Wer kontrolliert die Regierung?

Ein Showcase zu schriftlichen Anfragen - basierend auf dem Open Data Angebot des Parlaments. 

Wer kontrolliert die Regierung?

Die Kontrolle der Bundesregierung zählt zu den wichtigsten Aufgaben des Parlaments. Um dieser Aufgabe nachkommen zu können, stehen den Abgeordneten zum Nationalrat verschiedene Instrumente zur Verfügung. Eines davon ist die Möglichkeit, schriftliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu stellen, die diese innerhalb von zwei Monaten beantworten müssen. Dieses Recht der Abgeordneten wird als Interpellations- oder Fragerecht bezeichnet (Details dazu finden Sie im Fachdossier "Wesen und Reichweite des parlamentarischen Fragerechts").

Für die folgende Analyse verwenden wir die Daten aller schriftlichen Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung, die seit der XIX. Gesetzgebungsperiode (beginnend mit 9. Oktober 1994) bis Juli 2023 im Nationalrat eingebracht wurden. Ein:e Abgeordnete:r zum Nationalrat benötigt die Unterstützung von vier weiteren Abgeordneten, um eine schriftliche Anfrage an die Mitglieder der Bundesregierung zu stellen.

In der ersten Grafik wird die Gesamtanzahl der schriftlichen Anfragen an die Bundesregierung dargestellt. Die Darstellung erfolgt pro Kalenderjahr und beginnt daher mit 1995. Nachdem die Anzahl in den ersten Jahren des Beobachtungszeitraums einen relativ stabilen bis leicht abfallenden Trend aufweist, steigt sie zwischen 2006 und 2007 stark an. Danach gibt es immer wieder Fluktuationen in der Anzahl der Anfragen, wobei die Jahressumme nie auf das Niveau der Jahre von vor 2007 zurückfällt.

Barrierefreie Alternative zur Grafik / CSV, 351 BYTES

Gibt es zwischen den National­ratsklubs Unterschiede in der Verwendung von schriftlichen Anfragen?

Die zweite Grafik schlüsselt die Anzahl der Anfragen nach den Klubs, die derzeit (2024) im Nationalrat vertreten sind. Dabei zeigt sich, dass FPÖ-Abgeordnete mit Abstand die meisten schriftlichen Anfragen an die Bundesregierung stellen – in einzelnen Jahren sogar mehr Anfragen als alle anderen Nationalratsklubs zusammen. Außerdem stechen die großen Unterschiede in der Zahl der FPÖ-Anfragen im Zeitverlauf ins Auge. Zwischen 2000 und 2006 sowie von 2018 bis 2019 gibt es kaum Anfragen von FPÖ-Abgeordneten – also genau in den Jahren, in denen die FPÖ Teil der Bundesregierung ist.

Barrierefreie Alternative zur Grafik / CSV, 1 KB

Auch bei den anderen Klubs findet dieses Phänomen seinen Niederschlag. So stellen Abgeordnete der ÖVP durchgehend relativ wenige schriftliche Anfragen an die Bundesregierung, da die Volkspartei im Untersuchungszeitraum fast ununterbrochen in der Bundesregierung ist. Demgegenüber entwickeln NEOS, die bisher immer in Opposition waren, eine sehr rege Anfragetätigkeit.

Die Grünen stellen als Klub einer Oppositionspartei (bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Nationalrat im Jahr 2017) auch konstant mehrere hundert Anfragen pro Jahr an die Bundesregierung. Nach ihrem Wiedereinzug in den Nationalrat im Jahr 2019 ist die Partei ab 2020 Teil der Bundesregierung, und ihre Abgeordneten stellen demgemäß deutlich weniger Anfragen.

