag erwarten kann. Die kleinen Beamten – das möchte ich sagen – haben in jungen Jahren sehr wenig verdient und haben jetzt natürlich auch keine übermäßig hohe Pension. Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht überdurchschnittlich gekürzt wird bei jenen, die ohnehin schon wenig haben und nie viel gehabt haben.

Ein Punkt, der sicher etwas strittig ist oder zu sein scheint, ist: Für mich ist der 4. Juni nicht der Tag, an dem die Vorlage im Nationalrat unbedingt beschlossen werden muss. (Bundesrat Gastei­ger: Also du stimmst auch nicht zu!) Ich stimme einer Pensionsreform zu, wenn sie sozial ausgewogen ist, wenn sie harmonisiert ist und die Zeit reif ist. Das kann von mir aus der 4. Juni sein, das kann aber auch später sein.

Ich verstehe auch die Gewerkschaften nicht, wenn sie sagen: Wir machen einen „Runden Tisch“, aber erst im September. – Das ist der falsche Weg! Dr. Haider hat einen völlig richtigen Vor­schlag gemacht: Wenn es notwendig ist, muss man eben im Sommer durcharbeiten, um der Bevölkerung zu zeigen, dass einem etwas daran liegt, diese Pensionsreform vernünftig zu gestalten und ein vernünftiges Ergebnis vorzulegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man kann auch darüber diskutieren, ein Leistungsprinzip einzuführen. Aber ich muss Sie schon war­nen, meine Damen und Herren: Wenn ich all das offen lege, was jemand eingezahlt hat, was er wirklich eingezahlt hat, dann fehlen die Zeiten, die der Betreffende arbeitslos war; ob schuldig oder unschuldig arbeitslos, das will ich hier nicht sagen. Das ist natürlich schon ein Punkt, den man sehr gut bedenken muss, wenn man das Leistungsprinzip einführen will. Für denjenigen, der nie arbeitslos war, der immer durchgearbeitet und eingezahlt hat, ist das eine tolle Sache, aber derjenige, auf den das nicht zutrifft, schaut bei diesem System durch die Fin­ger. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Über die Einführung des Leistungsprinzips wird also noch diskutiert werden müssen.

Länger möchte ich gar nicht mehr herumreden, denn es ist im Großen und Ganzen bereits alles ge­sagt worden. Ich verabscheue es jedoch, wenn hier polemisiert wird und ein Problem, das alle betrifft – nicht nur alle Staatsbürger, sondern all jene, die in dieses System eingezahlt ha­ben –, so sehr hochgeschaukelt wird und versucht wird, den einen gegen den anderen aus­zu­spielen. Das finde ich nicht richtig.

Wenn ich höre, dass – ich habe es gerade Kollegen Schennach erzählt – bei der Demonstra­tion, die Sie von der SPÖ vorhin so sehr gepriesen haben, nach der Abschlusskundgebung Ge­werk­schaftsfunktionäre mit Leuten, die an der Demonstration teilgenommen haben, ins Gast­haus gegangen sind und ihnen alles bezahlt haben und die Leute nachher darüber geredet ha­ben, was sie dabei an Geld verdient haben, weil sie nach Wien gefahren sind und die Busfahrt


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und das Hotel gratis waren (Widerspruch bei der SPÖ), und ein Taschengeld haben sie auch noch bekommen (Bundesrat Reisenberger: Das ist eine Unterstellung! Das ist eine bodenlose Un­terstellung!), und dann hat dort noch einer der Bundesräte aus unserer Mitte eine Runde ge­schmissen, dann muss ich sagen: Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

19.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich ertei­le ihm das Wort. (Neuerlicher Widerspruch des Bundesrates Reisenberger in Richtung des Bundesrates Hagen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege Reisenberger, ich bitte Sie, allfällige Unerhaltungen außerhalb des Saales zu füh­ren. – Am Wort ist Herr Kollege Schennach.

19.41


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Heute sind Sie ja wieder in der Funktion des „Bundesratsministers“ hier anwesend, aber seit der Künstlersozialversicherung sind Sie ja mit diesem Thema bestens vertraut, und durch die gestrige Abendveranstaltung hier im Hohen Hause umso mehr. Da muss ich zu Herrn Kollegen Himmer sagen: Hier hat er den Dialog, den er gestern vermisst hat.

Der Dialog heute am „ovalen Tisch“ war auch nicht sehr aufregend. Ich habe mir einen Bericht ge­ben lassen: Der Dialog sah so aus, dass jeder Teilnehmer ein Statement abgegeben hat – über das keine Diskussion stattfand, sondern es gab lediglich ein Statement reihum. Das Er­geb­nis ist, dass es beim Juni bleibt – auch der Herr Vizekanzler hat dem zugestimmt – und dass die Bauern Bedenken bezüglich der Harmonisierung haben. (Ruf bei der SPÖ: Wer?) – Die Bauern. – Das ist es. Was das Ausmaß des Dialogs betrifft, so weiß ich darüber nichts.

Herr Kollege Hagen hat davon gesprochen, dass die Freiheitlichen diesen „Runden Tisch“ initiiert haben. Dazu muss ich sagen: Das ist für eine Regierungspartei eine seltsame Sache. Wo­für braucht eine Regierungspartei einen „Runden Tisch“? – „Runde Tische“ werden in der Re­gel von jenen gefordert, die nicht in der Regierung sind, damit sie irgendwo mitreden können. (Staats­sekretär Morak: Deswegen war er nicht ganz rund!)

Deshalb war er wahrscheinlich nicht ganz rund. Ich kann mich erinnern – Herr Kollege Böhm wird sich vielleicht auch daran erinnern –: Zu Hainburg hatten wir einen „Runden Tisch“ gefor­dert und so weiter – aber das hat die Straße, das hat die Protestbewegung gefordert und be­kom­men. Aber wenn ich in der Regierung sitze, brauche ich doch keinen „Runden Tisch“! Da bin ich doch Manns – und Fraus – genug (Bundesrat Boden: Oder doch nicht?), um auch ge­gen­über einem Koalitionspartner zu sagen: Da ist Schluss! (Beifall der Bundesrätin Kersch­baum und bei der SPÖ.)

Ich würde daher sagen: Das, worauf Herr Hagen so stolz ist, war ein freiheitlicher Hilferuf im Sin­ne von: Helft uns doch, wir gehen da unter! – Das Ganze war noch gepaart mit einigen Sti­cheleien gegen den amtierenden Bundeskanzler aus verschiedenen Ecken.

Nun zwei Bemerkungen zur Regierungspartei FPÖ, lieber Herr Kollege Böhm!

Ich vermisse jemanden: Ich vermisse in unseren Reihen den Seniorensprecher der FPÖ – die­ser hat nämlich bundesweite Bedeutung –, Herrn Gudenus. Er hat sich in der Folge dieser De­bat­te mehrfach geäußert. Ich hoffe nicht, dass jetzt wieder dasselbe passiert wie früher bereits im Zusammenhang mit einem anderen Thema: dass er erst dann, wenn der Ministerwechsel er­folgt – wie eben damals der Wechsel zu Herrn Platter –, hier ans Rednerpult tritt, um uns die gan­­ze Wahrheit – damals über den Abfangjägerkauf – erhellend darzulegen. Das war erhellend, das muss ich wirklich sagen; ich bin nach wie vor beeindruckt von seinen damaligen Ausführun­gen.


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Aber Herr Gudenus ist bei dieser heutigen Debatte nicht da. Er könnte hier einmal sagen, was die Senioren der FPÖ in dieser Frage zu tun gedenken. Es ist interessant: Wir haben in Herrn Gu­denus praktisch einen Doppelexperten: den FPÖ-Seniorensprecher und den Spezialisten in der Freiheitlichen Partei für Abfangjäger – und ich glaube, er ist in beiden Fällen sehr kritisch ge­genüber der Linie der Regierung. Wir alle laden ihn daher ein, demnächst hier kundzutun, was los ist.

Wir haben hier schon eine ganze Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Pen­sionsreform erörtert, so etwa die Situation der Frauen: Die durchschnittliche ASVG-Pension der Frauen liegt 35 € über dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Die durchschnittliche Frauenpension beträgt also 678 €.

Wir haben – fast unwidersprochen, Kollege Himmer – über das eigentliche Ziel diskutiert, dar­über, dass es jetzt natürlich einmal um Budgetsanierungsschritte geht. Wir haben über die Un­gleich­behandlung der verschiedenen Bereiche diskutiert. – Der Bereich der ASVG-Pensionen braucht keine derartigen Maßnahmen bis zum Jahr 2007!

