Stenographisches Protokoll

626. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Dienstag, 6. Mai 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

626. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 6. Mai 1997

Dauer der Sitzung

Dienstag, 6. Mai 1997: 9.04 – 17.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Erklärung der Landeshauptfrau von Steiermark Waltraud Klasnic

2. Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden

3. Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen

4. Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung

5. Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen

6. Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 1995

7. Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen (Bauproduktegesetz – BauPG)

8. Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendung der neuen Bestimmungen (Jugendwohlfahrtsstatistik)

9. Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesesetz geändert wird (4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle)

10. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen

11. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

12. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen


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626. Sitzung / Seite 2

13. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll

14. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll

15. Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten

16. Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen

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Inhalt

Personalien

Krankmeldungen 8

Entschuldigungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 23

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 22

Ausschüsse

Zuweisungen 23

Fragestunde

Finanzen 8

Mag. Gerhard Tusek (731/M-BR/97)

Johann Kraml (737/M-BR/97)

Dr. Peter Harring (743/M-BR/97)

Ilse Giesinger (732/M-BR/97)

Karl Hager (738/M-BR/97)

Dr. Kurt Kaufmann (733/M-BR/97)

Stefan Prähauser (739/M-BR/97)

DDr. Franz Werner Königshofer (744/M-BR/97)

Dr. Vincenz Liechtenstein (734/M-BR/97)

Karl Drochter (740/M-BR/97)

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (735/M-BR/97)


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 3

Erhard Meier (741/M-BR/97)

Dr. Michael Rockenschaub (745/M-BR/97)

Peter Rieser (736/M-BR/97)

Irene Crepaz (742/M-BR/97)

Verhandlungen

(1) Erklärung der Landeshauptfrau von Steiermark Waltraud Klasnic

Landeshauptfrau Waltraud Klasnic 24

Debatte:

Engelbert Weilharter 29

Johanna Schicker 30

Alfred Gerstl 32

Erhard Meier 32

Peter Rieser 34

Dr. Vincenz Liechtenstein 35

Ing. Peter Polleruhs 36

Josef Pfeifer 38

Landeshauptfrau Waltraud Klasnic 38

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 41

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (110 und 652/NR sowie 5429 und 5430/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen (125 und 653/NR sowie 5431/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (147 und 654/NR sowie 5432/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 49

[Antrag, zu (2) keinen Einspruch zu erheben und zu (3) und (4) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 50

Therese Lukasser 52

Josef Rauchenberger 54

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 59

Monika Mühlwerth 61

Mag. Harald Himmer 62


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626. Sitzung / Seite 4

Helena Ramsbacher 64

Bundesministerin Eleonora Hostasch 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 67

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) und (4) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 68

(5) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (127, Zu 127 und 655/NR sowie 5433/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Reinhard Eugen Bösch 68

(Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Milan Linzer 69

Josef Pfeifer 70

DDr. Franz Werner Königshofer 72

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 74

(6) Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 1995 (III-161 und 5434/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Peter Polleruhs 74

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Peter Harring 74

Johann Kraml 77

Dr. Kurt Kaufmann 79

Dr. Michael Rockenschaub 83

Johann Payer 84

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 85

Gottfried Jaud 87

Ilse Giesinger 91

Mag. John Gudenus 92

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 96


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626. Sitzung / Seite 5

(7) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen (Bauproduktegesetz – BauPG) (148 und 648/NR sowie 5435/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 97

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Jaud 97

Helga Markowitsch 98

Gottfried Waldhäusl 99

Peter Rieser 100

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 101

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 102

(8) Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendung der neuen Bestimmungen (Jugendwohlfahrtsstatistik) (III-160 und 5436/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 102

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Monika Mühlwerth 102

Irene Crepaz 104

Mag. Karl Wilfing 105

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 109

(9) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird (4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle) (609 und 663/NR sowie 5437/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 109

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. John Gudenus 110

Ing. Johann Penz 112

Karl Drochter 114

Bundesminister Rudolf Edlinger 115

DDr. Franz Werner Königshofer 116

Stefan Prähauser 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 118

Gemeinsame Beratung über


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626. Sitzung / Seite 6

(10) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen (365 und 658/NR sowie 5438/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (505 und 659/NR sowie 5439/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (545 und 660/NR sowie 5440/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (556 und 661/NR sowie 5441/BR d. B.)

(14) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (585 und 662/NR sowie 5442/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten (558 und 664/NR sowie 5443/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 119

[Antrag, zu (10), (11), (12), (13) und (14) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und zu (15) keinen Einspruch zu erheben]

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10), (11), (12), (13) und (14) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 122

(16) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen (577 /NR sowie 5444/BR d. B.)

Berichterstatter: Ferdinand Gstöttner 123

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 123


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626. Sitzung / Seite 7

Eingebracht wurden

Berichte

23544-24447-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Schulfilm und Filmerziehung" (1285/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser, Dr. Michael Rockenschaub an den Bundesminister für Inneres betreffend Gendarmerieposten Leonding-Harterplateau/OÖ (1286/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1164/AB-BR/97 zu 1259/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Grete Pirchegger und Genossen (1165/AB-BR/97 zu 1262/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1166/AB-BR/97 zu 1260/J-BR/97)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub und Kollegen (1167/AB-BR/97 zu 1272/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1168/AB-BR/97 zu 1261/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen (1169/AB-BR/97 zu 1265/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Dr. Paul Tremmel (1170/AB-BR/97 zu 1273/J-BR/97)

 


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626. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 626. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 625. Sitzung des Bundesrates vom 18. April 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz und Dr. Paul Tremmel.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Wöllert, Erich Farthofer und Anton Hüttmayr.

Fragestunde

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Fragen.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 1. Anfrage, 731/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

731/M-BR/97

Wie weit lassen sich die von Ihnen geplanten Einsparungsmaßnahmen im Bereich der Finanzämter – insbesondere im Bundesland Oberösterreich – schon konkretisieren?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich möchte dazu zunächst einmal sagen, daß in der Finanzverwaltung ebenso wie in allen anderen Bereichen des Bundes grundsätzlich, um den Konsolidierungskurs zu erreichen, mit weniger Personal das Auslangen gefunden werden muß, wobei die Personaleinsparungen vor allem durch Nichtnachbesetzung von natürlichen Abgängen erreicht werden sollen.

Aus diesem Grund steht derzeit die künftige Struktur der Finanzverwaltung und damit auch die künftige Aufgabenverteilung in Diskussion. Es kann grundsätzlich bei Strukturveränderungen für keinen Bediensteten jener Arbeitsplatz garantiert werden, den der Betreffende derzeit innehat, sondern es wird im Rahmen der veränderten Strukturen auch zu Aufgabenveränderungen kom


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626. Sitzung / Seite 9

men müssen, wenn wir letztendlich auch die Effektuierung der Finanzverwaltung angehen wollen.

Nach meiner Ansicht, aber auch nach der Meinung jener Experten, die im Bereich des Programms "FIT 2001", in das sowohl Fachleute des Ministeriums, der Finanzlandesdirektionen als auch der Personalvertretungen eingebunden sind, mitwirken, vermögen größere Organisationseinheiten unter anderem auch durch die mögliche höhere Routinegewinnung rascher und rationeller zu arbeiten. Dadurch fallen natürlich auch bestimmte sogenannte Overhead-Kosten weg, denn auch ein kleines Finanzamt braucht eine Leitung, und je kleiner eine solche Einheit ist, desto stärker schlagen sich letztendlich auch die Kosten für die Leitung zu Buche, was bei der Beurteilung berücksichtigt werden muß.

Wesentlich – das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen – ist die Tatsache, daß wir derzeit nicht die Absicht haben, Finanzämter zu schließen. Wir wollen die Serviceeinrichtungen, die Serviceleistungen des Finanzamts für den Bürger dort, wo der Bürger direkt mit dem Finanzamt zu tun hat, in jedem Falle aufrechterhalten. Das bedeutet, daß vor allem in den Bereichen Arbeitnehmerveranlagung und Familienbeihilfe, in denen die Steuerpflichtigen vornehmlich durch den Parteienverkehr unterstützt werden, keine grundsätzlichen Änderungen eintreten.

Zur Frage betreffend Oberösterreich vermag ich deshalb nicht konkret Stellung zu nehmen, weil die hiefür zuständige Kommission derzeit erst in allen Bereichen Perlustrierungen vorgenommen hat. Es wird morgen eine erste Sitzung unter meiner Anwesenheit stattfinden, und danach werden wir – natürlich auch gemeinsam mit den Betroffenen – versuchen, unsere Überlegungen schrittweise umzusetzen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Herr Bundesminister! Kann man – mit Ausnahme der von Ihnen in der Beantwortung dezidiert angezogenen Serviceeinrichtungen – aber schon damit rechnen, daß es im Zuge des Konzeptes "FIT 2001" zur Zentralisierung von verschiedenen anderen Aufgaben kommen wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ja, davon ist auszugehen, das ist das Prinzip. Was wir aber nicht wollen, ist, durch eine Forcierung der Arbeitsverdichtung letztendlich einen solchen Druck auszuüben, daß das nicht mehr funktioniert.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Herr Bundesminister! Kann man auch davon ausgehen, daß es Einsparungen nicht nur im Bereich der Finanzämter in den Bundesländern, sondern auch in den Zentralstellen geben wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Selbstverständlich! Es gibt durchaus auch den Aspekt, zu bestimmten Auslagerungen von Zentralstellen zu kommen. All das würde aber jetzt zu weit führen und auch die Beratungen präjudizieren. Ich möchte in der Öffentlichkeit – der Bundesrat ist eine öffentliche Einrichtung – keine Meinung vertreten, die die Arbeit der Kommission präjudiziert.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen nun zum Aufruf der 2. Anfrage, 737/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Kraml: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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626. Sitzung / Seite 10

737/M-BR/97

Welche Ansicht vertreten Sie zum Road-pricing?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß man die Frage des Road-pricing in zwei Bereiche teilen muß, nämlich einerseits in den Bereich der wegeabhängigen Maut im Zusammenhang mit dem LKW und andererseits in den Bereich der Personenkraftwagen. Ich vertrete die Ansicht, daß es im Interesse der Gerechtigkeit und auch der Kostenwahrheit ist, wenn gemäß dem Regierungsprogramm mit der LKW-Bemautung – nach welchem System auch immer – so rasch wie möglich begonnen wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Es wird keine Zusatzfrage gewünscht.

Wir gelangen nun zum Aufruf der 3. Anfrage, 743/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten) um die Verlesung seiner Frage.


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626. Sitzung / Seite 11

Bundesrat Dr. Peter Harring:
Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

743/M-BR/97

Werden Sie angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Kontrollbank dafür sorgen, daß Licht ins Dunkel der Postenbesetzungen bei den im Einflußbereich der öffentlichen Hand stehenden Banken gebracht wird?


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626. Sitzung / Seite 12

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Selbstverständlich gelten auch für die Banken die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die öffentliche Ausschreibung von Funktionen in Kapitalgesellschaften, an denen Bund, Länder und Gemeinden beteiligt sind.

Ich möchte auf die Vorgänge, die Sie angesprochen haben, im Zusammenhang mit dieser Frage aber nicht eingehen. Ich stelle jedenfalls fest, daß ich alle Veranlassungen getroffen habe, damit die im öffentlichen Eigentum stehende PSK auch als PSK-AG in diesen Tagen eine Ausschreibung der notwendigen Geschäftsführerpositionen vornimmt. Das gleiche gilt für die Oesterreichische Nationalbank.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Harring: Herr Bundesminister! Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie eher nicht der Meinung sind, daß es notwendig ist, Licht ins Dunkel dieser Postenbesetzungen zu bringen, und wie sehen Sie in diesem Zusammenhang einen bestimmten Aktenvermerk in der Kontrollbank? Was haben Sie sich dabei gedacht, daß man versucht hat, zunächst Bilanzvorsorge für 300 Millionen Schilling zu treffen, dann für 140 Millionen Schilling, und daß man dann in Form einer Fiktion, bevor die Steuern bezahlt wurden, Scheingeschäfte beschlossen hat? Ist das auch für Sie der Versuch einer Steuerhinterziehung?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich kann – so wie Sie – die Papiere des Herrn Praschak zunächst nicht überprüfen, sondern ich nehme sie einmal zur Kenntnis. Daher werden jene Unterlagen, in denen jene Machenschaften, die Sie angesprochen haben, angedeutet werden, sowohl der Staatsanwaltschaft übergeben als auch der Innenrevision des Finanzministeriums unterzogen. Nach Aussagen, die in der Öffentlichkeit kolportiert worden sind, ist auch durchaus die Variante möglich, daß der von Ihnen erwähnte Vorgang eine Überlegung war, die jedoch nicht realisiert wurde.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Harring: Herr Bundesminister! Die österreichischen Steuerzahler wünschen sich einen milden Finanzminister. Wenn ich Ihre Antwort so höre, dann möchte ich Sie fragen: Können auch normale, "kleine" Steuerzahler in Hinkunft mit Ihrer Milde rechnen, wenn Sie überlegen, wie sie ihre Steuerzahlungen minimieren können?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich meine zwar, daß das nichts mit dem persönlichen Charakterprofil des Finanzministers zu tun hat, möchte Ihnen aber doch sagen, daß es einen ganzen Berufsstand gibt, der sich genau das als Aufgabe gestellt hat, nämlich die Steuerberatung! (Allgemeine Heiterkeit.)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zur 4. Anfrage, 732/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche Frau Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg) um die Verlesung ihrer Frage.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Minister! Meine Frage lautet:

732/M-BR/97

Unterstützen Sie die Ansicht der Wirtschaftsforscher, daß die Einführung einer einheitlichen Währung mittelfristig sowohl höheres Wirtschaftswachstum als auch zusätzliche Arbeitsplätze bringen wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich meine zunächst, daß es eine Reihe von Forschungsarbeiten gibt, die dies eindeutig zum Inhalt haben. Sie besagen, daß die Schaffung einer gemeinsamen Währung in Europa zwar keine Garantie dafür ist, daß es zu bestimmten Entwicklungen kommt, daß aber davon auszugehen ist, daß dieser gemeinsame Wirtschaftsraum dann, wenn er auch über eine gemeinsame Währung verfügt, von solchen Turbulenzen, wie es sie beispielsweise im Jahre 1995 gab, als es in Italien zu Währungsturbulenzen kam, nicht mehr heimgesucht werden kann. Es hat damals ungefähr die Hälfte des Wirtschaftswachstums Österreichs gekostet, diese Währungsturbulenzen auszugleichen. Ich gehe davon aus und diese Studien – vor allem jene des Wifo; ich nehme an, auf diese beziehen Sie sich – stellen in Aussicht, daß durch die gemeinsame Währung die Chance auf ein stärkeres Wirtschaftswachstum und damit auf höhere Beschäftigung gegeben sein kann. Diese Ansicht vertrete ich auch persönlich.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Minister! Wird die Werbe- und Informationskampagne der Bundesregierung über den Euro die Vorteile, aber auch die Nachteile aufzeigen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich meine, es ist die Aufgabe der Bundesregierung, über diese neue Währung zu informieren. Ich persönlich vertrete die Meinung, daß alle Vor- und Nachteile dargestellt werden müssen, weil sich die Menschen nur dann ein korrektes Bild davon machen können. Ich bin der Ansicht, daß die Vorteile überwiegen und die Menschen intelligent genug sind, dies zu begreifen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Minister! Wie beurteilen Sie den Rückzug des ÖGB und der Arbeiterkammer aus der Werbe- und Informationskampagne der Bundesregierung im Hinblick auf die angestrebte Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in den Euro?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich denke, daß dies eine nicht authentische Interpretation der Haltung des ÖGB und der Arbeiterkammer darstellt. Ich glaube, daß klargestellt worden ist, daß selbstverständlich auch die Arbeitnehmerorganisationen eine Informationskampagne über den Euro machen werden. Ich halte es allerdings für legitim, darauf hinzuweisen – ich vertrete diese Ansicht auch persönlich –, daß in der gegenwärtigen Diskussion auf europäischer Ebene der Bereich des Beschäftigungsaspektes unterentwickelt ist. Dies ist meiner Meinung nach eine legitime Sorge der Arbeitnehmerorganisationen. Ich meine daher, daß es insgesamt unsere politische Aufgabe sein muß, zusätzlich zu den Fiskalkriterien auch die Frage der Beschäftigungspolitik im europäischen Vertrag entsprechend zu positionieren, denn ein Europa mit 20 Millionen Arbeitslosen kann nicht ein Europa des Menschen sein! Ich möchte Mitglied einer Europäischen Union sein, die den Menschen mag, aber nicht Mitglied einer Europäischen Union, die nur auf Kapitalmaximierung ausgerichtet ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen nun zum Aufruf der 5. Anfrage, 738/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche Herrn Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich) um die Verlesung seiner Frage.

Bundesrat Karl Hager: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage schließt auch an Ihre letzte Beantwortung an und lautet:

738/M-BR/97

In welcher Weise wollen Sie das Thema "Beschäftigung und Kampf gegen die Arbeitslosigkeit" stärker in den Gremien der Europäischen Union vorantreiben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Bei einer der Zusatzfragen bin ich bereits darauf eingegangen. Ich denke, daß die Frage der Beschäftigung eines der Kernprobleme Europas und damit auch der Europäischen Union darstellt. Die österreichische Bundesregierung hat sich seit dem Beitritt zur Europäischen Union auch maßgeblich dafür eingesetzt, auf europäischer Ebene das politische Bewußtsein für die Bedeutung der Beschäftigung und der Sozialpolitik zu stärken. Das ist deshalb nicht ganz einfach, weil ich europäischen Beschäftigungsprogrammen eher kritisch gegenüberstehe, das heißt, ich möchte nicht in der Richtung interpretiert werden, daß ich den sogenannten europäischen Beschäftigungsprogrammen das Wort rede. Das möchte ich schon in aller Deutlichkeit sagen, denn das kann für einen Vertreter eines Landes, das Nettozahler in der Europäischen Union ist, keine Zielvorstellung sein.

Persönlich vertrete ich daher die Auffassung, daß wir die nationalen Beschäftigungsprogramme zu koordinieren haben, daß wir uns seitens der Europäischen Union gerade dort, wo es sich um die Entwicklung der transeuropäischen Netze, sowohl Schiene wie Straße als auch Telekommunikation und Wasserwege, handelt, zu einer gesamteuropäischen Konzeption zu entschließen haben, sonst kann dieser Raum auch von den infrastrukturellen Ressourcen her nicht zusammenwachsen.

Ich bin der Meinung, daß wir in dem Vertrag, der auf der Amsterdamer Konferenz neu überarbeitet werden soll, auf dem Beschäftigungskapitel beharren sollen. Es ist die überwiegende Mehrheit der europäischen Länder dafür. Möglicherweise könnte ein Ereignis dafür maßgeblich sein, daß die Briten ihr Veto gegen ein Beschäftigungskapitel zurückziehen. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Diskussionen im Rahmen des Ecofin. Ich halte die Verankerung der Notwendigkeit, offensive Beschäftigungspolitik in Europa zu machen, für eine logische Konsequenz, wenn wir wollen, daß dieser europäische Raum auch das ist, wofür wir ihn entwickelt haben, nämlich ein starker Wirtschaftsraum. Und zu einem starken Wirtschaftsraum gehört eine hohe Beschäftigung.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Es wird keine Zusatzfrage gewünscht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
626. Sitzung / Seite 13

Wir kommen zum Aufruf der 6. Anfrage, 733/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche den Herrn Bundesrat um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
626. Sitzung / Seite 14

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann:
Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

733/M-BR/97

Woraus ergibt sich die Notwendigkeit der von Ihnen beabsichtigten steuerlichen Besserstellung von Realinvestitionen gegenüber Finanzkapital?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich nehme an, Sie beziehen Ihre Frage aus jenen Diskussionen, die im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer Steuerreform mit Wirksamkeit des Jahres 2000 von mir auch vertreten worden sind. Ich glaube, daß wir bei der Entwicklung der Steuerpolitik in Österreich darauf Rücksicht nehmen müssen, daß Steuerpolitik nicht nur ein Instrument darstellt, damit der Staat Geld einnimmt, sondern auch ein Instrument der Gestaltung ist, wie man in einem Land wirtschaftet und wie die Menschen zueinander stehen. Ich habe daher die Steuerreformkommission ersucht, neben vielen anderen Fragen vor allem auf drei besonderen Wert zu legen und diesbezüglich eine Prüfung nach allen Aspekten vorzunehmen. Es handelt sich durchwegs um Probleme, die, wie ich meine, die österreichische Wirtschaftsrealität sehr stark betreffen.

Erstens: Wir stellen fest, daß wir es in Österreich mit sehr hohen Arbeitskosten zu tun haben. Nun kann die Antwort darauf nicht sein, daß wir den Österreicherinnen und Österreichern sagen: Verdient weniger!, sondern ich glaube, die Zielsetzung muß sein, die hohen steuerlichen Belastungen inklusive der Lohnnebenkosten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und entsprechende Maßnahmen zu setzen, die den Effekt haben, daß der Produktionsfaktor Arbeit billiger wird und damit eine stärkere Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Märkten gegeben ist.

Zweiter Faktor: Man muß natürlich dann auch darüber nachdenken, wie und auf welche Weise man entsprechende steuerliche Maßnahmen setzt, um die erheblichen Reduktionen, die es im ersten Bereich geben könnte, einigermaßen wieder abzufangen. Denn es darf nicht sein, daß der Staat seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Daher ist der zweite Aspekt – und dieser ist durchaus ein sehr gesellschaftspolitischer –, zu überlegen, in welcher Weise man mit der Ressourcenbesteuerung auch sehr offensiv Gesellschaftspolitik machen kann: Energiebesteuerung, Besteuerung von nicht wiederbringlichen Ressourcen. Da muß man ganz genau aufpassen, wenn man so etwas tut: Was bedeutet das auf der einen Seite für einen produzierenden Betrieb unter Einbeziehung auch der bereits erfolgten Lohnentlastungen? Und was bedeutet das auf der anderen Seite für den einzelnen Haushalt, wieder im Konnex beider Dinge?

Der dritte Aspekt, den ich angesprochen habe, war folgender: Kapital, das investiert wird, schafft Arbeit. Kapital, das nicht investiert wird, dient der Gewinnmaximierung. Ich habe daher die Steuerreformkommission gebeten, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten es geben kann, die besser sind als jene, die wir schon hatten, etwa die Steuerbefreiung von nichtentnommenen Gewinnen, wo Sie faktisch fast nicht kontrollieren können, ob auch tatsächlich investiert wird. Investition schafft Arbeit, schafft Arbeitsplätze, und das ist daher von meiner Position aus eine gewünschte Maßnahme einer allfälligen Steuerreform. Gleichzeitig muß man überlegen, bei nichtinvestiven Kapital nicht so vorzugehen, daß eine steuerliche Behandlung erfolgt, welche die Gefahr in sich birgt, daß Kapital ins Ausland abfließt, denn Kapital kennt bekanntlich keine Grenze. Daher ist das in einem Konnex zu sehen. Ich bin daher nicht in der Lage, diese spezifisch herausgegriffene Frage sehr spezifisch zu beantworten, und bitte dafür um Verständnis.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann:
Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Interview im gestrigen "Kurier" verweisen, in dem Staatssekretär Ruttenstorfer erklärt hat, daß Steuerlücken geschlossen werden müssen. Er hat dabei auch erwähnt, daß die Sistierung der Verlustvorträge, die momentan gegeben ist und ab nächstes Jahr wieder geltend gemacht werden kann, also diese Gestaltungsmöglichkeit, ab dem Jahr 2000 wegfallen soll. Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Sind Sie auch dieser Meinung? Warum? – Es hat gerade im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungspaket voriges Jahr eine große Diskussion über die Verlustvorträge gegeben, die zu einer hohen Verunsicherung in den Betrieben geführt hat.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Was ich nicht will, ist, daß irgendwelche Diskussionen und Äußerungen zu einer Verunsicherung führen. Daher war ich sehr dankbar, daß nach einer anfänglichen, eine Woche dauernden Irritation innerhalb der Koalition, ab wann eine Steuerreform wirksam werden kann, diese Diskussion beendet wurde. Wir haben uns vorgenommen, die Steuerreform mit 1. Jänner 2000 in Kraft zu setzen. Das ist auch gescheit so, weil man für eine umfassende, klare, aller Interpretationen ausschließende Steuerreform natürlich Zeit braucht und weil ich möchte, daß man in alternativen Überlegungen und Modellen das Ganze durchrechnet. Denn nur dann kann man vermeiden, daß aufgrund irgendwelcher Anlässe und Anlaßgesetzgebungen nachjustiert werden muß. Ich gehe davon aus, daß wir am 1. Jänner 2000 eine europäisch beispielhafte Steuerreform haben werden. Wir werden auch im Rahmen unserer Präsidentschaft in der EU in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 die Frage der Steuerharmonisierung sehr stark in den Vordergrund der europäischen Diskussion rücken. Das habe ich auch bereits mit jenen beiden Ländern besprochen, die nach uns die Präsidentschaft innehaben. (Bei Bundesrat Mag. Gudenus läutet das Handtelefon.)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich ersuche Herrn Bundesrat John Gudenus, nicht durch sein Gerät die Sitzung des Bundesrates zu stören. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger (fortsetzend): Ich habe geglaubt, das war Musik, aber ich habe mich getäuscht. (Heiterkeit.)

Um den Faden wiederaufzunehmen: Wir werden die Frage der Steuerharmonisierung in der Europäischen Union vorantreiben, weil wir, wie ich meine, verhindern müssen, daß es durch unterschiedliche Steuersysteme innerhalb der Europäischen Union und vor allem der Wirtschafts- und Währungsunion zu so etwas wie einem Steuerwettbewerb mit allen damit verbundenen negativen Auswirkungen kommt. Ich möchte eine Steuerreform haben, welche, eingebettet in ein Konzept der Steuerharmonisierung, die Frage von Ausnahmen genauso wie die Frage von Spitzensteuersätzen überprüft. Das muß man immer im Konnex sehen. Das entspricht durchaus den vielfach auch in der österreichischen Diskussion eine Rolle spielenden Überlegungen hinsichtlich der deutschen Steuerreform, wobei ich aber in diesem Zusammenhang hinzufügen möchte, daß die Bundesrepublik Deutschland jetzt krampfhaft versucht, gerade im Unternehmensbesteuerungsbereich Dinge nachzuholen, die wir bereits seit dem Jahr 1994 haben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bevor wir die Debatte fortsetzen, möchte ich alle Damen und Herren des Bundesrates aus gegebenem Anlaß darauf aufmerksam machen, daß Punkt 32 der Hausordnung aus dem Jahr 1996 ein Verbot von Handtelefonen vorsieht. Ich lese Ihnen den entsprechenden Passus vor: "Während der Sitzungen ist in den Sitzungssälen der Bundesversammlung, des Nationalrates, des Bundesrates oder von deren Ausschüssen, Unterausschüssen, Untersuchungsausschüssen sowie in Enqueten und Enquete-Kommissionen der Betrieb und die Verwendung von Handtelefonen nicht gestattet." Ich darf alle Damen und Herren darauf hinweisen, daß die Hausordnung für jedermann gilt.

Wir setzen die Fragestunde fort.

Ich frage Herrn Bundesrat Dr. Kaufmann, ob er eine zweite Zusatzfrage wünscht. – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit der Einsetzung der Steuerreformkommission haben Sie auch ein zweites Thema angeschnitten, nämlich eine generelle Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Als gelernter Österreicher versteht man unter einer "generellen Steuerreform" in jedem Fall eine Steuererhöhung.

Ich möchte Sie fragen: Ist eine Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer beabsichtigt? Und ist auch eine Spaltung dieses Steuersatzes gerade für Klein- und Mittelbetriebe, die ja große Probleme bei Erbschaftsübertragungen dahin gehend haben, daß Vermögen besteuert wird, beabsichtigt? Dies wäre für Klein- und Mittelbetriebe dringend notwendig.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im Zuge der Konstituierung der Steuerreformkommission habe ich eine ganze Reihe von Fragen angeschnitten, darunter auch die Erbschaftssteuer, allerdings ohne zu sagen, in welche Richtung ich mir eine Veränderung vorstelle. Ich habe jene Themen angesprochen, von denen ich glaube, daß sie im Rahmen einer Steuerreformkommission behandelt werden müssen.

Dazu gehört beispielsweise auch die gesamte Frage der Kommunalsteuer und der Sicherung der Gemeindefinanzierungen. Wir wissen heute, daß die Kommunalsteuer nicht ganz unproblematisch ist. Sie ist auf der einen Seite eine Kopfsteuer auf den Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite ist sie die Säule der Finanzierung der Gemeinden. Und die Gemeinden sind in unserem demokratischen Gemeinwesen ein sehr wesentlicher Bestandteil, nicht nur im theoretischen Demokratieaufbau, sondern auch im Bereich der Investitionen. Wie Sie sicherlich wissen, Herr Bundesrat, investieren die Gemeinden fast 50 Prozent ihrer Haushalte, während Bund und Länder wesentlich geringere Bestandteile ihres Budgets investieren. Und Investition ist Arbeit!

Ich glaube daher, daß die gesamte Steuerreform, unter welchem Aspekt immer man sie jetzt betrachtet, ein Ziel hat, nämlich Maßnahmen zu setzen, die dem Wirtschaftsstandort Österreich guttun, die Beschäftigung erzielen und die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmungen verbessern.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zum Aufruf der 7. Anfrage, 739/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche den Herrn Bundesrat um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Stefan Prähauser: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

739/M-BR/9


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
626. Sitzung / Seite 16

7

Welche Erwartungen haben Sie an die Arbeit der Steuerreformkommission?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 17

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich erwarte mir, daß die Steuerreformkommission, wie bereits in der vorigen Frage angesprochen worden ist, in wichtigen Steuerbereichen Grundlagenarbeit leistet, auf der dann letztendlich aufgebaut werden kann, um die entsprechenden seriösen politischen Entscheidungen zu treffen. Bei allem Respekt vor den Wissenschaftern der Steuerreformkommission: Sie können uns helfen, aber die Entscheidung nimmt der Politik niemand ab.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zum Aufruf der 8. Anfrage, 744/M. Es ist die des Herrn Bundesrates DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche den Herrn Anfragesteller um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

744/M-BR/97

Wie hoch schätzen Sie – eventuell aufgrund von Budgetprognosen – die Lohnsteuereinnahmen in den Jahren 1997,1998,1999 und 2000?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 18

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Für 1997 180 Milliarden, für 1998 185 Milliarden, für 1999 193 Milliarden. Für das Jahr 2000 liegen noch keine Schätzungen vor.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer : Diese von Ihnen nun aufgezeigten progressionsbedingten Zuwächse bei den Lohnsteuereinnahmen stellen andererseits auch einen Kaufkraftverlust für die betroffenen Steuerzahler, nämlich für die Lohnsteuerpflichtigen, dar.

Herr Bundesminister! Wie sehen Sie die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dieser Kaufkraftminderung für diese Personengruppe?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 19

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger:
Ich habe in diesem Zusammenhang schon mehrmals öffentlich dazu Stellung genommen, nämlich dahin gehend, daß im Hinblick auf die Aufgaben, die diese Republik hat, und auch im Hinblick auf den Konsolidierungskurs, den wir zur Erreichung der WWU-Kriterien steuern, ein früherer Termin einer Steuerreform als der von mir angekündigte 1. Jänner 2000 nicht möglich ist. Wer anderes verlangt, ist sich der Konsequenzen, die das bedeuten würde, entweder nicht bewußt oder er strebt diese bewußt an.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 20

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer: Ich glaube schon, daß wir die Konsequenzen beurteilen könnten, gerade im Hinblick auf den Arbeitsmarkt.

Herr Bundesminister! Sie haben in der Presse einmal sinngemäß erklärt, daß die progressiven Steigerungen bei der Lohnsteuer als Ersatz für ein drittes Sparpaket gesehen werden könnten. Deshalb meine Frage: Wie hoch sind die Beiträge anderer Steuerarten, zum Beispiel Einkommensteuer oder KÖST, zu diesem Sparpaket dieser dritten Art?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Man könnte diese Frage verschiedentlich beantworten, ich möchte es sehr klar und deutlich tun: Die Lohnsteuer entwickelt sich aufgrund der Lohnentwicklung. Die Einkommensteuer entwickelt sich entsprechend der Einkommen, und die Mehrwertsteuer entwickelt sich aufgrund der dadurch, daß die Leute auch mehr verdienen, mehr getätigten Umsätze. Das heißt, das entwickelt sich parallel dazu. In irgendeiner Weise zu interpretieren, wer mehr zu etwas beiträgt, bin ich nicht imstande. Würde ich das tun, würde man mir unter Umständen polemische Interpretation unterstellen können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 9. Anfrage, 734/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark) an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

734/M-BR/97

Wie lauten Ihre Vorstellungen betreffend die Durchführung einer Besoldungsreform für Richter und Staatsanwälte?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Richter und Staatsanwälte haben ihre Pläne zu einer Reform ihres Besoldungsschemas dargelegt. Bei einem Gespräch im Finanzministerium haben der Präsident der Vereinigung der Österreichischen Richter und die Vorsitzende der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der GÖD diese Vorstellungen noch einmal präzisiert. Eine Umsetzung des gewünschten Modells würde bezüglich der Neugestaltung der Dienstzulage als Funktionszulage und des Gehaltssystems, je nachdem, welche der im Gespräch aufgezeigten Varianten zum Tragen käme, jährliche Mehrkosten zwischen 67 und 95 Millionen Schilling verursachen. Ein solcher finanzieller Mehraufwand ist bei allem Verständnis für die gewünschten Veränderungen, die einen signifikanten Zugewinn insbesondere für die dienstjüngeren Richter unter mit einer Zeitverzögerung verbundenen Zurücknahme der Pensionskosten bedeuten würden, in Anbetracht der derzeitigen Budgetsituation bedauerlicherweise nicht vertretbar.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein: Sollte es zu einer Neuerung kommen, wann würden Sie diese dem Parlament mit einer entsprechenden Vorlage zuleiten können?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich die Zusatzfrage verstanden habe. Ich habe nämlich gesagt, daß ich das derzeit budgetmäßig für nicht vertretbar halte. Daher habe ich auch nicht die Absicht, dem Parlament irgendeine Vorlage zuzuleiten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 10. Anfrage, 740/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Karl Drochter (SPÖ, Wien) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich darf ihn um die Verlesung der Anfrage ersuchen.

Bundesrat Karl Drochter: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

740/M-BR/97

Mit welchen Neuerungen haben die Kolleginnen und Kollegen in der Bauwirtschaft im Hinblick auf eine Änderung der steuerlichen Regelungen bei für sie wesentlichen Lohn- und Gehaltsbestandteilen – insbesondere bei den Tagesdiäten – zu rechnen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! An eine gesetzliche Änderung der steuerlichen Regelungen in den angesprochenen Bereichen ist zurzeit nicht gedacht. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof vor kurzem die bisherige Rechtspraxis in Frage gestellt hat. Ich beabsichtige daher, eine Verordnung zu erlassen, die die bisherige, im Wortlaut des § 26 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 eindeutig gedeckte Rechtspraxis im wesentlichen beibehält.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Danke.

Wir kommen zum Aufruf der 11. Anfrage, 735/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Professor Dr. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich darf um die Verlesung der Anfrage ersuchen.

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

735/M-BR/97

Wann ist mit der Privatisierung jenes 19prozentigen Bank-Austria-Anteils zu rechnen, der bei der PTBG zwischengeparkt wurde?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Die Post und Telekom Beteiligungsgesellschaft hält, wie Sie richtig angemerkt haben, 17 Prozent des Grundkapitals der Bank Austria in Form von Stammaktien, also Aktien mit Stimmrecht. Da die Bank Austria auch Vorzugsaktien ausgegeben hat, die kein Stimmrecht haben, repräsentieren die rund 17 Prozent Anteil am Grundkapital in Stammaktien rund 19 Prozent des stimmrechtsfähigen Aktienkapitals.

Ich möchte darauf hinweisen, daß die rechtliche Basis für das Zwischenparken der Bank-Austria-Aktien in der PTBG in der Novelle zum Poststrukturgesetz 1996 am 30. Dezember beschlossen worden ist. Darin heißt es – und darauf möchte ich besonders hinweisen –: Unternehmensgegenstand der Post und Telekom Beteiligungsgesellschaft sei ferner der Erwerb und die Veräußerung der Anteilsrechte des Bundes an der Bank Austria Gesellschaft zu bestmöglichen Konditionen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die PTBG selbstverständlich, so wie das auch im entsprechenden Entschließungsantrag im Parlament verlangt wurde, so rasch wie möglich, allerdings zu bestmöglichen Konditionen, die Bank-Austria-Aktien breit streut. Ich gehe davon aus, daß mit einer eher kleineren Tranche 1997 zu rechnen sein wird, daß aber die größeren Anteile 1998, vielleicht auch 1999 erfolgen werden. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß nicht nur die Bank Austria CA-Aktien umtauscht, sondern auch die Erste Österreichische Sparcasse beabsichtigt, so rasch wie möglich einen Börsengang zu unternehmen. Wir müssen also darauf Rücksicht nehmen, daß wir die Börse nicht mit ähnlichen oder gleichen Angeboten überfrachten, wenn wir dem Ziel des Gesetzgebers, bestmöglich zu veräußern, auch nachkommen möchten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof: Herr Bundesminister! Meine Zusatzfrage hinsichtlich der breiten Streuung haben Sie gerade beantwortet. Ich darf eine weitere Frage stellen: Wie läuft die Privatisierung jenes Anteils der P.S.K., der sich ebenfalls im Besitz der PTBG befindet?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich möchte zunächst einmal darauf hinweisen, daß die P.S.K. in den nächsten Tagen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden wird. Wir haben die Absicht, unverzüglich durch öffentliche Ausschreibung eine neue Geschäftsführung zu bestellen, die dann ihrerseits – natürlich über die PTBG – die 49 Prozent Anteile veräußern wird. Ich gehe davon aus, daß wir auch da im Sinne der Notwendigkeiten für das Budget bestmögliche Käufer suchen. Ich bin allerdings im Augenblick nicht in der Lage, diesbezüglich konkrete Aussagen zu treffen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Danke.

Wir kommen zum Aufruf der 12. Anfrage, 741/M, des Herrn Bundesrates Erhard Meier (SPÖ, Steiermark) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche den Herrn Bundesrat um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier: Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

741/M-BR/97

Wie sehen Sie den Terminplan für die Einführung des Euro und die diesbezügliche Diskussion um Verschiebungen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Aufgrund des Vertrages werden die Staats- und Regierungschefs vor dem 1. Juli 1998 entscheiden, welche Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Einführung der gemeinsamen Währung erfüllen.

Ich gehe davon aus, daß diese Diskussionen in den nächsten Monaten sicherlich nationalstaatlich, vor allem im Hinblick auf die Erreichung der Maastricht-Kriterien, geführt werden. Es ist nicht leicht, die 1992 festgelegten Kriterien tatsächlich locker zu erfüllen. Es sind gewaltige Anstrengungen in allen Staaten erforderlich. Ich gehe aber davon aus, daß an der Einführung des Euro mit 1. Jänner 1999 nicht gerüttelt wird – die Frage ist nur, ob in acht, elf oder mehr Staaten –, und ich gehe weiters davon aus, daß Österreich bei der ersten Gruppe dabei sein wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Meine Zusatzfrage ist teilweise bereits beantwortet. Ich möchte sie aber wegen des letzten Satzteils doch noch stellen. Glauben Sie, daß jene Konvergenzkriterien, die nahezu von keinem Mitgliedsland der EU erreicht werden können, so variabel gehandhabt werden, daß eine möglichst große Zahl von EU-Staaten von Beginn an der Währungsunion teilnehmen kann – und jetzt der mir wichtige Satzteil –, ohne die Stabilität der neuen Währung wesentlich zu beeinträchtigen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich gehe zunächst einmal davon aus – die Diskussionen sind auch in diese Richtung gegangen –, daß zur Erreichung des Schuldenkriteriums eine gewisse Interpretationsbreite gegeben ist, sich etwa durch Privatisierungen und Ausgliederungen in Richtung der 60 Prozent zu bewegen, das ist eine Frage der Gestaltung. Diese Möglichkeit wurde ursprünglich nicht in diesem Sinne erkannt, und das ist unsere Zielsetzung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang hier an den Bundesrat, an die Länderkammer appellieren, der notwendigen Ausgliederung beziehungsweise Neustrukturierung der ASFINAG-Gesellschaft kooperativ im Sinne des Bundesstaates zuzustimmen und jene Fragen, die die Planung und die Erhaltung der Straßen betreffen, nicht gesetzlich geregelt haben zu wollen – das wäre EU-widrig –, sondern durch privatrechtliche Vereinbarungen. Dazu bin ich auch bereit, und ich würde mich sehr freuen, würde die Länderkammer diesen Gedanken aufgreifen, damit das Maastricht-Kriterium hinsichtlich des Schuldenstandes erreicht werden kann, nämlich in Richtung 60 Prozent, weg von den 70 Prozent, und das ist ohne ASFINAG-Ausgliederung nicht möglich. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.

Was das Kriterium Defizit betrifft, so meine ich, daß es für viele Staaten möglich sein wird, die 3 Prozent zu erreichen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es diesbezüglich einige Diskussionsbereiche gibt. Mir ist durchaus bewußt, daß das vertragskonform ist, aber es ist ganz einfach für Länder, die Nettozahler sind, extrem viel schwieriger, dieses Kriterium zu erreichen, als für Länder, die Nettoempfänger sind. Wenn beispielsweise die Iren etwa 6 Prozent ihres BIP bekommen und die Bundesrepublik Deutschland 1,1 Prozent ihres BIP bezahlt, aber beide nur 3 Prozent Defizit machen dürfen, dann sind die Iren in einer vergleichsweise besseren Situation als die Deutschen. Das heißt, es gibt ganz einfach auch Inhalte, die man zumindest als diskussionswürdig betrachten muß. Ich gehe aber trotzdem davon aus, daß 3 Prozent nicht eine Zahl bar jeder Realität ist. Die Seidel-Formel hat schon etwas für sich, wenn man langfristig denkt und Budgets finanzieren muß, denn die Zinsendienste belasten die laufenden Haushalte enorm.

Hinsichtlich des zweiten Kriteriums habe ich allerdings eine etwas andere Ansicht. Da kommt es mir durchaus so vor, als ob diese 60 Prozent aus der Blickrichtung des Jahres 2000 als ein bestimmter Mittelwert genommen und als Kriterium festgeschrieben worden seien. Aber das ist auch nicht etwas, an dem WWU-Mitglieder möglicherweise zu scheitern drohen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Welche Vorbereitungen werden neben jenen im Bankwesen und in der Wirtschaft generell von den Behörden, zum Beispiel im gesamten Finanzwesen auf allen Ebenen, Bund, Land und Gemeinden, getroffen, um die technische Umstellung auf den Euro ohne zu große Probleme und fristgerecht zu bewältigen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Es gibt bereits seit längerem eine Organisations- und Arbeitsstruktur zur Vorbereitung jener Umstellungsmaßnahmen, die auf innerstaatlicher österreichischer Ebene erforderlich sind. Auf Grundlage dieser Arbeiten, die in diversen Arbeitsgruppen geführt worden sind, ist beabsichtigt, noch vor dem Sommer dieses Jahres einen detaillierten Umstellungsplan zu erstellen. Dieser Aktionsplan wird sämtliche Anpassungen, die in verschiedensten Bereichen des öffentlichen Sektors erforderlich sind, umfassen. Vor allem werden dabei alle Maßnahmen, die im legistischen Bereich notwendig sind, wie beispielsweise beim Steuer- und Abgabenrecht, ebenso einbezogen wie Änderungen im technisch-administrativen Bereich, etwa in der EDV oder im Formularwesen, sodaß man sich entsprechend vorbereiten muß.

Bereits seit einigen Wochen liegt darüber hinaus eine Broschüre des Bundesministeriums für Finanzen vor, in der ein Überblick über die Auswirkungen der Einführung des Euro auf die öffentliche Verwaltung, aber auch auf die Unternehmen und privaten Haushalte gegeben wird. Ich glaube, daß das technische Problem wahrscheinlich das geringste vor uns liegende ist.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zum Aufruf der 13. Anfrage, 745/M, des Herrn Bundesrates Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich ersuche ihn um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

745/M-BR/97

Wie beurteilen Sie die Frühjahrsprognose der EU-Kommission, wonach Italien nicht zu jenen Ländern gehört, die von Beginn an an der Dritten Stufe der WWU teilnehmen dürfen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Prognose der EU-Kommission ist mir bekannt. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß Prognosen keine rechtlich bindende Wirkung haben und auch so zu beurteilen sind, wie man Prognosen beurteilt, nämlich als interessantes Rechenwerk. Wenn ich alle Prognosen, die mir in der Vergangenheit in der Perspektive auf die Zukunft bekannt geworden sind, als unverrückbare Eckdaten empfunden hätte, dann wäre ich in meinem Leben noch mehr Irrtümern aufgesessen, als ich es ohnehin bin.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Ich interpretiere Ihre Antwort so, Herr Bundesminister, daß Sie diese Äußerung der EU-Kommission nicht sonderlich ernst nehmen, wenn ich das verkürzt darstellen darf. Ich schließe die Frage an: Würden Sie eine Währungsunion ohne Italien vorziehen, um der Stabilität dienlich zu sein?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich möchte nicht interpretiert werden. Zum ersten: Ich nehme die Prognosen der Europäischen Union so ernst wie andere Prognosen auch.

Zweitens: Selbstverständlich ist es für Österreich nicht wenig entscheidend, ob Italien in der WWU ist oder nicht. Italien ist der zweitwichtigste Handelspartner unserer Republik. Auf die wirt


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 21

schaftlichen Turbulenzen des Jahres 1995 im Zusammenhang mit der zweimaligen Liraabwertung bin ich bereits bei einer anderen Frage eingegangen. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn Italien in der ersten Gruppe der WWU dabei wäre, allerdings nicht um den Preis, daß Italien die Kriterien bei weitem nicht erreicht.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Gestern konnte ich Medien entnehmen, daß die Position des Leiters der Informationskampagne, Dr. Raab, nicht nachbesetzt werden soll. Meine Frage: Welche Überlegungen haben zu dieser Entscheidung geführt, die Position des Dr. Raab nicht nachzubesetzen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich freue mich, daß Sie offenbar gestern ferngesehen haben, weil da ist das gebracht worden. Ich habe diese Entscheidung allerdings bereits vor 14 Tagen getroffen. Aufgrund organisatorischer Maßnahmen werden wir die Funktion des Euro-Beauftragten nicht nachbesetzen, sondern im eigenen Bereich des Staatssekretariates organisieren und durch freie Mitarbeiter entsprechend ergänzen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 14 Anfrage, 736/M, des Herrn Bundesrates Peter Rieser (ÖVP, Steiermark) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich darf den Herrn Bundesrat höflich um die Verlesung seiner Anfrage bitten.

Bundesrat Peter Rieser: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

736/M-BR/97

Planen Sie in der nächsten Zeit, Änderungen bei der Getränkesteuer durchzuführen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich plane keine Veränderungen bei der Getränkesteuer durchzuführen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Peter Rieser: Herr Bundesminister! Gibt es schon Anhaltspunkte, wie die EU in der Frage der Befreiung der Weinbauern beim Ab-Hof-Verkauf entscheiden wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Mir ist auch ein solches Erkenntnis noch nicht bekannt. Wenn ein solches vorliegt, werden wir entsprechend reagieren.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Peter Rieser: Herr Bundesminister! Sie haben vorhin von der Kommunalfinanzierung gesprochen. Planen Sie grundsätzliche Änderungen bei der Struktur der Kommunalfinanzierung?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Steuerreformkommission hat die Aufgabe, alle Bereiche zu überprüfen. Wichtig ist, daß die Finanzierung der Gemeinden sichergestellt ist. Ob es eine wirtschaftsverträglichere Lösung als jene der derzeitigen Kommunalsteuer gibt, die aber auf der anderen Seite das Finanzvolumen, das die Gemeinden benötigen, ist fraglich. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß 50 Prozent der Gemeindehaushalte direkt in Investitionen fließen und daher für die lokale Beschäftigungssituation sehr wichtig sind. Unter Beachtung


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dieses Volumens bin ich für jede Lösung offen und warte auf die Vorschläge der Steuerreformkommission.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf der 15. und letzten Anfrage, nämlich 742/M, der Frau Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol) an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich darf um die Verlesung der Anfrage ersuchen.

Bundesrätin Irene Crepaz: Herr Bundesminister! Es wird in Österreich so viel reformiert, unter anderem auch die Börse.

742/M-BR/97

Wie ist der Stand der Börsereform?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Börsereform wird in zwei Schritten realisiert. In einem ersten Schritt gründet die Wiener Börsekammer in den nächsten Monaten eine Aktiengesellschaft, die von der Börsenkammer gemäß § 26 (3) des Börsegesetzes mit der Abwicklung des Kassenmarktes betraut wird. Diese Aktiengesellschaft wird mit der ÖTOB fusioniert, sodaß dann die Verwaltung des Termin- und Kassamarktes der Wiener Wertpapierbörse in einer Aktiengesellschaft gemeinsam abgewickelt werden kann. Der Börsenkammer verbleiben zunächst die behördlichen Aufgaben.

Diese Vorgänge sollen noch vor dem Sommer 1997 abgeschlossen sein. In einer weiteren Stufe ist auch die Einbringung der von der Kontrollbank für die Börse erbrachten Dienstleistungen in die Börse-AG geplant. In einem zweiten Schritt werden mittels Neufassung des Börsegesetzes vom Jahre 1989 die Börsekammer aufgelöst und der Börse-AG die behördlichen Börsenagenden übertragen. Das Begutachtungsverfahren über dieses Gesetzesvorhaben wird noch im Juni eingeleitet werden, sodaß eine Beschlußfassung im Ministerrat über eine entsprechende Regierungsvorlage noch vor dem Sommer 1997 möglich wird. Die parlamentarische Beratung ist für den Herbst vorgesehen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz: Herr Bundesminister! Was erwarten Sie sich als Finanzminister von dieser Börsereform?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich erwarte mir eine Belebung des Kapitalmarktes, ich erwarte mir eine stärkere Unabhängigkeit vom Bankensektor, und ich erwarte mir auch eine Belebung gerade für die Klein- und Mittelbetriebe.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Es wird keine weitere Zusatzfrage gewünscht.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Eingelangt sind sieben Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung, die den heutigen Tag betrifft.

Ich ersuche höflich die Schriftführung um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Der Herr Bundespräsident hat am 30. April 1997, Zl. 300.100/61-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:


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"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend innerhalb des Zeitraumes von 3. bis 10. Mai sowie am 12. und 13. Mai den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek und am 23. und 24. Mai 1997 den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind ferner Berichte (23544 bis 24447-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e des Bundes-Verfassungsgesetzes. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit der Vizepräsidentin und dem Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorhaben jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 1995 beziehungsweise den Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendung der neuen Bestimmungen (Jugendwohlfahrtsstatistik) abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Auflagefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen, habe ich alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Weiters hat die Landeshauptfrau der Steiermark Waltraud Klasnic die Absicht bekanntgegeben, eine mündliche Erklärung im Sinne des § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abzugeben. Ich habe daher diese Erklärung ebenfalls auf die Tagesordnung genommen, und zwar als ersten Punkt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag von der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 2 bis 4 sowie 10 bis 15 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.


