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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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756. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Mittwoch, 21. Mai 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

756. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 21. Mai 2008

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. Mai 2008: 9.03 – 17.02 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erlangung der Studien­berechtigung für Studien an Pädagogischen Hochschulen (Hochschul-Studienberechti­gungsgesetz – HStudBerG) erlassen sowie das Hochschulgesetz 2005 und das Privat­schulgesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung 2006 geändert wird

4. Punkt: Grüner Bericht 2007 der Bundesregierung

5. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 LWG 1992

6. Punkt: Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Apothekerkammerge­setz 2001 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Jahresvorschau des BMGFJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008, des 18-Monate-Programms der deut­schen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft sowie des 6-monatigen Schwerpunktprogramms des slowenischen Vorsitzes

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsins­pektion (Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz – VAIG) geändert wird

14. Punkt: Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ih­ren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits samt Anlagen

15. Punkt: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro an­dererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen

16. Punkt: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Albanien ande­rerseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen und Be­richtigungsprotokolle

17. Punkt: Bericht der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegen­heiten an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008

18. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Vizekanzlers Mag. Wilhelm Molterer gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zum Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen .................................................................................... 10

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staats­grenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII durch den Herrn Bundespräsidenten                            10

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte ......................................................................................................................................... 13


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 3

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  22, 98

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 97

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 13

Wahlen in Institutionen

18. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versamm­lung des Europarates              ............................................................................................................................. 111

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 9

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erlangung der Studienberechtigung für Studien an Pädagogischen Hochschulen (Hochschul-Studienberechtigungs­gesetz – HStudBerG) erlassen sowie das Hochschulgesetz 2005 und das Privat­schulgesetz geändert werden (522 d.B. und 533 d.B. sowie 7933/BR d.B. und 7934/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 14

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 14

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 15

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 16

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 18

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 20

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 21

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 22

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 und das Marktord­nungs-Überleitungsgesetz geändert werden (483/A und 550 d.B. sowie 7935/BR d.B.) ................................................................................. 22

Berichterstatter: Reinhard Jany .................................................................................... 22


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 4

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung 2006 geändert wird (551 d.B. sowie 7936/BR d.B.)                   22

Berichterstatter: Reinhard Jany .................................................................................... 22

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 23

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 25

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 28

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 30

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 32

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 37

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 39

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 41

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 41

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Grüner Bericht 2007 der Bundesregierung (III-331-BR/2007 d.B. sowie 7937/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 41

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 42

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 LWG 1992 (III-332-BR/2007 d.B. sowie 7938/BR d.B.) ............................... 41

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 42

6. Punkt: Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jah­resprogramms des Rates (III-337-BR/2008 d.B. sowie 7939/BR d.B.) ................................................................................................................. 41

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 42

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 42

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ..... 46

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 49

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 52

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-331-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-332-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, den Bericht III-337-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 58


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (656/A und 528 d.B. sowie 7940/BR d.B.) .........              59

Berichterstatterin: Christa Vladyka ............................................................................... 59

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 59

Harald Reisenberger .............................................................................................. ..... 62

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 64

Friedrich Hensler .................................................................................................... ..... 65

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundes-Klimaschutzgesetz – Ablehnung .............................................................................  61, 67


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Apothekerkammergesetz 2001 geändert werden (502 d.B. und 529 d.B. sowie 7941/BR d.B.) ................................................................................................................. 67

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 67

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 67

Edgar Mayer .................................................................................................................. 69

Efgani Dönmez ............................................................................................................. 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 71

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (503 d.B. und 530 d.B. sowie 7942/BR d.B.) ...... 72

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 72

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 74

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ..... 75

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 76

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden (504 d.B. und 531 d.B. sowie 7943/BR d.B.) ................................................................. 76

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 76

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 77

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 78

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ..... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 81

11. Punkt: Jahresvorschau des BMGFJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008, des 18-Monate-Programms
der deutschen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft sowie des
6-monatigen Schwerpunktprogramms des slowenischen Vorsitzes (III-341-BR/2008 d.B. sowie 7944/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 81

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 81

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 82

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 84

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 86

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 87

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-341-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 88

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (326 d.B. und 546 d.B. so­wie 7945/BR d.B.) ............ 89

Berichterstatter: Mag. Wolfgang Erlitz ......................................................................... 89

Redner:

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 89

Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwall­ner, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schiffsführerpa­tent – Bodensee – Annahme (E 227-BR/08)            90, 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 91

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (Ver­kehrs-Arbeitsinspektionsgesetz – VAIG) geändert wird (451 d.B. und 545 d.B. so­wie 7946/BR d.B.) ................................................................. 91

Berichterstatter: Mag. Wolfgang Erlitz ......................................................................... 91

Redner/Rednerinnen:

Maria Mosbacher .................................................................................................... ..... 91

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 92

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 94

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Luftver­kehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitglied­staaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits samt Anlagen (468 d.B. und 547 d.B. sowie 7947/BR d.B.) ..................... 95

Berichterstatter: Reinhard Winterauer ......................................................................... 95


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 95

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ..... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 97

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisie­rungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaf­ten und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro anderer­seits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (520 d.B. sowie 7948/BR d.B.) .................................................................. 98

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ......................................................................... 98

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisie­rungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaf­ten und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Albanien andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen und Berichti­gungsprotokolle (521 d.B. sowie 7949/BR d.B.) ......................................... 98

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ......................................................................... 98

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 99

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ... 101

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 102

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 109

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 109

17. Punkt: Bericht der Bundesministerin für europäische und internationale An­gelegenheiten an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitspro­gramm 2008 (III-347-BR/2008 d.B. sowie 7950/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 109

Berichterstatter: Dr. Franz Eduard Kühnel ................................................................ 109

Redner/Rednerinnen:

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 109

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-347-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 111

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Republik.Ausstellung 1918/2008 (2622/J-BR/08)


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 8

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Agrarsubventionen für die Luftfahrt (2623/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Gymnasium Korneuburg (2624/J-BR/08)

Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Personalplanung und Personalzuteilungen in Wien (2625/J-BR/08)

Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend HTL-Karlstein (2626/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erhöhung der Freibeträge für außerge­wöhnliche Belastungen aufgrund von Behinderung (2627/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Maßnahmen ge­gen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2628/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Prioritätenreihung hinsichtlich des Zu­baues zur Justizanstalt Feldkirch (2629/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umgang mit gewalttätigen Asylwerbern (2630/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Prioritätenreihung hinsichtlich des Zubaues zur Justizanstalt Feldkirch (2631/J-BR/08)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierende Handhabung des EU-Freizügigkeitsabkommens durch die Schweiz (2405/AB-BR/08 zu 2614/J-BR/08)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Straßentheater-Festivals Impuls (2406/AB-BR/08 zu 2616/J-BR/08)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterbau beim slowakischen Atomkraftwerk Mo­chovce (2407/AB-BR/08 zu 2615/J-BR/08)


09.03.31


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Helmut Kritzinger: Meine hoch geschätzten Damen und Herren des Bun­desrates! Sehr geehrte Frau Bundesminister Dr. Schmied! Ich darf Sie alle recht herz­lich begrüßen und eröffne die 756. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 755. Sitzung des Bundesrates vom 24. April 2008 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Eva Konrad, Johann Kraml, Juliane Lugsteiner, Günther Molzbichler, Helmut Wiesenegg und Franz Wolfin­ger.

09.04.11Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich gebe bekannt, dass der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes jeweils die Mitteilung gemacht hat, dass sich der Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Norbert Darabos innerhalb des Zeitraumes vom 18. bis 21. Mai 2008 in Israel aufhalten wird und die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures mit seiner Vertretung beziehungsweise dass er nun­mehr am 21. Mai 2008 an ihrer Stelle den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann mit seiner Vertretung beauftragt hat.

Weiters gebe ich bekannt, dass sich der Bundesminister für Soziales und Konsumen­tenschutz Dr. Erwin Buchinger innerhalb des Zeitraumes vom 19. bis 22. Mai 2008 in der Türkei aufhalten wird und die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger mit sei­ner Vertretung beauftragt hat.

Des Weiteren hat der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes jeweils die Mitteilung gemacht, dass sich der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Barten­stein innerhalb des Zeitraumes vom 20. Mai bis 22. Mai 2008 in der Türkei aufhalten wird und Frau Staatssekretärin Christine Marek mit seiner Vertretung beauftragt hat beziehungsweise dass sich die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied am 21. und 22. Mai 2008 in Brüssel aufhalten wird.

09.05.58Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Helmut Kritzinger: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2405/AB bis 2407/AB und der Schreiben des General­sekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Repu­blik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII und

die Aufnahme von Verhandlungen mit der Sonderverwaltung in Hongkong der Volksre­publik China zum Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen und Vermögen

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 10

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Vizekanzlers und Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Anlage 1:

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer

Bundesminister für Finanzen

Bundesministerium

für Finanzen

Herrn Präsident

des Bundesrates

Helmut Kritzinger

Parlament

1017 Wien

Wien, am 6. Mai 2008

GZ: BMF-O10221/0819-IV/4/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 52: Sitzung des Ministerrates am 30. April 2008 Ver­handlungen mit der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zum Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Mit Hongkong besteht derzeit keine Regelung zur Beseitigung der internationalen Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches das Wirt­schaftshindernis der doppelten Besteuerung vermeidet, könnte eine wesentliche Grundlage für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Öster­reich und diesem interessanten Wirtschaftsraum geschaffen werden. Der Aufbau steu­ervertraglicher Beziehungen zu Hongkong liegt somit auch im Interesse der Förderung des Wirtschaftsstandorts Österreich.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

*****

Anlage 2:

Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 11

5. Mai 2008

GZ: BMeiA-SI.8.33.02/0002-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 16. April 2008 (Pkt. 24 des Beschl.-Prot. Nr. 50) der Herr Bundespräsident am 25. April 2008 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Ös­terreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenz­abschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlun­gen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

Bundesministerium für

europäische und internationale

Angelegenheiten

BMeiA-SI.4.36.11/0001-IV.2b/2008

Vertrag zwischen der Republik Österreich

und der Republik Slowenien über

den Verlauf der Staatsgrenze

in den Grenzabschnitten VIII bis XV

und XXII bis XXVII;

Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Mit dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII sollen neue Grenzdokumente über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Repu­blik Österreich und der Republik Slowenien in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII in Kraft gesetzt sowie einige vertragliche Bestimmungen insbesondere aus Gründen der technischen Präzisierung angepasst werden.

Der Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Republik Slo­wenien ist derzeit durch folgende Verträge bestimmt:

Vertrag vom 8. April 1965 zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die gemeinsame Staatsgrenze BGBl. Nr. 229/1966;


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 12

Vertrag vom 29. Oktober 1975 zwischen der Republik Österreich und der Sozialisti­schen Föderativen Republik Jugoslawien über die gemeinsame Staatsgrenze, BGBl. Nr. 585/1976;

Notenwechsel vom 27. Oktober 1979 / 3. März 1980 zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Grenzdokumente für die Abschnitte I und IV der gemeinsamen Staatsgrenze, BGBl. Nr. 288/1981, in der Fassung des Notenwechsel vom 16. Oktober 1992, BGBl. Nr. 714/1993;

Vertrag vom 24. Oktober 1995 zwischen der Republik Österreich und der Republik Slo­wenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten II, IV bis VII und in Teilen der Grenzabschnitte IX und X (regulierter Glanzbach) sowie XIX (regulierter Rischbergbach), BGBl. III Nr. 69/1997.

Die Ständige Österreichisch-Slowenische Grenzkommission hat beschlossen, für die Grenzabschnitte VIII bis XV und XXII bis XXVII der österreichisch-slowenischen Staatsgrenze neue Grenzdokumente zu erstellen. Diese Grenzdokumente beinhalten eine Grenzbeschreibung, ein Koordinatenverzeichnis sowie einen Grenzplan im Maß­stab 1:2000 bzw. 1:5000 (in den Gebirgsabschnitten). Durch die neuen Grenzdoku­mente soll der Verlauf der Staatsgrenze nicht geändert werden, sondern die zahlrei­chen zum Teil aus den Jahren 1920 bis 1923 stammenden Grenzurkunden ersetzt werden.

So verweist beispielsweise der Artikel 1 des Vertrages vom 8. April 1965 auf die Fest­legung der Staatsgrenze durch den Grenzregelungsausschuss und sohin auf den Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye. Vom Grenzregelungsausschuss wurde für jeden Grenzabschnitt (Sektion) ein eigenes Heft (insgesamt 27 großformatige Teilhef­te) angelegt. Die gesamte Staatsgrenze wurde in den Jahren 1958 bis 1961 neu ver­markt. Als Ergebnis dieser Arbeiten wurden für die einzelnen Grenzabschnitte Urkun­den „Ergänzung und Berichtigung zur Beschreibung und zum Plan der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ so­wie zusätzliche Feldskizzen verfasst. Seitens der durch Artikel 21 des Vertrages vom 8. April 1965 eingerichteten Ständigen Gemischten Kommission (Grenzkommission) wurden in fünf periodischen Kontrollen die Grenzzeichen soweit erforderlich instand gesetzt bzw. erneuert und die Vermarkung der Staatsgrenze – soweit erforderlich – er­gänzt. Die von der Grenzkommission verfügten Änderungen und Ergänzungen der Ver­markung sowie Berichtigungen fehlerhafter Vermessungsergebnisse wurde in insge­samt fünf Grenzdokumenten "Ergänzungen und Berichtigungen" festgehalten.

Da die erwähnten Grenzdokumente auf Grund ihres Alters den technischen und auch praktischen Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr entsprechen, wurden die neu­en Grenzdokumente für die Grenzabschnitte VIII bis XV und XXII bis XVII in den Jah­ren 1995 bis 2007 erstellt. Die In-Kraft-Setzung dieser neuen Grenzurkunden bedarf eines entsprechenden Staatsvertrages. Die Ständige Österreichisch‑Slowenische Grenzkommission hat einen diesbezüglichen Vertragsentwurf erarbeitet.

Auf Grund des bereits erwähnten Alters und der technischen Genauigkeit der Grenzdo­kumente waren bei der Erstellung der neuen Grenzdokumente einige geringfügige Un­klarheiten im Grenzverlauf, hervorgerufen durch ungenaue Beschreibung bzw. durch Veränderungen in der Natur, zu klären.

Der geltende Grenzvertrag enthält Regelungen über den Grenzübertritt, über Grenz­übertrittsausweise sowie über Gebühren und Abgaben, die im Hinblick auf die Zugehö­rigkeit beider Staaten zur Europäischen Union und die volle In-Kraft-Setzung des Schengener Vertragswerkes für die Republik Slowenien obsolet geworden sind.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 13

Der Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Geneh­migung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, dem Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit und dem Bundesminister für Finanzen stelle ich den

Antrag

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Valentin Inzko, und im Falle seiner Verhinderung Gesandte-Botschaftsrätin Mag. Erika Bernhard, zur Leitung der Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII zu bevollmächtigen.

Wien, am 9. April 2008

PLASSNIK m.p.

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)

*****

 


Präsident Helmut Kritzinger: Eingelangt ist die Strategische Jahresplanung 2008 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der deutschen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaften, die dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Des Weiteren ist der Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Techno­logie betreffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur, auf­gegliedert nach Bundesländern, eingelangt, der dem Ausschuss für Verkehr, Innova­tion und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Helmut Kritzinger: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 14

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates er­forderlichen Mehrheit angenommen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 4 bis 6 sowie 15 und 16 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

*****

Bevor ich in die Tagesordnung eingehe, gebe ich bekannt, dass ich die Sitzung nach der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 unterbrechen werde, um dem Landeshaupt­mann von Südtirol Luis Durnwalder Gelegenheit zu geben, vor den Mitgliedern des Bundesrates eine Stellungnahme abzugeben.

09.10.371. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem ein Bundesgesetz über die Erlangung der Studienberechtigung für Studien an Pädagogischen Hochschulen (Hochschul-Studienberechtigungsge­setz – HStudBerG) erlassen sowie das Hochschulgesetz 2005 und das Privat­schulgesetz geändert werden (522 d.B. und 533 d.B. sowie 7933/BR d.B. und 7934/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hladny. Ich bitte um den Bericht.

 


9.12.00

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unter­richt, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erlangung der Studienbe­rechtigung für Studien an Pädagogischen Hochschulen erlassen sowie das Hochschul­gesetz 2005 und das Privatschulgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf den Antrag be­schränken kann.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 15

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile ihm das Wort.

 


9.12.17

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Hochschul-Studien­berechtigungsgesetz setzen wir in Österreich eine lange Tradition fort.

1945 hat man in Österreich erstmals die Möglichkeit eingeführt, auch ohne Matura stu­dieren zu können. Das ist eine Zeit lang in Vergessenheit geraten. Es gab nur ganz wenige, die diese Möglichkeit genutzt haben. Dann ist diese Berufsreifeprüfung reakti­viert worden, durch eine Studienberechtigungsprüfung erweitert worden, und heute geht es darum, den Zugang zu den Pädagogischen Hochschulen auch ohne Matura zu ermöglichen, um eben mit entsprechenden Vorkenntnissen, die man sich im Beruf oder anderweitig hat erwerben müssen, und eine Reihe von Prüfungen – maximal fünf Prü­fungen – durch ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Lehrerin oder Lehrer zu werden. Es wird damit eine rechtliche Basis geschaffen, dass auch Personen ohne Matura an Pädagogischen Hochschulen inskribieren können.

Mit diesem Gesetz sorgen wir für vergleichbare Möglichkeiten, wie es sie an den Uni­versitäten bereits gibt, und für die notwendige Durchlässigkeit.

Die Studienberechtigungsprüfung bereitet die Kandidatinnen und Kandidaten gezielt auf ein bestimmtes Studium an einer öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hoch­schule beziehungsweise an einem privaten Studiengang vor. Es ist daher nicht mög­lich, mit der absolvierten Studienberechtigungsprüfung nach diesem Gesetz ein ande­res Studium an einer anderen postsekundären Bildungseinrichtung zu beginnen.

Der Entwurf des Hochschul-Studienberechtigungsgesetzes beinhaltet im Wesentlichen das Zulassungsverfahren und Prüfungsverfahren, die Prüfungsgebiete und Anforderun­gen, die Anerkennung von Prüfungen und Leistungen, Regelungen zur Wiederholung von Studienberechtigungsprüfungen, Regelungen zur Studienberechtigungsprüfungs­kommission und zum Studienberechtigungsprüfungszeugnis.

Ich möchte allerdings eines schon auch noch feststellen: Die gemeinsame Ausbildung aller pädagogischen Berufe ist noch nicht gegeben, denn hier fehlen noch die Kinder­gärtnerinnen und Kindergärtner. Wir sollten uns bemühen, auch den Kindergärtnerin­nen und Kindergärtnern solche Möglichkeiten zu eröffnen, damit wir international nicht mehr die Letzten sind.

Mit diesem Gesetz wurde auf alle Fälle ein weiterer Meilenstein gesetzt, und wir wer­den selbstverständlich diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

9.15


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Schni­der. Ich erteile ihm das Wort.

 



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 16

9.15.40

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zu beiden Punkten dieses Gesetzestextes Stellung nehmen: zu dem einen Punkt, der vom Kollegen Todt schon sehr ausführlich angesprochen worden ist, was die Studienbe­rechtigungsprüfung betrifft, eine kurze Anmerkung, dann auch zum Privatschulgesetz, das im Bericht kaum Erwähnung findet, das wir aber ebenfalls hier besiegeln, wenn ich das so sagen darf.

Zum ersten Punkt: Ich glaube auch, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass es das für die Pädagogischen Hochschulen gibt, denn wir müssen nicht nur schauen, dass die Aka­demikerinnen- und Akademikerquote höher wird – das kann wohl nur eine Neben- und Randbemerkung sein –, sondern dass möglichst viele Menschen mit unterschiedlichen Lernbiographien einen Zugang zu pädagogischen Berufen haben, gerade was Lehre­rinnen und Lehrer betrifft.

Das Zweite, was in diesem Zusammenhang auch sehr, sehr wichtig ist und was ja auch im Vorblatt der Bemerkungen steht: Es ist zurzeit nicht möglich, diesen Text – den Text der Universitäten, die ja ebenfalls solch eine Studienberechtigungsprüfung haben – gleich für die Pädagogischen Hochschulen zu übernehmen, weil es umfangreicher Überarbeitungen bedarf. Das sehe ich auch so, aber ich glaube, wir müssen uns – nicht nur, was die Studienberechtigungsprüfung betrifft, sondern über­haupt – überlegen, wie die Pädagogischen Hochschulen und die Universitäten nicht nur kooperieren, sondern Schritt für Schritt – wie auch immer, ich möchte da nichts vor­wegnehmen – ein Stück zusammenwachsen. Denn eines muss uns wohl klar sein – Herr Kollege Todt hat das ja auch bereits angesprochen –: Die gemeinsame Ausbil­dung der Lehrerinnen und Lehrer muss unsere Zukunftsperspektive sein.

Ich mache deshalb darauf aufmerksam, dass das, was wir heute hier besiegeln, wirk­lich nur eine sehr monolithische Geschichte ist, weil es nur eine Berechtigungsprüfung für die Pädagogischen Hochschulen ist und nicht für die Universitäten, und es umge­kehrt in dem Sinn praktisch auch nicht möglich ist. Da muss man halt schon sagen, es ist ein bisschen eine Einbahnsituation. Ich weise darauf hin – so lese ich dieses Vor­blatt –, dass zwar hier gemeint ist, Einfügung der Pädagogischen Hochschulen und Universitäten, was die Studienberechtigungsprüfung betrifft, aber ich sage einmal, Ein­fügung der Pädagogischen Hochschulen und Universitäten – wie auch immer – muss unsere Zukunftsvision sein. Wir müssen das Schritt für Schritt angehen, sonst bleiben viele Schritte, die wir ja gerade auch in diesem Studien- und Schuljahr gemeinsam ge­setzt haben, wirkungslos.

Ich denke, dass gerade die Lehrerinnen und Lehrer eine gemeinsame Ausbildung, eine gemeinsame Fort- und Weiterbildung brauchen, und wenn sie gemeinsam leben, dann wollen sie natürlich auch gemeinsam arbeiten. Ich glaube, wir könnten dann manche Probleme, die wir zurzeit noch haben, vielleicht nicht nur wunderbar umschiffen, son­dern ganz neu Segeln setzen.

Zweiter Punkt: Privatschulgesetz. Ich bin sehr froh darüber, dass es nun die Aufnah­me dieser Diktion, was die Subventionen betrifft, gibt, denn das war bis dato nicht im Hochschulgesetz 2005 enthalten, dass die privaten und vor allem jetzt hier in Öster­reich die konfessionellen Hochschulen erfasst waren – und da gibt es immerhin vier kirchliche Hochschulen und eine kirchliche Hochschuleinrichtung, nämlich die in Kla­genfurt –, die das notwendigerweise brauchen, weil sie sonst um zwei Dinge umfallen, die es bisher sehr wohl gegeben hat an den Akademien, nämlich was das Personal


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 17

und auch andere Mittel betrifft, gerade wenn wir jetzt an die pädagogischen Institute und auf der anderen Seite an die religionspädagogischen Institute denken.

Dass das in den letzten Monaten aber nicht im luftleeren Raum vor sich gegangen ist, ist auch klar, denn es gab sehr wohl eine Verbal-Note des Außenministeriums zwi­schen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl, mit deren Hilfe das geregelt wurde. Das wurde also jetzt im Nachhinein ins Hochschulgesetz 2005 eingebracht, und ich halte das für sehr notwendig.

Auch hiezu möchte ich zwei kurze Bemerkungen machen.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass das, was für die öffentlichen Hochschulen gilt, auch für die privaten Hochschulen gilt. Wir sprechen jetzt über die konfessionellen Hochschulen, aber ich meine jetzt nicht nur die konfessionellen, sondern die privaten Hochschulen überhaupt. Dass für diese die Möglichkeit besteht, eine Ausbildung anzu­bieten, steht außer Frage, es muss aber sehr wohl auch Fort- und Weiterbildung ange­boten werden können.

Ich kenne aus den Diskussionen der letzten Monate auch ein bisschen die Ängste, die sich darauf beziehen, dass es zwar Studiengänge für das Volksschul-, Sonderschul- und Hauptschul-Lehramt – abhängig davon, wofür man sich in diesem ersten Zyklus akkreditieren ließ – gibt, dass man in der Folge aber keine Fort- und Weiterbildung an­bieten kann. Auch das ist jetzt geregelt. Es findet sich allerdings in dieser Regelung auch die Formulierung: „nach Maßgabe der Mittel und der Möglichkeiten“, die ich auch verstehen kann.

Ich halte es, wenn man von „Maßgabe“ spricht, für wichtig, dass wir auch überlegen, welche Kriterien zählen. Eines fällt mir ein, und dieses möchte ich hier auch erwähnen: Ein ganz wichtiger Punkt für mich ist, ob die Pädagogischen Hochschulen – sowohl die öffentlichen als auch die konfessionellen – bereit sind, mit anderen tertiären Einrichtun­gen und natürlich vor allem mit den Universitäten zu kooperieren. – Ich glaube, wir müssen den Mut haben, dass auch Studiengänge für Lehrämter übergreifend angebo­ten werden und dass wir hier ein paar erste Schritte setzen, damit das sozusagen zu­sammenwachsen kann. Das ist gesetzlich bereits im Hochschulgesetz 2005 festgelegt, denn darin lautet ein wichtiger Punkt, dass Kooperationen nicht sein können, sondern sein müssen.

Ich glaube, das muss man manchen Damen und Herren jetzt schon noch hinter die Ohren schreiben: Es geht nicht darum, dass jeder sein Süppchen anbietet und meint, er oder sie sei der beste Koch oder die beste Köchin, sondern ich meine, wir sollten endlich beginnen, gemeinsam eine Küche zu betreuen und darauf zu achten, dass wir da oder dort auch Gemeinsames aufziehen. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Neue Mittelschule erinnern, weil ich glaube, diesbezüglich gäbe es Möglichkeiten, et­was gemeinsam anzubieten.

Wichtig ist mir, wie gesagt, dass, wenn einer Pädagogischen Hochschule vom Ministe­rium zugesagt wird, dass sie eine Ausbildung anbieten darf, ob das jetzt eine Lehr­amtsausbildung für Volksschule, Hauptschule oder Sonderschule ist, selbstverständlich auch dazugehört, dass man für diese Lehrerinnen und Lehrer auch eine Fort- und Wei­terbildung anbieten muss. Wir haben nämlich immer schon gesagt, dass es der we­sentliche Mehrwert der Pädagogischen Hochschule im Gegensatz zu anderen Hoch­schulen ist, dass Aus-, Fort- und Weiterbildung ein integrierender Bestandteil und ein wichtiger Prozess sind.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 18

Hören wir doch auf, die Ausbildung immer mehr auszuweiten, und bieten wir stattdes­sen eine vernünftige Fort- und Weiterbildung an, die sozusagen verpflichtender als bis jetzt ist! Das soll wesentlich dazugehören, damit auch ein stärkeres Zusammenwach­sen erfolgen kann.

Ein letzter Punkt: Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass jetzt gesichert ist, wohin die Praxisschulen gehören. Darüber gab es in den letzten Wochen und Monaten eine rela­tiv lange Diskussion. Ich bin sehr froh darüber, dass das jetzt klar gesagt ist. Ich habe nichts gegen den Landesschulrat beziehungsweise gegen den Herrn Präsidenten, aber ich sage es jetzt trotzdem: Es gab immer eine Diskussion, ob die Praxisschulen zum Landesschulrat oder zum Ministerium gehören. – Jetzt ist eindeutig ausgesprochen, dass sie zum Ministerium gehören. Das halte ich auch insofern für wichtig, weil die Hochschulen auch dort angesiedelt sind.

Wenn wir uns ernst nehmen und nun eine Stätte geschaffen haben, in der es um Aus-, Fort- und Weiterbildung auch insofern geht, als wir Übungsfelder schaffen, dann kön­nen wir nicht die eingegliederten Praxisschulen irgendjemandem zuordnen – wobei der Landesschulrat ja nicht irgendjemand ist, das ist mir auch klar! –, sondern dann gehö­ren eben auch die Praxisschulen wie alle Hochschulen zum Ministerium.

Ich bin dafür, dass diese Regelung getroffen wurde, sehr dankbar. Das wurde jetzt ein­deutig ins Gesetz aufgenommen, und in Anbetracht dessen glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.

Ich habe auch manche Punkte aufgezeigt, bei denen noch großer Handlungsbedarf be­steht. Ich meine aber, dass es ja gerade das Spannende am politischen Wirken und Tun ist, dass wir noch viel vor uns haben und nie sagen können: Wir haben schon alles geleistet! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.25


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


9.25.26

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen Todt und Schnider, es ist dies wieder einmal ein Bereich, in dem wir uns fast in trauter Harmonie befinden, denn auch wir werden diesem Gesetz gerne un­sere Zustimmung geben.

Allerdings möchte ich Kollegen Todt doch ein bisschen einschränken. Er muss ein bisschen fassoniert werden, wenn er meint, es sei dies ein riesiger Meilenstein. Der Rede des Kollegen Schnider ist nämlich zu entnehmen, dass es eigentlich noch mehr Punkte gibt, bezüglich welcher noch dringender Handlungsbedarf besteht. Wir respek­tieren aber die Bemühungen der Frau Bundesministerin, hier Bewegung hineinzubrin­gen und hinsichtlich dieser ganz gewaltigen, dornenreichen Baustelle Schule, Bildung und Ausbildung neue Maßstäbe zu setzen. Kollege Todt, ich meine, es ist dies ein Baustein, aber kein Meilenstein!

Ich gehe jetzt auf verschiedene Punkte ein, die Kollege Schnider angeführt hat. – Es ist wichtig, die Möglichkeit einer Studienberechtigungsprüfung auch an den Pädagogi­schen Hochschulen einzuräumen. Es ist wichtig, dass Menschen aus unterschiedlichen sozialen und beruflichen Erfahrungen die Möglichkeit haben, zu lehren. Als Lehrender an einer Fachhochschule sehe ich selbst, dass sich Kollegen und Kolleginnen aus


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 19

ganz unterschiedlichen Bereichen bereit erklären, Wissen und damit auch soziale Kompetenz zu vermitteln. Ich meine, dass ein Teil der Wissensvermittlung auch die Vermittlung sozialer Kompetenz ist, und die Fähigkeit dazu erhöht sich vielfach, wenn man selbst beispielsweise vorher eine ungewöhnliche Karriere gemacht hat und nicht nur den gradlinigen Weg einer pädagogischen Ausbildung gegangen ist.

Kollege Todt hat recht: Seit 1945 wurden sehr viele Menschen über die Studienberech­tigungsprüfung dem Studium zugeführt. Früher war ein Grund für deren Notwendigkeit oft auch die mangelnde Mobilität. – Ich selbst komme als Arbeiterkind aus einem be­nachteiligten Tal in Tirol, und auch ich brauchte eine Studienberechtigungsprüfung, die ich dann in Wien ablegte.

Auf diese Weise haben wir die Akademikerquote generell gehoben, und dass diese Möglichkeit des Studienzugangs nun auch im Bereich der Pädagogischen Hochschu­len besteht, ist längst überfällig.

Ich bitte aber sowohl Kollegen Todt als auch Sie, Frau Bundesministerin, das zu be­denken, was Herr Kollege Schnider gesagt hat, dass wir nämlich derzeit an zwei ver­schiedenen Anstalten Lehrer und Lehrerinnen ausbilden und deren Durchlässigkeit nicht gegeben ist. So kann zum Beispiel jemand, der für den Grundschulunterricht aus­gebildet wurde, mit dieser Ausbildung nicht an ein Gymnasium wechseln.

Kollege Todt hat gemeint, dass hier die Kindergärtner und Kindergärtnerinnen fehlen. Ja, das trifft zu, aber es fehlen auch die Sozialpädagogen, die Erzieher und Erzieherin­nen. Ich meine, wir brauchen generell mehr Flexibilität. Ich finde immer die Vorstellung wahnsinnig, dass jemand von seinem 20. Lebensjahr bis zur Pensionierung beispiels­weise Kindergärtnerin ist. Das ist ein Irrsinn! Wir brauchen innerhalb dieser Berufe auch Möglichkeiten des Switchens, des Umsteigens, damit man auch andere Bereiche kennenlernen kann.

Kollege Schnider hat recht: Die Ausbildung für das Lehramt ist nicht auf die Dauer be­schränkt, bis man die Befähigung zu lehren hat, sondern die eigentliche Ausbildung be­ginnt erst nachher. In einem 30- bis 40-jährigen Berufsleben eines Lehrers oder einer Lehrerin und für alle, die pädagogisch tätig sind, gibt es eine lange Strecke der Ausbil­dung, um auf dem neuesten Stand zu sein und neue Erkenntnisse einfließen zu las­sen. Das nennen wir Fortbildung, und diese muss disziplinenübergreifend gemischt sein. Ich meine nämlich, es sollen auch Lehrer und Lehrerinnen wissen, welche Proble­me es im Bereich der Kindergärten gibt und umgekehrt.

Das heißt, wir brauchen einen Austausch an Informationen und Erfahrungen, und des­halb ist es so wichtig, Frau Bundesministerin, dass wir das Ziel der Durchlässigkeit in den pädagogischen Berufen, auch in der Ausbildung, nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir diesbezüglich sozusagen zu einem Stamm kommen. Irgendwann kann es dann auch Verästelungen geben. Wenn es aber einen Grundstock in der Ausbildung gibt, dann ist es auch möglich, später im Laufe des Be­rufslebens aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen zu wechseln.

In diesem Sinne, sehr geehrte Frau Bundesministerin, bitte ich Sie: Lassen Sie nicht nach, an einer gemeinsamen Ausbildung zu arbeiten! Ich glaube, das ist wichtig, und wir werden den heutigen Schritt, der einen Baustein im Rahmen dieser Reform dar­stellt, gerne unterstützen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

9.31



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 20

Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


9.31.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stim­me meinen beiden Herren Vorrednern Schnider und Schennach zu: Ja, das ist ein Baustein! Auch ich sehe das so. Es ist dies ein Baustein in einer Debatte, die in Fluss gekommen ist, und das halte ich gerade im Bildungsbereich für durchaus positiv, selbst wenn ich nicht immer mit allem einverstanden bin wie etwa mit der Gesamtschule. Ich meine, es ist wichtig, hier Schritt um Schritt zu setzen und immer wieder auch auf Ver­änderungen in der Gesellschaft einzugehen und vor allem Durchlässigkeit im Bildungs­system sicherzustellen.

Was mir aber insgesamt nicht nur bei der Hochschule, sondern auch im Schulbereich ein besonders wichtiges Anliegen ist, sind Treffen wie der gestrige Schulpartnergipfel, der von der Österreichischen Schülerunion initiiert wurde und bei dem Sie leider gefehlt haben, Frau Minister! Wir Politiker durften daran als Beobachter teilnehmen, und es war interessant zu sehen, wo es Differenzen und wo es Konsens zwischen Eltern, Schülern und Lehrern gibt. – Ich hoffe daher, dass bald wieder ein solcher Schulpart­nergipfel stattfinden kann, weil ich das erstens für eine wirklich sinnvolle und zielfüh­rende Einrichtung halte und weil ich mir zweitens wünsche, dass dann Sie, Frau Minis­ter, auch Zeit haben werden, daran teilzunehmen. Ich glaube nämlich, dass auf diese Weise im Vorfeld einer Gesetzwerdung viele Missverständnisse beseitigt werden kön­nen und vielleicht auch Unverständnis von der einen oder anderen Seite ausgeräumt werden kann und wir uns daher vielleicht so manches in der Debatte zum Gesetzes­vorschlag ersparen könnten.

Dass mit dieser Regierungsvorlage die Voraussetzung geschaffen wird, dass ein Stu­dium an den Pädagogischen Hochschulen jetzt auch mit einer Studienberechtigungs­prüfung begonnen werden kann, ist eindeutig zu begrüßen. Ebenfalls zu begrüßen ist, dass die Meisterprüfung nicht nur als Voraussetzung, sondern auch als Teil der Stu­dienberechtigungsprüfung anerkannt wird, was übrigens auf eine Anregung der FPÖ zurückzuführen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Ihr reklamiert Punkte, die ihr eingebracht habt, ja auch gern für euch!

Jedenfalls ist diese Möglichkeit sehr erfreulich, weil damit auch die Facharbeit aufge­wertet wird. Es ist für das Schulwesen insgesamt und auch für die Entwicklung des späteren Lehrers oder der späteren Lehrerin positiv, wenn sie schon Erfahrungen in einem Beruf gesammelt haben. Ich habe es für den Bereich der Lehrerschaft immer schon für notwendig befunden, dass sie ihre Nase schon in einen – unter Anführungs­zeichen – „normalen Beruf“ gesteckt haben, weil damit Praxis- und Lebensnähe ge­schaffen wird, und das betrifft im Wesentlichen die AHS-Lehrer.

Ich habe es nie für gut befunden, dass die künftigen Lehrer von der Schule an die Uni und dann gleich in die Schule kommen. Ich meine, man sollte darüber nachdenken, ob man da nicht irgendein Praxisjahr einbinden kann. Es ist aber, wie gesagt, positiv, dass jetzt die Facharbeit entsprechend anerkannt wird.

Kollege Schnider hat zur Studienberechtigungsprüfung gesagt, dass er es als eine ge­wisse Einschränkung empfindet, dass man diese jetzt nur an der Pädagogischen Hochschule machen kann. Dazu muss ich sagen: Das ist auch bei anderen Studien­richtungen so. Man kann mit einer Studienberechtigungsprüfung an der Universität


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 21

zwar eine Reihe von Studien, die einander ähnlich sind, aufnehmen, wenn ich mich aber beispielsweise entschlossen habe, Kommunikationswissenschaften zu studieren, und mir dann plötzlich einfällt, dass mich Jus eigentlich mehr interessiert, dann muss ich dort ja auch die entsprechenden Prüfungen ablegen.

Es ist auch positiv, dass die Studienkommission die näheren Bestimmungen über die Durchführung, Wiederholung und Beurteilung der Studienberechtigungsprüfung im ge­setzlichen Rahmen selbst festlegen kann, weil ich glaube, dass auch das ein Stück­chen mehr Freiheit für die Studienkommission ist, die sie, wie ich hoffe, auch immer gut handhaben wird.

Kritisieren möchte ich schon ein bisschen, dass die konfessionellen Pädagogischen Hochschulen mit in das Gesetz aufgenommen wurden. Das ist zwar logisch, weil ja die pädagogischen Institute im Privatschulgesetz verankert waren und es das Konkordat gibt, unsere Kritik betrifft aber immer die Tatsache, dass es diesbezüglich gegenüber anderen Privatschulen leider eine Ungleichheit beziehungsweise Ungerechtigkeit gibt. Das heißt aber nicht, dass ich die konfessionellen Schulen oder Hochschulen deswe­gen beschränken möchte. Man sollte aber grundsätzlich einmal darüber nachdenken, ob man den Vorteil, den die konfessionellen Schulen durch das Konkordat haben, nicht auch auf andere private Schulen beziehungsweise Hochschulen ausdehnen kann.

Insgesamt ist diese Regierungsvorlage zu begrüßen, und ich werde ihr gerne zustim­men. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

9.36


Präsident Helmut Kritzinger: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied das Wort. – Bitte.

 


9.36.58

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Lieber Herr Dr. Schnider! Ich freue mich sehr über die breite Zustimmung zu diesem Gesetzesantrag. Aus meiner Sicht ist das eine formale Notwendigkeit und eine wichtige rechtliche Grundlage für je­ne Personengruppe, die gerne an den Pädagogischen Hochschulen studieren möchte.

Ich unterstreiche, dass ich schon in der Diskussion im Unterrichtsausschuss des Natio­nalrates den Vorstoß von Herrn Abgeordnetem Dr. Graf sehr begrüßt habe, jetzt auch die Meisterprüfung als Befähigungsprüfung anzuerkennen, nämlich als Wahlfach zur Studienberechtigungsprüfung. Ich halte das für ganz wichtig, denn es ist entscheidend, auch jene Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen, die dies gerne tun möchten, die den emotionalen Hintergrund mitbringen, die aber gleichzeitig auch die Erfahrungen aus anderen Berufsfeldern mit einbringen können.

Ich freue mich über die breite Zustimmung zu diesem Gesetzesantrag. Diese gibt es nicht immer bei bildungspolitischen Gesetzesanträgen und Vorschlägen. Außerdem darf ich hier an dieser Stelle zum wiederholten Male sagen, dass ich die bildungspoliti­sche Diskussion und die Anregungen, die ich hier aus Ihrem Kreis immer mitnehmen darf, außerordentlich schätze. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit!

Abschließend möchte ich noch ergänzen, dass ich in regelmäßigen Abständen selbst­verständlich auch zu Schulpartnergipfeln einlade. Ich pflege die Zusammenarbeit mit den Schulpartnern sehr, und ich werde mir erlauben, zu den nächsten Schulpartnertref­fen auch die für den Bildungsbereich zuständigen Mitglieder des Bundesrates herzlich einzuladen. – Vielen Dank für die Kooperation! (Allgemeiner Beifall.)