Ein Blick auf die SPÖ zeigt aber, dass es auch Abweichungen von diesem Regierungs-Oppositions-Muster geben kann. So geht mit dem Eintritt der Sozialdemokraten in die Bundesregierung im Jahr 2007 nur eine unwesentliche Verringerung der Anzahl der jährlichen Anfragen von SPÖ-Abgeordneten einher. Das lässt sich zu einem guten Teil auf das Anfrageverhalten des Abgeordneten Johann Maier zurückführen, der in Oppositions- wie Regierungsphasen rund 200 Anfragen pro Jahr stellte. Maier war damit von 2007 bis 2013 für mehr als die Hälfte aller Anfragen aus dem SPÖ-Nationalratsklub verantwortlich. Erst nach seinem Ausscheiden 2013 ist ein deutliches Abflachen der Kurve der SPÖ zu erkennen – bis zum Ende ihrer Regierungsbeteiligung im Jahr 2017.

Schriftliche Anfragen als Kontrollinstrument der Opposition

Schriftliche Anfragen sind vor allem ein Werkzeug der Opposition – ganz im Sinne einer modernen Gewaltenteilung. Um das noch besser zu veranschaulichen, werden in der nächsten Darstellung die Anteile schriftlicher Anfragen von Abgeordneten der Regierungs- und Oppositionsklubs gegenübergestellt – sortiert nach Regierungsperioden und beginnend mit der Regierung Vranitzky IV. Ausgenommen von der Darstellung ist die nicht-parteigebundene Regierung Bierlein (ab Juni 2019). Die wenige Tage dauernden Übergangsphasen, in denen Reinhold Mitterlehner (2016) und Hartwig Löger (2019) kurzzeitig mit dem Vorsitz in der Bundesregierung betraut waren, werden den jeweiligen Vorgängerregierungen zugeschlagen.

Barrierefreie Alternative zur Grafik / CSV, 600 BYTES

Diese Grafik zeigt deutlich, dass zu jedem Zeitpunkt in den letzten knapp 30 Jahren der Großteil der schriftlichen Anfragen durch Abgeordnete von Oppositionsklubs gestellt wurde. Dieser Anteil sinkt nie unter 70 Prozent, dennoch sind Unterschiede zwischen den Perioden festzustellen. Zum einen geht der Anteil der Anfragen von Abgeordneten der Regierungsklubs im Zeitverlauf zurück: In den Regierungsperioden seit 2013 bewegt er sich nur mehr im einstelligen Prozentbereich. Zum anderen ist zu erkennen, dass besonders Große Koalitionen (Regierungen von SPÖ und ÖVP) einen höheren Anteil an Anfragen von Abgeordneten der Regierungsklubs aufweisen. Das deutet auf ein im Vergleich mit anderen Regierungszusammensetzungen höheres Konfliktniveau zwischen den Koalitionsparteien hin.

An wen richten Abgeordnete von Regierungsklubs ihre Anfragen?

In der letzten Grafik schlüsseln wir das Anfrageverhalten der Abgeordneten von Regierungsklubs genauer auf. Konkret wird pro Regierungsperiode der Prozentanteil an Anfragen gezeigt, den Abgeordnete der Regierungsklubs an Bundesminister:innen der eigenen Partei sowie an Bundesminister:innen des Koaltionspartners richten. Hier ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass – unabhängig von der Regierungszusammensetzung – die Mehrheit der Anfragen an Minister:innen des Koalitionspartners gerichtet werden. Leichte Ausreißer stellen hier die Regierungen Schüssel II (ÖVP-FPÖ/BZÖ) und Kurz I (ÖVP-FPÖ) dar, in denen Abgeordnete der Regierungsklubs anteilig etwas mehr Anfragen an die "eigenen” Minister:innen stellen.

Barrierefreie Alternative zur Grafik / CSV, 609 BYTES

Anfragen dienen also auch der wechselseitigen Kontrolle der Regierungsklubs. Allerdings bestätigt die hier durchgeführte Analyse, dass schriftliche Anfragen hauptsächlich als oppositionelles Kontrollinstrument gegenüber der Bundesregierung verwendet werden. Sie sind ein beliebtes und immer häufiger verwendetes Mittel, um die Arbeit der Bundesregierung zu überprüfen. In den nächsten Showcases wird nun der Frage nachgegangen, inwiefern schriftliche Anfragen darüber hinaus auch andere Funktionen erfüllen.

Wie wurde es gemacht?