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1. Punkt

Erklärung der Landeshauptfrau von Steiermark Waltraud Klasnic

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Erklärung der Landeshauptfrau von Steiermark Waltraud Klasnic.

Bevor ich der Landeshauptfrau zur Abgabe ihrer Erklärung das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, daß mir ein von fünf Bundesräten unterzeichnetes schriftliches Verlangen gemäß § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluß an die Erklärung der Landeshauptfrau der Steiermark, eine Debatte durchzuführen; es wird daher eine solche stattfinden.

Nunmehr darf ich die Landeshauptfrau der Steiermark höflich um ihre Erklärung ersuchen.

10.02

Landeshauptfrau von Steiermark Waltraud Klasnic: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wenn ich heute hier stehe, dann erinnere ich mich an die Zeit von 1977 bis 1981, als ich selbst Mitglied des Bundesrates gewesen bin. Ich habe genau geschaut: Ich glaube, Kollege Pischl hat inzwischen einmal gewechselt, aber ansonsten ist es nur Herr Präsident Professor Dr. Schambeck, der neben vielen Weggefährten, die uns immer begleitet haben, noch hier ist, beginnend von Dr. Labuda bis zu Herrn Prinz.

Ich bin damals auch Schriftführer – so hieß es damals – gewesen, heute heißt es "Schriftführerin". Das heißt, die Aufregung hat sich ein bißchen verwandelt. Ich möchte damit nur sagen: Es ist für mich eine persönliche Freude, hier in diesem Raum wieder einmal das Wort ergreifen zu dürfen. Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob man es in der Verantwortung eines Landeshauptmannes für ein Land oder als Mitglied der Länderkammer tut. Die gemeinsame Verantwortung ist uns allen in die Hand geschrieben.

Wenn ich hier nach rechts schaue: Es ist für mich auch ein schönes Erlebnis, Schülerinnen und Schüler aus dem Ausseerland hier zu sehen, und durch Zufall ist auch der Klubobmann des steirischen Landtagsklubs der Volkspartei, Hermann Schützenhöfer, anwesend – und so schließt sich der Reigen –, da ja heute angeblich auch in diesem Haus über die Bezüge-Pyramide beraten wird.

Die Vertretung von Bundesländerinteressen ist eine Aufgabe, die uns gestellt ist. (Gedränge auf der Regierungsbank.) Ja, wir haben hier zuwenig Platz, das war damals schon so. Jürgen Weiss ist auch noch gekommen; ich habe dich vorhin nicht gesehen. Der Platz war gleich, die Bänke waren gleich, es ist vieles unverändert geblieben. Das ist das Sympathische.

Die gemeinsame Aufgabe von Länderkammer, Landesregierung und Landtag heißt Vertretung der Interessen der Bundesländer. Ich sehe meinen Auftrag heute genauso wie damals darin, die Interessen des Bundeslandes, das mich damals hierher geschickt hat, nämlich der Steiermark, zu vertreten, und ich fühle mich auch dem Landtag in dieser Funktion politisch verantwortlich.

Die Unterschiede legt die Verfassung fest, aber ein vertrauter Ort hat auch vertraute Aufgaben. Sehr viel hat sich in den vergangenen Jahren in den Anliegen des Bundesrates gegenüber dem Bundesstaat im Zuge des Föderalismus noch nicht geändert. Es sind noch viele Wünsche offen. Ich glaube, es ist auch ein Wunsch, daß gerade aus der Sicht der Länder die Unterstützung eine starke sein soll.

Der Bundesstaat hat die Aufgabe, für gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen der Republik zu sorgen. Das ist eine Aufgabe, die uns vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen gemeinsam gestellt ist, die auch Grund zur Sorge sind und vor allem ein verantwortungsbewußtes und rasches Handeln verlangen.


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Das verlangt die Entwicklung in Arbeitswelt und Wirtschaft, das verlangen die großen gesellschaftlichen Veränderungen, aber auch das Zusammenleben der Menschen und der Generationen sowie veränderte Akzeptanzwerte der Politik und ihrer Vertreter, verstärkt durch aktuelle Ereignisse, die die Medien beherrschen, und das verlangen veränderte Anforderungen an Politik und Entscheidungsträger. Konkrete Fragen erfordern Antworten, die wir, so glaube ich, viel besser in einem Miteinander erreichen.

Ich nehme aus diesem Grunde auch gerne die Gelegenheit wahr, hier im Hohen bestimmte Themen ansprechen zu können, Themen, die ich in unserer Bundeshauptstadt vorschlage, und andere, die ich einfordere.

Wenn Versprechungen einzulösen sind und Gerechtigkeit zu schaffen ist, so muß das angesprochen werden. In der Problemlösungsfähigkeit, auch bei unterschiedlichsten Interessenlagen, bewährt sich die Politik. Das gilt bei uns im Land, das gilt aber auch im Bund. Wir sollen uns zu dieser bewährten Politik auch bekennen und haben die Aufgabe, es umzusetzen. Das gilt besonders für Fragen, die auch das Miteinander auf den verschiedensten Ebenen voraussetzen.

Mit dem EU-Beitritt haben sich neue Chancen im Süden Österreichs ergeben. Durch die Ostöffnung hat sich gerade unser Land als Wirtschaftsraum geöffnet. Es gilt im Süden Österreichs, die Dynamik des oberitalienischen Wirtschaftsraumes sowie den Aufschwung der neuen Nachbarstaaten Slowenien und Kroatien zu nützen und mit den hohen technologischen Potentialen und den hervorragend qualifizierten Humanressourcen in Südösterreich zu verbinden.

Ich sage gleich dazu, für uns ist Slowenien der erste Nachbar. Wir hatten immer guten Kontakt, auch schon vor dem Jahr 1989, dann in schwierigster Phase, und wir haben jetzt einen regen Handelsverkehr, aber auch einen guten Austausch im Bildungs- und Wirtschaftsbereich, und auch was Arbeitnehmer angeht. So kann in der Gesamtheit ein attraktiver Wirtschaftsraum wachsen, der aktiv am europäischen Wettbewerb teilnimmt.

Eine Grundvoraussetzung für die weitere Standortentwicklung ist aber der verstärkte Ausbau der Infrastruktur, die Verflechtung im wirtschaftlichen, im wissenschaftlichen, im kulturellen Bereich, aber auch in der sozialen Beziehung zu Süd- und Osteuropa.

Nachdem ich im Ausschuß der Regionen bin und die Fachkommission 1 im September in Graz sein wird, haben wir auch versucht, im Rahmen dieses wichtigen Gremiums den Weg nach Slowenien zu finden und einen Tag den Nachbarn zu besuchen.

Meine Damen und Herren! Sie und wir alle wissen, daß sich der Arbeitsmarkt teilweise von der Konjunkturentwicklung abgekoppelt hat. Wir haben gerade in der Politik den Auftrag, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Arbeit Zukunft zu geben und um soziale Leistungen für die Zukunft zu sichern. Nur mit dem Geld, das die Menschen in unserem Land verdienen und erwirtschaften, werden die Steuern bezahlt.

Ich habe vor wenigen Tagen in der Steiermark das Arbeitsprogramm der Steirischen Volkspartei zur Infrastruktur vorgelegt – mit dem Titel "Schienen in die Zukunft". Wir legen wirklich heute die Schienen für das Unternehmen Steiermark auf einem Weg in eine gute Zukunft. Diese Schienenstränge sind sehr vielfältig. Sie reichen von übergeordneten Bahn- und Straßenverbindungen, die auch gesamtösterreichisch wichtig sind, weil sie uns den Zugang zu aufstrebenden Regionen im Süden und Osten unseres Landes erleichtern, über Telekommunikations- und Datenschienen und ein hochwertiges Bildungssystem, einschließlich der Fachhochschulen und Universitäten, bis hin zu Tourismusprojekten und Sportangeboten.

Ein Bund-Land-Vertrag zwischen der Steiermark und dem Bund soll diese Punkte festhalten, und ich bitte die Mitglieder des Bundesrates wie auch die Bundesregierung, die Umsetzung vieler wichtiger Infrastrukturprojekte mitzutragen und damit mitzubauen an den "Schienen für die Zukunft".


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Zu den einzelnen Herausforderungen. – Eine ganz besondere Herausforderung ist die Lehrlingsausbildung. In diesem Zusammenhang spreche ich von Chancen für die Jugend. Vor einem Jahr haben in der Steiermark in einer gemeinsamen Aktion Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Landesschulrat einen Forderungskatalog zur Verbesserung der Situation auf dem Lehrstellenmarkt erarbeitet, die sogenannte "Erklärung von Graz".

Mit großer Freude höre ich, daß auch unsere Unterrichtsministerin dem Problem fehlender Lehrstellen besondere Aufmerksamkeit widmet und daß die geplanten Programme und Konzepte umgesetzt werden sollen. Unsere Lehrlinge von heute sind die Fachkräfte, die wir morgen brauchen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu halten.

Was hat sich bei den Ladenöffnungszeiten geändert? – Bundesregelungen haben Auswirkungen auf den Alltag der Menschen und auf das Zusammenleben vor allem der Familien.

Ausdrücklich begrüße ich die neuen Ladenöffnungszeiten, füge aber hinzu, daß die begleitenden Maßnahmen noch zu setzen sind. Dabei denke ich etwa an längere Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, die wir in der Steiermark in unserer Verantwortung nun umsetzen. Es geht aber auch um Betriebszeiten öffentlicher Verkehrsmittel, auch der Bahn- und Postlinien; sie müssen den veränderten Bedingungen entsprechen.

Hier besteht auch ein enger Zusammenhang mit dem, was man soziale Infrastruktur nennt. Regionen haben dann Zukunft, wenn sie mit Leben erfüllt sind. Dazu gehören Einrichtungen mit Servicecharakter, die nicht leichtfertig dem Rechenstift zum Opfer fallen dürfen. Das Zusperren von Gendarmerieposten, Bezirksgerichten und Postämtern, das Auflassen von Bahn- und Postlinien, das Schließen von Schulen und Kultureinrichtungen, das Zusammenbrechen der Nahversorgung – all das gefährdet lebendige Regionen. Einer solchen Ausdünnung der Regionen müssen wir entgegenwirken. Es darf nicht nur einen Stift zum Streichen geben. Es muß auch einen Stift geben, mit dem man festhalten kann, wie es weitergeht, damit die Regionen in ihrer Nahversorgung geschützt und gesichert sind.

Was ich mir auch wünsche, ist eine neue und eine effiziente bürgernahe Kompetenzverteilung. Ich glaube, daß – und ich erinnere daran: 1918 wurde der Bundesstaat Österreich gegründet, 1945 wiedergegründet – bezüglich dieser Kompetenzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften seit langer Zeit Wünsche offen sind, und zwar von jeder Seite.

Gemeinsam mit dem Landtagsklub der Steirischen Volkspartei habe ich zu Beginn dieses Jahres umfassende Vorschläge zum Thema Föderalismus und Regionalismus erarbeitet und diese auch vorgestellt. Die Anträge zur Umsetzung dieses Papiers wurden im Steirischen Landtag eingebracht. Ein besonderer Punkt – die Stärkung des Charakters Österreichs als Bundesstaat – ist die gemeinsame Forderung aller Bundesländer nach einer grundlegend anderen, gerechteren und bürgernäheren Kompetenzverteilung. Bürgernähe und Effizienz von Entscheidungen sind eine positive Folge einer dahin gehenden Reform, eine andere ist aber auch mehr Demokratie.

Wir sind in einer entscheidenden Phase, wenn wir von der Bundesstaatsreform reden, die mit den Bundesländern im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Österreichs vereinbart wurde. Wir wollen eine Stärkung der autonomen Landesvollziehung mit dem Ziel von mehr Bürgernähe und Effizienz. Damit verbunden sind vor allem auch stärkere Kontrollrechte der Landtage.

Selbstverständlich ist damit meines Erachtens auch eine Stärkung und Aufwertung des Bundesrates angesprochen. Das ist eine alte und nichtsdestotrotz aktuelle Forderung. Ich erinnere an Herbert Schambeck vor vielen Jahren – 1977 –, als es diese Forderung auch schon gegeben hat. Die Bundesstaatsreform ist für mich ein wichtiges Etappenziel und ein erster Schritt zur Verwirklichung des Paktums von Perchtoldsdorf.

Subsidiaritätsprinzip – als eine Möglichkeit der modernen Problemlösung für die Bürger. – Große und unübersichtliche und letztlich auch schwerfällige Apparate sind in unserer schnelllebigen Zeit Bremsklötze, deren Einsatz auf Situationen beschränkt bleiben soll, die sie wirklich erforderlich machen. Es gilt für mich der Grundsatz: Politik bewährt sich in der Fähigkeit zu


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intelligenten Lösungen. Es geht um eine sinnvolle Verteilung von Macht und Verantwortung auf verschiedene Ebenen. Es geht darum, Aufgaben dort zu lösen, wo sie gelöst werden können. Es geht darum, Aufgaben nur dann auf die nächste Ebene zu übertragen, wenn sie sonst nicht gelöst werden können.

Ein Beispiel: Konsultationsmechanismus. Dabei geht es darum, die Verantwortung und damit auch die Kosten von Entscheidungen mitzuberechnen und andere Ebenen, die davon mehr oder weniger oder sogar hauptsächlich betroffen sind, von vornherein miteinzubeziehen. Das Prinzip: Wer anschafft, wer beschließt, der muß auch zahlen!, ist unumgänglich. Zweck dieses Konsultationsmechanismus ist es keineswegs, Rechte der Parlamente zu beschränken. Es geht darum, daß Länder und Gemeinden nicht übervorteilt werden. Zukunftsweisende Gesetze können nur dann beschlossen werden, wenn die finanziellen Folgen gut bedacht und auch abgewogen sind. Sie dürfen keinesfalls abgeschoben werden.

In der Steiermark haben wir bereits im Juli des Vorjahres zwischen den im Steiermärkischen Landtag vertretenen Parteien und den steirischen Gemeinden und Städten eine Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus auf Landesebene abgeschlossen. Damit wurden Informations- und Kommunikationswege eingerichtet, die ein schlüssiges und faires Miteinander möglich machen. Das Ziel jedes Konsultationsmechanismus zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist ja nicht die Konfrontation oder das gegenseitige Ausspielen, sondern die Übereinstimmung. Das bringt eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften.

Damit komme ich zum nächsten Thema: neuer Finanzausgleich 2001. Es gilt die Solidarität zwischen den wirtschaftlich stärkeren und den wirtschaftlich schwächeren Bundesländern zu verbessern und durch finanzausgleichsrechtliche Steuerungsmaßnahmen die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu sichern. Wir wollen nicht, daß es heißt, beim Geld hört der Bundesstaat auf. Dies ist eine Zukunftsfrage für den Bundesstaat Österreich.

Seit fast 25 Jahren hat sich im Finanzausgleich im wesentlichen nichts geändert. Er ist zu starr und engt den Spielraum der Länder wegen des hohen Anteils an zweckgebundenen Einnahmen immer weiter ein. Nicht nur die Bevölkerungszahl, sondern auch die Größe muß mitentscheidend sein. Der geltende Verteilungsschlüssel im Finanzausgleich betreffend die Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesaufgaben hängt in Österreich fast ausschließlich von der Bevölkerungszahl und dem örtlichen Aufkommen ab.

Strukturell benachteiligte Länder haben sowohl eine schwächere Bevölkerungsentwicklung als auch ein unterdurchschnittliches Steueraufkommen. Wegen der offenkundigen Mängel im Finanzausgleich ist eine Grundsatzdebatte über die Neuaufteilung der Mittel mit dem Ziel einer Neuordnung ab 2001 zu führen. Beginnen muß die Debatte aber schon jetzt. Eine Neuverteilung der Ertragsanteile muß überlegt werden. Es sind grundsätzliche, bedarfsorientierte Faktoren in den Finanzausgleich einzubeziehen, um die unterschiedlichen Entwicklungen der Länderhaushalte auszugleichen. Der Schwerpunkt wird bei einer Neuverteilung der Ertragsanteile liegen.

Wir haben als Steirische Volkspartei dazu sehr detaillierte Vorschläge erarbeitet; sie wurden vom Finanzexperten Professor Lehner durchgerechnet. Es gibt viele Vorschläge zur Neuverteilung der Ertragsanteile im Detail. Ich erspare Ihnen die detaillierten Zahlen, aber grundsätzlich wiederhole ich: Der Anteil der zweckgebundenen Einnahmen der Länder ist zu verringern.

Nun zu einem anderen Thema: Mitwirkung von Bundesorganen. Leider mangelt es im Rahmen der Verfassungsautonomie der Länder in verschiedensten Bereichen an der praktischen Umsetzbarkeit. Es genügt nicht, daß den Ländern neue Verfassungsinhalte zugestanden werden, gegen die der Bund keinen Einspruch erhebt. Es ist für mich auch schlüssig, daß es eine Mitwirkung von Bundesorganen gibt, wenn das für das Wirksamwerden von Landesgesetzen notwendig ist.

Ein Beispiel aus der Praxis ist die geltende Regelung über Untersuchungsausschüsse im Steiermärkischen Landtag. Der Bund hat die Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesbehörden ver


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weigert. Sie wäre aber in vielen Fällen die Voraussetzung für eine wirksame Informationsbeschaffung.

Bei uns sind im Vergleich mit vielen anderen Staaten weiterhin sehr viele Bundeseinrichtungen ausschließlich in der Bundeshauptstadt angesiedelt. In Deutschland und in der Schweiz sind beispielsweise Höchstgerichte, der Rechnungshof oder auch einzelne Dienststellen der Bundesministerien in anderen Städten angesiedelt. Regionen erhalten durch die Übernahme bundesweiter Aufgaben Gewicht und Stimme. Wir als Steirer würden uns sehr freuen, das eine oder andere auch bei uns im Lande zu haben.

Der Föderalismus liegt uns Steirern sozusagen im Blut. Die beiden Seiten der Medaille – ein ausgeprägtes Landesbewußtsein einerseits und das gleichzeitige Einstehen für das gemeinsame Österreich andererseits – sind mit einer langen Geschichte angereichert und gehen nach unserem Verständnis bis zur Georgenberger Handfeste im Jahre 1186 zurück.

Föderalismus ist für mich als Landeshauptfrau der Steiermark – und hier weiß ich mich mit den anderen Bundesländern einig – aber auch höchst zeitgemäß, weil er im Gesamtsystem viele Doppelgleisigkeiten und Ineffizienzen vermeiden hilft. Föderalismus bedeutet Heimatbewußtsein und Verantwortung, auch über die Grenzen hinweg. Föderalismus bedeutet Bindung an die engere Heimat, ist Ausdruck der Geborgenheit in einer kleinen Heimat mit großem Horizont. Gelebter Föderalismus bedingt geradezu den Blick und den Einsatz über die Landesgrenzen hinaus. Gelebter Föderalismus ist kein vereinfachender oder bequemer Weg. Er bedeutet, daß Gebietskörperschaften ihre Möglichkeiten stärker ausschöpfen, nicht nur von Rechten, sondern auch von Pflichten sprechen und unangenehme Entscheidungen auch selbst treffen.

Föderalismus ist etwas sehr Lebendiges, das vom Engagement jedes einzelnen Entscheidungsträgers abhängt.

Föderalismus lebt vom positiven Wettstreit der Regionen, von der Interessenabwägung und dem Austragen von Konflikten, von der Auseinandersetzung miteinander und mit dem Zentralstaat.

Föderalismus wirkt nicht kleinräumig, im Gegenteil: Regionale und überregionale Zusammenarbeit, regionale Außenpolitik, das Verschwimmen innen- und außenpolitischer Grenzen sind Kennzeichen eines föderativen und selbstbewußten Landes. Es ist insofern auch bezeichnend, daß sich das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich in einem wichtigen europäischen Dokument und Rechtstext, im Artikel 3b des EU-Vertrages von Maastricht, festgeschrieben findet.

Es gibt den Zusammenhang: Europa und seine Regionen, der Bundesstaat Österreich und die Interessen und berechtigten Anliegen seiner Bundesländer. Mir geht es um mehr Eigenverantwortung der Länder, mehr Mitverantwortung der Länderkammer und ein System, das für den Bürger einsichtig und vernünftig ist, sowie um eine neue Qualität des Miteinander, das unsere Verfassung als Grundprinzip festgelegt hat. – Meinen Anteil dafür werde ich gerne leisten, und ich bitte Sie, uns in diesem Bemühen auch weiterhin zu unterstützen.

Ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß ich jetzt zum Schluß noch – da es keine Möglichkeit gegeben hat, daß sie sich selbst verabschiedet hätte – unserer Kollegin Grete Pirchegger, die mich heute hierher begleitet hat, ein besonderes Danke sage für das, was sie in all den Jahren hier eingebracht hat. Wir sind froh gewesen, daß sie sich als Bäuerin und als Bundesrätin der Steiermark voll und ganz eingesetzt hat, auch für ganz Österreich. In diesem Sinne wünsche ich ihr alles Gute.

Ihrem Nachfolger, dem neuen und alten Vertreter der Steiermark, Dr. Vincenz Liechtenstein, wünsche ich natürlich auch, daß ihm vieles gelingen möge.

Mein besonderer Dank und meine guten Wünsche gelten aber Ihnen allen, die Sie sich jahraus, jahrein bemühen – in der ständigen Begleitung von einem, der auf dem Präsidium sitzt und der mir damals die ersten Wege der Politik geebnet und erleichtert hat, aber auch gezeigt hat, was Demokratie ist: Herzlichen Dank, Herr Professor Dr. Schambeck! Es ist eine gute Stunde und


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bereitet mir Freude, daß ich in der Zeit, in der du als Präsident auf dem Präsidium sitzt, noch einmal hier sein konnte. Alles Gute für die Zukunft! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

10.23

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

10.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Landeshauptfrau! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Es ist erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik, daß eine Landeshauptfrau im Bundesrat, der Länderkammer, eine Erklärung abgibt. Dies sollte nicht ein- oder gar letztmalig sein, sondern sollte ein Beginn sein, denn wir erwarten uns öfter die Anwesenheit der jeweiligen Landesregierungsmitglieder, der Landeshauptleute.

Diese Erstmaligkeit sollte auch dazu genützt werden, meine Damen und Herren, daß Themen wie zum Beispiel Bundeszusagen, die an das Land gemacht werden und gemacht wurden, klar positioniert werden. Diese Ihre Anwesenheit, Frau Landeshauptfrau, sollte Anlaß sein, dort, wo der Bund in Verzug ist, die Dinge einzumahnen und wieder in Erinnerung zu rufen.

Die ursprüngliche Zusage des ehemaligen Bundeskanzlers betreffend den Ö-Ring – jetzt A-1-Ring – wurde von ihm selbst damals revidiert, und es wurden die Mittel für andere Projekte in der Region zugesagt. Es gilt, die Frage zu klären: Gilt diese Zusage auch jetzt noch unter Bundeskanzler Klima? Sind Vranitzky-Aussagen generell noch gültig, oder sind sie ungültig? – Tatsache ist, daß weder unter Bundeskanzler Vranitzky noch unter Bundeskanzler Klima je ein Schilling dieser versprochenen Mittel in die Steiermark, in die betroffenen Regionen geflossen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht nicht mehr nur darum, das versprochene Geld einzumahnen, sondern auch darum, den Aussagewert, die Glaubwürdigkeit der Repräsentanten der Bundesregierung zu hinterfragen.

Frau Landeshauptfrau! Wir sollten die Zustimmung zu einem künftigen Finanzausgleich davon abhängig machen, ob all die versprochenen Gelder in die Länder geflossen sind. Wenn dies nicht der Fall ist, sollten wir diese, bevor wir dem Finanzausgleich unsere Zustimmung geben, sehr wohl in Rechnung stellen.

Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! Ich hatte mir ebenso erwartet, daß Sie Aussagen zum Bundesrat tätigen.

Ich hätte mir eigentlich auch erwartet, daß Sie eine Aussage, die Sie in einer Sitzung des Bundesparteivorstandes innerhalb der ÖVP gemacht haben, hier in der Länderkammer wiederholen: Legen Sie sich auch hier fest und sagen Sie den Damen und Herren Bundesräten, daß für die Steiermark eine neue Belastung der Verkehrsteilnehmer in Form einer elektronischen Bemautung unter gar keinen Umständen in Frage kommt. Frau Landeshauptfrau! Sie haben dafür die nötige Rückendeckung und Unterstützung des Landtages. Treten Sie bitte auch hier dafür ein!

Hoher Bundesrat! Frau Landeshauptfrau! Meine Damen und Herren! Ich habe mir auch vorgestellt, daß Sie, Frau Landeshauptfrau, zur Bundesstaatsreform Aussagen tätigen, daß Sie sagen, ob Sie auch weiterhin für eine Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Legislative sind oder ob Sie der nicht verfassungsmäßig legitimierten Einrichtung der Landeshauptleutekonferenz das Wort reden und sich damit in Hinkunft der parlamentarischen Kontrolle entziehen wollen. In dieser Hinsicht fehlt mir die klare Positionierung Ihrerseits, Frau Landeshauptfrau.

Frau Landeshauptfrau! Ich hatte mir aber auch erwartet, daß Sie uns erklären, warum Sie dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land bisher keine Zuständigkeit als Rechtsmittelinstanz eingeräumt haben. In diesem Bereich sind Sie nicht nur im Verzug, sondern Sie befinden sich in


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krassem Widerspruch zu allen Föderalismustendenzen und Föderalismusbemühungen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich hätte mir auch erwartet, Frau Landeshauptfrau – Sie haben es auch getan –, daß Sie einer Aushöhlung des ländlichen Raumes entgegentreten, daß Sie auf keinen Fall der Schließung von Bezirksgerichten – um nur ein Beispiel zu nennen – zustimmen, und vor allem, daß Sie auf Ihre Parteistellung in diesem Verfahren beharren und nicht ein Anhörungsrecht hinnehmen. Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! In diesem Zusammenhang haben wir als Ländervertreter Handlungsbedarf, sind wir als Föderalisten aufgerufen, aber im Verzug. (Bundesrat Bieringer: Herr Kollege! Sie müssen von Ihrem Redekonzept weggehen, die Frau Landeshauptfrau hat das alles gesagt, was Sie da sagen!)  – Es geht, Herr Kollege Bieringer, um klare Positionierungen! (Bundesrat Bieringer: Hat sie gemacht!) Und was hindert die Frau Landeshauptfrau daran, ihre Aussage, die sie in ihrem Vorstand, im Land Steiermark macht, hier in der Länderkammer zu wiederholen, zu positionieren? (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! Die klare Positionierung wird nicht nur gefordert, sondern – damit bin ich jetzt bei Kollegen Bieringer von der ÖVP – ist deshalb erforderlich, daß Sie – deine Fraktion, Herr Kollege – in Hinkunft das richtige Stimmverhalten hier im Hause an den Tag legen (Zwischenruf des Bundesrates Weiss ), daß Ihnen wieder bewußt gemacht wird, daß Sie hier Landesinteressen zu vertreten haben und endlich damit aufhören sollen, der Bundesregierung nach dem Mund zu reden.

Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! Diese Positionierungen, diese klaren Festlegungen hatten wir als Länderkammer erwartet, damit – wie schon angesprochen – sich Ihre Fraktion danach verhält und Ihrer Fraktion das immer wieder bewußt wird.

Uns Freiheitliche werden Sie in diesen Fragen, bei denen es um Länderinteressen geht, auch in Hinkunft als starken Partner für den Föderalismus haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

10.30

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß Sie, Frau Landeshauptfrau, bei uns sind, daß Sie an die Stätte Ihres ersten politischen Wirkens zurückgekehrt sind, wie Sie gesagt haben.

Es freut mich aber genauso – und um nichts weniger –, daß sich meine, daß sich unsere ehemalige Bundesratskollegin Grete Pirchegger unter uns befindet. Liebe Grete! Du hattest nicht die Möglichkeit, dich von uns zu verabschieden, beziehungsweise konnten auch umgekehrt wir uns nicht von dir verabschieden. Es freut mich daher besonders, daß du unter uns bist.

Ich glaube, Frau Landeshauptfrau, auch das ist ein Punkt, in dem wir umdenken müßten – quer durch alle Parteien –: Es wird viel politische Unkultur betrieben, wenn Leute aus Gremien ausscheiden. Ich sage das ganz offen und wertfrei, denn das geht durch alle Parteien. – Es freut mich daher besonders, daß du heute bei uns bist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. )

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Ich möchte Ihre Anwesenheit auch zum Anlaß nehmen, wieder einmal auf das Thema "Verkehr in der Steiermark" hinzuweisen beziehungsweise zu sprechen zu kommen.

Wir in der Steiermark waren viele Jahre hindurch die Verkehrsinfrastruktur betreffend das Stiefkind. Ohne irgendwelche Schuldzuweisungen auszuteilen, muß man einfach feststellen, daß die Verkehrsinfrastruktur in der Steiermark erst in den letzten 10 bis 15 Jahren jenes Niveau erreicht hat, das in den anderen Bundesländern bereits seit Jahrzehnten gegeben war. Durch den zweigleisigen Ausbau der Schoberpaß-Strecke, mit dem begonnen wurde, sowie den Bau


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der Schnellstraßen S 6 und S 36 durch das Mur- und Mürztal, aber auch durch die Pyhrn und Süd Autobahn haben wir einen enormen Schritt nach vorne getan.

Ich denke heute noch oft daran zurück – auch an den Beginn meiner Tätigkeit hier im Bundesrat –, daß sich damals der – unter Anführungszeichen – "österreichische Verkehrsexperte" Dr. Knoflacher so vehement gegen den Bau der Autobahn durch das Liesingtal ausgesprochen hat, obwohl wir auf der berüchtigten Gastarbeiterroute jede Woche viele Todesopfer zu beklagen hatten. Diese schreckliche Unfallbilanz hat sich nach Eröffnung der Pyhrn Autobahn schlagartig zum Positiven gewendet.

Selbsternannte Verkehrsexperten sind jetzt auch beim Projekt Semmering-Basistunnel am Werk. Sie wollen die Bevölkerung davon überzeugen, daß das Geld, das für den Bau dieses für die Steiermark, für Kärnten, aber auch für Niederösterreich so wichtigen Verkehrsweges vorgesehen ist, anders, besser angelegt werden könnte, wie zum Beispiel für den Ausbau des Nahverkehrs in Niederösterreich.

Diese und viele andere Aussagen möchte ich gar nicht weiter kommentieren, sondern nur feststellen, daß sich die Steirer nie dagegen aufgelehnt beziehungsweise ausgesprochen haben, wenn in Niederösterreich neue Straßen oder Autobahnen gebaut wurden, daß die Steirer sich nie dagegen aufgelehnt haben oder sich dagegen ausgesprochen haben, wenn in Wien zum Beispiel neue U-Bahn-Strecken gebaut wurden. Die Steirer haben sowohl bei der Finanzierung der Landeshauptstadt St. Pölten, des AKH, des Konferenzzentrums, des Marchfeld-Kanals und vielem anderen mitgezahlt – wie alle Bundesbürger. Dasselbe Verständnis der anderen Bundesländer möchten wir nun auch für uns in Anspruch nehmen, wenn es um ein Bauwerk in unserem Bundesland wie den Semmering-Basistunnel geht. – Es tut mir leid, daß Sie, Frau Landeshauptfrau, darauf nicht Bezug genommen haben. (Beifall bei der SPÖ.) Dazu hätten wir heute gerne klaren Aussagen von Ihnen gehört.

Es liegt ein Projekt auf dem Tisch, hinsichtlich dessen es einen einstimmigen Beschluß der Bundesregierung gibt, einen einstimmigen Beschluß der Steiermärkischen Landesregierung sowie – so glaube ich – einen einstimmigen Beschluß des Steiermärkischen Landtages; aber Sie können mich verbessern, wenn das nicht der Fall ist.

Auch der Niederösterreichische ÖAAB hat sich für den Bau des Semmering-Basistunnels ausgesprochen. Da heute schon so viel von der ÖVP gesprochen wird, darf ich auch das sagen, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Rockenschaub. )

Nun frage ich Sie, sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, und auch Sie, meine Damen und Herren, wie lange wir uns diese Verhinderungstaktik eines einzelnen gefallen lassen werden. Es geht uns beim Semmeringtunnel sicher nicht nur um die Zeitersparnis von einer halben Stunde auf der Strecke Wien–Graz oder Wien–Klagenfurt, wie so oft argumentiert wird – es ist natürlich günstig, wenn unsere Pendler, die nach Wien einpendeln müssen, früher zur Arbeit kommen und keine langen Fahrzeiten hinnehmen müssen, keine Frage –, sondern es geht uns in erster Linie darum, daß der Güterverkehr, der nach Expertenaussagen in den nächsten Jahren enorm zunehmen wird, verstärkt auf die Schiene verlagert werden kann, was mit der jetzigen Bausubstanz nicht gewährleistet werden kann.

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Ich darf Sie auch von dieser Stelle aus ersuchen, alles zu unternehmen, um dieses für unser Bundesland so wichtige Bauprojekt sicherzustellen und Ihre niederösterreichischen "Freunde" – unter Anführungszeichen – zur Räson zu bringen.

Nur verhindern ist keine Lösung. Die Zukunft muß in einer umweltfreundlichen, wirtschaftlichen und für die Arbeitnehmer zeitlich zumutbaren Verkehrsverbindung liegen. Dazu stehen wir, und deshalb werden wir nicht müde werden, für diesen Semmering-Basistunnel einzutreten und zu kämpfen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)


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10.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerstl. – Bitte.

10.36

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Landeshauptfrau! Als ich hier hereingegangen bin, hat tatsächlich jemand zu mir gesagt: Du, paß auf, deine Frau Landeshauptfrau ist da! – Wir Steirer wissen: Sie ist immer bei uns, und wir sind auch immer hinter ihr.

Ich möchte nicht den Terminus "Aufwertung des Bundesrates" unbedingt in den Vordergrund stellen, denn Werte entstehen durch Leistung, und Leistung entsteht nie durch eine bürokratische Gehaltspyramide. Das möchte ich in den Raum stellen.

Ich möchte nur ganz kurz einige Vorschläge bringen:

die Korrektur offensichtlicher Schreib- und Druckfehler oder sprachlicher Mängel durch den Bundesrat;

das Zustimmungsrecht des Bundesrates zum Finanzausgleich;

das Recht des zuständigen Bundesratsausschusses, bis zum Abschluß der Beratungen von Gesetzesvorschlägen im zuständigen Nationalratsausschuß eine Stellungnahme abzugeben;

die Ausdehnung des Rechts durch Durchführung einer Volksbefragung;

Wahl des Rechnungshofpräsidenten durch die Bundesversammlung;

Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft durch die Bundesversammlung; und

warum sollten nicht zwei Bundesräte eine Schreibkraft bekommen können?

Es geht nämlich nicht an, daß viele von uns zu Hause bis Mitternacht für die Arbeit des Bundesrates ihre eigene Gattin als Schreibkraft einsetzen. (Bundesrat Dr. Schambeck: So sie eine haben!) Ich weiß, das ist unbezahlt, ist aber das Einbringen von Kapital in diese Arbeit, die wir haben. Es spricht ja auch niemand hier im Bundesrat davon, daß wir für die Volksgemeinschaft Wissen und Kapital neben Leistung einbringen. Aber das ist ein Denkanstoß.

Ich bin glücklich, daß die Frau Landeshauptfrau heute hier ist, und ich danke herzlichst dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erhard Meier. – Bitte.

10.39

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte anschließend an die Ausführungen von Bundesrätin Schicker auch noch ein paar Worte zur Semmering-Verkehrslinie sagen. Wir haben dieses Thema auch schon hier im Bundesrat behandelt.

Es tut mir leid, aber ich suche immer Herrn Bundesrat Schaufler, denn wir hatten ja in der vergangenen Sitzung – Sie erinnern sich sicher daran – doch einige Gegensätze: Steiermark – Niederösterreich.

Frau Landeshauptfrau! Es ist leider in Ihren Ausführungen, in denen Sie von Infrastruktur gesprochen haben, das Wort "Semmering" kein einziges Mal gefallen. Ich meine, daß diese Angelegenheit kein parteipolitischen Problem sein sollte, und brauche es auch nicht länger zu begründen, warum wir glauben, daß diese Bahnlinie besonders wichtig ist. Sie erschließt nämlich wirklich die gesamte Mürz- und obere Murtalfurche, aber auch die Obersteiermark jenseits des Schoberpasses. Die wenigsten wissen, daß eigentlich die Verbindung von Wien nach Bischofshofen über die Semmering-Strecke kürzer ist als über die Westbahn.


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Es geht hier um infrastrukturelle Maßnahmen, die wirklich der Hälfte der Steiermark, geographisch gesehen, dienen würden. Ich würde Sie, Frau Landeshauptfrau, wirklich ersuchen, sich vehement bei Ihren niederösterreichischen Parteikollegen einzusetzen, daß dieses Projekt gefördert wird. Es geht nicht darum, jemand anderem etwas wegzunehmen und zu sagen, nur bei uns muß es sein und woanders nicht, das habe ich neulich schon gesagt. Selbstverständlich sind auch wir für den Ausbau der Strecke zum Flughafen Wien. Aber es fahren nicht nur Wiener und Niederösterreicher zum Flughafen, sondern auch Steirer, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benützen.

Wir haben heute den Zubau zum Austria-Center in Wien, die IAKW-Finanzierung, auf der Tagesordnung. Natürlich wird es für die Kongresse und für die Umwegrentabilität wichtig sein, daß das errichtet wird. Frau Kollegin Schicker hat auch schon andere Beispiele angeführt. Hier müssen wir wirklich einen gemeinsamen Weg finden, denn wenn man damals im Jahr 1850 diesen Kleinmut gehabt hätte, als die Ghega-Bahn errichtet wurde, dann wäre sie nie zustande gekommen; diese Bahn erfüllt aber leider nicht mehr die heutigen Anforderungen, was Kapazität und Geschwindigkeit betrifft, und es hängt wirklich ein großer Teil dieser Obersteiermark daran.

Das Bundesland Steiermark braucht auch die Verkehrswege nach dem Südosten. Wir alle hoffen, daß sich die Balkankrisen in nächster Zeit wesentlich entschärfen werden, es wird aber dann wieder zu einer Zunahme des Verkehrs kommen, und deshalb wollen und müssen wir ihn auf die Bahn verlagern. Und das ist wirklich ein großes Problem der Steiermark. Frau Landeshauptfrau! Ich bitte Sie wirklich, sich dieses Problems vehement anzunehmen.

Der zweite Punkt, zu dem ich noch Stellung nehmen möchte, betrifft die Bedeutung des Bundesrates. Sie, Frau Landeshauptfrau, waren vom Jahr 1977 bis 1981 auch Mitglied des Bundesrates. Jeder Landeshauptmann, der hier hereinkommt – und manche von ihnen waren auch vorher Mitglied des Bundesrates –, lobt uns, betont die Bedeutung des Bundesrates, im täglichen Leben spüren wir das dann aber nicht so sehr, auch in unseren Bundesländern nicht. Sie haben sehr oft das Wort des Miteinanders betont, aber wann sind Bundesräte in der Steiermark in Gespräche mit den Mitgliedern des Landtages und der Landesregierung involviert? – Wir nehmen zwar an den Sitzungen der Landtage teil, sagen dürfen wir dort aber nichts, denn wir haben dort kein Rederecht. Man könnte manches ausdiskutieren, wobei ich natürlich dazusagen möchte – und das haben Sie auch betont –, daß ich für die Eigenverantwortung des Bundesrates und der einzelnen Bundesräte bin und einem gebundenen Mandat nicht das Wort rede. Aber das, was wir hier zu vertreten haben, was wir spüren, in die Steiermark mitzunehmen und zu vertiefen, das wäre sicherlich wichtig, und diesbezüglich könnte auch in der Steiermark noch etwas getan werden.

Natürlich bekenne ich mich auch zu all jenen Maßnahmen, die den Bundesrat als zweite Kammer in unserem föderalistischen System, zu dem wir uns auch voll bekennen, stärken. Der Konsultationsmechanismus ist auch so ein Beispiel, wo man sich die Frage stellt, inwieweit Entscheidungen von der Exekutive vorweg getroffen werden, sodaß die Legislative, sei es auf Bundes- oder Landesebene, nachher eigentlich nur mehr die Zustimmung dazu geben kann. Sie haben recht, wer anschafft, muß zahlen, umgekehrt ist es aber auch richtig: Wer zahlt, schafft an! Da müssen wir einen vertretbaren Weg zwischen den Bundesländern und dem Bund finden.

Sie haben eine sehr wichtige Frage angeschnitten: die Situation auf dem Lehrlingssektor. Die Erklärung von Graz ist wichtig, aber wir müssen auf allen Ebenen selbst etwas dazu beitragen. Das gilt natürlich auch für die Gemeinden, die mit allen möglichen Programmen versuchen sollten – und zwar in den Bereichen, in denen sie die Chance haben, selbst tätig zu werden –, den jungen Leuten die Möglichkeit der Ausbildung und des Einstieges in den Beruf zu geben.

Eines hat mich in Ihren Ausführungen gestört – ich sage das ganz offen, ich hätte es so nicht angeschnitten –: Sie haben gesagt, es gibt ein steirisches Arbeitsprogramm der ÖVP. Das ist unbestritten und wird auch anerkannt, jede Partei soll ihre Programme haben. Aber, Frau Landeshauptfrau, es gibt auch andere Arbeitsprogramme anderer Parteien, ich will das nur global sagen. Wir haben doch, so hoffe ich, sehr wohl auch steirische Arbeitsprogramme, zu denen wir alle in der Steiermark stehen, und die sollte man vor allem, wenn man hier vor dem


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Bundesrat spricht, hier betonen. Die Betonung der ÖVP-Programme in dieser Funktion, in der Sie heute hier gesprochen haben, war einfach zu stark, denn ich glaube, daß andere Parteien landesweite Programme auch mittragen und auch daran mitarbeiten. Welcher Partei der jeweilige Landeshauptmann angehört, das wissen wir ohnehin.

Es hätte mich noch interessiert, wie Sie zum Verkehr beziehungsweise zur regelmäßigen Kostenbeitragung – Stichwort Road-pricing – stehen. Es ist dies eine Frage, die derzeit in Diskussion steht. Es ist nur schade, daß vorher Beschlüsse gefaßt werden, aber dann, wenn es um die Durchsetzung geht, die Sache wieder anders aussieht. Jetzt soll dieses Road-pricing wieder nicht kommen, nicht einmal für den Lkw-Bereich. Frau Landeshauptfrau! Sie kennen sich da aus, weil Sie aus einer solchen Firma kommen. Ich will aber hier jegliche Polemik beiseite lassen. Es geht nur darum, wer die Kosten, die der Verkehr oder die jeweilige Sparte verursacht, aufbringt, um die Gesamtkosten finanzieren zu können.

Zum Schluß – Sie werden ja dann noch das Wort ergreifen – möchte ich Sie noch fragen, welche Haltung Sie zu den beiden abgeschlossenen Volksbegehren haben, die österreichweit stattgefunden und sehr große Zustimmung erhalten haben. Denn gerade die Frage der Gentechnik verursacht große Verunsicherung bei den Menschen, es muß in diesem Bereich noch sehr viel Aufklärung betrieben werden. Und das betrifft natürlich auch die Bundesländer und die Gemeinden, weil es eben jeden Bürger betrifft. Ebenso würde mich natürlich Ihre Haltung zum Frauenvolksbegehren interessieren. Sie sind ja ein Beispiel dafür, daß eine Frau in eine sehr hohe Funktion berufen, gewählt werden kann. Wir wünschen uns, daß – ich möchte für mich sprechen – das überall der Fall ist, daß überall die Möglichkeit gegeben ist, daß Frauen alle Positionen erreichen können und daß sie für ihre Leistungen gleich entlohnt werden wie die Männer. Ich möchte Sie auch hiezu um Ihre Stellungnahme bitten.

Ich glaube, daß wir als Vertreter der Bundesländer, sosehr wir auch das Staatsganze mittragen, im Sinne des Föderalismus große Aufgaben zu bewältigen haben. Wir sollen von diesem Föderalismus auch ein Stück weiter nach unten, an die Gemeinden, abgeben. Das darf also nicht bei den Ländern haltmachen, auch was Bezirksverbände, Abfallverbände, Sozialhilfeverbände in ihrem Wirkungskreis betrifft. Das dürfen wir bei der Föderalismus-Diskussion nicht vergessen, das möchte ich auch hier erwähnt haben. Aber ich glaube doch, daß in der Summe der neun Bundesländer, die unseren Staat bilden, jedes einzelne Bundesland mit seinen Eigenheiten, mit seinen Schwerpunkten, mit seinen Bedürfnissen eine ganz wichtige Rolle in unserem Staat spielt. Und Diskussionen und Aussprachen wie die heutige zwischen dem führenden Mitglied der Exekutive eines Bundeslandes und der Länderkammer Österreichs scheinen mir auch in der Zukunft ganz wichtig zu sein. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

10.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Rieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.50

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Hohes Haus! Eingangs möchte ich kurz, lieber Kollege Engelbert Weilharter, zu deinen Ausführungen Stellung nehmen. Du hast gesagt, die Steirer reden der Bundesregierung nach dem Mund. Ich glaube, daß die Vergangenheit gezeigt hat, daß wir auch sehr gerne den Panther über den Semmering schauen lassen und daß wir uns ständig um unsere Interessen in der Steiermark bemühen.

Ich will mich dafür nicht entschuldigen, daß die Volkspartei in der Regierung ist und Verantwortung in diesem Land trägt. Ich gestehe dir jedoch zu, Engelbert, den Vorteil, Oppositionspolitiker zu sein, zu haben, aber sehr wohl in der Steiermark Verantwortung in der Regierung zu tragen und aus dieser Sicht die Situation zu sehen.

Wenn die Frau Landeshauptfrau heute über den Konsultationsmechanismus gesprochen hat, so müssen wir auch hier im Bundesrat über diesen Konsultationsmechanismus diskutieren; der Nationalrat wird in wenigen Tagen darüber verhandeln.


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Ich habe sehr oft das Gefühl, daß gerade von den Zentralisten immer wieder eine bestimmte Angst in den Raum gestellt wird. Ich weiß – das ist mir völlig bewußt –, daß es in so manchen Situationen und bei manchen Gesetzen anders sein wird, daß wir aber die Zusammenarbeit mit den Ländern intensiver suchen und uns gemeinsam werden bemühen müssen, das eine oder andere Problem zu bewältigen.

Wie die Landeshauptfrau vorhin gesagt hat: Wer anschafft, soll auch mit zur Kasse gebeten werden. Es ist mir völlig bewußt, daß das eine oder das andere Gesetz nicht mehr so leicht durchzubringen sein wird. Und es muß uns in einer Zeit, in der die Mittel immer weniger werden, auch bewußt sein, daß wir vieles kritisch hinterfragen müssen. Ich denke etwa an die Wasserrechtsnovelle, da stießen die Interessen Vorarlbergs und Oberösterreichs aufeinander. Aber auf dem Verhandlungsweg wird das eine oder andere Problem sicherlich bewältigt werden können.

Das Land Steiermark hat bereits am 8. Juli 1996 einen Konsultationsmechanismus auf Landesebene abgeschlossen. Diese Vereinbarung, die von der Landeshauptfrau Waltraud Klasnic initiiert wurde, trägt die Unterschrift aller fünf im Landtag vertretenen Parteien, und diese Regelung wird im Landtag bereits angewendet. Nach der Landesverfassung besitzen darüber hinaus Gemeindebund und Städtebund ein Anhörungsrecht in den Landtagsausschüssen. Dem Vorbild des "Miteinanders", wie es in der Steiermark vorgeführt wird, sollte daher im gesamten Bundesgebiet gefolgt werden. Dazu ist aber Mut zur Veränderung, Mut zur Aufgeschlossenheit vonnöten, den ich mir eigentlich auch in dieser Stunde wünsche. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.54

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Liebe, verehrte Frau Landeshauptfrau! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landeshauptfrau hat es schon angeschnitten: Die wesentliche Frage für in Wahrheit alle Bundesländer ist die Frage der Neuordnung des Finanzausgleiches. Die österreichische Finanzverfassung ist ja sehr zentralistisch. Die Steuergesetzgebung und damit die Steuerpolitik sind weitgehend beim Bund konzentriert. Ertragsanteile sind die wichtigste Finanzierungsquelle der Länder. Die Aufteilungsschlüssel der gemeinschaftlichen Bundesabgaben benachteiligen die Länder insgesamt. Die Aufteilungsprinzipien der Ertragsanteile im Finanzausgleich schaffen keinen Ausgleich zwischen wirtschaftlich schwächeren und stärkeren Bundesländern. Und durch den Ertragsanteilskopfquotenausgleich wird das West-Ost-Gefälle zwar verringert, aber nicht beseitigt.

Unser Ziel ist eine massive Neuordnung des Finanzausgleiches, was bereits von der Landeshauptfrau angeschnitten wurde. Die Steiermark ist besonders betroffen. Der Ertragsanteil ist von 15 Prozent in den Jahren 1985 und 1990 auf 14,6 Prozent im Jahr 1995 zurückgegangen und beträgt zurzeit jährlich etwa 12 Milliarden. Aufgrund der Volkszählung verlieren wir als einziges Bundesland pro Jahr etwa 350 Millionen Schilling. Das sind im Volkszählungszeitraum insgesamt 3,5 Milliarden.

Es ist an der Zeit, den Finanzausgleich neu zu ordnen und gerechter zu gestalten. Wir schlagen daher vor:

Erstens: 5 Prozent der Ertragsanteile, das sind etwa 4,5 Milliarden der insgesamt 88 Milliarden, sollen als Vorweganteil jenen Ländern zur Verfügung gestellt werden, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter dem österreichischen Durchschnitt liegt; das ist bei Steiermark, Kärnten, Burgenland der Fall, Niederösterreich liegt an der Grenze. Das wäre für die Steiermark etwa 1 Milliarde mehr.

Eine solche Regelung gibt es in der Bundesrepublik Deutschland. Im Bonner Grundgesetz ist die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse verfassungsrechtlich festgeschrieben. Durch diese Bestimmung gibt es in Deutschland schon seit Jahrzehnten Ausgleichszahlungen zwischen reicheren und ärmeren Ländern.


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Zweiter Vorschlag: Gegenwärtig werden etwa 25 Prozent der Ertragsanteile nach dem örtlichen Aufkommen auf die einzelnen Länder verteilt. Wenn dieser Anteil auf 15 Prozent reduziert wird, würden die wirtschaftlich schwächeren Bundesländer nicht mehr so stark benachteiligt werden wie bisher, denn das gegenwärtige System bevorzugt in gigantischer Weise Wien – siehe den Bereich Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer auf Zinsen.

Drittens: Es werden neue Kriterien zur Aufteilung der Ertragsanteile geschaffen, davon 10 Prozent aufgrund von Fläche und Beschäftigungsentwicklung. Die durch die Änderung im Aufkommen gewonnenen 8,5 Milliarden Schilling könnten so neu verteilt werden.

Viertens: Der Anteil der zweckgebundenen Einnahmen der Länder ist wegen der Bevormundung durch den Bundesgesetzgeber zu verringern. Bei den letzten Finanzausgleichsverhandlungen im Februar 1996 haben sich die Länder und Gemeinden verpflichtet, ab 1997 den Defizithöchstwert von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht zu überschreiten, sodaß das gesamte Defizit der gesamten öffentlichen Haushalte in Österreich bis Ende 1997 auf unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden kann.