Weiters haben wir über die Ungleichheit der bei den Beamten, Bauern und Gewerbetreibenden ge­­setzten Schritte diskutiert und nicht zuletzt auch über die Fehler – die so genannten ver­meint­lichen Fehler –, was die Politiker betrifft.

Harmonisierung ist das nächste Thema – auch das wurde eingestanden. – Das schaffen wir nicht! Brauchen wir das? – Da wird unter großem Zeitdruck, begleitet von großem sozialem Streit jetzt etwas vom Zaun gebrochen, partout – ein Justament-Standpunkt, könnte man sagen. Irgendwie muss da eine magische Zahl im Spiel sein, oder vielleicht der Vollmond, dass das ausgerechnet im Juni passieren muss – denn im Herbst kommt ja das Nächste.

Grasser hat schon gesagt: Wir haben einen Fehler gemacht. – Aber ich vermisse seine Lehren, die er daraus zieht! Und er sagt, es werde keine Steuererhöhungen geben; aber er spricht nicht davon, was das für die Pensionen bedeutet. (Bundesrat Mag. Gudenus betritt den Saal.) – Gra­tuliere! Das ist super, das freut mich jetzt!

Es möge bitte jetzt niemand behaupten, ich würde jemandem etwas Unehrenhaftes vorwerfen, aber ich bin zutiefst inspiriert von einem „NEWS“-Titelbild, das ich gesehen habe, auf dem die dar­auf abgebildeten Personen Helme trugen. Jetzt können wir die Frage stellen: Was sagt der oberste „Behelmte“ – ich sage nicht „Raubritter“ dazu, denn das hat ja das „NEWS“ inspiriert?

Auf die Frage: „Sind in Ihren Berechnungen überhaupt die Belastungen der Österreicher durch Pen­sionsreform oder die geplanten Selbstbehalte inkludiert?“, sagt Grasser: „Nein, natürlich nicht. Aber da kommen wir in eine Begriffsdiskussion, was Entlastung überhaupt heißt.“

Es wird ihm entgegnet: „So kompliziert ist es nicht. Dem Einzelnen wird es ja herzlich egal sein, ob Sie ihm erst ein paar Euro aus der Tasche ziehen, um ihm das Geld dann im Rahmen der größten Steuerreform der Zweiten Republik wieder zu schenken.“

Darauf Grasser: „Was heißt aus der Tasche ziehen? Wenn Sie in zwanzig Jahren in Pension ge­hen und dann fünf Prozent weniger bekommen, dann können Sie das wohl nicht mit der Steu­er­entlastung 2004 gegenrechnen.“

Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, das sind Antworten, die schon von einer ziemlichen Kalt­s­chnäuzigkeit gekennzeichnet sind, das muss ich schon sagen.

Es geht noch weiter: „... Aber es gibt auch Menschen, die im nächsten Jahr in Pension gehen.“

Die Antwort des amtierenden Finanzministers darauf: „Die Belastungskomponente durch die Pensionsreform ist doch mit insgesamt 600 Millionen Euro ... äußerst gering. ...“

Man muss immer bedenken: Das zahlen einzelne Menschen, unter anderem auch – ich sage es noch einmal – die Frauen mit ihren Durchschnittspensionen in der Höhe von 678 € im Monat!


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Was aber das Provokanteste an dieser Sache ist, ist das zeitliche Zusammenfallen mit dem An­kauf von Abfangjägern. Die Regierungsvorlage, die durch den Ministerrat gegangen ist, ermäch­tigt den Verteidigungsminister zum Ankauf von Abfangjägern. (Bundesrat Konecny: Um „xxx“!) Das steht in einem Satz, und weiters heißt es darin: „Für die Bedeckung hat der Finanzminister Sorge zu tragen.“ – Das ist eine Regierungsvorlage nach einem ... (Bundesrat Boden: Dazu ha­ben wir jetzt noch eine Trägerrakete geschaffen!)

Nur: Das haben wir jetzt gleichzeitig mit einer Pensionsreform, und „zufällig“ sind es dieselben Be­träge: Rund 2 Milliarden € betragen allein die Anschaffungskosten für die Abfangjäger, und 2 Milliarden € nehmen wir den ASVG-Versicherten weg. Jetzt sage ich nicht, dass mit dem einen Geld das andere finanziert wird, aber angesichts des Satzes: „Für die Bedeckung hat der Fi­nan­zminister Sorge zu tragen“ stellt sich schon die Frage: Was ist eigentlich aus der Idee gewor­den, dass es einmal Billa-Flieger, ein anderes Mal H&M-Flieger, dann wiederum Emma­laden-Flieger und so weiter – BAWAG-Flieger wird es wahrscheinlich keine geben – sein sollten? – Immerhin hat man doch gesagt, dass die Flieger von verschiedenen großen Firmen vor­fi­nanziert werden. Jetzt heißt es: Der Finanzminister hat für die Bedeckung zu sorgen.

Einsparungen im Pensionsbereich, meine Damen und Herren, das heißt doch ganz einfach: Kür­zungen. Was immer wir dafür für Wörter erfinden – Herr Himmer hat von Verteilung und von Pen­sionssicherungsmaßnahmen gesprochen –, sie ändern nichts an den Tatsachen. Sagen wir es doch ganz einfach: Pensionen werden gekürzt – um 20 Prozent, 30 Prozent, ja noch mehr: bis zu 40 Prozent. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wie viele Fälle sind das? – Bundesrat Konecny: Hun­derttausende, Herr Kollege! – Bundesrätin Kainz: Jeder einzelne zu viel!)

Warum mache ich jetzt – Vollmond hin oder her – im Juni ein so kompliziertes System im Be­reich ASVG, GSVG, Beamte, Eisenbahner und so weiter, beschäftige damit einen Stab von Ex­per­ten, um dann im Herbst die Harmonisierung zu erfinden? – Das heißt, jetzt machen wir ein kom­pliziertes System in all den verschiedenen Bereichen, jetzt im Juni muss das unbedingt sein, und im Herbst gilt dann alles nicht mehr, denn dann harmonisieren wir! – Dazu muss man wirklich sagen: Die Bürger von Schilda waren da noch cleverer!

Meine Damen und Herren! Der Groll wächst nicht nur beim einzelnen Bürger, er wächst auch – und jetzt komme ich zum Kern des Problems – in den Ländern und Kommunen. Der jüngste Bürgermeister der größten Stadt Österreichs, Herr Nagl, hat uns gestern gesagt: Leute – ihr seid ja im Parlament –, wir haben nur mehr zwei Möglichkeiten, die Einkommensteuer und die Hun­desteuer. Das ist es! Aber welche Belastungen kommen auf uns zu, was wird alles auf uns abgewälzt?!

Meine Damen und Herren! Die Niederösterreichische Landesregierung, zumindest die ÖVP-Lande­sräte haben am 13. Mai festgehalten, dass sie verlangen, „dass es zu keinen zusätzli­chen Belastungen des Bundeslandes Niederösterreich aus der Pensionsreform, so vor allem im Be­reich der Sozialhilfe, kommen darf.“ – Wie soll das gehen? – Wenn die Pensionisten um 20 bis 30 Prozent weniger haben, dann können sie ihren Anteil in den Seniorenheimen, in den Pfle­geheimen nicht mehr bezahlen. Wer bezahlt? – Das ist natürlich die öffentliche Hand!

Das nächste Schreiben kommt aus Tirol. In Tirol sind derzeit 6 000 Personen in Alters- oder Pfle­geheimen. Wenn wir nur von einer durchschnittlichen Pensionskürzung von 20 Prozent aus­gehen, würde das für die Tiroler Gemeinden mehrere Millionen Euro jährlich an Mehrkosten aus­machen!

Jetzt kommen wir zur Stadt Wien. Immerhin wird im Jahr 2030 ein Drittel der Gesamtbevöl­ke­rung Wiens über 60 Jahre alt sein. Derzeit werden in Wien 17 500 Plätze für ältere Menschen mit Wohn- und Betreuungsbedarf angeboten. Gehen wir für das Jahr 2030 von einer Verminde­rung der Pension um 33 Prozent aus, würde dies dem Land Wien 72 Millionen € mehr kosten!

