18.33

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen hier über eine Änderung des Partei­engesetzes mit dem hehren Ziel, die Transparenz bei der Finanzierung politischer Parteien zu erhöhen – mehr Kontrolle, verschärfte Sanktionen, mehr Fairness, es ist von gläsernen Parteikassen die Rede.

Der Druck war jetzt doch zu groß, gerade nachdem der Rechnungshof die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlichte, hier eine Reihe von Verstößen feststellte bezie­hungsweise anführte, dass zum Beispiel die Abrechnung der Wahlkampfkosten nicht korrekt gewesen sei, dass man Gelder erhalten hätte oder der Verdacht bestehe, Gelder aus Coronahilfsmittelfonds erhalten zu haben, das betrifft den Finanzbericht 2020 und 2021, oder dass es auch Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Inseraten­affäre des Vorarlberger Wirtschaftsbunds gebe.

Nun haben wir hier diesen Entwurf vorliegen, und entscheidend ist eigentlich, ob mit all diesen Praktiken, die ich jetzt aufgezählt habe, endgültig Schluss ist, wenn dieser Ent­wurf beschlossen wird und Gesetz wird. Das ist mitnichten der Fall, auch wenn sich Kollege Ottenschläger bemüht hat, das so darzustellen.

Kollege Scherak hat es schon dargestellt: Es gibt ein ganz großes Schlupfloch, es ist schon fast vermessen, von einem Schlupfloch zu sprechen, weil es so groß ist. Es gibt nämlich eine Ausnahme für nahestehende Organisationen, Vereine, Personenkomitees, und daher kann man hier nicht von einer gläsernen Finanzierung, gläsernen Partei­kassen sprechen. Es ist das Gegenteil der Fall. Wir haben nach wie vor die Spenden­obergrenze, 750 000 Euro (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger), auch 7 500 Euro pro Spender, aber mit der vorliegenden Novelle – wir besprechen jetzt diesen Entwurf hier, Herr Ottenschläger – dürfen nahestehende Organisationen, Vereine und Personen­komitees zukünftig wieder unbegrenzt an die jeweilige Partei zahlen, und woher diese nahestehenden Vereine, Personenkomitees ihr Geld beziehen, bleibt dann dem Rech­nungshof auch verborgen. Der Rechnungshof warnt daher, wenn es bei dieser Aus­nahme bleibt – und bei der bleibt es nach dem Entwurf, den wir hier besprochen haben –, dass das kreative Umwege zur Vermeidung der Anwendung der Spenden­regelungen fördert.

Nun, zu dieser Kreativität, denke ich, sind die Regierungsparteien, nicht nur die ÖVP, fähig, die ÖVP mit über 850 nahestehenden Vereinen, aber auch die Grünen behalten sich diese Möglichkeit offensichtlich gerne vor.

Ich darf noch einmal auf den wirklich besonders bedenklichen Vorfall zu sprechen kommen: die Auszahlung von Mitteln aus dem NPO-Fonds, der beim Vizekanzleramt angesiedelt ist, bei Werner Kogler. Es geht da um Gelder, die für ehrenamtliche Vereine zur Verfügung gestellt worden sind, denen während der Coronazeit Einnahmen entgangen sind, und auch als Überlebenshilfe. Diese Mittel sollten nach den Statuten natürlich keine polit- und parteinahen Organisationen erhalten.

Es kam dann auf, dass aber doch verschiedene parteinahe Organisationen Mittel er­halten haben, und es gibt jetzt zum Beispiel diesen Verdacht, dass der Oberösterreichi­sche Seniorenbund 2 Millionen Euro daraus erhalten hätte. Nun macht natürlich auch der Seniorenbund wertvolle Arbeit, und ich wäre es niemandem neidig, wenn diese Gelder wirklich den Senioren und Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte nur sagen, unabhängig von der Argumentation, also sozusagen ob der Seniorenbund parteinah ist oder nicht – er ist es natürlich –, aber wenn man der Argumentation der ÖVP folgt, dass es nicht so sei, dann würde ich auf die Offenlegung warten, was eigentlich mit den 2 Millionen Euro geschehen ist, denn es geht darum: Ist das Geld den Senioren zugutegekommen oder wohl doch eher in die Verwaltung geflossen, Funk­tionäre, Immobilien oder in die Partei? Und das ist das, was unterbunden werden muss.

Es gibt ja jetzt auch den Verdacht, dass die Politische Akademie da auch Gelder erhalten hat.