9.38



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 22

Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wie bereits angekündigt, unterbreche ich jetzt die Sitzung. Herr Landeshauptmann Durnwalder wird gleich eintreffen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

09.40.00(Die Sitzung wird um 9.40 Uhr unterbrochen und um 11 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

11.00.002. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 und das Marktordnungs-Über­leitungsgesetz geändert werden (483/A und 550 d.B. sowie 7935/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung 2006 geändert wird (551 d.B. sowie 7936/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 ist Herr Bundesrat Jany. Ich bitte um die Be­richte.

 


11.00.20

Berichterstatter Reinhard Jany: Frau Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 23

ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung 2006 geändert wird.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile ihm dieses.

 


11.01.50

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirtschaft in Österreich und deren Entwicklung unterliegen einem komplizierten Reglement, das ohne Frage notwendig ist. Daher brauchen wir auch eine bauernf­reundliche Marktordnung. Doch was „bauernfreundlich“ ist, darüber gehen die Meinun­gen weit auseinander. Die Interessen innerhalb der österreichischen Landwirtschaft sind breit gestreut. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass kleine Betriebe in ohnehin strukturschwachen Regionen nicht zu den großen Nutznießern der Agrarför­derungen zählen. Leider konnten wir bisher diese Behauptung nur schwer beweisen, weil um das Förderungswesen in Österreich generell und besonders betreffend Sub­ventionen für die Landwirtschaft ein großes Geheimnis gemacht wurde.

Die Verschleierung der Subventionen, wie viel landwirtschaftliche Betriebe bekommen müssen, um zu überleben, sorgt für Neid unter den Bauern und Bäuerinnen. Andere Teile der Gesellschaft staunen über die hohen Summen, mit denen die österreichische Landwirtschaft gefördert werden muss, um überhaupt konkurrenzfähig zu bleiben. Mit der Offenlegung der Subventionen an die einzelnen Betriebe wird vielleicht auch trans­parent, wohin der Großteil der Gelder fließt. Man wird draufkommen, dass es nicht die kleinen Bergbauern sind, die die großen Stücke des Kuchens abbekommen.

Es ist schon immer eine Forderung der Grünen, die Vergabe von öffentlichen Geldern auch der Öffentlichkeit zuzumuten. Dass sich die VertreterInnen des Bauernbundes jahrelang dagegen gewehrt haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Gut ist, dass wir jetzt endlich europäische Standards erreichen werden.

In Oberösterreich haben wir die Veröffentlichung des Förderberichtes durchgesetzt. Nun können Sie im Internet nachschauen, wer wie viele öffentliche Gelder bekommt. Sie können sich vorstellen, wie groß die Bedenken der Wirtschaftstreibenden und vor


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allem ihrer VertreterInnen war. (Bundesrat Kneifel: Nein, das stimmt nicht! Das ist ein Nonsens!) Bisher funktioniert diese Art der Kontrolle, nämlich der Kontrolle der Öffent­lichkeit, sehr gut.

Die Transparenz der Subventionen ist für uns eindeutig ein erster, wenn auch noch kleiner Schritt in die richtige Richtung. (Bundesrat Perhab: Das sind keine Subventio­nen! Ausgleichszahlungen!)

Was uns Grünen noch wichtig ist – und da liegt noch ein weiter Weg vor uns –, ist die Verteilungsgerechtigkeit. Die Produktionsbedingungen innerhalb der Landwirtschaft sind sehr unterschiedlich. Böden und Klima sowie die strukturellen Bedingungen unter­liegen einer breiten Varianz. Der wirtschaftliche Erfolg eines landwirtschaftlichen Be­triebes hängt von vielen Faktoren ab, die unbeeinflussbar sind. Gleichzeitig aber nimmt die Antragstellung auf Förderungen eine immer zentralere Stellung für den einzelnen Bauern beziehungsweise die einzelne Bäuerin ein.

Dass es bei unserem Klima relativ leicht zu Härtefällen kommen kann, ist jederzeit nachvollziehbar. Wir Grüne treten immer für eine Anpassung der Härtefallregelung ein. Es freut uns, dass jetzt jene Betriebe, die gar keine Prämie bekommen haben, zumin­dest in die Regelung miteinbezogen worden sind. Was uns aber bei Weitem noch nicht zufriedenstellt, ist die Dotierung des Härtefonds. Wir treten dafür ein, den Härtefonds so aufzustocken, um zumindest einen regionalen Durchschnitt der Prämien für alle Be­triebe garantieren zu können.

Wir haben in Österreich einen Landwirtschaftsminister, der gleichzeitig auch Umweltmi­nister ist (Bundesrat Köberl: Das hat sich bewährt!), und man könnte das so sehen, dass der Umweltminister die Agrarpolitik im Sinne einer gesunden ökologischen Ent­wicklung unseres Landes gestaltet. – Dies ist jedoch leider nicht der Fall. Für eine um­fassende Ökologisierung der Landwirtschaft, die vor allem der Umwelt und der Ge­sundheit der Menschen zugute käme, wird nur so viel getan, wie es gerade notwendig ist. (Zwischenrufe bei der övp.)

Ich möchte das auch an einem Beispiel festmachen. Die Gentechnikfreiheit bei den Energiepflanzen ist ein gutes Beispiel dafür. Davon ist im Gesetz kein einziges Wort zu finden. Und obwohl wir der Energiegewinnung auf Nahrungsmittelbasis ohnehin sehr kritisch gegenüberstehen, potenziert sich die Problematik, wenn dazu auch nur gene­tisch manipulierte Pflanzen zum Einsatz kommen. Wir brauchen Gesetze, die uns auch präventiv vor Schaden schützen – das wurde in diesem Gesetz leider Gottes vernach­lässigt. Wir haben inzwischen erlebt, dass die Kommission eine Entscheidung getroffen hat, die gar nicht in unserem Sinne ist. Nun haben wir zwar ein neues Gesetz, aber auf die Gefahren der genmanipulierten Pflanzen nimmt es leider keine Rücksicht.

Wir werden heute der neuen Marktordnung nicht zustimmen, weil wir sie für ungerecht und nicht ausgewogen halten und weil sie Antworten auf wichtige Fragen der Zukunft schuldig bleibt.

Der Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung werden wir unsere Zustimmung ertei­len. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

11.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kalina. Ich erteile ihm dieses. (Ruf bei der ÖVP: Lauter landwirtschaftli­che „Experten“!)

 



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11.07.05

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Ich freue mich über das Vorschusslob. – Herr Minister! Frau Präsidentin! Ich darf heute, wie Sie ja schon bemerkt haben, zum ersten Mal zu diesem wichtigen Thema sprechen und möchte zunächst als Einleitung allen in der Landwirtschaft in Österreich Tätigen auch namens meiner Fraktion meine Hoch­achtung aussprechen. Sie alle leisten schwere Arbeit und für unser Land sehr wichtige Arbeit in diesem sehr schwierigen Bereich. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir beschließen heute nach der Marktordnungsgesetz-Novelle im letzten Jahr neuer­lich eine Novellierung zur Marktordnung. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber nicht unerwähnt lassen – Sie wissen das alle –: Das war ein nicht ganz reibungsloser Prozess. Es waren monatelange und zähe Verhandlungen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Untypisch für diese Koalition!) – Der Herr Bundesminister merkt an, wenn ich das zu Protokoll geben darf: untypisch für die Koalition. – Aber diese langen Ver­handlungen haben sich gelohnt, denn letztendlich zählen am Ende von Verhandlungen die Ergebnisse, und ich glaube, die Ergebnisse können sich sehen lassen. Wir werden daher dieser Novellierung natürlich zustimmen.

Was uns so wichtig ist in diesem Zusammenhang, was unsere Fraktion in diesen lan­gen Verhandlungen auch eingebracht hat, ist, mehr Gerechtigkeit zu schaffen, Rechts­sicherheit und vor allem natürlich auch Transparenz zu schaffen. Das prägt die Ergeb­nisse dieser beiden Novellen. Das ist uns wichtig gewesen, und das haben wir gemein­sam zuwege gebracht.

Man darf auch den Anlass nicht vergessen. Es war der Verfassungsgerichtshof, der hier Dinge aufgehoben hat, die unhaltbar waren, die von unseren Vertretern auch an­gefochten wurden. Wir konnten mit dieser Novelle die Verfassungskonformität der ge­samten Marktordnung wiederherstellen. Auch das gibt, glaube ich, eine gewisse Rechtssicherheit für die in der Landwirtschaft Beschäftigten.

Eine ganz wichtige Zielsetzung unserer Fraktion, für die wir sehr lange gekämpft ha­ben, ist in diesem Zusammenhang eine gerechtere Aufteilung der Milchquoten in ganz Österreich. In Zukunft werden diese Quoten aliquot auf alle Bauern aufgeteilt werden. Es wird bei dieser Verteilung niemand mehr durch den Rost fallen. Hätten wir das schon früher gehabt, wie wir das auch gefordert haben, im Jahr 2003 zum Beispiel – das war der Anlassfall für die Klage unseres SPÖ-Bauernobmannes Franz Hochegger, wenn man das in Erinnerung rufen darf –, dann hätte das damals zum Beispiel bedeu­tet, dass 38 000 Milchbauern, die zu diesem Zeitpunkt, als diese Regelung noch nicht gegolten hat, leer ausgingen, eine Förderung, ein Kontingent erhalten hätten.

Was man auch erwähnen muss, ist etwas, das wir im Zusammenhang mit der Betriebs­prämie durchgesetzt haben – da gibt es eben immer diesen Unterschied zwischen un­seren Fraktionen; ihr (in Richtung ÖVP) seid mehr für die Großen in allen Bereichen und wir für die Kleinen, aber das haben wir durchgesetzt –: Für Neueinsteiger gibt es die Betriebsprämie bereits ab einer Größe von 4 Hektar und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, ab 12 Hektar. Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Erfolg für die kleinen Bauern, denen wir uns eben besonders verbunden fühlen.

Ganz besonders wichtig ist mir persönlich und unserer Fraktion diese Härtefall-Kom­mission im Zusammenhang mit den Betriebsprämien, die wir geschaffen haben. Wir konnten die ÖVP davon überzeugen, dass solch eine Kommission eingerichtet wird, die mit Vertretern der Regierungsparteien, neutralen Experten und betroffenen Bauern beschickt wird, und die prüfen seither die Härtefälle bei den Betriebsprämien. Es freut


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mich wirklich, dass ich in der kurzen Zeit, in der ich mich diesem Thema widme, schon erleben durfte, dass die erste Sitzung dieser Härtefall-Kommission wirklich herzeigbare Ergebnisse gebracht hat.

So hat jetzt zum Beispiel eine Bäuerin aus Oberösterreich – ich kann mich gut daran erinnern: es war eine meiner ersten Pressekonferenzen zu diesem Thema, und da saß diese Frau neben mir und hat ihren Fall geschildert, der aus meiner Sicht vollkommen klar lag –, die trotz langwierigem Prozess von der Landwirtschaftskammer nichts be­kommen hat, die von allen Bundes- und Landesstellen mit ihrem Antrag auf Förderung immer wieder abgewiesen wurde, von dieser von uns durchgesetzten Härtefall-Kom­mission Recht zugesprochen bekommen, und sie bekommt damit rückwirkend einen beachtlichen Förderungsbeitrag. Das zeigt, dass sich der Einsatz für diese Härtefall-Kommission schon gelohnt hat. Es freut mich, dass wir das, wenn auch in einem schwierigen Prozess, gemeinsam durchsetzen konnten.

Ich streiche das alles deswegen so hervor, weil das für uns Sozialdemokraten bei der Beurteilung, bei der politischen Beurteilung im Rahmen unserer Tätigkeit eben das Wichtigste ist: auch in der Agrarpolitik soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung, Ar­beitsplätze, auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum. An dieser Stelle möchte ich Ihnen bei allem Positiven an dieser Novelle doch ein paar Zahlen zur Kenntnis bringen, die, wie ich glaube, uns allen Sorge machen müssen, und wir müssen daran arbeiten, dass diese Entwicklung nicht in diesem Ausmaß voranschreitet.

Ich nenne an vorderster Stelle den wirklich eklatanten Arbeitsplatz- und Beschäfti­gungsverlust in diesem Bereich. Seit 1999 sind nach Berichten aus Ihrem Ministerium bis zum Jahr 2005 über 50 000 Arbeitsplätze im ländlichen Bereich verloren gegangen. In dieser Zeit, von 1999 bis 2005, haben auch viel zu viele vor allem kleine Bergbau­ern, Biobauern ihre Höfe für immer zusperren müssen – trotz einer beträchtlichen För­derung. Das muss uns, glaube ich, zu denken geben: dass hier sehr viel Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und der KonsumentInnen hineingepumpt wird, in den meisten Fällen zu Recht natürlich, aber die Entwicklung in diesem Bereich muss uns sehr sorgenvoll stimmen, Herr Minister.

1999 gab es noch – laut Ihrem Bericht – 217 508 Betriebe, sechs Jahre später waren es nur mehr 189 591 Betriebe. Das sind um 27 917 weniger, und das bedeutet: pro Jahr sind 4 653 Bauernhöfe für immer weg, pro Tag – über diese Zeit gerechnet, für die Sie auch politisch verantwortlich sind und die Verantwortung übernehmen müs­sen – mussten 13 Bauernhöfe für immer die Stalltür zusperren.

Noch schlechter war die Entwicklung bedauerlicherweise in dem Bereich, für den wir uns gemeinsam besonders einsetzen: für die Bergbauern. Dort hat es, auch in dieser Zeit, einen wahren Kahlschlag gegeben.

Ich glaube, dass uns diese Entwicklung angesichts der Diskussionen über Subventio­nen, über Lebensmittelpreise, über diesen Bereich eben Sorge machen muss und wir Rezepte finden müssen, wie wir zu einer verstärkten Beschäftigung im ländlichen Raum, zu der die Bauern, aber eben nicht nur sie, zählen, kommen. Das muss uns ein Anliegen sein, dass wir da weiterkommen.

Jetzt gibt es genau in diesem Bereich eine Neuentwicklung. Seit gestern oder vorges­tern liegen von der EU-Kommission – ich glaube, Sie waren dort – neue Pläne vor. In einem Punkt: Abschaffung der Milchquoten, weiß ich, dass wir gemeinsam dafür eintre­ten, dass wir für die Beibehaltung einer Mengenregulierung sind. Das ist eine offizielle Regierungslinie, weil wir der Meinung sind, dass ohne Milchquote die Sicherung der


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Produktion im Berggebiet nur sehr schwer möglich sein wird. In Anbetracht der Tatsa­che, dass diese österreichische Position in Brüssel sehr schwer nachvollziehbar ist – sagen wir einmal so –, muss Österreich mit aller Kraft für eine Nachfolgeregelung für diese Milchquote eintreten. Diese Alternative muss in der Lage sein, die Vieh- und Milchproduktion in den Berggebieten zukunftsfähig abzusichern.

Ich komme nun zu einem anderen Bereich, für den wir eingetreten sind und der natür­lich auch zu heftigen Diskussionen geführt hat: zur Frage der Transparenz der Förde­rungen. In diesem Bereich hat die österreichische Position der letzten Jahre wahrlich nicht für ein Ruhmesblatt für Österreich gesorgt, weil wir – nicht wir, eher Sie – gegen die Transparenz waren. Ich glaube, das ist nicht geschickt, auch nicht für den bäuerli­chen Sektor, weil Transparenz immer auch eine Grundlage für gute Akzeptanz ist. Nach 16 EU-Mitgliedstaaten wird nunmehr auch Österreich – auch auf unser Drängen hin – die Empfänger von Brüsseler Agrarbeihilfen bekannt geben.

Auch in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen ein paar Zahlen zu Gemüte führen, die uns ebenfalls Sorgen machen müssen. Ich glaube, dass das, was jetzt aktuell in Brüssel passieren wird, zwar in die richtige Richtung geht, aber viel zu wenig ist, um eine Verbesserung der Situation im ländlichen Raum zu erzielen. In Österreich ist es nach wie vor so, dass die obersten 4 Prozent der Subventionsempfänger mehr als 19 Prozent der Subventionen erhalten. Die untersten 29 Prozent, also das unterste Drittel, um es grob zu sagen, bekommen nur 4 Prozent des Geldes. Die obersten be­kommen im Durchschnitt fast 57 000 € Förderungen und die untersten im Durchschnitt nur 1 600 €. Und das ist keine gute Entwicklung!

Daneben gibt es noch die Empfänger allerallerhöchster Summen, die auch ausgewie­sen sind. Nur ein paar „Schmankerln“ dazu: Fürst Liechtenstein: 1,7 Millionen €, das Gut Waldbott-Bassenheim: 1,1 Millionen €, Graf Hardegg: 970 000 €, und so weiter und so fort. Das sind die wahren, die überproportionalen Profiteure der derzeitigen För­derungsrichtlinie, und das ist nicht gut.

Deshalb begrüße ich an sich die Entwicklung, die die EU-Kommission jetzt vorschlägt, aber sie geht viel zu wenig weit. In den ursprünglichen Vorstellungen der Kommission war enthalten, dass man diese Förderungen für die Groß- und Größtbetriebe um bis zu 45 Prozent reduziert. Davon ist leider nicht viel übrig geblieben. Es wurde viel zu wenig gemacht. Und da geht es jetzt nicht um Neid auf Große, sondern da geht es darum, dass man mit dem Geld etwas viel Besseres machen könnte, vor allem, wenn man das alles unter landwirtschaftliche Förderung, Ökologie und so weiter zusammenfasst.

Ich denke, die Ziele, die sich die EU setzt, sind gut, aber mit diesen Maßnahmen wird viel zu wenig erreicht. Wir glauben, viel gescheiter wäre es, die Förderungen für die Größtbetriebe, die auch oft gar nicht gut ökologisch wirtschaften, deutlicher zu kürzen und dafür den ländlichen Raum zu fördern. Klimaschutz, Wassermanagement, erneu­erbare Energien, Biodiversität – das steht alles drin in den Programmen, aber man könnte natürlich noch viel mehr erreichen, gerade auch für Österreich – wo wir doch viel mehr kleinere Landwirte haben und es um das Bauernsterben geht –, wenn man nicht so zaghaft vorginge.

Ich möchte zum Schluss kommen und sagen: Genau diese Transparenzregelung ist et­was, von der wir uns erhoffen, dass die kleineren Bauern, die Bergbauern, die Biobau­ern profitieren werden, weil es in Österreich natürlich auch von den KonsumentInnen und Steuerzahlern als gerecht empfunden wird, dass man diese sehr schwer arbeiten­den Menschen unterstützt.


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Das ist ein ganz wichtiges Kapital der Landwirtschaft, dieses Vertrauen der Konsumen­tinnen und Konsumenten. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir einen kurzen Ausflug in die Aktualität der Lebensmittelpreise. Vielleicht, Herr Minister, können wir auch da – wenn es sein muss auch wieder in zähen und harten Verhandlungen – ge­meinsam etwas erreichen. Es ist frappant, wie sehr die Lebensmittelpreise steigen; weit höher als die durchschnittliche Inflation. Man muss sich doch fragen: Woran liegt das? In den meisten Fällen, nach den mir zugänglichen Informationen, sind es nicht die Bauern, die in erheblichem Maß davon profitieren. Das sagen ja auch die Vertreter der Landwirte.

Der Handel wehrt sich auch und sagt: Wir sind nicht die, die da abcashen! – Aber ir­gendwo muss ja die Diskrepanz zwischen 3,5 Prozent Durchschnittsinflation und 15, 20, 18, 27 Prozent Preiserhöhung bei Käse, Milch, Brot, Gebäck im Lebensmittelregal liegen, Herr Minister! Das sollte man einmal gemeinsam anschauen.

Die Situation in Bayern und Österreich ist ganz unterschiedlich. In Bayern ist die Milch für die Konsumenten billiger – und die Bauern bekommen trotzdem mehr als in Öster­reich, wo die Milch teurer ist, aber die Bauern, wie gesagt, weniger bekommen. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Das sind die Zahlen, die vorliegen. Das ist Ihnen nicht ange­nehm, es ist aber so.

Daher sollte man schauen, ob es da Kartelle, ob es da Absprachen gibt. Und wenn es die Bauern nicht sind und wenn es der Handel nicht ist, wie kann dann diese Entwick­lung eintreten? Gibt es irgendwelche kartellartigen, genossenschaftsartigen Einrichtungen, die da irgendwo dazwischen sitzen und dazu beitragen, dass der Kon­sument unter dieser Entwicklung leidet, teilweise sogar weniger kaufen kann, dass aber auf der anderen Seite die Bauern trotzdem der Meinung sind, dass sie noch im­mer keinen gerechten Anteil bekommen?

In dieser Frage erwarte ich mir Initiativen von Ihnen, denn Sie sind dafür zuständig. Unsere Unterstützung dabei, herauszufinden, woran das liegt, haben Sie auf jeden Fall! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile ihm dieses.

 


11.21.39

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Wir sprechen heute über die Marktordnung und einige Änderungen, die in diesem Bereich durchgeführt werden. Die Marktordnung ist so etwas wie der Kollektivvertrag für die Bauern in Österreich.

Ich danke meinem Vorredner, dem Herrn Kollegen Kalina, der seit gestern stellvertre­tender Vorsitzender des Agrarausschusses ist, dafür, dass er ein klares Bekenntnis zu den Leistungen der Bauern abgelegt hat und dass er sich auch Sorgen um die Ent­wicklung der Landwirtschaft macht. Wir brauchen aber neben der mentalen Unterstüt­zung auch immer wieder finanzielle Unterstützung, und Aussagen wie: 50 Prozent we­niger für die Bauern!, sind in diesem Fall nicht hilfreich.

Worum geht es jetzt bei der Marktordnung, bei den Veränderungen? – Wir haben zum einen Vereinfachungen bei Verstößen gegen Cross-Compliance-Maßnahmen hier um­gesetzt. Es gibt eine Stärkung für die Erzeugergemeinschaften, Österreich wird im Weinbausektor einen größeren Spielraum bei Rodungen erhalten, Schulmilchlieferan-


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ten werden besser unterstützt, und, was auch schon diskutiert wurde, die Ausgleichs­zahlungen an die Landwirte werden transparent gestaltet. Es geht da nicht um Förde­rungen, sondern um Ausgleichszahlungen für Benachteiligungen, die wir in Österreich aufgrund unserer Produktion haben. Es geht da vor allem aber auch um Umweltleistun­gen im Bereich der ländlichen Entwicklung, der ÖPUL-Zahlungen.

Es wäre, glaube ich, nicht richtig – um nicht zusagen: verkehrt –, würden wir hier eine stärkere Größenstaffelung als bisher einführen, weil ja auf der Fläche eine Leistung für die Umwelt erbracht wird. Egal, ob ich eine Begrünungsmaßnahme oder eine Extensi­vierungsmaßnahme durchführe, es ist eine Umweltleistung, die pro Hektar erbracht wird. Und das gilt für jeden Betrieb, ob größerer oder kleinerer Betrieb. Eine Differen­zierung zwischen groß und klein ist verbal sehr leicht durchzuführen, aber tatsächlich statistisch nicht durchführbar. Darum sollten wir, glaube ich, von der österreichischen Landwirtschaft und nicht von den großen und den kleinen Bauern sprechen.

Es ist aber auch gut, dass hier – ich bin dankbar dafür, dass hier eine, wenn auch nicht einfache, aber doch eine Einigung erzielt werden konnte – eine Regelung für die extre­men Härtefälle im Bereich der Betriebsprämie herbeigeführt werden konnte.

Ein wesentlicher Ansatz – das ist ein eigener Tagesordnungspunkt – ist die Zuteilung der neu entstandenen Milchquote durch die Aufstockung seitens der EU. Wir stehen dazu, dass die Milchquote linear auf alle Betriebe aufgeteilt wird. Aber damit entsteht ein System – und das ist bereits ein Vorgriff auf das in der EU diskutierte System der Abschaffung der Milchquote –, für das wir in Österreich und auch die Kollegen in Deutschland nicht eintreten, aber leider Gottes sonst ganz Europa. Wir spüren momen­tan auch bereits den Druck, der durch die Erhöhung der Milchquote und die Ankündi­gung der Abschaffung entsteht.

Österreich ist in der Produktion, vor allem in der Produktion im Bereich der Milchwirt­schaft nicht mit Europa vergleichbar. Wir haben unsere Berggebiete, die marktferner sind, die höhere Transportkosten verursachen, die kleinere Betriebe aufweisen, die nicht mit holländischen oder norddeutschen Betrieben verglichen werden können.

Die Senkung des Milchpreises wurde bereits vor Pfingsten angekündigt und hat inner­halb der Milchwirtschaft und der Milchbauern zu heftigen Reaktionen geführt. So hat der niederösterreichische Bauernbund am 13. Mai zu einer Demonstration aufgerufen, um den Handelsketten – seien es „Rewe“, „Spar“ oder „Hofer“, die diese Milchpreissen­kung eingeleitet haben – zu signalisieren, dass als Lock- und Fangangebote in den Su­permärkten nicht Agrarprodukte, speziell Milch, dienen sollen. 500 Bauern haben da ein kräftiges Signal gesetzt, weil diese Milchpreissenkung beim Konsumenten vielleicht 8 oder 10 € ausmachen würde, bei den einzelnen Betrieben aber von 1 000 bis 3 000 € die Rede ist.

Ich glaube, es gilt, darüber nachzudenken, welch begleitende Maßnahmen wir in Ös­terreich, wenn diese Milchquote aufgestockt oder abgeschafft wird, durchführen kön­nen, wie wir ähnlich der Mutterkuhprämie eine Milchkuhprämie etablieren können, wie Transportkosten reduziert oder abgefangen werden können, wie Kontrollgebühren übernommen werden können.

Geschätzte Damen und Herren! Die Marktordnung stellt eine Sicherheit für die österrei­chische Landwirtschaft, aber auch für die österreichischen Konsumenten dar, und des­halb stimmen wir diesen Veränderungen zu. (Beifall bei der ÖVP.)

11.27



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 30

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. Ich erteile ihm dieses.

 


11.27.22

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zum Marktordnungsgesetz, Punkt 2, und zur Referenz­mengen-Zuteilungs-Verordnung, Punkt 3 der Tagesordnung, möchte ich einige Anmer­kungen machen. Vorher möchte ich aber noch Bundesrat Kalina zu seiner Aussage, die er heute getätigt hat, beglückwünschen. Er ist der erste Generalsekretär der Sozia­listischen Partei Österreichs (Bundesrat Mag. Klug: Sozialdemokratie!), der sich so of­fen zu den österreichischen Bauern bekennt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Kolle­ge, liebe Kollegen! Ihr habt 50 Jahre Zeit gehabt, Agrarpolitik zu machen, und was ist das Ergebnis? – Die Hälfte der Bauern gibt es nicht mehr.

Herr Kollege Kalina, vielleicht wäre es nicht schlecht – vielleicht könnte man den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler davon überzeugen –, an der Seite des Herrn Bundesministers einen Staatssekretär zu installieren. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Boden: Kalina!) Liebe Kollegen von der ÖVP, mit dieser politischen Einstel­lung zum Wohle der österreichischen Bauern wäre gerade solch ein Mann gut; viel­leicht hätte er auch Durchsetzungsvermögen innerhalb der SPÖ. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist die Frage, ob er das dann morgen noch sein darf oder nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kollegen! Positiv sind die Aus­sagen von Herrn Kalina betreffend Transparenz und Rechtssicherheit. Ich bin davon überzeugt, dass man das bisher im Großen und Ganzen gemacht hat, aber es gibt im­mer wieder Probleme, Herr Minister, das ist Ihnen bekannt, und da haben wir alle ge­meinsam viel zu tun. Aber, Herr Staatssekretär, ah, Herr ... (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Boden: Jetzt brauchen wir es nur noch zu beschließen!)

Herr Kollege Kalina, Sie haben ein Beispiel gebracht, das uns alle nachdenklich macht. Mein Beispiel, liebe Kollegen: Bei einer Semmel bekommt ein Bauer nur 5 Prozent. Da­rüber sollte man nachdenken.

Über diese Frage, die Kollege Kalina heute hier zur Diskussion gestellt hat, sollten wir nicht hinweggehen. Das ist die Kernfrage, liebe Kollegen, die uns alle angeht. Das ist bei der Milch so, das ist beim Fleisch so, ja das ist überall so. Unsere Väter haben ge­sagt: 50 Prozent dem Bauern und 50 Prozent dem Handel und für Steuern. Das heißt, der Konsument hat noch einmal so viel gezahlt, als der Bauer bekommen hat.

Heute kommen wir hinten und vorn nicht mehr zusammen, die Konsumenten können nicht mehr zahlen, die Bauern sollen in Zukunft weniger bekommen. Und wenn sich einer von den bäuerlichen Vertretern – auch vom Bauernbund – aufregt, dann wird er eliminiert, wenn er sich für die Bauern zu viel einsetzt. Das hat man in Oberösterreich ja gesehen: Ein Bauernvertreter, der sehr gut und standhaft war, der geglaubt hat, für die Bauern etwas erreichen zu können, war am nächsten Tag eben nicht mehr der Bauernvertreter – weg war er.

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich schon zu einem Thema, das mich ... (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Liebe Kollegen, für uns ist die Verteilungsgerechtigkeit wich­tig. Herr Bundesminister, da sollten wir uns alle sehr, sehr bemühen. Es gibt Fälle, die nicht notwendig wären, die so manchen zum Nachdenken bringen. Und da, glaube ich, besteht Handlungsbedarf.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 31

Rodung bestehender Weinreben: Herr Bundesminister! Ich bin davon überzeugt, dass in Österreich keine Weinpantscherei betrieben wird und es eigentlich keinen Grund da­für gibt, dass wir in Zukunft 4 000 ha Weinflächen außer Ertrag setzen.

Es gibt Weinpantscherei in Europa, etwa in Spanien und Italien. Dort müssen wir den Hebel ansetzen, Herr Minister. Und wo werden wir in Zukunft den Wein hernehmen, wenn wir in Europa 200 000 ha Rebeflächen roden sollen? Ich bin davon überzeugt, dann werden wir Wein wahrscheinlich aus Afrika und Amerika importieren müssen. (Bundesrat Perhab: Von der Steiermark!) Bitte schön, wir reden von ganz Europa, Kol­lege. Wenn wir 200 000 ha roden sollten und dafür über 500 Millionen € zur Verfügung stehen, dann glaube ich, dass das eigentlich sehr, sehr viel ist und man darüber nach­denken sollte.

Herr Bundesminister, eine Obst- und Gemüsereform ist sehr sinnvoll; diese soll durch­gezogen werden.

Abschaffung der Bagatellgrenzen bei Förderungen. – Herr Bundesminister! Das hat auch etwas für sich. Da sind wir, glaube ich, auch einer Meinung. Das soll so gemacht werden, dass es nachvollziehbar ist, aber die ganze Bürokratie nicht wesentlich mehr ausmacht.

Aufstockung der Milchquote. – Herr Bundesminister, da bin ich nicht Ihrer Meinung! Wissen Sie, was wir machen? – Wir haben in Österreich immer das Problem, wenn
die Bauern etwas bekommen, dann sollen sie mehr arbeiten. Dann wird eine Quo-
te festgelegt, über die Quote haben sie ein bisschen mehr Milchproduktion, und so-
mit können sie ihr Einkommen verbessern. Keinem Beamten mute ich das zu, kei-
nem Arbeiter mute ich das zu, dass er über Mehrleistung sein Einkommen verbessert. Das gilt nur für die Bauern, Herr Bundesminister. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll.)

Gehen wir der Sache auf den Grund. So war es ja immer: Wir haben bei der Milch über 100 Prozent. Wir wissen, dass so viel Milch nach Italien geht; wir wissen, dass wir schon so viel exportieren müssen. Herr Bundesminister, wenn wir eine Quote haben, dann sollte man sie auch verteilen. Und da hat Kollege Preineder schon recht: Wir soll­ten bezüglich der Quote das tun, was für unsere Bauern gut und notwendig ist. Sonst würden wir nämlich in Zukunft gerade im Berggebiet große Probleme bekommen, denn das Berggebiet ist einfach ein Milchproduktionsgebiet und ein Rinderhaltungsgebiet, und dort ist es notwendig. Aber, Herr Bundesminister, diese Entwicklung ist für uns meiner Meinung nach nicht die richtige.

Zur Agrarpolitik nach 2013: Herr Bundesminister, wir haben alle Sorge, weil wir wissen, es wird weltweit zu einer großen Streiterei kommen, wenn wir Energie produzieren oder wenn wir Grundnahrungsmittel produzieren. Und wer wird auf der Strecke blei­ben? Herr Bundesminister, ich hoffe, dass Österreich zuerst das tägliche Brot sichert. Das, glaube ich, muss Priorität haben!

Herr Kollege Kalina, das muss Priorität haben: Grundnahrungsmittel zu Preisen, die der Konsument bezahlen kann, und der Bauer nicht Subventionsempfänger ist, son­dern jener, der für seine Leistungen im Rahmen der Produktion, aber auch der Erhal­tung der Struktur den Lohn bekommt. (Beifall des Bundesrates Mitterer.) Und das soll­te, glaube ich, für uns, liebe Kollegen, Anlass sein, den Herrn Bundesminister bei die­sen ganzen Fragen zu unterstützen.

Herr Bundesminister, ich habe Ihnen einige Probleme aufgezeigt. Denken Sie darüber nach!


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 32

Noch ganz kurz zu einem Problem, und zwar zu jenem der Biobauern. Herr Bundesmi­nister, wir haben in Österreich so viele Biobauern wie in keinem Land der 27 EU-Staa­ten. Es werden jetzt weniger, es bleibt aber die Fläche. Und da gibt es ein Problem, und da hat auch der Herr Staats... (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), der Herr Gene­ralsekretär nicht unrecht. Wissen Sie, wo das Problem ist, Herr Minister? Seien Sie doch einmal bereit, sich mit den Bauern, den Biobauern, den Futterzulieferanten und den Abnehmern zusammenzusetzen! Das sind nämlich jene, die den Bauern die Fut­termittel verkaufen, und auch jene, die ihnen auch das Produkt abnehmen. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Ja, Herr Minister, aber was dazwi­schen bleibt. Ich muss nämlich als Biobetrieb ein bestimmtes Futtermittel kaufen, ich kann es nicht woanders kaufen, sondern das ist vorgeschrieben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Biofuttermittel!) Ja, genau, Biofuttermittel. Die können den Preis dort vor­schreiben, und der Bauer muss das zahlen, weil er woanders keines bekommt.

Das Nächste: Beim Endprodukt ist der Bauer dann wieder ausgeliefert, weil dann sagt Billa oder jemand anderer: Liebe Bauern! Nur das ist möglich. – Deswegen hören die Bauern auf. Herr Bundesminister, da ist Handlungsbedarf! Ich würde Sie bitten, ma­chen Sie jetzt einen Österreich-Gipfel. Da sind dann die Produzenten, da sind die Fut­termittellieferanten, aber auch die Abnehmer dabei, und da werden wir sehen, wo das Ganze wirklich hinführt. So kann es nicht gehen! – Danke schön. (Beifall des Bundes­rates Mitterer.)

11.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


11.37.32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Lieber Herr Staatssekretär!) Also eines hätte ich mir heute nicht gedacht, als ich in der Früh aufgestanden bin: dass ich in den Bundesrat gehe und mit einem Staatssekretär nach Hause. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Aber auch das wird zwischen Fast-Nachbarn irgendwie zu managen sein, lieber Josef Kalina.

Aber zurück zum Thema, das wir heute hier besprechen, zur Frage Marktordnungsge­setz und Umsetzung auch hier im Bundesrat und zur Diskussion, von der ich auch glaube, dass es notwendig ist, dass sie in allen Facetten geführt wurde und wird, näm­lich auch über Themen, die über die Marktordnung hinweg jetzt angesprochen wurden, etwa Preissituation und vieles andere.

Zum Ersten, zur Marktordnung selbst: Ich will meine Ausführungen da relativ kurz hal­ten. Das Marktordnungsgesetz selber ist so etwas – das wurde schon gesagt – wie der Kollektivvertrag und gibt in verschiedenen Bereichen den Rahmen vor, etwa wie die Ausgleichszahlungen zu platzieren sind, wie sie abgewickelt werden und wie in den einzelnen Produktbereichen, jetzt im Konkreten mit der Novelle im Obst- und Gemüse­sektor, in der Frage des Weinbaus – ich werde dann noch auf die Ausführungen Sigi Kampls zurückkommen –, zum Teil auch Vorgaben der Europäischen Union umgesetzt werden, auch hinsichtlich Verwaltungsvereinfachung, mit Bagatellgrenzen und deren Beseitigung oder deren Einziehen bei 100 € – eine Hilfe stellt die De-minimis-Regel dar –, und so weiter und so fort, bis hin zu einer für Österreich wichtigen Frage: Umset­zung der Milchquoten, Zuteilung für Österreich.


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Sie wissen, dass ich in dieser Frage immer dagegen war, dass für ganz Europa die Milchquote erhöht wird. Aber für mich war klar – obwohl wir eine Abstimmungsniederla­ge in Brüssel erlitten haben –, dass wir das dann, wenn die Milchquotenerhöhung für alle europäischen Bauern kommt, trotz unseres Widerstandes auch in Österreich um­zusetzen haben, und zwar im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähig­keit unserer Milchbauern. Und dass das mit dem Marktordnungsgesetz gelungen ist, halte ich für sehr, sehr wichtig, auch die Frage der Öffnung, der Transparenz.

Zu dem, was Josef Kalina angesprochen hat: Ja, ich habe mich dagegen gewehrt – ich stehe nach wie vor dazu –, dass Transparenz von öffentlichen Transferzahlungen – und um die geht es – im bäuerlichen Bereich in Österreich, zugeordnet Adresse, Na­me, Summe und Leistungen, herrscht.

Für mich ist vollkommen klar, dass nach Beschlussfassung dieses Marktordnungsge­setzes nach den Vorgaben der Europäischen Union, Transparenz zu ermöglichen, wir diese Transparenz in Österreich zügig umzusetzen haben. Aber an dem Tag, an dem die Bauern mit Adresse und mit der Summe ihres Gewinns und ihrer Leistungen im In­ternet stehen werden, werden wir die Debatte um alle anderen öffentlichen Transfer­zahlungen in dieser Republik, wie etwa Sozialhilfe und viele andere Dinge, und um de­ren Veröffentlichung eröffnen – aus Sicht der Gerechtigkeit und der Fairness und vieler anderer Dinge, die Josef Kalina hier angesprochen hat! Wir werden dann sehen, wie die Diskussionskultur in den Parteien Österreichs bei dem Thema „öffentliche Transfer­zahlungen“ wirklich ist.

Das wird eine spannende Debatte sein, eine Debatte, die uns sehr beschäftigen wird. Wir werden das natürlich abgrenzen, wir werden diskutieren, welche Dinge das sein werden, wir werden das präzisieren. Klar ist aber, dass man nicht nur von der Landwirt­schaft allein Transparenz einfordern kann.

Zweiter Punkt: Bauernsterben in Österreich, ein Thema, das sowohl Josef Kalina als auch Siegfried Kampl angesprochen hat. – Ich habe mir das genau angeschaut und kann sagen: Zwei Vergleichszahlen machen uns sicher: Von 2003, als ich die Verant­wortung für das Landwirtschaftsressort übernommen habe, bis 2008 haben vier bäuer­liche Betriebe pro Tag zugesperrt. Jeder Betrieb ist einer zu viel! Von 1970 bis 1986, als es im Landwirtschaftsressort eine sozialdemokratische Führung gab, haben 14 bäuerliche Betriebe pro Tag zugesperrt.

Das ist der Vergleich, der uns sicher macht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das größte Bauernsterben in Österreich gab es in den siebziger und achtziger Jahren. Damals waren andere in der Verantwortung. Ich weise nur darauf hin, dass man dann, wenn man Daten nennt, die ganze Zeit dieser Geschichte der Zweiten Republik zu se­hen hat und nicht auf einem Auge blind sein darf.

Dritter Punkt: Nahrungsmittelpreise. – Da ist die spannende Frage die: Warum entwi­ckeln sich die Nahrungsmittelpreise weltweit und auch in Europa und in Österreich so explosiv? Mit dieser Frage hat sich die Europäische Kommission beschäftigt und nun die Gründe dafür genannt.

Da gibt es zunächst einmal einen temporären Grund, das ist der vorrangige, und den hat die Europäische Kommission am Montag beim Agrarministerrat präsentiert, und zwar ist das die katastrophale Missernte weltweit im Jahr 2007. Deshalb wird das Jahr 2007 kein Normjahr sein.


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Weiters gibt es strukturelle Elemente, und da sind zwei davon hochinteressant, weil sie – und Agrarökonomen weisen darauf schon seit längerer Zeit mit Besorgnis hin – einen unmittelbaren Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion haben. Das Erste ist die Energieexplosion. Die Landwirtschaft ist eine energiereiche Produktionsart. Das Zweite ist der Umstand, dass seit 1999 die Düngemittelpreise in Österreich, in Europa und weltweit um 350 Prozent stiegen. Wir wissen, dass dann, wenn in der ökonomischen Struktur der Input, wie Düngemittel, sehr teuer wird, die Bauern bei schlechten Erzeu­gerpreisen – und das war bis letztes Jahr so – auf Dünger verzichten. Und nun haben wir seit 2000 das Phänomen, dass die Erträge in Europa und weltweit pro Hektar zu­rückgehen.

