Politische Prozesse und Recht werden traditionell als autonom verstanden (vgl. für Österreich Jakab 2021, 51) . Damit ist gemeint, dass bei beiden Bewertungen und Entscheidungen unabhängig von anderen Bereichen getroffen werden. Vertreter:innen anderer Bereiche, z. B. Wissenschaftler:innen, oder deren Methoden können nur dann einbezogen werden, wenn sich Politiker:innen dazu entscheiden oder wenn rechtliche Verfahren es vorsehen.
In Sozialstaaten besteht aber gleichzeitig die Erwartung, dass staatliche Leistungen professionell erbracht und nicht von politischen Konflikten beeinflusst werden. Diese Erwartung tritt in Wissensgesellschaften verstärkt auf. In diesen werden zunehmend anspruchsvollere Technologien eingesetzt, und Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze verlagern sich in den wissensintensiven Dienstleistungssektor. Das führt dazu, dass in öffentlichen Debatten vergleichbare Erwartungen an Politik und Verwaltung gestellt werden.
Demgegenüber wird eingewandt, dass Politik nicht auf die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränkt werden kann. Politisches Handeln ist durch persönliche und politische Erfahrungen und Werte geprägt. Es soll soziale Umstände in Betracht ziehen. Es soll möglichst viele Menschen erreichen, von denen nicht angenommen werden kann, dass sie wissenschaftlichen Debatten folgen können oder Zeit dafür haben. Schließlich müssen politische Entscheidungen oft rasch getroffen werden (siehe dazu Boaz et al. 2019).
In dieser Situation können die Überlegungen des Philosophen Karl Popper Lösungsansätze bieten. Popper befasste sich kritisch mit Idealvorstellungen in Wissenschaft und Politik und plädierte für ein schrittweises Vorgehen in beiden Bereichen sowie für die Bereitschaft, Neues auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Entscheidend ist demnach, eine konstruktive, inhalts- und ergebnisoffene Herangehensweise zu entwickeln und dabei politische und institutionelle Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Popper formulierte seine Ideen im Interesse der Verteidigung einer liberalen Demokratie und zeigte auf, dass Problemlösung Pluralität und Diskussion voraussetzt. Wissenschaft und Demokratie hängen für ihn daher eng zusammen. Wissenschaftsskepsis kann zur Gefahr für Demokratie werden, ebenso wie Demokratieskepsis wissenschaftliche Tätigkeit infrage stellen kann.