Nun ist es nicht so, dass die Pensionsreform das Einzige ist, was derzeit auf den sensibelsten Teil unserer Republik, nämlich auf die Gemeinden und Städte zukommt, sondern auch die 91 Bud­getbegleitgesetze bringen eine ganze Reihe von zusätzlichen Belastungen mit sich.


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Ich ziehe jetzt einmal wahllos die Stadt Linz als Beispiel heran. Die Magistratsdirektion Linz stand vor der Aufgabe, in nur drei Arbeitstagen eine Stellungnahme zu 91 Budget­begleitge­set­zen zu erarbeiten. Auch der oberösterreichische Gemeindebund-Präsident Franz Steininger  – dieser ist von der ÖVP – weist den Finanzminister darauf hin, dass die angesichts des Defizits des Bundes entstehende Situation und die Verlagerung all dessen, was jetzt vom Bund auf die Ge­meinden und Städte übergeht, so nicht mehr funktionieren kann. Auch das Vorhaben der Bundesregierung, meint der ÖVP-Gemeindebund-Präsident von Oberösterreich, die Notstands­hilfe von AMS und Sozialhilfeverbänden auf die Länder zu übertragen, könne so nicht erfolgen. Wört­lich sagt er: Der Bund kann sich nicht einfach einer Aufgabe entledigen, ohne finanzielle Mittel dafür bereitzustellen.

Meine Damen und Herren! Pensionsreform, 91 Budgetbegleitgesetze mit zum Teil erheblichen Aus­wirkungen auf die Städte und Gemeinden, dazu ein Sozialsystem, das derzeit noch funktioniert: In Wien zum Beispiel ist es so, dass die Pensionisten, die in Pflege- und Senio­renheimen wohnen, 80 Prozent ihrer Pension für die Versorgung abgeben. Die Personal­kosten werden nicht geringer, die Betreuungskosten auch nicht. Die 80 Prozent aber können nicht mehr angehoben werden, denn ein Taschengeld (Bundesrätin Kainz: „Taschengeld“ ist gut!) – oder verwenden wir einen anderen Ausdruck: Geld für die persönlichen Bedürfnisse – muss ja vor­handen sein. Das heißt, es wird massive Einschnitte in das Sozialsystem der Länder, Städte und Gemeinden geben, meine Damen und Herren, und das ist meiner Meinung nach bei dieser derzeit völlig überhitzten Pensionsreform, so wie sie uns geboten wird, nicht berücksichtigt wor­den. Wir stürzen damit nicht nur einzelne Menschen, die in Pension gehen, in soziale Krisen, wir stürzen auch das kommunale System, das System der sozialen Sicherheit, das vor allem auf den Ländern, Gemeinden und Städten fußt, in eine gewaltige Krise.

Angesichts dessen sollte doch noch eine Nachdenkfrist bis zum Herbst – dann, wenn die große Har­mo­ni­sierung diskutiert wird – ermöglicht werden. Ich bin selten mit einem aus Ober­öster­reich stammenden Landeshauptmann eines anderen Bundeslandes einer Meinung, aber wenn er in diesem Zusammenhang meint, man sollte die Zeit des Sommers nützen, um nicht jetzt kom­pli­zierte Systeme in den einzelnen Bereichen zu reformieren, sondern mit der Harmo­nisie­rung dann beides zu machen, so muss ich sagen: Das ergäbe eine Nachdenkfrist und vielleicht den von Herrn Himmer gewünschten Dialog. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ.)

19.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. Ich erteile ihr das Wort.

19.56


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Anfang eine kurze Replik auf zwei Vorred­ner. Kollegen Himmer würde ich schon nahe legen, in den Printmedien etwas mehr als die Schlag­z­eilen und Überschriften zu lesen. Vielleicht würde er dann mehr Wissenswertes erfah­ren und auch besser verstehen, wovon er redet. (Bundesrat Mag. Himmer: Das war „lustig“!)

Kollege Hagen! Wir verstehen uns in den Räumen außerhalb dieses Saales eigentlich sehr gut, und unsere Meinungen liegen oft nicht weit auseinander, aber ich würde Ihnen schon empfeh­len, dass Sie weniger das für die Wahrheit halten, was Sie hören, sondern mehr auf das ver­trau­en, was Sie selbst wahrnehmen. Wenn Sie nämlich am vergangenen Dienstag mitten unter den Teilnehmern an der Protestkundgebung gewesen wären (Bundesrat Konecny: Und hinge­hört hätten!) – ja; vielleicht war er ja auch dort, aber bei der großen Anzahl von Teilnehmern war es natürlich nicht möglich, alle zu sehen –, dann hätten Sie sicherlich erlebt, wie betroffen und hoch motiviert die anwesenden Teilnehmer waren. Ich glaube nicht, dass es für irgendjemanden von ihnen notwendig gewesen wäre, ihn oder sie in ein Gasthaus einzuladen oder Prämien in irgend­einer Form zu zahlen. Die Teilnahme an der Kundgebung war diesen Menschen wirklich ein Bedürfnis, und die Stimmung, die dabei geherrscht hat – trotz Hagel, Sturm und Regen –, war schon sehr beeindruckend. 150 000 Menschen oder vielleicht noch mehr nur mit dem Versprechen, es werde ein Seidel Bier und ein Gulasch und dergleichen mehr geben, nach


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Wien zu bringen, das schafft in Österreich wohl nicht einmal der Gewerkschaftsbund! (Bun­desrat Hagen: Da gebe ich Ihnen schon Recht, ...! – Bundesrat Konecny: Es hat sich jeder nachher aufgewärmt, aber auf eigene Kosten!) – Ja, genau.

Aber die Unzufriedenheit, die diese Menschen zum Ausdruck gebracht haben, spiegelt sich auch in den schriftlichen Stellungnahmen der Länder und – es ist schon mehrmals erwähnt wor­den – auch über die Parteigrenzen und geographischen Grenzen hinweg wider.

Das Burgenland nimmt in der Reihe der österreichischen Bundesländer die Stelle des so ge­nannten einwohnerärmsten Bundeslandes ein. Es wird aber überproportional von den Auswir­kun­gen der Budgetbegleitgesetze betroffen sein. Ich möchte das im Folgenden anhand von zwei Beispielen, die zum Teil auch in der Stellungnahme des Burgenlandes anführt waren, zum Aus­druck bringen.

Das Burgenland selbst setzt seit einigen Jahren auf eine in manchen Bereichen erfolgreiche, in manchen Bereichen sicher noch verbesserungsfähige Verwaltungsreform. Es gibt klare Festle­gungen, wie der Personalstand, die Entwicklung des Personalstandes in den nächsten Jahren aussehen soll.

Betrachten wir jetzt die geplanten Bestimmungen, dann würde das auch für die Verwaltung ein längeres Im-Dienst-Behalten, ein längeres Arbeiten der Beamten, auch der Vertragsbe­dienste­ten, bedeuten, also genau jener Gruppe von Menschen, mit deren Ausscheiden vielleicht nicht nur das Land Burgenland, sondern auch andere Länder ihre Verwaltungsreform zum Teil auch damit begründen, dass sie die dadurch frei werdenden Posten nicht nachbesetzen!

Eines lehnt das Burgenland mit Sicherheit ab: die Möglichkeiten, die sich vielleicht in der Privat­wirtschaft bieten, sich älterer Arbeitnehmer zum Zwecke der Einstellung jüngerer und somit billi­ge­rer Arbeitskräfte zu „entledigen“. Das kommt für das Land Burgenland als Dienstgeber schon aus sozialen Erwägungen nicht in Betracht.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass nicht außer Acht gelassen werden darf, was das für die Jugend des Landes bedeutet, wenn Arbeitsplätze über längere Zeit blockiert sind. Welche Möglichkeiten haben dann jüngere Menschen, in den Arbeitsprozess einzutre­ten? – Vor allem muss auch mit bedacht werden, wie lange sie arbeiten werden müssen, um einiger­maßen eine Pension zu erzielen.

Eines möchte ich aus meiner Sicht schon feststellen: Ich werde mich nicht darauf konzentrieren, für heute 20-Jährige zu rechnen, was sie in 40, 45 Jahren an Pension erhalten werden, denn ich glaube, in diesem Alter sind andere Dinge sicher maßgebender. Ich meine, es ist nicht die Höhe ausschlaggebend, aber sie müssten auf jeden Fall das Gefühl haben, dass Solidarität ge­geben ist, dass das Solidaritätsprinzip gilt und sie sich darauf verlassen können, dass das, was sie im Erwerbsprozess einbringen, auch eines Tages entsprechend honoriert wird.