Weniger Input aus ökologischen Gründen ist wünschenswert und richtig, um es klar und deutlich zu sagen, führt aber, wenn ökonomisch bedingt, weil zu teuer, dazu, dass die Produktion zurückgefahren wird. Und jetzt, 2008, stehen wir erstmals vor der riesi­gen Herausforderung, dass international die Lager leer sind, dass viel weniger geerntet wurde – wegen katastrophaler Missernten gab es pro Hektar schlechtere Erträge – und dass nun die FAO dazu aufruft, alles in die Intensität der Landwirtschaft zu stecken, um weltweit die Ernährung sicherzustellen. Das ist eine große Herausforderung für uns!

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen: Wer verdient an der Lebens­mittelpreisentwicklung? Sind das die Bauern, der Handel oder die Zwischenstufen, wie wird das aufgeteilt?

Wir haben in Österreich ein weiteres Phänomen – und dem muss man, Josef Kalina, auf den Grund gehen –: Kein anderes Land verkauft so viele Bioprodukte, die im Regal teurer sind als andere, wie Österreich. Wir hatten in Österreich schon 2007 zweistellige Prozentzuwächse beim Absatz von Bioprodukten. Das ist gut und super so. Diese Pro­dukte sind wesentlich teurer, werden aber trotzdem freiwillig im Regal gewählt.

Wird wirklich ernsthaft über Nahrungsmittelpreise diskutiert, wenn pro Jahr jeder Haus­halt Nahrungsmittel im Wert von 300 € in den Müll wirft? Das heißt: 300 € pro Jahr und Haushalt werden weggeworfen! Auch das ist ein Thema, das angesprochen werden muss.

Nächster Punkt: Leistbarkeit. Und da ist auch der Vergleich mit Deutschland interes­sant. – In der Frage der Leistbarkeit dürfen wir nicht die High-Level-Produkte im Biobe­reich als Preisstandard für die Allgemeinheit sehen, sondern müssen ins Regal schau­en, und dort werden wir zum Beispiel bei der Milch eine Wahlfreiheit zwischen 70 Cent und 1,10 € sehen. Und der Vergleich mit Bayern macht uns da sicher!

Bei Brot beispielsweise ist es so, dass die Deutschen und die Engländer und viele an­dere Europäer im Regal fünf bis zehn Sorten Brot vorfinden. In Österreich hingegen gibt es in einem mittleren Supermarkt fünfzig verschiedene Sorten Frischbrot im Ange­bot. Dass dann das Preisniveau ein durchschnittlich höheres ist, das ist ganz klar, denn dieser Umstand muss mit ins Treffen geführt werden. Aber trotzdem können auch bei uns die Konsumenten im Durchschnittssegment des Mischbrotes zu selben Preisen kaufen wie in ganz Europa. Da muss man mit wahren Fakten und Daten arbeiten, nicht mit Emotionen!

Noch eines zur Preisentwicklung: Wir erwarten für heuer weltweit eine sehr gute Ernte. Die ersten Ernteschätzungen lauten auf 650 Millionen Tonnen Getreide, also deutlich mehr als 2007. Infolgedessen sind die Preise für Weizen seit Anfang 2008 im Getreide­bereich von 300 € pro Tonne schon auf 220 € pro Tonne gefallen. Das heißt, die Preise im Agrarbereich sind auf Talfahrt. Und da heißt es nun, darauf zu achten, dass diese Entwicklung an den Konsumentenbereich durch Senkung der Preise weitergegeben


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wird. Der Sozialminister wird in seiner Verantwortung als Konsumentenschützer ge­meinsam mit dem Wirtschaftsminister sehr intensiv dafür zu sorgen haben, dass sich diese Preisentwicklung auch bei den Nahrungsmitteln in den Regalen entsprechend niederschlägt.

Nun, bevor ich auf den Weinbau als abschließenden Punkt zu sprechen komme, zur Frage „Gentechnik“ und zu Ihrem Vorwurf in diesem Zusammenhang, Herr Abgeordne­ter Dönmez. – Solch einen Vorwurf habe ich überhaupt noch nicht gehört, gerade von einem Grünen nicht. Zeigen Sie mir ein Land, wo der Widerstand gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut so geschlossen vorhanden ist wie in Öster­reich! Wir haben eine exponierte Rolle in Europa. Es gibt von mir seit 2003 nicht einen Millimeter Abweichung von dieser konsequenten Rolle. Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass zum Beispiel die Tschechische Republik – ich glaube, da regieren Grüne mit, soferne ich recht habe – uns in dieser Frage überhaupt nicht unterstützt. Kolle­ge Bursik ist auf Tauchstation. Dort sollte man intervenieren und Sorge dafür tragen, dass die Allianzen halten. Das wäre ein wichtiger Hinweis für Sie! Wir werden in Öster­reich den gentechnikfreien Kurs im Anbau ganz konsequent halten. Da gibt es keinen Millimeter Abweichung von meiner Seite her. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Boden und Ing. Kampl.)

Dazu brauchen wir keine Umsetzung im Marktordnungsgesetz, weil die Gentechnikge­setzgebung ganz woandershin ressortiert. Das ist gut so. Der Bereich Gentechnikge­setzgebung ist nicht im Landwirtschaftsressort angesiedelt, sondern bei der Gesund­heitsministerin, die die Gentechnikvorsorgegesetze mit den Ländern gemeinsam umzu­setzen hat.

Nun zum letzten Punkt, zum Weinbau. – Kollege Kampl, da Kärnten ein Bundesland ohne Weinbau ist, lasse ich gewisse Unschärfen in der Diskussion zu, aber so weit darf es dann doch nicht gehen, dass alle Zahlen vertauscht werden. (Heiterkeit.)

Wir hatten in Europa folgende Herausforderungen bei der Weinmarktordnung: Es wur­den 500 Millionen € pro Jahr in die Versprittung von Überschussweinen investiert. In Europa hatten wir eine Überschussmenge, die vor allem in den südlichen Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland produziert wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Ganz normale Weine, die nicht zu verkaufen waren, wurden versprittet, und dafür hat Europa 500 Millionen € ausgegeben.

Was tun wir jetzt bei der Weinmarktordnung? – Wir nehmen, was aus unserer Sicht ab­solut logisch ist, 200 000 Hektar Fläche in Europa heraus, zahlen dafür einmalig, und zwar geschieht das vor allem in den obgenannten Ländern. Österreich kann bis zu 4 000 Hektar roden, muss aber nicht. Wir werden gemeinsam mit der Branche diskutie­ren, wo. Die besten Lagen müssen geschützt werden. Das ist aber kein Thema für Ös­terreich. Mir ist es jedoch wichtig, dass die EU endlich einmal Geld in die Hand nimmt, um den Überschuss zu reduzieren, anstatt jährlich die sinnlose Versprittung von Wei­nen zu unterstützen.

Das macht doch Sinn! Und das tun wir mit dieser Weinmarktordnung, und deswegen haben wir dieser auch zugestimmt, und ich bin froh darüber, dass sie jetzt in der Markt­ordnung in Österreich auch die entsprechende Umsetzung gefunden hat.

Insgesamt werden sehr spannende Diskussionen rund um die Landwirtschaftspolitik geführt. Ich war letzte Woche in New York bei der Nachhaltigkeitskonferenz. Ich war dort eigentlich in meiner Funktion als Umweltminister. Es standen aber dort Landwirt­schaft und Ernährungssicherheit absolut im Mittelpunkt der Diskussion.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 36

Ich denke, dass wir in dieser Frage eines nicht brauchen können, Herr Bundesrat Kali­na – etwas, was aus sozialdemokratischer Grundkultur natürlich legitim ist –, nämlich Groß und Klein gegeneinander auszuspielen. Bei diesem Thema ist es wichtig, Daten und Fakten zu nennen, ganz emotionslos zu argumentieren.

Ich selbst komme aus einem kleinbäuerlichen Betrieb. Mein Bruder bewirtschaftet ihn mit 20, 30 Hektar: Weinbaubetrieb, Ackerbaubetrieb, ein klassischer mittlerer Betrieb.

Ich meine, bei diesem Thema sind vor allem zwei Dinge zu sehen. Das erste ist: Wa­rum gibt es Ausgleichszahlungen pro Hektar? – Weil in den siebziger und achtziger Jahren – übrigens auch noch 2007, erst die Hälfte seit 1975 – die Preise um die Hälfte reduziert wurden, wurden in der Union pro Hektar Ausgleichszahlungen gegeben. Und da hat ein Landwirt mit tausend Hektar den gleichen Preis- und Einkommensverlust ge­habt wie ein Landwirt mit zehn Hektar, also pro Hektar den gleichen Verlust, und dafür sind die gleichen Ausgleichszahlungen gegeben worden.

Wir haben die Preise für Getreide reduziert, und da hat jeder pro Hektar, egal ob er einen kleinen oder einen großen Betrieb hatte, denselben Schaden gehabt und daher dieselbe Ausgleichszahlung bekommen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Fairness.

Jetzt kommen Sie aber daher und sagen: Ein Betrieb, der groß ist, der soll jetzt nicht drankommen! – Ich sage Ihnen dazu: Gerade Großbetriebe haben, was die Ökologisie­rung in Österreich betrifft, die Rolle der Vorbildwirkung eingenommen, und zwar im Norden Niederösterreichs mit Wasserverbundprojekten, mit Öko-Systemen, weil sie viel Fläche zur Verfügung haben. Das ist keine Beschönigung, sondern ich will nur die Relationen aufzeigen. (Bundesrat Kalina: Sonst sperren ja vier bäuerliche Betriebe zu!)

Die nächste Frage ist eine ökonomische. – Ich bin Ihrer Meinung, dass wir die Großbe­triebe deckeln und zurückführen sollen. Das, was die Kommission vorgeschlagen hat, ist aus meiner Sicht ein gangbarer Weg: dass man über hunderttausend Hektar zu­rückführt.

Sie haben dann gesagt, da gehörte noch mehr getan, viel mehr – sagen wir: das Dop­pelte, oder ich weiß nicht, wie viel Sie wollen. Ich sage Ihnen nur die Relation, um wie viel es da geht.

Wir geben in Österreich 7 Milliarden € im Bereich der ländlichen Entwicklung bis
zum Jahre 2013 aus. Die Großbetriebe über hunderttausend Hektar sind sage und schreibe knapp über 70 Betriebe, und diese 70 Betriebe werden nach dem jetzigen Vorschlag der Union für die Umschichtung, für die Kürzung 4 Millionen € bringen. (Bundesrat Kalina: Super!)

Herr Bundesrat Kalina, das ist verspieltes Geld! Wenn es im April einmal nicht regnet, haben das die anderen Bauern im Ertrag in einer oder in zwei Stunden verloren. Das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. 4 Millionen € gegenüber 4 Milliar­den € ist die Relation. Deswegen sage ich: Führen wir hier keine Neid-Debatte, son­dern legen wir die Daten und Fakten auf den Tisch!

Ja zum Bekenntnis, dass Größenstaffelungen hergehören, dass reduziert werden muss – das hat Österreich immer vertreten, und das werde ich auch weiterhin tun –,


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aber das Argument, dass mit der Kürzung bei den Großen die anderen unterstützt wer­den können, nämlich 158 000 Betriebe mit 4 Millionen €, geht ökonomisch gesehen ins Leere. (Zwischenruf des Bundesrates Kalina.)

Man kann politisch unterschiedlicher Meinung sein. Nur: Was ich auf Dauer nicht ertra­ge, ist Emotion versus factum. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mich mit diesen Fragen intensiv auseinandergesetzt, und wir werden mit einer gemeinsamen Linie, die wir gefunden haben, in die Verhandlungen gehen, und dann kann auch etwas Vernünftiges dabei herauskommen. Ich sage: Augenmaß und Fakten gegenüberstellen, und alles andere wird dann positiv gemeinsam zu erledigen sein – ohne Neidkomplex, sondern mit dem Bewusstsein, dass wir die Bauern brauchen.

Ich sage in diesem Raum auch Folgendes, weil ich gerade in Schulen bei Diskussio­nen war und das auch bei vielen anderen Begegnungen wahrgenommen habe: Was mich an der ganzen Lebensmitteldebatte verblüfft, ist das Bewusstsein, das offensicht­lich bei vielen Leuten entsteht, dass es nicht selbstverständlich ist, genug zu essen zu haben. Und das gilt auch für die westlichen Demokratien. Das gilt für alle, wenn die Verbrauchszahlen weltweit so weitergehen.

Das ist keine Selbstverständlichkeit! Lebensmittel stehen auf einem Markt, und wir wer­den alle Hände voll zu tun haben, genug davon zu organisieren. Da kommt eine ganz neue Herausforderung auf uns zu. Und da ist eine gute Wertedebatte vonnöten, die wir ausgeglichen und fair miteinander führen sollten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Ing. Kampl.)

11.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.54.46

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren im Bundesrat! Herr Kollege Kalina, ich möchte in das gleiche Horn stoßen, denn ich glaube, dass Sie einen Wider­spruch bei Ihrer Argumentation haben, wenn Sie sagen, es gehe bei der Debatte um Groß- und Kleinbetriebe um die Sicherung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Ich glaube, gerade unsere größeren Betriebe sind diejenigen, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sichern und die auch zusätzliche Arbeitsplätze in der Landwirtschaft schaffen. (Bundesrat Kalina: Für Saisonniers!) Nein, nicht nur für Saisoniers, auch für andere. Und wenn man da massiv kürzt, dann gehen noch mehr Arbeitsplätze verlo­ren. – Außerdem sind, wie schon gesagt, die Umweltleistungen dadurch auch gesi­chert.

Sie müssen, Herr Bundesrat Kalina, auch die verschiedenen Dinge, die es da gibt, aus­einanderhalten, wie etwa die Leistungen aus dem ÖPUL, die für eine umweltgerechte Landwirtschaft gegeben werden.

Derjenige Punkt, den Sie ansprechen, ist gegeben, wo man Klein und Groß berück­sichtigt, und zwar im Ausgleich für benachteiligte Gebiete. Da werden Benachteiligun­gen ausgeglichen, und da gibt es auch einen Sockelbeitrag, damit der Kleine, weil er mehr Benachteiligungen hat, einen Ausgleich bekommt.

Aber nun zum Marktordnungsgesetz, dessen Änderung wir heute beschließen und das eine wichtige Grundlage zur Unternehmensführung für unsere Bauern und zur Be-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 38

triebsausrichtung in die Zukunft ist. Dabei geht es um Dinge, die in der Europäischen Union bereits beschlossen worden sind und die wir nun in Österreich in unserem Ge­setz verankern.

Unsere Bäuerinnen und Bauern sind, wie schon ausgeführt wurde, für die Produktion unserer wohlschmeckenden gesunden Lebensmittel, für unsere schöne Landschaft und auch für eine Neuausrichtung in der Energiefrage sehr wichtig. Aber sie brauchen Klarheit, Planbarkeit, Sicherheit, um gute Produkte erzeugen und dabei auch ein Ein­kommen für sich erwirtschaften zu können.

In diesem Zusammenhang möchte ich, was die Lebensmittelpreise betrifft, sagen: Die Erzeugerpreise im Bereich Milch und Schweine sind so hoch wie vor 20 Jahren, die Preise für Betriebsmittel haben sich jedoch in den letzten Jahren massiv erhöht. Trotz niedriger Erzeugerpreise sind die Lebensmittelpreise sehr hoch, und zwar, wie die Me­dien schreiben, aufgrund der hohen Inflation.

Der Faktor Öl ist einer, wo der Preis in der gleichen Zeitspanne von 20 Jahren um das Zwölffache gestiegen ist. Das wird vielen zwar bei den teuren Dieselpreisen momentan bewusst, aber es wird nie so deutlich ausgesprochen, wie das bei den Lebensmittel­preisen der Fall ist.

Um das qualitative Niveau in der Landwirtschaft und in Europa zu garantieren, gibt es die Cross Compliance, die eingehalten werden muss, aber diese Vorschriften bewir­ken sehr viel Bürokratie. Ich kenne Fälle, wo man wegen einer Lappalie massive Kür­zungen in der Betriebsprämie hinnehmen musste. Daher ist es wirklich zu begrüßen, dass jetzt eine Bagatellegrenze von 100 € eingeführt wird und dass auch Neueinsteiger die Möglichkeit haben, da um ein Jahr verlängert, nämlich bis 15. Mai 2009, einzustei­gen.

Bei der Obst- und Gemüsereform kann in Zukunft auch eine Betriebsprämie geschaf­fen werden. In diesem Gesetz legen wir fest, dass das bis 2010 aus Wettbewerbsgrün­den nicht erfolgt, denn es ist wichtig, dass dieser Bereich auch aufgebaut wird und dass Erzeugergemeinschaften gemeinsam anbieten können und in Zukunft besser un­terstützt werden können.

Mit 1. Juni 2008 tritt die Transparentregelung in Kraft, die heute auch schon Gegen­stand der Diskussion hier war, wo die Bauern und Bäuerinnen die Ausgleichszahlun­gen offenlegen. Es ist wirklich schön, dass im gleichen Zuge auch die Leistungen an­geführt werden müssen, denn die Bauern brauchen sich, wie ich meine, mit ihren Leis­tungen nicht zu verstecken. Sie leisten sehr viel, und dafür sollen sie auch dementspre­chend etwas erhalten. Wir werden, so wie der Herr Minister es schon gesagt hat, natür­lich anregen, dass auch in anderen Bereichen diese Offenlegung vollzogen wird.

Sehr begrüße ich die Schulmilchbeihilfe, die heute noch gar nicht angesprochen wor­den ist, denn damit ist es möglich, den Kindern gesunde Milchprodukte zur Verfügung zu stellen und auch das regionale Interesse schon von Kindesalter an zu wecken.

Wir beschließen auch die Quotenzuteilung bezüglich der Erhöhung der Milchquote – ebenfalls heute schon des Öfteren angesprochen –, die wir Österreicher eigentlich bis zum Schluss nicht gewollt haben. Aber dahin gehend konnten wir in Brüssel keine Mehrheit finden.

Wenn nun europaweit die Quotenaufstockung erfolgt, darf es für unsere Bäuerinnen und Bauern in Österreich, glaube ich, zu keinem Wettbewerbsnachteil deshalb kom-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 39

men, weil wir diese Quotenaufstockung nicht umsetzen. Daher werden die 69 000 Ton­nen gerecht an alle Milchlieferanten verteilt.

Ich möchte auch in Richtung des Herrn Kollegen Kalina noch einmal sagen, weil er das angesprochen hat: Bei der letzten Quotenaufteilung wurde es genauso gerecht an alle Milchlieferanten verteilt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ein Punkt zur Weinmarktordnung, zur Weinmarktreform: Wenn Sie, Herr Kollege Kampl, gemeint haben, dass das Roden nicht gut sei, möchte ich Ihnen entgegnen:

Es ist schon eine gute Reform, der auch Österreich zugestimmt hat, denn bis jetzt sind 450 Millionen € zur Vernichtung von Wein ausgegeben worden. Dies wird jetzt für die Bewerbung für Wein und für Qualitätswein eingesetzt. Die Rodung betrifft in Öster­reich, glaube ich, nicht die vier Millionen, die Sie angesprochen haben, denn sie beruht auf Freiwilligkeit. Es werden eben viele Flächen herausgenommen, wenn sie eine ge­wisse Höhe haben. Ich denke da an Niederösterreich, an das Waldviertel: Jene Gebie­te, die ein gewisses Höhenmaß haben, sind überhaupt nicht dabei.

Ich möchte abschließend allen danken, die diesem Gesetz heute ihre Zustimmung ge­ben, denn ich glaube, es ist im Sinne der Konsumenten, der Bäuerinnen und Bauern und der Landwirtschaft in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


12.02.00

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich glaube, es ist ein wichtiger Schritt, dass wieder eine gemeinsame Gangweise der Koalition herausge­strichen wird bei diesem Marktordnungsgesetz, beim Marktordnungs-Überleitungsge­setz und der Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung.

Hier sind wieder beispielhafte Lösungen zur Entbürokratisierung herbeigeführt worden. Ich erwähne hier insbesondere die 100-€-Bagatellgrenze, die festgelegt worden ist, um eine Vereinfachung zu erlangen. Daher verstehe ich manchmal nicht, dass es immer wieder zu Verteilungsdiskussionen und Diskussionen um die Planungssicherheit kommt. Ich glaube, seitens des Bauernbundes sind wir in der Vergangenheit immer wieder für langfristige Planungssicherheit eingetreten.

Da jetzt wieder diese Verteilungsdiskussion – groß und klein – beginnt: Der österreichi­sche Durchschnittsbetrieb hat 19 Hektar, in England sind es 500 Hektar. Wenn diesbe­züglich immer wieder eine Diskussion entsteht und man damit stetig die Spaltung der Landwirtschaft vorantreiben will, ist das meines Erachtens schlecht für unser Land, denn in Österreich gibt es Biobauern, Flachlandbauern, Körndlbauern, Hörndlbauern, und jeder Bauer produziert qualitativ hochwertige Lebensmittel.

Daher ist es, glaube ich, auch ganz wichtig, die Bauern auf dem Markt zu stützen und gemeinsame Wege zu finden, damit die Bäuerinnen und Bauern auf dem Markt existie­ren und weiter produzieren können.

Da Sie sagen, es haben soundso viele Betriebe in der Vergangenheit die Landwirt­schaft aufgegeben: Viele Betriebe haben die Landwirtschaft auch in Gunstlagen, be­sonders bei uns im Innviertel, aufgrund des Strukturwandels aufgegeben. Nur hat es auch die Politik geschafft, durch eine hervorragende Arbeitsmarktpolitik Arbeitsplätze


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 40

zu schaffen, um diesen Menschen die Möglichkeit dazu geben, entsprechend zu arbei­ten. Aber natürlich müssen wir im Bereich der Lebensmittelversorgungssicherheit da­nach trachten, diese auch in Zukunft zu gewährleisten.

Ich finde es eigentlich fast traurig, wenn man jetzt die Diskussion um die Versprittung oder die Erzeugung von Energie auf dem Acker mit der Lebensmittelsicherheit ver­knüpft. Wenn man sich das näher anschaut, dann erkennt man, dass 1,5 Prozent der Fläche für Energienutzung benötigt werden, und zurzeit sind österreichweit zehn Pro­zent der Fläche Stilllegungsflächen. Ein gutes Jahr, wie es das heurige Jahr vielleicht wieder wird in der Landwirtschaft, ein Jahr, in dem die Ernte entsprechend ertragreich ist, wird auch in diesem Bereich wieder Abhilfe schaffen.

Zum Kollegen Dönmez, der das Thema Gentechnik angeschnitten hat, möchte ich sa­gen: Das ist eigentlich fast das Gleiche wie beim Kollegen Pirklhuber, der bei Veran­staltungen in Bayern und auch in Oberösterreich Verunsicherung betreibt. (Ruf bei der ÖVP: Mit falschen Daten!) – Mit falschen Daten! – Ich schätze Sie, Herr Kollege Dön­mez, als ehrlichen und aufrichtigen Menschen ein, und ich hoffe, dass ich Sie hier wirk­lich belehren kann und Ihnen auch die Wahrheit vermitteln kann. Sie wissen, wie in Oberösterreich Herr Landesrat Dr. Josef Stockinger – Sie kennen seine Vorgangs­weise – die Gentechnikfreiheit befürwortet hat. 42 Regionen sind europaweit durch die Initiative unseres Landesrates aus Oberösterreich entstanden, wodurch Sicherheit für den Anbau und im Bereich der grünen Gentechnik geschaffen wurde.

Auch die Achse mit unserem Bundesminister Pröll hat dann die ganze Sache „luftdicht“ gemacht, sodass hier kein solcher Anbau möglich wäre. Wenn man schaut, wie es in anderen Regionen diesbezüglich aussieht, so stellt man fest: Deutschland zum Bei­spiel hat sich zurzeit noch nicht zu diesem Weg bekannt.

Es ist daher, glaube ich, gemein und unfair gegenüber den Produzierenden in der Landwirtschaft, aber auch gegenüber den Konsumenten, wenn in Österreich seitens der Grünen Verunsicherung betrieben wird. Unsere Bäuerinnen und Bauern verdienen es nicht, dass ihre Produkte schlechtgeredet und miesgemacht werden.

Ein Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, ist die Quotenaufteilung. Die lineare Quotenaufteilung war immer ein Wunsch Oberösterreichs, auch damals, als eine ande­re Vorgangsweise gewählt worden ist. Leider waren im Jahr 2003 auch andere Voraus­setzungen gegeben; um eine Aufteilung in diesem Sinne vorzunehmen. Aber die letzte Aufteilung im vergangenen Jahr war linear, und auch heuer gibt es wieder eine lineare Aufteilung der 69 000 Tonnen Milchquote.

Ich bin ein Gegner dieser Aufstockung von 2 Prozent europaweit, denn wir sehen gera­de jetzt, wie stark auch die Produktion von Holland Richtung Deutschland rückt, der deutsche Markt in den österreichischen Markt, wodurch immer mehr Druck auf die hei­mische Landwirtschaft abgewälzt wird.

Meine geschätzten Damen und Herren, trotzdem ist dieses Marktordnungsgesetz und das Marktordnungsüberleitungsgesetz wieder eine Lösung der beiden Partner SPÖ und ÖVP, ebenso mit den Freiheitlichen und dem BZÖ. Leider können wir die Grünen wieder nicht dazu bewegen. – Ich weiß nicht, wo Sie zurzeit eigentlich Ihr Ei hinlegen wollen. (Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Ins Nest auf jeden Fall!)

Ich hoffe, dass Sie wieder Perspektiven für die nächsten Wahlen sehen. Ich wünsche es Ihnen, aber bezüglich dieses Gesetzes haben Sie leider wieder versagt. Aber ich bin stolz, dass wir eine große Einigkeit in diesem Hohen Haus erzielen, und ich gratu-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 41

liere natürlich dem Bundesminister und allen Mitarbeitern dafür, dass sie dieses Gesetz zustande gebracht haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz mit dem Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Referenzmengen-Zuteilungs-Verordnung 2006 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen. (Rufe: Nein! Stimmenmehrheit!)

Bitte um Entschuldigung, ich stelle richtig: mit Stimmenmehrheit angenommen.

12.09.224. Punkt

Grüner Bericht 2007 der Bundesregierung (III-331-BR/2007 d.B. sowie 7937/BR d.B.)

5. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 LWG 1992 (III-332-BR/2007 d.B. sowie 7938/BR d.B.)

6. Punkt

Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahres­programms des Rates (III-337-BR/2008 d.B. sowie 7939/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen drei Punkten ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um die Be­richte.

 


12.10.00

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Herr Minister! Herr Präsident! Meine geschätzten KollegInnen! Die Berichte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich so­gleich zum ersten Antrag:

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 den Antrag, den Grünen Bericht 2007 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters liegt Ihnen der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 vor.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2008 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich erstatte weiters den Bericht über die Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 den Antrag, die Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.12.04

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich würde ger­ne hier einmal eine Pro-Rede schwingen, aber es gelingt leider nicht. Sie können uns immer so schwer überzeugen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich würde es wirklich gerne probieren, wenn die Vorlagen andere wären. Aber vielleicht kommt es ja irgendwann einmal dazu, vielleicht können wir ja irgendwann einmal im Vorfeld über Dinge spre­chen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben vorhin die Grünen in Tschechien erwähnt, Ihre Freunde, die Sie bei der Gentechnikdebatte so sehr verlassen würden. Ich glaube, die Schwesterpartei der ÖVP ist in Tschechien auch in der Regierung, und vielleicht könnten Sie auch auf diese Schwesterpartei einmal einwirken.

Zumindest im Zusammenhang mit der Temelín-Kommission habe ich schon den Ein­druck gehabt, dass wir sehr froh sein können, dass in Tschechien Grüne in der Regie­rung sind, die darauf beharren, dass der Regierungsbeschluss eingehalten wird, dass


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nicht weiter ausgebaut wird. Die Verbündeten auf der drüberen Seite waren die Grü­nen, es war nicht Ihre Schwesterpartei! (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Zum Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2008: Dass wir diesen Bericht ablehnen, liegt in erster Linie daran, dass die Mittel für den Biolandbau gekürzt werden. Schon von 2006 auf 2007 sind die ÖPUL-Mittel um zirka 20 Prozent gekürzt worden.

Im Bericht steht jetzt: Das 3. Bio-Aktionsprogramm hat unter anderem wieder das Ziel, dass Österreich weiter Bioland Nummer eins in der EU bleibt und der Absatz an Bioer­zeugnissen zunimmt. – Zitatende.

Im Grünen Bericht, der heute auch zur Debatte steht, steht: Das Programm zur ländli­chen Entwicklung führt ab 2007 zu einer Reduktion der Gelder für das österreichische Umweltprogramm. Demgegenüber wurde das Budget zur Modernisierung der Landwirt­schaft, vormals Investitionsförderung, aufgestockt. – Das ist jetzt nicht das, was wir uns an Maßnahmen wünschen würden, und deshalb werden wir auch diesen Bericht über die Maßnahmen der Bundesregierung ablehnen.

Was mich auch nicht besonders erfreut an diesem Bericht, ist, dass das Wort „Gen­technikfreiheit“ genau drei Mal drinnen vorkommt, und zwar in einem Satz, nämlich in dem Satz: Sicherung der Gentechnikfreiheit des biologischen und gentechnikfreien Landbaus, Erarbeitung eines Bundesgrundsatzgesetzes zum Schutz der biologischen und gentechnikfreien Landwirtschaft. – Bitte um Entschuldigung, es sind zwei Sätze! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wie oft soll es drinstehen?)

Es ist schon okay. Wenn es drei Mal drinsteht, wäre es schon okay, wenn das jetzt eine Maßnahme wäre, die Sie gerne umsetzen möchten. Es ist aber leider nur eine der vielen Forderungen der §-7-Kommission, die – ich weiß nicht, wie lange schon – drin­steht und offensichtlich nicht in Umsetzung ist, sonst würde das nicht immer wieder aufscheinen.

Dieses Anliegen ist ja auch vonseiten der Grünen immer wieder an Sie herangetragen worden, und Sie haben mir noch nie erklären können, warum Sie eigentlich diese ver­pflichtende Gentechnikfreiheit in der biologischen Landwirtschaft so sehr ablehnen. (Ruf bei der ÖVP: Der war gut! – Heiterkeit. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das hat er noch nie erklärt. Der war schon gut – du hast ihn vielleicht nicht verstanden. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, aber im ÖPUL ist es nicht verpflichtend verboten.

Zum zweiten Bericht, bei dem ich schon im Ausschuss gesagt habe, dass ich großes Bauchweh damit habe, und ich habe mich jetzt entschlossen, auch diesen Bericht ab­zulehnen, nämlich die Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf Grundlage des Legisla­tiv- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Jahresprogramms des Rates.

Es gibt ein paar Punkte, bei denen ich absolut nicht mit Ihnen übereinstimmen kann. Einer dieser Punkte ist der Bereich Klimaschutz, Verkehr. In Ihrem Bericht steht immer wieder drinnen, dass wir 10 Prozent Biokraftstoffe im Verkehrssektor anbieten müssen. Es ist nicht erwähnt, dass es laut EU-Richtlinie auch möglich wäre, dass diese Biokraft­stoffe auch Ökostrom und Elektromobilität wären. Das habe ich noch nirgends gelesen. Mir fehlt jegliche Initiative für Elektromobilität in Österreich. Auch das habe ich schon des Öfteren Ihnen gegenüber erwähnt, Herr Minister.


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Es gibt eine sehr nette Studie, die ADAC und EUROSOLAR immer wieder veröffentli­chen – wahrscheinlich kennen Sie sie auch –: Ein Hektar Anbaufläche umgesetzt in Agrarethanol – damit kommt man 22 400 Kilometer weit. Ich lasse ein paar Zahlen aus. Ein Hektar Mais oder Getreide in Biogas umgewandelt macht immerhin schon 77 600 Kilometer. Und würde man diesen einen Hektar mit Photovoltaik-Anlagen bede­cken und dann noch mit einem leichten E-Mobil mit elektrischem Strom fahren (Zwi­schenrufe bei der ÖVP), könnte man 3,25 Millionen Kilometer weit fahren.

Das ist keine Versiegelung der Flächen, denn man kann Photovoltaik-Anlagen auch so aufstellen, dass nicht der Boden versiegelt wird, sondern man kann Häuser, Dächer und Sonstiges dazu verwenden, also zum Beispiel Bauernhöfe und so weiter. Ich den­ke, es gibt noch sehr viele Hausdächer in Österreich, auf denen noch keine Photovol­taik-Anlage hängt. Also: Einen Hektar würden wir da locker zusammenbringen.

Ein weiterer Punkt, warum ich diesen Bericht ablehne, ist die Atompolitik. Ich habe zur Nuklearhaftung fünf Anfragen an fünf verschiedene Minister gestellt. Interessiert hat mich vor allem die Antwort auf die Frage nach einer möglichen Schadensabwicklung, wenn wirklich ein Unfall in einer Kernkraftanlage eintreten sollte. Allein von Frau Minis­terin Berger habe ich eine umfassende Antwort bekommen.

Sie hat geschrieben: „Sollte es eine solche unmittelbar drohende Gefahr geben, wäre es allenfalls denkbar, in Österreich ein Urteil auf der Grundlage des AtomHG“ – des Atomhaftungsgesetzes – „zu erwirken und dann versuchen, die Entscheidung im jewei­ligen Ausland gegen den ausländischen Betreiber zu vollstrecken. Grundlage für die Anerkennung und Vollstreckung einer solchen Entscheidung wäre die EuGVVO. Die Vollstreckung einer solchen Entscheidung könnte aber im Ausland – etwa wegen ordre public-Widrigkeit – versagt werden. Es ist damit zu rechnen, dass diese Frage letztlich an den EuGH heranzutragen sein wird.“

Es ist gut, schön und nett, wenn Sie das strenge österreichische Atomhaftungsgesetz laut Ihrem Bericht mit Zähnen und Klauen verteidigen wollen, mir wäre es aber noch lieber oder ich fände es noch besser, wenn man sich endlich daran machen würde, da­für zu sorgen, dass dieses Atomhaftungsgesetz auch in den Ländern anwendbar wäre, die möglicherweise einen Unfall verursachen, die uns möglicherweise irgendwann ein­mal dieser Gefahr aussetzen und möglicherweise auch einen Schaden zu begleichen hätten. Momentan ist das ja leider nicht möglich. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Dazu kommt eine kleine Peinlichkeit: Laut unserem Atomhaftungsgesetz wären im Na­tionalrat Berichte vorzulegen; einer wäre 2001 zu legen gewesen, einer 2004. Aufzufin­den waren diese Berichte ja lange Zeit überhaupt nicht, und ich habe dann einmal an­gefragt, wo die denn sind. Interessanterweise kommt jetzt der Bericht 2001, glaube ich, irgendwann in den Nationalratsausschuss. Im Bundesrat und Nationalrat ist bis jetzt keiner von diesen Berichten behandelt worden. Oder? Kennen Sie das Datum? – Ich habe nachgesehen, es ist noch keiner behandelt worden!

Zum EURATOM-Vertrag. Es ist schön, dass Sie in Ihrem Bericht schreiben: „Vor dem Hintergrund des Regierungsprogramms gibt es nuklearpolitisch keinen Anlass, die kriti­sche Haltung Österreichs zu revidieren.“ – Mir wäre es noch lieber, wenn Österreich seine kritische Haltung des Öfteren zum Ausdruck brächte. Meiner Erinnerung nach sind die Forschungsmittel für EURATOM unter österreichischer Präsidentschaft aufge­stockt worden.

Ich habe im Ausschuss nachgefragt, ob Austrittsmöglichkeiten aus dem EURATOM-Vertrag jetzt wenigstens, nach dem Reformvertrag, noch einmal geprüft würden. Da-


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rauf habe ich leider keine Antwort bekommen. Aber das wäre eine wichtige Angelegen­heit. Und wozu gibt es denn Juristen in diesem Land, die könnten doch endlich einmal prüfen, ob man da nicht raus kann?

Das, was aber bei diesem Bericht mein größtes Bauchweh verursacht, ist die gemein­same Position der Bundesregierung zum Energie- und Klimapaket der Europäischen Kommission.

Da gibt es eine nette Formulierung: „Österreich liegt gemessen am Anteil erneuerbarer Energie im europäischen Vergleich an der vierten Stelle und hat mit einem Anteil von 23 Prozent bereits jetzt einen höheren Anteil als die für die gesamte EU angepeilten 20 Prozent.“

Ja, wir haben Wasserkraft, das hat nicht jeder EU-Mitgliedstaat, und das sind Leistun­gen aus den siebziger Jahren. Es ist ganz toll, dass wir einen relativ hohen Anteil ha­ben, nur: Dass wir uns jetzt immer wieder auf Leistungen aus den siebziger Jahren be­rufen und sagen, die EU muss das anerkennen, das, finde ich, ist schon ein bisschen schade. In den letzten Jahren ist es ja nicht so gewesen, dass der Prozentanteil bei den erneuerbaren Energien so stark gestiegen wäre, das sind schon die damaligen Leistungen. (Ruf bei der ÖVP: Die Leistungen sind nachhaltig! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was ich noch interessant finde, ist, wie dieser Absatz weitergeht: „Die Vorleistungen einzelner Staaten ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.– Hät­ten Sie gerne Hainburg damals gebaut? Die Grünen haben es jedenfalls verhindert. (Bundesrat Perhab: Es gibt ja Hunderte Kleinwasserkraftwerksprojekte in Österreich!)

Aber es geht noch sehr spannend weiter: „Die Vorleistungen einzelner Staaten müssen bei den nationalen Vorgaben besser berücksichtigt werden“ – das heißt, wir wollen ein bisschen weniger machen –, „weil eine zusätzliche Steigerung von einem bereits ho­hen Niveau schwieriger zu erzielen ist. Die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele sollten sich daher an den nationalen Potentialen orientieren und die Zielvorgaben auf fairer Basis erfolgen.“

Dann kommt der spannende Satz: „Von der österreichischen Bundesregierung gesetz­te nationale Ziele sind unabhängig von einer verpflichtenden Vorgabe der EU zu se­hen, weil bei dieser nach den finanziellen Folgen zu fragen ist.“ – Korrigieren Sie mich, wenn ich diesen Satz vielleicht falsch verstehe, aber für mich heißt das, Regierungszie­le sind ja ohnehin nicht so dringend einzuhalten, da habe ich keine finanzielle Ver­pflichtung, die können ruhig höher sein. In den Bereichen, wo wir möglicherweise zah­len müssten, müssen wir weit unter den eigentlichen Zielen des Regierungsüberein­kommens bleiben. Das lese ich aus diesem Satz heraus, vielleicht können Sie mich aufklären, dass es anders wäre, ich verstehe es so.

Am 15. Mai gab es einen Workshop zur EU-Richtlinie. Dort hat ein Ministerialrat Dr. Zach vom Wirtschaftsministerium zum Thema Handel mit Herkunftsnachweisen eine interessante Rede geschwungen. Da geht es nicht nur um Herkunftsnachweise für die Vermarktung, sondern auch um Herkunftsnachweise in Bezug auf die Anrechnung der Zielverwirklichung. Er hat gesagt, einige Mitgliedstaaten wollen nicht zu diesem Herkunftsnachweishandel gezwungen werden. Österreich und weitere Mitgliedstaaten betonen aber, dass ohne diesen Handel nicht die Ziele erreicht werden können. Das derzeitige Modell ist in Diskussion, und wie dieser Handel funktionieren könnte, wird Österreich federführend mitdiskutieren.


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Frau Dr. Fouquet von der EREF hat ein paar Referate später gesagt, dass sich dieser geplante Handel mit Herkunftsnachweisen äußerst nachteilig auswirken würde. Er wür­de die Kosten für die Zielerreichung des Anteils von erneuerbaren Energien für die je­weiligen Mitgliedstaaten drastisch erhöhen.

Das ist ein bisschen ein Widerspruch. Wenn das österreichische Wirtschaftsministe­rium diesen Handel so sehr forciert und auf der anderen Seite die Europäische Vereini­gung für die erneuerbaren Energien sagt, genau das wäre kontraproduktiv, dann, den­ke ich, sollte man sich überlegen, auf wessen Seite man steht. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Der Umwelt!) Auf Seiten der Umwelt – die schaut dann wie aus? Wirt­schaftsministerium. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Umwelt!) Es war ja nicht das Um­weltministerium, das das präsentiert hat, sondern das Wirtschaftsministerium, aber vielleicht sagen Sie uns ja, wie Sie das sehen.

Sie haben bei Ihrer Abschlussrede am Klimaschutzgipfel – ist auch noch nicht so lange her – am 17. April versprochen, mit Aufmunterung vieler unverzüglich an die Arbeit zu gehen, dieses Bundesklimaschutzgesetz in Umsetzung zu bringen, noch vor dem Sommer damit in den Ministerrat zu kommen und dann im Herbst im Parlament die entsprechenden Beschlüsse zu fassen.