Durch diese Verpflichtung und Abhängigkeit der Länder von den sich aufgrund des Finanzausgleiches ergebenden Einnahmen und durch die zusätzliche Begrenzung der Kreditaufnahmen wird der budgetpolitische Spielraum der Länder zusätzlich eingeschränkt.

Seit fast 25 Jahren hat sich im Finanzausgleich im wesentlichen nichts geändert. Er ist zu starr und engt den Spielraum der Länder wegen des hohen Anteils an zweckgebundenen Einnahmen immer weiter ein. Bisher wurde der Finanzausgleich stets zwischen Tür und Angel beraten und verlängert, jetzt geht es darum, eine Grundsatzdebatte über die Neuaufteilung der Mittel zu eröffnen und zu führen, mit dem Ziel einer Neuordnung ab 2001. Das hat bereits die Landeshauptfrau gesagt, und wir können das alle nur – ich habe es gemerkt – bestätigen.

Eines möchte ich hier als Steirer auch noch sagen: Das merkt man in der Steiermark: Wir halten dann doch zusammen – über alle Grenzen hinweg –, wenn es um die Interessen des Landes geht. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

11.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Polleruhs. – Bitte.

11.00

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Hohes Haus! Unsere Landeshauptfrau hat in ihrer Erklärung das Problem der Arbeitslosigkeit sehr deutlich angeschnitten. Im März dieses Jahres waren österreichweit über 262 000 Menschen ohne Arbeit, nahezu 40 000 beziehungsweise 16,8 Prozent davon sind Jugendliche im Alter von 15 bis 25 Jahren. In der Steiermark waren es insgesamt 41 543 arbeitslose Frauen und Männer, der Anteil der beschäftigungslosen Jugendlichen betrug bereits 17,9 Prozent, in Zahlen ausgedrückt: 7 354.

Viele von Ihnen werden jetzt denken: Das sind Daten, Fakten, Zahlen. Was will er damit? – Ich will darauf hinweisen, daß es bei diesen Daten um Menschen jeden Lebensalters und Ausbildungsstandes geht, die einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Das Problem der Arbeitslosigkeit ist aber sicherlich keine Privatsache, sondern eine gesellschaftspolitische Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Beschäftigung muß zu einer echten Frage von gemeinsamem Interesse werden.

Wir alle sind dazu aufgefordert, weil der Wirtschafts- und Sozialpolitik eines Staates die Aufgabe zukommt, dafür zu sorgen, daß das eigene Land in diesem Wettbewerb mithalten kann. Die Möglichkeiten der Politik sollen dabei nicht überschätzt werden. Ich muß immer lächeln, wenn vor allem zu Wahlzeiten riesige Plakate ankündigen: Wir sichern jeden Arbeitsplatz.

Ich bin der Meinung, ich kann nur dann einen Arbeitsplatz sichern, wenn ich selbst Unternehmer bin und in meinem Unternehmen einen Arbeitsplatz vergeben kann. Ansonsten können wir nur,


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beginnend auf der Gemeindeebene, Rahmenbedingungen schaffen, um Arbeitsplätze zu sichern.

Es bieten sich sicher viele neue Arbeitsplatzchancen an, vor allem auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union. Es gibt daher auch sicherlich Beschäftigungsoffensive auf allen Ebenen, das betrifft alle Bereiche.

Ein Bereich, in dem wir sicherlich in der Steiermark ein bißchen nachhängen, ist der Bereich Forschung und Entwicklung, aber da sind wir mit Unterstützung vor allem unserer Landeshauptfrau, aber auch der gesamten Landesregierung dabei, österreichweit aufzuholen, ebenso zum Beispiel mittels der Qualifikationsoffensive im Bereich der Lehrlingsausbildung, wo sicherlich einiges gelungen ist.

Als ein möglicher Beitrag – ich möchte das als Anregung vorbringen –, jungen Menschen zumindest vorübergehend die Möglichkeit einer Beschäftigung zu geben, sollen im Bereich des öffentlichen Dienstes Startjobs zur Vermittlung praxisbezogener Basis oder Höherqualifizierung angeboten werden. Würden im Verhältnis 1:100, also pro hundert öffentliche Bedienstete ein Startjob, Startjobs angeboten werden, könnte man bundesweit rund 4 600 Startjobs schaffen.

Es ist mit Unterstützung des Arbeitsmarktservice sicherlich möglich, nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeit zu fördern, und es ist erfreulich, in einigen Bereichen feststellen zu können, daß das teilweise auch geschieht.

Neue Arbeitsplätze durch Teilzeit und Flexibilisierung ist sicherlich das Stichwort der letzten Zeit und sollte auch raschest in die Tat umgesetzt werden. Ich glaube, daß man den Betroffenen eine gewisse Flexibilität zutrauen kann.

Ich selbst kann mich noch gut erinnern: Ich war 22 Jahre bei der Firma Pengg, und oft war es so, daß, weil wir von der Beschäftigung her sehr gut bedient waren, aber bedingt durch Urlaub oder Krankenstände es zeitlich nicht geschafft haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne am Samstag in das Werk gekommen sind, damit wir pünktlich unsere Aufträge ausliefern konnten.

Ein wesentlicher Beschäftigungszweig in der Steiermark ist aber auch der Tourismus. Tourismus bildet einen Teil der Wirtschaft und sichert Arbeitsplätze. Ich war selbst Mitte April beim Frühlingsfest in Wien, und wer bis dato das Kernöl und den Schilcher noch nicht gekannt hatte, hat beides spätestens Mitte April, sofern er bei dieser Veranstaltung im Festzelt war, kennengelernt; diese beiden Produkte sind sicherlich auch ein Wirtschaftsfaktor in der Steiermark.

Ich darf mich aber auch bei dir, Frau Landeshauptfrau, im Namen des Tourismus recht herzlich dafür bedanken, daß es gelungen ist, einige Bezirke über das EU-Regionalmanagement zusammenzufassen und gemeinsam über die Arbeitskreissitzungen Leitbilder in den Bezirken und Regionen zu erarbeiten. Ich bedanke mich recht herzlich für deine Unterstützung in meinem Heimatbezirk Bruck, vor allem für die Region Aflenz-Thörl-Turnau. Ich bedanke mich aber auch bei den Mitgliedern der steirischen Landesregierung.

Es gibt sicherlich kein Patentrezept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, es sind vielmehr neue Formen der Zusammenarbeit notwendig, wir haben gemeinsam für ein Klima des Vertrauens zu sorgen.

Ich möchte auch kurz auf den Redebeitrag des Kollegen Weilharter eingehen. Mir ist schon klar, daß es in einer Oppositionspartei anders ausschaut. Ich darf aber daran erinnern, daß sowohl die Mitglieder des Bundesrates, des Nationalrates als auch die Mitglieder des Landtages bis zu den Mitgliedern der Gemeinderäte, also jeder von uns, nach der gleichen Gelöbnisformel seinen Eid geleistet hat. Es ist sicherlich oft schwer, wie das folgende Sprichwort besagt: "Es bedarf oft mehr Mut, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben."

In unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft können wir uns sicherlich sehr viel kaufen. Zwei Dinge können wir uns aber nicht kaufen: Kameradschaft und Mut. Wir müssen schauen, daß wir dieses Vertrauen erreichen.


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Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, mich zum Schluß meiner Ausführungen bei Frau Grete Pirchegger recht herzlich zu bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Liebe Grete! Ich werde den 13. Mai 1993 nicht vergessen, den Tag, an dem ich angelobt wurde. Wir hatten vereinbart, daß ich um halb neun vor dem Tor 1 sein soll. Ich war das erste Mal hier in Wien im Parlament. Aufgrund eines Staus wurde es nicht halb neun, sondern fünf vor neun. Du warst schon oben im Plenarsaal, und Gott sei Dank hat – so wie heute – die Sitzung mit einer vierminütigen Verspätung angefangen, sodaß ich noch rechtzeitig zu meiner Angelobung gekommen bin, und diese war um 9.05 Uhr am 13. Mai 1993 in diesem Hause.

Grete! Herzlichen Dank dafür, daß du mich in dieses Haus eingeführt hast! Danke für deine Unterstützung! Ich darf dir weiterhin alles Gute wünschen. Wir bleiben ja in Kontakt, und es freut mich ganz besonders, daß du heute gekommen bist.

Da Grete Pirchegger in der Waldheimat – das ist jene Region, aus der Peter Rossegger stammt – beheimatet ist, möchte ich meine Ausführungen mit einem Sprichwort von Peter Rossegger beenden: Auf dem Wege zum Licht laßt niemanden zurück. – Gehen wir daher den Weg gemeinsam und sehen wir unsere künftige Aufgabe vor allem in der Gemeinsamkeit. Wir sollen den Lichtpunkt nicht außer acht lassen und gemeinsam die Aufgaben lösen, für die wir verantwortlich sind. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

11.08

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten) : Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! Es ist vielleicht ein bißchen ungewöhnlich, daß ich mich als Kärntner Abgeordneter zu Wort melde, aber es gibt gewisse Verbindungen zur Steiermark – auch meine Gattin kommt aus Köflach. Deshalb habe ich mich aber nicht gemeldet.

Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptfrau! In Anlehnung an die Wortmeldung meiner Kollegin Schicker möchte ich darauf hinweisen, daß der Bau des Semmering-Basistunnels ja nicht nur ein steirisches Problem, sondern auch ein Kärntner Problem ist. Man muß in diesem Zusammenhang auch die Hochleistungsstrecke Koralmbahn sehen, die vorerst einmal Graz–Klagenfurt betrifft, und diesbezüglich gibt es ja bereits Grundsatzbeschlüsse. Es haben sich die Landeshauptfrau und die Landeshauptmänner und deren Stellvertreter schriftlich dazu bekannt. Diese Vereinbarung wurde, glaube ich, in Graz oder in Wolfsberg getroffen.

Ich möchte nur sagen, daß Gefahr besteht, wenn wir in Österreich mit dieser Situation nicht zu Rande kommen, daß die Bahn – und das wissen Sie ganz genau, Frau Landeshauptmann – anderswo gebaut werden könnte, daß sie über Slowenien oder noch südlichere Länder führen könnte. Wir würden dadurch ja in Österreich, genauer gesagt in Kärnten und in der Steiermark, auch einen enormen wirtschaftlichen Schaden erleiden; deshalb mein Hinweis auf diese Situation. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bitte Sie, gnädige Frau, alles zu unternehmen, alles zu bewegen. Die Bitte ergeht aber auch an Ihre Kollegen in Niederösterreich, denn Kärnten und die Steiermark gehören auch zu Österreich, auch wenn wir dieses Problem auf internationaler Ebene betrachten müssen. Auch in einem vereinten Europa stehen Kärnten und die Steiermark Österreich näher. (Beifall bei der SPÖ. )

11.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Landeshauptfrau Klasnic. – Bitte.

11.11

Landeshauptfrau der Steiermark Waltraud Klasnic: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Passage liegt mir wesentlich besser als die erste, weil vorbereitete Unterlagen nicht immer am besten geeignet sind. Im Grunde genommen soll die lebendige Diskussion mehr bringen.


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626. Sitzung / Seite 39

Lieber Herr Kollege Weilharter! Wenn ich das nächste Mal zu einer Bundesratssitzung fahre, setzen wir uns vorher zusammen, reden wir uns aus, sagen Sie mir, was Sie hören wollen, und ich werde Ihnen die Fragen hier und auch zu Hause gerne beantworten (Beifall bei der ÖVP. )

Ich möchte nun zum Versprechen des Bundeskanzlers Stellung nehmen. Es wurde ein Bund-Land-Vertrag innerhalb der Landesregierung ausgearbeitet, der kommenden Montag der Regierung vorgelegt und beschlossen werden wird. Wir haben gemeinsam vereinbart – Bundeskanzler, Vizekanzler, Landeshauptmann, Landeshauptmannstellvertreter –, diesen Vertrag sozusagen auf die Schiene zu bringen. Da ist vieles enthalten, von Wissenschaftsprojekten bis zur Infrastruktur ist alles dabei.

Bei Frau Kollegin Schicker fange ich dort an, wo auch der Kollege aus Kärnten aufgehört hat. Ich muß sagen, ich habe bewußt nicht provoziert, weil ich weiß, daß es in der Länderkammer eine kleinere Gruppe gibt, die ihr Bundesland vertreten muß und sich denkt: Da ist sie aus der Steiermark gekommen, sagt ihre Meinung, und wir sollen jetzt dazu Stellung beziehen. Ich verlasse mich auf den Beschluß der österreichischen Bundesregierung. Für mich ist diese Strecke Infrastruktur, für mich ist der Semmering-Basistunnel nicht ein Geplänkel zwischen zwei Bundesländern, sondern eine Aufgabe, der sich die österreichische Bundesregierung einstimmig verschrieben hat, eine Aufgabe, an die ich glaube, weil sie eine gesamteuropäische Komponente hat. Daß ich an den Tunnel glaube, das steht außer Streit. Ich bin seit dem Anschlag die Patin dieses Tunnels. Ich bin auch überzeugt davon, daß uns dieses Projekt gelingen wird. In der Landesregierung gibt es eine einhellige Meinung und für jede Unterstützung in diesem Hause bedanke ich mich.

Kollege Gerstl hat von der Aufwertung und von der Stärkung des Bundesrates gesprochen. Ich kann dies nur unterstützen, ebenso seine Ausführungen zum Thema Leistung und Gehälter. Natürlich hätte ich zu diesem Thema aus aktuellem Anlaß auch etwas sagen können. Ich habe den Punkt wohlweislich ausgelassen, weil wir hier in einem Parlament sind, wo Sie selbst Ihre Argumente austauschen sollen und keine Belehrungen des Landeshauptmannes brauchen, sondern Unterstützung wünschen; zumindest sehe ich meine Aufgabe so.

Herr Kollege Meier, wir sind uns eigentlich sehr einig oder zumindest nicht sehr weit auseinander. Über das Rederecht der Bundesräte im Landtag werde ich gerne in den Klubs berichten, da könnten wir darüber reden. Im Landtagsklub haben die Bundesräte das Rederecht, dort bringen sie sich auch ein. Und ich sage jetzt dazu: Ich habe nicht das Gefühl, daß sie schwach sind und sich nicht äußern könnten. Manchmal sind sie ziemlich hartnäckig, und ich hoffe, daß dem in Ihrem Klub auch so ist.

Sie haben im Zusammenhang mit den Lehrlingen angesprochen, daß die Gemeinden etwas tun sollen. Ich unterstütze das voll und ganz. Der Kommunalabgabeverzicht zum Beispiel ist schon ein Beitrag, mit dem man der Wirtschaft helfen kann und wodurch, neben der gesetzlichen Basis, die ja hoffentlich bald kommen wird, auch der eine oder andere Lehrplatz gesichert wird.

Sie haben auch über Arbeitsprogramme gesprochen. Ich erzähle Ihnen eine kurze Geschichte aus der Praxis: Ich habe irgendwann im Februar die Präsidenten der Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, die Verantwortlichen der Regierung, Industriellenvereinigung, Gewerkschaft und AMS eingeladen. Wir haben uns geeinigt, daß wir ein gemeinsames Arbeitsprogramm durchtragen werden. Wir werden uns im Juni wieder treffen. Es ist von unserem Wirtschaftsberater, Professor Tichy, vorbereitet worden, und an diesem gemeinsamen Programm wird gearbeitet. Jede Fraktion hat ein Programm für den Arbeitsplatz, das Thema Nummer eins im Landtag.

Ich möchte aber auch zum Thema Road-pricing noch folgendes sagen, weil ich den Eindruck habe, Sie meinen, daß ich wegen der eigenen Firma denke, bei sieben LKW zahlt es sich nicht aus, daß wir es einführen. Außerdem fahren wir nie in die Ferne, wir benutzen kaum eine Autobahn. Es wird daher in unserer Firma nicht ausschlaggebend sein. Ich habe beim Road-pricing jedoch dort Schwierigkeiten, wo die Wettbewerbsfähigkeit gestört wird, wenn es nicht im internationalen Gleichklang ist. Ich denke nicht nur an den LKW, sondern ich denke auch an die


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Pendler. Und wir in der Steiermark wissen, was es heißt, in alle Himmelsrichtungen Maut zahlen zu müssen. Es mögen mir bitte die anderen Bundesländer nicht böse sein, aber bis zur Einführung der Vignette hat es in vielen Bundesländern Österreichs keine Maut gegeben. Das ist jenen vergönnt, die sie nicht hatten, aber es hat einen anderen Wettbewerb gegeben. Wir haben in alle Richtungen gezahlt und darum wissen wir auch, wovon wir reden.

Zu Ihrer Frage, wie ich zum Volksbegehren stehe: Ich habe beide Volksbegehren nicht unterschrieben, bekenne mich aber voll und ganz zu den Anliegen der Frauen. Als ich 100 Tage im Amt gewesen bin, habe ich alle Frauen aller Fraktionen, die im Mandatsrang sind, bis hin zur Frau Ministerin Konrad, zu mir ins Büro eingeladen, um zu zeigen, daß ihnen kein Raum verschlossen bleiben soll. Es sind in diesem Volksbegehren viele Punkte enthalten, die ich voll und ganz unterstütze; es sind aber auch einige Punkte dabei, die man in erster Linie umsetzen können muß. In meiner Funktion habe ich die Möglichkeit, selbst das eine oder andere vorzulegen, und mein Programm, wie ich mir Maßnahmen für Frauen vorstelle, habe ich im Jänner dieses Jahres auch vorgelegt.

Zum Genvolksbegehren. Ich habe, lange bevor es ein Volksbegehren gegeben hat, in der Regierung drei Kollegen gebeten, nämlich Herrn Landesrat Pöltl, Landesrat Dörflinger und Landesrat Schmidt, eine Information für die Landesregierung vorzubereiten und auszuarbeiten. Es hat in diesem Zusammenhang ein Hearing stattgefunden, damit wir auch selber wissen, wovon wir reden: Reden wir von Gentechnik im Bereich der Wissenschaft, reden wir davon im Bereich der Gesundheit beziehungsweise wie geht man mit Nahrungsmitteln um? – Das ist nämlich ein anderes Thema, und das ist das Thema, das die meisten bewegt.

Ich unterstütze Sie auch voll und ganz in Ihren Anliegen bezüglich der Abfallverbände. Nur wäre es heute zu sehr ins Detail gegangen. Aber ich sage Ihnen auch ein praktisches Beispiel für die Länderkammer: die Wegeerhaltung. Der Milchwagen fährt jetzt überall hin, der Müllwagen fährt überall hin, und der Schulbus soll auch noch überall hinkommen, während die Gemeinden die Wege erhalten sollen. Das wird einfach auf die Dauer in dieser Form nicht gehen, und das Land wird es auch nicht schaffen. Das sind Themen, die den ländlichen Raum betreffen.

Ein Gleichbehandlungsgesetz soll in der Steiermark geschaffen werden. Jetzt hat man sich geeinigt. Es ist geklärt, wer die Gleichbehandlungsbeauftragte für das Land bezahlt, und jetzt versuchen wir, einen Weg zu finden, wer jene für den Gemeindebund und wer jene für die Stadt Graz bezahlt. Also da stellte sich schon erstmals die Frage, ob man einen Konsultationsmechanismus braucht. Ich habe davon abgeraten und habe gesagt, wegen zwei Personalentscheidungen brauchen wir keinen Konsultationsmechanismus, vielmehr: zurück an den runden Tisch und ausreden. So werden wir ein Ergebnis erzielen.

Was den Finanzausgleich betrifft, so bin ich froh, daß ich die Zahl nicht genannt habe, Vincenz Liechtenstein hat das nachgeholt.

Ich möchte zusammenfassend Ihnen allen danken, auch dem Peter Polleruhs, der über die Arbeitsplätze gesprochen hat. Ich meine, für neu beginnende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Schulabgänger muß viel getan werden, da diese keine Praxis haben. Meistens wird nach der Praxis gefragt. Hat man keine, so sucht sich der Arbeitgeber jemand anderen. Das ist sehr schwierig. Diese jungen ArbeitnehmerInnen müssen die Chance der Erprobung haben, das gilt nicht nur für die Facharbeiter, das gilt vielmehr auch für die Akademiker, die es momentan in einer großen Zahl gibt.

Das heißt, der Bundesrat ist wirklich sehr gefordert, ich sage bewußt: gefordert. Ich habe mich gefreut, hier zu sein, ich komme gerne wieder. Ich habe mir die Tagesordnungspunkte, genauer den Punkt Nummer zwei, angeschaut. Wenn Suchtgift ein Thema ist, dann ist es ein Thema für das Land. Ich möchte dazu sagen: Der Auftrag an uns alle, auf allen Ebenen, kann nur sein, für die Familien und für die Menschen zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. )


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11.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. DDr. h. c. Schambeck. – Bitte.

11.19

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Landeshauptfrau! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Güte einer menschlichen Beziehung und einer Begegnung im privaten oder öffentlichen Leben spürt man dann, wenn man sich nachher anders fühlt als vorher. Und ich glaube, daß wir alle, ganz gleich, welcher Fraktion wir angehören, heute, nach dem Erleben der Landeshauptfrau der Steiermark, nach ihren Ausführungen ein anderes Gefühl haben als vorher.

Die Bundesräte der Österreichischen Volkspartei, die die Frau Landeshauptfrau Klasnic seit vielen Jahren kennen, haben ein bestätigendes, bereicherndes Gefühl, und diejenigen, die nicht ihrer Fraktion angehören, haben vielleicht das Gefühl, mit jemandem, der Verantwortung trägt, im Gespräch zu stehen, denn Verantwortung tragen verlangt Antwort geben, und in ihrem Schlußwort hat die Landeshauptfrau jedem eine Antwort auf all die Fragen, die er aufgrund seiner Verantwortung hier, sei es als sozialdemokratischer Bundesrat, sei es als freiheitlicher Bundesrat oder sei es als Bundesrat der Österreichischen Volkspartei, gestellt hat, gegeben. Das ist, glaube ich, der Weg, den wir brauchen, um im Miteinander für die Bürger Österreichs da zu sein. Man kann es nicht oft genug sagen: Es interessiert niemanden, wer mit wem streitet, sondern vielmehr, wer für jemanden da ist.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Begegnung mit der Landeshauptfrau Klasnic in Neuberg – das war das erste Mal, als ich sie in ihrer jetzigen Funktion erlebt habe –, daran, daß eine Vielzahl von jüngeren und älteren Menschen mit ihren Sorgen zu ihr gekommen ist, darunter auch ein Familienvater mit drei Kindern, daß sie vom Tisch des Bundespräsidenten aufgestanden ist und sich ihnen zugewandt hat. Man hat ganz deutlich gemerkt, daß der genannte Familienvater danach mit der Gewißheit weggegangen ist, daß da jemand da ist, der für seine Sorgen aufgeschlossen ist.

Meine sehr Verehrten! Wir alle als Mandatare, die den Eid auf die Republik Österreich geleistet haben, haben damit auch den Eid für die Weiterentwicklung und für die Bewahrung der Ordnung geleistet. Wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, daß sich kein Mensch ausgegrenzt fühlt und genötigt ist, sich in Grenzsituationen, in Grenzgruppierungen zu begeben, um gegen den Staat aufzustehen. Es ist sehr wichtig, zu repräsentieren und zu integrieren, und wir durften dies heute bei Waltraud Klasnic erleben.

Ich möchte diese Gelegenheit, weil sie sich in meinem Leben nicht mehr bieten wird, auch dazu wahrnehmen, zu sagen, daß ich die Frau frühere Bundesrätin und jetzige Landeshauptfrau Klasnic, als sie diesem Haus angehörte, einige Jahre erlebt habe. Ich war damals schon Fraktionsobmann. Ich war mir in meinem ganzen Leben bewußt, daß man eigentlich immer auch ein Fackelträger ist: Jeder hat einen Teil der Verantwortung zu tragen, und diese hat er dann weiterzugeben. Ich habe mich im Hinblick auf meine beruflichen und politischen Aufgaben immer gefragt: Was ist, wenn mir etwas passiert, wer kann dann meine Aufgaben übernehmen? Ich habe auf akademischem Gebiet dafür Vorsorge getroffen. Ich sage es heute ganz ehrlich: Es war nach der Tagung in Maria Trost, wo wir alle mit den ÖVP-Bundesräten beisammen gewesen sind, als ich bei mir zu Hause in bezug auf den politischen Bereich deponiert beziehungsweise gesagt habe: Sollte mir etwas passieren und solltet ihr euch überlegen, wer nach mir – damals war noch keine Rede davon, daß der feministische Zug bei einigen eintrifft oder daß man die Gleichbehandlung nötig hat – kommen soll, dann bitte ich euch, an Waltraud Klasnic zu denken.

Der Weg, den die ehemalige Bundesrätin Klasnic dann gegangen ist, war ein anderer. Ich darf sagen: Ich bin auf die Steiermark nicht eifersüchtig. Vielmehr bin ich stolz darauf, daß gerade die Grüne Mark jenes Bundesland ist, das die erste weibliche Landesobfrau stellt. Nach einem beispiellosen Weg als Landtagsabgeordnete, als Mitglied des Präsidiums des Landtages und als Landesregierungsmitglied ist die ehemalige Bundesrätin Klasnic nun Landeshauptfrau.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns, und zwar alle drei Fraktionen, oftmals in diesem Haus geradezu in einem Wettstreit befunden, wie wir den Verpflichtungen in bezug auf ein gemeinsames Europa nachgehen können. Ich war heute sehr beeindruckt – ich konnte das als Präsident vom Präsidium aus nicht sagen, aber jetzt darf ich mich dazu äußern – von den


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diesbezüglichen Ausführungen des Herrn Bundesministers für Finanzen. Ich bin auch der Meinung, daß die Europäische Integration eine eminent soziale Verantwortung mit sich bringt. Ich bin nicht in die Politik gegangen, um die Dividenden auf Kosten der Arbeitsplätze zu erhöhen – aber auch nicht der Herr Präsident Mautner Markhof, der einer der prominentesten Repräsentanten der österreichischen Wirtschaft ist und uns vorlebt, wie man die soziale Partnerschaft bis ins kleinste vollzieht.

In diesem Miteinander, das auch die heutige Fragestunde zutage gebracht hat, sollten wir, glaube ich, diesen Weg fortsetzen. Aber lassen Sie es mich in der Länderkammer betonen: Wir hätten niemals das Ja zur Europäischen Integration bei der Volksabstimmung und die hohe Wahlbeteiligung bei den Europawahlen erreicht, wenn nicht vorher Basisarbeit in den Betrieben, im Bereich der Landwirtschaft und im Klein- und Mittelgewerbe für die Europäische Integration erbracht worden wäre.

Meine Damen und Herren! Ich bin in den letzten Jahrzehnten oftmals in den Bundesländern gewesen. Ich danke auch dem ehemaligen Landeshauptmann der Steiermark, Dr. Josef Krainer, daß er mir die Gelegenheit geboten hat, öfter in die Steiermark zu kommen. Ich darf Ihnen sagen: Das ist jenes Bundesland, das schon seit Jahren – schon unter Krainer senior – Arbeit für ein gemeinsames Europa geleistet hat, und zwar in vielen Bildungsveranstaltungen. In diesem Zusammenhang möchte ich das Katholische Bildungswerk nennen, Herrn Dr. Steiner, und auch den unvergessenen Bundesrat Otto Hofmann-Wellenhof, der in der schwersten Zeit nach 1945 eine europäische Dimension zum Tragen gebracht hat. Es war nämlich immer Aufgabe der Europäer, auch in Krisenzeiten Kultur zu entwickeln. Da muß unser Respekt der Steiermark gelten, die in ihrer schwierigen geopolitischen Situation – denken Sie an das kommunistische Jugoslawien oder an unsere seinerzeitige Problematik zu Italien, daran, daß heute der Streit beigelegt ist – großartige Außenpolitik geleistet hat, und zwar zu einer Zeit, als es den Begriff der Regionalpolitik in Europa noch nicht gegeben hat. Erwähnen möchte ich auch das Europa-Engagement dieses Bundeslandes, von dem auch in europarechtlicher Hinsicht – ich möchte an dieser Stelle den Kollegen Rack nennen – vieles eingebracht wurde.

Ich selbst bin gerade dabei, einen Sammelband über das Thema "Bundesstaat und Bundesrat in Österreich" fertigzustellen, an dem viele aus diesem Hause mitarbeiten. Der stellvertretende Landesamtsdirektor der Steiermark, Herr Universitätsprofessor Hofrat Dr. Wielinger, hat darin einen glänzenden Beitrag über Verwaltung und Bundesstaat geleistet.

Frau Landeshauptfrau! Es ist von einigen Rednern hier schon geäußert worden, daß wir uns freuen würden, wenn die ersten Repräsentanten der Länder, also die Landeshauptleute, nicht bloß zu uns kommen würden ad ostentationeum et pompam, würde derjenige sagen, der Römisches Recht studiert hat, das heißt zu festlichen Anlässen, um dann Erklärungen etwa mit Mentalreservation abzugeben, was heute bei Gott nicht der Fall war, denn, meine sehr Verehrten: Wer Waltraud Klasnic erlebt, der glaubt, in einen traumhaften Gebirgssee zu blicken, wie etwa den Praxer Wildsee, wo man bis auf den Grund sehen kann, so klar ist er, ein Kristall ohne Einschlüsse. Aber wir erleben auch anderes, aber nicht von ihr.

Ich möchte noch einmal sagen: Wir wollen – und das hat auch die heutige Diskussion zum Ausdruck gebracht – mit der ersten Repräsentantin der Grünen Mark bezüglich der Weiterentwicklung der österreichischen Staatsrechtsordnung und des österreichischen Föderalismus weiter im Gespräch bleiben. Diesen Wunsch möchte ich auch als Präsident dieser Kammer hier äußern. Dabei möchte ich darauf hinweisen, daß das Bundesratspräsidium – und da darf ich den schon ausgeschiedenen Herrn Vizepräsidenten Walter Strutzenberger nennen – schon vor langer Zeit den Wunsch geäußert hat, daß die drei Präsidenten des Bundesrates der Landeshauptmännerkonferenz teilhaftig werden möchten, daß sie an dieser teilnehmen möchten.

Ich habe das nahezu bei jedem Besuch eines Landeshauptmannes hier bei uns im Bundesrat gesagt, sogar einige Landeshauptmänner, die so gesprochen haben, als wüßte ich nicht, was Föderalismus und Bundesrat ist, darum gebeten. Ich muß aber ehrlich sagen: Es ist aber danach nichts geschehen! Es haben sogar Vorsitzende der Landeshauptmännerkonferenz hier ge


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sagt, was man alles für uns tun müsse. Aber auch danach ist nichts geschehen. Ich möchte mit Nachdruck sagen: Es wäre sehr wertvoll, wenn wir zusammenrücken würden!

Meine Damen und Herren! Siebeneinhalb Millionen Einwohner leben in Österreich. Schauen Sie sich auf der Landkarte an, wie gering die Distanz zwischen Neusiedlersee und Bodensee ist! Es ist erstaunlich, welche Kraft in der österreichischen Kultur und im Wirtschaftsleben vorhanden ist.

Meine Damen und Herren! Ich war vor 14 Tagen mit Kollegen Präsident Dr. Fischer in Budapest eingeladen, über die Vorbereitungsmaßnahmen parlamentarischer Art für die Mitgliedschaft bei der EU zu sprechen. Dort waren auch erste Repräsentanten der Parlamente von Mittel- und Osteuropa, die sich auf den europäischen Weg vorbereiten, anwesend. Der Präsident des italienischen Senats Nicolo Manzino hat mich als Referenten für letzten Samstag nach Venedig eingeladen, um vor den Präsidenten der Senate und der Länderkammern Europas ein Referat über Aspekte des Ein- und Zweikammernsystems zu halten. Ich bin mit den Kollegen beisammen gewesen, ich habe mich bei Gott nicht abgewertet gefühlt.

Daran sieht man auch, welchen Stellenwert wir im internationalen Bereich haben. Wir haben es nie nötig gehabt, daß uns jemand anderer mitnimmt. Im Gegenteil: Es waren andere immer sehr erfreut, wenn wir sie mitgenommen haben. Viele Bundesratspräsidenten sind mit Landeshauptleuten ins Ausland gefahren. Der Herr Präsident des Deutschen Bundesrates, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, kommt jetzt nach Österreich, und wir werden auch in die Grüne Mark nach Mariazell und nach Neuberg fahren. Ich darf Ihnen versichern, daß wir als Bundesrat die Kontakte zum Ausland von Herzen gerne führen, und zwar mit einer Kontinuität sondergleichen.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße es außerordentlich, daß der Regionalausschuß der EU durch Persönlichkeiten wie die Landeshauptfrau Klasnic seine Prägung findet, wenngleich der Regionalausschuß, wie wir wissen, noch weniger Kompetenzen hat als der Bundesrat und lediglich ein Konsultationsgremium so wie der Wirtschafts- und Sozialrat ist.

Meine Damen und Herren! Ich gehe nicht so weit wie Kollege Isensee, mein Kollege im Staatsrecht an der Bonner Universität, der erklärt hat, es handle sich bei dem Regionalausschuß um einen folkloristischen Einschub bei den EU-Organen, wobei ich sagen möchte, daß er, was die Darstellung betrifft, nicht weit davon entfernt ist. Aber es ist von größter Wichtigkeit, daß wir die Einstiegsstelle nutzen. Daher sind die Ausführungen der Landeshauptfrau Klasnic von größter Wichtigkeit. Denn: Wir befinden uns vor der Regierungskonferenz in Amsterdam – Maastricht II –, und wir haben uns alle gemeinsam mit den Landeshauptleuten und der Bundesregierung dafür eingesetzt, daß der Regionalausschuß ausgebaut wird, daß er zur Wahrung des Subsidiaritätsprinzips herangeführt wird. Und ich bin der Landeshauptfrau sehr dankbar für ihre Ausführungen zu dessen praktischer Anwendung.

Frau Landeshauptfrau! Seit deinem Austritt aus dem Bundesrat hat sich hier in diesem Haus einiges verändert, und zwar nicht, was das Äußere betrifft, aber was die Kompetenzen angeht. Es ist nämlich in der Zwischenzeit das Rede- und Teilnahmerecht der Landeshauptleute eingeführt worden – sonst wäre diese Begegnung mit dir gar nicht möglich –, und die Landeshauptleute können nun dem Bund gegenüber im Parlament auftreten. Daß Dr. Vranitzky – was für einen Sozialisten ja direkt Ferien vom Ich sind, wenn man das mit Dr. Danneberg und anderen vergleicht; das ist alles nachlesbar, auch die Äußerungen des Wiener Bürgermeisters Reumann über den Förderalismus und den Bundesrat – geradezu kontradiktorisch das Perchtoldsdorfer Abkommen 1992 unterzeichnet hat, war nur deshalb möglich, Hoher Bundesrat, weil diese Länderkammer das absolute Veto gegen Änderungen der Kompetenzen zu Lasten der Länder bekommen hat. In diesem Zusammenhang habe ich die Namen Wallnöfer, Haslauer, aber auch den Namen Leopold Gratz zu nennen, dessen Rede beim Österreichischen Juristentag in Innsbruck ein Fanfarenstoß war; aber die wenigsten Leute lesen so etwas, daher ist es auch zuwenig bekannt.


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Ich möchte noch einmal betonen: Wir haben das Zustimmungsrecht bekommen, und ohne das Zustimmungsrecht hätten die Landeshauptleute und die Bundesländer im Zusammenhang mit der EU überhaupt keine Gelegenheit gehabt, Druck auf den Bund auszuüben.

Frau Landeshauptfrau! Das war eine historischen Stunde, die wir richtig genützt haben. Wir haben leider die EU-Begleitgesetze passieren lassen, ohne daß vorher das Perchtoldsdorfer Abkommen erfüllt wurde. Ich sage dem Hohen Bundesrat: Lernen wir aus den Fehlern!

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Es gibt keinen Föderalismus nur für den Bundesrat! Es gibt keinen Föderalismus nur für die Landeshauptleute! Und es gibt auch keinen Föderalismus nur für die Landtagspräsidenten! Die neun Bundesländer verpflichten uns alle! Daher meine ich, daß es sehr wertvoll wäre, wenn wir mehr als bisher zusammenrücken würden. Wenn die Landeshauptleute, die bei jeder Sitzung gerne gesehen sind – die gnädige Frau hat das sicherlich heute bemerkt –, zu uns kommen, so wäre es doch genauso schön, wenn die drei Präsidenten des Bundesrates zur Landeshauptmännerkonferenz kommen könnten. Es genügt nicht, daß der Präsident des Bundesrates bloß ein Mittagessen beispielsweise für die Landtagspräsidenten aus Südtirol, aus Österreich und aus Deutschland gibt – ich werde diese meine Aufgabe Anfang Juni in Kärnten gerne erfüllen –, sondern es ist wichtig, daß auch das Präsidium des Bundesrates an der Landtagspräsidentenkonferenz teilnimmt, sodaß wir uns aufeinander stärker abstimmen können.

Dann wäre auch ein Auftreten des Bundesrates gegenüber dem Bund leichter möglich, dann könnte man verhindern, daß man abgespaltet auftritt. Ich bin überzeugt davon, daß dann, wenn man zur Erfüllung des Föderalismuspakets "Perchtoldsdorf 1992" integrativer vorgegangen wäre, sicherlich etwas anderes herausgekommen wäre als eine Arbeit, die zwar wissenschaftlich hochinteressant ist – das ist gar keine Frage –, die aber zu keiner neuen Föderalismus-Novelle geführt hat. Es ist von der Rechtsgeschichte her gesehen eine Tatsache, daß 1974 und 1984 Föderalismus-Novellen zustande gekommen sind, aber leider nicht 1994, obwohl sich die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ in der Koalition befinden. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Da sollte man wirklich aus den Fehlern lernen. Es wäre traurig, wenn man bis zum Jahre 2004 darauf warten müßte und ich dann in der Rente, soweit man eine überhaupt noch bekommen können wird, sagen müßte: Du meine Güte, jetzt, 2004, haben sie es doch zusammengebracht!

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß wir uns über alle Verbesserungen bei den Kompetenzen des Bundesrates freuen, daß wir aber den Ausdruck "Aufwertung" ablehnen. Wir haben uns, Hoher Bundesrat, bisher nicht als "abgewertet" empfunden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das möchte ich ein für allemal hier klarstellen und allen Ghostwritern empfehlen, das bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Ich selbst habe als Ghostwriter begonnen. Sie würden sich wundern, für wen ich jetzt bisweilen noch Ghostwriter bin, und zwar im In- und Ausland, in Kirche und Staat. Ich darf Ihnen versichern, meine Damen und Herren, daß ich niemals Minderwertigkeitskomplexe gehabt habe. Ich habe keine im Jahre 1969 gehabt, und ich werde auch keine am 1. Juli, wenn ich nicht mehr Mitglied des Bundesrates bin, haben. Ich bin mir dessen bewußt, daß wir gemeinsam eine Verantwortung zu tragen haben.

Ich darf daran erinnern, daß wir das Zustimmungsrecht auch bei Änderung der Kompetenzen durch einen Staatsvertrag erhalten haben, daß wir die Fragestunde ausbauen konnten, die wunderbar genutzt wird, daß wir das Enqueterecht bekommen haben – wir haben Enqueten über Föderalismus und Regionalismus im integrierten Europa abgehalten, und viele erste Repräsentanten der Länder sind gekommen –, daß wir das Recht der Anfechtung von Gesetzen beim Verfassungsgerichtshof erhielten, allerdings nicht das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, und daß der Bundesrat, ausgenommen das Recht zur Mißtrauensvotierung, also alle politischen Kontrollrechte hat und daß er sogar das Recht zur rechtlichen Kontrolle besitzt, daß er nämlich Gesetze wegen des Verdachts der Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anfechten kann.

Wir haben allerdings, meine Damen und Herren – das lassen Sie mich hinzufügen –, eine politische Wirklichkeit, in welcher der Parteienstaat den Bundesstaat zudeckt! Ich wiederhole es:


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zudeckt! Denn wir können all diese Kompetenzen im Bundesrat nur dann ausüben, wenn innerhalb der politischen Parteien dazu das Wohlwollen besteht. Daher empfehle ich allen Spitzenrepräsentanten der Länder, alle Äußerungen, die sie im Bundesrat machen, auch in ihren Parteivorständen zu machen, damit die zuständigen Organe, die auch über uns verfügen, das auch wissen und uns dann dementsprechend einstufen und arbeiten lassen.

Kollege Gerstl hat treffend auf die Bezugspyramide hingewiesen. – Wir sind ja das ungeliebteste Kind, weil die Repräsentanten in den Ländern darüber gekränkt sind, daß man nicht alle ihre Wünsche im Parlament erfüllt, und weil die Repräsentanten in Wien darüber verärgert sind, daß man ihnen auf die Nerven geht, wenn man Länderinteressen vertritt. Und wenn es darauf ankommt, Länderinteressen zu vertreten, ist jeder ein Solotänzer, und dann ist das Ganze ein Tanz der Solisten.

Es ist am besten, wir koordinieren uns so, wie die Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic, uns das politisch, rechtlich und vor allem auch menschlich heute gezeigt hat. Jedes Normieren wäre unvollständig in einer demokratischen Republik, wenn es nicht mit Motivieren verbunden wäre.

Als ich 1979 das erste Mal in Kalkutta bei Mutter Teresa sein durfte – wohlgemerkt, um mein Geld –, hat sie beim Weggehen zu mir gesagt: Lasse nie zu, daß ein Mensch nach der Begegnung mit dir nicht glücklicher geworden ist! – Ich gestehe Ihnen als ein Auslaufmodell – das ist jetzt mein vorletzter Monat als Parlamentarier –, daß ich glücklich bin, zu wissen, daß die demokratische Republik Österreich mit bundesstaatlichem Aufbau eine Persönlichkeit wie Frau Waltraud Klasnic in der Landeshauptleutekonferenz hat, an der Spitze des Landes Steiermark, daß wir gemeinsam den Weg gehen können, den sie heute gezeichnet hat.

Ich darf Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitten, sich zu bemühen, zu erreichen, daß der Parteienbundesstaat – das soll niemanden überraschen, die Länderrepräsentanz erfolgt nämlich nach dem Parteienproporz im Landtag – auch einen Parteienbundesrat erlaubt, der die Länderinteressen vertreten kann. Wir sind ja bereit, Länderinteressen zu vertreten – wenn man uns läßt, Hoher Bundesrat!

Dabei möchte ich sagen: Es tritt hier immer die Frage vom freien und gebundenen Mandat auf. Einige von den Spitzen der Länder treten hier auch auf. Ich habe das Thema auch in deren Anwesenheit, damals, als einer von ihnen noch mein Schüler war, genau durchgenommen. Ich darf Ihnen sagen: Die Unterscheidung zwischen freiem und gebundenem Mandat hat bei der Französischen Revolution eine Rolle gespielt, als der Abbé Sieyès nach der Ständevertretung die Volksvertretung eingeführt hat. Ich empfehle allen Repräsentanten in den Ländern, alle Bundesräte aller Fraktionen rechtzeitig in den Meinungsbildungsprozeß in ihrem Land einzubinden. Alle Bundesräte aller Fraktionen in einem Lande sind in den Meinungs- und Willensbildungsprozeß einzubinden, denn das, was man gemeinsam, beispielsweise mit der Landeshauptfrau an der Spitze, ausarbeitet, kann man dann gemeinsam in Wien vertreten. Die Landesregierungen geben seit 1945 – nicht die Landtage, das ist hochinteressant, die haben sich total verschwiegen – Stellungnahmen zu Regierungsvorlagen ab. Diese werden ja in den Landesregierungen beschlossen. Es ist überhaupt nichts dabei, wenn die Bundesräte das, was in den Landesregierungen einstimmig beschlossen wurde, hier vertreten. Eines ist allerdings nicht zu erwarten: daß die Bundesräte praktisch wie Hintersassen das, was in den Ländern ohne Einvernehmen mit ihnen beschlossen wird, unkritisch in Wien vertreten. Das würde der Gewissenhaftigkeit und der politischen Kultur widersprechen.

Daher glaube ich, daß es sehr wichtig wäre, anläßlich der Europäischen Integration auch im Föderalismusbereich zusammenzurücken. Ich bin da sehr optimistisch. Nach 1945 – da darf ich auch den Herrn Landeshauptmann Krainer senior nennen, der hier als Vorsitzender des Bundesrates gesessen ist, so wie Bruno Marek in Wien – haben wir auch ein Zusammenrücken gehabt.

Meine Damen und Herren! Was in der Ersten Republik undenkbar gewesen wäre: Wir haben heute einstimmig beschlossene Länderforderungsprogramme. Das ist eine ganz großartige


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Sache, und die Länderkammer – das möchte ich als Präsident der Länderkammer sagen – muß dankbar sein, daß die Landeshauptleutekonferenz solche Vorschläge gemacht hat. Allerdings wollen wir gemeinsam mit den Landeshauptleuten und mit den Landtagspräsidenten an die Verwirklichung dieser Beschlüsse schreiten, und daher erlauben Sie mir, daß ich auch zum Konsultationsmechanismus ein Wort sage.

Ich bin nicht erfreut über den Konsultationsmechanismus, denn das ist ein Schritt mehr in die Richtung, daß außerparlamentarisch das beschlossen wird, was das Parlament zu vollziehen hat. Das Parlament wird mehr und mehr zum Ratifikationsorgan des außerparlamentarisch Vereinbarten. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Das ist doch an und für sich eine Mutprobe, denn das ist gegen unsere Auftraggeber, meine sehr Verehrten! Hier möchte ich Ihnen sagen – ich habe das unlängst auch Kollegen Fischer in Budapest gesagt –: Die Entwicklung macht nicht beim Bundesrat halt, es trifft auch den Nationalrat. Das hat auch Professor Fischer, der für Parlamentsrecht habilitiert ist, erkannt; und das ist einer der wenigen Punkte, in denen ich mit ihm völlig einer Meinung bin – nicht gerade deckungsgleich, aber jedenfalls völlig einer Meinung mit ihm –, und ich bin auch erstaunt, wer aller für diesen Konsultationsmechanismus ist.

Meine Damen und Herren! Dieselben Leute, die uns nicht erlaubt haben, die Interessen der Länder hier im Parlament zu vertreten – ich habe eine Erfahrung vor 28 Jahren, und ich war auch schon vorher in anderen Funktionen in diesem Haus –, dieselben Leute, die es uns nicht ermöglicht haben, die Interessen der Länder zu vertreten, sind jetzt diejenigen, die sagen, daß man sie erstens gehaltlich entsprechend und uns schlechter einstufen muß – es geht ja niemand in den Bundesrat, um mächtig zu werden, und auch nicht, um viel Geld zu verdienen, denn dann hätte er die falsche Richtung gewählt –, und die zweitens jedenfalls vor sich selbst glaubwürdig sein möchten. Und da muß ich ehrlich sagen, man soll auch den Bundesräten die Möglichkeit geben, die Länder zu vertreten.

Jürgen Weiss – viele andere auch, aber vor allem Jürgen Weiss – war ein Leuchtturm des Föderalismus in Österreich, meine sehr Verehrten, und es war hochinteressant, wer das Föderalismusministerium aufgegeben hat, wer da aller zugestimmt hat von den ersten Repräsentanten der Länder. Ich werde mich in meinen Memoiren en detail damit auseinandersetzen – ich war ja schon ein Kollege von Ernst Kolb und kenne dessen Schicksal, wobei das von Jürgen Weiss noch besser ausgegangen ist. Es ist traurig, daß man diese Möglichkeiten für ein Föderalismusressort einfach nicht entsprechend nutzte, wiewohl wir durch Landeshauptfrau Klasnic heute gehört haben, welche Möglichkeiten bestehen.

Denn ich sage Ihnen: Wenn man laufend den Gemeinden und den Ländern durch den Bundesgesetzgeber Belastungen auferlegt, ohne daß diese dazu Stellungnahmen abgeben können, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Idee eines Konsultationsmechanismus entsteht. Das haben Jürgen Weiss und viele andere – vor allem aber er – immer wieder gesagt: Wenn der Bundesgesetzgeber die Gemeinden und die Länder so belastet, ohne daß diese Stellungnahmen abgeben können, dann kann es einmal passieren, daß eine Reaktion entsteht. Nur war ich ganz erstaunt, meine sehr Verehrten, wer aller in den Parteigremien – oder wo sie alle sitzen – dazu geschwiegen hat, daß es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Man braucht ja nur die Protokolle durchzulesen, um festzustellen, ob das einstimmig oder mehrstimmig stattgefunden hat, was alles über die Bühne gegangen ist. Ich gehöre diesen Gremien seit Jahrzehnten an, und Grimms Märchen habe ich in meiner Kindheit gelesen. Dazu kann man nur sagen: Die Stunde der Wahrheit, der Glaubwürdigkeit und der Wahrhaftigkeit ist gekommen, und zwar auch für den Föderalismus.

Frau Landeshauptfrau! Wenn sich der Geist dieser Stunde, die wir nicht vergessen werden, in der Landeshauptleutekonferenz und in den Konsultationsgremien fortsetzt – da bin ich schon i. R. –, dann darf ich euch bitten, bei diesem Konsultationsmechanismus auch die Länderkammer, also den Bundesrat, zu berücksichtigen, denn wir haben uns dafür eingesetzt, daß die Wünsche von Präsidenten Romeder und anderen umgesetzt wurden und daß der Gemeinde- und der Städtebund in die Verfassung aufgenommen wurden. Glauben Sie ja nicht – das ist


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alles nachlesbar anhand der Stellungnahmen –, daß das der sehnlichste Wunsch der Kammern und der anderen Gremien in diesem Staat gewesen ist!

Ich habe in der Österreichischen Gemeindezeitung einen Artikel pro darüber geschrieben – das ist in der Literatur nachlesbar –, weil ich auch heute noch der Meinung bin, daß der Staat in der Konzeption der Kelsenschen Verfassung 1920 auf geopolitischen Voraussetzungen aufbaut: Bund, Länder und Gemeinden. Daher ist gar nichts dabei, wenn der Städte- und der Gemeindebund in dieser Verfassung vertreten sind. Ich bin nur sehr erstaunt darüber, daß die Gremien, die wir unterstützt haben, damit sie in die Verfassung kommen, heute von uns nichts wissen wollen. Alles andere ist vielleicht eine Geschichte für die Tante Gusti oder jemanden, den Sie sonst schätzen. Da setzt sich nämlich niemand dafür ein, daß die Länderkammer auch bei dem Konsultationsmechanismus verankert ist.

Ich habe Gelegenheit, mich demnächst als erster Festredner bei der Eröffnung des neuen Landtagssitzungssaales in Niederösterreich in Anwesenheit der Betroffenen mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und außerdem am Tag vorher mit Kollegen Adamovich und einigen anderen – Welan, Öhlinger und so weiter – bei einer Fachtagung über die Stellung des Föderalismus, der Landtage und des Parlamentarismus zu sprechen. Dort werde ich das näher ausführen; alles weitere behalte ich meinem Schrifttum nach dem 1. Juli vor.

Nur, meine Damen und Herren, meine ich: Nützen wir gemeinsam die Stunde! Es ist so viel offen, es ist so viel möglich. Landeshauptfrau Klasnic wird bestätigen können, daß damals, als sie hier Bundesrätin war – 1977 bis 1981 –, nicht alle Fraktionen so für den Föderalismus gewesen sind, wie das heute der Fall ist. Daher sollten wir dieses Miteinander und die Tatsache, daß drei Fraktionen – wovon sich eine im Nationalrat in der Opposition befindet – ja zum Föderalismus sagen, auch nutzen, vor allem auch deshalb, da wir jetzt – das darf ich der Landeshauptfrau sagen – vorhaben, in einer Geschäftsordnungsreform, die ganz gut läuft, das darf ich ehrlich sagen, etwas einzubringen. Wir dürfen auch die Landeshauptfrau der Steiermark darum ersuchen, die der erste Repräsentant eines Bundeslandes ist, der seine ersten Schritte hier bei uns begonnen hat.