Aus der Sicht des Burgenlandes muss ich sagen, dass auch zu befürchten ist, dass sich eine Ver­schlechterung der sozialen Lebenssituation auf eine größere Bevölkerungsgruppe des Lan­des ausdehnen wird.

Aus demographischer Sicht zählt das Burgenland zu jenen Ländern, in denen sich der Anteil der älteren Bevölkerung in den nächsten Jahren überproportional entwickeln wird. Jeder, der weiß, welche Probleme damit verbunden sind, weiß auch, dass gerade in diesem Bereich der Ein­satz enormer finanzieller Mittel notwendig ist.

Eines darf dabei auch nicht außer Acht gelassen werden: Wenn die Notstandshilfe abgeschafft wird und die Menschen auf die Sozialhilfe angewiesen sein werden, dann sollte man schon mit be­rück­sich­tigen, welchen Grundsätzen, welchen Kriterien die Sozialhilfe unterliegt. Sozialhilfe­ge­setze sind Ländersache, ein harmonisiertes Sozialhilfegesetz für ganz Österreich wird schwer um­setzbar sein, weil es auch auf die Finanzkraft und Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder ankommt. Im Burgenland werden die Ausgaben aufgeteilt: 50 Prozent das Land, 50 Prozent die Gemeinden.


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Ein Ansteigen dieser Ausgaben würde speziell für die Gemeinden bedeuten, dass sie weitaus we­niger Mittel für infrastrukturelle Maßnahmen zur Verfügung haben. Ich bin Bürgermeisterin einer kleinen burgenländischen Gemeinde, und von meinem Gemeindebudget habe ich – ge­rechnet auf 100 Prozent – kaum mehr als 5 Prozent zur freien Verfügung. Ich weiß daher nicht, wie ich in Zukunft in meiner Gemeinde Maßnahmen setzen soll. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.)

Kollege Fasching! Der Einwurf ist etwas zynisch, denn gerade du müsstest wissen, dass ich erst seit Oktober Bürgermeisterin bin und schlecht für das verantwortlich gemacht werden kann, was mir mein Vorgänger übergeben hat.

Es ist aber nicht so, dass das nur meine Gemeinde betrifft, sondern viele burgenländische Ge­mein­den! Ich glaube, die am höchsten verschuldete Gemeinde ist Purbach, und wenn ich mich nicht irre, ist das jene Gemeinde, die von einem Bürgermeister Steindl – heutiger Landeshaupt­mann-Stell­vertreter – jahrelang regiert wurde. Die Jahre davor gab es einen gewissen Ing. Jella­sitz – vielleicht wisst ihr, dass er auch Landeshauptmann-Stellvertreter im Burgenland war; beide sind von der ÖVP. Und diese Gemeinde ist die höchstverschuldete des Burgenlandes? – Aber egal – zurück zu dem, was heute ansteht. (Bundesrat Fasching: ... Frauenkirchen!)

Zurück zur Sozialhilfe: Auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, das heißt, das so genannte Sicher­heits­netz in Anspruch nehmen zu müssen; ein Netz, das garantieren soll, dass niemand durch­fällt, dass für jeden der Lebensbedarf gesichert ist. Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, das heißt aber auch, aus der Position desjenigen, der selbst etwas erwirbt, seinen Unterhalt selbst sichern kann, einzutreten in die Rolle des Bittstellers, des Antragstellers und angewiesen zu sein darauf, dass das genehmigt wird. Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, das heißt auch – gera­de im Burgenland; meines Wissens aber auch in anderen Ländern –, Mittel in Anspruch zu nehmen, die regresspflichtig sind – und „regresspflichtig“ bedeutet nichts anderes, als dass sie zurückbezahlt werden müssen. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, was es heißt, kaum wieder zu Einkommen gekommen zu sein, zurückzahlen zu müssen.

Es heißt aber auch, abhängig zu sein von dem, was andere für mich entscheiden, und es würde auch bedeuten, dass die Existenz äußerst gefährdet ist.

Das Burgenland wird auch das „Land der Häuslbauer“ genannt. Ein Haus kann schnell errichtet wer­­den, aber es muss auf Jahre hinaus gerechnet werden, das Haus muss erhalten werden. Das Problem, das im ländlichen Raum bei vielen Hausbesitzern gegeben ist, ist, dass mit der Sozialhilfe nur schwer das Auskommen gefunden werden kann. Erfahrungsgemäß haben es Leute in Wohnungen leichter, weil sie die Möglichkeit haben, in ein kostengünstigeres Wohn­ge­biet und eine billigere Wohnung zu übersiedeln. Jemand, der ein Haus besitzt, hat diese Mög­lich­keit kaum.

Einen Bereich der Auswirkungen auf die Sozialhilfe möchte ich abschließend noch vorbringen – vielleicht auch als Anregung für meinen Nachredner; soweit mir bekannt ist, ist Herr Bundesrat Kritzinger Seniorenobmann in Tirol, vielleicht wird ihn daher besonders interessieren, was das Land Oberösterreich in seiner Stellungnahme sagt.

Das Land Oberösterreich schreibt: Durch die vorgesehenen Reformmaßnahmen wird künftig die Summe der den Pensionistinnen und Pensionisten zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sin­ken. Es ist daher davon auszugehen, dass sich dadurch der Anteil jener finanziellen Mittel, wel­che die im Alten- und Pflegeheim untergebrachten Menschen selbst leisten, vermindern wird. Dies würde für die regionalen Sozialhilfeträger bedeuten, dass ihr Anteil an der Kosten­tra­gung für Alten- und Pflegeheime steigt, was zusätzliche Belastungen für die Gemeinden zur Fol­ge hätte.

Überdies ist zu erwarten, dass aus diesem Grund auch im Bereich der mobilen Dienste sowie der Hauskrankenpflege die finanzielle Belastung des Landes beziehungsweise der Gemeinden zu­nehmen wird. – Zitatende.


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Was ist die Folge, wenn die Belastungen für Land und Gemeinden zunehmen? – Die Dienste, die in diesem Bereich zur Verfügung gestellt werden, werden wegen Unfinanzierbarkeit zurück­ge­nommen werden müssen und somit den Menschen, die sie bräuchten, nicht mehr zur Verfü­gung stehen.

Ich habe versucht, nur einen Teil jener Aspekte anzusprechen, die vielleicht in der Öffentlichkeit nicht so beachtet werden. Eines ist sicher: Wir können nicht nur – schon fast zynisch zu nen­nen – von einer Pensionssicherungsreform sprechen, nur sehen, welche Auswirkungen sie in Form der Pensionen hat, sondern wir müssen das gesamte Bild sehen. Und vereinfacht gesagt: Ge­rin­gere finanzielle Mittel, die zur Verfügung stehen, bedeuten nichts anderes als einen gerin­ge­ren Lebensstandard, ein geringeres Wirtschaftswachstum, allgemein eine Verschlechterung der Situation, eine Verschlechterung der sozialen Lage Österreichs. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Helmut Kritzinger. Ich ertei­le ihm das Wort.

20.10


Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir haben eine ganze – ich möchte es so sagen – Reihe von Argumenten gehört, aber im Grun­de genommen hat mir von der sozialistischen Partei (Bundesrat Gasteiger: Schon lange „So­zial­demokratische“!) schon seit jeher der Vorschlag gefehlt, auf den wir alle gewartet haben; nicht ein Vorschlag in diesem Haus, sondern in der Öffentlichkeit.

Ich möchte zu Beginn kurz auf die Rede des Kollegen Konecny eingehen, der Bruno Kreisky – ein Bundeskanzler, den ich schätze, ich will das eigens betonen – angesprochen hat. Kreisky hat­te auf vielen Gebieten seine Qualitäten, aber gerade was das Älterwerden des Menschen an­langt, hat Kreisky einen ganz entscheidenden Fehler gemacht. Er hat nämlich eingeführt, dass kein Politiker über 60 Jahren mehr tätig sein kann. Sie erinnern sich sicher an die be­rühmte Pittermann-Klausel, die er eingeführt hat. Das war ein solch entscheidender Schritt für die Zukunft, dass wir heute noch darunter leiden. Denn es gab ja die Tendenz, alle Älteren vom Ar­beitsplatz wegzubringen, nur mehr Jüngere zu beschäftigen, und das bedeutet einen un­glaublichen Verlust für einen Staat. Das muss uns klar sein.