Dieses Bundesklimaschutzgesetz wäre eine Voraussetzung dafür, dass wir auch nur annähernd oder irgendwie unsere Klimaschutzziele und vielleicht auch unsere Ziele betreffend erneuerbare Energie aus eigener Kraft erreichen könnten. In einem Monat beginnt der Sommer, ich möchte Sie daran erinnern. Offensichtlich haben Sie schon al­le Gespräche geführt. Ich habe bis jetzt nur gehört, dass Gespräche angeboten wurden von einigen Seiten. Ich habe noch nicht gehört, dass viele Gespräche geführt worden sind. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Es kommt noch die Begutachtung, sicherlich, aber ich denke, man muss ja auch mit den Bundesländern und mit den anderen Regierungsmitgliedern darüber reden. Aber wir warten gespannt auf die Begutachtung im Sommer. (Beifall bei den Grünen.)

12.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Winterauer. – Bitte.

 


12.26.53

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Gerne hätte ich an dieser Stelle auch unserem Präsidenten Kritzinger zu seiner Initiati­ve gratuliert, den Landeshauptmann von Südtirol einzuladen, weil mir die Rede sehr gut gefallen hat, auf jeden Fall wesentlich besser als jene des Landeshauptmanns von Nordtirol vor einigen Wochen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Unterschied von Kollegin Kerschbaum ... (Bundesrat Perhab: Das hat zwar nichts mit der Tagesordnung zu tun, aber bitte!) Jetzt komme ich zur Tagesordnung, Kollege Perhab, nur ein bisschen Ge­duld! Ich habe das deshalb angeführt, damit der Herr Bundesminister auf dem letzten Stand ist. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Zum Unterschied von Kollegin Kerschbaum darf ich für meine Fraktion ankündigen, dass wir den Berichten und dem Arbeitsprogramm des Landwirtschaftsministeriums zu­stimmen werden. Dem Grünen Bericht deshalb sehr gerne, weil für uns der wesent­lichste Punkt ist, dass sich die Einkommenssituation der knapp 190 000 landwirtschaft­lichen Betriebe im Berichtszeitraum wesentlich verbessert hat, konkret um 15,2 Pro-


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zent, wobei hier auch eine gewisse Differenzierung zu sehen ist: Die nicht entlohnten Arbeitskräfte, also die Bäuerinnen und Bauern, haben einen Einkommenszuwachs von 16,3 Prozent, während die in der Landwirtschaft Entlohnten lediglich einen durch­schnittlichen Zuwachs ihrer Löhne und Gehälter in Höhe von 2,5 Prozent zu verzeich­nen haben. Da hält offensichtlich eine gewisse neoliberale Ideologie Einzug bezie­hungsweise manifestiert sich hier. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Ich komme schon zu Ihnen, Herr Kollege Preineder!

Was mich noch ein bisschen schmerzt, und das ist das, was Kollege Kalina schon an­gesprochen hat, ist, dass die Bergbauern – ich komme eben aus einer Bergbauernre­gion – lediglich einen Zuwachs von 12 Prozent erzielen. Aber immerhin ist es eine zweistellige Zuwachsrate, man sollte das deshalb nicht schlechtreden.

Was mich besonders freut, ist, dass die Ausgaben für die soziale Sicherheit immerhin ein Volumen von knapp 2,5 Milliarden € ausmachen und davon der Großteil, 71 Pro­zent, auf die Bäuerinnen und Bauern, die im Ruhestand sind, entfällt – dank Bruno Kreisky, sage ich jetzt. Ich erinnere mich noch an Aussagen von Bauernbund-Funktio­nären Anfang der siebziger Jahre, die etwas ganz anderes signalisiert haben. Unser Anliegen ist, dass jene Bürgerinnen und Bürger, die im Bereich der Landwirtschaft ihre redliche Arbeit verrichtet haben, auch eine Pension bekommen.

Es liegen ja ohnehin sehr viele an der Mindestpensionsgrenze. Wir sind auf der Seite derer, die die Mindestpensionen deutlicher als die anderen erhöht haben wollten. Das ist unser Zugang. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ihr Zugang, was ich so mitbekommen habe, ist eher der, dass die Förderung für die Liechtensteins und so weiter beibehalten wird. Das ist einfach der ideologische Unterschied, aber das macht nichts. (Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Da haben Sie nicht zugehört!) Wenn man zu einem vernünfti­gen Konsens kommt, ist das sicher für alle Bevölkerungsgruppen von Vorteil.

Was mich noch ein bisschen mit Sorge erfüllt, ist, dass es trotz dieser durchaus positi­ven Zahlen gewisse Unzufriedenheit in der Landwirtschaft gibt; andernfalls gäbe es ja die ARGE Milch nicht. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: IG Milch!) Oder die IG Milch. Es ist ja so, dass im Berichtszeitraum die Zahl der Milchbetriebe um knapp 6 Prozent zurückgegangen ist.

Kollege Preineder, da Sie gerade die Demonstration von Bauernbundfunktionären ge­gen die Billigvermarktung, gegen den Billigverkauf in den Ketten angesprochen haben: Ich bin kein Anwalt der Ketten, aber ich habe gerade mit dem Spartenobmann Handel in den letzten Monaten heftige Diskussionen geführt und ihm Vorhaltungen gemacht, dass bei uns die Preise für Lebensmittel und Milchprodukte im Vergleich zur Bundesre­publik Deutschland, im Vergleich Hofer/Aldi zum Beispiel, aus nicht nachvollziehbaren Gründen um etliches höher sind. Also ich rege mich auf, weil die Produkte so teuer sind – und ihr regt euch auf, weil die Produkte zu billig sind. Das ist auch ein ideologi­scher Unterschied.

Uns geht es darum, dass die Bauern keinen so tollen Milchpreis haben. Er ist zwar et­was angehoben, aber die Kurve ist relativ flach, und da ist die Frage – und diese Frage hat mein Kollege Kalina schon aufgeworfen –, wo denn das dazwischen bleibt. Und da würde ich euch Bauernbundfunktionären den Tipp geben, sich vielleicht in den Genos­senschaftsverbänden stark zu machen, denn dort dürfte die Spanne sehr differenziert sein. Also nicht demonstrieren, sondern eher dort, wo man etwas zu reden hat, sich stark machen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 48

Ich hätte einen Einsparungsvorschlag für die Genossenschaften, zum Beispiel für die NÖM. Nachdem ich ja Wahlkämpfe sehr aufmerksam verfolge, habe ich gesehen, dass die NÖM just im niederösterreichischen Wahlkampf ein großes Inserat geschaltet hat, was ja bekanntlich nicht billig ist, wo das Konterfei vom Herrn Landeshauptmann Pröll zu sehen ist. Ich sage eh nicht, dass das versteckte Wahlwerbung war, aber ... (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Also Sie wollen sagen, weil die NÖM nicht für die SPÖ ge­worben hat, hat sie verloren! Ein interessanter Ansatz!) – Nein, ich sage nur, wo wir Geld sparen können, damit die Konsumenten entweder zu einem billigeren Milchpro­dukt kommen oder der Bauer oder die Bäuerin zu mehr Erwerb. Das ist mein Ansatz, aber es war nur ein Vorschlag. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

So viel zum Grünen Bericht. Wir sind also dafür. Aber es gibt immer noch Möglichkei­ten für Verbesserungen und Optimierungen zu den Maßnahmen des Ministeriums, die konkret auf drei Säulen stehen. Eine davon ist das Bergbauernförderungsprogramm, das uns Sozialdemokraten schon immer ein Anliegen war. In diesem Bereich sollte ein­mal der Arbeitszeitbedarf erhoben werden. Soviel ich weiß, gibt es ja bereits eine Stu­die des Bergbauerninstituts, eine sehr brauchbare, die eine Grundlage für neue Förde­rungsadaptierungen sein kann. Das war uns immer schon ein Anliegen. Und wenn es jetzt den Sockelbetrag für die Bergbauernförderung gibt, ist das ganz in unserem Sinne und findet deshalb auch unsere Zustimmung.

Die nächste Initiative sind das Umweltprogramm – darauf werde ich gerne noch zu­rückkommen – und die Stärkung der Kommunen im ländlichen Raum. Gerade die Dorf­gemeinschaftsinteressen sind uns ein Anliegen. Es wäre auch für die bäuerliche Bevöl­kerung gut, wenn es Direktvermarktungsinitiativen gäbe. Ich komme aus einer touristi­schen Region, wo ich mich diesbezüglich eingebracht habe: „SalzkammerGutes“, das ist eine Markenkreation, an der ich habe mitwirken dürfen.

Ausreichenden Raum findet in diesem Arbeitsprogramm natürlich die Umwelt. Ein ganz wichtiges Thema, ein Thema der Zeit ist der Klimaschutz, dem wir uns wirklich widmen müssen. Es gibt ehrgeizige Ziele: Reduktion der Treibhausgasemissionen um 20 Pro­zent bis 2020. Dass wir dieses ehrgeizige Ziel tatsächlich auch erreichen, dafür ist, glaube ich, eine wirklich gesellschaftspolitische Anstrengung notwendig, nicht nur die der Landwirtschaft. Ich kann dem sehr viel abgewinnen, wenn man industriell das CO2 technologisch sozusagen vorher abtrennt und dann in geologischen Formationen ver­presst. Das dürfte eine zukunftsweisende Technologie sein. Auf der anderen Seite sind natürlich die erneuerbaren Energiequellen ein wesentlicher Punkt. Dass die Atomener­gie keine Alternative für uns Österreicher ist, brauche ich, glaube ich, hier nicht separat zu betonen. Es ist aber wichtig, darauf zu achten, dass es zu keiner Förderung von neuen Nuklearanlagen kommt.

Das zweite Thema, das die Landwirtschaft betrifft, ist die Biomasse. Hier habe ich – das habe ich gestern im Ausschuss schon klargemacht – eine etwas differenzierte Mei­nung. Holzwärme für den regionalen Bereich ist in Ordnung, keine Frage, aber nicht dass man das Brennholz aus Polen herkarrt, sondern im regionalen Umfeld nutzt.

Zur Frage Biogas/Biosprit habe ich auch eine etwas differenziertere Ansicht. Beim Bio­gas sehe ich kein so großes Problem, weil das relativ leicht aus der Abfall- und Reststoffproduktion herzustellen ist. Ich habe einfach ein ethisches Problem damit, wenn man Lebensmittel oder Futtermittel für die Herstellung von Biogas oder Biosprit verwendet. Wir haben es gestern gesagt: Der Tisch der Gesamtbevölkerung ist noch lange nicht gedeckt. Das ist eine Form von Überschuss. Wir im Salzkammergut sagen, so geht man nicht mit der Gottesgabe um. Ich würde da also eher auf Reststoff- und


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Abfallproduktion den Schwerpunkt legen. Beim Biosprit ist es ähnlich, da ist nur die technologische Voraussetzung wesentlich schwieriger als beim Biogas. Deshalb auch gewisse Vorbehalte in Bezug auf Biosprit.

Zur Windkraft: Da gibt es natürlich auch Meinungen, die in Richtung optischer Umwelt­verschmutzung gehen. Ich denke aber, die Windkraft soll genutzt werden, aber ganz besonders die Sonnenenergie, weil beide nicht teurer werden. Weder der Wind wird teurer noch die Sonnenenergie. Also Nutzung von Solarthermie und Photovoltaik – Photovoltaik möglichst dezentral, weil das wirtschaftlicher ist. Aber weil dort, wo die Energie gebraucht wird, für unseren Lebensstandard, für unser Wirtschaftswachstum, für unsere Wirtschaftskraft, nicht immer der dafür notwendige Wind geht oder die Son­ne scheint, ist es unverzichtbar, auf Wasserkraft zu setzen. Ich würde die Grünen ersu­chen, hier doch ihre Ideologie und ihren Pragmatismus zu überdenken. Es geht darum, dass man Speicherkraftwerken den Vorzug gibt. Auch Laufkraftwerke mit Kaskaden­schaltung an Flüssen dürften zumindest eine vernünftige Maßnahme sein.

Zum Verkehr – Verursacher von CO2-Emissionen. Da sage ich, es gibt keine Alternati­ve zum öffentlichen Verkehr, und zwar aus verschiedenen Gründen, nicht nur der CO2-Emissionen wegen, sondern auch hinsichtlich der Verkehrsflächen, der Unfallzahlen, der Staus, der Zeitkomponenten et cetera. Da ist sozusagen von der Emission her die Reduktion auf 120 Gramm pro Kilometer für Pkw ein durchaus ehrgeiziges Ziel und ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber ich glaube nicht, dass das Heil im Verbrennungsmotor gesucht werden sollte. Da habe ich eine Vision, die sich durchaus mit jener von Kollegin Kerschbaum deckt. Denn Sie haben gesagt, dass da noch überhaupt nichts von der Förderung von Elektroautos steht. Da würde ich sagen, dass Ferdinand Porsche schon in den dreißiger Jahren überlegt hat, dass man Pkw mit Gleichstrommotoren an jedem Rad erzeugt, mit Allrad­antrieb. Es gibt ja neue Batterietechnologien, und da wird mit Photovoltaik geladen. Ich glaube also, da hätten wir wirklich eine entsprechende Zukunft. Wir Österreicher sind es der Welt schuldig, weil wir Vorreiter in der Technologie sind, dass wir uns Ansätze auf jeden Fall überlegen und sie dann gelegentlich auch einer Förderung zuführen. Je­denfalls sind wir alle gefordert, dem Klimaschutz unser ganzes Augenmerk zuzuwen­den.

Wie schon eingangs erwähnt, wird die SPÖ allen drei Anträgen zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


12.41.24

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir diskutieren den Grünen Bericht. Ich darf nur kurz auf Kolle­gen Winterauer eingehen, der gemeint hat, dass es in Niederösterreich Werbeeinschal­tungen gibt, die die NÖM für den Landeshauptmann tätigt. Ich sehe das umgekehrt, aber das ist eben eine Frage des Standpunkts.

Wenn der Landeshauptmann mit 85 Prozent Anerkennung und 54 Prozent nachweisli­cher Zustimmung im Land als Werbeträger für die NÖM auftritt – und das sicherlich kostenlos –, dann sehe ich das als Vorteil für die Firma und nicht umgekehrt! Aber das ist immer eine Frage des Standpunkts. (Heiterkeit. – Zwischenruf des Bundesrates Gruber.) Ich bin unserem Landeshauptmann dankbar dafür, dass er für die niederös­terreichischen Milchbauern als Werbeträger auftritt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Geschätzte Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Wir diskutieren über den Grünen Bericht; das ist an sich ein sehr positiver Bericht für die Landwirt­schaft: Es hat sich der Produktionswert im Jahr 2006 um 7,5 Prozent erhöht; es ist das Faktoreinkommen um 13,4 Prozent gestiegen; es hat der Außenhandel zugelegt. Es ergibt sich also in Summe eine positive Bilanz.

Der Agrarsektor – das sieht auch der Bericht der Bundesregierung über die Maßnah­men für die Land- und Forstwirtschaft vor – sichert Arbeitsplätze in der Industrie. Im Jahr 2006 investierte die Land- und Forstwirtschaft 628 Milliarden €. Das Programm der ländlichen Entwicklung ist ein zentrales Element für die österreichische Agrarpolitik.

Wenn wir das Einkommen der Landwirte betrachten, dann mag ja das nicht entlohnte Einkommen in Verhältnis zum entlohnten Einkommen gestiegen sein. Wo ist Kollege Winterauer jetzt? – Wenn man das aber vergleicht, das landwirtschaftliche Bruttoein­kommen, das 1 088 € im Monat beträgt, und das durchschnittliche Einkommen der Me­tallarbeiter mit 1 156 €, dann beträgt es genau die Hälfte. Diese Zahlen sind nicht dem Grünen Bericht, sondern dem Wirtschafts- und Sozialstatistischen Taschenbuch der Arbeiterkammer entnommen. Ich glaube, hier geht es auch darum, dass wir ein biss­chen die Verhältnisse und die Relationen zueinander sehen.

Damit möchte ich auf die entscheidende Diskussion, die zurzeit läuft, eingehen, näm­lich auf jene um die Preise von Lebensmitteln, um die Preise von Nahrungsmitteln. Die­se sind in den öffentlichen Fokus gerückt, und damit sind auch die Nahrungsmittelpro­duktion und die Landwirtschaft in den öffentlichen Fokus gerückt, wofür wir im Prinzip sehr dankbar sein können. Denn wenn wir uns die Preisentwicklungen anschauen, stellen wir fest: Agrarprodukte haben 1986 mehr als heute gekostet! Wir lagen etwa bei der pflanzlichen Produktion im Jahr 2006/2007 bei 97 Prozent, wogegen die Löhne und die Preise für Betriebsmittel um 80 beziehungsweise um ungefähr 40 Prozent gestie­gen sind. Das ist vielleicht eine Antwort darauf, warum Nahrungsmittel für Konsumen­ten teurer geworden sind, obwohl die Bauern für das Grundprodukt nicht mehr als 1986 erhalten.

Wie hat sich das eigentlich für die Konsumenten ausgewirkt? – Der durchschnittliche österreichische Konsument hat in den achtziger Jahren für Lebensmittel um die 23 Pro­zent ausgegeben, in den neunziger Jahren um die 17 Prozent, und 2007 waren es 13 Prozent. Das heißt, Nahrungsmittelpreissenkungen haben zur Steigerung des Wohl­standes in den letzten Jahren beigetragen. Außerdem ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, dass Nahrungsmittel jederzeit in jeder Menge verfügbar waren. Ich glaube, wir müssen sehen – und das ist, glaube ich, das Asset dieser Diskussion –, dass diese Selbstverständlichkeit nicht immer und nicht überall gegeben ist.

1970 haben wir in der Landwirtschaft über Überproduktion diskutiert, über Exportstüt­zungen, die abgebaut gehören, über Interventionslager, die man nicht braucht, weil sie Geld kosten. Heute wissen wir, dass Lagerhaltung etwas ist, was notwendig ist, um schwankende Ernten auszugleichen. Ich glaube auch, dass es eine Aufgabe der öffent­lichen Hand, des Staates ist, diese Lagerhaltung durchzuführen, weil eben private La­ger – das haben wir auch erlebt – spekulativ verwendet werden, in Zeiten von steigen­den Rohstoffpreisen zurückgehalten werden und damit den Spekulationsgewinn anhei­zen.

Vergleichen wir noch ein paar Zahlen. Wien entsorgt zum Beispiel täglich so viel Brot, wie Graz zur Ernährung braucht. Wir haben 2005 in etwa 110 € für die Tonne Weizen erhalten, und die Tonne Restmüllentsorgung hat zur selben Zeit 250 € gekostet. – Nur, damit wir einmal die Wertigkeiten von Nahrungsmitteln ausloten.


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Wenn wir jetzt die Diskussion um die Lebensmittelpreise führen, dann gibt es viele Ur­sachen; sie wurden schon genannt. Sehr oft ist schnell ein Schuldiger gefunden, und der Schuldige ist zurzeit die Produktion von Biosprit, von Biotreibstoffen, von erneuer­barer Energie. Ich bin Frau Kollegin Kerschbaum dankbar für den Ansatz, dass wir die Flächen, die Felder jetzt mit Solaranlagen zudecken und damit Elektroautos betreiben, weil das doch die umweltfreundlichste Art ist. Allerdings ist das im Moment nicht mach­bar, weil es zu wenige praxisreife Elektroautos gibt und weil Solarenergie noch nicht wirtschaftlich produzierbar ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Was hat denn der Herr Mi­nister getan ...?)

Was momentan möglich ist, das sollten wir tun! Das heißt nicht, dass wir es für die Zu­kunft ablehnen, aber das heißt, dass momentan verfügbare Treibstoffe auch eingesetzt werden sollen und dass nicht auf irgendetwas in 20 Jahren verwiesen wird. Denn damit verschieben wir den Umweltschutzgedanken. Es tut mir eigentlich leid, dass sich vor allem die Grünen aus der Produktion von erneuerbarer Energie und von Biotreibstoffen geistig verabschiedet haben.

Was brauchen wir denn für diese Energieproduktion, für diese Biospritproduktion? – 1,5 Prozent der Fläche in Österreich! Wir haben 2,5 Prozent vorgeschriebene Blühflä­chen, Biodiversitätsflächen, zu denen wir stehen. Aber – nur, damit wir auch hier die Relationen zueinander sehen – bis 2007 haben wir 5 Prozent Stilllegungsfläche ge­habt, wir haben – Gott sei Dank, Frau Kollegin – in Summe 14 Prozent Bioacker- oder Biogrünlandflächen, und auch das ist etwas, was die Erträge reduziert.

Ich bin selbst Biobauer, ich habe es mir im vergangenen Jahr genau angeschaut. Mein Weizenertrag war, im Vergleich mit den Kollegen in der eigenen Ortschaft, genau bei der Hälfte desjenigen der konventionellen Betriebe. Darum ist ja Biogetreide auf dem Markt etwas teurer, das hat seinen Sinn. Aber auch diese 14 Prozent an Fläche für die Bioproduktion reduzieren natürlich den Ertrag in Österreich und reduzieren auch das verfügbare Getreide für die Nahrungsmittelproduktion. Dessen muss man sich genauso bewusst sein wie jener 1,5 Prozent an Fläche, die wir für Biosprit verwenden.

Ich habe mir noch ein paar andere Zahlen angeschaut. Wir haben eine Getreidepro­duktion von etwa 4,5 Millionen Tonnen in Österreich. 3 Millionen Tonnen gehen in die Futtermittelproduktion, 1,5 Millionen Tonnen in die Nahrungsmittelproduktion. Wenn wir ein bisschen mehr Fleisch essen, ein bisschen mehr Eier essen oder ein bisschen mehr Milchprodukte konsumieren, dann fehlt uns auch das bei der reinen Brotgetreide­produktion. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Daher bitte ich, das alles immer sehr, sehr vernetzt zu sehen.

Um schwankende Ernten auszugleichen gibt es eben nur zwei Möglichkeiten: Zum einen ist das die staatliche, gesellschaftlich organisierte Lagerhaltung, weil private eben spekulativ ist, und zum anderen – und das ist auch ein Denkansatz – gibt es eine klare Fortsetzung der Produktion von Biotreibstoff, von Bioenergie. Denn wenn wir den Grundsatz „zuerst Nahrungsmittelproduktion, dann Futtermittelproduktion“ haben, dann können wir schwankende Ernten mit der Energieproduktion ausgleichen.

Das ist im heurigen Jahr geschehen. Es gibt im Prinzip ein fertiges Bioethanolwerk in Pischelsdorf, aber weil die Preise hoch waren und der Nahrungsmittelmarkt eng war, ist diese Anlage bis dato noch nicht in Betrieb gegangen. Hier kann man diese Schwankungen ausgleichen: In guten Jahren machen wir daraus Energie, und in schlechten haben wir die Reserve, die wir für die Nahrungsmittelproduktion brauchen. Auch diese Mechanismen sollten wir entsprechend aktiv betreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Kerschbaum: Das heißt, die sperrt dann immer zu, wenn’s teurer


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wird?) – Da fahre ich die Produktion herunter, genau – aber nicht, wenn es teurer wird, sondern dann, wenn es weniger wird. (Bundesrätin Kerschbaum: ... wenn nicht genug da ist!)

Geschätzte Damen und Herren! Was mit der momentanen Preissituation eigentlich auch gleich in Diskussion kommt, sind die Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft. Da stellen viele die Frage: Wenn die Preise gestiegen sind, brauchen wir dann noch Ausgleichszahlungen? – Wir brauchen sie, weil die österreichische Landwirtschaft un­ter anderen Rahmenbedingungen arbeitet, und wir brauchen sie, weil es auch um eine gewisse Gerechtigkeit in der Gesellschaft geht – ich habe schon auf die Einkommens­situation hingewiesen – und weil wir auch nicht ein 13. und 14. Monatsgehalt diskutie­ren, wenn die Konjunktur gut läuft.

Was wir in der Landwirtschaft brauchen, sind kostendeckende Preise und die entspre­chenden Ausgleichszahlungen, um attraktiv für Jungübernehmer zu sein, um attraktiv für die nächste Generation zu sein. Das sichert die österreichische Landwirtschaft, und das macht auch, glaube ich, den Wert der Landwirtschaft für die Gesellschaft bewusst. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

12.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.52.20

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Lieber Kollege Preineder, ich habe vor wenigen Tagen eine Sendung in Ö1 gehört, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Da sind sehr vie­le Menschen, vor allem kinderreiche Familien – ich gebe zu, mehrheitlich Frauen –, zu Wort gekommen.

Es war mir eigentlich nicht so bewusst, dass sich heute in österreichischen Familien El­tern ein Brotmanagement überlegen müssen: Wenn sie heute drei Kinder haben, dann überlegen sie einmal, was das Brot kostet! Gut, wir sind im europäisch-mediterranen Raum, da haben wir als unser Grundnahrungsmittel das Brot. Wir sind nicht der Reis­kontinent, sondern für uns ist es das Brot. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil Brot einfach wesentlich mehr kostet.

Aber Sie haben recht, man hat früher von seinem Einkommen verhältnismäßig mehr als heute für das Essen ausgegeben. Das ist vollkommen richtig, und in dieser ganzen Entwicklung ist es natürlich auch so, dass das Einkommen der Bauernschaft nicht in der Form wie die Preise nachgezogen hat. Nachdem der Herr Minister heute zu einer früheren Stunde gemeint hat, dass der Getreidepreis sinkt, bin ich wirklich mehr als ge­spannt darauf – und ich glaube es nicht –, ob der Brotpreis ebenfalls sinkt und ob den Konsumenten und Konsumentinnen etwas zurückgegeben wird.

Mein Thema, Herr Kollege, sind nicht die Ausgleichszahlungen. Ich finde, sie sind rich­tig und sollen so beibehalten werden. Ich möchte hier auch keine Diskussion über Groß oder Klein beginnen, denn im Vergleich zur europäischen Landwirtschaft ist in Österreich alles klein. Die österreichische Landwirtschaft an sich hat eine wesentlich größere Aufgabe als die, nur landwirtschaftliche Produkte zu produzieren, sondern die österreichische Landwirtschaft gestaltet das Land in seiner gesamten Attraktivität. Wenn man sich das in dem Bericht anschaut, dann sieht man, dass die österreichische Landwirtschaft eine Nebenerwerbs-Landwirtschaft ist und dass der Tourismus ein we­sentlicher Faktor ist.


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Diesen Grünen Bericht nehmen auch wir sehr gerne zur Kenntnis. Bei jenen Mitarbei­tern und Mitarbeiterinnen, die den Bericht in einer hervorragenden Art und Weise ge­staltet haben, sodass er ein wirklich brauchbares Nachschlagewerk ist, bedanken wir uns sehr herzlich dafür. Denn das muss eine ziemlich große Arbeit gewesen sein, wer immer hier Redaktion geübt hat. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Beifall der Bun­desrätin Kerschbaum sowie des Bundesrates Gruber.)

Wenn wir diesen Bericht aufmerksam lesen, dann fallen uns aus grüner Sicht natürlich andere Dinge als Ihnen auf. (Ruf bei der ÖVP: Dafür ist der Grüne Bericht da, dass man ihn liest!) – Ja, die Grünen haben ihn ganz aufmerksam gelesen.

Was ich spannend finde, ist, Herr Kollege Preineder: Es ist ein anderes Abbild als die Debatte hier. Vom Minister angefangen bis zu allen, die hier reden, inklusive meiner selbst, ausgenommen nur Kollegin Kerschbaum, sind es hauptsächlich Männer – aber die österreichische Landwirtschaft wird zunehmend weiblich! Das ist etwas, was wirk­lich auffällt und mich, das muss ich ehrlich sagen, sehr, sehr überrascht hat, auch von den Zahlen her, nämlich dass letztlich die Frauen zum Motor der österreichischen Landwirtschaft werden und dass es bereits zu 40 Prozent Frauen als Betriebsleiterin­nen gibt.

Dazu kommt, Herr Minister, dass eine Mehrheit – ausgenommen Niederösterreich – die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt. Wer wird denn im Nebenerwerb, wo wie­derum das Hauptgeschäft der Tourismus ist, zur Arbeit drankommen? – Das Nebener­werbs-Hauptgeschäft in der Landwirtschaft, bitte, ist der Urlaub am Bauernhof, ist der Tourismus. (Bundesrat Preineder: Das ist wieder etwas anderes ...!) Das zusätzliche Einkommen, und da sind es wiederum die Frauen am Hof, die diesen Tourismus und die Gästebewirtschaftung machen.

Ich finde es auch interessant, dass zum Beispiel bei den Bäuerinnen unter 25 Jahren bereits 20 Prozent Betriebsleiterinnen sind und dass bei den Bäuerinnen zwischen 55 und 65 Jahren, also in einer Altersgruppe, in der es auf dem normalen Arbeitsmarkt ab­solut unrosig für die Frauen aussieht, schon knapp 50 Prozent der Frauen Betriebslei­terinnen sind.

Ich finde es auch sehr spannend, wenn man sich den Bericht anschaut, dass sich die partnerschaftliche Betriebsführung, wofür auf einem Bauernhof Mann und Frau als Be­triebsleiter eingetragen sind, mittlerweile auf 41 Prozent gesteigert hat. Wenn ich jetzt die 40 Prozent Frauen und die 40 Prozent partnerschaftliche Betriebsführung an­schaue, dann ergibt sich, muss ich sagen, eine Mehrheit an österreichischen bäuerli­chen Betrieben, in denen die Frauen das Sagen haben.

Etwas Interessantes zeigt sich noch, wenn man die Bäuerinnen, die diese tragende Rolle haben, dann fragt, wie sie in ihrem Handwerk die Zukunftsaussichten sehen. Da stimmt mich der Optimismus, der von den Bäuerinnen kommt, optimistisch, weil sie sehr wohl optimistisch in die Zukunft sehen. Das ist möglicherweise anders, wenn man mit den alten Bauern männlicher Natur spricht, die alle eher schon ein bisschen frus­trierter sind. Aber hier wächst mit den Bäuerinnen in Österreich ganz offensichtlich auch neuer Schwung heran.

Was zum Nachdenken Anlass gibt, Herr Bundesminister, ist – Kollege Preineder ist ja der glückliche Inhaber eines biologisch-dynamisch wirtschaftenden Hofes –, dass 2006 erstmals die Zahl der Betriebe in der Biolandwirtschaft zurückgegangen ist und dass wir unter 20 000, also auf 13 Prozent gefallen sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das alles steht hier, Sie können es nachlesen, falls Sie die Zahlen anzweifeln. Ich habe


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meinen Anwalt mit: Der Herr Minister sagt, es stimmt. (Heiterkeit bei Grünen und SPÖ.) Es gibt eben ein Minus an Betrieben.

Zweitens: Herr Bundesminister, mich wundert auch, dass wir bei einem ohnehin gerin­gen Anteil von biologischen Produkten an der Gesamtproduktion – 6 Prozent – im Be­reich Kartoffel/Erdäpfel einen Rückgang von 25 Prozent haben. Das hängt möglicher­weise damit zusammen, dass sich das alles im Osten abspielt. Das ist auch atypisch, verglichen mit der Lage bei den Ölfrüchten, beim Getreide und beim Gemüse, wo der Bioanteil überall höher ist. Nur bei den Kartoffeln ist der Bioanteil unten, und dort geht das auch noch um 25 Prozent zurück. Ich denke, da muss der Herr Minister ein biss­chen darüber nachdenken, was wir da machen könnten.

Auch bei der Biomilch würde es in Österreich ganz schlecht ausschauen, wenn wir die Salzburger nicht hätten, die ein Drittel der gesamten Biomilch liefern. Da frage ich mich schon: Wo bleiben denn die anderen Bundesländer in diesem Bereich? – Sie werden mir sicher eine Erklärung geben, dazu sind Sie Minister. Ich darf die Fragen stellen, und ich muss nicht alles wissen, auch wenn ich am Land aufgewachsen bin.

791 Betriebe weniger sind es geworden. Das klingt vielleicht im ersten Moment nicht so aufregend, aber ich habe schon Herrn Kollegen Kalina gesagt – er ist jetzt nicht im Saal –, dass mich interessieren würde, warum von den 791 aufgelassenen Betrieben 231 in Wien sind. Möglicherweise ist es hier zu Auflösungen im Bereich des Weinbaus gekommen, wahrscheinlich aber auch zu Betriebsabsiedelungen nach Niederöster­reich. Generell hat Wien natürlich eine landwirtschaftliche Tradition, und es wäre scha­de, wenn dieser Schwund in Wien – auf 551, minus 231 – so weitergehen würde.

Interessant ist auch, dass es zwar eine Abnahme von Betrieben gibt, aber zugleich eine sprunghafte Zunahme von Traktoren. Vielleicht ist der eine oder andere Betrieb vergrößert worden und man braucht daher mehr Traktoren. Was auch immer! Bei der Zulassung von Traktoren ist wirklich ein sensationeller Sprung zu konstatieren. Ich glaube nicht, dass das die Disco-Traktoren sind. (Bundesrat Preineder: Welche Trak­toren?) Disco-Traktoren!

Wenn Kollege Pröll ein „Hatzerl“ mit einem Traktor macht, kann ich das verstehen. Er möge jedoch auch bedenken, dass sich durch den ganzen Bericht – auch hier – der Klimaschutz als eine Konstante zieht. Der Klimaschutz ist ja nicht gerade ein Ruhmes­blatt. Kollege Preineder hat gesagt, das sei eine gesellschaftspolitische Anstrengung. Ja, aber irgendwann, Herr Bundesminister, muss man über die Erklärungen, die wir hier immer hören, und die bedauernden Feststellungen, dass man nicht könne, hinaus gelangen. Man muss zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Preineder, dass die Photovol­taik in Österreich ein reines Exportgeschäft ist. Warum? Weil es hier im Land keinen Druck auf Nachfrage gibt. Keinen Druck auf Nachfrage!

Herr Bundesminister, Sie sagen immer, das gibt es nicht, das stimmt nicht. – Dann würde Ihre Klimaschutzbilanz doch anders ausschauen! So aber mussten Sie selbst eingestehen, dass die Klimaschutzbilanz in Österreich verheerend ist. (Beifall der Bun­desrätin Kerschbaum.)

Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang ist für die Bauern natürlich der Be­reich Biogas und Biomasse ganz wichtig. Wenn man sich ansieht, wie sich die Biogas­betriebe in Österreich entwickeln, dann bedaure ich es besonders, dass aus meinem Ursprungsheimatland Tirol nur mehr eine Katastrophe zu vermelden ist. So etwas von Schlusslicht wie Tirol! Kein Wunder, denn nach wie vor heizt man in Tirol zu über 50 Prozent mit Erdöl. Und das bei dieser Preisentwicklung! Gerade Tirol hat hier eine völlig falsche Politik.


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So zum Beispiel weist das kleine Vorarlberg im Biogasbereich eine viermal höhere Dichte auf als das viel größere – das müssen Sie zugeben – Tirol. Da zeigt sich, wie Versagen von Politik sichtbar wird! Die Vorarlberger haben das schlau gemacht und haben das auch ... (Bundesrat Mayer: Wir gasen an!) – Ihr gast an, ja.

Ein kleiner Nachsatz noch, nachdem ich Tirol bei den Biogasanlagen kritisiert habe. Es fällt auch auf, dass bei den Frauen Oberösterreich, Salzburg und das Burgenland die führenden Bundesländer sind, in denen die Frauen das Ruder in den Betrieben über­nommen haben. Tirol hängt hier ganz, ganz weit zurück. (Zwischenruf der Bundesrätin Fröhlich.) Ganz weit zurück! Auch das, Frau Kollegin, steht hier drinnen. Tirol an letz­ter Stelle, auch in dieser Frage.

Insgesamt, meine Damen und Herren, gibt der Grüne Bericht 2007 Anlass zu Optimis­mus, zeigt, welches Potenzial die heimische Landwirtschaft hat, zeigt aber auch, dass Werbeslogans, die der Herr Bundesminister sehr gerne hat, vom Feinkostladen bis zum Genussland eine konsequentere Politik erfordern, weil in diesem Bericht doch auch Schwachstellen aufgezeigt werden. Zum Beispiel gibt es auch beim Biogetreide einen interessanten Rückgang, und so weiter. Hier bedarf es ein bisschen mehr an Ell­bogen- und hemdsärmeliger Politik, Herr Bundesminister, und einer etwas energische­ren Vorgangsweise.

Kollege Preineder, verzeihen Sie, aber auch bei Ihren Ausführungen habe ich das Ge­fühl gehabt: Der redet und tut so nett, der Klimaschutz, der leite uns alle. Wenn es dann aber ans Konkrete geht – die ÖVP hat auch gesagt, dass sie einem Entschlie­ßungsantrag, den wir zum nächsten Tagesordnungspunkt stellen werden, nicht zustim­men wird –, wenn es um das Eingemachte beim Klimaschutz geht, dann ist Pröll nicht da (Heiterkeit bei der SPÖ), dann jammert Pröll, geht im Büßerhemd durch das Land und sagt: Ich würde ja so gerne, aber die Länder sind so böse. (Bundesrätin Kersch­baum: Oder: Ich bin nicht zuständig!)

Das wollen wir nicht! Deshalb wird Frau Kollegin Kerschbaum beim nächsten Tages­ordnungspunkt einen Entschließungsantrag einbringen, dem zuzustimmen wir Sie alle recht herzlich einladen.

Diesen Grünen Bericht werden wir gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grü­nen. – Bundesrat Beer: Das war jetzt aber ein überraschendes Ende!)

13.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


13.07.38

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Bundes­minister! Sehr geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Zum Grünen Be­richt 2007: Herr Bundesminister, auch ich kann nur sagen: Der Bericht ist gut verfasst, 320 Seiten, sehr übersichtlich, gut nachvollziehbar. Wenn man aus diesem Bereich et­was wissen möchte, ist eigentlich alles drinnen zu finden. Auch ich darf wie Kollege Schennach sagen: Die Mitarbeiter haben da gute Arbeit geleistet.

In Österreich gibt es derzeit 189 591 land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Wir haben das Problem, dass es da große Unterschiede gibt: Berggebiete gegenüber großen Flä­chen im Marchfeld, Vieh produzierende Betriebe, Flächen, die brach liegen, und Flä­chen, die intensiv genutzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 56

Wir haben in Österreich 36 000 Betriebe mit weniger als 2 Hektar an landwirtschaftli­cher Fläche und 3 000 Betriebe mit über 100 Hektar Landwirtschaftsfläche. Daran sieht man die Problematik, vor der wir stehen, wenn wir Agrarpolitik zielführend und mög­lichst gerecht gestalten wollen. 30 Prozent der bäuerlichen Betriebe sind noch im Voll­erwerb, also 70 Prozent im Zu- und Nebenerwerb. Es ist sicherlich sehr, sehr schwierig für jene Betriebe und Betriebsführer, die ihre Betriebe im Zu- und Nebenerwerb erhal­ten müssen: Samstag, Sonntag auf dem Traktor, die betroffenen BäuerInnen werden sehr stark beansprucht. Ich möchte darüber hinaus aber auch sagen, dass diese Be­triebe in Zukunft Gott sei Dank durch das außerlandwirtschaftliche Einkommen finanzi­ell ganz gute Voraussetzungen haben.

1980 hatten wir in Österreich noch 319 000 bäuerliche Betriebe. Im Jahre 2007, also 27 Jahre später, hatten wir um 140 000 bäuerliche Betriebe weniger beziehungsweise waren es 140 000 Bauern, die den Hof aufgegeben haben. 117 439 Betriebe führen den landwirtschaftlichen Betrieb in Gunstlagen, aber wir haben auch 72 153 Bergbau­ern der Zonen 1 bis 4.

Nur durch den Fleiß der österreichischen Bauern – hiefür sollten wir alle den bäuerli­chen Menschen immer wieder sehr dankbar sein – gelingt es Österreich heute, den Versorgungsgrad bis zu über 100 Prozent zu sichern: Getreide 104 Prozent, Zucker 126 Prozent, Erdäpfel 96 Prozent, Milch 100 Prozent, Gemüse 57 Prozent, Ölsaaten 59 Prozent, Rindfleisch 140 Prozent, Schweine 100 Prozent, Hühner 84 Prozent, Eier 74 Prozent, Honig 60 Prozent, Fische 5 Prozent.

Seit 1945 haben sich die österreichischen Bauern sehr, sehr angestrengt. Wir wissen, dass viel geleistet wurde. Große Mechanisierung hat stattgefunden. Ich möchte sagen: Diese Zeit ist für die Landwirtschaft einfach erfolgreich gewesen. Und trotzdem ist im letzten Wirtschaftsjahr der Produktionswert der österreichischen Bauern noch einmal um 4,5 Prozent gestiegen, beim Getreide um 16 Prozent, bei Ölfrüchten um 4,6 Pro­zent, in der Rinderproduktion 1,1 Prozent, in der Milchproduktion 6,3 Prozent, beim Wein 5,7 Prozent, Schweineproduktion 2,9 Prozent. Große Einkommenseinbußen gibt es jedoch, wie wir heute schon gehört haben, im Kartoffelanbau, bei Eiern und Geflü­gel, bei Letzterem einen Rückgang um 3,7 Prozent.

Vor allem Biobetriebe, die bis zu 16 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Österreichs bearbeiten, haben große Nachteile. Das Biofutterangebot ist in einer Hand, wird kartellmäßig verwaltet. Die Futtermittelabnahme ist verpflichtend. Das sind die Probleme, die sich immer stärker auf die Biobetriebe auswirken. Der Marktabsatz für Biobetriebe: wieder dieselbe Marktsituation, ein Handelskartell.