Frau Landeshauptfrau! Dieses Bekenntnis zum Bundesrat ist natürlich auch berührend. Es gibt eine Reihe von Herren, die hier begonnen haben und deren Biographien – obwohl ich ihnen wünsche, daß sie so bedeutend werden, daß sie eine Biographie verdienen – meist mit der Wahl zum Nationalrat beginnen, auch wenn sie jahrelang im Bundesrat oder in anderen Gremien gesessen sind. Hier bei Waltraud Klasnic haben Sie das Musterbeispiel, daß sie sich zur Länderkammer bekennt, von der ich als Präsident in dieser Stunde sagen kann: Wir dürfen stolz auf sie sein! Und wir dürfen auch stolz und dankbar dafür sein, daß Sie einem unserer besten Mitglieder, Frau Bundesrätin Grete Pirchegger, das zum Ausdruck gebracht hat, was heute Mangelware ist, nämlich den Dank.

Es war schon Franz Korinek, der ehemalige Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer und Finanzminister, der Vater des bedeutenden Staatsrechtslehrers Professor Dr. Karl Korinek, der ein Kollege des Professor Böhm ist, meine sehr Verehrten, der einmal gesagt hat: Die Demokratie leidet darunter, daß so viele etwas werden wollen, aber nur verhältnismäßig wenige etwas sind.

Grete Pirchegger möchte ich attestieren, daß sie etwas ist. Und du wirst auch immer etwas sein, auch wenn du nicht hier bist, was umgekehrt nicht immer der Fall sein muß, da muß sich noch jeder entsprechend anstrengen. Wir dürfen dir sagen, daß wir die Zeit, in der wir mit dir beisammen gewesen sind, bewußt erlebt haben, und zwar mit der Glaubwürdigkeit der Scholle, meine sehr Verehrten! Wir leben in einer dynamischen, in einer fluktuierenden Industriegesellschaft, aber ohne die Heimatverbundenheit – erlauben Sie mir, das auch als Gewerkschafter zu sagen –, ohne die Heimatverbundenheit des Bäuerlichen und dessen, was sich im ländlichen Raum durch die Bäuerin und den Bauer ereignet, hätten wir nicht diese Heimat, auch nicht die EU-Mitgliedschaft.


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Ich freue mich, daß ich das heute sagen kann, nachdem wir gestern Hermann Pramendorfer, einen neunfachen Familienvater, auszeichneten und ich namens des Herrn Bundespräsidenten einen Orden überreichen durfte.

Ich wünsche mir, daß wir auch in der Zukunft an das Bäuerliche so den Maßstab anlegen dürfen, wie es nach 1945 – ich möchte nur einen Namen mit Respekt nennen: Leopold Figl – der Beginn der Republik dargestellt hat und wie die Bundesländer zueinander gestanden sind – auch die Steiermark. Daher war das heute für uns ein großer Augenblick, ein Auftakt für ein Miteinander mit den Landeshauptleuten.

Ich darf die Landeshauptfrau bitten, wenn du mit deinesgleichen beisammen bist, denke an uns, so wie wir, wenn wir mit unseresgleichen beisammen sind, an euch denken. Nicht unkritisch – das wäre ja unaufrichtig –, außerdem ist das Leben keine Einbahnstraße. Seneca – das ist mein Couleur-Name im CV; ich bin nämlich etwas ganz Arges: ein CVer, und mein Couleur-Name ist Seneca – hat einmal geschrieben: Leben, mein lieber Lucilius, heißt kämpfen! Die Menschen glauben, die anderen können nichts gegen sie verfügen, sondern sie gegen die anderen. Das ist aber ein Irrtum! Es kommt darauf an, daß man in dem Miteinander auch den Gegenverkehr regelt und daß man gemeinsam in glaubwürdiger Weise die Demokratie erleben läßt.

Meine Damen und Herren! Mit Waltraud Klasnic, die unter kleinsten Verhältnissen begonnen hat, die weiß, was es heißt, ein Gehalt zu beziehen, die auch weiß, wie es ist, Unternehmer zu sein, mit Frau Klasnic und ihrem Mann – auch ihm gilt heute mein Gedenken – bin ich, was ich nie vergessen werde, im Heiligen Land schon im Straßengraben gestanden – bei der Retourfahrt vom Toten Meer, wenn du dich erinnerst –, und wir haben gemeinsam Hand angelegt, weil ein Auto zusammengebrochen ist. Wenn sie daher heute von der Maut und vom Straßenverkehr redet, dann weiß diese Frau, wovon sie spricht. Und das macht uns sehr glücklich, denn wir wollen uns mit den Landeshauptleuten und mit den Landtagspräsidenten für die Fortschreibung des Föderalismus einsetzen.

Wir danken der Landeshauptfrau für all das, was sie uns zu sagen hatte, und mit ihr gemeinsam dem Steiermärkischen Landtag mit dem großartigen Präsidenten Dipl.-Ing. Hasiba an der Spitze – ein wahrlich würdiger Nachfolger des Präsidenten Wegart (vergl.) –, daß wir zehn Jahre eine Grete Pirchegger haben durften. Der Respekt gilt deiner Funktion, unsere Freundschaft deiner Person, und diese Freundschaft wollen wir noch lange fortsetzen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

11.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen zur Erklärung der Landeshauptfrau liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Frau Landeshauptfrau! Vielen herzlichen Dank für Ihr Kommen. (Allgemeiner Beifall.)

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (110 und 652/NR sowie 5429 und 5430/BR der Beilagen)


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3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen (125 und 653/NR sowie 5431/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (147 und 654/NR sowie 5432/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 2 bis 4, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, sowie

ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen und

ein Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 4 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, liegt schriftlich vor.

Ich verzichte daher auf die weitere Verlesung und stelle namens des Gesundheitsausschusses den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt Ihnen der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen vor.

Ich stelle namens des Gesundheitsausschusses den Antrag ,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


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2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Außerdem liegt Ihnen noch der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung vor.

Ich stelle auch hier namens des Gesundheitsausschusses den Antrag,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

11.54

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieser Vorlage eines Bundesgesetzes über Suchtgifte, künftig verharmlosend Suchtmittelgesetz genannt, können und werden wir nicht zustimmen. Die vorliegende Novelle ist zwar gewiß von guten Absichten geprägt, die aber der harten Realität der zunehmenden Überschwemmung Österreichs durch harte Drogen nicht standhalten.

Ich darf dazu einige alarmierende Zahlen über die Entwicklung allein in der Bundeshauptstadt Wien nennen:

Zwischen 1990 und 1995 hat es eine Steigerung der Anzeigen von 1 612 auf 5 160, also von über 300 Prozent gegeben, bei Heroin von 403 auf 2 346, das heißt um 580 Prozent. Am schlimmsten ist aber zweifellos die tragische Zunahme der Zahl von Drogentoten von 36 im Jahr 1990 auf 122 im Jahr 1996.

Es würde daher zwar wohl jeder human eingestellte, kritische Betrachter gerne und überzeugt dem Grundsatz "Therapie statt Strafe" zustimmen, aber eben nur dann, wenn damit eine echte Lösung für diese dramatische Drogensituation, wie ich sie umrissen habe, erzielbar wäre. Scheinlösungen auf diesem Gebiet liefen hingegen auf bloße Scheinhumanität hinaus.

Eine Verwirklichung der Intentionen des Gesetzes scheitert jedoch bereits am eklatanten Mangel an tatsächlich verfügbaren Therapieplätzen. So war es bereits in der Vergangenheit, als das Problem der Süchtigkeit noch kein vergleichbares Massenphänomen war. Es ist daher durchaus kein fraktionell verengter Blickwinkel, wenn ich daran erinnern darf, daß es Abgeordneter Dr. Harald Ofner war, der als Justizminister der damaligen kleinen Koalition sogar am Beginn jener rechtspolitischen Bestrebungen stand, die heute erheblich erweitert werden sollen. Ich meine aber, daß es den Genannten ehrt und auch uns sehr nachdenklich stimmen sollte, wenn er heute in der Rückschau kritisch – das heißt, auch selbstkritisch – bemerkt, er habe selbst einmal an den erwähnten Grundsatz "Therapie statt Strafe" ehrlich und mit Optimismus geglaubt, die Praxis habe ihn dann eines Besseren belehrt. Dieses System habe sich als nicht funktionsfähig und undurchführbar erwiesen.

Gibt es eben keine auch nur annähernd ausreichende Anzahl von Therapieplätzen beziehungsweise sind die Wartezeiten, solche zu erlangen, viel zu lange, so haben selbst behandlungswillige Süchtige gar keine echte Chance auf einen Entzug. Vor dem Hintergrund dieser rauhen Wirklichkeit muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Bekämpfung der Drogenkriminalität auch repressiver Maßnahmen der Rechtsordnung nicht entraten kann.

Die gesellschaftspolitische Legitimation dafür muß man meines Erachtens auch im folgenden sehen: Es geht nicht allein um die isolierte Alternative "heilen oder strafen", die ausschließlich auf den zweifellos hilfsbedürftigen Süchtigen bezogen und konzentriert ist, vielmehr muß man darüber hinaus nicht nur den Rechtsschutz unbeteiligter und am Elend der Süchtigen in aller Regel unschuldiger Dritter gegenüber der sogenannten Beschaffungskriminalität sehen, sondern vor allem auch den absolut vorrangigen rechtlichen wie sozialen Schutz der noch nicht Süchtigen durch bereits drogenabhängige, aber höchst gefährdete Jugendliche.

Diesen von mir zuletzt angesprochenen Interessengegensätzen und Zielkonflikten wird das vorliegende Gesetz jedoch keineswegs gerecht. Aus solcher Perspektive begegnen nämlich mehrere einschneidende Neuregelungen im Bereich des materiellen Strafrechts und des Straf


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prozesses größtem Zweifel bezüglich ihrer inneren sachlichen Berechtigung und insbesondere auch ihrer Praktikabilität.

Ich akzeptiere es noch durchaus, daß in Hinkunft die Anzeigepflicht bei leichteren Suchtgiftdelikten dann entfallen soll, wenn sich der Süchtige gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterzieht. Ebenso kann man durchaus darüber reden, daß das geringfügigere Mittel der Weisung, sich einer Therapie zu unterziehen, als Alternative an die Stelle einer Untersuchungshaft treten können soll, desgleichen über die Erweiterung des Aufschubes des Strafvollzugs, um gesundheitsbezogene Maßnahmen durchführen zu können. Freilich müßte dann auch sichergestellt sein, daß der Süchtige wirklich einer entsprechenden Behandlung zugeführt wird und ihr Fortgang und ihr Erfolg wirksam überwacht werden.

Nicht mehr ernsthaft diskutabel erscheint mir aber die äußerst großzügige Erweiterung der Möglichkeit, die Anzeige durch den Staatsanwalt vorläufig zurückzulegen beziehungsweise das gerichtliche Verfahren vorläufig einzustellen, wonach künftig erstmals auch die sogenannte Begleit- oder Beschaffungskriminalität weitgehend miteinbezogen wird. Das geht nicht nur als Privilegierung zu Lasten schuldloser Dritter zu weit, indem es ihnen ein unzumutbares Sonderopfer auferlegt, sondern diese Ermächtigung erscheint auch als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig, denn die Ratio der strafrechtlichen Begünstigung gründet offenbar auch in der Überlegung, daß der Drogenabhängige nur vermindert schuldfähig ist.

Ebendieses Argument käme aber auch jedem anderen schwer Süchtigen, auch jedem schwer Nikotin- oder Alkoholsüchtigen zugute, ohne daß das Gesetz bei ihm die gleiche Milde walten läßt – und das meines Erachtens zu Recht. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die mangelnde Praktikabilität ergibt sich für mich auch daraus, daß die bloße Behauptung des einer Straftat Verdächtigten oder Überführten, an Drogen gewöhnt zu sein, nicht stets überprüfbar ist. Zunächst müßte also objektiv festgestellt werden können, daß der Drogentäter selbst abhängig ist. Sonst würde gewitzten oder durch einschlägige Vereine gut beratenen Mitgliedern der entsprechenden Szene ein mißbräuchlich nutzbarer Freiraum verschafft werden. Ja, noch viel schlimmer: Professionelle Drogendealer könnten dadurch selbst in den Genuß jener Bestimmungen kommen, die ausschließlich zugunsten süchtiger Täter erlassen worden sind.

Daß es der Mehrheit im Nationalrat bedauerlicherweise nicht primär um den Schutz der noch nicht von der Sucht befallenen Jugendlichen gegangen ist, zeigt auch die Ablehnung des Vorschlages einer mit Suchtgiftkranken beruflich befaßten Primaria, Frau Abgeordneter Dr. Povysil – sie trägt allerdings den "Makel", der freiheitlichen Fraktion anzugehören. Sie ist nachdrücklich für eine aus begründetem Anlaß erfolgende Drogenkontrolle in den Schulen durch den Schularzt eingetreten. Abgeordneter Dr. Rasinger berief sich auf seine früheren Erfahrungen als Schularzt, als er ihr entgegenhielt, daß jeder Schüler, der auch nur im Verdacht steht, eine Droge probiert zu haben, gnadenlos von der Schule verwiesen werde. Zwar bin ich bereit, ihm das zu glauben, halte aber ein solches Vorgehen für völlig verfehlt und sachlich unvertretbar.

Sogar diesem ernstzunehmenden Bedenken gegenüber muß ich mit Entschiedenheit die kritische Frage stellen: Geht es uns primär um den Schutz des einzelnen Süchtigen, oder geht es uns primär um den Schutz der noch nicht von der Sucht befallenen Jugendlichen vor der Gefährdung durch bereits Drogenabhängige? Geht es primär um Rehabilitation oder um Prävention? – Eine Rechtsordnung, die sogar im Bereich der Schule dem Ziel der drogenfreien Gesellschaft nicht den klaren Vorrang gegenüber dem Ziel der Entwöhnung bereits Süchtiger einräumt, verwirkt meines Erachtens die Legitimation für die Schulpflicht, weil sie die elementarste Schutzpflicht gegenüber den der Schule anvertrauten gefährdeten Jugendlichen vernachlässigt.

Zurück zum strafrechtlichen Aspekt der Neuregelung: So sehr ich als ein dem Zivilrecht verhafteter Jurist die Reaktion der Rechtsordnung mit den repressiven Mitteln des Strafrechts nur für die Ultima ratio halte, so wenig Verständnis habe ich dafür, daß die Rücknahme strafrechtlicher Sanktionen, auch im Bereich der Beschaffungskriminalität, der Kompetenz des Bundesministers für Justiz auf exekutiver und des Justizausschusses auf parlamentarischer Ebene ent


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zogen worden ist. Freilich dürfte die Verlagerung auf das Gesundheitsministerium und den Gesundheitsausschuß der von mir kritisch beleuchteten ideologischen Vorgabe entsprochen haben. Denn die Befassung des Bundesministeriums für Justiz, aber wohl auch die Beiziehung von Experten aus der Exekutive, von Staatsanwälten und Richtern hätte aus der je spezifischen eigenen Verantwortung heraus zweifellos zur Devise des durch die normative Kraft des Faktischen inzwischen bekehrten ehemaligen Ressortchefs Ofner führen müssen: Im Zweifelsfall sind die Interessen der noch nicht an der Droge hängenden jungen Menschen den Interessen der straffällig gewordenen Abhängigen, die nicht therapiert werden können, voranzustellen.

Zudem müßten Kontakte von tatsächlich oder auch nur angeblich selbst abhängigen Dealern einerseits zu straffällig Gewordenen und andererseits zu noch nicht mit dem Suchtgift in Berührung gekommenen jungen Menschen nachhaltig unterbunden werden. Alles andere wäre eine Katastrophe für ihre Umgebung, das heißt, ihre Zielgruppe wären immer jüngere Abnehmer.

Aus diesem Grund, aus dieser Schutzfunktion und nicht etwa aus einer "Law and order"-Mentalität heraus müßte die Untersuchungshaft bei schwerwiegenden Drogendelikten – also für Händler mit harten Drogen im großen Stil – obligatorisch sein und müßte bei entsprechender Verurteilung unbedingte Strafe verhängt werden. Die Dealer könnten sonst während der Therapie ihr unseliges Handwerk fortsetzen.

Nur am Rande möchte ich erwähnen, daß mir die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Methode zur Abgrenzung der leichteren von den schwereren Suchtgiftdelikten wenig praktikabel erscheint, wonach die Untergrenze der großen Menge bei Suchtgiften in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums – im Einvernehmen mit dem Justizminister und mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates – festgelegt wird.

Abseits der strafrechtlichen Maßnahmen – diese stellen selbstverständlich kein Patentrezept dar – müssen alle, wirklich alle und nicht zuletzt auch die finanziellen Anstrengungen dahin gehen, taugliche Therapieangebote in ausreichendem Umfang bereitzustellen, insbesondere für jugendliche Abhängige und manchmal leider fast noch halbe Kinder, für die solche Angebote derzeit in besonderem Maße fehlen. Denn die Hauptgefahr – das möchte ich wiederholen – besteht heute für immer jüngere Betroffene darin, daß sie von selbst abhängigen Dealern – die nicht bestraft werden, weil sie therapiert werden sollen, aber mangels entsprechender Plätze gar nicht behandelt werden können – erstmals und vielfach dauerhaft zum Drogenkonsum verführt werden.

Trotz anzuerkennender positiver Ansätze beschreitet die gegenständliche Novelle meiner Überzeugung nach einen gefährlichen Weg. Dieser weist in eine Richtung, die wir nicht mitverantworten können. Wir müssen und werden dieser Novelle daher unsere Zustimmung versagen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Therese Lukasser. Ich erteile es ihr.

12.07

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die vorliegenden legistischen Änderungen im Zusammenhang mit dem Suchtmittelgesetz halte ich für einen gangbaren Weg zwischen den Extrempositionen der völligen Drogenfreigabe und der totalen Drogenrepression. Die von Dr. Böhm verlangte Lösung ist – mag er sie auch abseits von "Law and order" sehen –, wie sich am Beispiel der USA zeigt, eine Scheinlösung, ebenso die totale Freigabe, die einen massiven Anstieg des Drogenkonsums zur Folge haben würde.

Der mit dieser Vorlage eingeschlagene Weg, der auf den vier Säulen Prävention, teilweise Repression, Therapie und Substitutionsbehandlung basiert, garantiert langfristig bessere Ergebnisse, und wir werden daher zustimmen.


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Den kranken Menschen neue Hoffnung zu geben – das war der Grundtenor der Ansprachen, die vor 14 Tagen in meinem Heimatbezirk Osttirol gehalten wurden, als eine Drogen- und Alkoholberatungsstelle eröffnet wurde. Der zuständige Gerichtsvorsteher sagte: Im Vorjahr wurden 42 Anzeigen nach dem Suchtgiftgesetz erstattet, die zu fünf Verurteilungen führten; in den anderen Fällen wurden Therapiemaßnahmen angeordnet. Damit wird auf den Stellenwert hingewiesen, den die Hilfeleistung gegenüber den Süchtigen auch in der Rechtspflege hat.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf einen Vergleich verweisen, den der amerikanische Soziologe Stanley Cohen angeboten hat, um die derzeitige Drogenarbeit zu charakterisieren. Danach müßte man sich eine auf diesem Gebiet tätige Person etwa so denken, daß sie am Ufer eines Flusses entlanggeht und nach Menschen Ausschau hält, die hilflos in der Mitte des Flusses treiben, von der Strömung fortgespült werden und vergeblich versuchen, über Wasser zu bleiben und ans Ufer zu gelangen. Der Helfer am Ufer ist eifrig bemüht, die Vorbeitreibenden aus dem Wasser zu ziehen, ihnen Rettungsleinen zuzuwerfen oder ihnen durch lautes Rufen und Gestikulieren die Stellen zu zeigen, an denen sie vorläufig Halt finden können. Doch immer, wenn es gelungen ist, eine Person aus dem Wasser zu ziehen oder vorübergehend zu sichern, treiben schon die nächsten Opfer heran, einige in Reichweite, andere nahezu unerreichbar. Während eine Vielzahl von Helfern am Ufer mit der Rettung der Vorbeitreibenden beschäftigt ist, wird eine kleine Gruppe für eine Spezialaufgabe zusammengestellt und flußaufwärts geschickt, um die Stellen ausfindig zu machen, an denen die Menschen ins Wasser fallen oder hineingestoßen werden. Dort sollen sie Warn- und Hinweisschilder aufstellen, gegebenenfalls das Terrain abriegeln oder andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um weitere Unglücksfälle zu verhüten. Da es aber keine Landkarte für das Gebiet flußaufwärts gibt, muß diese Gruppe am Flußufer entlang das Gelände nach und nach erkunden und dabei Wege gehen, die mitunter nicht sehr weit führen. – Ende des Zitats.

Dieses Warnschilder-Aufstellen und Terrain-Abriegeln ist eine der vorhin genannten vier Säulen, das ist die Prävention. Prävention bedeutet ein Zuvorkommen, ein Zuvorkommen gegenüber ausweichendem Verhalten. So gesehen ist es eine kulturelle, soziale und pädagogische Aufgabe.

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation – WHO – können drei Arten von Prävention unterschieden werden. Ich möchte diese drei Arten anführen, weil der Prävention auch in der Rede von Dr. Böhm ein gewisser Stellenwert beigemessen wurde. Die primäre Prävention setzt vor dem experimentellen beziehungsweise vor dem regelmäßigen Gebrauch an. Die sekundäre Prävention hat ebenfalls zwei Ansatzpunkte, und zwar vor dem regelmäßigen beziehungsweise vor dem übermäßigen Gebrauch. Die tertiäre Prävention setzt vor dem übermäßigen Konsum beziehungsweise als dessen Begleitmaßnahme an. Je nach dem Zeitpunkt des Eingreifens wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden.

Die Prophylaxe, die realistischerweise hauptsächlich in der Schule stattfinden kann, ist die primäre und die sekundäre Prävention. Sie besteht in erster Linie nicht in einer Informationsweitergabe, sondern in einer Veränderung der Verhaltensweisen. Darüber hinaus geht es darum – ich weiß, was ich jetzt sage –, die Schule so zu gestalten, daß sie nicht zum suchtauslösenden Faktor wird. Die periodische Beilage zur April-Ausgabe des Verordnungsblattes des Landesschulrates für Tirol befaßt sich eingehend mit Gesundheitsförderung und Suchtprävention in den Tiroler Schulen.

Ich möchte zunächst grundsätzlich zu der Frage Stellung nehmen, warum es Suchtprävention in der Schule geben soll. Mit Sicherheit kann die Schule nicht mehr tun, als sich an den notwendigen Maßnahmen zu beteiligen. Sie darf nicht als die Institution angesehen werden, die vor allem aufgerufen ist, den Rauschmittelkonsum zu stoppen, wie es leider immer wieder gefordert wird. Die Schule allein ist nicht in der Lage, alle Schüler vor den Gefahren von Nikotin, Alkohol und Drogen zu bewahren. Die Schule ist nur eine der Kräfte im Feld der Vorbeugung, einerseits wegen der begrenzten Erziehungs- und Einflußmöglichkeiten, andererseits wegen der anderen Aufgaben der Schule.


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Die Schule sollte sich aber vor allem aus den folgenden Gründen trotzdem engagieren: Sie ist die einzige Institution der Gesellschaft, die alle Jugendlichen erfaßt. Sie ist gewissermaßen das Bindeglied und Übergangsmedium vom Leben in der Familie zum Leben in der Gesellschaft. Sie ist nicht nur eine Einrichtung des Unterrichtens, sondern auch eine der Erziehung, daher dürfen bestimmte Problembereiche nicht ausgespart werden. Sie ist als eine Institution der Gesellschaft und als zweitwichtigster Ort der Sozialisation von Heranwachsenden verpflichtet, mit ihren Mitteln und Möglichkeiten zur Lösung gesellschaftsrelevanter Probleme beizutragen. Schließlich ist die Schule durch das fächerübergreifende Unterrichtsprinzip Gesundheitserziehung zur Prävention verpflichtet. Bei der Persönlichkeitsentwicklung Hilfestellung zu leisten ist direkte Suchtprävention.

Nun zu den Aufgaben und zur Funktion des Lehrers: Es ist nicht sinnvoll, Suchtprävention an einzelne Lehrer, Psychologen oder Sozialarbeiter zu delegieren, weil Delegieren auch ein Abschieben der Verantwortung von vielen auf einige wenige oder einzelne bedeutet. Daher müßten konsequenterweise möglichst alle Lehrer mit Suchtprävention befaßt werden, damit – das ist zugegebenermaßen eine Wunschvorstellung – alle daran beteiligt sind, integrativ suchtpräventive Unterrichts- und Erziehungsarbeit zu leisten; dies umso mehr, als Suchtprävention keine Spezialerziehung verlangt, sondern "nur" – unter Anführungszeichen – Engagement in der Erziehung.

In diesem Zusammenhang darf ich auf eine Vereinbarung von maßgeblichen Vertretern der Schule und des Landes Tirol vom 3. März dieses Jahres verweisen. Es soll ein Konzept für schulische Suchtprävention erstellt werden, das unter anderem auch in die Lehrerfortbildung einfließen soll. Als wesentliche Ziele werden genannt: gegenseitiger Meinungs- und Erfahrungsaustausch, Meinungsbildung, Reflexion der eigenen pädagogischen Tätigkeit, Motivation für suchtpräventive und/oder gesundheitsfördernde Tätigkeit sowie Erwerb von Grundlagenwissen und Handlungskompetenz.

Da die Lehrerfortbildung im wesentlichen freiwillig ist, müssen alle Angebote so gestaltet werden, daß sie von den Bedürfnissen der Lehrer ausgehen, ihnen entgegenkommen und von ihnen als sinnvolle Tätigkeit akzeptiert werden können. Kurz: In der Lehrerfortbildung muß neben der Vermittlung von Grundkenntnissen die Erhöhung der eigenen psychosozialen Kompetenz im Vordergrund stehen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In Anlehnung an Hermann Hesse möchte ich sagen: Wir dürfen nicht "hinten beginnen", nämlich bei den Regierungsformen und politischen Methoden, sondern wir müssen "vorn anfangen", das heißt beim Bau der Persönlichkeit, wenn wir wieder Frauen und Männer haben wollen, die unsere Zukunft verbürgen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

12.17

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Das geltende österreichische Suchtgiftgesetz 1951 liegt in der Novelle von 1985 vor. Es erfaßt Suchtgifte im Sinne der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961 und psychotrope Stoffe im Sinne der Anhänge I und II zur Psychotropenkonvention 1971.

Die in den Anhängen II und IV der Psychotropenkonvention 1971 genannten psychotropen Stoffe und die in den Anhängen I und II des Übereinkommens von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen angeführten "Vorläuferstoffe" fallen hingegen noch nicht unter die Strafbestimmungen des geltenden Suchtgiftgesetzes. Ihre Berücksichtigung ist in der gegenständlichen Gesetzesvorlage, dem künftigen "Suchtmittelgesetz", ebenso wie die Schaffung von rechtlichen Grundlagen für den geplanten Beitritt zu den Konventionen von 1971 und 1988 vorgesehen.


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Diese Gesetzesvorlage wurde im übrigen gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit dem Justizressort und in Abstimmung mit den Ländern erarbeitet.

Bei den zusammengezogenen Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung handelt es sich also einerseits um einen Gesetzentwurf, der das Suchtgiftrecht – teils modifiziert – aus dem Suchtgiftgesetz 1951 übernimmt und darüber hinaus Regelungen für psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe schafft. Andererseits tragen wir mit diesen Vorlagen internationalen Verpflichtungen Rechnung, indem unser Land endlich die Grundlagen für den seit langem geplanten Beitritt zum UN-Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen schafft und darüber hinaus mittels Staatsvertrag diesem Übereinkommen beitritt.

Im Gesetz selbst werden also der Anwendungsbereich und die Begriffe "Suchtgifte", "psychotrope Stoffe" und "Vorläuferstoffe" definiert, wobei der Begriff "Suchtmittel" als gemeinsamer Überbegriff sowohl die Suchtgifte als auch die psychotropen Stoffe umfaßt.

Ein weiterer Schwerpunkt berücksichtigt administrative Kontrollmaßnahmen über den Verkehr und die Gebarung mit Suchtmitteln sowie gesundheitsbezogene Maßnahmen und Regelungen von Einrichtungen mit Betreuungsangebot für Personen, die Suchtgift mißbrauchen.

Administrative Kontrollmaßnahmen über sogenannte Vorläuferstoffe werden in einem weiteren Abschnitt geregelt, ebenso die Überwachung des Verkehrs mit Suchtgiften, psychotropen Stoffen und Vorläuferstoffen, durch eine besondere Verwaltungsdienststelle beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Strafrechtliche Bestimmungen und Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Suchtgifte, psychotropen Stoffe und Vorläuferstoffe werden im fünften und vorletzten Abschnitt zusammengefaßt, die Schlußbestimmungen sind im sechsten Hauptstück des Gesetzes berücksichtigt.

Das 1971 geschlossene UN-Übereinkommen über psychotrope Stoffe sowie das 1988 geschlossene UN-Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen verlangen, jegliche Form des Handels mit psychotropen Stoffen und Vorläuferstoffen bei Strafe zu unterbinden.

Zur Umsetzung dieser Übereinkommen ist es erforderlich, neben den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen administrativen Kontrollmaßnahmen auch gerichtliche Strafdrohungen für den Verkehr mit Substanzen, die bisher im Suchtgiftgesetz 1951 keine Berücksichtigung fanden, vorzusehen.

Aus diesem Grund werden einerseits strafrechtliche Regelungen für psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe geschaffen. Andererseits wird der Verkehr weiterer psychotroper Substanzen, deren Gebrauch als Arzneimittel vorgesehen ist, nicht behindert, deren unkontrollierte, in der Regel mit Gewinnstreben verbundene Vertreibung jedoch unterbunden.

Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich konkret zu einzelnen Grundsätzen und Zielen des neuen Suchtmittelgesetzes Stellung beziehen.

Zum Ausbau des Prinzips "Therapie statt Strafe", das hier der Kritik unterzogen wurde: Die vorläufige probeweise Anzeigenrücklegung bei leichten Suchtmittelvergehen, also eine geringe Menge von Suchtmitteln, wird auf weniger schwere Fälle strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Suchtmittels ausgedehnt.

Voraussetzung dafür ist jedoch, daß sich der betreffende Drogenkranke gesundheitsbezogenen Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes unterzieht. In schwereren Fällen, in denen der Staatsanwalt Anklage erhebt und das Gericht eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei bis drei Jahren verhängt, kann das Gericht den Vollzug der Strafe aufschieben, wenn der Suchtkranke eine Therapie absolviert.


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Im Suchtmittelgesetz ist vorgesehen, daß verdächtige Drogenkranke die Zeit zwischen Anzeige und Prozeß nicht in Untersuchungshaft verbringen müssen, wenn sie sich statt dessen gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterwerfen.

Zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen für Menschen mit Suchtgiftproblemen ist festzustellen, daß erstmals die gesundheitsbezogenen Maßnahmen gesetzlich genau festgelegt werden. Dabei wird auch die klinische Psychologie und die Psychotherapie einbezogen.

Alle Einrichtungen, in denen gesundheitsbezogene Maßnahmen durchgeführt werden dürfen, müssen vom Gesundheitsressort bewilligt werden, ihr Betreuungsangebot genau definieren und darlegen, ihre Tätigkeit laufend dokumentieren und jährlich einen schriftlichen Bericht legen sowie über einen mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches vertrauten Arzt verfügen. Begutachtende Ärzte müssen – ungeachtet dessen, ob sie Amtsärzte sind oder nicht – mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches vertraut sein.

Zum verbesserten Jugendschutz durch Maßnahmen gegen Mode- und Designerdrogen: Durch die Einbeziehung von psychotropen Stoffen und Vorläuferstoffen in Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes kann in Zukunft auch der Kampf gegen sogenannte Mode- und Designerdrogen – Stichwort Ecstasy –, die gerade unter sehr jungen Menschen verbreitet sind, effizient geführt werden.

Auch eine bessere rechtliche Verankerung der Schmerztherapie wird vorgesehen. Hiezu ist festzuhalten, daß das neue Suchtmittelgesetz die Voraussetzungen für die Verschreibung von und die Behandlung mit suchtgifthaltigen Arzneimitteln neu regelt.

Während derzeit nach dem Suchtgiftgesetz Suchtgifte als Ultima ratio nur dann verschrieben werden dürfen, wenn die Behandlung mit anderen, nicht suchtgifthaltigen Arzneimitteln keinen Erfolg verspricht – weshalb auch heute noch die Schmerztherapie häufig verzögert beziehungsweise nicht dem individuellen Bedarf der betroffenen Patienten entsprechend verabreicht wird –, soll die Neuregelung auf eine dem jeweiligen Schmerzniveau angepaßte ärztliche Behandlung auch mit Opiaten hinwirken und ungenügende Verschreibungspraxis verhindern helfen.

Damit soll einem effektiven Schmerzbehandlungsmanagement – etwa bei Patienten mit fortgeschrittenem Krebsleiden – als wichtigem Bestandteil der Krebsbehandlung der Weg gewiesen werden. Die Verschreibung suchtgifthaltiger Schmerzmittel soll künftig dann, wenn sie mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung im Einklang steht, zulässig sein.

Zur besseren rechtlichen Verankerung der Substitutionstherapie ist festzustellen: Ist eine Abstinenzbehandlung Suchtkranker temporär aussichtslos, soll der behandelnde Arzt künftig ein suchtgifthaltiges Arzneimittel verschreiben dürfen, wenn nur dadurch eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes erreicht werden kann.

Der Entwurf trägt der Tatsache Rechnung, daß eine Abstinenz von Opiaten nicht in jedem Fall erreicht werden kann und in diesen Fällen die Behandlung mit suchtgifthaltigen Arzneimitteln einer weiteren illegalen Opiatabhängigkeit vorzuziehen ist.

Heroin kann gemäß dem neuen Gesetz nicht als Substitutionsmittel verordnet werden, da Heroinpräparate in Österreich als Arzneimittel nicht zugelassen und daher nicht auf dem Markt sind.

Durch die Einbeziehung der sogenannten psychotropen Stoffe und Vorläufersubstanzen in das neue Suchtmittelgesetz wird die Voraussetzung geschaffen, daß Österreich als letztes EU-Land der UN-Psychotropenkonvention 1971 sowie dem UN-Übereinkommen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen beitreten kann. Der Beitritt zu diesen internationalen Übereinkommen stellt auch die Umsetzung zwingender EU-Vorgaben dar.


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Zu Cannabis: Durch dieses Gesetz wird der Cannabis-Konsum weder freigegeben noch verschärft geahndet. Es räumt den Cannabis-Erstkonsumenten jedoch eine zweite Chance ein. Einmaliger "Neugierkonsum" soll keine unangemessene existenzgefährdende Folgewirkung haben. Das Instrument der vorläufigen, probeweisen Anzeigenrücklegung bei Fällen von Cannabis-Erstkonsum wurde daher praktischen Erfahrungen zufolge vereinfacht und entbürokratisiert.

Wenn sich meine Ausführungen zur Drogenproblematik bisher vor allem auf den Blickwinkel des Gesundheitsressorts bezogen, so möchte ich doch auch auf damit verbundene soziale Probleme sowie Auswirkungen im Polizei- und Justizbereich eingehen.

Drogensucht entsteht meist in Verbindung mit sozialen Problemsituationen. Im Zuge der Abhängigkeit verschärfen sich diese Probleme, und es kommen weitere hinzu. Dies reicht vom vorzeitigen Verlassen des Bildungssystems über Konflikte und Bruch mit der Familie bis zur Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit.

Die sozialen Probleme von Drogenabhängigen werden durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere durch die mit der Sucht einhergehende Diskriminierung und Kriminalisierung verschärft beziehungsweise erzeugt.

Im Jahre 1995 wurden in Österreich 13 093 Personen wegen Verstoß gegen Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes zur Anzeige gebracht. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr wohl eine Steigerung um 3,7 Prozent, dennoch kann dies als Stabilisierung angesehen werden, da vergleichsweise 1993 noch ein Anstieg um 39,8 Prozent und 1995 ein solcher um 15,6 Prozent festzustellen war.

Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich um die sogenannte Anzeigestatistik, das heißt, es sind nur jene Fälle berücksichtigt, die der Sicherheitsexekutive auch tatsächlich bekanntgeworden sind.

Im Vergleich dazu wurden 1995 in Österreich 2 459 Personen wegen eines Verbrechenstatbestandes nach dem Suchtgiftgesetz angezeigt. Daraus ergibt sich nach dem einmaligen Rückgang der Anzeigen wegen eines schweren Suchtgiftdeliktes im Vorjahr neuerlich eine Steigerung um 9,3 Prozent.

Für eine objektive Bewertung hilft uns deshalb nur eine längerfristige Betrachtung der Drogensituation in Österreich. Dabei stellen wir fest, daß bis Ende der achtziger Jahre das Drogenproblem stabil zu sein und sich im Vergleich zu den siebziger Jahren sogar zu beruhigen schien.

Anfang der neunziger Jahre kehrte sich dieses Bild auf Basis der wenigen vorliegenden Indikatoren plötzlich um. Sowohl die Statistik der Drogenopfer als auch jene der Anzeigen und Beschlagnahmungen zeigte über einige Jahre einen deutlichen Anstieg. Dies erzeugte den Eindruck einer dramatischen Zuspitzung der Drogenproblematik, die sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in der medialen Darstellung niederschlug.

Expertenanalysen entschärften dieses Bild und wiesen darauf hin, daß wohl Grund zur Besorgnis, aber nicht zur Dramatisierung besteht. Weder konnte auf Basis von vorliegenden Konsumerhebungen festgestellt werden, daß Drogenerfahrungen in der Gesamtbevölkerung oder bei Jugendlichen im Zunehmen sind, noch fanden sich Belege für einen relevanten Anstieg der Zahl der Drogenabhängigen.

Dieser scheinbare Widerspruch zwischen steigenden Todesfällen und Anzeigen auf der einen Seite und einer relativ stabilen Entwicklung bezüglich der Zahl der Drogenkonsumenten auf der anderen Seite löst sich auf, wenn man den dahinterliegenden Faktoren auf den Grund geht.

Anfang der neunziger Jahre kam es infolge der Ostöffnung zu relevanten Veränderungen auf der Angebotsseite. Über die Ostgrenzen kam mehr, billigeres und konzentriertes Heroin auf den österreichischen Drogenmarkt. Dies führte in Kombination mit anderen Entwicklungen zu einer Veränderung bei den Konsummustern der bereits Drogenabhängigen, sowohl bezüglich der konsumierten Substanzen als auch der Verabreichungsform.


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Im Rahmen der weiterhin vorherrschenden Polytoxikomanie der Drogenabhängigen wurde Heroin als Leitdroge immer bedeutsamer, gleichzeitig beziehungsweise damit im Zusammenhang stieg auch der intravenöse Konsum. Diese Entwicklung hin zu riskanterem Drogenkonsum schlug sich in einem Anstieg der Überdosierungen nieder, von denen viele tödlich endeten. Das heißt, der Anstieg der Todesfälle spiegelt weniger einen relevanten Anstieg der Drogenabhängigen, sondern eher eine Tendenz in Richtung riskanterem Konsum wider.

Erinnern wir uns zurück an die ernste und problematische Situation Anfang der neunziger Jahre in vielen Bereichen Österreichs. Nicht nur am Karlsplatz drohte die offene Drogenszene zu eskalieren. Täglich haben sich mehrere hundert Personen über einen längeren Zeitraum in der Szene aufgehalten, Drogen konsumiert, Drogen gehandelt – die Kleinkriminalität stieg an, und die Anziehungskraft vor allem auf Jugendliche aus Wien und den Bundesländern stieg sprunghaft an.

In den Jahren 1990 und 1991 wurde die Wiener Drogenkommission eingerichtet und im Zuge eines breiten Diskussionsprozesses mit Dutzenden Fachleuten und Politikern das Wiener Drogenkonzept erstellt. Die Stadt Wien legte damit österreichweit das erste Drogenkonzept vor, die Länder Vorarlberg und Tirol folgten dem Wiener Beispiel.

Mit dem Wiener Drogenkonzept wurde nicht nur eine neue Entwicklung eingeleitet, es liegt auch eine erfreuliche Bilanz vor. So erfolgreich der Wiener Weg in der Drogenpolitik aber auch sein mag, er kann nicht generell übernommen werden. In der Drogenpolitik gibt es keine Patentrezepte. Jede Stadt und Region muß für sich selbst ein Modell entwickeln. So wie jede Droge und jedes Rauschmittel eigene Lösungsansätze braucht, bedarf es auch in der Drogenpolitik einer breiten Palette von Maßnahmen.

Im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien wurde im Rahmen einer Umstrukturierung die interne Zuständigkeit zur Verfolgung des Drogenhandels neu definiert, eine personelle Aufstockung vorgenommen und ebenso Klarheit über die Vorgangsweise bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bereich der Drogenszene herbeigeführt.

Durch einen großzügigen Ausbau des Spritzentauschprogrammes und einer Ausweitung der Substitutionstherapie ist die HIV-Rate unter Drogenabhängigen in Wien besonders gering und konstant. Der in vielen europäischen Großstädten zu beachtende Anstieg von HIV-Infektionen konnte in Wien verhindert werden.

Durch die hohe Rücklaufquote beim Spritzentausch – 1996 wurden über 80 Prozent der Spritzen zurückgestellt – und ein eigenes Projekt zum Einsammeln und Entsorgen von gebrauchten Spritzen ist die Problematik von herumliegendem Injektionsbesteck in Parkanlagen und Kinderspielplätzen eingedämmt worden.

Mit dem Grundsatz einer integrierten Drogenpolitik ist es in Wien gelungen, neue Maßstäbe zu setzen. Die Behandlung und Betreuung der gesellschaftlichen Randgruppe Drogenabhängiger sind heute nicht mehr ausschließlich Angelegenheit von Spezialisten in Drogeneinrichtungen, sondern in weiten Bereichen des sozialen und medizinischen Netzes der Stadt selbstverständlicher Bestandteil der Aufgabenstellung.

Um dies zu erreichen, war und ist es auch in Zukunft notwendig, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch durch Kommunikation, Fortbildung und Veranstaltungen zu forcieren und neue Kooperationsmodelle zu entwickeln.

So hat beispielsweise der Schulpsychologische Dienst in Wien noch vor sechs Jahren nur einen einzigen Schüler mit Drogenproblematik beraten – heute sind es rund 700. Dadurch ist gewährleistet, daß Schüler mit beginnendem Drogenmißbrauch nicht automatisch aus der Schule entfernt werden und sich damit eine Spirale des sozialen Abstiegs entwickelt.

In anderen Bundesländern ist es nicht – so wie in Wien – selbstverständlich, daß sich beispielsweise das Jugendamt oder das Sozialamt, die Jugendzentren, die Schulpsychologie, die Notfallaufnahmestationen in den Spitälern, die allgemein-psychiatrischen Abteilungen, die Rettung, der


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Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst, das Arbeitsamt und viele andere mit der Suchtproblematik auseinandersetzen und sich in ihrem Zuständigkeitsbereich engagieren.

Um auf das vorliegende Suchtmittelgesetz zurückzukommen, darf ich abschließend feststellen, daß meiner Ansicht nach für eine ehrliche und erfolgreiche Drogenpolitik folgende Faktoren maßgeblich sind:

Erster Faktor: Klarheit in der Drogenpolitik: Strategie und Repression gegenüber dem Drogenhandel und "Therapie statt Strafe" bei Drogenkonsum.

Ein weiterer Faktor: Ausbau des Therapieangebotes: Abbau der Wartezeiten bei Drogenentzug, Erweiterung der stationären Langzeittherapiemöglichkeiten, großzügiger Ausbau der ambulanten Drogeneinrichtungen, Schaffung neuer Drogenambulanzen und Drogenberatungsstellen, möglichst umfassende Einbeziehung Drogenabhängiger in Betreuungs- und Behandlungsverhältnisse.

Auch der Ausbau der Substitutionsbehandlung mit besonderem Schwerpunkt auf die Erweiterung der psychosozialen Begleitung ist notwendig.

Darüber hinaus sind gezielte Programme für spezielle Zielgruppen erforderlich – Zielgruppen, die Überdosispatienten, drogenabhängige Schwangere, jugendliche Risikokonsumenten, Langzeitarbeitslose, Problemfamilien, HIV-Infizierte und AIDS-Kranke umfassen.

Ebenso ist der Aufbau von gezielten Präventionsmaßnahmen erforderlich, nämlich die Erarbeitung eines pädagogischen Konzeptes, gezielte Angebote in sämtlichen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen aller sozialen, pädagogischen und medizinischen Berufe und die Errichtung einer Informationsstelle für Suchtprävention.

Der vorliegende Entwurf des Suchtmittelgesetzes, der Abschluß des Staatsvertrages und die Beitritte zu den UN-Übereinkommen sind unbestritten. Dem Antrag des Berichterstatters zu diesen Vorlagen darf ich daher – auch namens meiner Fraktion – gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Michalek zu Wort. Ich erteile es ihm.

12.37

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren ist es in Österreich ein unbestrittener Grundsatz, daß das Drogenproblem nicht durch rein repressive Maßnahmen, nicht allein durch den Einsatz des Strafrechtes sinnvoll zu lösen ist. Es ist immer außer Frage gestanden, daß Sucht und Abhängigkeit primär medizinische Probleme sind, sodaß es über das Strafrecht hinausgehender, medizinisch-therapeutischer Ansätze bedarf. Die Justiz kann sich dieser Einsicht nicht verschließen und muß in ihrem Bereich kreative Lösungen entwickeln, um auf ein äußerst vielschichtiges und komplexes Problem adäquate Antworten zu finden.

So haben wir es mit dem geltenden Suchtgiftgesetz gehalten, und so soll es auch mit dem neuen Suchtmittelgesetz bleiben. Die grundlegende Überlegung des keineswegs neuen Konzeptes "Therapie statt Strafe" ist, daß dort, wo medizinisch-therapeutische Maßnahmen notwendig, sinnvoll, erfolgversprechend und adäquat sind, das Strafrecht zumindest vorläufig einen Schritt zurücktreten soll, um den Behandlungs- und Betreuungsstellen die Möglichkeit zu geben, dem Abhängigen zu helfen und diesen – wie ich es gerne nenne – "unter dem Damoklesschwert des Strafrechts" zur Inanspruchnahme des Hilfsangebotes zu motivieren.

Aber dort, wo schwerere Verbrechen – etwa organisierte Kriminalität oder professioneller Drogenhandel – begangen werden, soll sogleich mit der gebotenen Härte vorgegangen werden.


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Wie sehr auch das neue Suchtmittelgesetz diesem Grundgedanken Rechnung trägt, kann an den beiden strafrechtlichen Schwerpunkten des Gesetzes festgemacht werden: an der vorläufigen Anzeigezurücklegung und am vorläufigen Aufschub des Strafvollzuges.

Die vorläufige probeweise Anzeigezurücklegung bei nicht großen Mengen von Suchtmitteln wird durch dieses Gesetz durchaus maßvoll und – wie ich ausdrücklich sagen möchte – in Übereinstimmung mit den Wünschen der Praxis nach Lockerung des Korsetts, das sich bisher als zu eng erwiesen hat, ausgedehnt auf weniger schwere Fälle strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Suchtmittels. Dabei lege ich Wert darauf, von "Beschaffungskriminalität" und nicht – mit einem weiteren Begriff – von "Begleitkriminalität" zu sprechen.

Mit diesen Neuerungen wird – fakultativ und keineswegs zwingend – ermöglicht, daß nicht nur der Süchtige, der bloß wegen des Erwerbs oder des Besitzes von Suchtmitteln angezeigt wird, sondern auch derjenige, der sich etwa im Wege eines geringeren Eigentumsdeliktes oder einer Rezeptfälschung die Mittel für seine Sucht beschafft hat, nicht in jedem Fall mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen verurteilt werden muß, sondern unter bestimmten, gesetzlich präzise festgelegten Voraussetzungen sogleich einer Behandlung und Betreuung zugeführt werden kann.

Zur Klarstellung möchte ich sagen, daß die bloße Behauptung der eigenen Sucht keineswegs ausreicht, um diese Maßnahme Platz greifen zu lassen, sodaß der professionelle Händler nicht in den Genuß dieser diversionellen Alternativen kommen wird.

Die zweite wesentliche Änderung betrifft die bereits mit dem Suchtmittelgesetz 1985 bestehende Möglichkeit der nachträglichen Strafmilderung durch Umwandlung einer unbedingten Freiheitsstrafe in eine bedingte, wenn der Verurteilte im Zuge eines ihm gewährten Aufschubes des Strafvollzuges eine Therapie absolviert hat. In schwereren Fällen – wenn der Staatsanwalt Anklage erhebt und das Gericht eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt – soll das Gericht nicht nur wie bisher den Vollzug einer Strafe von bis zu zwei Jahren vorerst aufzuschieben haben, um dem Verurteilten die Möglichkeit einer Therapie zu geben, sondern der Richter soll auch – das ist ebenfalls einvernehmlich geregelt worden, dem Wunsch der Praktiker im Bereich der Suchtmitteldelikte entsprechend – künftig die ebenfalls nicht zwingende, aber ihm eingeräumte Möglichkeit erhalten, in Einzelfällen die Chance auf Therapie statt Strafvollzug als Brücke in ein drogen- und verbrechensfreies Leben zu gewähren, und zwar Personen, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, und darüber hinaus auch Süchtigen, die wegen weniger schwerer Fälle der Beschaffungskriminalität verurteilt worden sind.

Hoher Bundesrat! Der Süchtige bedarf unserer Hilfe, der Drogenhändler und der Schwerkriminelle verdienen ohne Zweifel Verfolgung und harte Bestrafung. Das Suchtmittelgesetz trägt diesem Grundgedanken durch Strafdrohungen für Drogenhandel Rechnung, die zu den höchsten der österreichischen Rechtsordnung gehören. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die wirkliche Bandbreite der Maßnahmen gegen den Drogenhandel und die in diesem Zusammenhang zu beobachtende organisierte Kriminalität nur mit Blick auf die zum Teil erst in allerjüngster Zeit verschärften Bestimmungen des Strafgesetzbuches ermessen werden kann; denken Sie an die neuen Straftatbestände der kriminellen Organisation oder der Geldwäsche, oder denken Sie an die Bestimmungen der Abschöpfung, der Bereicherung und des Verfalles.

Mit den Reformen der letzten Jahre im Straf- und Strafprozeßrecht einerseits und mit dem vorliegenden Suchtmittelgesetz andererseits haben wir – davon bin ich überzeugt – die Voraussetzungen geschaffen, um den in Österreich seit langem sehr konsequent und geradlinig eingehaltenen Weg – er unterscheidet sich deutlich von dem in anderen, auch benachbarten Staaten verfolgten Zickzackkurs –, den Weg des doppelten Ansatzes effizient und mit Augenmaß weiterzugehen.