Ich glaube, die Wirtschaftskrise in Deutschland ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die älteren Arbeitnehmer einfach keinen Wert mehr hatten. Manche Leute mit 55 Jahren und sogar Jüngere waren nicht mehr gefragt, gehörten zum „alten Eisen“, dabei ist kaum jemand von den Jüngeren so engagiert für den Arbeitgeber: durch Einfälle, durch die vorhandene Praxis und – auch das möchte ich sagen – durch Verlässlichkeit.

Das, glaube ich, hat eine große Lücke gerissen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sehr richtig!) Ich bin froh darüber, dass durch diese Pensionsreform da eine Korrektur erfolgt, dass der Ältere lang­sam wieder an Wert gewinnt. Ich würde das sehr begrüßen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Kreisky hat also nicht das Leben verlängert – leider ist Kollege Konecny nicht im Saal (Bundes­rat Gasteiger: Wir sagen es ihm!) –, sondern, ich möchte sagen, vielen Menschen das Leben verkürzt, denn ausgeschaltet zu sein, kein Ziel und keine Arbeit mehr vor sich zu haben, das ist für viele Menschen deprimierend, unglaublich deprimierend. (Zwischenruf des Bundesrates Gas­tei­ger.) – Kollege Gasteiger! Das wirst du vielleicht auch noch erleben. Wir werden uns später noch darüber unterhalten. Wir finden ja in Tirol einmal Gelegenheit, darüber zu reden.

Das ist für viele Leute deprimierend. Ich glaube, auch diesbezüglich hat die Pensionsreform einen ganz entscheidenden Schritt gemacht und wird ihn machen. (Bundesrätin Schlaffer: ... noch deprimierter sein!)

Ich will jetzt keine Leserbriefe zitieren, wie einige hier zitiert wurden, in den man von einer Kür­zung in der Höhe von 30 und 40 Prozent spricht. Meine Damen und Herren! Ich habe mehr als


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ein halbes Dutzend an Pensionsreformen erlebt. Und jeder – ich möchte jetzt keinen Bun­des­kanzler mit seinem Brief zitieren – hat versprochen: Das ist die entscheidende Reform! – Es ist dann aber immer nur ein Reformchen gewesen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nicht einmal!) Wir haben leider Gottes keine griffige Regelung gefunden!

Ich glaube, das ist endlich einmal eine Reform – natürlich nicht ohne Risiko, das ist mir auch be­wusst –, bei der man sagt: Jawohl, die zeugt von einem Weitblick! Ich meine, darauf läuft es hinaus, und das muss jedem bewusst sein.

Sie ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, weil bei dieser Pensionsdebatte jetzt alle mitpo­kern, und es pokern alle sehr hoch – das ist mir auch bewusst. Jeder versucht zu lizitieren. Ir­gend­jemand wird dann aber auf der Strecke bleiben, und wer das sein wird, werden dann nicht die Leserbriefe entscheiden, sondern kommende Neuwahlen. (Rufe bei der SPÖ: Genau! Hof­fent­lich!)

Ich möchte ganz kurz die Entwicklung der letzten Tage in Erinnerung rufen. Ich bitte um ein biss­chen Geduld, ich möchte die Debatte nicht unnötig verlängern: Wir werden durch solch eine De­batte kaum die Standpunkte verändern können, aber einige Sachen muss man doch in die­sem Haus festhalten.

Die Entwicklung der letzten Tage, die nichts Gutes verheißt, war so: Es hat sich der Bundesprä­si­dent in die Debatte eingeschaltet. Er hat vorgeschlagen: Pensionsreform ja, im Herbst, ver­schie­ben wir sie auf den Herbst. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Haider hat sich dem ange­schlossen – wie dem auch sei. Dann sind Haider und Gusenbauer in einem Gasthaus zusam­menge­kommen, haben einiges besprochen und sich abgeredet. Dann ist Vizekanzler Haupt zum Bundespräsidenten gegangen, und dann ist es, wie wir wissen, zu dem „Runden Tisch“ ge­kommen, der heute stattgefunden hat – das Ergebnis haben wir ja gehört.

In den letzten Tagen hat man sich beim Bundespräsidenten die Türklinke in die Hand gegeben. Je­der wollte dort einmal auftreten und etwas sagen. (Bundesrat Gasteiger: Wollen haben sie nicht, er hat sie eingeladen!) Das ist es ja auch, dass bei diesem Thema so viel Lizitation betrie­ben wird, aber das ist verständlich, denn es geht um viel. (Bundesrat Gasteiger: Sie sind ein­ge­laden worden vom Herrn Bundespräsidenten!) Aber ich bitte doch, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren.

Es war also ein Verwirrspiel sondergleichen. Bei diesem Treffen zwischen Gusenbauer und Hai­der ging es wahrscheinlich darum, die Allianzmöglichkeiten zu sondieren – ich weiß es nicht. Aber der Flirt hat nichts gebracht! Und ich bin überzeugt davon: Er bringt auch nichts.

Es hat sich jetzt auch der Gewerkschaftsbund sehr stark engagiert. Wir wissen ja, wie viele Leu­te er auf die Straße gebracht hat. Der Gewerkschaftsbund befindet sich aber auch in einem Di­lem­ma, wenn er nicht als zahnlos – oder noch schlimmer – bei der Bevölkerung angesehen wer­den will, denn die Aufgaben des Gewerkschaftsbundes müssen tatsächlich überdacht wer­den. Uns allen ist bewusst: Die Aufgaben des Gewerkschaftsbundes müssen überdacht wer­den. Und ich glaube, der Streik ist nicht der richtige Weg, um zum Nachdenken zu kommen. (Bun­desrat Gasteiger: Ihr werdet uns das wahrscheinlich sagen!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, Bundeskanzler Schüssel wird in dieser Frage nicht nach­geben, weil von keiner anderen Seite ein vernünftiger Vorschlag gekommen ist. Ich will die bei­den Vorschläge, die wir kennen, nicht zitieren, aber beide Vorschläge sind nicht brauchbar. Schüs­sel wird also kaum nachgeben, weil es keine Alternative gibt.

Deswegen sage ich Ihnen: Wir können getrost und mit Zuversicht diesem Jahrhundertwerk (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ) – es ist vergleichbar mit der Einführung des ASVG durch Julius Raab im Jahr 1957, davon bin ich überzeugt – unsere Zustimmung geben! Am 4. Juni wird es im Nationalrat über die Bühne gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.19



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Gasteiger hat seine ... (Bundesrat Kritzinger spricht mit Bundesrat Dr. Böhm. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Bitte allfällige Dialoge draußen zu führen!

Kollege Gasteiger hat nach dem vorliegenden Protokoll seine Wortmeldung mit den Worten ge­schlossen – ich zitiere –: „Stoppen Sie den Wahnsinn des Herrn Bundeskanzlers!“

Da es sich nicht um eine abstrakte politische Wertung handelt, sondern diese einer konkreten Person zugeordnet wurde, erteile ich dafür einen Ordnungsruf.

Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. Ich erteile ihr das Wort.

20.20


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­se­kretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kritzinger! Bei aller Wertschätzung Ihrer Person, manche Ihrer Aussagen tun körperlich weh! (Heiterkeit.) Ich darf ein paar Dinge zu­rechtrücken.

Ich glaube, dass es sehr weit hergeholt ist, wenn man Kreisky für ein verkürztes Leben der Men­­schen verantwortlich macht. (Neuerliche Heiterkeit.) Ich glaube, dass man Kreisky viele Din­ge zuschreiben kann, die sehr positiv für die Menschen waren. Kreisky ist dafür ge­stan­­den, dass es in Österreich einen zunehmenden Ausbau des Sozialsystems gegeben hat, dass die Menschen dadurch, dass es ihnen besser ging, dass es (Bundesrat Kritzinger: 7 Milli­arden € Schulden sind mehr als das ganze ASVG-System kostet!) mehr Arbeitsplätze gegeben hat, Kollege Kritzinger, ihren Wohlstand aufbauen konnten und dass damit natürlich auch im Kran­kenversicherungssystem und im Pensionssystem Verbesserungen einhergegangen sind! Das jetzt Kreisky anzulasten, ist, gelinde gesagt, eine Zumutung! Das muss ich Ihnen schon sa­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich stimme Ihnen zu, wobei ich mich dabei nicht auf die vorliegende Reform beziehe, dass es wichtig ist, für ältere Arbeitnehmer etwas zu tun, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben, den Anforderungen dieses Konzepts der Regierung zum Thema Pensionen gerecht werden kön­nen. Es gibt dafür zwar durchaus ein paar Punkte in diesem Entwurf, etwa die Senkung der Lohn­nebenkosten und so weiter, um den Unternehmen einen gewissen Anreiz zu bieten, auch ältere Menschen auf dem Arbeitsplatz zu behalten, aber ob dieser Effekt auch tatsächlich ein­tritt, wird sich erst beweisen müssen.