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Ihnen heute schon einmal gesagt, dass ich Sie bitten würde, da einmal nach dem Rechten zu sehen. Hier stimmen viele Zusammen­hänge nicht.

Nach neuesten Informationen gibt es bei den Ab-Hof-Verkäufen einen großen Rück­gang von bis zu 22,5 Prozent. Bei Verkäufen von Bauern auf Bauernmärkten gibt es Rückgänge von bis zu 21 Prozent.

Österreichs Bauern sind sehr große Konsumenten. Im Jahr 2006 betrugen die Gesamt­ausgaben der bäuerlichen Betriebe 6,3 Milliarden €, der Zukauf von Industrie- und Ge­werbeprodukten belief sich auf 3,2 Milliarden €.

Die bäuerlichen Betriebe haben in Österreich immerhin noch 31 300 entlohnte Mitar­beiter. Wie heute schon gesagt wurde, haben diese eine Lohnerhöhung von knapp 3 Prozent – und die bäuerlichen Betriebe hätten eine bessere Einkommenssituation.


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Die bäuerlichen Betriebe haben oft schon ein Minuseinkommen gehabt, doch es ist selbstverständlich, den Mitarbeitern deren gesicherten Lohnanspruch auch in Zukunft zu gewähren.

Sehr wenig findet sich im Grünen Bericht über den ländlichen Raum, Herr Bundesmi­nister. Das vermisse ich. Wir haben in Österreich zirka 75 000 Kilometer ländliches Wegenetz. Das sind die Lebensadern in den ländlichen Regionen! Nur in zwei Bundes­ländern, und zwar in Salzburg und Tirol, ist es möglich, den Wegebau, die Wegerhal­tung und die Schneeräumung zu 100 Prozent zu sichern. In den anderen Bundeslän­dern müssen bis zu 15 Prozent von Betroffenen dazugezahlt werden. Herr Bundesmi­nister! Das ist ungeheuerlich: Jedermann darf fahren, und die sollen noch dazuzahlen!

Herr Bundesminister, ich verstehe nicht, dass nur 2,2 Prozent der Mineralölsteuer für diese 75 000 Kilometer ländliches Wegenetz in Österreich zur Verfügung stehen. (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Es ist aber ein gut ausgebautes Netz!) Ja, aber wenn alle fahren dürfen und die Betroffenen, die ganz extrem wohnen, 15 Prozent dazuzahlen müssen, während diejenigen im Zentralraum nichts dazuzuzahlen brauchen – Herr Bundesminister, bitte denken Sie darüber einmal nach! –, kann etwas nicht stimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war ein Beispiel. – Das zweite Beispiel ist die §-7-Kommission. Die §-7-Kommission hat die Aufgabe, auf der einen Seite die Konsumenten zu vertreten, aber auf der anderen Seite auch die landwirtschaftlichen Betriebe beziehungsweise deren Betriebseinkommen zu sichern. Es werden dazu Buch führende Betriebe ausgesucht.

Herr Bundesminister, am 17. Juli hat diese Kommission getagt, hat den Bericht zur Kenntnis genommen, hat aber gleichzeitig neun Empfehlungen vorgegeben. Und diese Empfehlungen sind eigentlich eine Verpflichtung. Laut Gesetz sind Sie verpflichtet, die­se Empfehlungen auch umzusetzen, nämlich:

erstens: alte Sorten des Saat- und Pflanzengutes genetisch zu erhalten;

zweitens: die Milchproduktion und Rinderhaltung in den Berggebieten zu sichern;

drittens: Energiegewinnung aus Biomasse land- und forstwirtschaftlicher Produktionen weiter auszubauen;

viertens: Arbeitseinsatz in der Land- und Forstwirtschaft als zusätzliches Kriterium für Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen;

fünftens: Entbürokratisierung der Förderungsabwicklung;

sechstens: Sicherung von gentechnikfreien Zonen für den Anbau von Lebens- und Fut­termitteln;

siebentens: bessere Abgrenzung der Förderungsgebiete;

achtens: Geschlechtergleichstellung fördern, gleicher Lohn bei gleicher Arbeit;

neuntens: Vorsorge zu treffen, dass durch intensive Landwirtschaft keine Grundwas­serschädigung auftritt.

Herr Bundesminister, ich bin überzeugt davon: In Österreich haben die Bauern so viel geleistet, dass heute der tägliche Bedarf an Grundnahrungsmitteln gesichert ist. Am


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 58

Horizont zeigen sich aber schon schwere, dunkle Wolken. Wir sollten alles tun, damit sich die gesunde österreichische Landwirtschaft in Zukunft so entwickeln kann, dass wir diese Herausforderung für die Konsumenten, für uns, für unsere Struktur, für unse­re Wirtschaft – sei es der Fremdenverkehr oder die Gesamtwirtschaft – bestehen und die Bauern in diesem Sinne so erhalten bleiben.

Die Bauern haben das Recht, in Zukunft auf ihren Höfen zu bleiben – sie dürfen nicht dazu gezwungen werden, den Hof aufzugeben. In den letzten 30 Jahren mussten, wie ich eingangs gesagt habe, 140 000 Bauern in Österreich den Hof verlassen. Herr Bun­desminister, das sind zu viele! (Bundesrat Mayer: Da kann aber er nichts dafür!) – Doch, Rot und Schwarz haben seit 1945 die Agrarpolitik in Österreich gelenkt. Die Kammern, die Gewerkschaft, der Arbeiterkammertag, die Bundeswirtschaftskammer, alle sind zur Verantwortung zu ziehen! (Bundesrat Tiefnig: ... mehr als alle anderen!)

Herr Bundesminister, ich freue mich über diesen Bericht, der für die Bauern sehr posi­tiv ist. Und das sage ich wirklich abschließend: Das ist ja ein sehr positiver Bericht, und ich werde ihm auch die Zustimmung geben, aber, meine Damen und Herren, wir sind da, um Kritik zu üben und den Herrn Bundesminister immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass es noch besser werden kann. Dafür sind wir da. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer. – Bundesrat Reisenberger: Um zu arbeiten!)

13.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2007 der Bundesre­gierung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 LWG 1992.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 59

13.21.037. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (656/A und 528 d.B. sowie 7940/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Vladyka. Ich bitte um den Bericht.

 


13.21.18

Berichterstatterin Christa Vladyka: Werte Regierungsmitglieder! Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird, präsentieren.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich darf daher gleich zum Antrag kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.22.10

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Mit dieser Vorlage einer Änderung des Umweltförderungsge­setzes wird Österreich ein bisschen mehr vom Umweltmusterland zum Zertifikatszu­kaufskaiser. Das ist nicht unsere Intention, deshalb werden wir dieser Vorlage auch nicht zustimmen.

Die ursprünglich geplante Änderung des Umweltförderungsgesetzes hätten wir gerne unterstützt, nämlich die Zielsetzung, dass CDM-Projekte, die in Entwicklungsländern durchgeführt werden, in Zielen und Prinzipien der österreichischen Entwicklungspolitik berücksichtigt werden müssen. Das ist zu begrüßen, und wir hätten das, wie gesagt, gerne unterstützt. Dem Abänderungsantrag, der dann im Nationalrat dazugekommen ist – nämlich dass die Mittel für Emissionszertifikatszukäufe noch weiter angehoben werden –, können wir leider nicht zustimmen. Deshalb müssen wir das Gesamte ableh­nen.

Ich habe schon vorher näher ausgeführt, dass Österreich seine Klimaziele zumindest teilweise aus eigener Kraft erreichen sollte, das wäre unserer Meinung nach dringend anzustreben. Dazu wäre es wichtig, dass die Klimaschutzkompetenzen möglichst ge­bündelt werden. Wir hören nämlich bei sämtlichen Klimaschutztagungen immer wieder: Der arme Herr Minister Pröll würde zwar gerne, hat aber in manchen Bereichen nicht die Kompetenz, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.

Da geht es zum Beispiel um den Bereich Verkehr. Die einzige diesbezügliche Maßnah­me, wo der Umweltminister wirklich mitreden kann, sind diese 10 Prozent Biotreibstof­fe – oder eigentlich in Wirklichkeit Agrartreibstoffe. Mit diesen 10 Prozent Beimengung


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zum normalen Diesel ersparen wir uns insgesamt lediglich 5 Prozent CO2. Beim Agrar­diesel werden nämlich 50 Prozent weniger CO2 freigesetzt, eine Beimischung von 10 Prozent ergibt somit 5 Prozent CO2-Ersparnis. Das ist leider so ziemlich das Einzi­ge, das in diesem Bereich passiert.

Gleichzeitig gibt es aber im motorisierten Individualverkehr Zuwächse von ungefähr 3 Prozent. Das heißt, dass wir bis 2012 schon allein aufgrund des wachsenden Ver­kehrs eine Zunahme von 12 Prozent haben – und die 5 Prozent, die wir uns mit den Agrartreibstoffen einsparen, sind locker aufgeholt.

Es ist daher dringend notwendig, auch andere Maßnahmen zu setzen, nämlich ver­mehrt öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, damit die Menschen eine Al­ternative zum eigenen Auto, zum Kfz haben. Das passiert aber leider nicht. Was in Wirklichkeit im Verkehrsbereich in Österreich nach wie vor passiert, ist massiver Aus­bau von Autobahnen, der wieder Verkehr induziert und den Mief jährlich weiter zuneh­men lässt.

Was ist mit den Bundesländern? Wir haben erst vor Kurzem eine Mineralölsteuererhö­hung gehabt. Es wurde zugesagt, dass man einen Teil davon in den öffentlichen Nah­verkehr durch die Bundesländer investieren würde. Es gibt aber keinen Bericht – ich habe jedenfalls noch keinen Bericht gesehen – dieser Bundesländer darüber, was sie mit diesen neuen, zusätzlichen Mitteln für den öffentlichen Nahverkehr gemacht haben.

Wir haben auch Herrn Staatssekretär Matznetter des Öfteren darauf angesprochen, wodurch denn nachgewiesen wird, dass diese Mittel tatsächlich in den öffentlichen Nahverkehr fließen. Meines Wissens konnte man auch in den Ländern noch nicht wirk­lich herausfinden, welche Projekte damit finanziert wurden. Das erfährt weder der Um­weltminister noch der Finanzminister. Ich denke, das war eine Zusage an die Länder, bei der man sich doch ein bisschen mehr hätte absichern können.

Ein weiterer Problempunkt ist die Wohnbauförderung. Auch da gibt es Mittel, die der Bund den Ländern überlässt, damit die Wohnbauförderung möglichst ökologisch er­folgt. Es ist für den Bund aber nach wie vor nicht wirklich nachvollziehbar, wie effizient die einzelnen Wohnbauförderungsgesetze der Länder sind. Die Bundesregierung hat sich zwar vorgenommen, die Sanierungsrate zu steigern, in Wirklichkeit ist es aber eine Kompetenz der Länder. Die Bundesregierung kann sich nur berichten lassen, in­wieweit hier erfolgreich vorgegangen wurde, und der Erfolg bleibt leider noch weit hin­ter den Zielen des Regierungsprogramms zurück.

Ein kleiner Punkt, die Solaranlagen: Warmwassersolaranlagen sind keine besonders neue Technik. Sie funktionieren gut, und zwar schon seit vielen, vielen Jahren. Auf 15 Prozent der Einfamilienhäuser in Österreich befinden sich Warmwassersolaranla­gen, aber nicht einmal auf 1 Prozent der großvolumigen Wohnbauten. Da frage ich mich, warum denn das nicht funktioniert. Warum werden gerade im großvolumigen Wohnbau Gemeinschaftssolaranlagen nicht angenommen? – Da gibt es vor allem im Justizbereich, sprich im Mietrechtsgesetz, Beschränkungen, denn hier müssen alle verschiedenen Eigentümer zustimmen, die zusammen eine Anlage bauen. Da gibt es nach wie vor Hindernisse – die auch in andere Ressorts fallen, nicht nur in das des BMLFUW –, bei denen man ansetzen muss, um hier weiterzukommen.

Weiter zu den Bundesländern: Es ist noch nicht bekannt, wie kompatibel der Energie­ausweis in den einzelnen Bundesländern sein wird. Ich weiß, dass in Niederösterreich


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 61

nach wie vor noch diskutiert wird, wer ihn ausstellen soll. Ich weiß, dass diese Diskus­sion auch in anderen Bundesländern noch nicht ganz abgeschlossen ist. – Wie rasch werden öffentliche Gebäude in den Bundesländern und die öffentlichen Gebäude des Bundes saniert?

Über das Ökostromgesetz brauche ich gar nicht viel zu reden. Zumindest in Niederös­terreich hat der Umweltlandesrat vor der Landtagswahl immer wieder davon gespro­chen, dass wir endlich ein Ökostromgesetz brauchen, das dem deutschen Erneuerba­re-Energien-Gesetz entspricht. Das war vor der Landtagswahl. Nach der Landtags­wahl gibt es jetzt einen Vorschlag des Wirtschaftsministeriums, der diesem Erneuerba­re-Energien-Gesetz in keinster Weise entspricht.

Dieses Gesetz wird in Deutschland und in 50 anderen Staaten bereits erfolgreich um­gesetzt und trägt dazu bei, dass im Bereich der erneuerbaren Energien wirklich etwas weitergeht. Was jetzt in Österreich vorliegt, entspricht diesem wieder bei Weitem nicht. Es ist aber nicht Kompetenz des Umweltministers, sondern die des Wirtschaftsminis­ters, eine Vorlage zu erstellen. Ich weiß nicht, wieweit der Umweltminister damit glück­lich ist. Offensichtlich glaubt er durchaus, dass damit eine Steigerung erzielt wird. Wir sind der Meinung, dass sich diese Hoffnung wahrscheinlich nicht erfüllen wird.

Das Potential für Klimaschutzmaßnahmen in Österreich ist noch sehr hoch, aber was in regelmäßigen Abständen hier im Bundesrat und im Nationalrat beschlossen wird, sind leider lediglich Gelder, die zurückgelegt werden, damit wir unsere Emissionszertifi­kate kaufen können – weil wir offensichtlich zu wenig danach streben, unsere Klima­schutzziele hier im Land zu erfüllen.

Herr Bundesminister Pröll hat beim Klimaschutzgipfel am 17. April versprochen, ein Bundesklimaschutzgesetz in Angriff zu nehmen und dieses noch vor dem Sommer dem Ministerrat vorzulegen, damit wir es im Herbst beschließen können. Seit der Kli­maschutzkonferenz hat man nicht mehr sehr viel davon gehört. Es wäre natürlich drin­gend notwendig, dass auch die anderen Minister, Staatssekretäre sowie Landeshaupt­leute und Landesumweltreferenten in eine Diskussion eingebunden werden – darüber, wie hier zusammengearbeitet werden kann, wie hier die einzelnen Klimaschutzziele aufeinander abgestimmt werden können und vor allem, wie überprüft werden kann, wer was zur Erreichung des Klimaschutzzieles beiträgt.

Wir stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

„Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und Bundesrat

1. eine Regierungsvorlage für eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Beschlussfassung vorzulegen, mit der eine Bedarfskompetenz des Bundes zur Set­zung von verbindlichen Maßnahmen zum Schutz des Klimas geschaffen wird, und

2. eine Regierungsvorlage für ein Klimaschutzgesetz zur Beschlussfassung vorzule­gen, in dem insbesondere

die zum Klimaschutz notwendigen legistischen Maßnahmen gesetzt werden,


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die Länder sowie die Mitglieder der Bundesregierung verpflichtet werden, jährlich einen Bericht über die in ihrem Zuständigkeitsbereich geplanten und gesetzten Maßnahmen sowie die geplante und tatsächliche erzielte Reduktion an Treibhausgasemissionen zu veröffentlichen, und

der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ver­pflichtet wird, dem Nationalrat jährlich einen gesamtösterreichischen Klimaschutzbe­richt unter Einbeziehung aller Maßnahmen und Ergebnisse auf Bundes- und Landes­ebene vorzulegen.“

*****

Das ist im Prinzip das, was Herr Bundesminister Pröll laut seiner Aussage vom 17. April, und zwar bei seiner Abschlussrede beim Klimaschutzgipfel, versprochen hat. Wir hätten gerne, dass das auch umgesetzt wird. Wir hätten gerne, dass es endlich so weit kommt, dass hier Gespräche geführt werden und möglicherweise wirklich im Sep­tember der erste Schritt dazu gesetzt werden kann, dass Klimaschutzziele in Öster­reich aus eigener Kraft erreicht werden können – und nicht nur durch Zukauf von Emis­sionszertifikaten. (Beifall bei den Grünen.)

13.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

 


13.32.59

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben heute alle schon eine Menge Interessantes und Überraschendes erlebt. Frau Minister, Herr Staatssekretär, Sie werden nicht alle Informationen erhalten haben. Wir haben mitbe­kommen, dass der Herr Minister Pröll plötzlich zum Anwalt der Grünen avanciert ist – eine ganz tolle, interessante Situation. Wir haben gehört von den Eier legenden Grü­nen. Ich gehe davon aus, dass sie doch Freilandeier produzieren und hier keine Käfig­haltung verwendet wird. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir haben auf die Schnelle auch noch einen neuen Staatssekretär bekommen. Das ist zwar noch nicht beschlossen, aber Kollege Kalina sollte auch das sein. (Bundesrat Schennach: Und die SPÖ-Bundesge­schäftsführung soll zu Agrariern geworden sein!) – Ja, natürlich. Das ist ja nichts Neu­es, das machen wir ja schon seit langer Zeit.

Wenn wir so im Spaß immer wieder die verschiedensten Dinge hören wie Straßenren­nen mit Traktoren, an denen der Herr Minister teilnimmt, dann lachen wir alle darüber. Es geht um genau dieses Thema. Niemand nimmt diese Situationen wirklich ernst, da­bei enthalten sie doch einen gewissen Kern an Wahrheit. So muss man, glaube ich, auch das Ganze betrachten. Wenn wir das Umweltförderungsgesetz oder die Ände­rung betrachten, so darf ich vorausschicken, dass wir dem selbstverständlich zustim­men werden, weil viel Gutes, viel Positives darin ist. Ich gebe vor allem deshalb mein Ja dazu, weil wir der Förderung der Umwelt mit dem Umweltförderungsgesetz eine Chance geben müssen.

Wir sprechen von der Umwelt. Die Umwelt ist nichts Abstraktes, sondern sehr real und ein Bereich, der uns alle betrifft. Ob wir sie mitgestalten wollen oder nicht, steht auf


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einem anderen Blatt, das ist unterschiedlich zu sehen. Das Schlagwort „Bruder Baum“, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist uns allen bekannt und seit langer Zeit im Sprachge­brauch üblich. Ich möchte aber trotzdem feststellen, dass für mich nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt steht und somit auch das Zentrum des Handelns ist.

Auch beim Thema Umwelt geht es um uns Menschen. Wir müssen der Umwelt ver­stärkt Aufmerksamkeit widmen. Wir haben jahrzehntelang bewusst und unbewusst Din­ge zur Kenntnis genommen und teilweise sogar forciert, die der Umwelt alles andere als gut getan haben. Die Umwelt beeinflusst unser Leben massiv, da sie die Rahmen­bedingungen unseres Lebens darstellt.

Die Natur kann eine Menge von Fehlern, die wir Menschen im Laufe der Geschichte – bewusst und unbewusst, ich betone das immer wieder – gemacht haben, wieder korrigieren, aber natürlich nicht alles. Mit dem Kyoto-Protokoll wurden Ziele definiert, die der Umwelt – also in Wirklichkeit uns und unseren Kindern – eine Chance geben. Daher sind diese Ziele nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch möglichst sinnvoll um­zusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Natürlich müssen die Maßnahmen weltweit umgesetzt werden, und nicht nur in Öster­reich und in Europa; aber es kann und darf für uns kein Grund sein zu sagen: Dort ma­chen sie es auch nicht, daher wursteln wir nach dem alten Prinzip weiter, und es wird schon irgendwie weitergehen. Das heißt, der Wirkungsbereich im eigenen Land ist der, wo wir mitgestalten können. Hier sind wir aufgerufen, dementsprechend verantwor­tungsvoll vorzugehen.

Bewusste und konsequente Maßnahmen umsetzen ist die Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft in einer lebenswerten Umwelt leben können. Die Maßnahmen, die wir setzen, sind ja nicht wie Geschenke, die wir zu Weihnachten auspacken und wo wir dann gleich sehen, ob dieses Geschenk passt oder nicht. Die Wirkung der Maßnah­men, die wir zum Schutz der Umwelt setzen müssen, ist selten sofort erkennbar, son­dern meistens erst nach Monaten, Jahren oder Jahrzehnten. Es muss jedoch eine dau­erhafte Wirkung gegeben sein – für das Morgen und darüber hinaus.

Abgeordneter Kai Jan Krainer hat zu diesem Thema im Nationalrat etwas gesagt, was ich für sehr klug und wichtig halte, nämlich unter anderem, dass es auch unvernünftige Maßnahmen und Forderungen gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie zum Beispiel, dass man ab September nicht mehr Auto fahren oder ab Oktober nicht mehr heizen soll. All diese Dinge sind natürlich mehr als unvernünftig. Aber auch aus dem Ausland Sachen zuzukaufen, die man nicht mehr macht, ist nicht das Gelbe vom Ei, wobei er meinte – und ich gebe ihm da vollkommen recht –, dass das Vom-Ausland-Zukaufen noch das geringste Übel darstellt.

Kollege Krainer hat recht, aber sehr oft ist das geringste Übel eben nur der Weg des geringsten Widerstandes, nämlich wie etwas am einfachsten umsetzbar ist. Wir wissen alle, dass das Bessere der Feind des Guten ist. Daher ist es natürlich nicht unser Ziel, alles, was wir brauchen, im Ausland einzukaufen, sondern grundsätzliche Änderungen darzustellen. (Präsident Kritzinger übernimmt den Vorsitz.)

Ein wichtiger Punkt ist aber auch die Wirtschaft und die Industrie. Gerade hier ist es wichtig, dass gleiche Voraussetzungen bestehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die meisten von Ihnen wissen, dass ich aus der Metallbranche komme. Daher liegt es mir nahe, hier Vergleiche zu sehen. Wettbewerb ist gut, Wettbewerb ist notwendig, nur darf er nicht dazu führen, dass für unsere Wirtschaft, für unsere Industrie Benachteiligun­gen entstehen.


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Liebe Freunde von der grünen Fraktion, ich habe noch nicht gehört, dass ihr euch hie­zu massiv und lautstark einbringen würdet! Denn wenn ich das Beispiel Voest in Linz hernehme, das CO2-effizienteste Kraftwerk, das es in Europa gibt  (Bundesrat Schennach: Was?!) – Hör mir bitte zu, was ich fordere und wo ich nichts von euch hö­re! – Die Voest zahlt dennoch wesentlich höhere Steuern als alle anderen rundherum, als würden andere vergleichbare Kraftwerke in Europa, die schlechtere Emissionswer­te haben, belohnt dafür werden. In Wirklichkeit wird hier der Wettbewerb verzerrt. Wir zahlen bei uns quasi eine CO2-Strafsteuer, wenn wir wenig davon produzieren. Das ist wettbewerbsverzerrend, liebe Kolleginnen und Kollegen, und eine Benachteiligung un­serer österreichischen Industrie!

Wir fordern europaweit, am besten wäre weltweit, aber ich bin kein Phantast und weiß, dass es das zumindest in absehbarer Zeit nicht spielen wird, dass jedes Stahlwerk zum Beispiel nach denselben Regeln behandelt wird. Das gilt selbstverständlich für alle an­deren Bereiche, die betroffen sind oder ähnliche Produktionen haben, genauso.

Das Thema Umwelt ist sicher eine nicht enden wollende Herausforderung für uns und die folgenden Generationen. Es gibt noch einiges – nein, vieles, das es zu verändern und zu regeln gibt. Da sind wir uns, so glaube ich, alle einig. Aber, bitte, mit Vernunft und Hirn!

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Gedanken formulieren, der heute schon einmal hervorgekommen ist! Ich war erst im Jänner, Februar drei Wochen in Costa Rica, habe dort auch einiges kennenlernen dürfen. Dort hat man schon begriffen, dass Monokulturen etwas sind, was negativ ist, und dass man wieder davon weggeht. Bei uns habe ich so manchmal das Gefühl, es bringt vielleicht kurzfristig etwas, aber damit sollten wir uns durchaus näher beschäftigen.

Daher ein einfacher, kurzer Satz zum Schluss: Lebensmittel sind Nahrung; und Nah­rung hat weder im Tank noch in einem Ofen etwas verloren. – Ich danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.41


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


13.41.43

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Dem Umweltförderungsgesetz werden wir, Sigi Kampl und ich, keine Zustimmung erteilen; nicht deshalb, weil wir der Meinung sind, dass viele Ziele im Bereich der Klimaschutzperspektiven nicht erreicht worden sind – nein, im Gegenteil, sie werden nämlich auch erreicht –, aber es gibt noch einige Dinge, die wir noch nicht berücksichtigt wissen. Wir werden dagegen stimmen, so wie die Grünen, wenn auch teilweise nicht aus den gleichen Motiven.

Da heute Sigi Kampl Herrn Kalina als Staatssekretär für Landwirtschaft vorgeschlagen hat, müsste ich Frau Kerschbaum als Staatssekretärin für Umweltpolitik vorschlagen, denn etwas haben die Grünen in den letzten zehn Jahren erreicht: Vor zehn Jahren gab es die Ankündigung, den Spritpreis – er war damals bei 10 S – zu verdoppeln und mit den Mehreinnahmen Umweltmaßnahmen zu setzen. Etwas ist ihnen gelungen: zwar nicht die Umweltmaßnahmen zu erhöhen, aber den Spritpreis zu verdoppeln. (Bundesrätin Kerschbaum: Das haben nicht wir gemacht!) Das wäre schon ein Grund, eine Staatssekretärin von den Grünen einzusetzen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 65

Dort, wo wir glauben, dass zu wenig reagiert wurde, ist, dass bei den 500 Millionen des Klimafonds nicht alle Bereiche voll eingebaut worden sind. Und als Touristiker möchte ich hier vielleicht noch eine Anregung für die Zukunft bringen, dass man auch die tou­ristischen Freizeitobjekte in die Förderung mit diesen aus dem Klimafonds stammen­den Mitteln mit einbeziehen sollte, denn die thermischen Sanierungen in diesem Be­reich hätten eine große Vorbildwirkung auch in der Umweltpolitik.

Der zweite Punkt, warum wir glauben, dass beim Umweltförderungsgesetz nicht alle Dinge erledigt worden sind, ist, dass nach unserer Meinung zu viel Geld in das Ausland transferiert wird, wo Zertifikate eingeholt werden und die österreichische Wirtschaft hier zu wenig oder fast gar nicht eingebunden wurde. Allein Kärnten hat hohe Kompeten­zen im Bereich der Solarenergie, der Photovoltaik, bei Windkraftanlagen und Wasser­kraftenergie. Weltweit führende Unternehmen kommen aus Kärnten. Kein Auftrag ist an eines dieser Unternehmen gegangen, wenigstens ein Angebot zu stellen.

Das, so glaube ich, sollte man auch als Mitglied des Bundesrates mit einbringen und mit einfließen lassen, denn es ist ja auch Arbeitsmarktförderungspolitik, wenn man hei­mische Unternehmen, die noch dazu weltweite Kompetenzen aufweisen, mit einbindet. Das ist die Anregung. Da sie nicht aufgenommen wurde, weder im Nationalrat und auch heute nicht, werden wir – vorerst einmal – diesem Umweltförderungsgesetz keine Zustimmung erteilen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.45


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hensler. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.45.02

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorerst, ein persönliches Wort zu sagen! Es ist für mich nach fünf Jahren, die ich im Niederösterreichischen Landtag war, eine Ehre, jetzt wieder im Bun­desrat aktiv zu sein. Ich werde mich bemühen, im Interesse meines Heimatlandes hier meine Ideen und Zielvorstellungen zu präsentieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute das Umweltförderungsge­setz am Tapet – dazu hier eine Feststellung: Ich glaube, dieses Umweltförderungsge­setz bringt sicher trotz gewisser Diskussionen eine Verbesserung. Ich denke, da sind wir auch mit den Grünen einer Meinung: Es bringt eine Verbesserung.

Es ist auch so: Jeder will eine saubere Umwelt. Das ist ganz einfach ein Faktum. Der Klimawandel kostet natürlich Geld. Es ist unbestritten – und das möchte ich auch nicht verhehlen –, dass die Effizienz gesteigert werden muss. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Klimaschutz soll man oder muss man – und das ist ja in diesem Entwurf zweifelsohne enthalten – auf mehrere Beine stellen.

In der Klimastrategie ist vorgesehen, diese Zertifikate zuzukaufen. Sie wurden heute bereits diskutiert, ich möchte nicht sagen, kritisiert, aber sie sind am Tapet gestanden. Man muss sagen, sie werden von 2008 bis 2012 zugekauft. Ein gigantischer Betrag: 132 Millionen €. (Bundesrat Schennach: Über 500 ...!) – Ja, es ist sicher sehr viel, und zusätzlich werden 33 Millionen von 2009 bis 2012 ebenfalls benötigt.

Aber man darf die nationalen Maßnahmen nicht vergessen, das möchte ich auch her­vorstreichen. Wir haben uns auf diesem Gebiet wirklich bemüht, in nationaler Hinsicht einige Dinge zu organisieren und zu gestalten. Ich sage ganz wertfrei, wir haben sie


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auf Schiene gebracht. Es wurden Weichen gestellt. Gerade weil heute Frau Bundesmi­nister Kdolsky und Herr Staatssekretär Lopatka hier sind – leider musste der Herr Um­weltminister gehen –, möchte ich sagen: Da wurden Akzente gesetzt. Ich möchte mich im Interesse der Bauern bei dieser Bundesregierung bedanken. Es wurden Impulse und Akzente gesetzt, die zweifelsohne Priorität für die Zukunft der nächsten Generatio­nen haben.

Wir Bauern haben eine gewichtige Aufgabe gerade im Umweltschutz übernommen. Wir können nachhaltig – das ist auch unbestritten – Energie herstellen. Wir können auch Öl ersetzen. Das ist heute noch nicht diskutiert worden. Ebenfalls ein Thema: Bio­treibstoffe. Wir haben bisher 1 Million Tonnen CO2 an echten Einsparungen erreicht. Bis in das Jahr 2010 sind 2 Millionen Tonnen CO2 an echten Einsparungen beabsich­tigt. Auch ein großartiger Akzent! (Bundesrätin Kerschbaum: Mehr Effizienz!) Tatsa­che ist aber auch, dass beim Ökostromgesetz allein das Potential, das über Biogas ausgeschöpft wird, bis 2010 ein Kraftwerk ausmacht. Ein Donaukraftwerk können wir da einsparen. Das ist wirklich sehr wichtig.

Aber ich möchte auch Folgendes erwähnen: Man kann nicht gegen alles sein. Wenn man das nicht will, dann muss man sagen, man ist für Atomstrom auf der einen Seite, oder man will auf der anderen Seite die Wasserkraft auf der Donau ausbauen. Wir brauchen diesen Impuls. Das ist unbestritten. Hier sind wir, so glaube ich, sehr gut un­terwegs.

Die Eindämmung des Klimawandels ist sicher eines der größten Probleme, dem wir uns politisch, aber auch gesellschaftspolitisch stellen müssen. Die Verpflichtung zur Verringerung der Emissionen und Umsetzung der Klimaschutzstrategie ist die Realität, was Anspruch und Wirklichkeit betrifft. Das heißt, wir müssen ganz einfach – wie ich es versucht habe, in einigen Sätzen auszudrücken – Maßnahmen in diesem Bereich set­zen. Das bedarf sicher – und das möchte ich auch sagen – des Einklangs der Volks­wirtschaft. Es ist wichtig, dass wir alles mit einbeziehen.

Sicher ist es so – das möchte ich auch sagen –, dass wir vom Kyoto-Ziel mit diesen 22,2 Millionen Tonnen entfernt sind; das ist sicher unbestritten. Daher benötigen wir ein breites Bündel an Aktivitäten und Maßnahmen. Diese müssen wir noch einigermaßen im Bereich der Energieerzeugung auf der einen Seite und im Bereich des Verkehrs – das möchte ich nicht ausschließen – auf der anderen Seite erreichen. Das gilt aber auch dafür, was den Zukauf dieser Zertifikate anbelangt.

Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man muss die Diskussion Ankauf von Zertifikaten auf der einen Seite und gleichzeitig Maßnahmen im Inland wie Ausbau des Biotreibstoffs führen. Das wurde heute schon ausführlich disku­tiert. Jawohl, wir brauchen diesen Ausbau! Er ist wichtig, und er geht in die richtige Richtung. Die Verkehrsproblematik und die thermische Gebäudesanierung sind eben­falls ein zentrales Thema, und vieles, vieles mehr. Das alles zusammen kann nur die breite Palette sein, dann kommen wir einen wichtigen Schritt nach vorne.

Ich möchte abschließend sagen – wie ich schon eingangs gesagt habe –: Das kostet Geld. Jeder, der glaubt, das bringt das Christkind, widerspricht der Realität. Das kostet ganz einfach Geld! Es geht in die richtige Richtung: innerösterreichisch Wertschöpfung, Einbindung unseres Arbeits- und Wirtschaftsstandortes generell.

Noch ein Wort zur Ökostromgesetz-Novelle – es wurde heute bereits angerissen –: Ich bin davon überzeugt, das ist ein weiterer Schritt im Interesse des Klimaschutzes und sicher für uns und unsere Kinder.


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Wir werden sehr gerne unsere Zustimmung dazu geben. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.52


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Bundes-Klimaschutzgesetz vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

13.53.418. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wer­den (502 d.B. und 529 d.B. sowie 7941/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um den Bericht.

 


13.54.08

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalra­tes vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz und das Apothekerkammergesetz 2001 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 


13.55.05

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie der Herr Präsident und die Frau


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Berichterstatterin schon ausgeführt haben, geht es um eine Novellierung im Arbeiter..., ah, im Apothekengesetz und im Apothekerkammergesetz. – Jetzt wäre ich beinahe selbst darüber gestolpert. – Obwohl es um die Apotheker geht, geht es in diesem Fall nicht um Apotheker gegen Ärzte, es geht – wie es vielleicht aufgrund der aktuellen Be­richterstattung auch naheliegend wäre – auch nicht um „aut idem“ und schon gar nicht um die Gesundheitsreform im Ganzen. Daher möchte ich auch nicht der Verlockung er­liegen, zur bevorstehenden Gesundheitsreform das eine oder andere zu sagen, und mich ausschließlich auf die heute vorliegende Materie konzentrieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorliegende Novelle behandelt im Wesentlichen drei zentrale Gesichtspunkte. Beim ersten Gesichtspunkt geht es um Europa. Wir set­zen damit eine Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen für den Beruf des Apothekers und die damit naheliegende Überführung in das österreichische Recht um. – Punkt eins.

Punkt zwei: Es geht um die Neuformulierung der allgemeinen Berufsberechtigung für Apotheker und Apothekerinnen.

Beim dritten Punkt – dazu möchte ich ganz kurz speziell etwas sagen – geht es um einen verfahrensrechtlichen Teil, also um eine formelle Änderung, im Wesentlichen im Berufungsrecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl es schon bisher bei den Apothekern gemäß den Diplomen, die richtlinienkonform waren, letztlich zu einer inländischen Anerken­nung gekommen ist, war es trotzdem notwendig, zusätzliche Regeln für die Anerken­nung von Ausbildungsnachweisen von Apothekerinnen und Apothekern in das inner­staatliche Recht einzuführen. Und als weiteren Schritt – erlauben Sie mir in diesem Zu­sammenhang vielleicht diese Diktion zu verwenden – nach Europa möchten wir dieser Anerkennung von ausländischen Studienabschlüssen zur Erlangung des staatlichen ApothekerInnendiploms auch heute gerne unsere Zustimmung erteilen.

Da ich eingangs gesagt habe, dass ich gerne etwas zu diesem formellen Teil, zur ver­fahrensrechtlichen Änderung anmerken möchte, dann möchte ich das ganz bewusst im Bundesrat machen, weil, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn in einem formellen Teil einer neuen gesetzlichen Regelung – salopp formuliert – Bundesaufgaben in die Län­der wandern, dann beobachten wir diese Dinge naturgemäß als Länderkammer mit großer Sorgfalt.

Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Verlagerung der Berufungszuständigkeit vom Bund zu den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern. Und ich sage gleich dazu: Da es sich bei dieser zusätzlichen Belastung der Länder in Zukunft um eine kleine handelt – und man kann aus heutiger Sicht sagen, die Belastung hält sich in einem überschaubaren Rahmen –, möchten wir auch in der Länderkammer diesem Punkt unsere Zustimmung erteilen.

Ich möchte das deshalb hervorheben, weil natürlich vor dem Hintergrund vielleicht noch kommender großer Verwaltungs- und Staatsreformen spätestens im Bundesrat diese Veränderungen vom Bund zu den Ländern immer unter einer besonderen Lupe stehen und wir auch in Zukunft damit rechnen müssen, dass wir gerade diese Dinge hier in der Länderkammer sehr sorgsam beobachten werden.

Wir möchten daher, summa summarum, dieser Novellierung auch heute gerne die Zu­stimmung erteilen und diese gesetzliche Vorlage unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

13.59



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 69

Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


13.59.27

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in aller Bescheidenheit dem Kollegen Klug recht darin geben, dass wir nicht die Gesundheitsreform diskutieren – zumindest heute nicht; das Ganze ist ja in Begutachtung. Natürlich geht es dabei auch um die Apotheker – da­rauf komme ich etwas später noch zu sprechen.

Im Rahmen dieser Materie darf man jedoch erwähnen – und das erwähne ich mit gro­ßer Freude –, dass wir in Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Wenn es auch manche schlechtreden, es ist einfach eine Tatsache. Tatsache ist aber auch, dass wir ein massives Finanzierungsproblem haben, und das müssen wir gemeinsam lösen. Durch Beten des Vaterunsers dieses Problem zu lösen ist leider nicht möglich.

Faktum ist aber auch, dass wir hochqualifizierte Apothekerinnen und Apotheker haben, die einen wichtigen Beitrag zum hohen Standard der medizinischen Versorgung des österreichischen Gesundheitswesens leisten. Vielfach sind die Apothekerinnen und Apotheker erste Ansprechpartner, wenn es darum geht, auch bei kleineren gesundheit­lichen Problemen unsere Bevölkerung zu beraten. Die Menschen gehen zuerst dorthin, bevor sie zum Arzt gehen. Das ist auch österreichische Mentalität.

Im Konkreten geht es – wie schon von Kollegem Klug angesprochen – darum, die Nie­derlassungsfreiheit, welche ja ein Grundrecht der EU-Bürger ist, auch im Apothekenge­setz umzusetzen. Im Apothekengesetz wird auch die Umsetzung dieser EU-Richtlinie, eine einheitliche und transparente berufliche Qualifikation möglich, also eine neue For­mulierung der allgemeinen Berufsberechtigung der Apotheker für die Ausübung des Apothekerberufes in Österreich.

Mit den Unabhängigen Verwaltungssenaten wird zudem eine Berufungsinstanz betref­fend die Aufnahme und die Beendigung des Apothekerberufes festgelegt. Das ist auch eine wesentliche Verbesserung.

Wenn wir schon über die Apotheken sprechen, sei in diesem Zusammenhang auch nochmals erwähnt, dass wir ein enormes Problem bei der Finanzierung des Gesund­heitssystems, aber auch bei den Medikamentenkosten haben. Vom Jahr 2006 auf das Jahr 2007 sind diese Kosten um mehr als 10 Prozent gestiegen. Gerade diese Kosten machen inzwischen ein Drittel der Gesundheitskosten aus. Eine weitere horrende Zahl ist die Steigerung der Gesundheitskosten vom Jahr 2000 bis heute um 43 Prozent. Da kann man wirklich anfügen: Sind wir nur noch eine Generation von Pillenschluckern, oder läuft hier sonst irgendetwas schief?

Zur Versorgung möchte ich noch erwähnen, dass diese im Medikamentenbereich si­cherlich überproportional, hervorragend ist. Dies gilt auch für den ländlichen Bereich, denn im ländlichen Raum gibt es ein fruchtbares Miteinander von Hausapotheken und öffentlichen Apotheken. Das haben wir vor zwei Jahren auf eine neue gesetzliche Ba­sis gestellt, und das funktioniert auch dementsprechend gut.

Wenn Frau Bundesministerin Kdolsky und Herr Sozialminister Buchinger sich konkret über eine Reform des Gesundheitswesens Gedanken gemacht haben, auch über den Bereich der Medikamente, dann ist das nicht nur eine Umsetzung des Regierungspro-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 70

gramms für mich, sondern einfach höchst an der Zeit, dass wir diese Diskussion in Gang bringen. Denn dass das keine einfache Sache wird, ist uns allen von vornherein klar gewesen. Ich muss aber der Frau Ministerin auch danken: Man wird sie vielleicht irgendwann einmal sozusagen als Mutter Courage dieser Gesundheitsreform bezeich­nen. Da bin ich mir sicher! Sie hat die Diskussion mit Herrn Minister Buchinger in Gang gebracht.