Zum Schluß noch ein Wort zum Gesinnungswandel meines Vorgängers Minister Dr. Ofner und zu der Kritik an der bestehenden therapeutischen Struktur: Ein allfälliger diesbezüglicher Mangel, meine Damen und Herren, darf nicht dazu führen, das Kind mit dem Bad auszuschütten


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und das als richtig erkannte Konzept "Therapie statt Strafe" an sich in Frage zu stellen oder gar als vermeintlich falsch über Bord zu werfen!

Das Orten von Defiziten in diesem Bereich kann nur bedeuten, die diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken. Unsere bisherige – auch und gerade im internationalen Vergleich keinesfalls erfolglose – Doppelstrategie darf nicht deswegen aufgegeben und in eine eindimensionale Drogenpolitik der Repression zurückgeführt werden. Wir müssen dem Süchtigen weiterhin bei der Bewältigung der Gründe für seine Sucht und beim Loskommen von der Sucht helfen, nicht zuletzt auch zur Vorbeugung vor weiteren strafbaren Handlungen und damit im Interesse der öffentlichen Sicherheit.

Die Justiz ist bereit, auch im Verantwortungsbereich der Ermöglichung von Therapie ihren Beitrag zu leisten. Das zeigt sich auch daran, daß die Justiz schon bisher einen keineswegs unerheblichen Beitrag zu den Kosten gesundheitspolitischer Maßnahmen geleistet hat und das auch künftig tun wird. Ich möchte aber Sie, verehrte Damen und Herren des Bundesrates, bitten, Ihren Einfluß dahin gehend geltend zu machen, daß auch die Länder die in ihre Kompetenz fallenden gesundheitspolitischen Maßnahmen forcieren, insbesondere dort, wo es im Therapiebereich noch Strukturschwächen gibt. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

12.48

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Minister! Wenn Sie sagen, der bisher schon befolgte Grundsatz "Therapie statt Strafe" sei ein gutes Instrument, dann möchte ich Ihnen nicht grundsätzlich widersprechen. Ich muß Sie aber darauf aufmerksam machen, daß trotz dieses guten Ansatzes die Zahl der Drogentoten steigt, die Drogenkriminalität gestiegen – sie ist nur in Wien leicht zurückgegangen, und auch dort nur zu einem sehr kleinen Prozentsatz – und auch die Suchtgiftkriminalität im Steigen begriffen ist.

Trotzdem haben wir uns nun mit einer Regierungsvorlage zu befassen, die insgesamt eine weitergehende Liberalisierung zur Folge hat. Zwar hat die Opposition darauf hingewiesen, daß es vernünftig wäre, die Vorlage an einen Unterausschuß zurückzuverweisen und dort Experten, vor allem Drogenrichter und Polizeibeamte, die mit der Drogenszene ständig konfrontiert sind, einzuladen und anzuhören, aber die Regierungsparteien haben das bedauerlicherweise abgelehnt.

26 Jahre hat es gedauert, ein Suchtmittelgesetz vorzulegen und im Nationalrat zu beschließen, damit ein zugrundeliegendes Übereinkommen mit den Vereinten Nationen ratifiziert werden kann. Im Gesundheitsausschuß war gestern zu hören – und heute ist es wiederholt worden –, daß dieses Problem bis Ende der achtziger Jahre nicht virulent und der Handlungsbedarf nicht akut gewesen sei. Doch ist spätestens seit Anfang der neunziger Jahre bekannt, daß die psychotropen Stoffe in Form von Designerdrogen – unter anderem "Ecstasy" – um sich gegriffen haben. Daher ist festzustellen, daß man sich einige Jahre Zeit gelassen hat und daß nicht sofort darauf reagiert worden ist.

Jetzt aber peitscht man dieses Gesetz, das noch dazu bezeichnenderweise aus dem Gesundheitsministerium und nicht aus dem Justizministerium kommt, durch den Ausschuß durch und will keine Experten anhören – aus gutem Grund, wie ich vermute, denn sie hätten vielleicht etwas anderes gesagt als das, was wir heute zur Verteidigung dieses Gesetzes gehört haben. Wären sie angehört worden, so hätte diese Regierungsvorlage höchstwahrscheinlich etwas anders ausgesehen.

"Therapie statt Strafe" klingt gut, ist sehr verlockend, und dagegen ist auch – ich habe es anfangs schon gesagt – nicht grundsätzlich etwas einzuwenden. Ich glaube auch, daß es nicht sehr sinnvoll ist, einen Drogensüchtigen einfach ins Gefängnis zu stecken und ihn dort "schmoren" zu lassen, noch dazu da man weiß, daß in den Gefängnissen Drogen sehr leicht beschafft


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werden können. Dort hat es der Süchtige wahrscheinlich sogar ein bißchen leichter, als wenn er sich die Drogen auf der Straße besorgen muß.

Aber die Vorgaben werden – wie so oft in der Praxis – nicht handhabbar sein. Warum nicht? – Weil es viel zuwenig Therapieplätze gibt! Wien und Vorarlberg sind die Ausnahmen, dort funktioniert es einigermaßen. Im restlichen Österreich reichen die Therapieplätze bei weitem nicht aus. Das heißt, ein Jugendlicher, dessen Strafe ausgesetzt wird, weil er sich bereit erklärt, sich einer Therapie zu unterziehen, muß mindestens ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz warten. Man kann sich leicht ausrechnen, was in diesen sechs Monaten geschehen wird. Der Jugendliche wird weiterhin seiner Sucht frönen und überdies versuchen, mit Hilfe der Beschaffungs- und Begleitkriminalität die Sucht zu finanzieren.

Daran setzt meine Kritik im besonderen an. Man macht sich so gern Gedanken um den Süchtigen. Ja, ein Süchtiger ist wirklich ein armer Mensch. Aber man darf nicht vergessen – das darf bei aller Liebe zu einem Süchtigen nie übersehen werden –, daß die Süchtigen meistens gleichzeitig Dealer sind. Diese verführen andere Jugendliche dazu, ebenfalls zum Suchtgift zu greifen. Sie stehen vor Schulen und halten Ausschau nach anderen, die längst nicht mehr nur Jugendliche, sondern oft schon Kinder sind. Denn mit 11 Jahren – erst jüngst ist ein solcher Fall bekanntgeworden – ist man kein Jugendlicher, sondern ein Kind.

Ein Süchtiger wird, um seine Sucht zu finanzieren, versuchen, weitere Abnehmer zu finden. Wird dem nicht entschlossener entgegengetreten, ist das wirklich in höchstem Maße verantwortungslos! Das muß ich den Damen und Herren der Regierungsparteien, die das Gesetz jetzt verteidigen, mit auf den Weg geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Ziel muß sein – das geht mir in dieser Diskussion völlig ab –, daß die Jugendlichen möglichst drogenfrei sind. Ich sehe das nicht nur als medizinisches, psychiatrisches oder psychologisches Problem, sondern ich glaube tatsächlich, daß die Drogensucht in erster Linie ein gesellschaftliches, ein soziales Problem ist und in zweiter Linie ein medizinisches. Das erklärte Ziel muß sein, unsere Jugendlichen davon abzuhalten, Drogen überhaupt zu nehmen. Das wird aber nicht gelingen, wenn der Drogenzugang so leicht wie jetzt ist. Man kann sich heute schon – die "Coffee-Shops" aus Amsterdam brauchen wir gar nicht mehr – "Ecstasy"-Tabletten nahezu in jedem Kaffeehaus besorgen, das ist überhaupt kein Problem. Auch bei den Umsteigestellen der U-Bahn bekommt man die Drogen, ebenso auf den Straßenbahnlinien in Wien, weil das Umschlagplätze für Drogen sind.

Noch einmal: Das Ziel muß es sein, die Jugendlichen von Drogen abzuhalten und den Zugang nicht so leicht zu machen. Das aber hat die Regierung – wie ich glaube – mit diesem Gesetz aufgegeben. Das Drogenproblem wird nur noch verwaltet. Es gilt nicht mehr, daß man permanent versucht, die Jugendlichen von Drogen abzuhalten, die dafür nötigen Anstrengungen auf sich zu nehmen sowie die Täter unter Sicherheitsverwahrung zu nehmen und gleichzeitig zu therapieren, damit sie keine Möglichkeit mehr haben, an andere Jugendliche oder Kinder heranzukommen. Nein, die Regierung verwaltet jetzt das Drogenproblem und hat die Bemühungen aufgegeben. Und das kann man nur ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

12.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile es ihm.

12.55

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe mich sehr bemüht, den Ausführungen von Frau Kollegin Mühlwerth zu folgen. (Bundesrat Eisl: Das war nicht sehr schwer! Das war sehr ausführlich!) Das war nicht unmittelbar sehr schwer. (Zwischenruf: Es war eine druckreife Rede!) Was sie uns aber genau damit sagen wollte – außer ein Klagelied zu halten –, ist mir nicht klargeworden. (Bundesrat Waldhäusl: Dann haben Sie es doch nicht verstanden!)


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Es ist für mich beruhigend, daß dieses neue Suchtmittelgesetz von den Freiheitlichen, den Liberalen und den Grünen abgelehnt wird. In dieser Gesellschaft befinden Sie sich, zugegebenermaßen aus unterschiedlichen Gründen. Daß die Ablehnung der Freiheitlichen daher kommt, daß ihnen dieses Gesetz zu wenig streng ist, und die Ablehnung der Grünen und Liberalen daher, daß es zu wenig liberal ist, zeigt mir als Richtschnur und Indikator, daß die Regierung in ihrer Vorgangsweise einen sehr brauchbaren Kompromiß gefunden hat. Was das Anhören weiterer Experten bei einer so komplexen Materie betrifft, Frau Kollegin Mühlwerth, so bestreite ich gar nicht, daß sich Experten finden würden, die einen gegenteiligen Standpunkt einnehmen. Auch Experten sind in der Demokratie aufgerufen, unterschiedliche Standpunkte klarzumachen, genauso wie wir das hier im Hohen Haus tun.

Die ÖVP findet ihre Standpunkte in diesem Gesetzentwurf durchaus wieder: keine Liberalisierung, aber weitere Entkriminalisierung der Süchtigen; "Therapie vor Strafe" soll konsequent fortgeführt werden; kein Suchtgift auf Krankenschein, aber eine rechtlich abgesicherte und ärztlich kontrollierte Substitutionsbehandlung. Das Suchtgiftproblem kann nicht generell, sehr wohl aber individuell gelöst werden: in Drogenprävention, Drogentherapie und Drogenrehabilitation.

Vom Bundesministerium für Jugend und Familie wurde gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das die Konsummuster von Jugendlichen untersucht hat. Die Ergebnisse geben interessante Aufschlüsse, wenngleich sie nicht überraschend sind. Ich möchte sie kurz ausführen.

Es konnte festgestellt werden, daß bis zum 14. Lebensjahr knapp ein Drittel der Jugendlichen den Konsum psychotroper Substanzen – außer Koffein – generell ablehnt. Dieser Anteil sinkt bis zum 18. Lebensjahr auf zirka 12 Prozent. Illegale Drogen werden bis zum Alter von 14 Jahren von zirka zwei Dritteln, mit 18 Jahren nur noch von knapp der Hälfte der Befragten abgelehnt. Es ist sehr interessant zu sehen, in welchem Lebensabschnitt die Ablehnung gegenüber Drogen abnimmt.

Dieser Bericht zeigt auch die Zusammenhänge zwischen den Konsummustern bezüglich legaler und illegaler Substanzen auf. Vor allem Jugendliche, die zu problematischeren Formen des legalen Substanzkonsums neigen, nämlich zu häufigem Trinken oder Rauchen, sind weitaus häufiger gefährdet, auch illegale Drogen zu probieren.

Diese Argumentation sollte den beiden im Bundesrat nicht vertretenen Fraktionen von Grünen und Liberalen übermittelt werden, da sie für eine weitere Liberalisierung eintreten. Ich glaube, daß dieses Ergebnis signifikant, allerdings nicht sehr überraschend ist und daß man aufgrund dieses Zusammenhangs einen Analogieschluß darauf ziehen könnte, was zum Beispiel die Freigabe von Haschisch bedeuten würde.

Meine Damen und Herren! Der Drogenkonsum unter Jugendlichen und Schülern steigt von Jahr zu Jahr. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, daß ich es begrüße, daß von der Frau Unterrichtsministerin einige Initiativen ausgegangen sind. Sie hat gemeint, Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung zu geben, ist direkte Suchtprävention. Suchtprävention im Unterricht hat einen besonders hohen Stellenwert, sowohl im gegenstandsbezogenen als auch im speziellen Projektunterricht.

In der ersten Phase der Suchtprävention ist die Primärprävention wichtig, nämlich daß die Schüler überhaupt nicht dazu kommen, Drogen zu nehmen. Es ist wichtig, die Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit der Schüler und auch die Eigenverantwortung und die Selbständigkeit zu fördern. Wenn es zur Berührung mit Drogen gekommen ist, dann hat auch noch die Schule die Möglichkeit, in einem kleineren Kreis auf solche Schülerinnen und Schüler zuzugehen, zu versuchen, deren Probleme zu erfassen und gemeinsam zu bewältigen. Bei schwierigeren Fällen ist die Schule sicher nicht mehr in der Lage, darauf einzugehen. Da müssen sich professionelle Experten um die Betroffenen bemühen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte betonen, daß neben der Drogenprävention auch die Drogentherapie, die die bereits bestehende Sucht als behandlungsbedürftig und letztendlich als


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therapierbare Krankheit einstuft, sehr wesentlich ist und daß wir auch nicht vergessen dürfen, daß die Drogenrehabilitation, die Möglichkeit zum Ausstieg aus der Drogenszene, eine wesentliche Möglichkeit bieten muß, diese Szene zu bekämpfen. Das heißt nicht – der Herr Bundesminister hat es bereits gesagt –, daß gegen kriminelle Drogenhändler nicht mit der gebotenen Härte vorgegangen werden soll.

Im Zusammenhang mit dem zu beschließenden und vom Nationalrat bereits beschlossenen Gesetz möchte ich die wesentlichsten Punkte zusammenfassen, die für meine Fraktion entscheidend zu sein scheinen: die Bestrafung des Handels mit psychotropen Substanzen, jedoch keine Einschränkung der ärztlichen Behandlungsfreiheit bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln, die ausdrückliche gesetzliche Verankerung der bisher erfolgreichen, aber nur durch Verordnung geregelten Substitutionsbehandlung, sprich das Methadon-Programm, die Entkriminalisierung der Schmerzbehandlung Schwerstkranker durch die Streichung des sogenannten Ultima-Ratio-Begriffes, die raschere Erfassung von neuen Substanzen wie Designerdrogen à la Ecstasy, die bessere Anpassung an wissenschaftliche Erkenntnisse durch Verordnungen von Höchstmengen, die aber nur im breiten Konsens durch den Hauptausschuß des Parlaments erlassen werden können, die Erweiterung der Befugnisse des Staatsanwaltes bei erstmaligem Cannabis-Konsum und die Erweiterung des Begriffes "Therapie statt Strafe".

Ich glaube, es ist uns allen bewußt, daß dieses Gesetz nur dann auch weiter sinnvoll ist, wenn entsprechende Begleitmaßnahmen gesetzt werden, wie der Ausbau der Aufklärung und die Präventionsmaßnahmen, die Förderung der Grundlagenforschung zu Drogentherapie und Suchtverhalten – das heißt, wir müssen endlich damit anfangen, die Sucht als Krankheit zu betrachten –, die Einrichtung eines Suchtbeirates auf Bundesebene, die aktive Teilnahme Österreichs an den EU-Programmen zur Drogenbekämpfung und, wie ich bereits gesagt habe, die Einbeziehung in die schulische und außerschulische Jugenderziehung und natürlich auch eine Aufstockung der Suchtgifttrupps bei Polizei und Gendarmerie, um gegen Kriminelle auch mit der notwendigerweise gebotenen Härte vorgehen zu können.

In diesem Sinne bin ich davon überzeugt, daß der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates, wenn er die Zustimmung findet, ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung der Drogen in diesem Land sein wird. Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

13.05

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich übrigens ganz besonders, daß beide für mich zuständige Minister hier im Hohen Haus anwesend sind. Damit ist für mich auch die Wertigkeit dieser Gesetzesvorlage bestätigt. Ich möchte jedoch gerne meine Meinung hiezu noch kundtun, vieles haben meine Vorredner bereits erwähnt.

Der Markt ist mit Drogen überschwemmt. Dem hat auch mein Vorredner, Kollege Himmer, zugestimmt. Drogen sind so leicht zu bekommen wie nie zuvor. Sie sind so billig wie nie zuvor, so rein wie nie zuvor und somit auch so gefährlich wie nie zuvor. Seit der Öffnung der Ostgrenzen sind die Zentralen des gesamten Suchtgiftmarktes nicht mehr auf irgendwelchen anderen Erdteilen, sondern sie liegen direkt vor unserer Haustüre, und zwar in den Oststaaten rundherum.

Die klassischen Drogen wie Heroin, Kokain und dergleichen mehr sind meiner Meinung nach nicht mehr die einzig gefährlichen, sondern es sind die sogenannten chemischen Drogen. Kaum können die Mediziner und Experten deren Zusammensetzung feststellen, gibt es bereits wieder eine neue Droge. Die eine Tablette wird verboten, und die nächste ist bereits wieder auf dem Markt. Daß das leicht funktioniert, daß das also nicht nur in den Großstädten der Fall ist, kann ich auch sagen, da ich aus einem kleinen Ort, nämlich aus Katschberg, an der Grenze Kärnten-Salzburg, komme. Selbst einer unserer Lehrlinge bekommt im Kaffeehaus gegenüber alle mög


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lichen Tabletten. Er wurde süchtig, ich habe zu helfen versucht, aber der Dealer, der die Tabletten vertreibt, ist selbst süchtig. Also wird das Gesetz dazu beitragen, daß eben Therapie anstatt Strafe angewandt wird, und der Dealer wird meinem nächsten Lehrling vermutlich auch noch Tabletten verkaufen können.

Selbst vor den Schultoren in solch kleinen Gemeinden, wie es bei uns der Fall ist – man würde es nicht glauben, und vor fünf Jahren hätte ich selbst noch gesagt, das gibt es nicht –, also direkt auf dem Land ist alles zu bekommen. Solche Dinge passieren nicht nur in den Städten.

Der "Kurier" titelte vor einigen Wochen: 1,7 Millionen Tonnen Heroin wurden allein in Wien festgestellt. 1996 gab es laut Statistik 247 Drogentote in Wien. – Ich möchte allerdings sagen, daß die Statistiken nicht nur das Wahre wiedergeben, denn genannt werden in den Statistiken nur diejenigen Drogentoten, die aufgrund des tatsächlich nachweisbaren Konsums an der Droge sterben. Was in der Statistik in keinster Weise erfaßt wird, sind all jene Drogentoten, die an Aids sterben, das heißt, die sich beim Drogenkonsum infiziert haben, und jene, die sich selbst das Leben genommen haben, weil sie damit nicht fertiggeworden sind. Ein ganz großer Anteil, den die Statistik nicht erfaßt, sind meiner Meinung nach auch diejenigen, die an Hepatitis C gestorben sind. Nicht zu vergessen sind die Angehörigen, Verwandten und Freunde, die unter der Drogensucht eines Angehörigen extrem leiden und im Grunde auch Krankheiten bekommen können.

Die Gesetzesvorlage enthält unserer Meinung nach keinerlei Verschärfungen, sondern geht eher in den Bereich der Liberalisierung hinein. Schweden hat 1986 ebenfalls eine Liberalisierung versucht, aber zwei Jahre später hat man diese wieder aufgegeben und ist wieder zu einer restriktiven Politik zurückgekehrt.

Herr Minister! Frau Ministerin! Prinzipiell bin ich auch der Meinung, Therapie statt Strafe sollte sein. Es muß diesen armen Teufeln wirklich geholfen werden, aber das haben auch die Dealer – gemeint sind nicht die Großdealer, sondern eher die kleineren, die weiterverkaufen – sehr schnell verstanden. Sie sagen, wir sind selbst süchtig. Papier ist eben sehr geduldig, und dann wird formuliert, geschrieben und so weiter. Sie müssen daher nicht hinter Gitter, sondern haben Therapie statt Strafe, und ein paar Tage später stehen sie vermutlich wieder vor unseren Schultoren und verkaufen wieder Drogen.

Ein Fall, daß es mit Therapie statt Strafe in der Praxis leider nicht funktioniert, ist Tony Wegas. Tony Wegas ist verurteilt worden. Er hätte sich jedesmal untersuchen lassen und seine Proben abgeben sollen. Er hat es nicht gemacht, und er wurde eben auf freiem Fuß wieder erwischt. Es gibt anscheinend noch keine Regelungen, daß man jemanden, der seit zwei Wochen nicht zur Kontrolle war, holt. Ich glaube, daran müßte meiner Meinung nach noch gearbeitet werden. Dann könnte auch ich diesem Gesetz zustimmen, wenn man tiefer auf all diese Gegebenheiten eingeht.

Prinzipiell ist es sehr schwierig, objektiv festzustellen, ob jemand tatsächlich süchtig ist, eben ein Dealer ist, oder ob jemand nur im Naheverhältnis dazu steht. Ein weiteres Problem, das ich noch ansprechen möchte, obwohl es Kollegin Mühlwerth und einige Vorredner schon gesagt haben, sind die Therapieplätze. Es gibt einfach zu lange Wartezeiten. Gerade für Jugendliche in den Bundesländern – in Wien, Herr Minister, das haben Sie eh gesagt, sind ausreichend Plätze gegeben – gibt es zu wenig geeignete Therapieplätze – für Kinder, für Jugendliche, aber auch die Erwachsenen haben sehr lange Wartezeiten.

Die Drogendealer sollten meiner Meinung nach ebenfalls therapiert werden. Nur glaube ich, daß eine sinnvolle Therapie nicht auf freiem Fuß erfolgen sollte, sondern man müßte eine geeignete Lösung finden, um vielleicht eine "Therapie hinter Gittern" durchzuführen, damit sie nicht ein paar Tage oder ein paar Wochen später wieder dasselbe machen, was sie vorher getan haben.

Wir Freiheitliche fordern eine Drogenpolitik, sodaß Schüler und Lehrlinge durch professionelle Lehrer und Psychologen beraten werden. Weiters fordern wir einen Ausbau der Drogenfahndung, und zwar im personellen Bereich sowie im technischen Bereich, eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit EUROPOL und ausreichende Therapieplätze für Suchtkranke, wobei ich


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anmerken möchte, daß in bezug auf die Finanzierung noch nicht abgeklärt wurde, wer was zu zahlen hat bei diesen Therapieplätzen. Sicherlich werden wir als Ländervertreter uns dann auch dafür einsetzen, daß die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden können.

Was wir ebenfalls noch fordern, ist keine Bevorzugung von drogensüchtigen Kriminellen gegenüber anderen, sozusagen normalen Kriminellen. Es schaut nämlich zurzeit fast so aus. Ich hoffe, Herr Minister, Frau Ministerin, daß das nicht so sein wird.

Weiters fordern wir noch professionelle Drogenärzte und Berater. Ich glaube, diese gesamte Gesetzesvorlage ist einfach noch nicht ausgereift oder durchgearbeitet. Aus diesem Grunde können wir momentan dieser Vorlage noch nicht zustimmen. Es wäre schön gewesen, wenn es diese Unterausschüsse noch gegeben hätte. Wir lehnen das Gesetz auf jeden Fall einmal jetzt ab! – Herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch. Ich erteile es ihr.

13.13

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf mich zuerst sehr herzlich für Ihre sachliche und profunde Diskussion zu diesem Gesetz bedanken. Ich glaube, daß damit auch zum Ausdruck kommt, daß es Ihnen und uns ein Anliegen ist, mit einer sehr schwierigen und sensiblen Frage sehr gut und korrekt zu Rande zu kommen. Die auseinanderstrebenden Überlegungen, wie man diesen Zielsetzungen Rechnung tragen kann, konnten wir doch auf ein Mittelmaß bringen, so wie wir es im Suchtmittelgesetz versucht haben.

Ich glaube auch, daß wir mit der Beschlußfassung dieses Gesetzes eine sehr erfolgreiche Drogenpolitik, wie wir sie in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern aufweisen können, fortsetzen und damit auch eine sehr moderne und zukunftsorientierte gesetzliche Grundlage liefern. Ich möchte mir erlauben, ganz kurz ein paar Punkte, die insbesondere aus der Sicht meines Ressorts in diesem Gesetz sehr wichtig sind, herauszugreifen, die auch von Ihnen in der Diskussion angesprochen wurden.

Ich meine einen Punkt, der mir sehr wichtig erscheint, nämlich daß wir erstmals mit diesem Gesetz die gesundheitsbezogenen Maßnahmen genau festlegen und daß auch alle Einrichtungen, die zur Bewältigung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen, eben gesundheitsbezogene Maßnahmen durchzuführen, der Bewilligung des Gesundheitsressorts bedürfen. Damit ist etwas sichergestellt, was gerade in der Gesundheitspolitik ganz entscheidend ist, nämlich daß Qualitätsstandards gewährleistet sind. Es muß über diese Tätigkeit auch laufend Bericht erstattet werden, und es muß auch in jeder Einrichtung einen Arzt geben, der mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches vertraut ist. Ich glaube, damit sind wichtige Voraussetzungen für die Qualitätssicherung im Gesundheitsbereich geliefert.

Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen, der mir sehr wichtig erscheint. Sie wissen, daß in dieser Frage immer wieder neue Stoffe entstehen, die bisher durch das Gesetz nicht definiert werden konnten und daher sowohl Behandlung als auch Bestrafung rechtlich sehr diffizil waren. Ich betrachte es daher als sehr wichtig, daß es uns jetzt gelungen ist, die psychotropen Stoffe und auch die Vorläuferstoffe in den Geltungsbereich des Suchtmittelgesetzes aufzunehmen. Damit haben wir auch die Chance, in Zukunft Mode- und Designerdrogen, wie sie wahrscheinlich leider wieder zusätzlich auf den Markt kommen werden, rechtzeitig durch das Gesetz zu erfassen.

Wenn man weiß, was Schmerzen heißt, wenn man weiß, was schwerkranke Menschen oft erleiden müssen, dann versteht man, daß es dringend notwendig war, in der bisherigen Schmerztherapie den optimalen Ansatz zu finden. Und ich betrachte das als einen großen Fortschritt zur Linderung von menschlichem Leid, daß nun die Ärzte eine bessere Verschreibungspraxis zur Schmerztherapierung vornehmen können, ohne sich in einem rechtsfreien oder sogar nicht rechtlich gesicherten Rahmen bewegen zu müssen.


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Das gleiche gilt auch für die von Ihnen schon angesprochene Substitutionstherapie, in deren Rahmen auch für die Ärzte eine größere Rechtssicherheit und damit auch eine bessere Chance zu einer optimalen Behandlung und Betreuung von Patienten gegeben ist.

Erlauben Sie mir noch, zu der letzten Frage, die von Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesrätin, angesprochen wurde, betreffend Therapieplätze einige Zahlen bekanntzugeben. Vorher noch eine grundsätzliche Aussage, nämlich daß wir schon die Erfahrung haben, daß es in fast allen Fällen gelingt, entsprechende Behandlungsmöglichkeiten anzubieten, daß es aber im Rahmen eines Jahres manchmal zu Engpässen kommen kann und daher eine unmittelbare Einweisung nicht sichergestellt ist. Aber ich möchte mich für Ihre Signale und für Ihre Aussagen bedanken, daß gerade Sie als Ländervertreter und Ländervertreterinnen darauf Bedacht nehmen werden, daß auf Länderebene das Betreuungsangebot und das Behandlungsangebot verbessert werden. Sie wissen, daß wir in bezug auf die Kompetenzen die Länder in dieser Frage besonders anzusprechen haben und auch versuchen, sie mit diesem Gesetz in eine gemeinsame politische Verantwortung einzubeziehen.

Nun aber auch für Ihre politische Argumentation und Information an Ihre Wählerinnen und Wähler und an die Bevölkerung ein paar Zahlen: Wir haben derzeit etwa 600 Therapieplätze, die eine umfassende stationäre Behandlung sicherstellen. Wir haben Behandlungsplätze in zirka 25 Einrichtungen. Die Therapieplätze sind überwiegend nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern verteilt auf die gesamten Spitalsangebote. Jedes Bundesland hat in diesen bestehenden Einrichtungen Platzkontingente für diese, damit eben auch eine flächendeckende Versorgung sichergestellt werden kann. Es gibt natürlich ergänzend zu diesen Therapie- und Behandlungsplätzen auch die Möglichkeit der körperlichen Entgiftung, der Entzugsbehandlung in den Bundesländern durch verschiedene Einrichtungen in den Krankenanstalten, wie zum Beispiel Entzugsstationen, und ein weiteres doch breit flankierendes Angebot in den "niederschwelligeren" Einrichtungen, in den Drogenambulanzen und auch Ambulatorien, in Beratungsstellen, in der Nachbetreuung und auch in der Rehabilitation. Wir sehen aber trotzdem noch immer die Notwendigkeit, einen weiteren Ausbau vorzunehmen, obwohl wir doch schon einen relativ guten Standard erreicht haben.

Daher möchte ich mich nochmals für Ihre Debatte bedanken, auch für die Unterstützung, daß dieses Gesetz einer Beschlußfassung zugeführt wird und wir damit auch die Chance bekommen, die beiden Tagesordnungspunkte, die Sie in der weiteren Form noch zu behandeln haben, die zwei internationalen Übereinkommen zu ratifizieren, einer endgültigen Ratifikation zuführen zu können. – In diesem Sinn herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Regelungen über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe getroffen sowie das AIDS-Gesetz 1993, das Arzneimittelgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz, das Chemikaliengesetz, das Hebammengesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (127, Zu 127 und 655/NR sowie 5433/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies ein Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Das gegenständliche Übereinkommen trat am 1. September 1993 in Kraft und gilt derzeit für Bulgarien, Finnland, Großbritannien, Italien, Litauen, die Niederlande, Norwegen und die Schweiz und steht allen Staaten zur Teilnahme offen, die Mitglieder des Europarates sind oder als Nichtmitglieder an seiner Ausarbeitung mitgewirkt haben. Österreich hat am 10. Juli 1991 das Übereinkommen unter Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet.


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Erfaßt werden alle Kriminalitätsformen, insbesondere aber Delikte, die wie der illegale Drogen- und Waffenhandel, der Handel mit nuklearen Substanzen, der Terrorismus und der Kinder- und Frauenhandel bedeutende illegale Gewinne abwerfen.

Das Übereinkommen sieht ein vollständiges Regelungswerk vor, das alle Stadien des Verfahrens – beginnend bei der ersten Ermittlung bis zur Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen – abdeckt und ein flexibles System der internationalen Zusammenarbeit bei all diesen Verfahrensstadien vorsieht.

Eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung dieses Zieles bildet die Verpflichtung zur Schaffung eines nationalen Mindeststandards von Maßnahmen, welche es den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Tätern die Früchte ihrer deliktischen Aktivitäten zu entziehen. Das Übereinkommen strebt hiebei ein Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen an. Eine Gleichschaltung der nationalen Gesetzgebungen ist jedoch nicht Ziel des Übereinkommens.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Nationalrat hat anläßlich der Beschlußfassung im Gegenstand im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Weiters hat der Nationalrat gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß die chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundgemacht wird.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile es ihm.

13.27

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß unsere Gesellschaft durch die organisierte Kriminalität mit ihren vielen Erscheinungsformen österreichweit, ja europaweit und sogar weltweit sehr gefährdet ist. Ob es, wie wir heute gehört haben, die Drogen sind, der Drogenhandel, der illegale Handel mit Waffen, Autoschieber, vieles andere mehr – es bedeutet, wie gesagt, eine eminente Gefahr. Es sind Syndikate, es sind zig Gruppierungen, die europaweit mitunter auch leider Gottes eine negative Begleiterscheinung der Ostöffnung, die die Vorrednerin auch angedeutet hat, sind, tätig, die versuchen, ihre finanziellen Lukrierungen aus den diversen Taten weißzuwaschen durch Investitionen in durchaus legale Unternehmungen, in Immobilien, in bewegliche Gegenstände, in Devisengeschäften und einiges andere mehr. Weltweit ist der Kampf gegen diesen Teufelskreis der organisierten Kriminalität aus mit der Geldwäsche zusammenhängenden Mitteln angesagt.


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Die UNO-Institutionen und auch der Internationale Währungsfonds haben mehrfach nationale und grenzüberschreitende internationale Mindeststandards und verbindliche Erklärungen gegen die Geldwäsche gefordert. Die Europäische Union hat in den Maastrichter Verträgen in K 1 Artikel 189 die verbindliche Erklärung aufgenommen, daß die Geldwäsche von allen Mitgliedstaaten bindend umzusetzen ist. Wir haben in der Union die europäische Drogeneinheit, wir haben als Vorläufer EUROPOL, wir haben zweifellos auch das Schengener Abkommen, das eine verstärkte Außengrenzkontrolle verlangt, und wir haben das europäische Informationssystem, das Schengener Informationssystem – all das sind Organisationen, Institutionen, die im Kampf gegen die internationale organisierte Kriminalität, OK, und die Geldwäsche tätig sind. Aber es scheint so, als ob der Kampf äußerst schwierig wäre und nur Teilerfolge zu verzeichnen wären.

Das vorliegende Übereinkommen ist zweifellos ein unglaublich wichtiger Schritt auch im Rahmen dieser internationalen Bemühungen, die allesamt das Ziel einer gemeinsamen Vorgangsweise dahin gehend haben, daß – wie schon erwähnt – nationale Mindeststandards auf der gesetzlichen Basis geschaffen und im polizeilichen Bereich, also im exekutiven Bereich, weit über die zwischenstaatliche Rechtshilfe hinaus, gemeinsame Maßnahmen gesetzt werden.

Österreich hat das Strafrechtsänderungsgesetz – Minister Michalek hat das in seiner Wortmeldung zum vorangegangenen Punkt schon angeführt – über die Geldwäsche beziehungsweise über die Abschöpfung, die Bereicherung verabschiedet. Es ist am 1. März, so glaube ich, in Kraft getreten. Ich denke, daß dies ein gutes Instrument ist, aber ich glaube, daß dieses Übereinkommen, das wir hier diskutieren, im Verfahrensbereich, im exekutiven Bereich eine zusätzliche Basis für eine noch stärkere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bietet. – Ich bedauere in diesem Zusammenhang, daß erst acht Mitgliedstaaten beigetreten sind, ein Beitritt ist auch für Nichtmitgliedstaaten möglich, die mit der Ausarbeitung dieses Übereinkommens beschäftigt beziehungsweise bei der Ausarbeitung dabeigewesen sind. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist gelegentlich dadurch in Kritik gekommen, daß man uns vorwirft, wir seien ein Transitland für Ost-/Westgeschäfte, das heißt, für Geschäfte der organisierten Kriminalität, und man wirft uns vor, daß wir diesbezüglich nicht genug tun. Ich glaube, daß dieser Vorwurf zurückzuweisen ist. Ich habe schon erwähnt, daß wir die gesetzlichen Maßnahmen dazu verabschiedet haben. Ich denke, daß die Regelung bezüglich Sorgfaltspflicht der Banken, wenn sie – ich nehme das an – ernst genommen wird, zweifellos auch eine sichere Maßnahme ist. Wir hören, daß laut letztem Sicherheitsbericht immerhin über 300 Kontrollmitteilungen eingegangen sind, mit einem Volumen von über 1,4 Milliarden Schilling. Aber wir dürfen nicht ruhen und müssen unsere Bemühungen verstärken, und zwar im Verein, also mit der Europäischen Union verstärken, aber aufgrund dieses Übereinkommens nunmehr auch im Verein mit den Europarats-Mitgliedstaaten. – Meine Fraktion wird daher diesem Übereinkommen gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Josef Pfeifer. Ich erteile es ihm.

13.34

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieses Übereinkommen stellt im Rahmen der internationalen Bemühungen zur wirksamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität einen wichtigen Schritt dar. Der Hauptzweig der grenzüberschreitenden Kriminalität ist neben gesetzwidrigen Glücksspielen, Auftragsmorden, illegaler Giftmüllentsorgung, Kreditkartenbetrug und Zinswucher nach wie vor der Schmuggel von Drogen, Waffen und gestohlenen Fahrzeugen bis zu Frauen für Prostitution und illegaler Einwanderer.

Das Ergebnis dieser Verbrechen sind Unsummen von Schwarzgeld, die weißgewaschen werden. Die globalen Umsatzschätzungen dafür reichen bis zu rund 10 Billionen Schilling im Jahr. Den Löwenanteil davon nimmt nach wie vor der Drogenhandel ein. Der Kampf gegen die Geld


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wäsche ist die wichtigste Aufgabe, wenn dieser Teufelskreis des Drogenhandels durchbrochen werden soll. Leider ist die organisierte Kriminalität der Exekutive noch weit voraus, und daher muß die internationale Staatengemeinschaft reagieren.

Der Ausbau von Zeugenschutzprogrammen beziehungsweise der grenzüberschreitende Austausch von Beweismitteln können bei der Bekämpfung dieser Hydra nur als erste Schritte gesehen werden. Es zeigt sich immer wieder, daß ein Netzwerk nur durch ein solches bekämpft werden kann, weshalb die Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung auf ein globales System koordinierter Maßnahmen ausgeweitet werden muß. Dazu gehören auch bilaterale und multilaterale Auslieferungsabkommen und ähnliche Formen gegenseitiger Hilfestellung. So empfehlen als einziges Mittel gegen die Geldwäsche unter anderem der Internationale Währungsfonds und die UNO schon lange eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit bindenden internationalen Konditionen, um den weltweiten Kampf gegen die Geldwäsche koordinieren zu können. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das von uns zu ratifizierende Übereinkommen.

Das Übereinkommen ist vom Grundsatz getragen, eine gemeinsame Strafrechtspolitik zu verfolgen und dabei moderne und wirksame Methoden auf internationaler Ebene anzuwenden. Positiv hervorzuheben ist für Österreich, daß es vom Zeitplan her gelungen ist, das Europaratsübereinkommen zur Geldwäsche im ungefähren zeitlichen Gleichschritt mit dem am 1. März vorigen Jahres in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetzes zu ratifizieren. Durch die Kombination von internationalen Übereinkommen und dem innerstaatlichen Strafrechtsänderungsgesetz steht uns für die Zukunft ein wirksames und schlagkräftiges Instrumentarium zur Bekämpfung dieser Form der schweren Kriminalität zur Verfügung.

Nochmals: Erfaßt werden alle Kriminalitätsformen, insbesondere aber Delikte, die wie der illegale Drogenhandel bedeutende illegale Gewinne abwerfen. Zentral für das Übereinkommen ist der weite Begriff des Vermögensgegenstandes und der darauf Bezug nehmende und daher ebenso weite Begriff des Ertrages. Damit soll sichergestellt werden, daß wirklich jeder wirtschaftliche Vorteil, welcher Art auch immer, erfaßt wird, der durch eine strafbare Handlung erlangt wurde.

Es ist daher nicht notwendig, daß der Vermögensgegenstand im Besitz desjenigen sein muß, der die strafbare Handlung begangen hat. Dadurch können auch jene Vermögensteile erfaßt und abgeschöpft werden, die bei anderen vom Täter verschiedenen Personen angefallen sind.

Dieses neugeschaffene Instrument der Abschöpfung der illegalen Bereicherung soll aber neben jenen Geldern, die dem Täter durch die Straftat zugeflossen sind, auch jene Zuwendungen erfassen, die für die Begehung von Straftaten empfangen wurden, unabhängig davon, ob diese Verbrechen auch tatsächlich begangen wurden. Um dies alles auch tatsächlich in der Praxis erreichen und umsetzen zu können, sieht das Übereinkommen ein komplexes Regelwerk vor, das alle Stadien des Verfahrens, beginnend bei der ersten Ermittlung bis zur Verhängung von Einziehungsentscheidungen, abdeckt. Ein flexibles System der internationalen Zusammenarbeit ist bei all diesen Verfahrensstadien vorgesehen. Es ist dies ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum bisherigen Zustand, der sich nur auf die allgemeine Rechtshilfe und auf Abkommen zwischen einzelnen Staaten stützen konnte.

Eine wesentliche Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Verpflichtung zur Schaffung nationaler Mindeststandards, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Tätern die Früchte ihrer Verbrechen zu entziehen. Das Übereinkommen strebt hiebei eine Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen an. Eine Gleichschaltung der nationalen Gesetzgebung ist jedoch nicht Ziel und Folge dieses Übereinkommens.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Mit diesem Übereinkommen wird ein weiterer wichtiger Grundstein im Kampf gegen das organisierte Verbrechen gelegt. Doch bis das gesamte Gebäude steht, ist es für uns noch ein langer Weg, den wir trotzdem oder gerade deswegen unverzüglich zu beschreiten haben. – Meine Fraktion wird diesem Übereinkommen selbstverständlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.41


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Franz Werner Königshofer. – Bitte.

 

13.41

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden dem Übereinkommen zur Bekämpfung der Geldwäsche wohl unsere Zustimmung erteilen, obwohl es unserer Meinung nach bei weitem nicht ausreichend ist, um das Phänomen der internationalen Kriminalität wirksam bekämpfen zu können. Wenn man bedenkt, daß schon im Jahre 1988 weltweit über 6 000 Milliarden Schilling – also 6 Billionen Schilling! – an kriminell erwirtschaftetem Geld umgesetzt wurden, so kann man sich vorstellen, auf wieviel sich dieser Betrag oder diese Summe nach dem Fall des Eisernen Vorhanges bis heute erhöht hat.

Das Problem dabei ist die Verschränkung von legaler Wirtschaft mit illegaler Wirtschaft, wodurch es zur Korrumpierung ganzer Unternehmensbereiche, ganzer Branchen, Regionen und auch Staaten kommt. Die illegale Wirtschaft verdrängt damit die legale Wirtschaft, der Wettbewerb wird verzerrt. Der Wettbewerbsvorteil der illegalen Wirtschaft liegt eben in dieser illegalen Geldbeschaffung, weil damit sozusagen Schwarzgeld als Eigenkapital den Unternehmen zugeführt werden kann, während sich die legale Wirtschaft die Finanzmittel auf dem Geldmarkt beziehungsweise auf dem Kapitalmarkt zu normalen Zinssätzen besorgen muß.

Worum geht es nun bei dem Phänomen der Geldwäsche? – Diese illegale Wirtschaft versucht, die Cash-Einnahmen aus kriminellen Handlungen und Geschäften, zum Beispiel aus Prostitution, Drogen-, Waffen-, Menschenhandel oder aus illegalem Glücksspiel, in den legalen Geldkreislauf zu bringen, um so Investitionen in größerem Ausmaß tätigen zu können. Darin liegt ja auch die Konkurrenz zur legalen Wirtschaft. Die Banken sind bei diesem Versuch, das Geld in den legalen Geldkreislauf zu bringen, das logische Medium, weil ja über den Bankenbereich der größte Teil der Zahlungsströme fließt. Hier wird jetzt bei der Bekämpfung dieser organisierten Kriminalität angesetzt. Auch dieses gegenständliche Abkommen zielt in diese Richtung.

Auch das innerstaatliche Gesetzeswerk sieht entsprechende Maßnahmen vor. Es ist im Bankwesengesetz geregelt, daß Transaktionen über 200 000 S ausweis- beziehungsweise bei Verdacht meldepflichtig sind. Einzahlungen, Auszahlungen, Scheck, Wechseleinlösungen, Devisentransaktionen über dieser Größenordnung sind also, wenn Verdacht besteht, zu melden. Allerdings besteht natürlich auch die Möglichkeit, das zu umgehen, indem größere Beträge aufgeteilt werden unter Betragsgrößen von 200 000 S. Wenn man heute schon auf der einen Seite Dealer hat, hat man auf der anderen Seite auch so und so viele Mitarbeiter, die Geldbeträge aufgeteilt veranlagen können, wobei ich aber auch gleich sagen möchte, daß es hier nicht um das anonyme Sparbuch geht, das im wesentlichen kein Mittel darstellt, um Geld in diese Kanäle zu bringen. Das Sparbuch ist mit einer Einbahnstraße vergleichbar. Ich kann hier etwas einzahlen und muß es auf dem gleichen Wege wieder beheben. Auch hier müssen sich, vor allem Ausländer bei der Veranlagung größerer Beträge ausweisen.

Das Problem liegt auch darin, daß mit Hilfe scheinlegaler Unternehmen scheinlegale Geschäftsabwicklungen getätigt werden und dabei auch der Bankenapparat benutzt wird, ohne daß die Bank letztendlich die Chance hat, den kriminellen Hintergrund des Grundgeschäftes zu erkennen. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele: Das klassische Mittel war, in einem Land mit Kreditmittel eine Investition tätigen zu wollen, wobei dieser Kredit mit einer Bankgarantie aus einem anderen Land besichert wurde.

Ein weiteres probates Mittel dieser Geldwäsche ist auch bekannt: der Betrieb eines Geschäftes, eines Lokales, wobei es gar nicht darauf ankommt, wie hoch die tatsächlichen Tagesumsätze sind, weil am Abend ein Geldbote kommt und die Geschäftslade, die Kasse mit entsprechenden Beträgen auffüllt. Am nächsten Betrag wird dieser Betrag zur Bank gebracht, als Umsatz eingezahlt und auch steuerlich deklariert. Wie soll die Bank erkennen, ob dieses Geld jetzt aus einer echten Verkaufstätigkeit stammt oder Schwarzgeld ist? – Dieses steuerlich deklarierte Geld wird dann zu legalem Geld, und die zum Beispiel im Jahr eingezahlten 3 bis 4 Millionen


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Schilling Schwarzgeld können auf diese Weise zu 1,5 bis 2 Millionen weißem Geld werden, was wesentlich mehr wert ist als das heiße Schwarzgeld.

Diese Methode ist vor allem bei ausländischen Organisationen sehr beliebt, und so manches ausländische Spezialitätenrestaurant, nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Städten sollte einmal im Hinblick auf diese Tatsachen durchleuchtet werden.

Oder: die Umgehung der Banken auf dem Wege des Direktkaufes oder der Direktinvestitionen, wobei es bei Grundstückskäufen aufgrund der bestehenden Ausländergrundverkehrsgesetze doch eher schwierig ist. Aber es gibt natürlich auch relativ teure Mobilien, die gekauft und weiterverkauft werden können.

Ich sage Ihnen nur ein Beispiel: Ein ausländischer Staatsbürger kauft bei einem österreichischen Autohändler ein teures Auto, ein Luxusauto, nehmen wir an einen Ferrari um 2 Millionen Schilling und bezahlt diesen Ferrari dann dort bar. Der Händler nimmt das Geld – er kann sich auch den Ausweis dieses Ausländers kopieren –, er bringt diese Einnahme am Abend zu seiner Bank und sagt, das Geld stamme aus dem Verkauf eines Autos. Dieser Ausländer fährt dann mit dem Auto weiter – entweder auf den eigenen vier Rädern oder auf einem LKW – und transferiert es in einen weiteren Staat und bietet es – wahrscheinlich schon auf Vorbestellung – zum Verkauf an. Er bittet dann seinen Abnehmer, seinen Käufer, den Betrag, den er vereinbart hat, über den Bankweg auf seine Bank in Italien, Spanien oder sonst wohin zu überweisen. Damit ist der Kreislauf wieder geschlossen. – Ausgezogen mit schwarzem Geld, das Auto bezahlt, rücküberwiesen über den Bankweg auf ein offizielles Konto. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich wird es da immer schwieriger für die Exekutive, aber auch für den Bankenbereich, solche scheinlegalen Geschäfte zu durchschauen. Je mehr jetzt die Staaten auf die Geldwirtschaft schauen und den Bankensektor überwachen, desto mehr wird auch die internationale Kriminalität auf solche Umgehungsgeschäfte ausweichen. Da gibt es nicht nur die Autokäufe, da gibt es den Schmuckhandel, den Münz- und den Pelzhandel, da gibt es auch die Möglichkeit, über Auktionshäuser entsprechend teure Waren zu erwerben. Da gibt es aber auch die Möglichkeit, über Spielbanken Geld zu waschen, indem Jetons getauscht und wieder rückgetauscht werden.

Deshalb hinkt auch dieses Abkommen wahrscheinlich wieder der kriminellen Entwicklung nach. Wir meinen daher, daß es höchste Zeit wäre, die Kriminalität wieder stärker an ihrer Wurzel – bei ihrer Entstehung – zu bekämpfen. Das heißt, die Prostitution zu überwachen, den Rauschgifthandel entsprechend zu kontrollieren, das gesamte Dealerwesen und Dealerelend entsprechend zu beobachten und diesem entgegenzuwirken und das illegale Glücksspiel, aber auch den Waffen- und Menschenhandel genauer zu kontrollieren. Sie haben erst unlängst gesehen, wie es gelungen ist, mittels entsprechender Fahndungsmaßnahmen Flüchtlinge, die auf Schlepperwegen in das Land oder durch das Land gebracht wurden, aufzufinden und sie wieder in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken.

Wenn man das Verbrechen direkt, primär bei der Entstehung bekämpft, dann können nämlich derartige illegale Gewinne gar nicht erst entstehen und müssen somit auch nicht abgeschöpft werden. Heute gilt es allerdings, jedes Mittel im Kampf gegen die organisierte, internationale Kriminalität zu nützen, weil diese auch eine Bedrohung für Volkswirtschaften darstellt; und auch dieses Abkommen ist ein solches Mittel dazu. Letztendlich muß es das Ziel sein, diese Kriminalität nicht nur zu bekämpfen, sondern vor allem zu brechen und zu zerschlagen. Deshalb stimmen wir diesem Abkommen, auch wenn es nur eine Etappe auf dem Weg zu diesem Ziel darstellt, zu, und hoffen, daß es doch entsprechende Wirkung zeigen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke, auch das ist mit Stimmeneinhelligkeit so geschehen.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 1995 (III-161 und 5434/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft aus dem Jahr 1995.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Polleruhs übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Ing. Peter Polleruhs: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses. Da dieser Bericht allen Bundesrätinnen und Bundesräten schriftlich zugegangen ist, erlaube ich mir, von einer Verlesung Abstand zu nehmen.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

13.53

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich doch sagen, daß es uns freut, daß dieser Bericht über die klein- und mittelständischen Unternehmen hier vorliegt, das ist äußerst erfreulich. Dieser ist im Nationalrat, wie Sie wissen, nicht behandelt worden, er war dort ausschließlich im Wirtschaftsausschuß. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei all jenen Damen und Herren bedanken, die dafür gesorgt haben oder die es geschafft haben, daß dieser Bericht hier überhaupt debattiert werden kann. Ich darf stellvertretend für alle Herrn Vizepräsidenten Weiss erwähnen, der sich sehr bemüht hat, daß wir hier über dieses Thema reden können.


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Meine Damen und Herren! Es liegt ein sehr ausführlicher Bericht vor, der die Situation der klein- und mittelständischen Unternehmen in Österreich schildert. Er ist immerhin 460 Seiten dick, und wie immer, wenn etwas so bürokratisch aufgebaut wird – ich bitte, das nicht falsch zu verstehen –, ist es letztlich so, daß mehr an Quantität vorhanden ist als an Qualität.