Bei den Lehrlingen zum Beispiel ist es so, dass wir den Unternehmen in Österreich, nur damit sie bereit sind, Lehrlinge auszubilden, diese Lehrlinge mittlerweile „vergolden“, und trotzdem bil­den sie zunehmend weniger aus, als es die jungen Menschen benötigen würden.

Sie haben auch gesagt – da bin ich wieder meilenweit von Ihnen entfernt –, wir hätten bis dato nur „Reförmchen“ zu Stande gebracht. – Für den ASVG-Bereich kann ich das auf keinen Fall so im Raum stehen lassen, weil dort sind keine Reförmchen in den letzten Jahren erfolgt, ganz im Gegenteil: Dort wurden die maßgeblichsten Einschnitte gemacht!

Ich bin eine der Letzten, die Gruppen auseinander dividiert, ganz im Gegenteil. Aber wenn man behauptet, dass das Reförmchen gewesen seien, wobei doch gerade die ASVG-Versicherten all diese bisherigen Pensionsreformen am maßgeblichsten zu spüren bekommen haben, und auch bei der jetzigen Diskussion etwa die Gruppe der Bauern schon wieder aufschreit und sagt, bei der Harmonisierung müsse man schon aufpassen, weil sie die zu stark treffen könnte und so weiter, ebenso die Gewerbetreibenden aufschreien und sagen, das sei Wahnsinn, wenn sie dann die Versicherungsbeiträge einzahlen müssten, die bei einer Harmonisierung notwendig wä­ren (Bundesrat Fasching: Überlassen Sie das den Bauern!), dann muss ich sagen: So können wir sicher keine Reformen machen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich bin die Letzte, die auseinander dividiert (Bundesrat Fasching: Bleiben Sie bei Ihrem Be­reich, da haben Sie genug Arbeit!), nur kann man nicht sagen, dass die bisherigen Reformen


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Re­för­mchen waren. Ich darf daran erinnern, dass wir bereits vor Jahren einen Bundeszuschuss zu den Pensionen von über 30 Prozent des BIP hatten, dieser Wert wurde mit Hilfe der vielen Reformmaßnahmen, die es gegeben hat, gesenkt. Man kann doch nicht sagen, dass es keine Reformen gegeben hat! – So viel zu den Ausführungen des Kollegen Kritzinger.

Kollege Schennach hat es schon gemacht, aber auch ich möchte kurz berichten: Ich habe mir vom Präsidenten, der am „Runden Tisch“ dabei war, am Handy einen Bericht geben lassen. Das Ergebnis ist im Prinzip das, was bereits Kollege Schennach hier berichtet hat: Es wurde zwar in dieser Runde sehr amikal diskutiert, es gab auch eine sehr gute Einleitung durch den Bun­despräsidenten, aber als Ergebnis des „Runden Tisches“ kann man an und für sich sagen, dass sich beim Terminplan und der Frist bis 4. Juni nichts ändert.

Nichtsdestotrotz meine ich, dass wir darum kämpfen müssen, bis zum 4. Juni ist noch Zeit. Es sollte wirklich jeder noch einmal darüber nachdenken, wie er sich bis zum 4. Juni verhält. Schau­en Sie sich bitte diese Vorlage noch einmal an! Alle Vorrednerinnen und Vorredner, alle Be­richte aus den Ländern haben bis jetzt bestätigt, dass wir auf eine mittlere Katastrophe zu­steuern, wenn wir die Reform so umsetzen, wie sie derzeit vorliegt. Deshalb ersuche ich vor allem die Mandatare der ÖVP – natürlich auch jene der Freiheitlichen, aber in diesem Fall be­son­ders die der ÖVP –, das nochmals zu überdenken.

Hinzufügen möchte ich noch, dass heute früh vor Eingang in die Tagesordnung sehr viele neue Kolleginnen und Kollegen angelobt wurden, unter denen gerade die Vertreterinnen und Vertre­ter von der ÖVP bei ihrer Gelöbnisformel „So wahr mir Gott helfe!“ dazugesagt haben. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!)

Ich nehme diese Aussage ernst. (Ruf: ... Sie christlich?) Ich nehme Sie beim Wort, Sie denken sich etwas dabei, wenn Sie so etwas dazusagen. Wenn Sie sich dabei dasselbe denken, das ich mir bei solch einem Ausspruch denke, dann ersuche ich Sie, wenn Sie heute nach Hause ge­hen, darüber nachzudenken – Sie haben noch Zeit dazu –, ob Sie, wenn Sie dieser Reform zu­stimmen, Ihrem Auftrag als Bundesräte gerecht werden. Denken Sie darüber nach! (Bun­des­rat Mag. Himmer: ... interpretieren ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Ga­stei­ger – in Richtung ÖVP –: Warum seid ihr so nervös da drüben? – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Fasching: Denken Sie an Ihre Probleme in der Ge­werk­schaft! – Weitere Zwischenrufe.) – Ich habe keine Probleme, machen Sie sich keine Sorgen!

Ich weiß nicht, warum Sie sich so aufregen. Ich habe einen Appell an Sie gerichtet. Sie können sich jetzt über mich denken, was Sie wollen, das ist mir im Prinzip egal. Ich habe an Sie appel­liert. Sie sind nicht mir gegenüber verpflichtet, Sie sind Ihrem Wähler gegenüber verpflichtet, und dieser wird sich dann auch bei Ihnen bedanken, wenn Sie sich nicht dementsprechend verhalten, wenn Sie gegen das Volk regieren und nicht für das Volk.

Einen Punkt möchte ich hier schon noch klarstellen, da ich es nicht zulassen kann, dass gerade in diesem Gremium Unwahrheiten verbreitet werden, da werde ich sehr allergisch! Kollege Ager weiß schon, was jetzt kommt, weil ich ihn im Vorraum persönlich darauf angesprochen habe. (Rufe bei der SPÖ: Hagen!) – Hagen, Entschuldigung! (Bundesrat Gasteiger: Das ist ein Unter­schied! – Ruf: Schon geklärt!) Schon geklärt!

Ich habe ihn im Vorraum darauf angesprochen, denn ich lasse es nicht zu, dass man hier in die­sem Raum als Mitglied dieses Gremiums Behauptungen über etwas aufstellt, das man selbst nicht gesehen und nicht erlebt hat. Kollege Hagen! Sie haben mir selbst bestätigt, dass Sie das auch nur vom Hörensagen kennen. (Bundesrat Mag. Himmer: So wie Sie vom „Runden Tisch“!)

Ich lasse es nicht zu, dass Sie von Menschen, die am Dienstag bei den schwersten Unwettern der letzten Jahrzehnte auf der Straße waren – barfuß, ohne Schuhe, weil ihnen die Schuhe un­ter den Füßen „zerschwommen“ sind –, Menschen, die dort ihre Anliegen kundgetan haben, be­haupten, diese wären dort gewesen, weil sie dafür bezahlt worden seien. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)


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Da ich gerade von Kollegen Himmer eine Meldung bezüglich Herrgott höre: Es mag schon stim­men, dass die ÖVP einen besseren Draht zu Gott hat als wir (Bundesrat Schennach: Aber nicht die GÖD!), aber ich kann euch garantieren: Wir haben einen besseren Draht zu den Ar­beit­nehmerinnen und Arbeitnehmern – und das ist mir wesentlich wichtiger! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Klaus Gasteiger das Wort. Restredezeit: 11 Minuten. – Bitte. (Bundesrat Gasteiger – auf dem Weg zum Red­ner­pult –: Ich habe es gleich!)

20.29


Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Da ich weiß, dass ich den Ordnungsruf Kollegen Bieringer zu „verdanken“ habe – ich habe aber kein Problem damit –, sei es mir erlaubt, zu bemerken, dass Kollege Bieringer wahr­scheinlich nicht während der gesamten Zeit, als ich hier am Rednerpult gestanden bin, im Saal anwesend war, denn sonst hättest du, Kollege Bieringer, vielleicht gecheckt, dass dieser letzte Satz, für den ich den Ordnungsruf bekommen habe, im Zusammenhang mit der – unter An­füh­rungszeichen – „Pensionssicherungsreform“ gefallen ist.