Bezüglich der Ärzte und Apotheker bin ich schon dafür, dass man die Ärzte bei diesem Gesundheitspaket – und wenn es auch nur ein Mosaikstein ist, wie man schon gehört hat! – nicht aus der Verantwortung lässt, dafür aber auch die Apotheker in die Pflicht nimmt! Die Sorge vieler Ärzte ist für mich schon begründet, dass die Apotheker dann nur noch Medikamente ausgeben, die zwar den vom Arzt vorgeschriebenen Wirkstoff enthalten, wo sie aber die höchste Spanne und den höchsten Gewinn haben. Es gilt al­so hier Ungereimtheiten entsprechend auszuräumen. Die Diskussion hat sich jetzt aber zu Grabenkämpfen entwickelt, die, wie ich glaube, von niemandem nachzuvollziehen sind.

Wir werden dieser Vorlage, wo es um eine Änderung des Apothekengesetzes und des Apothekerkammergesetzes geht, natürlich gerne unsere Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.04


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich ertei­le es ihm.

 


14.05.00

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Am 14. Mai 2008 hat der höchste Vertreter der Ärztekammer, Herr Präsident Dorner, im „Morgenjournal“ auf Ö1 die ApothekerInnen pauschal als „Budelhupfer“ bezeichnet. Ich finde – wie auch Kollege Mayer und Kollege Klug –, dass unsere PharmazeutInnen das nicht verdient haben, denn sie leisten wirk­lich sehr gute und hervorragende Arbeit!

Was wir hier heute beschließen, ist leider nur ein kleiner Teil einer komplexen Materie. Dass es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, spricht nicht gerade für die ungeheure Kreativität der handelnden Akteure und Akteurinnen, die an der anste­henden Gesundheitsreform arbeiten. Die Kritik, die aus den Medien aus den unter­schiedlichen Lagern zu entnehmen ist, bestätigt das.

Das zentrale Ziel der Reformen, die im Gesundheitsbereich anstehen, ist für mich die medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung. Dies gilt vor allem für die ländlichen Regionen. Fördern wir eine umfassende Kooperation zwischen den Apothe­ken und den Arztpraxen! Im Interesse der Patienten und Patientinnen ist die gute Zu­sammenarbeit gefragt.

Natürlich müssen sich Apotheken auch wirtschaftlich rechnen. Auf der anderen Seite müssen wir in ländlichen Regionen die Versorgung der Bevölkerung garantieren. Kon­kurrenzkämpfe zwischen diesen beiden Berufsgruppen – die Ärzte und Ärztinnen auf der einen und die Apotheker und Apothekerinnen auf der anderen Seite – nützen nie­mandem. Letztendlich fördert der raue Ton der Interessenvertretungen nicht gerade das Vertrauen der Patienten und Patientinnen.

Ich möchte ein bisschen ausschweifen. Was mich besonders freut, ist, dass zumindest in diesem Bereich Migranten und Migrantinnen ihren ursprünglich erlernten Beruf leich-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 71

ter ausüben können, als es für andere Berufsgruppen vorgesehen ist. Denn bisher war es ja so, dass es ausgebildete PharmazeutInnen aus dem Ausland beziehungsweise aus den EU-Ländern gar nicht leicht hatten, in ihrem angestammten Beruf in Österreich tätig zu sein. Das ist leider Gottes noch bei vielen Berufsgruppen weiterhin der Fall.

Meiner Ansicht nach steht dahinter eine ungeschickte und von vielen Ängsten über­schattete Integrationspolitik der Bundesregierung. Wir lassen leider oft weit unter­schätztes Potential an Know-how und Berufserfahrung ungenützt. Meines Erachtens wird der Wert einer nicht österreichischen Qualifizierung unterschätzt. Fachkompetenz verknüpft mit Erfahrung und Kenntnissen aus anderen Gesellschaftsformen und Kultur­kreisen ist eine Bereicherung und darf nicht als Handicap angesehen werden. (Bun­desrätin Mühlwerth: Was hat das mit dem Apothekengesetz zu tun?) – Ich spanne den Bogen – und bitte um Geduld! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich ha­be Ihnen auch zugehört!

Obwohl viele Wirtschaftstreibende immer wieder auf den drohenden und bereits vor­handenen Fachkräftemangel hinweisen, belegen wir viele qualifizierte Fachkräfte de facto mit einem Arbeitsverbot. Dieser Umstand schadet letztendlich nicht nur den Be­troffenen, die zum Nichtstun verurteilt sind, auch der Wirtschaftsstandort Österreich lei­det darunter. Es ist doch ein Indiz für mangelnde Weltoffenheit, wenn wir Leistungsfä­higkeit von Menschen, die sich bei uns niederlassen möchten, nicht nutzen.

Was zu begrüßen ist, sind die vorgesehenen Erleichterungen für die Wiedereinstei­gerInnen, denn die bisherige Bestimmung, dass nach einer dreijährigen Pause die Be­rufsberechtigung erlischt, hat in erster Linie Frauen getroffen. Mit der Veränderung in diesem Bereich ermöglichen wir den PharmazeutInnen eine bessere Lebensplanung.

Wir werden diesen Veränderungen daher in der Hoffnung zustimmen, dass bei den nächsten Reformen eine umfassende Reform des Gesundheitswesens stattfindet, wel­che sozusagen den ursprünglichen Zweck des Gesundheitswesens beinhalten sollte, nämlich das Wohl der Patienten und Patientinnen.

Von Frau Kollegin Kerschbaum soll ich weiters ausrichten, dass wir bei den nächsten zwei Tagesordnungspunkten zustimmen werden, denn sie hat sich von der Rednerliste streichen lassen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.09


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 72

14.09.529. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (503 d.B. und 530 d.B. sowie 7942/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um den Bericht.

 


14.10.13

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin, liebe Andrea! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. Ich erteile es ihm.

 


14.10.59

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesräte! Mit diesem Gesetz wird wieder ein weiterer Schritt in der Weiterentwicklung unserer Zivilisation gesetzt.

Dieses Gesetz ist ganz einfach wichtig, um unserer Bevölkerung ein Mehr an Sicher­heit für ihre Gesundheit zu geben. Wie wir uns alle noch erinnern können, ist der eigentliche Anlass für das Gesetz die Masernepidemie, die sich sehr schnell ausge­breitet hat und uns gezeigt hat, dass unser ohnehin gutes System noch weiter verbes­sert werden muss.

In Österreich kommt es immerhin jährlich zu 19 500 meldepflichtigen Krankheitsfällen nach dem Epidemiegesetz. In Zukunft werden diese Fälle in einem Register bundes­weit erfasst werden. Der Vorteil dieses Registers besteht nicht nur aus der Möglichkeit einer geografischen Darstellung, um die Ausbreitung auch optisch über Landesgrenzen hinweg sofort zu erkennen, sondern ermöglicht es aufgrund der geografischen Darstel­lung den Landeshauptleuten, schneller auf solche Situationen zu reagieren.

Wir haben erkennen müssen, dass diese Erreger anscheinend immer aggressiver wer­den und dass wir, je schneller wir auf diesen Umstand einer Ausbreitung und einer In­fektion reagieren können, die Möglichkeit haben, diese schneller einzudämmen.

Eine Meldung an die Zentralstellen kann in Zukunft auch entfallen – nicht ganz, aber doch in einem gewissen Ausmaß –, da diese die Möglichkeit haben, an dieser Daten­bank direkt abzufragen.

Wir haben mit der Einführung dieses zentralen Registers auch die Möglichkeit, eine Reihe von Berichtspflichten zu erfüllen, wie zum Beispiel die Erfüllung der sich aus der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 1998 über die Schaffung eines Netzes für die epidemiologische Über­wachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der Gemeinschaft ergebenden


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Maßnahmen, die wöchentliche oder monatliche Übermittlung von Überwachungsdaten zu Infektionskrankheiten an das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten, die Akutmeldung an das Europäische Frühwarnsystem für Infektions­krankheiten, die Erfüllung der Berichtspflichten im Rahmen der EU-Zoonosen-Richtli­nien, die Erfüllung der Berichtspflichten im Rahmen der Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO.

Weitere Vorteile sind, dass in dieser Meldedatenbank die Meldungen standardisiert sind und somit auch vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit ist auch wichtig, da wir in der Vergangenheit von den verschiedensten Stellen Meldungen bekommen haben, die nicht immer eindeutig zuordenbar waren, wodurch es auch immer wieder zu Verzöge­rungen gekommen ist.

Ein weiterer Vorteil ist der Wegfall des Aufwandes für die Aufbereitung der Daten für die Monatsausweise, Jahresberichte und internationalen Berichte ebenfalls durch die Standardisierung in der Datenbank.

Da die Datenbank durch das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend betrieben wird, entstehen in diesem Zusammenhang den Ländern und Städten keine zusätzlichen Kosten. Das ist auch etwas Erstaunliches, weil wir sonst immer wieder bei solchen Gesetzen bemerken müssen, dass Kosten direkt auf die Länder übertragen werden.

Für die Einbindung des Systems auf Landes- und Bezirksebene in das bestehende Be­hördennetz ist lediglich ein Internetzugang erforderlich und nicht mehr. Und Internetzu­gänge gibt es ja auf allen Gemeinden.

Die laufenden Betriebskosten stehen noch nicht exakt fest. Es wird aber grundsätzlich durch die dem Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend zur Verfügung stehenden Budgetmittel gedeckt werden.

Die Zeitressourcen, die für die Zusammenstellung der bisherigen periodischen Meldun­gen beziehungsweise Auswertungen nötig waren, die durch die Bezirksverwaltungsbe­hörden an das Land geschickt und durch diese gesammelt wurden und an das Bun­desministerium für Gesundheit, Jugend und Familie zu übermitteln waren, die Monats­ausweise, werden dafür in Zukunft entfallen, da sowohl die Landes- als auch die Ebene der Zentralstelle jederzeit statistische Auswertungen selbst vornehmen kann.

Dem Ganzen gegenüber steht ein etwas vermehrter Zeitaufwand für die genauere Erfassung in diesem Datensystem, da hier noch zusätzliche Daten eingetragen wer­den, um komplexere und genauere Abfragen durchführen zu können. So, wie es der­zeit aussieht, entwickelt sich das System für die Städte und Länder kostenneutral.

Es ist in diesem Gesetz auch festgeschrieben und sichergestellt, dass der Datenschutz nicht nur eine leere Floskel ist. Wir haben auch in der Vergangenheit gemerkt, dass Datenschutz ein sehr, sehr sensibler Bereich ist und es Personen gibt, die diesen Da­tenschutz nicht unbedingt mit der nötigen Sorgfalt behandeln.

Es wird versucht, die Daten nur denjenigen, die auch berechtigt sind, in einer Form zur Verfügung zu stellen, die auch die erkrankten Personen und ihr Umfeld schützen – nicht nur schützen in Bezug auf die Gesundheit, sondern auch schützen in Bezug auf den Datenschutz.

Dieses Gesetz wird es uns ermöglichen, Epidemien bereits im Anfangsstadium zu er­kennen und damit auch wesentlich schneller zu reagieren. Dies wiederum ermöglicht


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es uns, Krankheitsausbrüche rechtzeitig einzudämmen und lokal zu begrenzen und für die Gesundheit der Bevölkerung zu sorgen.

Ich glaube, es ist ein gutes Gesetz, dem wir unsere Zustimmung geben werden. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

14.18


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


14.18.18

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr verehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beer hat bereits sehr ausführlich dargelegt, dass wir mit der zu beschließenden Novelle des Epidemiegeset­zes die Voraussetzungen schaffen, ein datenschutzkonformes Register zu implemen­tieren, um die österreichische Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen vor einer raschen Verbreitung von Infektionskrankheiten zu schützen und bei Auftreten von Seuchen auch entsprechend rasch reagieren zu können.

Damit ist gewährleistet, dass es rasche Kommunikationsmöglichkeiten und kurze Infor­mationswege gibt und dann Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz unserer Bevölke­rung beschleunigt werden können.

Das Hauptaugenmerk dieses Epidemiegesetzes, das übrigens aus dem Jahr 1950 stammt – das muss man sich auch vor Augen halten! – und deshalb wirklich nicht mehr up to date ist, weil sich gerade im Gesundheitsbereich auch sehr viel in den letzten Jahren verändert hat, liegt in einer gravierenden Verbesserung des Meldesystems, einer sehr hohen Datenqualität, verbunden mit einer automatisierten Zusammenfas­sung von Krankheitsfällen und Krankheitsausbrüchen.

Die jeweilige epidemiologische Situation kann auch im Rahmen einer geografischen Darstellung präzisiert werden, und durch entsprechende Auswertung steht jederzeit ab­rufbares Datenmaterial zur Verfügung.

Ein personenbezogener Zugriff auf derartiges Datenmaterial ist jedoch nur im Falle von konkreten Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfällen möglich. Keinesfalls ist der Zu­griff auf andere Daten dieser Person möglich. Hier kommt also der Datenschutz auch besonders zum Ausdruck, um Missbrauch im höchstmöglichen Umfang verhindern zu können.

Wie Kollege Beer schon erwähnt hat, ist eine der Hauptursachen die Masernepidemie. Hier war das Management der Behörden, glaube ich, sehr vorbildlich. Man hat sehr rasch reagiert, und deshalb konnte auch diese Krankheit eingedämmt werden. Auch bei uns gab es einige wenige Fälle, und man hat auch seitens des Landes bereits in Voraussicht dieser Novelle zum Epidemiegesetz einen entsprechenden Erlass bezie­hungsweise eine Information an alle Bezirkshauptmannschaften herausgegeben und die Fachärzte, Kinderärzte und Ärzte für Jugendheilkunde ersucht, bei Kontakten mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Immunitätsstatus betreffend Ma­sern zu prüfen und die Impfung anzubieten – also bereits eine Umsetzung im Informa­tionsbereich. Hier bringt also die Koordinationsfunktion der Landeshauptleute, die bei bezirksüberschreitenden Ausbrüchen ausdrücklich gesetzlich verankert wurde, große Vorteile. Das ist auch ein wesentlicher Fortschritt.

Erfreulich, wie Kollege Beer auch schon erwähnt hat, ist aus Sicht der Länder und Ge­meinden, dass hier keine zusätzlichen Kosten anfallen und dies zur Gänze aus Mitteln


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des Ministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend getragen wird. Danke der Frau Ministerin dafür! Solchen Gesetzen, die wesentliche Verbesserungen bringen und vor allem nichts kosten, stimmen wir Vorarlberger und natürlich auch meine Fraktion gerne zu! (Beifall bei der ÖVP.)

14.21


Präsident Helmut Kritzinger: Ich darf nun Frau Bundesministerin Dr. Kdolsky um ihre Ausführungen bitten.

 


14.22.00

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesräte! Ja, so macht man es, nicht wahr? Da schafft es selbst jemand, der derzeit gerade im Sperrfeuer steht, sich ab und zu Sym­pathien zu holen.

Herzlichen Dank für die breite Information über dieses Gesetz. Ich habe mich aus drei Gründen zu Wort gemeldet: Ich denke, dass wir hier gezeigt haben, dass unsere ge­meinsame Anstrengung – die gemeinsame Anstrengung nicht nur dieser Koalitionsre­gierung, sondern die gemeinsame Anstrengung aller innerhalb der österreichischen Regierung, aber auch innerhalb der Opposition vertretenden Parteien – dahin gehend ist, unser hervorragendes Gesundheitssystem stetig zu optimieren und zu verbessern. Das ist eine Verpflichtung, die, so denke ich, wir alle, die wir hier in politischen Verant­wortungen sind, in uns tragen. Und es werden auch in vielen Punkten Aktivitäten ge­setzt, die darauf hinweisen.

Ich möchte anhand dieses Gesetzes hier einmal zeigen, dass natürlich große Verände­rungen große Diskussionen herausfordern, dass aber tagtäglich viele kleine Schritte gesetzt werden – allein schon durch die Gesetzesmaterien, die heute hier zur Diskus­sion vorliegen –, die in akribischer Arbeit auch von den Beamtinnen und Beamten mei­nes Ministeriums und den entsprechenden Verantwortlichen vorbereitet werden. Dafür bedanke ich mich auch einmal sehr herzlich, weil in dieser großen, emotionalisierten Diskussion oft vergessen wird, wie viele zig kleine Gesetze in diesem Gesundheitsres­sort tagtäglich absolviert werden, um die stete Verbesserung zu zeigen.

Dieses Gesetz ist für mich deswegen so notwendig, weil – und das ist alles inhaltlich schon gesagt worden – auf der einen Seite diese schnelle Vernetzung von Informatio­nen gerade in einem Erkrankungsspektrum, das sich sehr schnell verbreitet, notwendig ist. Aber – und ich bin ja tagtäglich konfrontiert mit dieser Diskussion – es ist mir auch wesentlich, dass sich alles, was mit Datenerfassung zusammenhängt, auch daten­schutzkonform abspielt. Wir sind im medizinischen Bereich mit hochsensiblen Daten konfrontiert, mit Daten, bezüglich deren immer wieder Ängste geschürt werden und auch Ängste bestehen.

Das Schlagwort „gläserner Patient“ ist eines, womit wir uns in vielen Themenbereichen der elektronischen Technologien im Gesundheitswesen auseinandersetzen müssen. Und daher bin ich sehr froh, dass wir es hier geschafft haben, nicht nur die Vorteile, sondern auch den Schutz in den Vordergrund zu stellen.

Es gibt noch einen Aspekt – das ist mir natürlich als Ärztin wesentlich –, der noch nicht in dieser Form erwähnt wurde: Wir haben durch die Sammlung der Daten und durch die Möglichkeit, diese Daten auch schnell und über die Schnittstellen hinweg greifbar zu machen, die Möglichkeit von Risikobewertung. Risikobewertung und Risikofor­schung sind etwas, was noch ein bisschen Neuland ist und dem wir uns langsam auch


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in der Wissenschaft und Forschung nähern. Das ist ein bisschen so, wie wenn man die Mathematik mit der Medizin oder mit der Philosophie zusammenschraubt und sagt: Wann könnte trotzdem noch etwas passieren, selbst wenn wir alles machen können?

Dazu braucht man unglaublich gute Datengrundlagen, und das gibt uns die Möglich­keit, gerade in einem Bereich, der durch das Immer-kleiner-Werden der Welt, durch das immer engere Vernetztsein der Bevölkerung untereinander, der Weltbevölkerung untereinander, die Chance gibt, diese Risikobewertung besser zu machen.

Also: Ein Plus für unser System, ein Plus vor allem – daraus resultierend – für die Ös­terreicherinnen und Österreicher in der Sicherheit vor Infektionserkrankungen, ein Plus für die Datenverwertung, ein Plus für die Wissenschaft und Forschung, um Österreich auch in diesem Bereich dort zu positionieren, wo es hingehört, nämlich an den Platz Nummer eins in Europa, und in vielen Fragen auch darüber hinaus.

Ich bedanke mich sehr, dass hier auch in vielen Wortmeldungen darauf hingewiesen wurde, wie wesentlich auch diese kleinen Gesetzesnovellierungen und Gesetzentwürfe sind, auch wenn sie Gott sei Dank nicht in jeder Form immer große Emotionen hervor­rufen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.26


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhellig­keit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.27.3410. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Ös­terreich GmbH geändert werden (504 d.B. und 531 d.B. sowie 7943/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich bitte um den Bericht.

 


14.28.01

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das Bundesgesetz über die Ge­sundheit Österreich GmbH geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 



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Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile es ihm.

 


14.28.46

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Bei der vorliegenden Novelle, der Änderung des Medizinproduktegesetzes sowie das Bundesgesetzes über die Gesundheit Österreich GmbH, wird die Lage der Patienten, glaube ich, gewaltig verbessert, und es werden die Patientenrechte weiter verstärkt. Und, was ganz wichtig ist, auch die Beweisposition wird zugunsten der Pa­tienten neu geregelt.

Notwendig wurde dies, weil in den letzten Jahren durch die Patientenanwaltschaften, aber auch vermehrt durch die Volksanwaltschaft Sachverhalte aufgezeigt wurden, bei denen im Verlauf von Behandlungen Patienten durch vermeintlich fehlerhafte Medizin­produkte geschädigt wurden, Spitalsträger aber ein Verhalten setzten, das dem Patien­ten die Verfolgung seiner Ansprüche gegenüber dem Hersteller de facto unmöglich ge­macht hat. Die Geschädigten waren insofern benachteiligt, als Beweise zu erbringen waren, ob in der Tat vermeintlich schadhafte medizinische Produkte der Grund für ihre persönliche Schädigung waren, und die Produkte für Beweiszwecke nicht mehr sicher­zustellen waren.

Durch die heute zu beschließende Änderung erhalten nunmehr diese Patienten einen besseren Schutz als bisher, weil diese Einrichtungen des Gesundheitswesens, die Krankenhäuser eben, ausdrücklich gesetzlich verpflichtet werden, alles zu dokumentie­ren. Dadurch ist auch die Möglichkeit gegeben, die Durchsetzung von Ansprüchen ge­gen den für mögliche Fehler Verantwortlichen zu erleichtern – beziehungsweise diese überhaupt zu ermöglichen.

Geschätzte Damen und Herren, den zweiten wichtigen Punkt dieser Gesetzesände­rung bildet die datenschutzrechtliche Absicherung verschiedener Register auf dem Ge­biete des Gesundheitswesens, die durch die Gesundheit Österreich GmbH geführt werden. Bereits seit den achtziger Jahren wird in Österreich auf freiwilliger Basis ein Herzschrittmacherregister geführt, das nun – im Sinne der Patientensicherheit – in die Gesundheit Österreich GmbH übergeleitet wird.

Im Sinne von Transparenz und Rechtssicherheit soll daher im Medizinproduktegesetz eine Rechtsgrundlage für die Führung eines Herzschrittmacherregisters sowie eine Rechtsgrundlage für die Führung weiterer Implantatregister durch die GÖG geschaffen werden. Dieses Register dient dem Schutz lebenswichtiger Interessen von Patienten, die mit derartigen Hochrisiko-Implantaten leben müssen.

Dabei ermöglicht es der direkte Personenbezug der in den Registern enthaltenen Da­ten, und zwar ohne Umwege über Behandlungseinrichtungen und damit ohne Zeitver­zögerung, im Falle von Problemfällen Schutzmaßnahmen von Patienten, Weiterleitung von Warnhinweisen, engmaschigere Nachsorgen und so weiter durch die GÖG zu ver­anlassen beziehungsweise durchzuführen.

Ein weiterer Zweck, der mit der Einrichtung dieser Register verfolgt wird, ist die quali­tätsgesicherte Behandlung von Patienten. Dies betrifft den Behandlungsprozess selbst sowie Betreuung und Nachsorge. So soll der behandelnde Arzt im Register alle wichti­gen Parameter zur Einstellung eines Herzschrittmachers – inklusive Parameter der Sonden – finden.


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Geschätzte Damen und Herren! Wir können froh und dankbar sein, dass die Anregun­gen der Patientenanwaltschaft und der Volksanwälte zum Wohle der Patientinnen und Patienten so rasch aufgegriffen wurden und dieses Gesetz heute geändert wird. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.32


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, gesundheitlicher Schwerarbeiter! – Heiterkeit.)

 


14.33.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein Akt der Gesundheitsförderung, sich zu bewe­gen, Frau Ministerin, deshalb dieser Redebeitrag. (Bundesministerin Dr. Kdolsky er­hebt sich von ihrem Platz, macht demonstrativ eine Bewegungsübung vor und nimmt wieder Platz.) – Übrigens: Es gilt erst nach dem fünften Sit-up. (Heiterkeit.) Das bitte aber nicht fürs Protokoll. – Danke, Frau Ministerin.

Bei der Novelle des Medizinproduktegesetzes steht eindeutig die Stärkung der Patien­tenrechte im Vordergrund. Daher sind Standards betreffend die Anwendung von medi­zinischen Geräten und Artikeln, auch Meldepflichten ... (Auf Bundesministerin Dr. Kdolsky weisend, die die Bewegungsübung mit mehreren Kniebeugen fortgesetzt hat:) Man kann durchaus auch applaudieren! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Leb­hafte Heiterkeit der Bundesministerin Dr. Kdolsky.  Bundesrat Stadler: Fit, mach mit!)

Die Patienten haben dadurch die Möglichkeit – wenn ein medizinisches Produkt quali­tativ mangelhaft ist oder unerwartete Nebenwirkungen hat – zu einem Mehr an Unter­stützung in der Rechtsfindung.

Bis dato waren die Geschädigten in der Form benachteiligt, dass, wenn bei der Anwen­dung oder bei der Behandlung mit bestimmten medizinischen Präparaten Problemsi­tuationen entstanden sind, nicht nachvollziehbar war, ob ein medizinisches Produkt schadhaft ist, denn diese Produkte waren zum Zwecke der Beweissicherung – das ist ein ganz entscheidender Punkt – nicht sicherzustellen, weil sie dann dem Hersteller zurückgeschickt worden sind. Deshalb kam es bei der Geltendmachung von Schaden­ersatzansprüchen zu Problemen beziehungsweise war es praktisch unmöglich, solche Ansprüche überhaupt zu beantragen.

Künftig werden bei begründetem Verdacht, dass medizinische Produkte Schaden ver­ursacht haben, etwa bei den Gesundheitsdienstleistern oder bei den Spitälern, sehr wohl rechtliche Ansprüche von geschädigten Patienten beziehungsweise Hinterbliebe­nen eingefordert werden können. Das ist ein Meilenstein, damit Patientinnen und Pa­tienten im Sinne der Medizinproduktehaftung zu ihren Rechten kommen.

Herr Kollege Stadler hat bereits ausgeführt, dass die Fortführung des bisher auf freiwil­liger Basis geführten Herzschrittmacherregisters im Sinne der Patientensicherheit auch ein wesentlicher Punkt ist; vor allem die Schaffung der Rechtsgrundlage für Implantat­register stellt eine wesentliche Verbesserung dar.

Wenn man bedenkt, dass in Österreich in einem Jahr mehr als 10 000 Neu- und Re-implantationen von Herzschrittmachern, von Defibrillatoren, von Loop Recordern und anderen Implantaten vorgenommen werden, sieht man, welch unglaublich große Zahl


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das ist. Mit dieser Gesetzesnovelle wird sichergestellt, dass das künftig in personenbe­zogenen Registern festgeschrieben und dokumentiert wird.

Mit der vorliegenden Novelle wird weiters eine Verbesserung in der Qualitätssicherung im österreichischen Gesundheitswesen erreicht. Bei der Gesundheitsreform wurde – ich verweise auf die Gesundheitsreform 2004 – die Einrichtung eines Qualitätsinstitutes im Rahmen der Gesundheit Österreich GmbH sichergestellt, und es ist daher logisch und konsequent, dass die Gesundheit Österreich GmbH diese erwähnten Register ein­richtet und führt, weil damit ein weiterer Schritt in die medizinische Qualitätssicherung gemacht wird.

Unser Gesundheitssystem ist Weltklasse, ich wiederhole mich da sehr, sehr gerne; ich habe das heute schon einmal gesagt und meine, man kann das gar nicht oft genug sa­gen.

Wir setzen mit diesem Gesetz ein weiteres Zeichen, um diesen großartigen Standard entsprechend weiterzuentwickeln. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.36


Präsident Helmut Kritzinger: Wünscht die Frau Bundesminister, dazu eine Stellung­nahme abzugeben? (Bundesrat Mayer spricht mit Bundesministerin Dr. Kdolsky.) – Frau Minister? (Bundesrat Konecny: Die tratschen gerade! – Kollege Mayer, gib die Frau Minister frei!) – Bitte.

 


14.36.52

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es tut mir leid, aber ich habe gerade die Mitteilung bekommen, dass die Österreichische Ärztekammer offensichtlich leider nicht zu Gesprächen bereit ist und jetzt eine Eil-APA-Meldung hi­nausgeht, dass ab 16. Juni alle österreichischen Ordinationen angeblich streiken. Ich bekomme zwar jetzt gerade im Minutentakt SMS von mir bekannten Ärzten, die sich daran nicht beteiligen.

Trotz alledem ist es aber ein trauriges Zeichen, dass es in Österreich so weit kommt, dass es nicht ein Gespräch, dass es nicht Kooperation und Kommunikation gibt, son­dern dass es letztendlich auf dem Rücken von Patientinnen und Patienten, die verunsi­chert sind, geschieht – und die gar nicht wissen, dass wir jeden Tag Entscheidungen für sie treffen, während manche da nach außen einen Machtkampf darzustellen versu­chen, was in meinen Augen geradezu eine Katastrophe darstellt: eine Katastrophe der Kommunikationsunfähigkeit, eine Katastrophe der Desinformation, eine Katastrophe, die für mich als Ärztin und mit meinen moralischen Vorstellungen, was das Verhalten gegenüber Patientinnen und Patienten betrifft, nur als sehr, sehr unwürdig bezeichnet werden kann.

Ich hoffe trotzdem, dass die Vernunft siegt – ja ich bin davon eigentlich überzeugt, da ich so viele gute Freundinnen und Freunde habe, die tagtäglich hervorragende Arbeit in der Medizin leisten: nicht nur als Funktionärinnen und Funktionäre, sondern ihren Patientinnen und Patienten gegenüber in der Ordination. Ich weiß daher, dass die Ös­terreicherinnen und Österreicher diesbezüglich auch weiterhin versorgt sein werden.

Zum Ziel dieser Novelle, die jetzt zur Diskussion steht – ich möchte vom Inhaltlichen her nicht Ausführungen von Vorrednern wiederholen –: Lassen Sie mich hier einen


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 80

Punkt hervorheben, den wir gemeinsam in dieser Koalition, eben in Abarbeitung unse­rer Aufgaben, erledigt haben, nämlich die Stärkung der Patientenrechte als ein ganz wesentlicher Faktor. Das steht im Koalitionsübereinkommen, das haben wir abgearbei­tet, wir sollten das aber deswegen nicht zur Seite legen, denn: Da werden noch viele Punkte kommen, die gemeinsam mit den Patientenanwältinnen und Patientenanwäl­ten, mit der Volksanwaltschaft, mit den Selbsthilfegruppen umgesetzt werden müssen, denn der Patient steht im Mittelpunkt; alles andere hat sich sozusagen um den Patien­ten zu reihen.

Das, meine Damen und Herren, wird kein leeres Wort der Gesundheitsministerin sein. Ich fühle mich nicht irgendeiner Standesvertretung verpflichtet, sondern ausschließlich den Patientinnen und Patienten in Österreich gegenüber. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch explizit auf einen dritten Punkt hin­weisen, nämlich auf die Qualitätssicherung. Die Qualitätssicherung ist etwas, was für mich fast ein „Lebenswerk“ darstellt, denn das ist etwas, dem ich mich ganz und gar verschrieben habe.

Wir haben Mitte des vorigen Jahres das Bundesinstitut für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen implementiert. Wir sind jetzt dabei, nachdem wir strukturiert haben, hier mit der Arbeit zu beginnen. Und ich bin fassungslos, dass in dieser unseligen Dis­kussion Qualität als Kriterium abgelehnt wird. Qualität ist eines der zentralsten Themen in der Gesundheitsversorgung. Qualität ist Sicherheit für den Patienten, und ein Patient muss die Sicherheit und Garantie haben – er muss diese Sicherheit haben –, dass er unabhängig davon, wo, zu welcher Uhrzeit und zu welchem Arzt er geht, die gleiche qualitativ hochstehende Untersuchung bekommt. Wer sich gegen Qualität auflehnt, lehnt sich gegen die österreichischen Patientinnen und Patienten auf. In diesen Kampf gehe ich gerne. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Qualitätsregister bringt uns einen weiteren Meilenstein für die Gesamtgesund­heitsreform, denn hier können wir Vergleichbarkeiten schaffen, hier können wir sehen, welche Ergebnisqualitäten wir bekommen, hier können wir Benchmarks schaffen und können damit auch den Patientinnen und Patienten zeigen, wo wir welche Leistungen anbieten. Wir werden ein Portal auch im Rahmen des Bundesinstituts für Qualitätssi­cherung im Gesundheitswesen für die Patientinnen und Patienten eröffnen, wo wir die­se Vergleichbarkeiten, diese Information, diesen Wissensstand entsprechend weiterge­ben. Auch dazu brauchen wir Grundlagen, dazu brauchen wir Daten, und dazu wird dieses Qualitätsregister auch entsprechend herhalten.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass wir auch die PatientInnenzufriedenheit einfließen lassen. Lassen wir doch die PatientInnen mitsprechen! Qualitätsmanage­ment, wenn wir heute von EFQM, von Total Quality Management sprechen, ist keine Top-down-, sondern eine Bottom-up-Sache. Und Qualitätsmanagement ist etwas, wo wir genau die fragen müssen, die von dieser Qualität betroffen sind. Das ist nicht im­mer ganz einfach, das ist auch nicht immer ganz angenehm, aber es ist etwas, was un­abdingbar ist, um sich in diesem System weiterzuentwickeln.

Durch dieses Qualitätsregister werden nicht nur die Effizienz und Effektivität von Be­handlungsrichtlinien, sondern auch die Patientenzufriedenheit hinterfragt. Das ist, glau­be ich, ebenfalls ein wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit unserer Aufgabe in der Koalition, dass wir sagen, mehr Rechte für die Patientinnen und Patienten, mehr Arti­kulationsmöglichkeiten.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 81

Ich glaube, dass wir die medizinische Versorgung der Zukunft – da nehme ich ein biss­chen etwas vorweg – letztendlich durch qualitätsverbessernde Maßnahmen nicht nur in den Spitälern, sondern auch im niedergelassenen Bereich umsetzen müssen, und da­für brauchen wir Werkzeuge.

Das ist vielleicht auch einer der Gründe, die so schwer zu transportieren sind, dass es nicht die oder eine Reform gibt, sondern es gibt Schritt für Schritt die nächsten Ver­besserungselemente für ein hervorragendes Gesundheitssystem. Um diese Elemente umzusetzen brauchen wir Werkzeuge, und diese Werkzeuge zu entwickeln ist im Mo­ment unsere vornehmste Aufgabe. Daran arbeiten wir gemeinsam in vielen Arbeits­gruppen, und ich glaube, dass man das nicht hintanstellen darf.

Dieses Qualitätsregister ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, und ich bedanke mich dafür, dass hier im Bundesrat auch die Wertschätzung gegenüber diesen Geset­zesnovellen gegeben ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bun­desräte Dönmez und Ing. Kampl.)

14.43


Präsident Helmut Kritzinger: Danke schön. – Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Der Antrag ist somit angenommen.

14.44.3911. Punkt

Jahresvorschau des BMGFJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission für 2008, des 18-Monate-Programms der deutschen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft sowie des 6-monatigen Schwerpunktprogramms des slowenischen Vorsitzes (III-341-BR/2008 d.B. sowie 7944/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nunmehr zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich bitte um den Bericht.

 


14.45.14

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschus­ses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 den An­trag, der Bundesrat wolle den Bericht über die Jahresvorschau des Bundesministe­riums für Gesundheit, Familie und Jugend 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und


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Arbeitsprogramms der Kommission für 2008, des 18-Monate-Programms der deut­schen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft sowie des 6-monatigen Schwerpunktprogramms des slowenischen Vorsitzes zur Kenntnis nehmen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Boden. Ich erteile es ihm.

 


14.45.59

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Am 22. November 2004 hat der Ministerrat beschlossen, dass jedes Regierungsmit­glied einen Bericht über das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission und zum Programm des Rates jährlich vorzulegen hat, und die Frau Bundes­minister hat dies getan. Frau Bundesminister, ich danke Ihnen und Ihrem Team für die­sen wirklich sehr gut lesbaren Bericht.

Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, mitteilen, dass dieser Bericht in vier große Teile gegliedert wurde:

erstens: Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission;

zweitens: von der Kommission bereits vorgelegte Legislativvorschläge oder Mitteilun­gen, die in Verhandlung stehen;

drittens: operatives Programm des Rates;

viertens: Termine der relevanten Tagungen des Rates.

Lassen Sie mich einige Punkte des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission bringen:

Zu Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 2004 hat die Kommission ihre strategischen Kernziele bis zum Ende des Jahrzehnts dargelegt: Wohlstand, Solidarität, Sicherheit, Europa als Partner in der Welt. Diese Prioritäten sind nach wie vor gültig.

Auch für das Jahr 2008 hat die Kommission ihre Prioritäten vorgestellt: Wachstum und Beschäftigung, nachhaltiges Europa, ein integriertes Konzept für Migration, die Bürge­rinnen und Bürger an die erste Stelle rücken und – wieder – Europa als Partner in der Welt.

Im Rahmen der Priorität, die Bürgerinnen und Bürger an die erste Stelle zu rücken, nennt die Kommission explizit die Förderung der Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben.

Unter der Überschrift „Umsetzung vereinbarter politischer Maßnahmen“ führt die Kom­mission an, dass sie einen sechsjährigen Aktionsplan zur EU-Tiergesundheitsstrategie annehmen und mit seiner Umsetzung beginnen wird. Ferner wird sie den rechtlichen Rahmen für die Risikobewertung zu GVO durch die Europäische Behörde für Lebens­mittelsicherheit klarstellen. – Beides Themen, die für Österreich von großer Bedeutung sind.

Hinsichtlich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Besitzstandes versichert die Kom­mission, dass sie weiterhin große Anstrengungen unternehmen wird, um die Einhal­tung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu gewährleisten, wobei die Betonung auf der Einhaltung von Standards in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Lebensmittelsi­cherheit, Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzengesundheit liegt.


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Im Rahmen des auch 2008 weitergeführten Vereinfachungsprogramms soll mit einer zunehmenden Zahl von Vereinfachungsvorschlägen zur Verringerung der Verwaltungs­kosten beigetragen werden. 15 der vorgesehenen Initiativen sind völlig neu und bezie­hen sich auf verschiedene politische Bereiche, wie die öffentliche Gesundheit. Im Arz­neimittelbereich soll durch eine Vereinfachung der diesbezüglichen Vorschriften die Verwaltungslast für die Industrie verringert werden.

Wie 2007 umfasst das Arbeitsprogramm 2008 schwerpunktmäßig strategische Initiati­ven. Eine dieser strategischen Initiativen im Maßnahmenpaket Gesundheit ist die Mit­teilung und Empfehlung zur Patientensicherheit und zur Qualität von Gesundheits­dienstleistungen.

Die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung fallen in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die mit medizinischer Behandlung ver­bundenen Risken und Schäden sind jedoch in allen Mitgliedstaaten gleichartig. Der Austausch von Erfahrungswerten und das Voneinander-Lernen können einen wesentli­chen Beitrag dazu liefern, mögliche Schäden zu reduzieren.

Hauptziele der zu erwartenden Initiative sind: Unterstützung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung höchstmöglicher Patientensicherheit in allen EU-Gesundheitssystemen durch Bereitstellung der notwendigen praktischen und rechtlichen Instrumente und Me­chanismen im Hinblick auf die Verbesserung von Sicherheit und Qualität der medizini­schen Versorgung sowie Stärkung des Vertrauens der EU-Bürger durch ausreichende Informationen über die Sicherheit der Gesundheitssysteme und der Gesundheitsdienst­leister im eigenen Land und in allen anderen Mitgliedstaaten.

Unter den vorrangigen Initiativen findet sich der Punkt „Maßnahmenpaket Arzneimittel“. Europa ist mit Beginn des 21. Jahrhunderts vor neue Herausforderungen in Bezug auf öffentliche Gesundheit, Wissenschaft und Wirtschaft gestellt: Globalisierung, Funk­tionsfähigkeit des Binnenmarkts in einem erweiterten Europa, Fortschritt in Wissen­schaft und Technik. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas im internationalen Kontext in diesem Sektor zu stärken und zu verbessern, wird die Kommission in ihrer Mitteilung die bevorstehenden Herausforderungen skizzieren, Überlegungen für die Zukunft an­stellen und Zielsetzungen für sich selbst und die Mitgliedstaaten vorschlagen.

Ein weiterer Punkt: Richtlinie zur Qualität und Sicherheit von Organspenden und -transplantationen sowie Aktionsplan für eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaa­ten bei Organspenden und -transplantationen.

Organtransplantationen sind heute gängige medizinische Praxis, sie sind oft die letzte Behandlungsmöglichkeit bei Organversagen. Dennoch sind Transplantationen nicht gänzlich risikolos für die Spender beziehungsweise die Empfänger. Gemäß Vertrag kann die Kommission verbindliche Mindestvorschriften für Qualität und Sicherheit von Organen vorschlagen, EU-einheitliche Regelungen hinsichtlich zum Beispiel des Auf­kommens und der Verteilung sind jedoch laut Vertrag ausgeschlossen.

Unter dem zweiten Punkt: von der Kommission bereits vorgelegte Legislativvorschläge oder Mitteilungen, die in Verhandlung stehen, ist die Verordnung über Zusatzstoffe so­wie über Aromen in Lebensmitteln sowie über Enzyme in Lebensmitteln angeführt. Weiters eine Richtlinie über Sicherheit von Spielzeug – wir haben erst in jüngster Zeit gehört, dass Spielzeug vom Markt genommen werden musste, weil schädliche Stoffe beinhaltet waren – sowie eine Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.