Das betrifft aber nicht nur die ÖVP, sondern auch die Grünen. Vizekanzler Kogler hat ja den NPO-Fonds verwaltet, tut es noch, brüstet sich auch, dass da 750 Millionen Euro geflossen sind. Also wenn man schon groß von Transparenz redet, dann bitte auch Offenlegung, Transparenz: Was ist mit den Mitteln aus der Cofag geschehen? Da geht es um Milliarden. Was ist mit diesen Mitteln hier, den 750 Millionen Euro geschehen? Da wird vielleicht dann auch der eine oder andere grüne oder grünnahe Verein dabei sein.

Aus all diesen Gründen und vor allen Dingen auch, weil wir eine sehr, sehr hohe Parteienfinanzierung haben, eventuell sogar die höchste in der ganzen Welt, stimmen wir hier nicht mit.

Ich darf noch den Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Legalisierung verdeckter Parteienfinanzierung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, welche insbesondere folgende Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik umsetzt:

Ein Verbot aller Parteispenden, die unverzügliche Entpolitisierung der Institution Rech­nungshof, ein Rechnungshof-Kontrollautomatismus und eine Stärkung der parlamen­tarischen Kontrolle im Sinne der Antragsbegründung. Auf die Verunmöglichung von Umgehungskonstruktionen, insbesondere durch Vereinskonstruktionen, ist besonderer Wert zu legen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schnedlitz, Dr. Fürst

und weiterer Abgeordneter

betreffend Nein zur Legalisierung verdeckter Parteienfinanzierung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2487/A der Abgeordneten Andreas Ottenschläger, Sigrid Maurer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG), das Mediengesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) geändert werden sowie über den Antrag 34/A und Zu 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird, über den Antrag 35/A und Zu 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird und über den Antrag 454/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finan­zierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (1637 d.B.) (TOP 15) in der 168. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 7. Juli 2022.

Durch den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss kommen immer mehr Skandale an die Öffentlichkeit, die sich wie ein schwarzer Faden durch das ganze Land ziehen: Inseratenkorruption, Steuerhinterziehung, Wahlkampfmanipulation und das Lukrieren von Steuergeldern durch dubiose Umgehungskonstruktionen sind nur die jüngsten Vor­würfe, die im Raum stehen.

Der öffentliche Druck wurde inzwischen sogar so groß, dass auch der Rechnungshof anlässlich der Prüfung des jüngsten Rechenschaftsberichts der Volkspartei unter der Verantwortung des damaligen Generalsekretärs Karl Nehammer erstmals tätig wurde.

Nicht nur die ÖVP als juristische Person und politische Heimat der Rechnungs­hof­präsidentin, sondern auch der ÖVP-Nationalratspräsident, der Klubobmann der ÖVP und die ÖVP-Justizsprecherin tragen längst Aktenzahlen als Beschuldigte in diversen strafrechtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung der türkis-grünen Bundesregierung nach Einsichtsrechten in andere Parteien statt wie bisher durch äquidistante Wirtschaftsprüfer nunmehr durch der ÖVP-Rechnungshofpräsidentin wei­sungsgebunden Beamte, durchaus beachtenswert. Um sich dem zu entziehen, hat die ÖVP mit über 850 nahestehenden Vereinen1  den schwarzen Faden bereits zu einem sicheren Netz gesponnen.

Mit dem neuen Parteiengesetz verspricht die ÖVP Transparenz und einen Schlussstrich unter ihre bisherigen Praktiken. Wer genau hinsieht wird merken, dass genau das Gegenteil der Fall ist:

Neue Finanzierungsmöglichkeiten: Spendenobergrenze fällt

Der jüngst publik gewordene Rechenschaftsbericht der ÖVP zeigt, dass die selbst­ernannte Wirtschaftspartei auf Millionenschulden sitzt. Kein Wunder, haben FPÖ und SPÖ doch im Sommer 2019 eine Spendenobergrenze von € 750.000 pro Kalenderjahr und € 7.500 pro Spender eingeführt. Mit der Novelle des Parteiengesetzes dürfen nahestehende Organisationen und Personenkomitees zukünftig wieder unbegrenzt an die Partei zahlen. Spenden an Parlamentsklubs und Parteiakademien sollen ebenso verboten werden.