Jedenfalls verbessert der Bericht, wie er uns hier im Bundesrat vorliegt, nicht die Situation der klein- und mittelständischen Unternehmen. Ich glaube, das kann er auch gar nicht, er könnte aber Ansätze aufzeigen, er könnte zeigen, welche Vorstellungen man im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten entwickelt, um konkrete Verbesserungen herbeizuführen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß das Kapitel "Maßnahme der Bundesregierung zur Leistungsstärkung der Klein- und Mittelbetriebe" ausreichend und konkret genug ist. Die Ausführungen über Unternehmensberatung, betriebliche Sofortberatungen, Branchenaktionen, Unternehmensplanung und Marketing, das Eurofit-Programm gemeinsam mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut, die Technologieoffensive, über die wir bekanntlich in der letzten Sitzung hier im Bundesrat einige sehr kritische Äußerungen gehört haben, sind im Prinzip – ich glaube, da geben Sie mir alle recht – nichts Neues. Das wird in allen Banken praktiziert, und ich habe das Gefühl, daß das in den Banken deshalb vielleicht besser funktioniert, weil dort ein direkter Kundenkontakt vorhanden ist und auch die Banken selbstverständlich ein vitales Interesse daran haben, daß die Entwicklung der Kreditnehmer, wenn sie klein- und mittelständische Unternehmer sind, positiv ist.

Ich räume ein, meine Damen und Herren, daß das Ministerium die Bedeutung der klein- und mittelständischen Unternehmen klar erkannt hat. Auch das ist nichts Neues! Das ist auch kein Wunder, vor allem wenn man im Bericht liest, daß 99,8 Prozent der Betriebe KMU-Betriebe im Sinn der EU-Normen sind und daß nur 324 von 200 000 Unternehmen in Österreich mehr als 500 Mitarbeiter aufweisen.

Auch die Zahl der Beschäftigten in den klein- und mittelständischen Unternehmungen ist mit 78 Prozent der zirka 2 Millionen unselbständig Erwerbstätigen natürlich ganz entscheidend. Der Bericht weist auch darauf hin, daß der Zuwachs an Beschäftigten in dieser Gruppe 9 Prozent betragen hat gegenüber 1,2 Prozent bei den Großbetrieben. Diese Zuwächse beziehen sich allerdings, meine Damen und Herren, auf die Jahre 1988 bis 1994, und da sind wir – natürlich könnte man sagen – wieder bei einem Kritikpunkt angelangt: Die Daten aus 1988 bis 1994 sind einfach zu alt, um daraus richtige Entscheidungen treffen, richtige Schlüsse ziehen zu können.

Auch die Zusammenarbeit mit dem Statistischen Zentralamt scheint nicht besonders gut zu klappen, möglicherweise liegt das daran, daß das Statistische Zentralamt dem Bundeskanzleramt untersteht und man deswegen nicht besonders gut zusammenarbeitet. Wenn gestern im Wirtschaftsausschuß von einem Teilnehmer gemeint wurde, daß im Statistischen Zentralamt so etwas wie Chaos herrsche, so möchte ich das überhaupt nicht kommentieren. Es ist jedenfalls gesagt worden, ich glaube es allerdings nicht, meine Damen und Herren!

Das Wirtschaftsministerium ist aber zweifellos bei den Bemühungen, hier aktuelle Daten zu liefern, zu unterstützen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil Sie, Herr Minister, den Gesetzesauftrag haben, das zu tun, sondern auch weil es das Ziel von uns allen nur sein kann, die Mittelstandsforschung zu aktualisieren. Hier gibt es, glaube ich, einen doch sehr positiven, erfreulichen Aspekt, da anläßlich der Behandlung des Berichtes im Wirtschaftsausschuß des Nationalrates Herr Bundesminister Dr. Farnleitner gemeint hat, daß die Vorgangsweise, wie sie derzeit funktioniert, vielleicht doch nicht so optimal sei und die Zahlen, die Daten zu wenig aktuell seien. Sie, Herr Minister, haben selbst dort gemeint, es wäre wahrscheinlich vernünftiger, pragmatischer und gescheiter, jährlich einen 15 bis 20seitigen Kurzbericht mit den für klein- und mittelständische Unternehmen relevanten Daten und relevanten Schwerpunktthemen zu veröffentlichen – selbstverständlich unter Heranziehung aktueller Daten –, um dann von diesem zu langen, zu umfangreichen, zu unübersichtlichen Bericht wegzukommen und anhand von bündigen, kurzfristig behandelbaren Situationen die Probleme und die aktuellen Entwicklungen jährlich der parlamentarischen Debatte zuführen zu können. Wir hoffen natürlich auch für die Zukunft, daß man das auch im Bundesrat tun wird können.


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Das hätte natürlich das Wirtschaftsministerium schon früher einsehen können, das ist nicht besonders neu. Diese Berichte gibt es in regelmäßigen Abständen seit vielen Jahren. Man hätte insbesondere doch wesentlich mehr dafür tun können, die bürokratischen Hemmnisse für die vielen Unternehmer, vor allem auch für die vielen Jungunternehmer in Österreich abzubauen.

Da gefällt mir die Geschichte von Bill Gates, dem Gründer von Microsoft, nach wie vor ganz hervorragend, der, wenn er in Österreich sein Millionen-, Milliardenunternehmen gegründet hätte, das einfach nie geschafft hätte, denn er hätte mit der Fertigung seiner ersten Geräte nicht anfangen können, weil er in einer Garage gearbeitet hat. Die Garage hatte allerdings kein Fenster, Fenster werden aber in Österreich nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz verlangt. Garagen haben aber in Österreich keine Fenster, das fordert wieder der Brandschutz.

Hätte Bill Gates auf einem anderen Gelände beginnen wollen, seinen Betrieb auszubreiten, dann wäre natürlich bei uns ein gewerberechtliches Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt worden. Diese bürokratische Prozedur – Herr Bundesminister, Sie wissen das ganz genau – dauert inklusive Berufungsverfahren in Österreich 409 Tage oder etwa eineinhalb Jahre, also doppelt so lange wie ein vergleichbares Verfahren in Deutschland, wo es im Durchschnitt nur 210 Tage dauert.

Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber es wird geschätzt, daß im Augenblick 15 000 derartige Verfahren laufen. Das heißt, daß 15 000 Jungunternehmer darauf warten, mit dem Geld-Verdienen beginnen und Arbeitsplätze schaffen zu können, während sie die Bürokratie daran hindert. Wir hätten überhaupt nichts dagegen, wenn man für diese Verfahren eine Mindestfrist festlegt und etwa sagt: Wenn binnen drei Monaten keine Entscheidung gefallen ist, so gilt das einfach als bewilligt. – Denn so könnte man auf diesem Gebiet wirklich zu Verkürzungen kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Neben diesen bürokratischen Hemmnissen liegen die Schwierigkeiten zweifellos in der Frage der Finanzierung. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie die Banken in Österreich gefordert. Aber selbstverständlich muß auch durch die Gesetzgebung ein Beitrag geleistet werden, weil anhand der Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen beispielsweise Betriebsübergaben sicherlich erleichtert werden können.

Im Hinblick auf die Banken ist es jedoch interessant und eigentlich traurig, daß sich die neue Gründerwelle, von der wir gesprochen haben, im Augenblick als ein ausgesprochener Fehlstart herausstellt. – Ich zitiere die "Presse", der zu entnehmen ist, daß die Jungunternehmerförderung der BÜRGES-Förderungsbank im vergangenen Jahr, also 1996, von 860 Millionen auf 400 Millionen Schilling geförderte Investitionssummen gesunken ist. Grund dafür war, daß das Parlament – das dürfte eigentlich wirklich nicht passieren! – die 1995 ausgelaufene Förderungsaktion erst im August 1996 verlängert hat. Man hat also mehr als ein halbes Jahr verloren, nur weil die Rahmenbedingungen für die Aktion nicht vorhanden waren!

Auch durch die für die Unterstützung der mittelständischen Betriebe verantwortliche BÜRGES wurden 1996 insgesamt weniger Mittel vergeben als im Jahr 1995. Das Volumen geförderter Investitionen sank von 11,2 Milliarden auf 8,4 Milliarden, also um rund ein Drittel. Auch dazu hätten wir einen recht konkreten Vorschlag, der nicht viel Bürokratie beinhaltet. Denn wir sind davon überzeugt, daß man in Anbetracht dieser Fülle an geförderten Krediten, deren Vergabe nicht nur höchst unübersichtlich, sondern auch im höchsten Maße ungerecht ist, doch etwas tun könnte.

Ich nenne nur ein kleines Beispiel einer Förderungsaktion im Bundesland Kärnten im Bereich des Tourismus: Heuer ist es aufgrund eines Beschlusses der Kärntner Wirtschaftsförderung möglich, zu Investitionen einen Zuschuß von 30 Prozent zu bekommen, für eine völlig gleiche Investition hat es im vergangenen Jahr jedoch keinen einzigen Schilling gegeben! Das heißt, die Vergabe hängt nicht nur von gewissen Hemmnissen ab. Es werden vielmehr aufgrund irgendeines Aktionismus plötzlich Aktionen geschaffen, von denen die Unternehmer erst sehr spät beziehungsweise oft viel zu spät erfahren, oder es erfahren nicht alle Unternehmer davon. In einem Jahr wird etwas gefördert, im nächsten wieder nicht. Und auch die gesamte Problematik


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der Privatisierung der Wirtschaftsförderung, wie sie sich zum Beispiel im Bundesland Kärnten darstellt, ist auch deshalb zu hinterfragen, weil alle Kuratoren, die letztlich entscheiden, selbstverständlich unter politischem Einfluß handeln und von politischem Einfluß abhängen.

Wir könnten uns daher wirklich sehr gut vorstellen, daß man beispielsweise im Falle von Jungunternehmen, aber vielleicht darüber hinaus auch bei vielen anderen Förderungen, die die klein- und mittelständischen Unternehmen überhaupt betreffen, die Zinsenzuschüsse sofort auf Null herabsetzt, daß man also die Gewährung von Zinsenzuschüssen einfach streicht, aber dafür großzügige Haftungsrahmen einräumt, meine Damen und Herren! Es wäre doch lobenswert und sinnvoll, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht besser ist, einem jungen Unternehmer einen ordentlichen Haftungsrahmen zu geben, statt den Kredit um 2 bis 3 Prozent zu reduzieren. Denn ob jetzt 3 Prozent Zinsenzuschuß gewährt werden oder nicht, ist für den Erfolg der Investition unserer Meinung nach nicht entscheidend. Sind hingegen das Konzept in Ordnung und die Investition innovativ genug, dann kann der Jungunternehmer, wenn er die entsprechende Haftung bekommt, auch ohne Zinsenzuschuß Erfolg haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Das Ergebnis ist ein besserer Zugang zu den Krediten. Meine Damen und Herren! Das ist sicherlich eine bessere Lösung als die bisherige komische Ausfallshaftung der BÜRGES. Denn wir sollten uns alle einmal klarmachen, daß es sich hiebei nicht um eine Ausfallshaftung handelt, wie sie in der Exportwirtschaft gang und gäbe ist; das war jetzt ohnedies in allen Medien. Die BÜRGES ist vielmehr eine Ausfallsbürgschaft, und das bedeutet, daß zuerst das Haus der Schwiegereltern versteigert werden muß, bevor die BÜRGES Zahlungen leistet, daß also alle Sicherheiten, die der Kunde bei der Krediteinräumung beigestellt hat, zunächst der Verwertung zugeführt worden sein müssen, bevor die BÜRGES überhaupt als Zahler eintritt. Und das ist für meine Begriffe kein großzügiger Haftungsrahmen! Die Banken agieren leider auch zu restriktiv. Lösungsansätze wären daher bestimmt sehr hilfreich. Zum Beispiel sollte man im Falle eines Jungunternehmers, der zur Bank kommt und keine entsprechende Bonität hat und keine entsprechenden Sicherheiten einbringen kann, aber ein gutes Projekt vorlegt, mit wirklich vernünftigen Haftungen einspringen.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen, daß ich meine, daß der Bericht nur insofern gut ist, als er tatsächlich dazu beiträgt, die Situation der klein- und mittelständischen Unternehmen in Österreich zu verbessern. Wir alle sind dazu aufgerufen, über alle Parteigrenzen hinweg, wo immer wir können einen positiven Beitrag zu leisten. Denn unser aller Wohlergehen hängt vom Wohlergehen der klein- und mittelständischen Unternehmen ab. In diesem Sinne hoffe ich, daß durch die Debatte hier im Bundesrat auch ein Beitrag dazu geleistet wird, daß die Mittelstandsforschung aktualisiert werden kann. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.07

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

14.07

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft ist ein Situationspapier, das die Lage 1995 widerspiegelt. Im Hinblick auf die Aktualität – das haben wir heute auch schon gehört – sollte der Bericht sicherlich früher zur Diskussion stehen, und wenn ich im Ausschuß gehört habe, daß man daran denkt, kürzere Berichtsphasen einzuführen, so kann ich das nur begrüßen. Aktuellere und entsprechend kürzere Berichte wären sinnvoll, denn dann bräuchten wir nicht über die Vergangenheit zu diskutieren, sondern könnten uns zumindest mit der Gegenwart beschäftigen.

Der Bericht selbst gliedert sich in vier Teile: Es werden darin neben der allgemeinen Situation auch zukunftsorientierte Maßnahmen der Bundesregierung in diesem Bereich dargestellt. Grob gesagt geht es um leistungssteigernde Maßnahmen, um Maßnahmen zur Stärkung der Wettbe


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werbsfähigkeit und um die Rahmenbedingungen für unser Vorgehen im Konzert der EU-Staaten.

Die kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft machen nicht täglich Schlagzeilen in unseren Medien. Diesen Platz nehmen zumeist die großen Unternehmen ein. Dennoch nehmen die kleinen und mittleren Unternehmen einen ganz wichtigen Platz ein, und zwar im Hinblick auf die geschaffenen Arbeitsplätze: 99,8 Prozent aller österreichischen Betriebe sind Klein- und Mittelbetriebe, und sie beschäftigen rund 2 Millionen Menschen.

Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Bericht sieht man auch den Knickpunkt der Konjunktur sehr deutlich. Ab dem Jahr 1991 war der Aufwärtstrend vorbei. Eine weltweite Nachfrageschwäche machte sich bemerkbar, und dazu kam auch noch die Abwertung zahlreicher europäischer Währungen, wodurch sich die Situation zusätzlich noch verschärfte.

Die Exporte in die Abwertungsländer gingen natürlich stark zurück, und neue Anbieter aus diesen Ländern drängten in Österreich auf den Markt. Dazu kam auch noch, daß der Tourismus nachließ, der immer ein Garant für die Ausgeglichenheit der Handelsbilanz war.

Die Auswirkungen dieser Situation spürten wir natürlich auch auf dem Arbeitsmarkt, auf dem wir ab dem Jahr 1995 steigende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben. Es ist aber festzuhalten, daß Österreich aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen wesentlich besser dasteht als andere Länder. – Das ist aber auch nur ein schwacher Trost!

Die Schaffung von schlanken öffentlichen Verwaltungen und schlanken Betrieben und zum Teil oft brutale Rationalisierungsmaßnahmen in den Großbetrieben brachten es mit sich, daß zahlreiche Dienstnehmer ihren Arbeitsplatz verloren haben. Das ist die allgemeine Wirtschaftslage, und dem gilt es entgegenzusteuern. Die Bundesregierung hat Maßnahmen zur Leistungssteigerung der kleinen und mittleren Unternehmungen initiiert, weil – wie ich eingangs schon erwähnt habe – dort noch Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Aufgrund der Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen die Unternehmungen immer wieder vor neuen Situationen. Von den Entscheidungen in den Unternehmen hängt es ab, ob neue Umstände als Entwicklungs- und Erfolgschancen genutzt werden können oder ob daraus Probleme entstehen. Entscheidungshilfen sind wertvoller denn je. In Kooperation mit Wirtschaftsexperten, mit Forschungsinstituten, mit den Universitäten müssen daher Erkenntnisse für jene Unternehmungen, die zum Beispiel nicht auf solche Ergebnisse im eigenen Betrieb zurückgreifen können, zugänglich gemacht werden.

Durch eine solche Unterstützung kommt es zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der kleineren und mittleren Unternehmen. Wichtig ist, daß auftauchende Probleme rechtzeitig wahrgenommen werden. Erwähnenswert sind für mich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die gemeinsamen Wirtschaftsförderungsprogramme, die betrieblichen Sofortberatungen, die Branchenaktionen, die Innovationsberatungen, die Nahversorgung im Handel und die Technologieoffensive.

Der vorliegende Bericht sagt zum Beispiel aus, daß bei 43 Prozent der Betriebe unzureichende Mitarbeiterqualifikation ein Hindernis für die Einführung neuer Technologien war. Das veranlaßt mich, hier auf die derzeitige Lehrlingssituation hinzuweisen: 1992 gab es noch 145 000 Lehrstellen in Österreich, jetzt sind es nur noch 123 000. Es gibt auf diesem Gebiet sozusagen einen Rückstau auf dem Arbeitsmarkt. In vielen Gemeinden und Bundesländern wurde bereits auf diese Situation reagiert, das Lehrlingspaket der Bundesregierung tritt mit 1. Juli in Kraft und sollte für die ausbildenden Betriebe eine wesentliche Erleichterung bei der Lehrlingsausbildung bringen.

Es ist aber meiner Meinung nach auch die Pflicht der Wirtschaft und der Betriebe, für eine umfassende Ausbildung der Lehrlinge zu sorgen. Sich aus dieser Pflicht sozusagen davonzuschleichen, so zu tun, als ginge einen das Ganze überhaupt nichts an, ist wohl der völlig falsche Schritt und, wie ich meine, ein sehr kurzsichtiges Verhalten. Denn ein Betrieb kann keine


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moderne Technologien anwenden, wenn er in Zukunft keine entsprechend ausgebildeten Fachkräfte mehr findet!

Meine Damen und Herren! Große Pluspunkte für kleinere und mittlere Betriebe sind deren Flexibilität, eine relativ geringe Bürokratie und schnellere Entscheidungsprozesse. All das führt zu einer besseren Auslastung, zu einer Übersichtlichkeit der betriebsinternen Abläufe und trägt so zum Markterfolg bei. Diese Wettbewerbsvorteile bieten aber auch eine Gewähr für die Bewältigung der großen Anpassungen, die in Zukunft in diesen Betrieben vorgenommen werden müssen. Wichtig ist es auch, eine bessere Bewußtseinsbildung unter den Unternehmerinnen und Unternehmern zu erreichen, damit sie ihre Betriebe den neuen Situationen anpassen können.

Der Staat muß und soll die Rahmenbedingungen geben. Die Umsetzung muß dann in den Betrieben vorgenommen werden. Innovationsbewußtsein und modernes Denken müssen immer an vorderster Stelle stehen. Mehr Betriebsgründungen sind erwünscht und werden auch angeregt. Im Schnitt werden in jedem dieser Gründerbetriebe, die zumeist Kleinstbetriebe sind, vier Arbeitsplätze geschaffen. Das haben uns zumindest Statistiker errechnet. Dazu ist es aber notwendig, daß die Gewerbeordnung entsprechend reformiert wird. Entbürokratisierung und "Abschlackung" sind auch in diesem Bereich zu einem unbedingten Muß geworden, ohne daß dabei allerdings die Qualitätsanforderungen der einzelnen Berufsgruppen in Frage gestellt werden.

Der Schritt in die Selbständigkeit muß aber auch gut überlegt und entsprechend vorbereitet sein. Nicht jeder, der heute arbeitslos wird, kann sich selbständig machen. Ich rege für die ersten Jahre eine fachliche und auch eine finanzielle Begleitung dieser Gründer an.

Stabilisator des Arbeitsmarktes blieb in den letzten Jahren der Dienstleistungssektor. Zwar wurden auch in diesem Sektor in einzelnen Sparten die Mitarbeiterzahlen verringert, hingegen konnten Bereiche wie Gesundheitswesen und die Rechts- und Wirtschaftsdienste zusätzlich Beschäftigte aufnehmen. In der öffentlichen Diskussion konzentriert sich die Hoffnung daher darauf, daß zusätzliche Arbeitsplätze hauptsächlich auf dem Dienstleistungssektor geschaffen werden können. In den USA, der Dienstleistungsnation Nummer eins, arbeiten zum Beispiel 73 Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich. In Österreich sind es nur 57 Prozent. Hier ist sicherlich noch ein zusätzliches Potential vorhanden, wobei mir bewußt ist, daß man das nicht 1 : 1 umlegen kann, weil der Dienstleistungssektor nicht nur von ökonomischen, sondern im hohen Maße auch von gesellschaftlichen Faktoren bestimmt wird.

Alles in allem gesehen ist die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen in Österreich nicht schlecht. Die entsprechenden Hilfen zu bekommen, damit man sich im großen Markt der EU zurechtfindet, wird in Zukunft ganz wichtig sein. Offene Grenzen für den Warenverkehr und ein einheitliches Mehrwertsteuersystem wären wünschenswert, und vereinfachte Zollformalitäten werden für viele Unternehmungen den Weg in die EU erleichtern. Die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen noch nicht überall. Gerade den kleineren Betrieben fehlt es sehr oft an entsprechendem Startkapital, wie ich überhaupt meine, daß es zwar eine ganze Reihe von Förderungsmaßnahmen für die kleinen und mittleren Unternehmungen gibt, der Zugang zu diesen Förderungen aber zumeist sehr mühsam ist.

Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs schon betont, daß ich den Bericht für ein sehr umfassendes Werk halte, welches auf die kritischen Bereiche der Wirtschaft hinweist. Ich sehe den Bericht als Grundlage für weitere Entscheidungen, vor allem auch der kleinen und mittleren Unternehmungen. Meine Fraktion wird daher dem Bericht die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.18

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

14.18

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat dem Nationalrat


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alle zwei Jahre einen Bericht über die Situation der Klein- und Mittelbetriebe vorzulegen. Und ich bedanke mich, ebenso wie Kollege Harring, sehr herzlich dafür, daß es möglich war, daß dieser Bericht auch im Bundesrat diskutiert wird.

Gesetzliche Basis dieses Berichtes ist ein Gesetz aus dem Jahr 1982, das damals sehr stark vom damaligen Bundeskammerpräsidenten Rudolf Sallinger initiiert wurde. Es ist dies heuer der siebente Mittelstandsbericht. Wie schon meine Vorredner gesagt haben, handelt es sich um einen sehr umfangreichen Bericht, der über 460 Seiten umfaßt und der Ende 1996 für das Jahr 1995 erschienen ist. Wir haben gestern im Ausschuß lange über die Beschaffung der Daten diskutiert, und ich glaube, daß das Österreichische Statistische Zentralamt ein bißchen flexibler und besser organisiert werden muß, damit es nicht zu derartigen Verzögerungen kommt.

Die Daten stammen vielfach aus dem Jahr 1988, aus der letzten großen Zählung. Diese findet nur alle zehn Jahre statt, in der Zwischenzeit gibt es zwar Bereichszählungen, deren Auswertungen aber immer relativ lang dauern. Ich glaube, der Bundeskanzler sollte das als Aufforderung sehen, im Rahmen des Statistischen Zentralamts dafür zu sorgen, daß die Zählungen neu und besser organisiert werden.

Meine Damen und Herren! Es wurde schon von den Vorrednern erwähnt: Von den ungefähr 3,1 Millionen Beschäftigten sind rund 2 Millionen in der gewerblichen Wirtschaft beschäftigt, davon rund 1,8 Millionen in Betrieben mit unter 500 Beschäftigten, das sind ungefähr 235 000 Betriebe. Interessanterweise gibt es in Österreich nur 324 Betriebe mit über 500 Beschäftigten. Das heißt, die österreichische Wirtschaft ist also überwiegend klein- und mittelbetrieblich strukturiert.

Bei einem Vergleich innerhalb der Europäischen Union kann man feststellen, daß wir uns in guter Gesellschaft befinden: Denn von den europaweit 15,7 Millionen Betrieben haben 92 Prozent oder 14,5 Millionen Betriebe weniger als zehn Beschäftigte, nur 1 Million rund 10 bis 100 Beschäftigte und 70 000 zwischen 100 und 500 Beschäftigte. Das heißt, Österreich macht im europäischen Konzert keine Ausnahme. Umgekehrt machen wir jedoch eine Ausnahme, denn im Durchschnitt sind in Österreich 12 Mitarbeiter in einem Klein- und Mittelbetrieb beschäftigt, in der EU sind es sechs.

Es wurde vorerst schon erwähnt, daß die Klein- und Mittelbetriebe praktisch der größte Arbeitgeber in Österreich sind, und ich würde auch sagen, sie sind auch der größte Arbeitsplatzbeschaffer. Gemäß einer Statistik der Bundeswirtschaftskammer sind zwischen 1990 und 1996 rund 100 000 Arbeitsplätze in Betrieben mit bis zu 500 Beschäftigten geschaffen worden.

Es wurde auch der Export erwähnt: Aus dem Bericht geht auch hervor, daß eine Steigerung der Wertschöpfung und eine Steigerung der Produktivität vor allem der Klein- und Mittelbetriebe für die Steigerung des Exports verantwortlich sind. Das ist eine erfreuliche Tendenz. Zwischen 1990 und 1996 ist der Export insgesamt um 122 Milliarden Schilling auf ungefähr 588 Milliarden gestiegen. Zu einem guten Teil ist das sicherlich auf die Klein- und Mittelbetriebe zurückzuführen.

Meine Damen und Herren! Es wurde zuerst die Jungunternehmerförderung erwähnt. Ich kenne dieses Problem seit vielen Jahren, ich war selbst Ende der siebziger Jahre Geschäftsführer einer Gesellschaft für Jungunternehmerförderung. Hauptprobleme dabei sind natürlich einerseits die Bürokratie, andererseits die Finanzierung. Aber selbstverständlich ist auch die Risikobereitschaft der Banken – Kollege Harring hat das bereits erwähnt – nicht immer gegeben. Und auch das Beispiel Microsoft, das er erwähnt hat, ist sicherlich zutreffend. Dennoch ist es vor allem in den letzten zehn Jahren gelungen, die Rahmenbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe zu verbessern. Allein zwischen 1990 und 1996 ist die Zahl der gewerblichen Betriebe – ich rede hier nur von den aktiven Betriebsstandorten und nicht von den ruhend gemeldeten – um 18 000 auf 262 000 gestiegen.

Aus dem Bericht geht auch hervor, daß die Eigenkapitalbasis vor allem im Gewerbe vielfach katastrophal ist und daß hier dringend Verbesserungen notwendig sind. Die BÜRGES, die zuerst erwähnt wurde, hat allein 1994 und 1995 Förderungen von etwa 3 Milliarden Schilling


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vergeben, im Rahmen des Gewerbestrukturverbesserungsgesetzes ist ein Kreditvolumen von 25 Milliarden gefördert worden.

Kollege Harring hat erwähnt, daß es in der Jungunternehmerförderung im Vorjahr Rückgänge gegeben hat. Das Gegenteil ist der Fall: Über die Initiative von Minister Farnleitner ist es gelungen, im vorigen Sommer die gesetzliche Basis dafür zu schaffen, daß die BÜRGES weiterhin in der Jungunternehmerförderung tätig sein und Kredite und Haftungen vergeben kann.

Trotz aller dieser Bemühungen sind die österreichischen Unternehmen einem immer stärkeren Druck durch Steuerabgaben und Bürokratie ausgesetzt. Wenn Unternehmer über die enormen Abgaben klagen, dann ist der Unmut über die Bürokratie und den Betrieben aufgebürdeten administrativen Belastungen besonders groß. Dazu kommen noch die Globalisierung, die Osterweiterung und die EU-Mitgliedschaft, die natürlich den Wettbewerb maßgeblich verschärft haben; und auch die zunehmende Vernetzung verhindert ein Abschotten. Das heißt, es gibt immer härtere Wettbewerbsbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe. Daher ist es für die Betriebe in Österreich sehr wichtig, daß auch die entsprechenden Rahmenbedingungen stimmen.

Wir wollen faire Rahmenbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe, eine Liberalisierung und Entbürokratisierung, eine Entrümpelung des Steuerrechtes und einen Aufbau von Netzen und Kooperationen. – Kollege Harring hat zuerst die Bürokratie erwähnt. Ich kenne diese Unterlage und kann daraus weiter zitieren: Wenn man weiß, daß jeder Betrieb pro Jahr ungefähr 560 Arbeitsstunden für die Bürokratie aufwendet, das sind also 15 Wochen pro Jahr, hochgerechnet 70 Millionen Arbeitsstunden mit einem Aufwand von 36 Milliarden Schilling für die österreichische Wirtschaft, dann kann man sich vorstellen, warum der Ruf nach weiterer Entbürokratisierung immer lauter wird. – Allein 1995 haben wir in diesem Haus 9 500 Bundesgesetzblätter produziert. Um diese zu lesen, braucht man 20 Tage.

Vorhin wurde die Statistik erwähnt: Mir ist schon klar, daß man als Wirtschaftspolitiker entsprechendes statistisches Material braucht. Die EU-Statistik geht heute aber weit darüber hinaus: Ein Bäckermeister, der zum Beispiel bereits über der magischen Grenze von 30 Mitarbeitern ist, bekommt sechs Seiten EU-Statistik mit 30 Seiten Erklärungen, wie er auf Energieeinheiten Benzin und Stromverbrauch umrechnen muß. Er muß das zwölf Mal im Jahr durchführen. Tischlereibetriebe müssen schon ab fünf Beschäftigten diese Statistik führen, weil 90 Prozent des Produktionsbereiches erfaßt werden müssen. Trotzdem gibt es aber keine veröffentlichten Statistiken. In Luxemburg erfährt man die österreichische Konjunkturstatistik früher, als sie unserem Wirtschaftsminister zur Kenntnis gelangt. In Anbetracht dessen glaube ich schon, daß es notwendig ist, diesen Verein grundlegend zu reformieren.

Meine Damen und Herren! Noch einen Punkt zur Bürokratie: Haben Sie gewußt, daß ein Handelsbetrieb 166 Gesetze einhalten muß, um einen Betrieb öffnen und führen zu können? – Wenn Sie das wissen, dann wird Ihnen klar sein, daß ein solcher Unternehmer immer – ich will nicht sagen: mit einem Fuß im Kriminal seht – in Schwierigkeiten kommen kann.

Auch die Lehrlingsproblematik wurde zuerst vom Kollegen erwähnt: Wir vom Wirtschaftsbund haben jetzt eine Umfrage hinsichtlich der Auswirkungen des künftigen Lehrlingspaketes gemacht. Ich glaube schon, daß sich die Unternehmer ihrer Verantwortung bewußt sind: In Österreich sind spontan 2 000 zusätzliche Lehrstellen angeboten worden, allein in Niederösterreich weit über 700. Es geht den Unternehmern nicht um Förderung, ich meine, die Förderung ist in diesem Fall zweitrangig, sondern es geht um den Bürokratieabbau bei den Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Man soll sich auf Grundsatzforderungen beschränken, aber nicht Auflagen wie Gefahrenevaluierung in Kleinbetrieben erteilen oder etwas an der Frage scheitern lassen, ob ein Garderobeschrank vorhanden ist.

Ein weiterer Punkt bei der Bürokratie – diesbezüglich befinden wir uns in guter Gesellschaft mit Frau Ministerin Hostasch – ist die Einführung der Chipkarte. Ich weiß, daß das Sozialministerium seinerzeit bei den Verhandlungen betreffend die 50 S Krankenscheingebühr darauf bestanden hat, daß die Unternehmer diesen Betrag einheben und nicht die Ärzte. Nunmehr ist man


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verwundert, welche Bürokratie entsteht und wie viele Millionen an Kosten die Arbeitsmarktverwaltung für das Ausstellen von Krankenscheinen für Arbeitslose aufbringen muß. Es gibt eine Untersuchung durch den Wirtschaftstreuhänder, die ergibt, daß einem Betrieb für die Einhebung der Krankenscheingebühr von 50 S Abwicklungskosten in der Höhe von 73 S entstehen.

Neben der Entbürokratisierung sollte man meiner Meinung nach auch das ganze Steuerrecht entrümpeln. Ich habe am Vormittag bewußt zwei Fragen an den Finanzminister gestellt. Denn vor allem aus Arbeiterkammerstudien ergibt sich immer wieder der Vorworf, daß die Steuerreformen der Jahre 1989 und 1992 zu einer übergebührlichen Entlastung der Betriebe geführt haben. Dem steht eine Studie von Professor Gerald Heidinger aus Graz entgegen, die festgestellt hat, daß zwischen 1994 und 1996 das Lohnsteueraufkommen lediglich um 19,8 Prozent gewachsen ist, die Gewinnsteueraufkommen jedoch um mehr als 47 Prozent gewachsen sind.

Wenn man dies von 1988 bis 1996 zurückverfolgt, so sind die Lohnsteuer um 29,6 Prozent und die Unternehmenssteuer um 41,9 Prozent gewachsen. Man muß natürlich, wenn man eine solche Untersuchung macht, die Kommunalsteuer und die lohnsummenabhängigen Steuern einbeziehen. – Daher ist es, glaube ich, enorm wichtig, bei der Steuerreform im Jahr 2000 die Besteuerung der Betriebe neu zu überdenken und entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Wenn Staatssekretär Ruttenstorfer gestern im "Kurier" darüber nachgedacht hat, daß die Verlustvorträge, die man mit Müh und Not ab 1998 wieder eingeführt hat, ab 2000 gestrichen werden könnten, damit die Gestaltungsmöglichkeiten für die Unternehmer eingeengt werden, so frage ich mich, ob dies nicht zu einer Verbesserung des Investitionsklimas in Österreich führt, wenn wir schon im Ausland dafür bekannt sind, daß die Kontinuität unserer Steuergesetzgebung nicht besonders großartig ist und daß wir im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungspaket die Gesetze laufend geändert haben.

Meine Damen und Herren! Man sollte auch die Landesebene betrachten. Auch hier bestehen durchaus Möglichkeiten und viele Initiativen für Entbürokratisierung. Ich möchte in diesem Zusammenhang im besonderen unseren Wirtschaftslandesrat von Niederösterreich Ernest Gabmann erwähnen, der es sich in Niederösterreich zum Ziel gesetzt hat, Verfahrensvereinfachungen durchzuführen, wo es nur geht. Ich weiß, daß man auf Landesebene im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung nur relativ wenig Gestaltungsmöglichkeiten hat. Ich möchte hier nur die berühmte "Gulaschkobra" erwähnen, mit der es gelungen ist, bei Betriebsübernahmen im Gastgewerbe Auswüchse hintanzustellen, Verfahren zu beschleunigen und jungen Unternehmern, die den elterlichen Betrieb übernehmen wollen, entsprechende Erleichterungen und vor allem schnellere Verfahren zu ermöglichen.

Eine zweite Maßnahme ist die Verfahrenskonzentration: Es wird derzeit versucht, in zwei Bezirken, in Amstetten und in Baden, das Bau- und Gewerberechtsverfahren bei den Bezirkshauptmannschaften zusammenzuführen, und zwar über Antrag der Gemeinden. Es haben sich über 70 Gemeinden in Niederösterreich bereits dazu bereit erklärt, diese Verfahren abzutreten. Ich weiß aber um die Schwierigkeiten dabei: Das ist natürlich mit einem Machtverlust der Bürgermeister verbunden. Daher wird das nicht immer gerne gesehen. (Bundesrat Karl Hager: Nicht nur deshalb!) Da gebe ich dir schon recht, wenn du das als Bürgermeister sagst! Es besteht auch die berechtigte Kritik, daß man bisher nicht verhindern konnte, daß die Verfahren länger dauern und nicht etwa kürzer werden. Aber das Wirtschaftsreferat ist diesbezüglich guten Mutes, daß man durch Einsatz von privaten Sachverständigen die gleiche schnelle Verfahrensdauer erreichen können wird, wie wenn man zuerst das Bauverfahren und dann das Gewerberechtsverfahren durchführt. Der momentane Probegalopp soll nachweisen, ob dies funktionieren kann. Ich hoffe, daß wir diesbezüglich zu positiven Ergebnissen kommen.

Wir können aber in Niederösterreich durchaus auch auf Deregulierungsmaßnahmen bei der Bauordnung hinweisen. In diesem Zusammenhang konnten vor allem durch den Einsatz von Privatsachverständigen und durch Abkürzung von Entscheidungsfristen raschere Verfahren ermöglicht werden.


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626. Sitzung / Seite 83

Meine Damen und Herren! Es wurde zuerst die Gewerbeordnung erwähnt: Ich weiß, daß dies im Rahmen der Wirtschaft – ich will gar nicht auf die Landwirtschaft eingehen – ein heißes Eisen ist. Es geht uns dabei vor allem um faire Wettbewerbsbedingungen, um die Erhaltung einer qualifizierten Ausbildung und der Meisterbetriebe, und wir meinen, daß man das nicht durch drastische Konsumentenschutzmaßnahmen nach amerikanischem Muster ersetzen sollte. Ich glaube, daß die Gewerbeordnung allein kein Hindernis ist, sich selbständig zu machen. Ich meine, daß vielmehr andere Hindernisse wie geringe Risikofreudigkeit der Banken, auch das Insolvenzrechtsgesetz und andere Punkte das Unternehmer-Sein in Österreich nicht geradezu erleichtern.

Ich möchte zum Schluß kommen: Aus dem Bericht ist zu ersehen, daß gerade die Klein- und Mittelbetriebe in ihrer Gesamtheit in Österreich der potenteste Arbeitgeber sind. Wir können auf diese daher in keiner Weise verzichten. Es ist dieser Tage der vierte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMUs erschienen, in welchem in der Präambel festgehalten ist, daß die Klein- und Mittelbetriebe als die alleinigen Hoffnungsträger für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa angesehen werden.

Ich glaube, wenn es uns gelingt, die Entbürokratisierung voranzutreiben, eine Entrümpelung des Steuerrechtes zu erreichen und auch die Unternehmergesinnung – wie heute schon einige meiner Vorredner zum Ausdruck gebracht haben – zu verbessern, wenn man heute also auch jungen Leuten Mut zuspricht, sich selbständig zu machen, dann wird sich die Situation für die Betriebe in Österreich verbessern. Ich bin dankbar, daß das Wirtschaftsministerium einen solch ausführlichen Bericht geliefert hat, der uns die Gelegenheit gibt, auch in diesem Haus über die Situation der Klein- und Mittelbetriebe nachzudenken und zu diskutieren. – Vielen Dank dem Wirtschaftsministerium, vielen Dank den Verfassern dieses Berichtes! Meine Fraktion wird diesem Bericht selbstverständlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.37

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich erteile es ihm.

14.37

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe immer den persönlichen Grundsatz, wenn es irgendwie geht, Argumente nicht zu wiederholen, die bereits in einer Debatte von einem Redner vorgebracht wurden. Dieser Grundsatz macht es mir heute sehr schwierig, meine geplanten Ausführungen hier zum besten zu geben, mehr noch: Gemäß diesem Grundsatz muß ich zwangsläufig auf meine geplanten Ausführungen verzichten. Denn von meinen Vorrednern aus dem Regierungslager wurde Kritik an der Wirtschaftspolitik so umfassend, beeindruckend und so perfekt geübt, daß mir schlicht und einfach nichts mehr weiter dazu einfällt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Kollegen Kaufmann, aber auch Kollegen Kraml – denn es ist besonders interessant, daß sich hier jemand von sozialdemokratischer Seite für die Klein- und Mittelbetriebe auf die Schienen wirft – alles Gute wünschen, daß sie sich mit ihren Meinungen bei den wesentlichen Machtträgern in ihren Parteien durchsetzen können. Denn ich kann mich ihren inhaltlichen kritischen Äußerungen wirklich nur anschließen, und ich verstehe die zum Ausdruck gebrachte Stimmungslage völlig.

Damit aber Regierung und Opposition nicht ganz durcheinander gemischt werden, möchte ich festhalten, daß wir uns in einem Punkt ganz wesentlich voneinander unterscheiden: Ich verstehe die Kritik meiner beiden Kollegen sehr gut. Daher verstehe ich überhaupt nicht, wie sie dem Bericht dann zustimmen können! Damit also der Unterschied zwischen uns bestehenbleibt: Ich kann aus all den genannten Gründen diesen Bericht nur ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 84

14.39

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile es ihm.

14.39

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Kollege Rockenschaub! Ich kann Ihrer Argumentation – das muß ich leider sagen – nicht ganz folgen! (Bundesrat Eisl: Wenn Sie ein bißchen folgen können, dann ist das ja schon etwas!)

Für den vorliegenden Bericht haben – das ist den Vorbemerkungen zu entnehmen – 28 Stellen und Organisationen Daten zur Verfügung gestellt beziehungsweise Beiträge geleistet. Diese Zahl zeigt, daß Klein- und Mittelbetriebe sehr mit der Bürokratie – da stimme ich mit Kollegen Kaufmann überein – zu kämpfen haben.

Dieser Bericht zeichnet sich durch einen sehr klaren Aufbau aus. Er ist informativ. Das Problem der Nichtaktualität, der überholten Daten wurde schon von Kollegen Harring kritisiert. Gerade in unserer schnellebigen Zeit, in einer Zeit der Veränderung, in einer Zeit des Wandels, in einer Zeit der Technologisierung und der Globalisierung wäre es notwendig, das neueste Datenmaterial zu verarbeiten, um die richtigen Strategien entwickeln zu können. Leider verliert dieser Bericht durch diese Nichtaktualität etwas an Wert.

Die Tatsache, daß 99,8 Prozent der österreichischen Betriebe Klein- und Mittelbetriebe sind, zeigt die Wichtigkeit dieser Wirtschaftssparte. Daß 78 Prozent der rund 2 Millionen unselbständig Beschäftigten in Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt sind, ist ein weiterer Beweis dafür, daß es Aufgabe der Politik sein muß, auf diesem Gebiet Initiativen zu setzen.

Der Bericht weist auch sehr klar auf die Abschwächung der Gründungsdynamik hin. Die Gewerberechtsnovelle 1992 brachte eine Liberalisierung und gewisse Deregulierung. Die Zugangsbestimmungen zum Gewerbe wurden etwas gelockert. Eine Reduktion der Anzahl der gesetzlich geregelten Gewerbe von 210 auf 150 wurde erreicht. Diese Verminderung der Anzahl hatte in der Praxis aber kaum eine Bedeutung, da der Großteil dieser Gewerbe ökonomisch weitgehend nicht ins Gewicht fiel.

Die rechtlichen Voraussetzungen, ein Unternehmen zu gründen beziehungsweise ein Gewerbe zu betreiben, sind daher nicht nur für den Unternehmer selbst, sondern auch für die Zahl der Beschäftigten von Bedeutung. Daher ist eine weitere Reform der Gewerbeordnung, die in den Grundzügen bereits vorliegt, ein Gebot der Stunde.

Ein zu strenger Zugang zum Gewerbe ist ein ungerechtfertigter Konkurrenzschutz für die etablierten Unternehmer der jeweiligen Branche und gefährdet die Gründung von neuen Unternehmungen und damit auch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Eine Liberalisierung der Gewerbeordnung muß neben der Erleichterung von Unternehmensgründungen auch das Zurückdrängen der Schattenwirtschaft zum Ziel haben. Derzeit werden vor allem handwerkliche Tätigkeiten vielfach im Pfusch verrichtet. Ich meine jetzt nicht die Nachbarschaftshilfe, sondern den gewerbsmäßig betriebenen Pfusch. Dieser Pfusch wird verrichtet, um die Kosten und Mühen von Gewerbeanmeldungen zu umgehen. Dadurch entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe.

Selbstverständlich kann die Antwort auf neue Marktbedingungen nicht die gänzliche Abschaffung der Gewerbeordnung sein, sondern es muß auf die spezifische Rolle Rücksicht genommen werden, die Österreich im Rahmen des globalisierten Wettbewerbs am besten einnehmen kann.

Österreich hat der internationalen Konkurrenz in erster Linie qualitätsvolle und hochwertige Güter und Dienstleistungen entgegenzusetzen. Dementsprechend werden jene Aspekte der Gewerbeordnung, die der Qualitätssicherung dienen, nicht nur beizubehalten, sondern noch zusätzlich aufzuwerten sein. Der international gute Ruf des Wirtschaftsstandortes Österreich ist schließlich wesentlich durch den hohen Ausbildungsgrad seiner Arbeitskräfte begründet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf beinahe 100 Seiten des vorliegenden Berichtes werden die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungen dargestellt. Sehr interessant finde ich auch die Beschreibung der Rahmenbedingungen für Unternehmungen in der EU. Die Auflistung der Strukturfondsmittel seitens der EU für Österreich ist sehr informativ.


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So wie Kollege Kaufmann möchte auch ich auf die Bundesländer zu sprechen kommen und zu meinem Land, dem Burgenland, etwas sagen: Das Burgenland als Ziel-1-Gebiet erhält bis zum Jahr 1999 165,6 Millionen Ecu, das sind 2 152,8 Millionen Schilling. Wenn ich dazu die Förderungen des Bundes, des Landes und die Umwegrentabilität hinzurechne, ergibt das einen Investitionsschub von beinahe 10 Milliarden Schilling für das jüngste Kind Österreichs, wie es in unserer Landeshymne heißt. Leider sind die positiven Auswirkungen dieser EU-Förderungen noch nicht evaluiert. Ich kann aber berichten, daß der Ziel-1-Status meines Landes zu einem Wirtschaftsaufschwung, zu guten Wirtschaftsdaten und zu mehr Beschäftigung geführt hat und in Zukunft noch führen wird.

Meine Damen und Herren! Das Burgenland war lange Zeit benachteiligt. Es lag an einer toten Grenze und ist nun auf dem Weg, seinen wirtschaftlichen Rückstand mit Hilfe der EU aufzuholen. Wahrscheinlich wird es aber notwendig sein, auch nach 1999 weiterhin nach EU-Förderung zu streben. Das Limit für die Bemessungsgrundlage für Förderungen – hiefür wird das Bruttoinlandsprodukt herangezogen – liegt derzeit bei 75 Prozent, und trotz der guten Wirtschaftsdaten, die mein Bundesland hat, sagen uns Wirtschaftsforscher voraus, daß es im Jahr 1999 nur gelingen wird, an 72 beziehungsweise 73 Prozent dieses Limits heranzukommen. Unser Landeshauptmann Karl Stix hat daher schon begonnen, mit Brüssel Verhandlungen aufzunehmen.

Ich darf Sie, sehr verehrter Herr Bundesminister, aber auch Sie, meine Damen und Herren, um Ihre Unterstützung für unser Bundesland bitten, das aufgrund seiner schwierigen Lage an der Ostgrenze jahrzehntelang benachteiligt war. Wir wollen ebenfalls den Standard der anderen Bundesländer erreichen, und dies wird uns sicherlich mit Hilfe der Förderungen gemäß dem Ziel-1-Status gelingen. – Meine Fraktion wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.47

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof. Ich erteile es ihm.

14.47

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich heute zum Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft 1995 spreche, so möchte ich zu Beginn auch einige Eckdaten nennen, die die immense Bedeutung dieses Bereiches unterstreichen.

99,8 Prozent aller österreichischen Betriebe, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Klein- oder Mittelbetriebe. Von den insgesamt etwas mehr als 200 000 österreichischen Betrieben sind nur rund 320 Großbetriebe, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Allein in der gewerblichen Wirtschaft, in der 2 Millionen unselbständig Beschäftigte tätig sind, arbeiten rund 78 Prozent in Klein- und Mittelbetrieben.

Wenngleich die Arbeitslosenquote insgesamt leider gestiegen ist, so darf nicht übersehen werden, daß die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe die Arbeitsplatzverluste in den industriellen Großbetrieben weitestgehend kompensiert haben und Zuwächse der erwerbsfähigen Bevölkerung im großen Maße aufnehmen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt gar nicht im einzelnen mit Datenmaterial aus dem Bericht aufwarten, da ein Bericht für das Jahr 1995 naturgemäß nicht das allerneueste Zahlenmaterial beinhalten kann.

In diesem Zusammenhang ist mir die Feststellung ein großes Anliegen, daß wir in unserem Land nicht zuletzt aufgrund der herrschenden Arbeitsmarktsituation eine Unternehmensgründungswelle dringender denn je benötigen. Die Neugründungen von Unternehmen sind eine Basis für den österreichischen Wohlstand, und gerade im modernen Dienstleistungsbereich eröffnen sich für innovative und kreative Menschen ungeahnte Möglichkeiten. Allerdings muß in unserem Land noch viel getan werden, um Rahmenbedingungen beziehungsweise ein Umfeld


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626. Sitzung / Seite 86

zu schaffen, das die Österreicherinnen und Österreicher dazu ermuntert, ihre Ideen und ihre gute Ausbildung dafür einzusetzen, sich selbständig zu machen und ein Unternehmen zu gründen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das beginnt schon einmal bei der Bürokratie. Natürlich muß alles seinen geregelten und rechtlich einwandfreien Ablauf haben, aber das darf nicht dazu führen, daß eine Betriebsgründung zu einem bürokratischen Spießrutenlauf ausartet.

Das betrifft im übrigen nicht nur Betriebsgründungen, sondern die schwerfälligen Behördenwege bremsen auch die Vorhaben bestehender Unternehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Untersuchung hinweisen, die von der Wirtschaftskammer vor zwei Monaten präsentiert wurde. Demnach ziehen sich Genehmigungsverfahren für Betriebsanlagen in Österreich im Durchschnitt über mehr als ein Jahr hin, konkret über 409 Tage. Der Vergleichswert in Deutschland, das auch über eine eher ausgeprägte Bürokratie verfügt, liegt bei 210 Tagen, also deutlich darunter.

Daß es durchaus auch anders geht, zeigt etwa das Beispiel Grieskirchen, wo es mittels Optimierung organisatorischer Abläufe gelungen ist, die Dauer von Genehmigungsverfahren von zehn auf drei Monate zu verkürzen.

Ich möchte aber wieder auf das Thema Unternehmensgründungen zurückkommen: Ein zentrales Anliegen in diesem Konnex ist sicherlich auch eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung. Das ist ein Bereich, um den es in Österreich generell nicht zum allerbesten bestellt ist. Die Tatsache, daß der Bereich Risikokapital in Österreich stark unterentwickelt ist, ist nämlich auch ein wesentlicher Hemmschuh auf dem Weg zur Unternehmensgründung.

Last but not least möchte ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der in den Bereich der Mentalität hineinführt: auf die Risikobereitschaft. Den Menschen in unserem Land muß wieder das Gefühl gegeben werden, daß sich Risiko lohnt. Unternehmertum und Selbständigkeit bedeuten Risiko, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Leider ist aber hierzulande festzustellen, daß einem Unternehmer, der einen Fehlschlag erleidet, kaum mehr Chancen für einen weiteren Versuch eingeräumt werden, mehr noch: Nach einem Fehlschlag ist sein Ruf ruiniert.

Meine Damen und Herren! Nehmen wir uns ein Beispiel am diesbezüglichen Denken in den USA: Dort wird einem Menschen, wenn er über eine gute Idee verfügt, auch nach einem gescheiterten Versuch eine Chance gegeben. Dort herrscht die Einstellung, daß der Betroffene nach dem Fehlschlag aus seinen Fehlern gelernt haben sollte. Bitte verstehen wir uns nicht falsch: Ich möchte keineswegs Betrügern das Wort reden, die auf Kosten anderer das schnelle Geld machen wollen. Was ich sagen will, ist, daß wir unser Verhalten gegenüber Menschen ändern müssen, die bereit sind, Risiko auf sich zu nehmen, dann aber aus Pech einen Fehlschlag erleiden. Wenn wir dazu nicht bereit sind, dürfen wir uns nicht wundern, wenn junge Menschen jegliches unternehmerisches Risiko scheuen und ihre berufliche Idealvorstellung in einer Pragmatisierung sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht behandelt in einem großen Kapitel auch ausführlich die Rahmenbedingungen für die österreichischen kleinen und mittleren Unternehmungen in der EU und hält dabei unter anderem fest, daß der Binnenmarkt den kleinen und mittleren Unternehmungen verhältnismäßig mehr Vorteile bietet als den größeren Unternehmungen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun aber nicht auf die in diesem Bericht des Wirtschaftsministers angeführten Details eingehen, sondern im Zusammenhang mit der EU auf das Thema Euro zu sprechen kommen. Auch oder, besser gesagt, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen ist die Einführung des Euro von großer Bedeutung. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, kurz KMU genannt, leiden unter den starken Wechselkursschwankungen. An dieser Stelle möchte ich einfügen, daß im vorliegenden Bericht des Wirtschaftsministers unter der Überschrift: "Die Exporttätigkeit von KMU" folgendes festgestellt wird. – Ich darf zitieren: "Die Zunahme der direkten Exporte, aber auch der indirekten Exporte durch Zulieferungen an exportierende Großbetriebe bewirkt ein relativ starkes Wachstum der Wertschöpfung".