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Unter dem dritten Punkt: operatives Programm des Rates, ist zu lesen, dass Deutsch­land, Portugal und Slowenien gemäß der geänderten Geschäftsordnung des Rates im Dezember 2006 erstmals ein gemeinsames 18-Monate-Programm der Vorsitze vorge­legt haben. Das Programm gliedert sich in drei Teile für den Zeitraum Jänner 2007 bis Juni 2008: strategischer Rahmen, spezifische Prioritäten und das umfassende Pro­gramm. Die spezifischen Prioritäten orientieren sich an den Kernzielen der Kommis­sion, nämlich, wie bereits erwähnt, Wohlstand, Solidarität, Sicherheit, Europa als Part­ner in der Welt.

Im operativen Programm werden auch die Themen Familie, Jugend und Gesundheit behandelt.

Zur Gesundheit: Dem 18-Monate-Programm entsprechend orientiert auch der sloweni­sche Vorsitz seine Agenda an den Leitthemen: Gesundheitsförderung und -vorsorge, Innovation sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen: Bundesminister Pröll hat heute schon darauf hingewiesen, dass gentechnisch veränderte Organismen in den Bereich des Gesundheitsministeriums fallen, dass es in Österreich nach wie vor keine Zustimmung für gentechnisch veränderte Organismen gibt und dass wir in Österreich auch keine zu­lassen werden. Die Landwirtschaft verpflichtet sich, auf den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen zu verzichten.

Geschätzte Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden diesen Bericht positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

14.54


Präsident Helmut Kritzinger: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile es ihm.

 


14.55.09

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Europa ist in Bewegung, Europa hat Schwung und Europa hat Dynamik. Ich bin dem Kollegen Karl Boden dankbar, dass er sehr tief in den Inhalt und in das Pro­gramm dieser drei Präsidentschaften – der deutschen, portugiesischen und sloweni­schen – und des Ministeriums eingestiegen ist, und darf mich deshalb auf eine politi­sche Dimension dieses Themas beschränken.

Ich glaube an die Europäische Union als politisches Projekt. Ich glaube an ein Europa mit einer starken und vor allem mit einer gerechten Dimension. Wer heute sagt, in der Europäischen Union gehe es ausschließlich um den Markt, der drückt sich vor der eigentlichen Funktion der Europäischen Union und verkennt den Kern und den Sinn der Europäischen Union. Es gibt keine Trennlinie – das geht aus diesem klaren Ak­tionsprogramm, das das Ministerium vorgelegt hat, hervor – zwischen dem Europa, das für den wirtschaftlichen Erfolg auf der einen Seite zuständig ist, und dem Europa, das auf der anderen Seite für den sozialen Erfolg und für die sozialen Standards not­wendig ist. Beide bedingen einander, brauchen einander, ergänzen einander und ge­ben einander einen sinnvollen Rückhalt und Zusammenhalt.

Es ist wichtig, dass wir das gemeinsam kommunizieren und das Feld in diesem Be­reich nicht den Populisten überlassen. Meiner Meinung nach ist auch die Zurückhal­tung derer, die diese Materien kennen und um die Zusammenhänge wissen und nicht aufstehen und entsprechend argumentieren, unverständlich.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 85

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Aufgabe der Politik ist es, die demo­kratischen und effektiven Institutionen in der Europäischen Union, die Kommission, die solche Programme vorgelegt hat, wie sie heute zur Debatte stehen, zu fördern mit dem Ziel, das wirtschaftliche und soziale Europa gemeinsam zu gestalten.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass im Reformvertrag der Europäischen Union, den wir erst vor Kurzem in diesem Hause ratifiziert haben, die soziale Marktwirtschaft als Grundprinzip der Europäischen Union verankert ist. Erst damit gelingt es uns, Pro­gramme wie diese in der Europäischen Union gemeinsam umzusetzen. Das ist ganz wesentlich.

Wir sind aufgefordert, auch in diesem Haus unseren konkreten Beitrag dazu zu leisten, auch als Bundesrat. Ich denke an die Fachausschüsse, ich denke aber auch an den EU-Ausschuss dieses Hauses, der immer mehr Tritt fasst, in diesen europäischen Ge­staltungsprozess einsteigt und mithilft, die Prüfung der Subsidiarität und der Verhältnis­mäßigkeit zu organisieren und im Sinne unserer Bevölkerung entsprechend wahrzu­nehmen. Das hilft mit, das Vertrauen in die Europäische Union zu sichern und zu festi­gen und solche Programme, wie sie nunmehr vorgelegt wurden, als Schutz, Nutzen und Mehrwert für die Bevölkerung zu verstehen. Darum geht es.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen: Es geht in der Europäischen Union nicht nur um die Institutionen. Wir, die wir mittendrin stehen und in dieser „Werkstatt“ der Institu­tionen das alles abarbeiten, bewerten und entscheiden sollen, werden auch manchmal blind und sehen nicht, dass es in erster Linie um die gemeinsamen Werte und erst in zweiter Linie um die Institutionen geht.

Wenn wir wollen, dass Europa noch stärker in den Herzen seiner Bürger verankert wird, müssen wir diese gemeinsamen Werte verstärkt in den Vordergrund stellen.

Natürlich braucht Europa auch gemeinsame Institutionen, wie zum Beispiel die Kom­mission, die dieses Programm vorgelegt hat, hier besteht aber immer noch die Gefahr einer zu technokratischen Betrachtung, die zu wenig in den Vordergrund rückt, was die Menschen in Europa eigentlich verbindet, nämlich: die gemeinsame humanistisch abendländische, ich kann auch sagen, christlich geprägte Wertordnung. Erst wenn die europäische Idee im Verstand und in den Herzen der Menschen angekommen ist, ha­ben wir ein solides Fundament für ein Europa der Zukunft. Dazu dient dieses Pro­gramm: für den Zusammenhalt der Bürger in Europa sowohl auf der sozialen als auch auf der menschlichen, von Generation zu Generation bestimmten Ebene. (Vizepräsi­dentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Der Grundkonsens, meine sehr geehrten Damen und Herren, über unsere Werte wie Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichheit von Frauen und Männern oder eine star­ke Identität für Europa ist eigentlich der Sinn der Umsetzung derartiger Konzepte und Programme, die mithelfen sollen, dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Dieses Ar­beitsprogramm, sehr geschätzte Frau Ministerin, ist sehr plausibel strukturiert – das hat mein Vorredner schon aufgezeigt –, ist sehr ambitioniert und wird dabei mithelfen, die gemeinsamen Werte Europas auch in Zukunft in den Herzen und im Verstand der Europäerinnen und Europäer zu verankern. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 86

15.01.52

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das vorliegende Arbeitsprogramm ist umfang­reich und streift so äußerst sensible Bereiche wie zum Beispiel die Nahrungsmittelzu­satzstoffe oder den Umgang mit genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln. Ös­terreich bekennt sich zur Förderung der heimischen biologischen und gentechnikfreien Landwirtschaft, wie auch heute schon Bundesminister Pröll bekräftigt hat.

Studien über die längerfristigen Auswirkungen fehlen, es herrscht große Uneinigkeit unter den Experten und Expertinnen, und dies führt zu Recht zur Verunsicherung der Bevölkerung. Österreich hat hier eine wichtige Rolle innerhalb der Europäischen Union. Der Umgang mit der Gentechnologie ist deshalb ein zentraler Punkt, der auch die Ent­wicklung der Landwirtschaft stark mitprägt. Bisher – und das entgegen allen Erwartun­gen – hat das international bereits eingesetzte genmanipulierte Saatgut nicht den Er­folg zu verzeichnen, der prognostiziert wurde. Die Entstehung von Superweed, das sind Wildkräuter, die sehr schnell hohe Resistenzen entwickeln, wird zu einem neuen Problem. Wir Grüne sind strikt gegen jede Verwendung von Produkten aus genmanipu­liertem Anbau. Es wird zunehmend klar, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.

Ein großes Manko besteht leider Gottes noch in der Kennzeichnungspflicht der Le­bensmittel. Eine übersichtliche und detaillierte Auflistung aller Inhaltsstoffe und deren Herkunft ist immer noch nicht gegeben. Wir Grüne fordern nicht nur eine Verbesserung in diesem Bereich, sondern auch eine Reform der Gütesiegelverordnung. Hier haben wir es inzwischen mit einer so großen Vielzahl von Marken- und Gütesiegeln zu tun, sodass sich der durchschnittliche Konsument eigentlich in einem Dschungel befindet und sich nicht mehr hindurchsieht, geschweige denn die Experten. Das ist sicher nicht im Sinne der Konsumenten und Konsumentinnen. Wir fordern daher zur Gewährleis­tung der Qualität eine Reform. Ein diesbezüglicher Antrag von uns liegt in einem zu­ständigen Ausschuss.

Im Kapitel „Jugend“ des operativen Programms des Rates ist unter anderem auch von einem interkulturellen Dialog der JugendministerInnen die Rede. Hier erhoffe ich mir konkrete Lösungsvorschläge hinsichtlich der prekären Situation vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Dies schließt natürlich für mich auch die österreichstämmigen Jugendlichen im Ausland mit ein, nicht nur diejenigen, die hier sind.

Besonders wichtig finde ich die Beteiligung und gesellschaftliche sowie soziale Einbin­dung Jugendlicher mit geringen Chancen. Wir alle wissen, dass hier viele Jugendliche mit Migrationshintergrund betroffen sind. Ich sehe in dieser Bevölkerungsgruppe ein sehr großes Potenzial, das in vielen anderen europäischen Staaten besser genutzt wird als bei uns. Wir müssen uns bemühen, mehr und deutlichere Akzente zu setzen.

Grundsätzlich kann man Arbeitsprogramme eigentlich nur im Nachhinein beurteilen und sie an deren Ergebnissen messen, aber ich hoffe, dass wir am Ende dieser Ar­beitsperiode in diesem Haus auch von grüner Seite ein positives Resümee ziehen kön­nen. Wie meine Vorredner schon angemerkt haben, ist das ein sehr gutes Arbeitspro­gramm, sehr deutlich veranschaulicht – den Autoren und Autorinnen ein dickes Lob. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

15.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 87

15.05.51

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Jahresvorschau kann man entweder zur Kenntnis nehmen oder aber nicht zur Kenntnis nehmen, wenn man Kritik daran zu üben hat. Ich finde es zwar erfreulich, dass es eine solche Jahresvorschau für die einzelnen Ministeriumsbereiche gibt, und im Großen und Ganzen haben wir auch keinen Einwand dagegen, diese ist aber eine, die leider ein paar Dinge enthält, die wir schon sehr kritisch beleuchten wollen. Ich möchte das auch gerne begründen.

Punkt eins ist die Vereinfachungsinitiative, und zwar die Änderung der Verordnung für Änderungen an Arzneimitteln; betrifft Human- und Tierarzneimittel. Diese Initiative hat zur Grundlage, den Verwaltungsaufwand für die Industrie abzubauen. Es ist durchaus immer lobenswert, darüber nachzudenken, wo man einen Wildwuchs in der Verwaltung eindämmen kann, in diesem speziellen Fall sehen wir das aber deswegen kritisch, weil wir diesen Verwaltungsabbau auch als einen Abbau der Sicherheit sehen.

In der österreichischen Haltung, die hier zu Papier gebracht worden ist, werden wir auch bestätigt. Da steht:

„Österreich geht davon aus, dass die grundlegenden Anforderungen an Arzneimittel im Hinblick auf Wirksamkeit, Sicherheit und therapeutischen Nutzen durch administrative Vereinfachungen nicht verwässert werden.“

Das ist schön, wenn Sie hoffen, dass sie nicht verwässert werden – uns wäre es lieber, wir hätten mehr Sicherheit. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Kdol­sky.) – Ja, aber hoffentlich machen Sie es dann auch in der EU. Darum geht es ja im­mer. Ihre Experten, das glaube ich schon, aber die Frage ist ja immer: Wird es dann auch so umgesetzt?

Punkt zwei ist die Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug. Darüber haben wir uns schon sehr oft unterhalten, und wir alle kennen diese Rückholaktionen vor allem in Chi­na produzierter Kinderspielzeuge. Auch hier ist das Ziel des Vorschlages, ein größt­mögliches Maß an Sicherheit zu haben. Es gibt einen Antrag der SPÖ-Abgeordneten im Nationalrat, Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen, die diese Sicherheit als nicht gegeben sehen. Ich darf einen Absatz daraus zitieren:

Die Antragsteller kommen zu dem Schluss:

„Die nun bekanntgewordenen Vorschläge der Europäischen Kommission zur Änderung der Spielzeugrichtlinie müssen allerdings abgelehnt werden. Weder die Empfehlungen des EU-Parlaments noch die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion um die Sicherheit von Kinderspielzeug wurden in diesem Vorschlag entsprechend berücksichtigt. So ist der Einsatz gefährlicher Substanzen nicht generell verboten, sondern soll dann erlaubt sein, wenn diese eine Risikoprüfung durchlaufen und keine sicheren Alternativen vor­liegen. Auch der Zusatz allergener Duftstoffe ist nicht per se verboten, für Blei und Quecksilber wurden lediglich die Grenzwerte verschärft.“

Man kommt weiter zu dem Schluss, dass diese CE-Zeichen, die gefordert werden, kein Sicherheits- und Qualitätssiegel darstellen, weil das nicht durch eine unabhängige Prüfstelle überprüft wird, sondern eine Selbsterklärung entweder des Herstellers oder des Importeurs ist.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 88

Diesem Antrag sind übrigens alle im Nationalrat vertretenen Parteien beigetreten. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. In der österreichischen Haltung wird das auch begrüßt. In der Jahresvorschau heißt es:

„Von der Schaffung bzw. Festlegung von gleichartigen Überwachungs-, Informations- und Meldepflichten kann eine gesteigerte Effektivität zur Erreichung dieses Schutzzie­les in der EU erwartet werden.“

Der im Nationalrat eingebrachte und von allen Parteien mitgetragene Antrag spricht das genaue Gegenteil aus.

Dritter Punkt: Gentechnik, wo ich es ähnlich sehe wie beim Spielzeug; auch da wird nach dem Motto agiert: Es wird schon nichts passieren! – Umweltminister Pröll hat heute gesagt, gegen Gentechnik setze er sich mit Leib und Seele ein – und das, ob­wohl in Österreich schon 800 000 Tonnen Gen-Soja pro Jahr importiert werden, ob­wohl es auch gentechnikfreie Sojamittel gäbe, wobei wir da glauben, dass diese Her­steller eine schlechtere Position in unserem Lande haben.

Was Sicherheitsstandards betrifft, ist es so – das kann man sozusagen parallel sehen zum Kinderspielzeug –, dass quasi Selbsterklärungen in Bezug auf „Unbedenklichkeit“ gemacht werden, was uns jedoch keinesfalls irgendeine Sicherheit geben kann, zumal wir ja bei anderen Staaten sehen – ich erwähne da beispielsweise die USA und Mexi­ko –, wie durch Pollenflug gentechnisch veränderte Produkte rasch verbreitet werden. Bei uns ist eine solche Situation gegeben zwischen Österreich und Bayern, da ja in Bayern, in Grenznähe zu Österreich, gentechnisch behandelte Futtermittel angebaut werden.

Wir in Österreich müssen wirklich darauf achten, dass unser Land auch tatsächlich eine gentechnikfreie Zone bleibt. Daher sind diese Dinge kritisch zu hinterleuchten, da das alles ja nicht ganz ungefährlich ist.

Aus diesem Grund können wir diese Jahresvorschau nicht zur Kenntnis nehmen. (Bei­fall des Bundesrates Mitterer.)

15.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit abgenommen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 89

15.12.1612. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (326 d.B. und 546 d.B. sowie
7945/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich bitte um den Bericht.

 


15.12.28

Berichterstatter Mag. Wolfgang Erlitz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher kann ich mich auf die Antragstel­lung beschränken.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


15.13.13

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsiden­tin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Donau verbindet Europa und ist mit ihren elf Anrainerstaaten der international schiffbarste Strom der Welt. An uns liegt es, dieses Potential der Donau noch besser zu nützen. In den Do­nau-Anrainerstaaten leben 90 Millionen Menschen; das Bruttoinlandsprodukt in diesen Ländern beträgt mehr als 450 Milliarden €. Der grenzüberschreitende Güterverkehr nimmt immer mehr zu, jährlich zwischen 7 und 8 Prozent.

Aus früheren Debatten hier in diesem Hause ist uns allen die Überlastung der anderen Verkehrsträger, der internationalen Straßen bekannt, auch der Bahn, die ja noch nicht in diesem Maße ausgebaut ist.

Deshalb: Was bietet sich mehr an, als auf dieses von der Natur, von der Schöpfung an­gebotene Potenzial der Donauschifffahrtsstraße zurückzugreifen?

Es gibt ein sehr ambitioniertes Programm der österreichischen Bundesregierung, die Wasserstraße Donau auszubauen – mit dem Ziel einer Verdoppelung des Donauver­kehrs, des Gütertransportes, von derzeit 12 bis 15 Millionen Tonnen jährlich auf 25 bis 30 Millionen Tonnen bis zum Jahre 2015. Das ist sehr sinnvoll und verdient die gesam­te Unterstützung nicht nur der Logistiker, der Transporteure, der Spediteure in unserem Lande, sondern auch die der Bevölkerung, weil eine Wasserstraße eben der ökolo­gischste und umweltfreundlichste Transportweg ist.

Man muss sich vorstellen, ein Schiffsverband substituiert rund 100 Schwerlastfahrzeu­ge, 100 Sattelschlepper. Würde man diese aneinanderreihen und dabei die gesetzli­chen Mindestabstände der Straßenverkehrsordnung mit einbeziehen, so wäre das ein


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 90

Lkw-Zug in der Länge von 7,5 Kilometern Autobahn! Das ist ein gewaltiges Potenzial, das man auf die Donau verlegen könnte.

Eine Kennzahl: Zum größten Umschläger an der österreichischen Donau, ja an der ge­samten europäischen Donau zählt die voestalpine mit ihrem Standort Linz, und zwar mit einem Gesamtjahresumschlag von 3,5 Millionen Tonnen, also ein ganz wesentli­cher Beitrag in Bezug auf die Rohstoffversorgung eines dynamischen und zukunftsori­entierten Industriebetriebes in meinem Bundesland. Dabei auch nicht zu vergessen die Personenschifffahrt, die eine jährliche Wachstumsrate von 10 Prozent aufweist. Derzeit sind auf der österreichischen Donau, in der Passagierschifffahrt, bereits 150 Kabinen­schiffe unterwegs – mit stark steigender Tendenz.

Die Donau ist also ein wesentlicher Faktor nicht nur für die Logistik, für die Spediteure, für die Transporteure, sondern auch für den Personenverkehr, für den Tourismus ge­worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie noch kurz informieren über einen besonderen Akzent des Ministeriums, einen Akzent, der von den Verladern auf der Donau ausgegangen ist. Wir brauchen eine größere Lobby, eine größere Interes­senvertretung auch für die Donau. Ich danke dem Verkehrsministerium und Ihnen, Herr Bundesminister Faymann, für die Initiative, ein Wasserstraßen-Informationszen­trum auf der Donau zu errichten – mit dem Standort Enns –, um noch mehr Interesse zu wecken, um Bewusstsein zu bilden, um die Fachwelt zu gewinnen, Logistik, Spedi­teure, Transporteure, Verlader aus der Wirtschaft, um noch mehr Güter auf die Donau zu bringen. Ich glaube, das ist ein besonderer Akzent, den wir hiemit setzen. Ich danke nochmals für die Unterstützung in diesem Bereich.

Im Zuge der Begutachtung des Schifffahrtsgesetzes, das heute zur Debatte steht, hat die Vorarlberger Landesregierung auf ein Thema aufmerksam gemacht, was Bedeu­tung und Wirksamkeit des Schiffsführerpatents der Bodenseeschifffahrtskommission betrifft.

Es liegt diesbezüglich auch ein Entschließungsantrag vor, um diese Lücke auszuglei­chen. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch beim Leiter der obersten Schifffahrtsbehörde, bei Herrn Ministerialrat Ing. Reinhard Vorderwinkler, für die Bera­tung, für die Information, um da einen Schritt weiter zu kommen, und ich ersuche Sie, diesem Entschließungsantrag, der entsprechend unterstützt ist und den ich hiemit ein­bringe, Ihre Zustimmung zu geben. (Allgemeiner Beifall.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesräten Jürgen Weiss, Ing. Reinhard Einwallner, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Schiffsführerpatent – Bodensee ist genügend unter­stützt und steht daher mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 91

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Reinhard Einwallner, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Schiffsführerpatent – Bodensee vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 227-BR/08.)

15.20.1513. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz – VAIG) geändert wird (451 d.B. und 545 d.B. sowie
7946/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wiederum Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich bitte um den Bericht.

 


15.20.30

Berichterstatter Mag. Wolfgang Erlitz: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich er­statte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (Verkehrs-Arbeitsinspektions­gesetz) geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


15.21.16

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Verkehrs-Ar­beitsinspektorat betreut die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Eisenbahnen, Straßenbahnen, Seilbahnen, Österreichischen Post AG, ÖBB-Bus GesmbH, Telekom­munikationsunternehmen, Flughäfen, Luftfahrtunternehmen und Schifffahrtsbetriebe sowie einige Nebenbetriebe des Verkehrsbereichs.

Das Verkehrs-Arbeitsinspektorat hat durch seine Tätigkeit dafür zu sorgen, dass der gesetzliche Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausreichend gewährleis-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 92

tet wird, und darüber hinaus dazu beizutragen, dass durch geeignete Maßnahmen ein möglichst wirksamer Arbeitsschutz erreicht wird.

Im Rahmen seiner Tätigkeit hat das Arbeitsinspektorat im Jahr 2007 620 Betriebe ins­piziert, überprüft, in denen über 44 400 Menschen arbeiten, und das mit gutem Erfolg.

Innerhalb der letzten zehn Jahre ist die Zahl der Arbeitsunfälle um 37 Prozent gesun­ken. Im gleichen Zeitraum kann ein Rückgang bei der Unfallrate, gerechnet auf je 1 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um 20 Prozent verzeichnet werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Gesetzesnovelle soll die Arbeit des Verkehrs-Arbeitsinspektorats vereinfachen und den Verwaltungsaufwand reduzieren. Zum einen wird die Meldepflicht für geringfügige Maßnahmen an die Aufsichtsbehörde aufgelassen. Die bisherige Meldepflicht bezog sich auf das Jahr 1995. Seither hat sich die Rechtslage durch das neue Eisenbahngesetz grundlegend geändert. Der Entfall der Meldepflicht bewirkt eine Verwaltungsvereinfachung unter Beibehaltung – und das ist wichtig – des bestehenden Sicherheitsniveaus.

Zum Zweiten: Die Bagatellgrenze für die Festsetzung von Kommissionsgebühren wur­de von 50 € auf 100 € erhöht. Die Anpassung der Bagatellgrenze stellt sicher, dass aufwendige Einhebungsverfahren für geringfügige Beträge künftig vermieden werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union hat am 21. Februar 2007 ein Konzept für eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit auf dem Ar­beitsplatz vorgelegt. Während der Laufzeit der neuen Strategie, nämlich bis 2012, in der EU der 27 soll durch eine Verbesserung des Schutzes der Gesundheit und der Si­cherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Zahl der Arbeitsunfälle um 25 Prozent verringert werden. Die Verringerung der Zahl der Arbeitsunfälle wird dabei sowohl hinsichtlich der menschlichen Dimension als auch hinsichtlich der negativen Folgen für die Wirtschaft als positiv gesehen.

Dieses Ziel, werte Kolleginnen und Kollegen, kann aber nur mit Unterstützung des Ver­kehrs-Arbeitsinspektorats erreicht werden. Meine Fraktion wird der Gesetzesnovelle die Zustimmung erteilen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile ihm dieses.

 


15.25.11

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kollegin Mosbacher, und ich bin ihr sehr dankbar dafür, hat schon im Detail erläutert, worum es bei dieser Änderung heute geht.

Vielleicht noch ergänzend ein paar Anmerkungen dazu. Wir wissen, dass das Ver­kehrs-Arbeitsinspektorat dem Nationalrat jährlich einen Bericht vorzulegen hat. Und im Berichtszeitraum 2006 umfasste das Aufgabengebiet – und das ist schon eine impo­sante Zahl – rund 8 588 zu inspizierende Betriebe, Betriebsstätten und Anlagen.

Das Spektrum reicht, wie schon erwähnt, von Tunnel-, Gleis- und Strangarbeiten, Was­sergewerken, Wasserbauten, Transportanlagen bis hin zu Seilbahnanlagen im hochal­pinen Bereich. In diesem Bereich sind etwa, haben wir schon gehört, 136 000 Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer zu betreuen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 93

Dabei ist das Verkehrs-Arbeitsinspektorat nicht nur in Bauverhandlungen und Erstge­nehmigungsverfahren eingebunden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen auch sicher und sorgen dafür, dass vorgelegte Gutachten und Sicherheitsauflagen laufend kontrolliert werden. Und daraus resultiert auch wahrscheinlich diese erfreuliche Zahl, nämlich dass die Zahl der Arbeitsunfälle um rund 40 Prozent zurückgegangen ist.

Die zwei wesentlichen Änderungspunkte wurden auch schon erklärt und ausgeführt. Beim ersten geht es um eine Verwaltungsvereinfachung unter Beibehaltung der beste­henden Sicherheitsniveaus. Ich glaube, das ist etwas, dem man nur zustimmen kann.

Beim zweiten Punkt handelt es sich letzten Endes um eine Vereinfachung der Bürokra­tie. Lassen Sie es mich mit anderen Worten sagen: Unter dem Blickwinkel der Verein­fachung der Bürokratie wird jetzt auf die Einhebung dieser Kommissionsgebühr ver­zichtet, da die Berechnung und die Einhebung der Gebühr höhere Kosten verursachen, als das, was letzten Endes an Gebühren hereinkommt, ausmacht.

In diesem Sinn geht es heute um eine Vereinfachung der Bürokratie und eigentlich um eine Stärkung der Aufgaben des Verkehrs-Arbeitsinspektorats im Hinblick auf die Si­cherheit der Menschen.

Dem können wir von der ÖVP-Fraktion sicherlich nur zustimmen. – Danke. (Allgemei­ner Beifall.)

15.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.27.42

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegenden Gesetzesmaterie werden wir unsere Zustimmung erteilen. Die Aufstockung der Baga­tellgrenze dient zur Vereinfachung der Administration, und dem stimmen wir natürlich gerne zu.

Aber erlauben Sie mir, kurz das Thema Lkw-Kontrollen auf Oberösterreichs Straßen anzuschneiden. In Oberösterreich haben wir ein großes Problem mit Mautflüchtlingen, die anstelle der vorgesehenen Route auf der Autobahn auf Bundesstraßen und sogar niedrigrangige Nebenstraßen ausweichen und damit für die AnrainerInnen und natür­lich auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer zu einem großen Problem werden.

Vielleicht können die anwesenden Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ auf den oberösterreichischen Verkehrslandesrat Haider etwas einwirken. In Anlehnung an sei­ne Kollegen in anderen Bundesländern könnte er die Mautflüchtlingsverordnung dahin gehend verbessern, dass die lärm- und abgasgeplagte Bevölkerung etwas aufatmen kann und der Transitverkehr dort bleibt, wo er hingehört, nämlich auf den Transitrou­ten.

Und es wird leider die vorliegende Vereinfachung in Oberösterreich nicht zum Tragen kommen, da bei uns die Kontrollmechanismen den Mautflüchtlingen entgegenkommen und die Sanktionen aufgrund der mangelhaften Verordnung des Landesrates schlicht und einfach nicht greifen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – In Oberösterreich. Grundsätz­lich haben wir ein enormes Lkw-Transitproblem. (Bundesrat Kneifel: Der Transitver­kehr ist nicht das größte Problem!) Sondern? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra­tes Kneifel.) – Ich lasse mich gerne belehren.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 94

Um eine Verlagerung des Transports von der Straße auf die Schiene zu forcieren, müssen wir die Lkw-Kontrollen verdichten und etwas verschärfen. Dafür brauchen wir aber zusätzliches Personal.

Es kann doch bitte nicht sein, dass unzählige Lkw, die nicht den Vorschriften entspre­chen, auf unseren Straßen unterwegs sind. Natürlich können sie unter Umgehung der Sicherheits- und Sozialbestimmungen preislich den Schienenverkehr unterbieten.

Eine dichtere Kontrolle ist in diesem Fall eine echte Maßnahme zur Erhöhung der Le­bensqualität. Hier spreche ich nicht nur von den AnrainerInnen, sondern auch von den Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen.

Wir Grüne haben hiezu schon viele Anträge eingebracht. Unter anderem haben wir im Jänner dieses Jahres vorgeschlagen, doch endlich eine gründliche Erhebung zu Stück­zahlen, Fahrleistungen und Emissionen durchzuführen. Auf Basis dieses Datenmate­rials müssen wir weitere Maßnahmen im Sinne der dringend notwendigen Wende in der Verkehrspolitik ansteuern. Auch um den Kyoto-Zielen wenigstens annähernd ge­recht zu werden, ist eine Halbierung der Verkehrsemissionen bis 2030 notwendig. Das können wir nur erreichen, wenn wir ein Umdenken in der Verkehrspolitik einläuten.

Solange wir jedoch keine vernünftigen steuerlichen Anreize für den Umstieg auf öffent­liche Verkehrsmittel schaffen und gleichzeitig immer mehr und größere Straßen errich­ten, wird sich die Verkehrssituation nicht verbessern, denn immer mehr Straßen führen leider Gottes zu immer mehr und größeren Problemen.

In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Verkehr auf unseren Straßen vervielfacht. Es hat sich der Stau auf unseren Straßen vervielfacht. Die einzige Problemlösung be­stand bisher allerdings darin, noch größere und noch mehr Straßen zu bauen. Meines Erachtens ist diese Reaktion auf die Probleme Stau und Beeinträchtigung der Lebens­qualität durch Lärm und Abgase keine Problemlösung, sondern höchstens eine Poten­zierung des Problems.

Wir Grünen geben dennoch die Hoffnung nicht auf, dass sich die Verkehrspolitik in un­serem Land zum Besseren verändern wird und riesige finanzielle Ressourcen, die jetzt in den Straßenbau investiert werden, auch dem öffentlichen Verkehr und der Verkehrs­beruhigung zugute kommen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 95

15.32.2714. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits samt Anlagen (468 d.B. und 547 d.B. sowie 7947/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Winterauer. – Ich bitte um den Bericht.

 


15.32.47

Berichterstatter Reinhard Winterauer: Geschätzte Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Analogie zu meiner Ausschussbe­merkung bedanke ich mich auch hier für die Gelegenheit, folgenden Bericht erstatten zu dürfen: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Luftverkehrsabkommen zwi­schen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits samt Anlagen.

Da Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, verzichte ich auf die Verlesung und bringe daher nur den Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile ihm dieses.

 


15.33.54

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das gegen­ständliche Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA ist in erster Linie ein typisches Wirtschaftsabkommen zur Öffnung der beiden Luftverkehrsmärkte und natür­lich auch zur Harmonisierung der rechtlichen Bestimmungen. Allerdings – und da bin ich bereits bei meinem ersten Kritikpunkt – unterstützt dieses Abkommen in erster Linie die potenten Wirtschaftsstaaten. Es findet da sozusagen eine Konzentration der Wirt­schaftsmächtigen statt.

Ich frage mich allerdings schon, ob diese Konzentration dem Wirtschaftsstandort Ös­terreich tatsächlich guttun wird. Insbesondere in den letzten Wochen, in denen wir er­fahren haben, wie schnell auch eine heimische Linie, nämlich die AUA, von einem ver­meintlich guten Wirtschaftskonzern zum plötzlichen Wirtschaftssorgenkind werden kann, frage ich mich schon, ob durch dieses Abkommen nicht weitere negative Aus­flüsse zu befürchten sind.

Mein zweiter Kritikpunkt lässt sich aus Artikel 9, Luftsicherheit, ablesen. Hier verpflich­ten sich die Vertragsparteien, nämlich die EU und die USA, die Sicherheitsvorschriften der jeweils anderen Vertragspartner einzuhalten und entsprechende Sicherheitsmaß­nahmen für den Einflug in das jeweilige Gebiet zu setzen. Allerdings, und das ist der Knackpunkt an dieser Bestimmung, ermächtigt dies die beiden Vertragsparteien auch, den Luftsicherheitsstandard der Flughäfen der beiden Vertragspartner zu überprüfen,


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 96

zu bewerten und gegebenenfalls auch ohne die Entscheidung eines etwaigen Schieds­gerichts in einem Streitfalle sofortige Maßnahmen zu setzen.

Jetzt ungeachtet des Umstandes, dass diese sofortigen Maßnahmen in keiner Art und Weise definiert sind, denke ich mir, dass gerade aus den momentan vorherrschenden überzeichneten Selbstschutzbestrebungen der USA, wenn es um die Sicherheit ihres Landes einschließlich ihrer Fluglinien geht, dem Wirtschaftsstandort Österreich nach­teilige Folgen erwachsen könnten oder, auf den Punkt gebracht, dass es durch die Hin­tertür möglich wird, durch überzeichnete Sicherungsmaßnahmen oder Auflagen, die hier seitens des Vertragspartners USA an die EU und damit auch an Österreich heran­getragen werden, dem Wirtschaftsstandort und damit dem Flughafen, insbesondere dem internationalen Flughafen Wien-Schwechat großen wirtschaftlichen Schaden zu­zufügen.

Ich möchte schon festhalten, wir als FPÖ bekennen uns eindeutig zur Terrorbekämp­fung. Wir wollen diesen Menschen hier nicht das Wort reden. Allerdings möchte ich feststellen, eine schikanöse Behandlung von Flugpassagieren, vielleicht noch um die wirtschaftlichen Interessen der USA zu bedienen, liegt uns auch nicht wirklich am Her­zen. Daher werden wir seitens der FPÖ diesem Luftverkehrsabkommen keine Zustim­mung erteilen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Der Herr Bundesminister. – Bitte.

 


15.38.08

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ver­ehrte Damen und Herren! Ich möchte eigentlich nur einen Punkt ansprechen, den Sie zum Schluss genannt haben. Sicherheit hat immer den Nachteil, dass es Formen der Kontrolle gibt, die man in der Regel, um eine Norm zu erreichen, erst aufbauen muss.

Also wenn Sie uns fragen: Bedeutet es einen Nachteil, wenn zusätzliche Normen ge­schaffen werden?, dann muss ich sagen: Ja, das ist immer ein Nachteil, außer wir wä­ren bei allen Normen schon so weit vorne, dass wir nur mehr abzuhaken brauchen. Al­so es ist eine zusätzliche Belastung, für Sicherheit Vorsorge zu treffen, eine Belastung im Kampf gegen Terrorismus und Verbrechen, von der ich persönlich überzeugt bin, dass es sich um eine gerechtfertigte Maßnahme handelt.

Wenn Sie glauben, es gibt eine Passage, in der steht, dass Fluggäste, Flugpassagiere belästigt oder, wie Sie gesagt haben, schikaniert werden, dann muss ich dem entge­genhalten, eine derartige Norm gibt es nicht. Dass manche Passagiere, wenn sie kon­trolliert werden, das nicht als besonders angenehm empfinden, ist nachvollziehbar. Im­mer dann, wenn etwas passiert, stellt sich allerdings die Frage, warum man nicht mehr kontrolliert und warum man nicht vorher darüber nachgedacht hat. Daher begrüße ich diese Punkte hinsichtlich verstärkter Sicherheit.

Zu Ihrer zweiten Einwendung, die Sie erhoben haben, indem Sie gesagt haben, zu­sätzliche Freiheiten für europäische Unternehmen bei Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika schaffen zusätzliche Rechte für beide Seiten, möchte ich sagen: Es ist keine große wirtschaftspolitische Analyse, dass diejenigen, die mehr davon Ge­brauch machen, weil sie möglicherweise die Größeren sind, mehr davon haben als die


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 97

Kleineren, die weniger davon Gebrauch machen. Das ist bei Märkten so, die gegensei­tige Abkommen schließen. Das gehört aber auch zu einem Abkommen, das gegensei­tige Rechte einräumt, dazu.

Dieses Abkommen ist ein Beispiel, wo von der Europäischen Union sehr lange und in­tensive Verhandlungen zu führen waren, wo viele Aspekte zu berücksichtigen waren, auch viele Gegensätzlichkeiten auszuräumen waren, weil nicht nur die Länder der Europäischen Union, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika direkt davon betroffen sind. Dass das gelungen ist, ist eigentlich ein positives Beispiel der Arbeit der Europäischen Union. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

15.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehr­heit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

(Bundesrat Bieringer meldet sich zur Geschäftsordnung zu Wort.) – Bitte, Herr Kol­lege.

 


15.41.25

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in Argentinien die Au­ssage getätigt, dass er in Österreich an einem Freitag nach 16 Uhr keine Abgeordne­ten mehr im Parlament antrifft, und zeigte sich verwundert darüber, dass in Argentinien so viele Senatoren da waren.

Ich habe mich wegen dieses Sagers, den er zweifelsohne scherzhaft gemeint hat, nicht aufgeregt. Aber ich bin schon etwas erstaunt, wenn heute in diesem Zusammenhang Folgendes über die APA kommt: „Gusenbauer-Scherz: Kanzler fühlt sich im Recht.“

„Gusenbauer zu Gespräch mit Prammer: ‚Höchst innovativ.’“

Gusenbauer sagte dann unter anderem, es sei bekannt, „dass die Abgeordneten sich am Pfingstwochenende gerne in ihre Wahlkreise zurückzögen“. – Ich weiß eigentlich nicht, wohin sie sich zurückziehen sollen.

Gusenbauer sagt dann, „die Präsidentin sei nicht imstande gewesen“, dem etwas ent­gegenzusetzen.

Ich würde meinen, dass das eine starke Aussage ist, und ich bitte daher um eine kurze Sitzungsunterbrechung und um die Einberufung einer Präsidiale.

15.43



BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 98

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich komme dem Wunsch nach einer Sit­zungsunterbrechung natürlich gerne nach. Die Präsidiale ist somit einberufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 15.43 Uhr unterbrochen und um 16.05 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und teile Folgendes mit:

Die Präsidialkonferenz hat über die Äußerungen des Bundeskanzlers beraten und den Präsidenten gebeten, umgehend das Gespräch mit Präsidentin Prammer zu suchen, ihr die Anerkennung der Präsidialkonferenz über ihre Gesprächsbemühungen auszu­drücken und den Unmut über die heutigen Äußerungen des Bundeskanzlers mitzutei­len. – Soweit der Beschluss.

16.05.5815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisierungs- und As­soziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (520 d.B. sowie 7948/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisierungs- und As­soziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Albanien andererseits samt Schluss­akte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen und Berichtigungsproto­kolle (521 d.B. sowie 7949/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 15 und 16 ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Ich bitte um die Berichte.

 


16.06.44

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 99

Ich darf Ihnen mitteilen, dass der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten nach Be­ratung der Vorlage am 20. Mai 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag gestellt hat, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren liegt Ihnen der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Republik Albanien andererseits samt Schlussakte ein­schließlich der dieser beigefügten Erklärungen und Berichtigungsprotokolle in schriftli­cher Form vor.

Auch hier hat der Ausschuss mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm dieses.

 


16.08.20

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Assoziierungsabkommen, die wir heute zu behandeln haben und denen wir zweifelsfrei unsere Zustimmung geben werden, sind ein weiterer und nicht unwichtiger Schritt bei dem Versuch, Ruhe, Stabilität – wie es ja auch der Titel des Abkommens beschreibt – und ökonomischen, rechtlichen und sozia­len Fortschritt in den Ländern des Westbalkans zu schaffen und die Schaffung dieses Fortschrittes zu unterstützen.

Wir haben in den letzten 15 Jahren miterleben müssen, wie der Zerfallsprozess Jugos­lawiens und die Systemänderung in Albanien eine konsekutive Reihe von Kriegen, Un­ruhen und Konfrontationen geschaffen haben. Es ist selbstverständlich, dass die Euro­päische Union keinen Herd der Unruhe, der Spannungen, des Krieges, aber auch der Kri­minalität und der Rechtsunsicherheit vor ihren Türen tolerieren kann und darf.

Es ist gut und richtig, dass sich die Europäische Union und im Verbund damit andere Einrichtungen redlich bemüht haben, für die Länder des Westbalkans Hilfspakete zu schnüren, wobei es nicht so sehr um materielle Hilfe geht, sondern darum geht, Hilfe­stellung beim Aufbau von staatlichen, sozialen und ökonomischen Strukturen zu ge­ben, die die für manche noch sehr vage gehaltene Perspektive eines späteren Beitritts zur Europäischen Union überhaupt erst möglich machen.

Diese Länder sind in durchaus unterschiedlichen Situationen und mussten in den letz­ten 15 Jahren durchaus unterschiedliche historische Prozesse erfahren. Länder etwa, die heute nicht Gegenstand der Abkommen sind, die in blutigen Auseinandersetzungen verstrickt waren; Bosnien-Herzegowina ist da naturgemäß ein besonders heikles The­ma, eben infolge der psychologischen Folgen eines sehr blutigen Bürgerkriegs, der ja zwischen Menschen stattgefunden hat, die Generationen lang unmittelbar mit- und ne­beneinander gelebt haben. Das ist sicher einer der schwierigsten Bereiche.