Schwarze Netzwerke sind vorbereitet: Kontrolle wird weiter umgangen

Woher die nahestehenden Organisationen und Personenkomitees ihr Geld beziehen, bleibt dem Rechnungshof weitgehend verborgen. Der unabhängige Parteien-Trans­parenzsenat, der demnächst über Strafen gegen die ÖVP aufgrund des Rechen­schafts­berichts zu entscheiden haben wird, warnt daher ausdrücklich davor, „dass die be­absichtigte ausdrückliche Ausnahme von Zuwendungen nahestehender Organisationen oder Personenkomitees kreative Umwege zur Vermeidung der Anwendung der Spen­denregelungen fördern könnte.“

Postenschacher lohnt sich: Parteiarbeit wird staatlich gefördert

Wenn ein Wirt beim Sommerfest einer Ortspartei Biergarnituren zur Verfügung stellt, soll es schon eine illegale Spende sein. Ganz im Gegensatz dazu, darf jeder im öffentlichen Dienst während der Arbeit Parteiarbeit verrichten, ohne dass es verboten oder auch nur transparent zu machen wäre. Postenschacher wird nicht nur begünstigt, sondern nahezu befördert. „Margit Kraker wurde durch einen ÖVP-Postenschacher Präsidentin des Rech­nungshofes“,2 stellte die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ in diesem Zusam­menhang passend im März 2022 fest.

Die lange Liste der ÖVP-Skandale zeigt eindrucksvoll, dass es überall dort, wo die ÖVP agiert, Scheintransparenz nicht genügen wird. Es braucht die Umsetzung folgender fünf Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik:

1. Verbot aller Parteispenden

Der Gedanke, dass Politik ein Wettstreit der Ideen sein soll, droht durch neu ermöglichte Einflussnahme über Spenden wieder in den Hintergrund zu rücken. Ein generelles Verbot von Spenden an Parteien, Parteiakademien und Parlamentsklubs soll daher verhindern, dass sich Parteien durch Umgehungskonstruktionen in die Abhängigkeit von nahestehenden Organisationen und Personenkomitees begeben, obwohl das staatliche Parteienfinanzierungssystem bereits ausreichend dotiert ist.

2. Entpolitisierung der Institution Rechnungshof

Um die Unabhängigkeit und die demokratische Legitimation des Rechnungshofs zu stärken, sollen Wahl und auch Abwahl des Präsidenten künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Nationalrats erfolgen. Derzeit ist eine Abwahl der Präsidentin jederzeit mit der Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen möglich, was tendenziell Abhängigkeiten begünstigt.

3. Rechnungshof-Kontrollautomatismus

Der Rechnungshof soll dem Nationalrat verpflichtend jährlich einen Wahrneh­mungs­bericht über potentielle Personal- und Sachspenden von Ministerien und politischen Kabinetten an Parteien vorlegen. Somit sollen beispielsweise PR- oder Social-Media-Aktivitäten der Regierungsbüros für Parteien präventiv unterbunden werden und sicher­gestellt werden, dass sich die Ministerien ihren eigentlichen Aufgaben widmen und die Opposition im politischen Wettbewerb keinen Nachteil erleidet.

4. Stärkung der parlamentarischen Kontrolle

Die Möglichkeiten des Parlaments, dem Rechnungshof Prüfaufträge zu geben, müssen ausgeweitet werden: Nach geltendem Recht dürfen nicht mehr als drei

Sonderprüfungen gleichzeitig verlangt werden. Diese dauern bis zu 1,5 Jahren, weshalb die Aufarbeitung von Skandalen unnötig lange dauern kann. Zukünftig sollen 20 Abge­ordnete ein solches Verlangen pro Jahr stellen dürfen. Parlamentsklubs mit weniger Abgeordneten sollen ebenso jährlich ein Verlangen stellen dürfen.

5. Aus Fehlern lernen

Während wöchentlich neue Skandale bekannt werden, kann es manchen mit einem neuen Parteiengesetz nicht schnell genug gehen. Statt husch-pfusch einen faulen Kompromiss einzugehen, der bereits die Umgehungsmöglichkeiten einpreist, gilt es die den Entwurf von ÖVP und Grünen anhand der aktuellen Erkenntnisse des Rechnungs­hofes zu messen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, welche insbesondere folgende Punkte zur Stärkung unserer Demokratie und gegen käufliche Politik umsetzt:

Ein Verbot aller Parteispenden, die unverzügliche Entpolitisierung der Institution Rech­nungshof, ein Rechnungshof-Kontrollautomatismus und eine Stärkung der parlamenta­rischen Kontrolle im Sinne der Antragsbegründung. Auf die Verunmöglichung von Umgehungskonstruktionen, insbesondere durch Vereinskonstruktionen, ist besonderer Wert zu legen.“

1https://twitter.com/MartinThuer/status/1535972874502168576?cxt=HHwWgICzlaDM79AqAAAA

2https://www.zeit.de/2022/10/parteiengesetz-oesterreich-tranzparenz-margit-kraker

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer, bitte, Sie haben das Wort.