Noch einen Satz zu Kollegen Kritzinger: Du hast ganz beiläufig gesagt, dass man in Tirol über die­ses Thema, über das jetzt geredet wurde, sprechen könne. Dazu sei bitte Folgendes bemerkt (Bundesrat Kritzinger: Gesundheitsthema!):

Der ÖGB hat in Tirol in allen Bezirken zum Thema „Pensionssicherungsreform“ Diskussionsrun­den abgehalten. (Bundesrätin Bachner: So ist es! – Bundesrat Schennach: Mit Dinkhauser? – Bun­desrätin Bachner: ... nicht gekommen!) Wer hat gefehlt? – Die Abgeordneten der Frei­heitli­chen und die Abgeordneten der ÖVP sind nicht dabei gewesen, sie haben sich nicht den Dis­kus­sionen der Menschen gestellt, die ein Problem damit haben, die demonstrieren gehen! (Bun­desrat Kritzinger: ... hat den Vorsitz geführt!?!) Das ist die Wahrheit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Albrecht Ko­necny. Ich erteile ihm das Wort.

20.30


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Da­men und Herren! Wir haben – und ich stelle das ohne besondere Erregung fest – erlebt, wie der Herr Staatssekretär in gestoppten 2 Minuten 29 Sekunden eine Frage beantwortet hat, das aller­dings sehr korrekt und sehr genau. Er hat uns tatsächlich den Posteingang der Schreiben von fünf Bundesländern, in denen jeweils die Einleitung des Konsultationsmechanismus ver­langt wird, exakt mitgeteilt.

Er hat behauptet, dass er die Fragen 1 bis 11 „unter einem“ beantwortet. Ich habe zwar schon vie­le Bedeutungen des Wortes „einem“ gehört – von Wortspielen bis zu Caspar Einem –, aber dass es „nichts“ heißt, ist mir bisher aus Wörterbüchern und der Literatur nicht bekannt ge­worden.

Sie haben weder irgendetwas zur Abfolge und zum Ablauf des Konsultationsmechanismus ge­sagt – insbesondere nicht zur Kernfrage, nämlich ob vor dem 4. Juni in dieser Sache etwas pas­sieren wird –, noch haben Sie etwas zu den Ihnen selbstverständlich – Ihnen vielleicht nicht, das weiß ich nicht, aber der Bundesregierung jedenfalls – bekannt zu sein habenden finanziel­len Ansprüchen der Länder gesagt, die allenfalls abzugelten sind und wofür budgetär vorzusor­gen wäre.

Wenn dafür budgetär nicht vorgesorgt ist, dann beschließt der Nationalrat am 4. Juni nebst dem Budgetbegleitgesetz auch Makulatur, nämlich ein Budget, in dem – die Zahlen wurden für einige Bundesländer genannt – nicht ganz unwesentliche Ansprüche an die Adresse des Bun-


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des fehlen. Sie sind nicht im Finanzressort, Sie haben das persönlich nicht zu verantworten, inso­fern ist Ihnen persönlich kein Vorwurf zu machen, dass Sie diese heikle Materie nicht an­schneiden. Aber der Herr Bundeskanzler hätte das beantworten müssen, weil er die Gesamt­verant­wortung trägt.

Es steht Ihnen zu – das ist eine parlamentarisch-geschäftsordnungsmäßige Entscheidung, ob sie demokratisch ist, ist eine andere Frage –, einen Zitationsantrag hinsichtlich des Herrn Bun­des­kanzlers abzulehnen. Ich frage mich allerdings, wie – ich habe das schon in meiner Begrün­dung gesagt – unter diesen Bedingungen der Begriff Dialog eigentlich definiert wird.

Sie geben uns keine Antwort, und den Herrn Bundeskanzler beschützt die Mehrheit dieses Gre­miums vor der Zumutung, im Bundesrat etwas über den „Runden Tisch“ berichten zu müssen. – Dialog würde ich das nicht nennen. Wir stellen auch – ich will ja nicht sagen, wir haben es ge­ahnt – nach den Berichten, die Mitglieder des Hauses erreicht haben, durchaus mit Enttäu­schung fest, dass das, was am „ovalen Tisch“ stattgefunden hat, auch kein Dialog war.

Ich war beeindruckt – das sage ich ganz ehrlich –, dass Sie, meine Damen und Herren nament­lich von der rechten Seite des Hauses, meiner nicht ganz kurzen Einleitung – was immer Sie da­bei gefühlt haben – aufmerksam zugehört haben. Ich bedanke mich daher dafür, weil es mir – ich hoffe, ich habe das deutlich gemacht – darum ging, an Sie ganz persönlich zu appellie­ren.

Insofern möchte ich das aufgreifen, was Kollegin Bachner gerade gesagt hat: Hier geht es um ein künftiges Gesetzeswerk, das tatsächlich zutiefst in das Leben praktisch jedes Einzelnen in diesem Land eingreift. Die wenigen, die völlig außerhalb unseres Pensionssystems leben, fallen numerisch kaum ins Gewicht. Natürlich ist der ASVG-Bereich zwar der größte, aber wahrlich nicht das gesamte System, aber selbst der Herr Bundeskanzler geht, wenn auch nach unserer festen Überzeugung in der falschen Reihenfolge, davon aus, dass eine Harmonisierung der Systeme erforderlich ist.

Wenn man sich nun an ein Gesetzeswerk heranmacht, das nicht die Novellierung des Segel­schul­ge­setzes für das Bundesland Kärnten – das hat es einmal gegeben, ich weiß nicht, ob es das noch gibt; es hat mich besonders amüsiert, dass das eine Bundesmaterie war – beinhaltet, sondern in dem es um etwas geht, was jeden Einzelnen in diesem Land betrifft, dann ist das reflexartige Zubeißen, das ich Kollegen Himmer bescheinige, mit einer gewissen Virtuosität zu spielen, nicht die richtige Reaktion. – Kollege Hagen! Auch das Ihrem politischen und persönli­chen Umfeld – vielleicht Ihrer persönlichen Geschichte, die ich nicht kenne – entsprechende reflexartige Zubeißen auf die Gewerkschaftsbewegung nach dem Motto „Das sind die Mandl, die man mit den Gratiswürstln holt!“, halte ich für nicht angebracht!

Ich kann verstehen, dass es Menschen gibt, die mit derartigen Reflexen reagieren – ich habe auch Vorurteile, die aus meinem Umfeld kommen und nicht alle richtig sind! Aber bei einer sol­chen Materie sollten wir – auch wir, das sage ich ganz ehrlich, aber Sie auch! –, so weit wir in der Lage dazu sind – wir sind natürlich nicht gänzlich in der Lage dazu, wir alle sind keine Ro­bo­ter, die Emotionen gehen bei so etwas hoch! –, versuchen, nach diesen einfachen Antworten, diesen vordergründigen Reaktionen und auch vordergründigen Polemiken wieder zum Kern der Angelegenheit zurückzufinden.

Das heißt überhaupt nicht, dass irgendjemand leugnet, dass es hier Divergenzen gibt und auch Grup­peninteressen, die nicht deshalb illegitim sind, weil sie Interessen einer Gruppe sind, son­dern die mitzudiskutieren und mit zu berücksichtigen sind.

Das, was Kollegin Bachner gesagt hat und was einige von Ihnen aus mir völlig unbegreiflichen Grün­den ziemlich empört hat, möchte ich jetzt ausdrücklich wiederholen: Jeder ist seines Glückes und seines Mandates Schmied! Wähler zu verärgern, ist eine politische Verantwortung, die man letztlich selbst trägt. Kollege Todt hat Ihnen vorgelesen, was Ihrer Partei am Bürger­telefon und im Internet so alles erzählt wird. Wir bekommen inhaltlich dieselben Messages, nur: Uns beschimpfen sie nicht, das ist angenehmer, das gebe ich schon zu! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber der springende Punkt ist doch: Wenn die Antwort darauf ist – und der Herr Bundeskanzler hat das, mit Verlaub gesagt, absurderweise nach dem „Runden Tisch“ verkündet, vielleicht hät­te er das auch als Antwort hier gegeben; die hätte er Ihnen (der Redner wendet sich kurz Staats­se­kretär Morak zu) aber auch am Handy durchgeben können –, dass es die logische Reaktion nach dem „Runden Tisch“ sei, die Informationstätigkeit zu verstärken, dann kann man nur sagen: Das tut doch die Bundesregierung seit drei Tagen!