Weiters erwähne ich in diesem Zusammenhang die Involvierung Kroatiens teils in die­sen Krieg, teils aber auch in einen Krieg mit der eigenen serbischen Minderheit. Wir haben erlebt, wie Serbien mit der brutalen Okkupation des Kosovo und der Niederwer­fung einer dortigen Volksbewegung selbst in einen Krieg getaumelt ist.


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All das sind blutige Erinnerungen, die auch eine Generation junger Menschen in unse­rem Lande und in Westeuropa in ihrer Einschätzung dieser Region Europas geprägt haben.

Es gibt aber auch andere Entwicklungen. Wenn wir heute das Stabilisierungs- und As­soziationsabkommen mit Montenegro beschließen werden, so ist auch darauf zu ver­weisen, wie sich ein kleiner ehemaliger Bundesstaat Jugoslawiens in sehr konsequen­ter Art und Weise aus diesen Konflikten herausgehalten und es verstanden hat, sich gegenüber Milošević abzugrenzen und im eigenen Land ein hohes Maß an politischer Stabilität zu erreichen und dabei gleichzeitig das Zusammenleben von drei Bevölke­rungsgruppen – eigentlich vier; auch wenn diese eine klein ist – zu bewerkstelligen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass in Montenegro nicht nur Montenegriner leben – fast so viele Montenegriner leben übrigens auch in Serbien –, sondern dass es in Montene­gro eine große Bevölkerungsgruppe gibt – ob man diese als „Serben“ bezeichnen soll und kann, weiß ich nicht so recht –, die sich jedenfalls Serbien verbunden fühlt. Ver­gessen dürfen wir auch nicht, dass es in Montenegro eine maßgebliche Gruppe von Al­banern gibt – und dass in einem kleinen Teil des Landes, nämlich dem zu Montenegro gehörenden Teil des ehemaligen Sandžak auch eine bosniakische Bevölkerung lebt.

Es ist eine gewaltige Leistung in einer Region, in der die Zugehörigkeit zu einer Natio­nalität zugleich auch bedeutet hat, andere Nationalitäten zu bekämpfen, diese Völker­schaften in einem durchaus spannungsfreien Zusammenleben zu erhalten und daraus, auf diesen Konsens aufbauend, doch gewisse Fortschritte in der ökonomischen und politischen Entwicklung zu machen.

Gar keine Frage: Was das Funktionieren staatlicher Behörden anlangt, was die Justiz, was die Polizei anlangt: Eine Reihe von Themenbereichen könnte man herunterdekli­nieren, in denen Montenegro – kein Wunder bei seiner Geschichte! – Nachholbedarf hat. Aber es ist ja die Aufgabe solcher Abkommen, Staaten, die sich in einem ökonomi­schen, rechtlichen beziehungsweise sozialen Rückstand befinden, vorzubereiten auf jene Standards, die es ihnen später einmal ermöglichen sollen, Mitglied der Europäi­schen Union zu werden.

Montenegro ist in den begrenzten Möglichkeiten dieser Region durchaus eine Erfolgs­geschichte; das ist anzuerkennen. Ich freue mich, dass Österreich unter den alten Mit­gliedstaaten der Europäischen Union ganz offensichtlich das erste Land ist, das dieses Abkommen ratifiziert. (Ruf: Das zweite!) – Das zweite; okay. – Jedenfalls: Dieser Ratifi­zierungsprozess in anderen Mitgliedstaaten sollte durchaus etwas beschleunigt wer­den. Das ist aber auch eine Anerkennung für das Geleistete.

Albanien, das eine völlig andere Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte, das von den Konflikten rund um Jugoslawien nicht unmittelbar betroffen war, aber ein Land war, das gegen außen eine alle Kontakte abschottende Politik verfolgt hat, hat da zweifellos einen größeren Aufholbedarf: auch deshalb, weil es seit der Überwindung des dortigen stalinistischen Regimes mehrfach zu Zusammenbrüchen der Staatsgewalt gekommen ist, weil die politische Stabilität, die Montenegro auszeich­net, in Albanien bisher nicht erlangt werden konnte und weil es, ganz im Gegenteil, eine scharfe Konfrontation zwischen den zwei großen politischen Blöcken in diesem Land gibt.

Aber dennoch: Auch Albanien hat Fortschritte erreicht, und die Anerkennung dieser Fortschritte und der Versuch, bei weiteren Fortschritten zu helfen, ist auch Bestandteil dieses Abkommens.


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Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen daran knüpfen. Auf der einen Seite ist es er­freulicherweise so, dass es in beiden dieser Staaten – jenseits aller politischen Hilfe­stellungen, die von Österreich gegeben wurden – auch und gerade die österreichische Wirtschaft ist, die sich dort massiv engagiert und damit natürlich auch Geschäftsinter­essen verfolgt, aber einen ganz substanziellen Beitrag dazu leistet, dass es in diesen beiden Ländern, also in Montenegro und in Albanien, eine zunehmende Zahl von quali­fizierten und relativ gut bezahlten Arbeitsplätzen gibt, die zugleich als Nucleus dafür wirken, dass in der Umgebung neuer Betriebsstätten, neuer Hotels, neuer Einrichtun­gen auch bodenständige Wirtschaftsbetriebe entstehen, die die Dynamik des Auf­schwungs dort beflügeln.

Meine Damen und Herren, es ist das keine Routineangelegenheit, sondern ein Be­kenntnis zur Zukunft dieser beiden Staaten, zu unserer Partnerschaft, die wir mit ihnen haben, zu einer intensiveren Partnerschaft, auf die wir in Zukunft hoffen, wenn wir die­sen beiden Abkommen unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrä­ten der ÖVP und bei den Grünen.)

16.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort. Ich erteile ihm dieses.

 


16.18.13

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Konecny hat bereits viel zu den Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom­men mit Albanien und Montenegro gesagt, und daher will ich jetzt keine Wiederholun­gen machen, auch nicht solche, die historische Belange betreffen, sondern nur auf das eine oder andere noch hinweisen.

Meiner Ansicht nach ist es ganz besonders wichtig, dass die Europäische Union diesen Ländern des Westbalkans ganz besondere Hilfestellung und Unterstützung gibt, damit auch auf dem Westbalkan – so, wie das in der Europäischen Gemeinschaft der 27 der Fall ist – und vielleicht auch noch in anderen Teilen Europas, wenn man da ein biss­chen nach Osten blickt, eine echte Friedensgemeinschaft entsteht.

Ich glaube auch, dass diese beiden Abkommen der richtige Weg sind, um diesen bei­den Ländern den Eintritt in die europäische Wertegemeinschaft zu ermöglichen, und dass es dort, wenn entsprechender Wohlstand eingekehrt ist, etwas leichter sein wird, echte demokratische Strukturen zu installieren, aber auch, dass – was sehr wichtig ist – die Rechtsstaatlichkeit dort zu einem Wert an sich wird und auch jederzeit einklag­bar und einforderbar ist.

Ich glaube, dass, wenn Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesem Be­reich Europas einkehren, dann auch der Weg dahin frei ist, dass in dieser Region eine Friedensgemeinschaft entsteht – und dass dann die UNO-Einsätze und die Einsätze der Europäischen Union im Kosovo, in Mazedonien, in Bosnien-Herzegowina und so weiter zurückgenommen werden können und sich Europa vielleicht anderen Gebieten zuwenden kann.

Wichtig erscheint mir aber auch auf dem Westbalkan, dass man die Minderheitenrech­te nicht nur auf dem Papier absichert, sondern bemüht ist, diese auch in die Tat umzu­setzen. Und da ist ein sehr schöner Bogen gegeben von der Rede des Landeshaupt­mannes Durnwalder, in der er uns an praktischen Beispielen gezeigt hat, wie die Min-


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derheit von 500 000 Südtirolern in Italien mit seinen 57 Millionen Menschen verankert ist, in der er aber auch gezeigt hat, dass man immer wieder darum kämpfen muss, denn es gibt neue Politikfelder, die einfach entsprechend besetzt werden müssen und wo es auch zu einer Teilung der Macht kommen muss.

Das heißt, wenn diese Minderheitenrechte in diesem Raum abgesichert werden, dann wird es möglich sein, dass dort Friede einkehrt. Daher ist meine Fraktion selbstver­ständlich dafür, dass diese beiden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abge­schlossen und damit auch von Österreich ratifiziert werden.

Eines möchte ich aber sagen – das ist ein Appell an die österreichische außeneuropäi­sche Politik –, dass man aus dem Fall Rumänien und Bulgarien lernt, dass man nicht zu schnell den Schritt in die EU ermöglichen soll. Ich darf nur auf einen Artikel in der gestrigen Tageszeitung „Die Presse“ hinweisen, auf Seite 6, mit der Überschrift: „Hoff­nungsschimmer für den bulgarischen Patienten“. Der Patient ist ein bissel korrupt – steht da unter anderem zu lesen –, und Europa versucht, ihn jetzt auf den richtigen Weg zu bringen und ihn gesunden zu lassen.

Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Zeit bis zu einem Beitritt der Balkanlän­der dafür genutzt wird, dass diese Strukturen auch tatsächlich umgesetzt werden, nicht nur in Papieren und durch Lippenbekenntnisse, sondern durch Taten, damit man ihnen dann, wenn sie einmal Mitglied in der EU sind, relativ problemlos auch die Wohltaten der EU, sei es Strukturfonds und was es da so alles gibt, entsprechend angedeihen lassen kann.

Daher noch einmal: Ich glaube, die beiden Abkommen sind der richtige Weg, um diese Länder nach Europa zu führen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrä­ten von SPÖ und Grünen.)

16.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.22.56

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Lieber Kollege Kühnel, selten unterschreibe ich eine Rede von Ihnen gerne. Ich würde fast alles unterschreiben, bis auf die letzten Bemer­kungen zu Bulgarien, die ich nicht ganz so hinnehmen kann. Die EU verteilt nicht nur Wohltaten, sondern es gibt Rechte und Pflichten – und auch diese beiden SAA-Abkom­men, für die wir heute den letzten Schritt der Ratifizierung machen, beinhalten Rechte und Pflichten.

Als Obmann der parlamentarischen Freundschaftsgesellschaft Österreich-Montenegro bin ich sehr froh, dass wir heute als fünftes oder sechstes Land diesen Stabilitätspakt unterschreiben und als 17. Land, glaube ich, den zu Albanien. Da teile ich Ihre Mei­nung, Herr Kollege Kühnel, dass es Frieden und Sicherheit in Europa nur geben kann, wenn es die EU schafft, alle Länder des Westbalkans, eine Region vieler, vieler Völker, vieler, vieler Verletzungen, die auch über Jahrhunderte oft Spielball anderer Interes­sen, auch Westeuropas, waren, zu integrieren und nach Europa zu holen. Vor allem der Jugend müssen wir eine Perspektive geben, auf sie müssen wir setzen.

Ich möchte nicht – das soll auch nicht verschwiegen werden –, dass die EU nur einen Stabilitätspakt mit Montenegro und Albanien abschließt, sondern auch einen mit Ser-


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bien. Nur dieser mit Serbien, der, soviel ich weiß, vor zwei oder eineinhalb Monaten abgeschlossen wurde, steht derzeit nicht zur Ratifizierung an, denn es geht hier noch immer um die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, insbesondere um die Auslie­ferung von Ratko Mladić.

Wenn wir von Rechten und Pflichten aus diesen Pakten sprechen, so ist doch eines einmal festzuhalten: Ja, die EU gibt finanzielle Hilfen für die Stabilisierung dieser bei­den Länder. Aber gleichzeitig verpflichten sich Montenegro und Albanien zur Verbesse­rung ihres Justizsystems, zur Nachhaltigkeit in der Bekämpfung der organisierten Kri­minalität, zur Schaffung einer unabhängigen Justiz, zu makroökonomischer Stabilität – und im Falle von Albanien, wo es im Jahre 2009 Wahlen gibt, auch zu einer Schaffung eines fairen und demokratischen Wahlrechts. Das sind Pflichten. Dafür gibt die EU aber auch entsprechende Hilfe.

Bei der COSAC-Tagung vor wenigen Tagen habe ich mir erlaubt, dem slowenischen Innenminister heftig zu widersprechen, der gemeint hat, es gibt in Europa eine Straße der organisierten Kriminalität, und die verlauft durch den Westbalkan. – Wir alle wis­sen, und gerade Sie als Sicherheitsexperte wissen, dass es verschiedene Straßen der organisierten Kriminalität gibt – und sie befinden sich nicht nur am Westbalkan.

Da muss man immer wieder betonen, und ich habe es schon mehrmals getan: Die Be­mühungen der Italiener, im Rahmen von KFOR die organisierte Kriminalität zum Bei­spiel in Bosnien zu bekämpfen, sind großartig. Hut ab vor den Maßnahmen der italieni­schen Soldaten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität!

Das heißt, wir haben nicht nur eine organisierte Kriminalität in Europa, die am Westbal­kan verläuft, wir haben Probleme, die zum Teil geschichtlich begründet sind, zum Teil in der Destabilisierung einer Region, seit Milošević seinen nationalen Feldzug begon­nen hat. Manche Probleme liegen wahrscheinlich noch länger zurück.

Ich war in meinem Leben eigentlich in erster Linie im außenpolitischen Nord-Süd- und entwicklungspolitischen Dialog beheimatet. Seit ich Mitglied des Bundesrates bin, ist mein Hauptbetätigungsfeld der Westbalkan geworden. Es ist damals mit Jürgen Weiss, unter seiner Präsidentschaft, eine Initiative gelungen, dass der Bundesrat und das House of Peoples in Bosnien zu einer sehr intensiven Form der Zusammenarbeit ge­funden haben.

Ein Europa ohne den Westbalkan und die Staaten südlich oder zwischen Slowe­nien/Österreich und Griechenland wird es nicht geben. Albanien hat – und das, finde ich, ist ganz besonders hervorzuheben – gerade in der gesamten Kosovo-Krise kein Feuer ins Öl geschüttet, sondern war vielmehr auf ganz besondere Art und Weise, auch diplomatisch, um eine Eindämmung dieses Konfliktes bemüht. Ich war selber an dem Tag in Belgrad – irgendwie bin ich immer in Belgrad, wenn irgendetwas dort pas­siert –, an dem Montenegro seine Unabhängigkeit erklärt hat. Wie das die Montenegri­ner mit den Serben im Grunde in einer doch relativ unproblematischen Weise geschafft haben, finde ich beachtlich. Den Worten Albrecht Konecnys möchte ich da jetzt eigent­lich gar nicht mehr weitere folgen lassen.

Es zeigt sich aber schon, dass allein die Diskussion und der Abschluss eines Stabili­tätspaktes mit Serbien – und das ist jetzt eine Annahme von mir – immerhin etwas ge­bracht hat: Ich würde sagen, es war mit ein Grund für den überraschenden Wahlsieg der EU-freundlichen Kräfte rund um Boris Tadić. Das kann Europa nur freuen, dass Serbien doch auch eine natürliche Immunität gegenüber Nationalismus und Europa­feindlichkeit zeigt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Ich kann Ihnen nur aus meiner Tätigkeit, aus meinen Gesprächen vor allem in Belgrad sagen: Die Jugendlichen dort – und eine Wende kann nur über die Jugendlichen gelin­gen – sind in keiner Konfrontationsstellung mehr. Umso wichtiger ist, dass 17 Staaten am 7. Mai eine Gebührenfreistellung unterzeichnet haben; leider noch nicht die Visa-Befreiung. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn Serbien befindet sich derzeit in einer Sackgasse – und wir müssen Serbien helfen, aus dieser herauszukommen.

In diesem Zusammenhang und wenn wir schon bei dieser Region sind, Herr Staatsse­kretär Winkler – und da wir verabredet haben, jetzt auch schon zum nächsten Tages­ordnungspunkt Stellung beziehen zu können –, Folgendes: Der Termin Juni 2008 ist, was den Kosovo und die Übergabe an EULEX betrifft, nicht zu halten. Was das inter­nationale Personal betrifft, das derzeit im Kosovo tätig ist, eben basierend auf der UN-Resolution 1244, in der ja an sich kein unabhängiger Kosovo vorgesehen ist, sind wir in einer gewissen schwierigen rechtlichen Position. Ich, Herr Staatssekretär Dr. Wink­ler, habe nicht das Gefühl, dass der UN-Generalsekretär besondere Aktivitäten an den Tag legt beziehungsweise sehr bemüht ist, diesen Übergang EULEX – Kosovo zu for­cieren.

Ich würde Sie ersuchen, Herr Staatssekretär, uns da ein bisschen etwas zu erzählen über die diesbezüglichen Perspektiven; es befinden sich immerhin österreichische Poli­zistinnen und Polizisten, österreichische Soldatinnen und Soldaten im Kosovo. Ich mei­ne, wir können alle froh sein, dass dort jetzt relative Ruhe – nach all den ersten Ärger­nissen – eingetreten ist, aber: Wie schaut es da jetzt aus mit der ESVP-Mission? Es macht ja nach wie vor die EUPTK die Planung, die Requirierung von Personal, Material und so weiter.

Da würde ich heute Sie, Herr Staatssekretär – weil wir ja auch den Kommissionsbericht vorliegen haben –, um eine kurze Einschätzung bitten. Auch um eine Einschätzung da­hin gehend würde ich Sie bitten, nachdem die Kommission sagt, dass man hinsichtlich der Anerkennung des Kosovo eine gemeinsame Vorgangsweise wählt. Wir wissen, dass zirka zehn Staaten der Europäischen Union den Kosovo noch nicht anerkannt ha­ben; 60 sind es insgesamt; da fehlen aber einige gar nicht unwichtige europäische Staaten. – Wie ist also Ihre Prognose zu diesem Prozess, Herr Staatssekretär?

Die nächste Frage, die ich auch an Sie richte. Im Jänner 2008 – das war, glaube ich, zwei Monate bevor der Rat für Europäische Integration einberufen wurde – wurde eine Taskforce betreffend Serbien aufgestellt, und zwar vor allem deshalb, um Serbien bei der Zusammenarbeit mit Den Haag zu unterstützen. – Meine Frage daher, Herr Staats­sekretär: Wie sehen Sie, wie bewerten Sie diese Arbeit dieser Taskforce? Kann man heute – nach einigen Monaten – sagen, dass diese Taskforce ein Erfolg ist, oder hat sie eher ein Ablaufdatum?

Was den Bericht der Bundesministerin, den wir heute einstimmig zur Kenntnis nehmen werden, betrifft, möchte ich auch noch zwei Fragen an Sie richten, Herr Staatssekretär, und zwar im Zusammenhang mit der Civilian Headline Goal 2010. Wie groß ist da der österreichische Beitrag, Herr Staatssekretär, um diese Ziele zu erreichen? Welche zu­sätzlichen Beiträge sind zum Aufbau von Kapazitäten dafür vorgesehen?

Weitere Frage – das ist vielleicht auch für Kollegen Kühnel interessant –: Welche Fort­schritte beziehungsweise Fähigkeitslücken wurden imProcess Catalogue 2007 hin­sichtlich der Military Headline Goals 2010 ausgemacht? Was sagen Ihnen, Herr Staats­sekretär, die Militärexperten, welche konkreten Maßnahmen da notwendig sind?


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Insgesamt freue ich mich über diese beiden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom­men. Unter der Leitung des Kollegen Großruck wird ja eine Parlamentarier-Delegation Anfang Juni nach Albanien reisen, um die Botschaft der Ratifizierung durch Österreich zu überbringen und die Kontakte dorthin zu intensivieren. Ich selbst darf eine Parla­mentarier- sowie eine Wirtschaftsdelegation im Herbst nach Montenegro führen, um auch da eine Intensivierung der Kontakte herbeizuführen.

Ich glaube, die österreichische Politik ist gut beraten, diese engen Kontakte zum West­balkan weiter auszubauen, weiter auf das Ziel rasche Integration des Westbalkans zu achten – trotz aller Probleme, Herr Kollege Kühnel, nur: So, wie Sie das bei Bulgarien beschrieben haben, sehe ich das nicht. Ja, natürlich, wir haben alle gewusst, dass Bulgarien, gerade was sein Rechtssystem betrifft, da einen weiten Weg hatte – und Bulgarien ist da meiner Überzeugung nach bereits einen sehr, sehr großen Weg ge­gangen. Das nicht alles innerhalb kürzester Zeit herstellbar und machbar ist, das ist eine andere Sache.

Sowohl Bulgarien als auch Rumänien sind jedenfalls auf einem enorm positiven Weg, und sie werden sicherlich einmal zu den Musterknaben der Europäischen Union zäh­len, und zwar so, wie das Slowenien eindrucksvoll der ganzen Welt zeigt. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Winkler das Wort. – Bitte.

 


16.37.09

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Es ist sehr zu begrüßen, dass alle Teilnehmer an dieser Debatte diese beiden Abkommen, die jetzt zur Debatte stehen, zum Anlass genommen haben, um eine generelle Schau auf die Situation der Länder des Westbalkan zu ma­chen.

In der Tat ist – und das ist noch gar nicht so lange her – seit Ende der kriegerischen Auseinandersetzung auf dem Balkan die Stabilität, der Friede, der in dieser Region ein­gekehrt ist, zu einem guten Teil, zu einem überwiegenden Teil, würde ich sagen, der europäischen Perspektive dieser Länder zuzuschreiben.

Die sogenannte Thessaloniki Agenda, also jener Beschluss des Europäischen Rates und des Außenminister-Rates, der den zunächst fünf, jetzt sechs Ländern dieser Re­gion die Mitgliedschaft in der Europäischen Union in Aussicht stellt, und damit zusam­menhängend die Bemühungen all dieser Länder um Reformen haben dazu beigetra­gen, dass heute diese Region einen wesentlich höheren Wohlstand zu verzeichnen hat, aber auch – im Gegensatz zu Zeiten der Krisen und der Kriege – zu einem Gebiet der Stabilität geworden ist. – Zum Sonderfall Kosovo werde ich dann noch etwas sa­gen.

Wir haben mit der Unterzeichnung der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen – mit einer Ausnahme – nunmehr für alle Länder des Westbalkan derartige Abkommen auf dem Tisch; nicht alle sind schon ratifiziert, aber alle sind schon sozusagen in der Pipeline.

Die eine Ausnahme, jenes Abkommen, das noch nicht unterschrieben wurde, ist jenes mit Bosnien-Herzegovina. Das hat aber einen eher technischen Grund – ich muss sa-


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gen, das ist auch ein bisschen typisch EU –, und zwar deswegen, weil es dabei noch um Sprachversionen geht. Ich verstehe schon, dass diese Länder einen gewissen Na­tionalstolz haben, auch was die Sprache anlangt, aber: Das Bestehen Bosnien-Herze­govinas auf drei Sprachversionen ist schon vielleicht etwas – wie soll ich sagen? – ex­trem, dass man da Kroatisch, Serbisch und Bosnisch als eigene Sprachen definiert; damit gibt es auch drei eigene Sprachversionen. Die Übersetzung von jeder in jede Sprache ist ein derartiger Aufwand, sodass es also mit diesem Abkommen noch eine gewisse Zeit dauern wird.

Alle Abkommen, die bis jetzt unterzeichnet worden sind, sind so genannte gemischte Abkommen, das heißt, Abkommen einerseits mit der EG – das ist übrigens tatsächlich die EG, die Europäische Gemeinschaft, denn erst der Vertrag von Lissabon wird der Europäischen Union Rechtspersönlichkeit zuerkennen –, da kann die Kommission durch Interimsabkommen alle handelspolitischen und wirtschaftspolitischen Teile die­ser Abkommen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Gemein­schaft fallen, sofort umsetzen, bevor noch die Ratifikation stattgefunden hat.

Eine Ausnahme betrifft auch da wiederum Serbien. Mit Serbien wurde zwar – wie Sie wissen und wie auch von Bundesrat Schennach schon erwähnt wurde – ein SAA-Ab­kommen unterzeichnet. Das kann aber noch nicht umgesetzt werden, auch nicht in je­nen Teilen, die nur die Europäische Kommission angehen, weil die Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Den Haag noch nicht gegeben ist.

Um Ihre Frage zu beantworten, was die Zusammenarbeit betrifft: Wir kennen noch nicht den neuesten Bericht des Gerichts über den Grad der Zusammenarbeit. Der neue Chefankläger, der Belgier Serge Brammertz, war erst vor kurzem in Belgrad und wird darüber noch einen Bericht legen. Wir werden sehen, ob da Fortschritte erzielt werden können.

Die Europäische Union hat ihre Hilfe angeboten. Sie haben die Taskforce erwähnt; wir haben analog zu dem, was damals mit Kroatien passiert ist, unseren serbischen Freun­den geraten, einen Aktionsplan auszuarbeiten. Es ist ja keineswegs so, dass bereits die Auslieferung der gesuchten Kriegsverbrecher, vor allem von Mladić, stattfinden muss, bevor das Abkommen unterzeichnet und ratifiziert werden kann. Das war auch bei Kroatien nicht der Fall; bei Kroatien ging es ja damals nicht um das SAA, sondern es ging schon um die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen.

Diese Region insgesamt ist also, glaube ich, eigentlich ganz gut unterwegs. Hier wurde etwas gesagt, was ich nur unterschreiben kann, Herr Bundesrat Kühnel, und das ist die Frage des schrittweisen Vorgehens. Ich möchte jetzt nicht beurteilen, ob es ein Fehler war, dass man bei der letzten Erweiterungsrunde das Startlinienmodell gewählt hat; das heißt, dass alle gleichzeitig gestartet und, bis auf zwei, gleichzeitig angekommen sind. Aber ich glaube, man ist sich dessen bewusst, dass man noch mehr als bisher auf die Verdienste der einzelnen Länder Rücksicht nehmen muss. Das heißt, nur inso­weit, als diese Länder die von ihnen erwartenden Fortschritte erzielen, werden sie auch zum nächsten Schritt zugelassen.

Der Beitritt ist ein Prozess. Er beginnt mit den ersten Gesprächen, er geht über das SAA-Abkommen zum Kandidatenstatus und schließlich zu den Beitrittsverhandlungen, die ihrerseits wiederum ein langer Prozess von 35 Schritten sind. Ich glaube, es ist auch diesen Ländern sehr klar, dass es nicht nur an der Europäischen Union liegt, wann diese Länder Mitglied werden können, sondern dass es auch und primär an ih­nen selbst liegt, die erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Es wird jeder einzelne Staat für sich betrachtet, nach seinen eigenen Meriten.


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Die Länder sind auch unterschiedlich weit. Kroatien ist am weitesten. Präsident Barro­so hat gemeint, dieses Land könne die Beitrittsverhandlungen vielleicht nächstes Jahr, 2009, abschließen und damit am 1. Jänner 2010 Mitglied werden. Ich weiß es nicht, aber es wäre durchaus denkbar, ich halte das für im Bereich des Möglichen. Es ist ge­rade hier im Hohen Haus schon sehr oft darauf hingewiesen worden, wie wichtig es auch für Österreich ist, dass Kroatien möglichst bald EU-Mitglied wird.

Mazedonien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien – ich bin immer vor­sichtig und verwende den korrekten Titel, auch wenn der griechische Botschafter nicht im Auditorium sitzt, aber ist korrekt, zu sagen, dass es sich um die ehemalige jugosla­wische Republik Mazedonien handelt; wir können nur hoffen, dass der Namenskonflikt bald beendet sein wird –, hat Kandidatenstatus, hat aber seit Zuerkennung dieses Kan­didatenstatus zu wenige Fortschritte gemacht, als dass es tatsächlich zu Beitrittsver­handlungen kommen könnte. Es ist zu hoffen, dass vielleicht noch in diesem Jahr, viel­leicht noch unter französischem Vorsitz, weitere Fortschritte erzielt werden können.

Jene beiden Länder, deren Abkommen heute hier im Bundesrat zur Diskussion stehen, haben beachtliche Fortschritte gemacht. Besonders Montenegro ist sehr rasch unter­wegs. Bei Montenegro muss man auch, glaube ich, insbesondere sehr anerkennen, dass von Anfang an kein Zweifel an der vollen Zusammenarbeit mit ICTY, also mit dem Tribunal in Den Haag, bestanden hat. Was Albanien betrifft, wird jeder, der hinfährt, je­der, der mit österreichischen Unternehmungen spricht, die dort tätig sind, feststellen, dass dieses Land enorme Fortschritte gemacht hat.

Ich möchte an dieser Stelle auch etwas erwähnen, was mir als altem „Europaratler“, als jemandem, der fünf Jahre seines Lebens beim Europarat verbracht hat, sehr am Her­zen liegt: Man soll bitte nicht übersehen, dass alle diese Länder auch Mitglied des Europarates sind und schon aus diesem Grund, was die Rechtsstaatlichkeit betrifft, was das Justizwesen betrifft, was die Verwaltung betrifft, nicht bei null beginnen, son­dern als Mitglied nicht nur des Europarates, sondern auch als Vertragspartei der Euro­päischen Menschenrechtskonvention schon erhebliche Fortschritte auf diesen Gebie­ten gemacht haben. Daher glaube ich, dass die Europäische Union da schon auf einem soliden Fundament aufbauen kann.

Was Serbien betrifft, gibt es, glaube ich, kaum ein anderes Land – dies wurde auch dankenswerterweise erwähnt –, das mehr als Österreich getan hat, um sich für diese europäische Perspektive Serbiens einzusetzen. Denn eines ist klar: Ohne dieses wahr­scheinlich wichtigste Land in der Region wird es permanente, nachhaltige Stabilität auf dem Balkan nicht geben können. Daher ist es meiner Ansicht nach in unser aller Inter­esse, dass auch Serbien so bald wie möglich in den Schoß der europäischen Integra­tion zurückkehrt.

Es ist ein erster Schritt mit der Unterzeichnung des SAA und mit einem guten Ausgang der Wahlen gemacht worden, wobei ich auch der Meinung bin, dass die pro-europäi­schen Kräfte durch die kurz davor erfolgte Unterzeichnung des Stabilisierungs- und As­soziierungsabkommens zweifellos besonders gestärkt worden sind. Jetzt gilt es, diesen Schritt weiterzugehen, wobei es nun an den Serben selbst liegt. Die Europäische Uni­on hat sozusagen ihren Teil gemacht, jetzt wird es im Rahmen der Regierungsver­handlungen an den Serben selbst liegen, die entsprechenden Konsequenzen aus dem Wahlergebnis zu ziehen und hoffentlich mit der richtigen Konsequenz fortzusetzen.

Ein Wort noch zu Kosovo: Kosovo ist – ich glaube, darüber müssen wir uns im Klaren sein – ein potenzieller Unruheherd. Daher hat die Europäische Union jedes Interesse daran, dass Kosovo stabilisiert wird.


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Hier möchte ich doch eines ganz deutlich sagen: Es ist richtig, dass nur ein Teil der Mitgliedsländer der Europäischen Union Kosovo anerkannt hat – 19 übrigens –, aber es gibt eine gemeinsame Kosovo-Linie der Europäischen Union! Ich glaube, das muss man betonen, weil ich immer wieder höre: „Die EU ist gespalten.“ – Die EU ist nicht ge­spalten! Es ist nicht die EU, die anerkennt; es sind die einzelnen Staaten, die anerken­nen oder nicht anerkennen. Das liegt bei den einzelnen Staaten.

Es gibt aber sehr wohl eine gemeinsame Linie – und das halte ich für besonders wich­tig und wesentlich –, was die Rechtsgrundlage für die europäische Präsenz im Kosovo betrifft. Es gibt innerhalb der Europäischen Union keinen Zweifel daran – und zwar auch bei jenen Ländern, die nicht anerkannt haben und vielleicht auf absehbare Zeit nicht anerkennen werden –, dass die UN-Resolution 1244 eine taugliche, rechtlich sau­bere Grundlage für EULEX und die europäische Präsenz im Kosovo ist. Das festzustel­len, ist wichtig, weil man es immer so hinstellt, als ob alles zweifelhaft wäre. – Das ist nicht zweifelhaft!

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat ausdrücklich die Rechtmäßigkeit der europäischen Mission im Kosovo anerkannt. Es ist allerdings richtig – und da, Herr Bundesrat, werde ich Ihnen, fürchte ich, keine präzise Antwort auf Ihre Frage geben können –, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen nicht so handeln kann, wie er es vielleicht wollte, angesichts der Spaltung, die es im Sicherheitsrat gibt. Es kann derzeit zu keiner neuen Resolution im Sicherheitsrat kommen, und der Generalsekretär hat, als er vor kurzem in Wien war, darauf hingewiesen, dass er selbstverständlich auch andere Positionen, die Positionen Russlands und anderer Staaten, berücksichti­gen muss, die die Situation anders sehen, als sie die Europäische Union sieht.

Das heißt, in der Tat ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es nach dem 15. Juni, dem Tag des Ablaufs der vorgesehenen Übergangsfrist, zu einer vollständigen Übergabe sämtlicher UNMIK-Aufgaben an EULEX kommen wird. Es wird Schritt für Schritt ge­schehen. Ich glaube aber, dass man da einfach pragmatisch vorgehen muss. In Öster­reich hat zum Beispiel der Hauptausschuss des Nationalrates vor wenigen Tagen die Entsendung zur EULEX-Mission genehmigt und gleichzeitig auch die Entsendung zu UNMIK verlängert. Sie sehen hier schon, dass man pragmatisch mit dieser Frage um­gehen muss.

Es sind übrigens die gleichen Polizisten, die bei EULEX sein werden, die jetzt bei UNMIK sind. Wie dann also in der Praxis dieser Übergang stattfinden wird, kann ich Ih­nen beim besten Willen nicht sagen. Aber ich glaube, man soll auch da nicht dog­matisch sein, sondern pragmatisch vorgehen.

Schließlich noch zu Ihrer Frage zu den Civilian Headline Goals: Österreich hat – das kann ich Ihnen hier sagen – unter diesen Zielen, unter den Civilian Headline Goals, Folgendes eingemeldet: 110 Polizisten, 4 Richter/Staatsanwälte, 4 Justizwachebeam­te, 10 zivile Administratoren und 10 Experten im Zivilschutz. Die Mitgliedstaaten sollen bis Ende 2008 zivile Kapazitäten einmelden, die im Falle von Krisen im Ausland abge­rufen werden können. Das ist – das wissen Sie ja – noch nicht operativ, aber Öster­reich ist da durchaus gut unterwegs. – Danke schön, Herr Präsident. (Allgemeiner Bei­fall.)

16.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 109

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Montenegro andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklä­rungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2008 betreffend ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Albanien.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.52.0917. Punkt

Bericht der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegen­heiten an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008 (III-347-BR/2008 d.B. sowie 7950/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


16.52.30

Berichterstatter Dr. Franz Eduard Kühnel: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zur Kenntnis bringen. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich darf daher gleich zur Antragsstellung schreiten.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Mai 2008 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für europäische und inter­nationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitspro­gramm 2008 zur Kenntnis zu nehmen. Ich ersuche um Annahme.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


16.53.25

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte die Sitzung nicht verlängern, aber, meine Damen und Herren, es geht um ein Arbeitsprogramm, um ein internationales Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für 2008. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsi­dent Weiss gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube, so kann man nicht darüber hinweg­gehen, als wäre da gar nichts, sondern ich glaube, das ist eine hohe Verantwortung


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der Bundesregierung. So sehe ich es als Europäer, als einer, der den Europa-Gedan­ken hochgehalten und auch hier im Haus den Beweis dafür geliefert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundlage für das Arbeitsprogramm ist einmal der EU-Vertrag, der Vertrag von Lissabon, das Friedensprojekt – ich meine, das alles sind ja die Grundlagen –, und Europa als starker Partner in der Welt. Zum Vertrag von Lissabon möchte ich nur sagen, dass dieser meiner Meinung nach nicht die richti­ge Voraussetzung für unsere Demokratie, wie meine Vorstellung ist, erhalten hat.

Wichtige Themen sind: Standortbestimmungen; Europa-Dialog mit den anderen Völ­kern – mit Österreich, mit den anderen Ländern –, das ist sehr, sehr gut. Von Öster­reichs Menschenrechtspolitik, die weltweit hohe Anerkennung hat – ich glaube, da kann sich Österreich auch sehr profilieren und findet große Anerkennung.

Energiepolitik: Endlich Klärung – das ist ja offen, Herr Staatssekretär – der ganzen Atompolitik, der Temelín-Geschichte; das gehört, glaube ich, auch zum Arbeitspro­gramm.

Bezüglich des Klimawandels sollten wir mehr tun. Vor allem sollten wir Österreicher in der EU verstärkt versuchen, die Amerikaner und die Chinesen ins Boot zu holen. Das sind zwar große, verantwortliche Industriemächte der Welt, aber so kann es ja nicht sein, dass wir die Zügel für die Umwelt in der Hand halten, uns selbst den Rahmen ge­ben – und die anderen können tun, was sie wollen.

Was die Migration betrifft, ist Österreich, glaube ich, beispielgebend. Unsere Rahmen­bedingungen sind geschaffen worden, wir bemühen uns, dem national und internatio­nal Rechnung zu tragen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben sehr, sehr viel zu tun, und das betrifft, glaube ich, das Wasser. Wenn wir das Arbeitsprogramm Europas ansehen, Herr Staatssekretär, dann sehe ich auch das Wasser als etwas, was international zu einem Problem wird. Das gehört ganz vorne hin.

Oder: der Hunger in der Welt! Herr Staatssekretär, in 35 Staaten der Welt gibt es Auf­stände, dort gibt es Revolutionen. Da wird sich Österreich wahrscheinlich nicht in den Schatten stellen können, sondern es wird sich vor den Vorhang begeben und sagen müssen: So, meine Herrschaften, was können wir tun?

Wir können viel tun, Herr Staatssekretär! Mit den Waffen kommen wir innerhalb von Stunden in jedes Eck der Welt. Aber wenn es um Lebensmittel geht, ist das fast nicht möglich: Das geht nicht, da sind so viele Barrieren und Schwierigkeiten! Daher sehe ich es so, dass man da auch mehr tun sollte.

Weiters geht es um den Klimawandel. Herr Staatssekretär, ich glaube, da könnte man bei uns selbst noch viel tun, aber auch sonst noch mehr.

Eine Frage stellt sich bezüglich des Hungers und des Wassers: Was ist eigentlich mit der FAO, Herr Staatssekretär? Wozu haben wir sie geschaffen? – Sie hat uns jahr­zehntelang so viel Geld gekostet, und heute haben wir diese Probleme. Meiner Mei­nung nach wäre das eine hohe Aufgabe! Dort sind Fachleute tätig, die schon lange wissen, wie sich international die ganze Entwicklung abspielen wird, die heute schon wissen, wie es in fünf, in zehn oder in zwanzig Jahren sein wird. Aber Vorkehrungen werden nicht getroffen!

Herr Staatssekretär, daher bin ich der Meinung, dass wir in Österreich heute die EU-Vorgaben nicht hundertprozentig übernehmen müssen. Eine gewisse Selbstsicherheit und ein gewisses Selbstvertrauen und gewisse Kompetenzen haben wir selbst zu er-


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 111

halten und für uns selbst zugänglich zu machen. So soll es auch bleiben! – Danke, Herr Staatssekretär. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

16.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte.

 


16.58.02

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das jetzt wirklich nicht verlängern. Aber es ist eine ganz kon­krete Frage angesprochen worden, die ich gerne beantworten möchte, weil das meiner Ansicht nach wichtig ist.

Herr Bundesrat, Sie haben die FAO angesprochen. – Allein in den letzten Wochen hat Österreich fast 1 Million € im Wege der FAO für die Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung gestellt, im Wesentlichen an drei afrikanische Länder, darunter Burkina Faso und Äthiopien. Die gesamte internationale Nahrungsmittelhilfe läuft über die FAO, die FAO leistet da wirklich ungeheuer viel! Zwar möchte ich nicht behaupten, dass das genug ist und dass man nicht noch viel mehr tun könnte, aber ich möchte schon die FAO und ihre Arbeit, die vielleicht ein bisschen unbemerkt von der Öffentlichkeit über die Bühne geht, verteidigen. Da geschieht wirklich sehr viel! (Bundesrat Ing. Kampl: Habe ich nicht abgewertet!)

Ich möchte noch eines sagen. Die Europäische Union ist in der Welt mit Abstand der größte Geber in der Entwicklungszusammenarbeit. Andere mögen vielleicht darüber reden, aber die Europäische Union hat das in der Vergangenheit getan und leistet auch derzeit in der Entwicklungszusammenarbeit enorm viel! Österreich – auch das geht manchmal unter – ist an diesen Leistungen der Europäischen Union als Nettozahler immer mit 2,4 Prozent beteiligt. Daher glaube ich, auch das sollte man einmal sagen und die Europäische Union auch als internationalen Geber und Linderer der Not aner­kennen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

17.00.0518. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Einer Vereinbarung der Fraktionen entsprechend ist vom Bundesrat ein Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates neu zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 112

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, Herrn Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel als Mit­glied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehrheit. Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Das von mir genannte Mitglied, Herr Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel, ist somit als Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt.

Ich wünsche ihm bei seiner Tätigkeit viel Erfolg! (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.01.00Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen, 2622/J bis 2631/J, ein­gebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 19. Juni 2008, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis da­hin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 17. Juni 2008, ab 13 Uhr vorgesehen.

*****

Die Sitzung ist geschlossen.

17.01.39Schluss der Sitzung: 17.02 Uhr

 

 

 

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