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Meine Damen und Herren! Sprechen Sie einmal mit einem Vertreter eines exportierenden Unternehmens, was Währungsschwankungen für ein Unternehmen bedeuten. Dafür gibt es genug Beispiele. Aber nicht nur die exportierenden Unternehmungen profitieren von einer europäischen Währung. Ich erinnere nur an den deutlichen Rückgang an italienischen Gästen im heimischen Fremdenverkehr, als sich der Kurs der italienischen Lira seinerzeit im Sturzflug befand. Laut EU-Berechnungen sind den Volkswirtschaften in den Europäischen Union allein im Jahr 1995 400 Milliarden Schilling durch Währungsschwankungen abhanden gekommen, das ist eine stattliche Summe. Außerdem sind auch noch die Wechselkosten zu berichtigen, die in der EU jährlich 200 Milliarden Schilling ausmachen. – Die soeben genannten Zahlen sprechen eine außerordentliche deutliche Sprache, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Einführung des Euro Umstellungskosten verursacht.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein paar Worte zu den Sparkursen europäischer Regierungen im allgemeinen und zum Sparkurs unserer Regierung im besonderen. Es war schon höchste Eisenbahn – wenn ich das so salopp formulieren darf –, die Sanierung der Staatsfinanzen in Angriff zu nehmen, mit oder ohne Euro. Denn nicht die geplante Einführung des Euro ist Ursache dafür, daß Einsparungen bei Staatshaushalten vorgenommen werden müssen, sondern das jahrelange Über-die-Verhältnisse-Leben. Die geplante Währungsunion ist nun endlich jener Ansporn, der längst fällig war, daß die seit langen notwendigen Schritte auch durchgeführt werden.

Abgesehen vom soeben Gesagten ist die Schaffung der Währungsunion auch die logische Vollendung des Binnenmarkts. Wir haben uns mit großer Zustimmung der Bevölkerung für den Gemeinsamen Markt entschlossen. Ich meine, daß ein gemeinsamer Markt allerdings erst dann als solcher zu bezeichnen ist, wenn er auch über eine gemeinsame Währung verfügt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte auch ich es nicht verabsäumen, mich bei all jenen Damen und Herren zu bedanken, die an der Erarbeitung des Berichts über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft 1995 mitgewirkt haben. Ich bin sicher, daß dieser Bericht noch oftmals als informative Quelle genutzt werden wird, und auch deshalb werden wir unsere Zustimmung dazu geben. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

14.56

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion über diesen Bericht der kleinen und mittleren Unternehmen ist mir aufgefallen, wie vielfältig doch die Facetten der Wirtschaft sind. Und gerade das ist wahrscheinlich der Grund dafür, daß für uns Selbständige die Arbeit so interessant und niemals langweilig ist.

Praktisch 100 Prozent aller österreichischen Betriebe sind Klein- und Mittelbetriebe, und nur 0,16 Prozent sind Großbetriebe, also Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten. Letztere beschäftigen etwas mehr als ein Fünftel der unselbständig Beschäftigten. Fast 80 Prozent der unselbständig Beschäftigten arbeiten in Klein- und Mittelbetrieben. An diesen Zahlen zeigt sich ganz eindeutig die Bedeutung – wie auch meine Vorredner bereits gesagt haben – dieser Unternehmensgröße für Österreich.

Ich bin mit meinem Kollegen Kraml nicht ganz einer Meinung, daß das Lehrlingsproblem ein solch besonderes Problem in unserem Lande ist. Ich persönlich versuche bereits seit einem halben Jahr, für eine Tischlerei einen Lehrling zu bekommen, es ist mir jedoch nicht gelungen, obwohl wir nicht besonders heikel in der Auswahl der Lehrlinge sind: Er sollte wenigstens die dritte oder vierte Hauptschule geschafft haben, dann würde er schon genommen werden. Offenbar sind die entsprechenden Lehrlinge aber nicht vorhanden.


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Kollege Payer meinte, daß Pfusch in erster Linie wegen der komplizierten Gewerbeanmeldung durchgeführt wird. Das glaube ich nicht. Pfusch wird meiner Meinung nach in erster Linie deshalb gemacht, damit man sich Steuern erspart. Das ist letztlich auch ein Ergebnis der jahrelangen Staatsverschuldung. Wie geht das vor sich? – Der Staat ist verschuldet, dann müssen die Steuern erhöht werden, dann sieht der Staatsbürger nicht mehr ein, warum die Steuern so hoch sind, und versucht, diesen Steuern auszuweichen. In dieser Situation befinden wir uns teilweise. Daher kam es zu den Bemühungen innerhalb des Sparpaketes, um wiederum auf eine glaubwürdige Steuerquote beziehungsweise einigermaßen akzeptable Steuerquote herunterzukommen.

Wie aus der Statistik des vorliegenden Berichtes der klein- und mittelbetrieblichen Unternehmen hervorgeht, gibt es in der Rubrik "Gewerbe und Handwerk" im Jahre 1994 20 Großbetriebe. Das heißt, 20 Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern rechnen sich nicht zur Industrie, sondern zum Gewerbe und Handwerk. – Nach meiner Auffassung ist eine seriöse und sachlich gerechtfertigte Trennung von Gewerbe und Handwerk auf der einen Seite und Industrie auf der anderen Seite nicht möglich. Wenn heute nicht auch Gewerbe- und Handwerksbetriebe nach industriellen Fertigungsmethoden ihre Produkte erzeugen, werden sie nur in den wenigsten Fällen ihre Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt bringen können.

Ich möchte deshalb hier die Frage aufwerfen, ob es gerechtfertigt und sinnvoll oder für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes vorteilhaft ist, wenn die Trennung in Industrie und Gewerbe weiterhin aufrechterhalten wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es wird gerne der Spruch "Handwerk hat goldenen Boden" gebraucht. Ich möchte einmal – etwas überzeichnend und provokant – folgende Behauptung in den Raum stellen: Das Handwerk hat keinen goldenen Boden. Sicherlich hatte das Handwerk früher einmal goldenen Boden, aber handwerkliche Erzeugung ohne industrielle Produktionsmethoden hat außerhalb des künstlerischen Bereiches heute kaum mehr wirtschaftliche Überlebenschancen. Viele tausend kleine Handwerksbetriebe können nur mehr mit enormem persönlichen Einsatz der Unternehmer überleben. Trotzdem müssen viele den bitteren Weg zum Konkursrichter gehen.

Nach meiner Auffassung hat die Wirtschaftskammer dabei eine sehr bedeutende Aufgabe für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes in der Zukunft. Die Trennung zwischen Gewerbe und Industrie im Kammerbereich hat sich überlebt! Ich weiß, auch das ist provokant. Außerdem muß ein Umdenken in der Bedeutung und im Image der Industrie stattfinden.

Der handwerkliche Gewerbebetrieb stellt eine Möglichkeit für die Betriebsgründung dar. Es sollte aber als Ziel und Veredelung eines Handwerksbetriebes betrachtet werden, daß er zu einem Industriebetrieb aufsteigt. Ich weiß, daß das nicht einfach ist, sehe aber in einer verstärkten Industrialisierung, die von allen maßgeblichen Stellen des Landes getragen werden muß – überall im Bereich von Schule und Ausbildung –, die besten Voraussetzungen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Damit ich nicht falsch verstanden werde: Das ist nicht gegen die Lehre, nicht gegen die Lehrlinge und nicht gegen das Handwerk gerichtet, sondern ich will sagen, daß sich in den Köpfen der Unternehmer, in den Köpfen der Handwerker etwas verändern muß. Dort muß daran gearbeitet werden. Es sollte nicht heißen: "Ich bin ein kleiner Handwerker und möchte das immer bleiben", sondern es muß heißen: "Hier bin ich der Handwerker, und ich muß nach möglichst rationellen Fertigungsmethoden trachten". Das muß auch das Ziel dieser Ausbildung sein.

Wie sonst wäre es möglich, daß wir in einem Land, in dem es Tausende von Tischlereibetrieben gibt – ich spreche davon, weil ich diesen Sektor kenne; allein in Tirol haben wir über 800 Tischlereibetriebe –, einen Großteil der Möbel importieren müssen? – Da stimmt doch etwas nicht! Diese Betriebe müßten sich – wenigstens der eine oder andere – zu industriellen Erzeugungsbetrieben entwickeln. Ich glaube, daß zu einer anderen geistigen Einstellung kommen muß. Das geht nicht gegen die Institution des Meisters und ähnliche Dinge, sondern


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ich sage: Ja zum Meister, aber bei Anwendung industrieller Fertigungsmethoden! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine wichtige Aufgabe der Bundesregierung ist es, Maßnahmen zur Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen zu setzen. Dazu zählen die verschiedensten Beratungs- und Informationsveranstaltungen der Wirtschaftsförderungsinstitute. Außerdem gibt es diverse Förderungsprogramme, Kreditförderungen, Zinsstützungen sowie die Verleihung von Staatspreisen zur Hervorhebung besonderer Leistungen, die damit anerkannt werden. All diese Förderungsmaßnahmen sind notwendig, wichtig und gut für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande. Diese Förderungsmaßnahmen sind auch eine Möglichkeit der Bundesregierung, lenkend in die wirtschaftliche Entwicklung einzugreifen.

Eine gute Wirtschaftsentwicklung hängt aber in erster Linie davon ab, wie groß der Freiraum der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Ich habe schon in meiner Rede am 17. Oktober des vergangenen Jahres zum Werkvertragsgesetz darauf hingewiesen, daß laut einer Studie von Nobelpreisträger Milton Friedman die Länder mit großer wirtschaftlicher Freiheit die beste wirtschaftliche Entwicklung aufweisen. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist letztlich eine Voraussetzung für die Betriebsneugründungen, die wir dringend brauchen.

Jede Förderung der Wirtschaft wird zunichte gemacht, wenn der Wirtschaft auf der anderen Seite Rahmenbedingungen verordnet werden, die die freie Entfaltung bremsen. Nach der genannten Studie von Milton Friedman und anderen namhaften Ökonomen liegen Hongkong, Singapur, Neuseeland und die USA an der Spitze, wenn die Staaten mit der größten wirtschaftlichen Freiheit verglichen werden. Ich wiederhole das, weil ich es für sehr wichtig halte. (Bundesrat Payer: Sie reden mir zu wenig von den Arbeitsplätzen!) Ich bin Unternehmer und sage: Wenn die Unternehmen florieren, dann gibt es ausreichend Arbeitsplätze. (Bundesrat Payer: Das ist in Ihrer Rede noch nicht vorgekommen!) Wenn sich die Wirtschaft dynamisch entfalten kann, haben wir keine Probleme mehr mit den Lehrlingen.

Ich ergänze, daß die genannten Staaten auch diejenigen mit der besten wirtschaftlichen Entwicklung sind, und komme damit auf die Arbeitnehmer zu sprechen. (Bundesrat Payer: Hat mein Einwand doch etwas genützt!) Es spricht für die österreichischen Arbeitnehmer – allerdings auch für die österreichischen Unternehmer –, daß der Wohlstand in Österreich so hoch ist, obwohl wir – man höre! – gemeinsam mit Trinidad, Chile, Mexiko und Spanien nur an 36. Stelle der zitierten Übersicht liegen. Wir müssen gegen die ungeheure Regulierungswut des Staates – sprich: wir hier –, wir müssen gegen die ungeheure Regulierungswut dieses Parlamentes ankämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Sie werden doch nicht die Staaten, die Sie genannt haben, als Sozialstaaten bezeichnen oder mit Österreich vergleichen wollen!) Deshalb habe ich ja erwähnt, daß wir einen wesentlich höheren Wohlstand haben, und deshalb spricht das ganz besonders für die österreichischen Arbeitnehmer und Unternehmer. Würden wir in unserem Staat mehr Freiheiten haben, wären wir wahrscheinlich das beste Land der Welt! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich weiß – Ich habe teilweise Ihre Worte noch im Ohr –, daß Sie alle Anstrengungen unternehmen, um das verkrustete System in Österreich aufzubrechen. Wie schwierig das ist, sehen wir ... (Bundesrätin Crepaz: Aber wenn ihr Probleme habt, schreit ihr nach dem Staat! Jeder Betrieb, der in Schwierigkeiten gerät, schreit: Da geht es um Arbeitsplätze, da brauchen wir den Staat! – Bundesrat Eisl: Der "Konsum" ist vom Staat geführt worden!) Die Unternehmer schreien nicht nach dem Staat. (Bundesrat Eisl: Der "Konsum" hat Arbeitsplätze gekostet!)

Wie schwierig eine Veränderung ist, sehen wir an der jüngsten Regelung der Öffnungszeiten für Geschäfte. Ich möchte sagen: Dieses Gesetz gehört weg, wir brauchen es nicht! – Oder wir sehen die Probleme an Ihren Bestrebungen, die Betriebsanlagengenehmigungen mit Anmeldeverfahren zu vereinfachen beziehungsweise die Gewerbeordnung auch nur an die bereits lange geübte Praxis anzupassen. All das ist ungeheuer schwierig.


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Bei diesen Auseinandersetzungen wird in mir oft die Befürchtung geweckt, daß die hochgelobte Sozialpartnerschaft nicht immer ein Segen für unser Land ist und einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung häufig im Wege steht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Österreich ohne Sozialpartnerschaft – stellen Sie sich das vor!) – Ich möchte darauf nicht antworten, damit meine Rede nicht zu lange wird.

Zur Wirtschaftsförderung der Bundesregierung zählt auch die Forschung. Ein Kapitel des vorliegenden Berichtes ist der Wohnbauforschung gewidmet. Vor zwei oder drei Jahren versuchte ich einmal, ein Ergebnis der Wohnbauforschung zu erhalten. Aus den verschiedensten Gründen war es mir leider nicht möglich, dieses Ergebnis zu erhalten. Ich glaube deshalb, daß die verschiedenen Forschungsprojekte einer wesentlich schärferen Kontrolle zu unterziehen sind. Denn wenn der Praktiker die Ergebnisse von Forschungsprojekten, die für die Praxis gemacht worden sind, nicht erhält, dann sind sie für die Praxis nutzlos. Ich glaube, auf dem Gebiet der Forschungskontrolle – es strömt eine große Menge Geld in die Forschung – müßte sehr viel getan werden, um die Effizienz der Forschung, die für eine moderne Entwicklung der Industrie unentbehrlich ist, zu gewährleisten.

Bezeichnend für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist für mich der Umstand, daß diesem Kapitel nur drei Seiten gewidmet sind. Die darin erwähnten Aktivitäten sind sehr lobenswert und gut, aber ich glaube, es gibt davon viel zu wenige. Auf diesem Gebiet, im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, haben wir in Österreich nach meiner Auffassung einen ungeheuren Nachholbedarf. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft muß unbedingt intensiviert werden! Bei einigem guten Willen müßte es möglich sein – wie es in anderen Staaten bereits selbstverständlich ist –, den direkten Draht zwischen Wirtschaft und Wissenschaft verstärkt zu aktivieren.

Herr Bundesrat Kaufmann hat das Statistische Zentralamt bereits erwähnt. Erlauben Sie auch mir zum Schluß eine Grußbotschaft an das Statistische Zentralamt. Wir stehen jetzt mitten im Jahr 1997. Das statistische Zahlenmaterial bis zum Jahr 1994, das dieser Bericht enthält und das noch dazu aus dem Jahr 1988 hochgerechnet wurde, ist sicherlich interessant für den Geschichtsunterricht. Wenn wir aber als verantwortliche Politiker dieses Landes Entscheidungen für die wirtschaftliche Entwicklung treffen sollen, dann brauchen wir Zahlenmaterial, das uns in unserer Entscheidungsfindung unterstützt. Das heißt auf den heutigen Zeitpunkt bezogen, daß wir abschließend und genau errechnetes Zahlenmaterial aus den Jahren 1995 und 1996 sowie hochgerechnetes Zahlenmaterial für das Jahr 1997 brauchen!

Jetzt ist zu hören, daß zukünftige Berichte derlei Informationen in ganz kurzer Form bringen sollen. Im Statistischen Zentralamt jedenfalls liegen alle diese Daten, die von der Wirtschaft in mühsamer Kleinarbeit zusammengetragen werden und an das Zentralamt abgeliefert werden müssen, für die ersten paar Monate des heurigen Jahres bereits auf!

Herr Bundesminister! Ich weiß, das Statistische Zentralamt ist im Bundeskanzleramt angesiedelt. Trotzdem wende ich mich an Sie, vielleicht können Sie Ihren Kollegen eine Empfehlung oder einen Rat weitergeben: Wenn die Verantwortlichen des Statistischen Zentralamtes zukunftsorientiert denken, dann lassen sie sich die Daten von den Firmen über Internet direkt an ihre Rechner schicken. Sie wären dann auf Knopfdruck täglich über das gesamte Zahlenmaterial Österreichs informiert! Das wäre eine ganz einfache, billige und verantwortungsvolle Methode. Der einzige Nachteil dieser Methode wäre allerdings, daß das Bundeskanzleramt dafür wesentlich weniger Beamte und vielleicht auch keinen Präsidenten mehr bräuchte. Das weiß ich nicht.

Ich stimme diesem Bericht zu. Das sage ich ausdrücklich, weil vorhin empfohlen wurde, daß man einem Bericht, den man kritisiert, nicht zustimmen sollte. Kritik ist angebracht, aber das heißt nicht, daß man den Bericht ablehnt. Insgesamt stimme ich zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle haben die Chance und das Glück, in einer ungeheuer spannenden, wohlhabenden Zeit der dynamischen Entwicklung zu leben. Wir dürfen unsere geistigen Fähigkeiten einsetzen und zeigen, wie gut wir sind. Freuen wir uns darüber! Mit


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626. Sitzung / Seite 91

Freude und Phantasie gibt es kein Problem für die Zukunft, das wir nicht bewältigen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

15.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Liebe Kolleginnen und – vor allem – verehrte Kollegen! In Anbetracht der Hitze im Saal und der nicht funktionierenden Lüftungsanlage habe ich mit Herrn Präsidenten Schambeck vereinbart, daß jeder Herr, der sein Sakko ausziehen möchte, so frei ist, das zu tun – die Damen selbstverständlich auch. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

15.15

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Ergänzend zur heutigen Behandlung des Berichtes über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen möchte ich ein wenig den Aspekt der weiblichen Seite des Unternehmertums, den Aspekt der Unternehmerinnen beleuchten.

In Österreich wird jedes dritte Unternehmen von einer Frau geführt. Dazu kommen zirka 40 000 Mitunternehmerinnen – das sind diejenigen Frauen, die im Betrieb ihres Mannes oder Partners mitarbeiten. Ich wage zu behaupten, daß viele Gewerbetreibende und kleine Unternehmer gar nicht existieren könnten, wenn die Frau nicht tatkräftig mithelfen würde.

Der Anteil der Unternehmerinnen bei Einzelfirmen beträgt mit Stand von Ende 1996 im Gewerbe 26,5 Prozent, im Handel 42,5 Prozent und im Fremdenverkehr 26,2 Prozent. Der Rest von zirka 4,8 Prozent setzt sich aus Industrie, Geld-, Kredit- und Versicherungswesen sowie Verkehr zusammen.

Ich möchte wiederholen: Jedes dritte Unternehmen in Österreich wird von einer Frau geführt. In diesem Zusammenhang ist etwas interessant, das ich hier zwar nur mit Daten aus Vorarlberg belegen kann; ich denke aber, daß die Zahlen ungefähr auf ganz Österreich umgelegt werden können. Die Statistik nach der Zahl der Beschäftigten lautet Ende 1996 wie folgt: 43,5 Prozent der Betriebe haben einen oder zwei Beschäftigte, 23,7 Prozent drei bis fünf Beschäftigte, 15,1 Prozent sechs bis zehn Beschäftigte, 8,9 Prozent elf bis 20 Beschäftigte, 5,4 Prozent 21 bis 50 Beschäftigte, 1,9 Prozent 51 bis 100 Beschäftigte, 0,9 Prozent 100 bis 200 Beschäftigte, 0,4 Prozent 200 bis 500 Beschäftigte, und 0,2 Prozent der Betriebe haben über 500 Beschäftigte.

Das heißt, daß zirka 92 Prozent der Betriebe einen bis 20 Mitarbeiter haben. Das bedeutet ebenso, daß vor allem die Klein- und Mittelbetriebe Arbeitsplätze sichern. Weiters bedeutet das, daß meistens gerade in diesen Betrieben der persönliche Kontakt und eine persönliche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Chef oder Chefin bestehen. Das bedingt aber auch, daß insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe mehr denn je die Rahmenbedingungen stimmen sollten.

Ergänzend zu meinen Vorrednern, die schon verschiedene Erfordernisse aufgezeigt haben, möchte ich das folgende Beispiel bringen. Es wird heute sehr viel über die Notwendigkeit von Teilzeitarbeitsplätzen gesprochen. Nebenbei möchte ich erwähnen – es gibt darüber zwar keine Studien, aber persönlich bin ich dieser Meinung –, daß gerade in Klein- und Mittelbetrieben Teilzeitarbeitsplätze bereits vorhanden sind beziehungsweise angeboten werden. Die Schwierigkeiten für die Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze bestehen zum Beispiel im Arbeitnehmerschutzgesetz und in der Pflicht zur Führung von Statistiken – um nur zwei davon zu nennen. Beide haben gemeinsam, daß in ihnen – neben anderen kostenintensiven Bedingungen – die Gültigkeit gesetzlicher Auflagen an die Zahl der Mitarbeiter gekoppelt ist.

Ich denke daher, daß wir in der Politik viel stärker auf die Zeichen der Zeit reagieren müssen: Je mehr Teilzeitarbeitsplätze ein Betrieb hat, desto mehr Mitarbeiter hat er. Hat hingegen ein Betriebe nur Ganztagsarbeitsplätze, so hat er eine kleinere Zahl von Mitarbeitern und kann dadurch außerhalb des Bereiches gesetzlicher Auflagen bleiben. Das gilt es in den Gesetzen zu berücksichtigen.


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Weiters möchte ich erwähnen, daß es unbedingt erforderlich ist, nicht weiterhin so viele Gesetze wie während der letzten Jahre zu produzieren. Vielmehr sollte einmal durchforstet werden, welche Gesetze für ungültig erklärt werden könnten und welche Gesetze der heutigen Zeit entsprechen. Ergänzend dazu muß überlegt werden, welche Regelungen eventuell noch erforderlich sind, aber dies alles sollte unter dem folgenden Aspekt gesehen werden: nur soviel Staat und nur so viele Regelungen wie unbedingt notwendig! Damit wäre nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und letztlich allen Menschen dieses Landes gedient. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Gudenus. – Bitte.

15.19

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nachdem wir die Reden der ÖVP-Kollegen gehört haben, sind wir oder bin zumindest ich der Meinung, daß vieles aus diesen Reden von uns gesagt worden sein könnte. Ich frage mich nur, meine Damen und Herren, warum wir zu anderen Schlußfolgerungen kommen, insbesondere im zu erwartenden Abstimmungsverhalten.

Ist denn alles so hervorragend? – Kollege Jaud hat von einer "spannenden Zeit", einer "wohlhabenden Zeit" gesprochen. Vielleicht gebe ich nicht jedes Wort richtig wieder, aber sinngemäß sagte er das, und er sagte auch: "Freuen wir uns!" – Das ruft man normalerweise vor Weihnachten, da ist vielleicht die Zeit eines "Freuen wir uns!" für viele, aber, Herr Kollege Jaud: Ist heute für die Unternehmen eine Zeit des "Freuen wir uns"? (Bundesrat Jaud: Jawohl!) – Dann lade ich Sie ein, mit mir einmal in Wien spazierenzugehen.

Ist es für die Arbeitnehmer eine Zeit des "Freuen wir uns!" bei 300 000 Arbeitslosen, bei 100 000 Personen, die unter dem Existenzminimum leben?

Meine Damen und Herren! Dieses "Freuen wir uns!" trifft partiell auf einzelne Personen zu, und ich freue mich für die, die es geschafft haben und durchkommen. Aber mein Mitgefühl gilt allen jenen, von denen ich weiß, daß sie Schwierigkeiten haben und nicht durchgekommen sind.

Besonders der Herr Bundesminister weiß gut Bescheid, weil er sehr oft im vierten Bezirk zu tun hat. Ich glaube, dort ist auch ein Büro von Ihnen, in der Bundeswirtschaftskammer. Eher ist das ein Bunker, der sich von der wirtschaftlichen Wirklichkeit abgeschottet hat, meine Damen und Herren – in Tarnfarbe gestrichen, wie ein Pentagon in Friedenszeiten steht er dort! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ja, meine Damen und Herren, ein Pentagon in Friedenszeiten steht grün gestrichen im vierten Bezirk, und rundherum "krachen" die Klein- und Mittelbetriebe. Wie paßt das zum "Freuen wir uns!", meine Damen und Herren? – Gehen Sie durch die Wiedner Hauptstraße – bitte fahren Sie nicht, sondern gehen Sie! –, und gehen Sie auch durch die Ottakringer Straße und viele andere Straßenzüge, die ich jetzt ungerechterweise nicht aufzähle. Jeder Wiener weiß, was es bedeutet, wenn die Nahversorgung zusammenbricht!

Im vierten Bezirk, Herr Bundesminister, sind im letzten Jahr 250 Betriebe eingegangen. Hochgerechnet auf Wien kommen wir auf 5 000 Betriebe. Aber ich maße mir nicht das statistische Kunststück des vorliegenden Buches an, welches mit Hochrechnungen arbeitet. Das will ich nicht. Ich will nur sagen, daß in Wien viel mehr kaputtgeht, als in den heutigen Reden der Kollegen von der ÖVP zum Ausdruck gekommen ist – obwohl ich die Reden grundsätzlich gutheiße! (Bundesrat Jaud: Herr Kollege! Nicht die Miesmacher sind diejenigen, die Hoffnung verbreiten und die Zukunft bewältigen!)

Falls Sie übrigens wissen wollen, was das Buch kostet: Dieses Buch kostet tausend und etliche Schilling. Daher: Bitte nicht wegwerfen, es ist ein Wertgegenstand!


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So kann man die Betrachtung nicht anstellen. Der Förderung der Klein- und Mittelbetriebe hat sich auch die EU mit dem eigenen Begriff der Klein- und Mittelbetriebsförderung angenommen. Aber was ist das wirklich? – Wir wissen, daß es einer Sterbehilfe gleichkommt, was den Klein- und Mittelbetrieben gegeben wird. Dabei weiß jeder: Gewinn ist sozial. Wo aber bleibt die soziale Komponente, wenn die Klein- und Mittelbetriebe wegsterben?

Zusperren ist asozial! Warum ist es asozial? – Weil der Arbeitnehmer auf der Straße steht, weil der Unternehmer auf der Straße steht; und der Kunde, der einkaufen will, steht auch auf der Straße. Ein unglückliches Triumvirat der Tränen haben wir da beieinander – und angesichts dessen ruft man unter Umständen ein "Freuen wir uns"?

Ich will Ihnen nicht unrecht tun, Herr Kollege Jaud! Ihre Rede und all das, was Ihre Kollegen sagten, war grundsätzlich richtig. Ich frage mich nur, warum Sie nicht gegen den Bericht stimmen. Das ist für uns die Frage.

Es ist dies ein Bericht wie viele andere Berichte auf Hochglanzpapier. Man beklagt, daß das Statistische Zentralamt nicht funktioniert – das haben wir vor drei Monaten beim Forstbericht auch schon getan. Es nützt nichts, beim Bundeskanzler geht es nicht weiter. Es hat auch keine große Priorität, weil wir wissen, daß wir über Internet die Statistik viel besser "auf Vordermann kriegen".

Was fehlt den Betrieben, woran leiden sie? – Sie leiden zumindest in Wien an den hohen Mietkosten. Vom Gesetz her erfolgte eine Freigabe, daß die Unternehmen jetzt zahlen müssen, bis sie – ich will nicht sagen: blau werden, das wäre ungerecht – schwarz sind. Dazu kommen die hohen Sozialversicherungskosten, die Steuern, die den Unternehmern Probleme bereiten, und selbstverständlich – den können wir nicht wegleugnen – der Konjunktureinbruch. Da ist die Kaufkraft nicht mehr vorhanden.

Vor kurzem war ich in einem Betrieb in der Wiedner Hauptstraße, der Besuch des Bezirksobmanns sollte dort ein wenig Schönwetter machen. Das ist nicht gut gelungen. Die Unternehmerin sank fast auf die Knie, als sie klagte: "Ich weiß nicht, wie ich morgen meine Steuervorauszahlung zahlen soll." Die Vorauszahlung wird auf der Basis der Einkünfte des letzten Jahres berechnet. Aber heuer ist der Umsatzeinbruch da, und die Unternehmerin weiß nicht, wie sie das Geld aufbringen soll.

Helfen Sie den Leuten, indem Sie Gesetze machen – Steuergesetze, Sozialversicherungsgesetze, Mietengesetze –, mit denen Klein- und Mittelbetriebe leben können. Die Großbetriebe können es sich kraft Mondialisierung richten, sie weichen aus. Aber wo geht der Greißler hin? – Er kann nicht nach Preßburg oder Ödenburg fahren, und der Kunde auch nicht. Der Großbetrieb geht über die Grenze und schert sich wenig um die österreichischen Gesetze; Hauptsache, er kann verkaufen. Ich verstehe ihn, ich habe Verständnis für den, der es sich richten kann.

Aber wir haben gehört, daß es sich 99,8 Prozent der Betriebe nicht richten können. Diese gehen ein, und das ist das Problem. Zum Glück gehen nicht alle ein, aber in dieser Zahl sind diejenigen enthalten, die eingehen werden, und daraus entsteht das soziale Problem, das Problem für die Arbeitnehmer, Kollege Drochter! Wir müssen etwas unternehmen, damit die Arbeitnehmer nicht auf der Strecke bleiben, damit die Floridsdorfer, die Wiedner und die Ottakringer Arbeit haben! Wir reden hier als Bundesräte für unser Bundesland, und da vermisse ich ein bißchen das nötige Gespür.

Es nützt nichts, wenn Kollege Klima am 1. Mai krank ist und sich vertreten läßt. Nein, hier muß der Aufschrei kommen: Wir sind für die Arbeitnehmer da, wir Freiheitliche! Das tun wir. Das zeigt sich auch an unserem Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Jetzt muß man es nur noch glauben!)

Mein lieber Freund und Kollege Mautner Markhof glaubte, von dieser Stelle aus die EU und den Euro loben zu müssen. Gestern abend hielt der hochverehrte Herr Erzbischof Schönborn in mehr oder minder freiheitlicher Umgebung einen Vortrag, in dem er vor den Defiziten an Sinn, Solidarität und Spiritualität warnte. Dann sagte er wörtlich: Fehlt ein richtungsweisendes, meta


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physisch begründetes Normen- und Wertegeflecht, entartet die Gemeinschaft – sowohl unsere, der Staat, als auch die europäische – zu einem Schlachtfeld widerstreitender Gruppen und Einzelegoismen oder zum Friedhof einer Diktatur.

Meine Damen und Herren! Ich stelle mich nicht hierher, um zuerst Kritik zu üben und dann zuzustimmen. Diesen Weg zur Diktatur werden wir Freiheitlichen nicht mitbeschreiten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.28

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zum letzten Redner möchte ich sagen, daß ich aus der Wiedner Hauptstraße "auswaggoniert" wurde, weil ich anderswo zu arbeiten habe. Ich kenne die Umgebung noch, und vielleicht sollten wir die Lage gemeinsam analysieren, Herr Gudenus!

Wahr ist, daß uns auf der Wiedner Hauptstraße die Konsumenten abhanden kommen. Ein kleiner Papierhändler aus der Wiedner Hauptstraße sagte mir: Was mich umbringt, ist, daß die Kunden zu mir kommen und fragen, ob ich das, was sie in Ungarn nicht bekommen haben, anzubieten hätte.

Wir sollten uns bewußt werden, daß viele der Klein- und Kleinstbetriebe zugrunde gehen, weil ihnen die Konsumenten abhanden kommen. Ich hasse die Wiener Mentalität dann, wenn sie – das habe ich zu oft miterlebt – einen Nahversorger erst zu lieben beginnt, nachdem in der "Wiener Zeitung" sein Nachruf erschienen ist. Man sollte zu Lebzeiten bei ihm kaufen und ihn rechtzeitig schätzen! (Allgemeiner Beifall.)

Wenn wir nicht eine Allianz zwischen dem Konsumenten und seinem kleinen Versorger zustande bringen, wird nichts helfen. Einen Steuerfreibetrag für keinen Umsatz haben wir in der Finanzwissenschaft noch nicht erfunden. Viele Unternehmer in der Wiedner Hauptstraße – und in vielen anderen Straßen – leiden unter einem unglaublichen Verdrängungswettbewerb zwischen Großformen und Einzelformen des Handels, aber sie leiden auch unter einem Syndrom, unter dem noch jeder wirtschaftlich entwickelte Staat gelitten hat: Je größer die Zahl der kaufkräftigen Konsumenten ist, desto kleiner ist die Zahl der kleinräumigen Verkaufsflächen. Sie können das am Beispiel jeden Staates mit entwickelter Wirtschaft überprüfen. Heute begeben sich die Kleinbetriebe immer öfter in die verschiedenen Bereiche der Dienstleistung. Daß wir dort zu lange überreguliert haben, gebe ich gerne zu.

Etwas möchte ich zum Beispiel des Bill Gates sagen, weniger, weil ich ihn auch kenne, sondern deshalb, weil er immer wieder als Beispiel genannt wird. Bill Gates wäre es in Österreich so ergangen, wie es jetzt Philips ergeht. In einem 8-Millionen-Wirtschaftmarkt kann keine Software entwickelt werden. Es kommt uns ein Software-Haus nach dem anderen abhanden, wenn es keine internationalen Märkte hat. Kürzlich hat der Generaldirektor von Philips vor dem Rat der Industrieminister erklärt, daß Philips gezwungen ist, mit allen neuen Produkten nach Amerika zu gehen, weil dort nur eine Zulassung und eine Sprache für einen Markt von über 250 Millionen Menschen erforderlich sind; überdies ist die Sprache weltweit verbreitet, wogegen es in Europa 13 oder 14 Sprachen gibt, was zu immer wieder unterschiedlichen Programmversionen führt.

Erlauben Sie mir, zu einem anderen Teil meines Beitrages zu kommen. Viele kleine Unternehmen haben in Österreich noch nie solche Chancen wie jetzt gehabt, wenn sie bereit sind, sie wahrzunehmen, und wenn wir sie diese Chancen auch wahrnehmen lassen. Daher sage ich immer wieder, gleichsam als Festpredigt, im Hohen Haus: Mir wäre lieber, wir würden die Leute arbeiten lassen, statt genehmigen zu wollen. – Auf diesen Punkt werde ich später noch zurückkommen.

Es hat für Österreichs Unternehmer – das zeigt sich, wenn ungefähr 100 Jahre zurück ein historischer Vergleich angestellt wird – insgesamt noch nie so günstige Rahmenbedingungen


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gegeben wie jetzt. Lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen. Ziehen Sie auch einen Vergleich mit vielen Ländern in direkter Umgebung: Wir haben die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten – sie liegt gesichert unter 2 Prozent –, wir haben die niedrigsten Kreditzinsen seit 100 Jahren, wir haben die niedrigsten Unternehmenssteuern in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, wir haben – zum ersten Mal seit 80 Jahren – freien Marktzugang zu allen Nachbarländern, und wir haben relativ hoch gebildete Facharbeiter. Was das Drama der Arbeitslosigkeit bei uns betrifft, ist zu sagen, daß die 240 000 Arbeitslosen, die wir jetzt haben, zu zwei Dritteln Volks- und Hauptschüler und zu einem Drittel Lehrlinge mit nur einer Lehrlingsabsolvenz sind.

Wenn es unter diesen Rahmenbedingungen so viele Kleinbetriebe nicht schaffen, müssen wir fragen, woran das liegt. Ich habe schon gesagt, daß es zum einen an der fehlenden Allianz und zum zweiten daran liegt, daß wir uns gegenüber den Kleinbetrieben auch in der Bürokratie austoben. Alle Großbetriebe in Österreich schaffen es, ein durchschnittlich drei Monate dauerndes gewerberechtliches Zulassungsverfahren über sich ergehen zu lassen. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen hingegen dauert es bis zu eineinhalb und mehr Jahren. Das erste wird sein müssen, daß wir aufgrund dieser Analyse ansetzen.

Wer Unternehmer wird, soll sich dafür nicht ständig rechtfertigen müssen. Wir werden es mit dem Anlagenrecht schaffen, daß wir in allen Fällen mit drei Monaten maximaler Frist zu Rande kommen. Davon bin ich überzeugt. Wir sehen, daß sich dieser Trend in den Ländern schon durchzusetzen beginnt.

Wir werden die Regulierungen im Gewerberecht auf ein Mindestmaß zurücknehmen müssen, welches sicherstellt, daß unser duales Ausbildungssystem noch funktioniert; ansonsten sollten wir eher die Freiheit spielen lassen. Das wird derzeit im Wirtschaftsausschuß des Nationalrates diskutiert. Von rund 800 im Gewerberegister Wien eingetragenen Berufen werden künftig noch ungefähr 80 geregelt sein. Das kann man einen minimalen Anteil nennen!

Ich darf Ihnen sagen, daß in dieser Gewerbeordnung vorgesehen sein wird, alle freien Berufe jährlich einmal zu publizieren. Wir sind in der Wahl des Berufes sehr einfallslos geworden. 80 geregelte Berufe gibt es – aber es können doch nicht alle Berufsanfänger Tischler, Installateur oder Friseur werden! Die Zukunft liegt heute in anderen Berufen, und diese gilt es auch zu propagieren.

Vieles an den Rahmenbedingungen für Mitarbeit müssen wir neu gestalten. Hinsichtlich der Lehrlinge ist an den Entwurf des Berufsausbildungsgesetzes zu erinnern, der nächste Woche im Ministerrat vorgelegt werden wird. Wir müssen zu Verhältnissen kommen, in denen es nicht mehr möglich ist, daß der Lehrling als Dümmling oder Däumling arbeitet und eine Stunde später in der Disco als voller Kunde gewertet wird. – Aber das kommt einem kleinen Wunschkonzert gleich.

Meine Damen und Herren! Es ist hier zitiert worden, was ich im Wirtschaftsausschuß des Hohen Hauses über den vorliegenden Bericht sagte: Ich frage mich, ob Berichte wie dieser auf Dauer zeitgemäß sind. – Das hat folgenden Grund: Dieser Bericht wurde 1982 eingeführt, zu einer Zeit, in der ganz Österreich nur von Industriepolitik sprach, und er sollte Anlaß geben, wenigstens alle zwei Jahre einmal im Hohen Haus einige Stunden lang über Mittelbetriebe zu reden.

Heute aber spricht vieles dafür, nicht auf alte Statistiken zu warten, diese hochzurechnen und zu interpretieren, sondern zu einem anderen System überzugehen, wie es bereits angesprochen worden ist. Heute sollten wir uns eher auf akkurate Ad-hoc-Statistiken stützen, die typisch, auf geringerer Datenbasis beruhend, elektronisch zurückgerechnet, den Unternehmen sofort zur Verfügung gestellt, notfalls sogar gegen Bezahlung, bessere Informationen zur Verfolgung der rezenten Entwicklungen bereitstellen.

Was mich als Wirtschaftspolitiker heute immer wieder ärgert, ist, daß wir uns ständig von Instituten – wie immer sie heißen mögen – durch "gewillkürte" Umfragen unter 200, 500 oder 700 Konsumenten die Wirtschaftslage erklären lassen, obwohl wir die Möglichkeit haben könnten – wie es jeder Handelskonzern, jedes Industrieunternehmen und auch das EAN über


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seine Kunden tut –, durch Ad-hoc-Kontakte Informationen einzuholen und sie in der Wirtschaftspolitik umzusetzen. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoller, einmal im Jahr über Ad-hoc-Trends in der unternehmerischen Wirtschaft, besonders im Mittelstand, zu reden, die sämtliche Komponenten des Wirtschaftslebens betreffen, vom Mitarbeiter über den Lehrling bis zur Gewinnerwartung.

Ich sollte Sie nicht aufhalten, aber lassen Sie mich eines zur Frage der Forschung und Entwicklung sagen. In Österreich leiden wir nicht daran, daß wir in zu geringem Maße bereit sind, Geld in die Forschung zu investieren, sondern in Österreich leiden wir daran, daß zu wenig Bereitschaft zum Forschen besteht. Wir haben ein Defizit von ungefähr 3 bis 4 Milliarden Schilling im Bereich der wirtschaftsnahen Forschung. Erstaunlicherweise höre ich von allen Auslandsinvestoren in Österreich, daß sie es als Standortvorteil schätzen, daß Österreichs Forschungseinrichtungen, wenn auf sie Druck ausgeübt wird, jedes fortschrittliche Ergebnis liefern können. Von selbst aber geht gar nichts. Deshalb müssen wir ein neues Verhältnis zwischen beiden Partnern im Forschungsbereich finden.

Zur Frage der Finanzierung möchte ich Herrn Bundesrat Harring sagen: Sie werden niemanden finden, der mehr als ich mit Ihnen übereinstimmt in der Einschätzung, daß die Zinsförderungen heute längst der Geschichte angehörten sollten. Niedriger können die Zinsen nicht werden. Aber ich trete für andere Förderungen ein – und so machen wir das auch; dabei denke ich zum Beispiel an den Tourismusfonds, an die FGG oder an neue Tätigkeit der BÜRGES –: Die Haftungen, die begleitende Beratung und die Transparenz über Betriebszahlen, bis hin zu den kleinsten, gehören verstärkt. Auch müssen wir für viele, die neu beginnen, mehr Venture-Kapital in Österreich aufbringen, mehr Haftungskapital bereitstellen. Dazu stelle ich Ihnen kurz folgendes Projekt vor, bevor ich schließe.

Ich werde aus dem Teil, den mein Ministerium aus der Forschungsmilliarde bekommt – das sage ich zu –, 150 Millionen Schilling in einen Venture-Fonds Österreich investieren. Ausländische und inländische Investoren haben bereits Zusagen abgegeben, aufgrund deren diese 150 Millionen verfünffacht werden können. Wir können somit ein Ergebnis erzielen, das wir dringend brauchen: Wir haben jemanden, der Kapital zur Verfügung stellen und zehn Jahre lang warten kann, bis aus dem Unternehmen etwas geworden ist und das Geld mit Gewinn zurückgeholt werden kann.

Wenn in der Finanzierung weitere Fortschritte erzielt werden, bis hin zur "Feed-Börse" – falls es doch noch gelingen sollte, den Börseplatz Wien zu retten –, dann eröffnet sich für Klein- und Mittelbetriebe eine weitere Dimension, die über die Möglichkeiten hinausreicht, die im Bericht über die zurückliegende Periode vorzufinden sind. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

15.3


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7

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke vielmals.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen (Bauproduktegesetz – BauPG) (148 und 648/NR sowie 5435/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt gedruckt vor, ich verzichte daher auf die inhaltliche Verlesung.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

15.39

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Mit dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum haben wir uns verpflichtet, die europäische Bauproduktrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das daraus entstandene Bauproduktegesetz gilt für alle Bauprodukte, die hergestellt werden, um dauerhaft in Bauwerke des Hoch- und Tiefbaues eingebaut zu werden.

Einen langen Weg hat dieses Gesetz hinter sich gebracht, bis es endlich dem Parlament zum Beschluß vorgelegt werden konnte. Wieder einmal war es das Land Vorarlberg, das als Vorreiter bei diesem Gesetz vehement um die Länderrechte kämpfte. Die Länder, unterstützt durch den Vizepräsidenten des Bundesrates, Jürgen Weiss, und den Klubobmann Andreas Khol, haben beharrlich immer wieder, in mehreren Schreiben, gegen den Alleinvertretungsanspruch des Bundes Einwand erhoben.

Das vorliegende Bauproduktegesetz ist ein typisches Beispiel dafür, wie Länderinteressen bereits im Vorfeld der Gesetzwerdung durch beharrliche Verhandlungen – übrigens auch mit Unterstützung von Klubobmann Andreas Khol – in den Gesetzestext eingebracht werden können. Ich bin überzeugt, daß ohne Bundesrat die Interessen der Länder hier im Hause nicht bereits im Vorfeld der Gesetzwerdung so viel Beachtung finden würden. Die Verwirklichung der Länderinteressen im Bauproduktegesetz dient letztlich allen, weil damit Geld eingespart wird. Der Bund braucht keine eigene Behörde zu installieren, denn die Zertifizierung wird von den Ländern durchgeführt.

Als "Holzwurm" liegt mir die Verwendung des umweltfreundlichen Baustoffes Holz besonders am Herzen. Vor wenigen Wochen hat in meiner Heimatgemeinde Jenbach ein modernst eingerichteter Holzverarbeitungsbetrieb seine Tätigkeit aufgenommen. Dort werden mit modernsten Produktionsmethoden verleimte Bauhölzer erzeugt, die nicht nur Architekten alle Gestaltungsmöglichkeiten gestatten, sondern durch entsprechende elektronische Holzauswahl auch Statikern exakte Berechnungsmöglichkeiten bieten.

An die jeweiligen Landesgesetzgeber in unserem Staate ergeht daher die Aufforderung, die Landesbauordnungen so zu novellieren, daß der Baustoff Holz als hochwertiges Baumaterial überall eingesetzt werden kann. Ich glaube, der Bundesrat ist das richtige Gremium, das zu sagen, damit es wirklich in allen Bundesländern dazu kommt. Der oftmals erhobene Einwand, daß Holz im Brandverhalten gefährlich wäre, trifft nicht zu, weil Holz im Falle eines Brandes viel länger seine Festigkeit und Stabilität behält als Stahl oder Beton.


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Das vorliegende Bauproduktegesetz ist auch für exportierende Erzeuger von Bauprodukten von besonderem Vorteil, weil damit ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den europäischen Märkten gestärkt wird. Meine Fraktion gibt daher dem vorliegenden Gesetz gerne die Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Markowitsch. – Bitte.

15.43

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Ministerrat verabschiedete vor rund einem Jahr, nämlich am 14. Mai 1996, die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit diesen Bauprodukten, kurz: das sogenannte Bauproduktegesetz.

Vorausschicken möchte ich, daß sowohl mit der Unterzeichnung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum als auch mit dem Beitritt zur Europäischen Union Österreich die Verpflichtung eingegangen ist, die Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften in nationales Recht überzuführen. Das uns heute zur Abstimmung vorliegende Bauproduktegesetz soll der Umsetzung der EU-Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten der EU über Bauprodukte dienen.

Die Bauproduktrichtlinie der EU bezweckt die Beseitigung technischer Hemmnisse beim Warenverkehr mit Bauprodukten innerhalb der EU-Mitgliedstaaten sowie der sonstigen Vertragsparteien des EWR-Abkommens. Es handelt sich um eine Harmonisierungsrichtlinie nach der sogenannten "neuen Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung." Solche Richtlinien legen nur noch die wesentlichen sicherheitsrelevanten Anforderungen fest. Die nähere Konkretisierung der technischen Anforderungen bleibt der Normung durch das Europäische Komitee für Normung, CEN, überlassen.

Nun zum gegenständlichen Bauproduktegesetz, mit dem diese EU-Richtlinie in Österreich in innerstaatliches Recht umgesetzt wird. Damit ein Bauprodukt zugelassen werden kann, muß in Zukunft seine Brauchbarkeit und Konformität nachgewiesen werden. Die Begriffe "Brauchbarkeit" und "Konformität" werden in diesem Gesetz genau geregelt. Die wesentlichen Anforderungen an Bauprodukte sind Umweltschutz, Energieeinsparung, Wärmedämmung, Festigkeit, Standsicherheit, Brandschutz und Sicherheit.

Besonders positiv ist daran, daß diese Zertifizierungen beziehungsweise Konformitätsnachweise von den Ländern durchgeführt und anerkannt werden und der Bund somit keine eigene Behörde zu installieren braucht. Darauf hat auch Herr Bundesrat Jaud bereits hingewiesen. Dies trägt dem bundesstaatlichen Aufbau unserer Republik Rechnung und sorgt darüber hinaus für einen sparsamen Vollzug des Gesetzes. Besonders wichtig ist es mir, dabei auch zu erwähnen, daß in die generelle Zuständigkeit der Länder in Angelegenheiten des Bauwesens gemäß Artikel 15 Abs. 1 des B-VG nicht eingegriffen wird.

Neben diesen kompetenzrechtlichen Aspekten verbessert dieses neue Gesetz die Chancen für unsere Bauwirtschaft. Wir alle wissen, daß die Bauwirtschaft europaweit nicht gerade die besten Zeiten durchlebt: In den letzten Jahren ist die Bauproduktion gesunken, und die Arbeitslosenzahlen sind leider angestiegen. Auch für 1997 prognostiziert das Wirtschaftsforschungsinstitut in seinen neuesten Zahlen eine weiter schwach bleibende Baukonjunktur, wenngleich die Branche selbst mit einer Erholung im ersten Halbjahr rechnet. Daher müssen wir danach trachten, Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die österreichische Bauwirtschaft zu erzielen.

Das neue Bauproduktegesetz stellt eine solche Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft dar. Während nämlich bisher aufgrund unterschiedlicher Normen Wettbewerbsnachteile zum Beispiel gegenüber Deutschland bestanden haben, herrscht durch die Neu


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regelungen nunmehr Chancengleichheit für die österreichische Industrie. Die Übernahme der EU-Standards erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Betriebe.

Neben der entsprechenden Umsetzung von EU-Recht in innerstaatliches Recht regelt das Bauproduktegesetz auch die Einfuhr von Bauprodukten aus Nicht-EU-Staaten, insbesondere aus Osteuropa. Denn bisher war es möglich, daß oft minderwertige, mangelhafte und daher billigere Bauprodukte aus Osteuropa zum Nachteil der heimischen Produzenten nach Österreich importiert wurden. Nun ermöglicht es das Gesetz, daß durch Verordnungen Bauprodukte oder Kategorien von Bauprodukten bestimmt werden, deren Einfuhr aus anderen als den EU- beziehungsweise EWR-Staaten nur zulässig ist, wenn bei der zollamtlichen Abfertigung nachgewiesen wird, daß ein Bauprodukt die Anforderungen dieses Bundesgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung erfüllt. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn durch ein Zertifikat einer österreichischen, hiefür akkreditierten Zertifizierungsstelle die Übereinstimmung des Bauproduktes mit den dafür in Betracht kommenden normativen Dokumenten bescheinigt wird. Diese sind in der Verordnung anzugeben.