Es gibt bereits kleine, aber immerhin ganz professionell gestaltete Anzeigen, mit der weltbewe­genden Aussage „Bestehende Pensionen werden nicht angetastet“. (Bundesrat Kritzinger: Das ist ein bedeutender Satz!) – Ja. Das kommt gleich nach dem elften Gebot!

Herr Kollege! Hat irgendjemand in dieser politischen Debatte gesagt, die ÖVP oder die Bundes­re­gierung wolle die bestehenden Pensionen antasten? (Staatssekretär Morak: Na, schon! – Zwi­schenruf des Bundesrates Bieringer.) – Schon? Herr Kollege Staatssekretär! Herr Kollege Fraktionsvorsitzender! Seien Sie mir nicht böse! Es wurden Hunderte Beispiele gerechnet und veröffentlicht, von denen Sie immer nur pauschal gesagt haben, die seien falsch, ohne ein ein­ziges Beispiel widerlegen zu können, weil sie natürlich nicht falsch sind, sondern im Rahmen des­sen, was man in einem Beispiel rechnen kann, da es nur ein paar persönliche Faktoren im Einzelfall geben kann, die es besser, aber auch schlechter machen können, absolut richtig sind!

Wir sprechen heute über die künftigen Pensionsansprüche der jetzt Berufstätigen. Ich habe mei­­ne Meinung dazu, und ich habe das sehr offen in der Begründung meiner Anfrage aus­ge­breitet. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass, wenn all das über die Bühne gegangen ist, das Thema rund um die bereits bestehenden Pensionsansprüche sehr wohl aufgegriffen wird!

Aber zu der Gesetzesvorlage, von der wir meinen, dass sie nicht beschließbar ist, weil sie Un­sinn ist, und dass sie schon gar nicht am 4. Juni beschlossen werden kann, weil sie bis dahin nicht ernsthaft diskutiert werden kann, hat niemand gesagt, dass sie Kürzungen bestehender Pen­sionen beinhaltet. Das wäre auch falsch. Unsere Beispiele und Aussagen haben also einen Nachteil für Sie: Sie sind schlichtweg mathematisch und politisch richtig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Wenn die Aufklärungskampagne darin besteht, etwas zu sagen, wozu niemand das Gegenteil be­hauptet hat, dann wird es wieder einmal – das ist nicht mein Problem, sondern Ihr Problem! – viele Menschen geben, die sich das fühlen, was man in Wien „gepflanzt“ nennt. (Bundesrat Kritzin­ger: Das war eine Aussage und nicht mehr!) Das war vor allem eine Aussage um Steu­er­geld, Herr Kollege! Das hat Herr Dr. Schüssel nicht aus seiner Aufwandsentschädigung be­zahlt! Ich meine, das ist eine Werbekampagne der Bundesregierung für dieses Gesetz, und da wird etwas behauptet, was zwar als solches richtig ist, jedoch nichts mit dem Gesetz zu tun hat! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Mit derselben Begründung könnten Sie argu­mentieren, dass es richtig ist, eine Anzeige mit dem Wortlaut zu schalten: Die Bundesregierung stellt sicher, dass es auch heuer einen 31. Dezember gibt! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Aufregung. Ich verstehe Ihre Aufregung völlig! Ich lei­de mit Ihnen. Glauben Sie mir: In meinem langen politischen Leben habe ich auch schon Situa­tionen erlebt, in welchen ich mich in meiner politischen Haut nicht rasend wohl gefühlt habe. Diese lange politische Erfahrung macht es mir möglich, mir vorzustellen, wie sich viele – nicht alle, aber viele – von Ihnen fühlen. (Bundesrat Mag. Himmer: Trotzdem täuschen Sie sich!) – Bei Ihnen täusche ich mich nie! Herr Kollege! Es gibt aber Menschen – vielleicht Kollege Neugebauer oder auch Kollege Schöls, den wir alle gut kennen, und er hat es gesagt –, die an­ge­kündigt haben, dass sie sicherlich nicht leichten Herzens eine Entscheidung treffen werden, wie ich sie mir von manchen von Ihnen auch erwarte.

Ich sage das ganz ehrlich: Jenseits aller politischen Polemik schätzen wir viele von Ihnen so ein, dass sie in einer derart zentralen Frage nicht nach dem, was Ludwig sagt, sondern nach ihrem Gewissen entscheiden werden. Ich glaube, dass viele Mitglieder dieses Hauses mit die-


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ser Reform auch dann nicht einverstanden sind, auch wenn sie den Rednern der ÖVP – wie ich in diesem Fall sagen muss – applaudieren. Das ist kontrollierbar, ihre Gefühle nicht.

Ich kann mich an die Mitte des Hauses – wie immer man das jetzt politisch wertet, aber das ist Wurscht – wendend sagen, dass ich bei vielen Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei denselben Prozess sehe. Ich bin wirklich gespannt darauf, wie im Nationalrat und – wenn dort nicht – wie nachher im Bundesrat die Entscheidung fällt.

Herr Präsident Khol hat gesagt: Das ist eine Sache des Parlaments. Das geht den Bundesprä­si­denten nichts und die berüchtigte Straße schon gar nichts an. – Ich sage Ihnen: Ich bin in einer Hinsicht fast der Meinung des Präsidenten Khol: Das ist eine Frage, die zu einer Sternstunde des Parlaments werden könnte, und zwar dann, wenn das Parlament einmal in einer ganz zentra­len Frage, die jede Österreicherin und jeden Österreicher betrifft, anders entscheidet, als sich das der Bundeskanzler vorstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

20.44


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm das Wort.

20.44


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gasteiger! Sie haben die ÖVP-Kollegen aus Ti­rol zitiert und gesagt ... (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger.) Lassen Sie mich einmal au­s­­re­den! Seien Sie nicht nervös! Was haben Sie denn? (Bundesrat Gasteiger: Passt schon!) Sie haben gesagt, dass sie zu den ÖGB-Veranstaltungen nicht gekommen seien. (Bundesrat Gasteiger: Richtig!) Ich halte für die beiden Anwesenden, für Kollegen Ager und für Kollegen Kritzinger, fest, dass sie bis heute noch nie eine Einladung bekommen haben, an einer solchen Dis­kussion teilzunehmen. (Bundesrat Mag. Tusek: Hört! Hört – Zwischenruf des Bundesrates Binna.)

Erstens: Sie können nicht verlangen, dass irgendjemand an einer Diskussion des ÖGB teil­nimmt, wenn er keine Einladung dazu bekommt. (Bundesrat Gasteiger: Es gibt doch auch Na­tio­nalrats­abgeordnete!) – Lassen Sie mich ausreden! Warum sind Sie so nervös? (Bundesrat Gasteiger: Ihr seid nervös!) Sie haben uns in den letzten drei Jahre immer vorgehalten, dass wir nervös sind. Am 24. November 2002 hat Österreichs Bevölkerung eindeutig festgestellt, wer ner­vös sein muss. Und ich halte ausdrücklich fest: nicht die ÖVP! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Bundesrates Konecny.) Umfragen sind eine Sache, Wahlen eine andere. Wahlen abwarten und dann weiterreden, Herr Kollege Konecny!

Jetzt kommen wir wieder zurück nach Tirol. (Bundesrat Gasteiger: Ein schönes Bundesland!) Ich habe gestern mit der Frau Abgeordneten zum Nationalrat Grander gesprochen, und sie hat mir erzählt, dass sie bei einer solchen Diskussion war. Wahrscheinlich ist sie eingeladen wor­den! (Bundesrat Gasteiger: Weiß ich nicht!) Wenn ÖVP-Abgeordnete eingeladen werden, dann gehen sie auch zur Diskussion und stellen sich dieser. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage das genauso, wie Sie Ihre Behauptungen treffen. Da steht Aussage gegen Aussage. Ich als Fraktionsobmann lasse nicht gelten, dass von meinen Kollegen, die hier sitzen, die keine Ein­ladung bekommen haben, hier gesagt wird, dass sie zu keiner Diskussion gegangen sind! Das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen: Wenn jemand nicht eingeladen wird, dann kann er nicht kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insge­samt sieben Anfragen, 2067/J bis 2073/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Montag, der 23. Juni 2003, 9 Uhr in Aussicht genommen. Ich bitte, noch die Plätze zu behalten, es folgt noch eine wichtige Mitteilung!

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustim­mungs­recht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 17. Juni 2003, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.48 Uhr

 

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