Diese Problematik wird durch die Einbringung sogenannter "Trägerraketen" verstärkt. Das sind Gesetzesanträge ohne relevanten Inhalt (etwa nur die Änderung eines Satzzeichens). Sie werden erst in den Ausschuss- oder Plenarberatungen mit Inhalten gefüllt. Sie bieten in offenen politischen Verhandlungen eine Möglichkeit für einen sehr raschen Gesetzesbeschluss. In der Tagung 2023/24 waren 14 von 99 selbständigen Anträgen solche Trägerraketen und wurden in den parlamentarischen Debatten auch unwidersprochen als solche bezeichnet.
Wenn es keine Regierungsvorlage gibt, fehlen auch die WFA und Informationen über die Verwaltungskosten. Die Informationsgrundlagen der Abgeordneten sind damit beschränkt. Selbständige Anträge sollen zwar einen Bedeckungsvorschlag enthalten, dessen Fehlen ist aber sanktionslos.
Diese Informationsdefizite könnte der Nationalrat mit der Abhaltung von Expert:innenhearings in den Ausschüssen ausgleichen, wie diese z. B. im Deutschen Bundestag üblich sind (siehe Hünermund 2024). Ebenso könnten Ausschussbegutachtungen beschlossen werden. Eine Auswertung zeigt aber, dass in der XXVII. Gesetzgebungsperiode nur vier Hearings zu Gesetzentwürfen und elf Ausschussbegutachtungen (davon fünf in der Tagung 2023/24) durchgeführt wurden.
Eine weitere Auswirkung zeigt sich schließlich nach erfolgten Gesetzesbeschlüssen: Mit der Haushaltsrechtsreform 2013 und der WFA sollte die Grundlage für eine durchgängige Evaluierung von Gesetzesbeschlüssen geschaffen werden. Diese erfolgt nach längstens fünf Jahren intern durch die Ressorts, die ressortübergreifende Wirkungscontrollingstelle führt im Rahmen der zusammenfassenden Berichtserstellung eine Qualitätssicherung durch. Der Bericht über die Evaluierungen der Wirkungsorientierten Folgenabschätzungen wird dem Nationalrat übermittelt. Wenn keine WFA zu einem Gesetzentwurf erstellt wird, kann auch keine Evaluierung erfolgen. Der Budgetdienst des Parlaments hat in seiner Analyse des Berichtes für 2023 betont, dass im Finanzjahr 2023 für insgesamt 99 erfolgreiche Gesetzesbeschlüsse (Initiativ- bzw. Ausschussanträge) aufgrund der fehlenden WFA keine Evaluierungen stattfinden werden.
In der rechts- und sozialwissenschaftlichen Forschung hat in den letzten Jahren die Auseinandersetzung mit Entwicklungen zugenommen, wie sie in der XXVII. GP für Österreich typisch geworden sind. Dabei wird auf das Risiko hingewiesen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesetzgebung sinken kann (De Benedetto u. a. 2020). Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass rasche Gesetzgebungsverfahren ohne Konsultationen und breite Diskussionsprozesse zu Gesetzen führen, die oftmals geändert werden müssen. Das kann wiederum zu hohen Anpassungskosten für Unternehmer:innen und Private führen und unter Umständen Korruption fördern (Brenner/Fazekas 2021).