Nun gibt es also gleiche Chancen und gleiche Normen, wenn Bauprodukte in Verkehr gebracht werden. Deshalb wird meine Fraktion diesem Gesetz zustimmen, weil es letztlich auch einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung in der Bauwirtschaft leistet. (Beifall bei der SPÖ.)

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

15.49

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Seitens der freiheitlichen Fraktion möchte ich einige Sätze zum Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr anbringen. Kurz Bauproduktegesetz genannt, soll es der Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte, Bauprodukterichtlinie genannt, dienen. Es soll die genannte Richtlinie umfassend hinsichtlich des Inverkehrbringens von Bauprodukten und des freien Warenverkehrs mit Bauprodukten von den und in den Vertragsparteien umsetzen. Die genannte Richtlinie gilt umfassend für alle Bauprodukte, die hergestellt werden und dauerhaft in Bauwerke des Hoch- und Tiefbaus eingebaut werden.

In entsprechenden Stellungnahmen haben die Bundesländer – Kollege Jaud hat das bereits erwähnt, und ich kann es gekürzt noch einmal vorbringen – Kritik daran geübt, welche kompetenzrechtliche Abgrenzung zur grundsätzlichen Landeszuständigkeit betreffend Bauprodukte in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthalten war. Ich schließe mich der Einschätzung von Kollegen Jaud an, daß es Gott sei Dank doch noch zu einer aus föderalistischer Sicht vernünftigen Regelung gekommen ist.

Ganz allgemein gesagt geht es dabei um das Inverkehrbringen von Bauprodukten, die Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten sowie den freien Warenverkehr mit den Bauprodukten von und nach den EU-Mitgliedstaaten und sonstigen Vertragspartnern. Von diesem Gesetz unberührt bleiben soll der freie Warenverkehr von Produkten aus Österreich mit Drittländern.

Kurz eingehen möchte ich auf die im Bauproduktegesetz geregelten Kriterien der Brauchbarkeit und der Konformität, auf die bereits meine Vorrednerin hingewiesen hat. Brauchbarkeit und Konformität der Bauprodukte müssen nachgewiesen werden. Was die Brauchbarkeit betrifft, möchte ich eine kleine Kritik anbringen. Herr Minister! Es wäre uns aus freiheitlicher Sicht lieber gewesen, wenn auf die speziellen klimatischen Gegebenheiten und regionalen Bedürfnisse Rücksicht genommen worden wäre, denn das hätte der österreichischen Wirtschaft sicherlich einen Vorteil gebracht.

Nur kurz wiederholen möchte ich, daß in bezug auf die Brauchbarkeit das Bauprodukt einer technischen Spezifikation – sprich: einer harmonisierten oder anerkannten Norm – oder einer


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dem Hersteller erteilten europäischen technischen Zulassung entsprechen muß. Weicht ein Bauprodukt unwesentlich von der Norm ab, so gibt es eine europäische technische Zulassung, damit die Brauchbarkeit nachgewiesen werden kann.

Die Einwände der Länder gegen den vorliegenden Gesetzentwurf wurden nicht nur von Klubobmann Khol und der ÖVP-Fraktion unterstützt, sondern es gab auch heftige Kritik seitens der Freiheitlichen. Deshalb sind wir froh darüber, daß die Bundeskompetenzen so eingeschränkt worden sind, daß dieses Gesetz nicht für diejenigen Bereiche Geltung haben kann, die durch Landesgesetze geregelt werden.

Über das Gremium, das in den Zulassungsstellen die Vertretung übernimmt, ist anzumerken, daß aufgrund der umfassenden Zuständigkeit der Länder in der Gesetzgebung und Vollziehung in Bauangelegenheiten auch diese Funktion bei den Ländern verbleibt.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß das Bauproduktegesetz im wesentlichen die Angleichung der österreichischen Bestimmungen an das EU-Recht darstellt. Es ist positiv zu bewerten, daß die Zertifizierung von den Ländern durchgeführt wird und der Bund keine eigene Behörde installiert. Dies trägt dem föderalistischen Aufbau der Republik Rechnung und sorgt hoffentlich auch – damit wende ich mich an Sie, Herr Minister – für einen entsprechend sparsamen Vollzug des Gesetzes.

Für die Bauwirtschaft kommt es damit zu einer Verbesserung. Die Übernahme der EU-Standards erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Betriebe, und zwar nach dem Motto: Gleiche Chancen mit gleichen Normen.

Meine Damen und Herren! Im Einklang mit Kollegen Jaud richte ich abschließend einen Appell an die Bundesländer und an die Landesregierungen, der den Baustoff Holz betrifft. Ich rufe dazu auf, holzfreundliche Bauordnungen beziehungsweise Bautechnikverordnungen zu erlassen, da es sich bei Holz sicherlich um einen modernen und umweltfreundlichen Baustoff handelt.

Als Beispiel möchte ich das Land Niederösterreich anführen. Mit der neuen Bautechnikverordnung haben wir voriges Jahr in diesem Land ein Gesetz installiert, das es ermöglicht, beim Hausbau zu mehr als 60, 70 Prozent den Baustoff Holz zu verwenden. Mit diesem Gesetz sind wir als erste im gesamten Bundesgebiet hervorgetreten, und dafür möchte hier all jenen danken, die das in Niederösterreich möglich gemacht haben, vor allem unserem Landesrat Schimanek. Unter seiner Federführung – daran sieht man, wie unter freiheitlicher Führung etwas Vernünftiges zustande kommt – wurde in einem Bundesland jetzt gesetzlich das beschlossen, was auch in allen anderen Ländern schon seit langem gefordert wird.

Deshalb appelliere ich an die anderen Kollegen: Fordern Sie Ihre Regierungsmitglieder auf, das Gesetzeswerk zu übernehmen, das von freiheitlicher Hand in Niederösterreich erarbeitet worden ist, und auch Sie werden den Baustoff Holz vernünftig einsetzen können!

Wir Freiheitlichen werden trotz einer kleinen Kritik – und vor allem deswegen, weil es in einigen Punkten auch die Handschrift der Freiheitlichen trägt – dieses Gesetz unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

15.56

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zur Wichtigkeit des Bauproduktegesetzes haben meine Vorredner schon ausführlich Stellung genommen. Ich werde mich daher kurz fassen und auf einen Satz verweisen, den vor kurzem Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner gesagt hat: Wer vom Holz redet, soll auch Holz einsetzen. Ich glaube, daß wir alle uns diesen Satz auf die Fahnen heften sollten, weil Holz ein Rohstoff ist, der bei uns nachwächst.

In einem Bericht des Österreichischen Waldwirtschaftsverbandes lese ich: Holzhäuser schießen in Österreich wie die Schwammerln aus dem Boden – leider nur theoretisch. Pro Sekunde


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wächst in den heimischen Wäldern ein Festmeter Holz nach, alle 30 Sekunden wäre ein Holzhaus fertig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist gerade dieses Gesetz, vielleicht ist gerade diese Debatte hier im Hohen Haus, wo alle Bundesländer vertreten sind, ein Anlaß dafür, kritisch nachzudenken und zu Hause, in den Klubs der Landtage, darauf zu drängen, daß unter Ausnützung der Rechte der Länder dem Holz der notwendige Stellenwert zugesprochen wird.

Hohes Haus! Holz, das zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Zeichen und nach uralten Bauernregeln geschlägert wird, ist wieder modern geworden. Es klingt vielleicht utopisch, aber wenn man Holz bei fallendem Mond – um den Neumond herum – schlägert, hat dieses Produkt einen wesentlich höheren Wert, als wenn man es bei aufnehmendem Mond fällt. Das ist eine alte Bauernregel, und wir sollten ohne weiteres wieder auf diesen Weg zurückfinden. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den USA hat das Holz unter den Baustoffen einen Anteil von über 50 Prozent, in Neuseeland gar von 95 Prozent und in Österreich, liebe Kolleginnen und Kollegen, von gerade 3 Prozent des Bauvolumens. Ich glaube, daß nunmehr ein Ansatz für eine Verbesserung besteht. Von Experten habe ich mir folgendes sagen lassen: Würden wir den Holzverbrauch im Bereich der Bauwirtschaft um 1 Prozent steigern, wären das auf der anderen Seite zirka 250 Arbeitsplätze mehr. Dazu ist es freilich notwendig – da pflichte ich Ihnen bei, Herr Kollege Waldhäusl –, daß die Bauordnungen so novelliert werden, daß Holz vermehrt eingesetzt werden kann. Das hätte nicht nur für die Forst- und Holzwirtschaft, sondern auch für die Umwelt positive Auswirkungen und würde überdies Arbeitsplätze bringen.

Ich bin schon am Schluß: Was wir in Zukunft brauchen, ist mehr hölzernes Selbstbewußtsein. In diesem Sinne werden wir natürlich gerne zustimmen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.00

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Wir haben im Haus die Einwendung, die nach der Regierungsvorlage gekommen ist, sehr ernst genommen und haben tatsächlich in einem schnellen Schritt die Kompetenz auf die Länder verlagert und auf jede eigene Involvierung verzichtet. Es muß auch einen geben, der auf etwas verzichtet, damit ein anderer etwas bekommt.

Zweiter Punkt: Das sind aber auch glühende Kohlen auf die Häupter derjeniger, die jetzt Kompetenzen in vollem Umfang bekommen. Denn das kann jetzt nicht dazu führen, daß die Verlagerung auf die Länder zu einer weiteren Aufspaltung des österreichischen Binnenmarktes bei Bauprodukten führt. Wir haben das jetzt so geregelt, und der Wirtschaftsausschuß hat das in seinem Bericht festgehalten mit der Bitte an die Bundesländer, die Stellen, Firmen oder teilweise Landesregierungen, die nach altem Bundesrecht für die Akkreditierung von Bauprodukten kompetent erklärt wurden, auch künftig in den Ländern anzuerkennen, damit die Bürokratie hier nicht wiederholt wird und Wirtschaftserschwernisse eingeführt werden.

In diesem Sinne wünsche ich diesem Bauproduktegesetz ein gutes Gelingen bei jenen, die künftig dafür verantwortlich sind. Mein Haus verabschiedet sich mit einer Träne im Knopfloch und wünscht dem Ganzen ein gutes Gelingen.

Frau Präsidentin! Erlauben Sie mir, am Schluß eine Holzanekdote zu bringen: Sie werden sich erinnern, daß wir vor wenigen Wochen gefeiert haben, daß in Graz das erste einstöckige Holzhaus Österreichs erlaubterweise aufgestellt wurde. Im Prinzip ist das blamabel: Wir verkaufen weltweit Holzhäuser und fahren noch immer in der Mehrzahl der Bundesländer auf Verhinderungsschienen!

Zweiter Punkt: Holz ist das Exportprodukt schlechthin, jedoch ein Produkt, das wir zu Hause nicht entsprechend verwerten können. Als Außenwirtschaftsminister muß ich feststellen, daß es


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nicht den besten Heimmarkt vorfindet. Ich würde mir bald viele innovative, attraktive, mehrheitlich holzgefertigte Häuser in mehreren Bundesländern wünschen!

Ein letzter Hinweis auf die Innovativität der Österreicher: Seit Jahren gibt es zwischen der EU und Österreich einerseits und Japan andererseits einen Streit. Japan besteht beim Import von Holzprodukten auf der Verwendung von japanischen Leimen. Es hat lange Verhandlungen gegeben, dabei ist jedoch nichts herausgekommen. Dann hat sich ein Österreicher gesagt: Wenn du die Welt nicht änderst, dann nutze sie. – Er hat japanischen Leim importiert, verwendet jetzt japanischen Leim, und wir haben um eine Milliarde Produkte nach Japan verkauft. Auch das bedeutet, daß durch die Kombination von österreichischem Holz und ein wenig ausländischem Zubehör Märkte in der Welt für uns bereitstehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendung der neuen Bestimmungen (Jugendwohlfahrtsstatistik) (III-160 und 5436/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendung der neuen Bestimmungen

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Familie und Umwelt betreffend den Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 einschließlich der zahlenmäßigen Anwendungen der neuen Bestimmungen (Jugendwohlfahrtsstatistik) liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich verzichte daher auf die Verlesung und stelle im Namen des Ausschusses für Familie und Umwelt den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

16.05

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Bericht betreffend das Jugendwohlfahrtsgesetz von 1989 ist sicherlich ein guter Bericht, obwohl ich nach dessen Durchsicht sagen muß: Er


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enthält sehr viele Statistiken, denen nichts Essentielles zu entnehmen ist, außer daß man sagen kann: Die Situation ist recht gut, die Annahme in den Bundesländern ist auch ordentlich. – All das will ich auch glauben.

Sicherlich sind die Einrichtungen, die die Betreuung der Familien übernommen haben oder begleitend mitverfolgen, gut. Es ist auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft eine gute Einrichtung, die auch sehr gut angenommen wird. Auch die Jugendämter leisten sicherlich ausgezeichnete Arbeit. Ihr Manko ist natürlich, daß sie personell oft unterbesetzt sind und daher nicht in der entsprechenden Form sofort reagieren können, wenn irgendwo Gewalt in der Familie auftritt, wie es sich zum Beispiel am Fall des kleinen Kevin, der durch alle Zeitungen gegangen ist, gezeigt hat, in dem das Jugendamt einfach zu spät reagiert hat. Ich gehe jetzt davon aus, daß dies auf die personellen Unterbesetzungen zurückzuführen sind.

Es sind auch die Forderungen in dem Bericht sehr wesentlich und richtig, daß Pflegefamilien besser abgesichert werden sollten, daß die rechtliche und sozialrechtliche Absicherung der Pflegefamilien ein wichtiges Anliegen ist. – All das ist sehr positiv.

Im Gegensatz zu diesem Jugendwohlfahrtsgesetz an sich steht aber wohl dessen Umsetzung und Wirksamkeit. Das können wir täglich feststellen, wenn wir die Zeitungen aufschlagen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wenigstens ein Kindesmißbrauch, ein Akt von Gewalt in der Familie zu verzeichnen ist und dementsprechend in den Medien berichtet wird.

Natürlich muß nach den Ursachen dafür gesucht werden. Es genügt sicherlich nicht, wenn man sagt: Das ist halt leider so, das Jugendwohlfahrtsgesetz hat da leider noch nicht gegriffen. – Die Länder haben auch bedauert, daß es mit der Umsetzung insofern Schwierigkeiten gibt, als ein Umdenken bei den Eltern noch immer nicht eingesetzt hat. – Ich glaube aber, daß auch ein Umdenken der Eltern allein nicht genügen wird, weil es a) zu lange dauert und b) die Ursachen völlig außer acht gelassen werden.

Wo liegen also die Ursachen? – Die Ursachen dafür sind sicherlich im wesentlichen in der Zerschlagung der Familienstrukturen zu suchen. Zu dieser Zerschlagung der Familienstrukturen kam es, weil oft beide Elternteile arbeiten gehen müssen: Heute fallen wahnsinnig viele Familien mit mehr als zwei oder drei Kindern unter die Armutsgrenze, das heißt, beide Elternteile sind gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Frau in dieser Situation hat nicht die Wahlmöglichkeit – das haben wir schon einmal in Anwesenheit der damaligen Frauenministerin Konrad diskutiert –, zu entscheiden, ob sie zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern will oder ob sie arbeiten gehen will. Diese Wahlmöglichkeit gibt es für sie nicht. Vielmehr besteht Zwang auf beiden Seiten. Und dadurch sind Frauen und die Familie insgesamt oft überfordert.

Wir haben auch das schon besprochen, ich sage es aber heute wieder: Wir alle wissen, daß die Erziehungsarbeit zu etwa 80 bis 90 Prozent in den Händen der Frauen liegt. Natürlich sind auch die Männer gefordert, diese Situation ein bißchen zu verbessern, die Tatsachen sind aber derzeit so. Daraus ergibt sich natürlich ein wahnsinniger Streß: Wenn beide berufstätig sind, dann ist das Kind den ganzen Tag entweder in der Kinderkrippe, im Kindergarten oder im Hort. Am Abend kommen beide nach Hause, dann wartet noch die Hausarbeit. Da bleibt für Kinder emotional wenig Raum. All das läßt sich organisatorisch schon irgendwie handhaben, aber emotional bleibt wenig Raum. Aus einer solchen Überforderung und Überlastung heraus steigt natürlich die Bereitschaft zur Gewalt, das können wir immer wieder beobachten.

Wir haben aber auch gesehen, daß es nicht immer nur zu Gewalt von Eltern gegenüber Kindern kommt. Erst gestern war in der Zeitung der Fall dieses Fünfzehnjährigen aus Oberösterreich zu lesen. Es kommt also auch zu Gewalt zwischen Jugendlichen innerhalb einer Familie. Dafür gibt es viele Beispiele. Auch dieses Phänomen nimmt zu, wofür auch in der Erziehungspolitik die Ursache zu suchen sind. Das hat mit der antiautoritären Erziehung begonnen, die völlig falsch verstanden worden ist. In Amerika hat man diese Art der Erziehung nämlich mit "non frustration" bezeichnet. Das ist hier im europäischen Raum völlig falsch verstanden worden. Das hat dazu geführt, daß Kinder mit Leistungsdruck überhaupt nicht mehr umgehen können und bei der kleinsten Gelegenheit ausrasten.


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Das heißt, wir müssen die Ursachen beseitigen. Das ist ein wesentliches Ziel. Wenn wir die Ursachen beseitigt haben, dann wird sich in der mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz angestrebten Richtung sicherlich vieles ändern. Das wohlmeinendste Gesetz nützt jedoch überhaupt nichts, solange die Ursachen für Mißstände nicht beseitigt werden. In diesem Zusammenhang sind beide Regierungsparteien gefordert; insbesondere ist jedoch selbstverständlich die ÖVP gefordert, die zwar immer sehr positive Aussagen in bezug auf die Familienpolitik trifft, aber in letzter Konsequenz dann wie ein siamesischer Zwilling mit der SPÖ mitschwimmt.

Ich wiederhole daher: Ein noch so gut gemeintes Gesetz wird uns nichts nützen, solange die Ursachen für herrschende Zustände nicht beseitigt werden. Aus diesem Grund und nicht deshalb, weil wir meinen, daß dieses Gesetz schlecht ist, lehnen wir diesen Bericht ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

16.12

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Eingangs möchte ich erwähnen, daß dieser Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 im Dezember 1996 im Ausschuß des Nationalrates endbehandelt wurde. Allein dieser Umstand hat mich an der Qualität dieses Berichtes zweifeln lassen, denn wenn die Nationalräte es nicht der Mühe wert finden, diesen Bericht im Nationalrat zu diskutieren, dann ist irgend etwas nicht in Ordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir alle wissen, wurde das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 nicht zuletzt wegen der geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse reformiert. Auch die geänderten Anschauungen über zielgerichtete und effiziente Jugend- und Sozialarbeit machen eine Neuordnung des öffentlichen Jugendwohlfahrtsrechtes notwendig. Die Stärkung der Familie soll ein wesentliches Anliegen des neuen Jugendwohlfahrtsgesetzes sein. Öffentliche Jugendwohlfahrt soll nur dann gewährt werden, wenn das Wohl der Minderjährigen nicht gewährleistet ist. Es ist sicherlich unbestritten, daß die elterliche Erziehung größeren Einfluß auf die Entwicklung des Kindes hat, als es die beste Heimerziehung vermag. Daher ist eines der wesentlichen Anliegen des Jugendwohlfahrtsgesetzes die Durchsetzung der gewaltlosen Erziehung. Dies soll durch verstärkte Heranziehung von freien Einrichtungen gemeinsam mit den Eltern erreicht werden.

Notwendig wurde auch eine Neuordnung im Bereich der Pflegekinder und der Pflegeaufsicht. Dabei wurde die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern aufgegeben.

Nun zu einzelnen Bereichen im Jugendwohlfahrtsbericht: Es wird unter anderem festgestellt, daß es in Österreich vermehrt wirtschaftliche Notsituationen von Familien gibt. Scheidungen nehmen zu, ebenso Überschuldung und Arbeitslosigkeit. Die schwierige Lage auf dem Wohnungssektor betrifft vor allem Teilfamilien und ausländische Familien. Wenn solche Notsituationen bekannt sind, dann sollte das Bundesministerium in der Lage sein, die entsprechenden Maßnahmen und Soforthilfen einzuleiten. Vor allem müßte auch jenen geholfen werden, die keinen Rechtsanspruch besitzen. Experten berechnen den Finanzbedarf für Familien, die bei Jugendanwaltschaften vorstellig werden, mit zirka 2 Millionen Schilling jährlich.

Die Tatsache, daß das Familienministerium feststellt, daß in Österreich ein vermehrter Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen besteht, läßt mich hoffen, daß gerade in diesem Bereich bald etwas geschehen wird.

Unterstützung des Familienministeriums beim sensiblen Thema Gewalt und sexueller Mißbrauch in der Familie wünschen sich nicht nur die Kinder- und Jugendanwälte und die Kinderschutzzentren. Dies muß unser aller Anliegen sein. Die Öffentlichkeit muß zu vermehrter Aufmerksamkeit aufgerufen werden.


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Gewalt ist auch ein Thema, mit dem die Betreuer der freien Jugendwohlfahrt immer mehr konfrontiert werden. Daher sind mehr niederschwellige Einrichtungen, mehr Streetworker, mehr Ansprechpersonen für Jugendliche dringend notwendig.

Im Jugendwohlfahrtsbericht beurteilen die Bundesländer die Wirksamkeit der Novelle aus dem Jahr 1989. Es ist allerdings bedauerlich, daß dies auf eine nebulose Art und Weise geschieht. Welches Bundesland welchen Bereich bemängelt, wissen nach der Lektüre des Berichtes nur das Orakel Von Delphi oder das Salzamt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Bundesland Tirol spricht fast ausschließlich Lob für das Gesetz aus. Die freien Träger scheinen mit dem Gesetz gut leben zu können. Der Rahmen des Gesetzes läßt relativ viel Spielraum in der Auslegung und Zielsetzung. Befürwortet wird auch die Vereinheitlichung der Jugendschutzbestimmungen. Wünsche werden betreffend die rechtlich Besserstellung der Pflegefamilien geäußert. Die öffentliche Wohlfahrt könnte sich eine Erweiterung des Angebots der Mütterberatungsstellen vorstellen, vor allem in die Richtung, daß für Eltern und Erziehungsberechtigte von Kindern bis zum Kindergartenalter Beratungsstellen angeboten werden.

Als ganz wichtig wird in meinem Bundesland die Notwendigkeit der Weiterbildung empfunden. Der Ausbau der Möglichkeiten zur Weiterbildung fiel dem Sparpaket zum Opfer. Aber gerade die Mitarbeiter im Bereich Jugendwohlfahrt benötigen Supervision, um den wachsenden Anforderungen gerecht werden zu können.

Abschließend möchte ich feststellen, daß die knappen Mittel des Familienministeriums oft wesentlich sinnvoller eingesetzt werden könnten. Statistiken werden anhand von unausfüllbaren und kaum verwertbaren Formularen erstellt. Der Mehraufwand an Zeit und Geld steht oft in keinem Verhältnis zu den Ergebnissen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, und ich schließe mich schweren Herzens an. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wilfing. – Bitte.

16.18

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Gleich zu meiner Vorrednerin: Wenn dieser Bericht vom Ausschuß des Nationalrates nur abgenommen und nicht im Plenum diskutiert wurde, kann dem auch eine positive Sicht abgewonnen werden, indem man das so bewertet, daß man schon im Ausschuß feststellen konnte, daß zufriedenstellende Ergebnisse vorliegen, die keiner weiteren Erörterung bedürfen. Man könnte das auch positiv sehen.

Außerdem ist das Jugendwohlfahrtsgesetz ein gutes Beispiel für Föderalismus. Der Bund macht das Rahmengesetz und die Länder die Ausführungsgesetze. Man könnte es daher auch so interpretieren, daß man den Bundesrat als das richtige Gremium betrachtet, welches die Ausführungsgesetze vergleicht und diskutiert und darauf achtet, daß von den neun Bundesländern gemeinsam versucht wird, mit Hilfe des Rahmengesetzes des Bundes die besten Methoden für die jeweiligen Länder zu finden.

Mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, das mit 1. Juli 1989 in Kraft getreten ist, hat man versucht, fünf Schwerpunkte zu setzen:

Erstens – das war uns besonders wichtig – ging es um die Stärkung der Familie in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben, sodaß die öffentliche Jugendwohlfahrt nur mehr subsidiär zur Verfügung zu stehen braucht.

Zweitens wurde Gewicht auf die Förderung der gewaltlosen Erziehung gelegt. Wir waren damals weltweit einer von vier Staaten, die auf diese Weise das Züchtigungsverbot normiert haben.


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Der dritte Schwerpunkt wurde auf die Gewährleistung des Anhörungsrechtes des Kindes jedenfalls ab dem zehnten Lebensjahr gelegt.

Viertens war man bestrebt, die Behandlung der Eltern als gleichberechtigte Partner der Jugendwohlfahrt zu normieren.

An fünfter Stelle stand die Schaffung der Institution von Kinder- und Jugendanwälten.

Ich habe versucht, diesen Bericht zum Jugendwohlfahrtsgesetz und die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes in allen Bundesländern unter dem Blickwinkel zu beurteilen, inwieweit diese fünf Schwerpunkte, die man damals vor allem aus ethischen Gründen gesetzt hat, auch verwirklicht werden konnten. – In diesem Zusammenhang kann ich feststellen, daß zum ersten die Maßnahmen zur Stärkung der Familien in der Wahrnehmung der Erziehungsaufgaben in allen Bundesländern stark ausgebaut worden sind und in allen Bundesländern im wesentlichen verwirklicht werden konnten. Es wird in diesem Bericht auf eine Vielzahl von Angeboten, Maßnahmen und Projekten verwiesen, die in diesem Bereich durchgeführt worden sind. Man hat vor allem auf die Prävention einen großen Schwerpunkt gelegt. Wir alle wissen, daß Vorbeugung bei weitem besser ist als die Reparatur danach und in vielen Bereichen auch kostengünstiger. Wir finden heute Gott sei Dank in allen neun Bundesländern umfassende Angebote sozialer Dienste vor, die überwiegend niederschwellig und unentgeltlich zur Verfügung stehen und allen Bevölkerungskreisen und Altersgruppen zugänglich sind. Sie alle kennen Familienberatungsstellen, Familientherapiestellen, Kinderschutzzentren, Einrichtungen zur Früherkennung und Behandlung abweichenden Verhaltens Minderjähriger bis hin zu Einrichtungen im Bereich der Mutter-Kindwohnungen, Kinderkrippen oder Tagesmütter.

Ein Bereich, in dem noch viel geschehen muß und in dem wir auch noch Defizite feststellen müssen, ist der Problembereich der von den zunehmenden Scheidungs- und Trennungsraten betroffenen Kinder. Auch dafür gibt es Modelle wie Mediation und Begleitung wie Familien- und Scheidungsberatung, aber auf diesem Gebiet muß sicherlich noch vieles ausgebaut werden.

Ein dritter Bereich, der auch schon kritisch angesprochen wurde, betrifft Fälle von sexuellem Mißbrauch von Kindern oder Gewalt an Kindern. Die Zahl solcher Fälle ist, wie ich annehme, auch in der jüngsten Vergangenheit insgesamt nicht gestiegen. Es findet jedoch eine vermehrte publizistische Darstellung solcher Fälle statt, was zeigt, daß sie heute Gott sei Dank viel mehr Aufmerksamkeit finden, und daher haben wir die Möglichkeit, umso intensiver dagegen vorzugehen.

Ich glaube, daß das Jugendwohlfahrtsgesetz viele Grundlagen bietet, um im kurativen Bereich durch Kinderschutzzentren, Kindernotruftelefone, psychologische Angebote und so weiter einiges an Hilfe zu geben. Es ist aber wichtig, darüber hinaus noch weitere Maßnahmen zu setzen. Ich bin sehr froh darüber, daß der Bundesminister versucht, durch eine zentrale Stelle, bei der dem Wohlfahrtsträger Verletzungen gemeldet werden müssen, zu erreichen, daß wir auch in Zukunft vorbeugend tätig sein können.

Probleme haben wir durch die vermehrte Zuwanderung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Dadurch treten bei uns Probleme auf, die sicher noch nicht in dem Ausmaß gelöst sind, wie wir uns das alle wünschen würden.

Ein weiteres Problem macht sich im sinkenden Einstiegsalter Minderjähriger beim Drogenkonsum und Alkoholismus bemerkbar. Weiters sind die Aids-Problematik und eine beginnende Straßenkinderszene zu erwähnen, die wir ebenfalls teilweise schon kennen. Zur Bekämpfung des letzteren Problems müssen wir insbesondere Streetworker-Angebote und Maßnahmen zur Unterstützung der Erziehung auch in den einzelnen Ländern ausweiten.

Ein weiterer Bereich, der wahrscheinlich ausgeweitet werden muß – auch das ist in dem Bericht kritisch angemerkt –, ist das Angebot von angemessenen Hilfen bei wirtschaftlichen Notsituationen von Familien. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, daß bei Überschuldung, Arbeitslosigkeit, Anspannung des Wohnmarktes Hilfestellungen angeboten werden können. Dafür gibt es eine eigene Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, die im


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Hinblick auf eine eventuelle Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes versucht, Möglichkeiten auszuarbeiten, wie man diesen Problemen in Zukunft Herr werden könnte.

Ein weiterer Bereich, der als wichtiges Ziel postuliert wurde, war die Förderung der gewaltlosen Erziehung. Von allen Bundesländern wird der Erfolg derzeit als eher gering eingestuft, weil nach Meinung der Experten, die auch an diesem Bericht gearbeitet haben, der Nutzen dieser Maßnahmen erst nach Jahren wirklich sichtbar werden kann. Zudem liegt derzeit die Beurteilung vor, daß Gewaltbereitschaft insgesamt im Steigen begriffen ist und daß daher die Möglichkeiten der Jugendwohlfahrt allein nicht ausreichen, um diesen Trend zu bremsen oder zu verhindern.

Der dritte Schwerpunkt, die Gewährleistung des Anhörungsrechtes der Kinder, ist für alle Bundesländer ein wichtiges Anliegen. Das wurde in diesem Bericht ausgedrückt und auch umgesetzt. Die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Betroffenen hat sich dadurch für mich klar, eindeutig und merklich verbessert. Das einzige, was wir in Zukunft stärker beachten müssen, ist, daß dabei kindergerechter vorgegangen und in Zukunft mehr Augenmerk darauf gelegt wird, daß bei diesem Anhörungsrecht das Setting so gestaltet wird, daß sich die Kinder dabei wohlfühlen und ernstgenommen werden.

Die Behandlung der Eltern als gleichberechtigte Partner der Jugendwohlfahrt hat sich nach Ansicht aller Bundesländer sehr stark verbessert. Aber auch dieser Bereich kann noch nicht als völlig optimal angesehen werden, weil natürlich auch heute noch viele Eltern, auch wenn sie ihre Erziehungsaufgaben nicht so wahrnehmen, wie es sich die Gesellschaft erwartet, und dabei überfordert sind, trotzdem immer noch die überkommene Einstellung haben, daß die Erziehung des Kindes sie allein etwas angeht, nur sie betrifft und sie machen können, was sie wollen. Wir wissen, daß wir noch sehr viel daran arbeiten müssen, um diese Einstellung zu verändern.

Im Zusammenhang mit den Kinder- und Jugendanwaltschaften ist es uns im Frühjahr 1995 auch in Tirol gelungen, die nunmehr letzte Kinder- und Jugendanwaltschaft zu schaffen, sodaß wir jetzt in Ruhe abwarten können, wie sich diese Einrichtungen bewähren werden. Sie sind sehr unterschiedlich ausgestattet, sowohl materiell als auch personell, und man muß sich jetzt sicherlich noch eine Weile gedulden, bis eine objektive Beurteilung vorgenommen werden kann. Aber man kann nach Beobachtung der ersten Fälle sagen, daß diese Stellen ihre Aufgaben sehr gut wahrnehmen und vor allem auch im medialen Bereich sehr positiv zur Kenntnis genommen werden und schon sehr viel erreicht haben.

Zu den fehlenden Statistiken möchte ich nur anmerken, daß die Statistiken, die derzeit vorliegen, nämlich für die Zeit von 1991 bis 1993, beweisen, daß vor allem die Förderung der Familien bei ihren Erziehungsaufgaben eindeutig gelungen ist. Denn waren noch 1991 39 677 Minderjährige unter Betreuung der öffentlichen Jugendwohlfahrt, so hat sich diese Zahl von 1991 auf 1993 auf 26 635 vermindert. Das heißt: Es konnten zusätzlich mehr als 13 000 Minderjährige bei ihren Eltern belassen werden und wurden von der öffentlichen Jugendwohlfahrt nur unterstützt. Die genannten 26 635 Minderjährigen stellen insgesamt 1,5 Prozent der minderjährigen Gesamtbevölkerung, sodaß also nur 1,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen in andere Betreuungsverhältnisse kommen müssen, wovon 9 Prozent aber ausländische Kinder und Jugendliche sind. Daran merkt man auch, daß sich das Problem der ausländischen Kinder eindeutig in der Zunahme befindet.

Abschließend möchte ich für mich feststellen, daß dieser Bericht klar zum Ausdruck bringt, daß sich die Betreuung der Minderjährigen unter Belassung in ihrer bisherigen Umgebung und unter Freiwilligkeit der Inanspruchnahme der entsprechenden Einrichtungen bewährt hat und daß dieser Form daher auch in Zukunft der Vorrang zu geben ist. Ich möchte mich hier insbesondere bei den Beamten bedanken, die diesen Bericht für uns erarbeitet haben, denn sie leisten für eine Gruppe, die zu den ärmsten der Gesellschaft gehört, hervorragende, verantwortungsbewußte Arbeit leisten. Wir nehmen daher diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.28


Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.28

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nahtlos an das anschließen, worüber der gerade in dieser Frage äußerst sachkundige Bundesrat Wilfing berichtet hat.

Meine Damen und Herren! In diesem Jugendwohlfahrtsbericht wird eine durchwegs positive Bilanz über all das gezogen, was man mit dem Bundesjugendwohlfahrtsgesetz 1989 und mit den inzwischen erlassenen Landesgesetzen erreichen sollte und wollte. Kurz gesagt: Es wurde eine moderne Jugendwohlfahrt geboren, die alte Fürsorge ist tot. Es geht darum – das ist erfolgreich umgesetzt worden –, die Erziehungskraft der Familien zu stärken, den Familien in Krisensituationen Unterstützung zu geben, in möglichst vielen Fällen seitens der Jugendwohlfahrt auch im Bereich der Familie aktiv zu werden und die Kinder nicht aus der Familie zu entfernen und damit das vorrangige Ziel dieser Gesetzgebung zu erfüllen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Frau Kollegin Mühlwerth von der freiheitlichen Fraktion gemeint hat, daß die Ursachen tiefer liegen und Gründe für bestehende Probleme in der Familienpolitik zu suchen seien, möchte ich betonen, daß es jedenfalls als Erfolg zu werten ist, wenn im Jahre 1993 nur mehr 26 600 Kinder von der Jugendwohlfahrt betreut wurden, während es im Jahr 1991 noch knapp 40 000 Minderjährige waren. Frau Bundesrätin! Von diesen 26 600 konnten 18 300 weiter in der eigenen Familie betreut werden, und überhaupt nur in 408 Fällen mußten die Kinder auf Basis einer gerichtlichen Verfügung aus der Familie entfernt werden, in den übrigen Fällen konnte darüber Einvernehmen erzielt werden. Diese Zahlen geben, glaube ich, ein gutes Zeugnis und unterstützen meine Aussage, daß die Fürsorge alter Prägung, vor der sich im Prinzip alle gefürchtet haben, Kinder und Eltern, im wahrsten Sinne des Wortes tot ist und der Vergangenheit angehört.

In Anbetracht dessen können wir uns jedoch keinesfalls zurücklehnen. Viel bleibt noch zu tun. Es ist dies kein spezifisches Thema der Jugendwohlfahrt, aber die immer wieder schockierenden Berichte über Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern, sexuellem Mißbrauch an Kindern in Familien geben zu denken. Da sehen wir für uns Aufträge, das fordert uns heraus.

Wenn Kollege Schlögl eine an sich beachtliche Kriminalstatistik für das letzte Jahr präsentieren konnte, jedoch die Anzahl der Anzeigen im Bereich des sexuellen Mißbrauches von Kindern gestiegen ist, so führe ich diese Steigerung der Anzeigen vor allem darauf zurück, daß dieses Tabuthema endlich enttabuisiert wird. Trotzdem muß man hier wachsam sein. Ich darf dem Hohen Bundesrat berichten, daß Herr Bundeskanzler Klima und die Bundesregierung heute die Befassung einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf höchster Ebene beschlossen haben, die sich diesen Themen Gewalt gegen Kinder und sexueller Mißbrauch von Kindern konzentriert widmen soll. Dieser Beschluß wurde auch deswegen gefaßt, weil sich anhand des Wegweiserechts, das seit 1. Mai dieses Jahres in Kraft ist und das Produkt einer gemeinsamen Kraftanstrengung des Justizministers, des Innenministers, der Frauenministerin und meiner selbst war, gezeigt hat, daß auf Basis einer derartigen übergreifenden Zusammenarbeit mehr zustande kommt, als wenn Ministerien allein tätig werden.

Das von Bundesrat Wilfing angesprochene Netzwerk wider die Gewalt basiert auf einem Entschließungsantrag des Parlaments, dem ich sehr gerne nachkomme. Die Jugendwohlfahrtsträger in den Ländern sollen Anlaufstellen und Netzwerkträger sein. Beamte meines Hauses arbeiten an der legistischen Umsetzung. Es soll auf Basis von Checklisten, die in einfacher und verständlicher Form verfaßt sind, einerseits für das pädagogische Personal, andererseits für das medizinische Personal, kurz gesagt: für Lehrer und für Ärzte, einfacher gemacht werden, verdächtige Verletzungen und Verhaltensänderungen bei Kindern zu registrieren und dies gegebenenfalls an die Jugendwohlfahrtsbehörde zu melden. Dort kann dann anhand der Zusammenfassung der Daten leichter festgestellt werden, wo es zu Häufungen auffälliger Vorkommnisse


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kommt. Selbstverständlich hat jedoch ein Arzt bei Verdacht einer strafbaren Handlung trotzdem auch Anzeige zu erstatten. Es gibt jedoch auch viele Beobachtungen, die noch keinen Verdacht einer strafbaren Handlung nahelegen, aber trotzdem auffällig sind: Blaue Flecken können, aber müssen nicht immer von einem Sturz mit dem Fahrrad oder ähnlichem kommen, vor allem dann nicht, wenn solche Erscheinungen gehäuft auftreten.

Meine Damen und Herren! Das ist, glaube ich, eines der wesentlichsten Ziele für die Zukunft, diesem Primat der österreichischen Erziehungs- und Jugendpolitik, nämlich der gewaltfreien Erziehung, endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Es ist schön, und wir sind stolz darauf, daß wir nach wie vor eines von fünf Ländern weltweit sind, das die Gewaltfreiheit in der Erziehung gesetzlich vorschreibt. Die "g’sunde Watsch’n" gibt es nicht mehr, aber leider eben nur laut Gesetz, denn in der Praxis schaut es anders aus: Ich habe statistische Daten im Kopf, wonach in 5 Prozent aller Familien Gewalt in der Erziehung regelmäßig und als Erziehungsmittel angewandt wird, und diese 5 Prozent sind sicherlich zu viel. Auf diesem Gebiet muß weitergearbeitet werden, es muß Bewußtsein geschaffen werden, und im Notfall muß auch der Gesetzgeber eingreifen, damit wir die Gewalt und vor allem den noch schrecklicheren sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen im familiären Umfeld weiter zurückdrängen.

Frau Präsidentin! Ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird (4. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle) (609 und 663/NR sowie 5437/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Rauchenberger übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Das Österreichische Konferenzzentrum ist in den Jahren 1982 bis 1987 errichtet und im April 1987 eröffnet worden. Zum Zeitpunkt der Planung und Errichtung war der in den letzten Jahren zunehmende Trend zu immer umfangreicher werdenden Ausstellungsflächen im Rahmen von internationalen Großkongressen noch nicht absehbar.

Ziel des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates ist die Förderung des Kongreßtourismus nach Österreich und Absicherung des Standortes Wien als eine der führenden Kongreßdestinationen in Europa. Es soll daher dem nunmehrigen Bedarf entsprechend eine neue Halle gebaut werden.


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Der Finanzausschuß stellte nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

16.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über eine Investition für das Internationale Amtssitz- und Konferenzzentrum in Wien diskutieren, möchte ich doch in Erinnerung bringen, daß mit diesem Konferenzzentrum im Jahr 1982 wahrscheinlich der größte Erfolg erzielt wurde, nämlich im Rahmen eines Referendums – es war keine Volksabstimmung – mit 25 Prozent Beteiligung. Das war der größte Erfolg für eine solche Angelegenheit und für Volkes Willen.

Von wem wurde dieser Volkeswille initiiert? – Daran sollte man doch auch erinnern: Es war ÖVP-Abgeordneter Steinbauer, der sich mit aller Wucht auf die Schienen geworfen hat, um dieses Volksbegehren über die Runden zu bekommen. 25 Prozent Beteiligung bedeuten noch nicht 75 Prozent Mehrheit. Der damalige Regierungschef war Dr. Bruno Kreisky, der den Bau des Konferenzzentrums stark befürwortete, aber immerhin wurde damals klar, daß der Bau des Konferenzzentrums von einer sehr starken und qualifizierten Anzahl der österreichischen Bürger insbesondere in Wien nicht gewünscht war.

Nun haben wir wieder darüber zu befinden, ob ein Zubau dieses Konferenzzentrum attraktiver und lukrativer machen soll. Geplant ist eine zweigeschossige Halle, die eine Nutzfläche von rund 6 000 bis 7 000 Quadratmetern aufweisen soll, also eine Kapazitätsausweitung, gemessen in Quadratmetern, von etwa 50 Prozent. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Die Höhe der Kosten wollen Sie wissen? – 100 Millionen Schilling soll es angeblich kosten, und die Gemeinde Wien hat sich verpflichtet, etwa 35 Prozent dieser Kosten mitzutragen.

Großkongresse und Kongreßtourismus sind etwas, von denen man in Großstädten wie Wien meint, nicht die Hände lassen zu können, weil solche Veranstaltungen auch Einnahmen bringen. Für dieses Investitionsvorhaben liegt jedoch keine beziehungsweise zumindest keine ausreichende Rentabilitätsberechnung vor. Es fehlen die volkswirtschaftlichen und die betriebswirtschaftlichen Berechnungen.

Sicherlich hat es etwas für sich, wenn man sagt: Es besteht eine Priorität der politischen Entscheidung. Und es scheint, als sollte auch in diesem Fall, der besonders kostenwirksam ist, der politische Aspekt gegenüber dem ökonomischen obsiegen.

Von 1987 bis 1997 wurden rund 2 Millionen Besucher dieses Konferenzzentrums gezählt, ein Siebentel davon, rund 365 000 Gäste, waren Ausländer. Der größte Kongreß, der jährlich stattfindet, ist der Radiologenkongreß mit rund 10 000 Teilnehmern, und man meint, daß dieser Radiologenkongreß in Wien gehalten werden muß und nur in Wien gehalten werden kann, wenn das Konferenzzentrum erweitert wird.

Die Richtlinien budgetärer, finanzieller und kostenmäßiger Art, welche das Bundesministerium für Finanzen herausgegeben hat, um auch die Auswirkungen zu ergründen, wurden von der Verwaltung des Konferenzzentrums nicht eingehalten. Es fehlt eine entsprechende Betriebskostenberechnung. Es ist auch nicht klar, wie viele Steuereinnahmen über Kongresse in den Staatssäckel rinnen.

Die derzeitige Auslastung läßt zu wünschen übrig. Es gibt eine 65prozentige Auslastung. Was heißt das? (Bundesrat Prähauser: Das ist eine gute Auslastung!) – Ja, da haben Sie recht! Das ist eine gute Auslastung, wenn man diese, Herr Kollege, auf Tage bezieht. Nun besteht aber ein


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Konferenzzentrum nicht aus Benützungstagen, sondern auch aus Benützungsquadratmetern, und diese werden nicht genutzt.

Es nützt also nichts, wenn die Hallen G und F mit je 1 000 Personen Fassungsvermögen benützt werden, während die anderen Hallen A bis E nicht benützt werden. Wir haben zwar, gemessen an Tagen, eine 65prozentige Ausnützung, aber, gemessen an Quadratmetern, eine Ausnützung, die weit darunter liegt, jedoch nicht genau errechenbar ist, weil aus den Unterlagen nicht hervorgeht, wieviel Quadratmeter für die einzelnen Veranstaltungen benützt wurden.

Das ist einer der Gründe dafür, daß der Zweck einer Vergrößerung des Kongreßzentrums nicht klargemacht werden kann. Klargemacht könnte er werden, wenn man sagt: Die derzeitige Nutzfläche von 12 000 Quadratmetern ist fast immer zu 65 Prozent gefüllt. – Diese Zahl bezieht sich aber nicht auf Quadratmeter, sondern auf Tage, und das ergibt an sich noch keine Begründung, daß wir das Konferenzzentrum um rund 50 Prozent vergrößern müssen!

Es ist auch nicht bekannt, wie die Mietenkonditionen zustande kommen sollen. Kriterien der Mietenkonditionen liegen nicht auf. Die Zusammensetzung der Umsatzerlöse betrug 1995 180 Millionen und sank 1996 auf 153 Millionen Schilling. Es stellt sich die Frage, ob man bei Vollauslastung – das heißt: 365 Tage unter Ausnutzung der vorhandenen 12 000 Quadratmeter – ausgeglichen bilanzieren könnte oder ob weiterhin eine Kostenerstattung notwendig wäre. Diese Kostenerstattung durch den Bund betrug 1995 128,7 Millionen Schilling. Wenn die volle Kapazität genutzt wird, ist dann diese Kostenerstattung notwendig? – Das ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Zahlenmaterial.

Es fehlt auch der Vergleich mit vergleichbaren ausländischen Großkonferenzzentren, es fehlt eine Mitarbeiter-pro-Kopf-Umsatz-Relation, es fehlt die Pro-Kopf-Personalaufwand-Relation, es fehlt auch eine exakte Berechnung, welche Einnahmen durch den jährlichen Radiologenkongreß entstehen.

Werden Betriebsaufwendungen von derzeit 312 Millionen Schilling um ein Drittel bis um 50 Prozent steigen, wenn das Konferenzzentrum um bis zu 50 Prozent größer sein wird? Wie soll die Finanzierung der Herstellungskosten dieser Konferenzzentrumsvergrößerung von 100 Millionen Schilling erfolgen? Erfolgt eine EU-konforme Ausschreibung?

Im Prüfbericht des Rechnungshofes aus dem Jahr 1991 wird die äußerst mangelhafte Dokumentation im Bundesministerium für Finanzen erwähnt. Es bestehen keine Nachvollziehungsmöglichkeiten der aufgelisteten Daten. Der Rechnungshof vermißt Zielvorgaben zur Beurteilung des Ausmaßes der Zielerfüllung. – Auch die unvollständige Information führte zu Doppelgleisigkeiten. Der Rechnungshof vermißt eine Prüfung der Preisangemessenheit. Mangels geeigneter Unterlagen ist kein Nachvollzug der Verhandlungen mit den allfälligen arabischen Finanzpartnern möglich. Der Pachtzins wurde nach Auffassung des Rechnungshofes weder am Wert der Anlage noch an den zu erwirtschaftenden Betriebsergebnissen des Pächters bemessen.

Nach Auffassung des Rechnungshofes ist der Bau einer weiteren Ausstellungsfläche nur dann sinnvoll, wenn Mittel für Investitionen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erwirtschaftet werden. Der Hinweis, Herr Bundesminister, der oftmals bei staatlichen Investitionen getätigt wird, daß die Umwegrentabilität alles bringt, was man so nicht vorlegen kann, wird vom Rechnungshof als nicht zielführend und nicht ausschlagkräftig bezeichnet. Der Rechnungshof vermißt eine klare, nachvollziehbare Begriffsbestimmung für Erfolg und Leistung dieses Konferenzzentrums, damit dieser entsprechend gemessen werden kann.

Trotz der klaren Aufforderung, die finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt zu ermitteln, befindet sich eine solche Kalkulation nicht in den Regierungsvorlagen. Es fehlt eine Mitbewerber-Analyse, es fehlen Aussagen über zu akquirierende Großkongresse, Angaben über zukünftige Auslastungen in Quadratmetern. Wann werden Investitionen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erwirtschaftet? Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen haben der Bund und dieses Konferenzzentrum in den letzten Jahren 15 Millionen per anno über den


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tatsächlichen Bedarf hinaus gezahlt? – Die Zweckwidmung war Reparaturvorsorge. Jetzt sollen diese akkumulierten Beträge aber für den Neubau verwendet werden.

Der Rechnungshof erkannte für ein Berichtsjahr nur in fünf Fällen ÖNORM A 250-konforme Leistungen. In allen anderen Fälle wurde unabhängig von der Auftragslage und -höhe lediglich in Form von Angebotseinholungen und Preisnachfragen vorgegangen.

Meine Damen und Herren! Sie ersehen aus diesen Unterlagen des Rechnungshofs und anderen Unterlagen, daß nicht nach wesentlichen Gesichtspunkten einer ordentlichen Geschäftsführung vorgegangen wurde. Und für eine solche Geschäftsführung soll man jetzt gewissermaßen als Zuckerl noch eine Halle dazu bauen, bei der das Wie, das Weshalb und das Womit auch noch nicht erkennbar sind, außer, daß es einmal die öffentliche Hand zahlen soll.

Ich meine, daß diese Vorgangsweise diesen Neubau nicht rechtfertigt, auch wenn der Radiologenkongreß abwandern sollte. Ich nehme jetzt schon den Herrn Bundesminister in Schutz, falls er sich weigern sollte, diese Investition vorzunehmen, wenn man ihm die Schuld geben sollte, falls das Geld nicht kommt. (Bundesrat Meier: Das ist ein schwacher Trost für den Herrn Minister! Den braucht er nicht!) Er wird es wahrscheinlich geben, folglich muß ich ihm jetzt schon sagen: Wir werden ihn nicht vor berechtigten Angriffen auf die Leistung des Ministeriums, wenn der Rechnungshof und die Opposition wieder Kritik an der Geschäftsführung üben, schützen können.

Herr Bundesminister! Die Opposition mag einen peinigen, aber nehmen Sie die Argumente doch zur Kenntnis und sagen Sie: Ich verzichte lieber auf einen Kongreß und habe lieber eine ordentliche Geschäftsführung und eine ordentliche Geschäftsgebarung; dafür lobt mich vielleicht einmal die Opposition. – Versuchen Sie das doch einmal! Sie sind noch neu in diesem Amt, aber Sie waren es in Wien schon gewohnt, wie man mit der Opposition umgeht. Hie und da sollten Sie sich des Lobes der Opposition erfreuen können! Das wäre zumindest eine Möglichkeit!

Der Wiener Parteiobmann der Freiheitlichen regt im Zusammenhang mit dem Ausbau dieses internationalen Konferenzzentrums auch an, die Wiener Messe auf diese Platte zu verlegen. Es wäre dies eine Möglichkeit, die Synergieeffekte von Kongreßzentrum und Messezentrum zu nützen. Pawkowicz forderte daher noch einen Kassasturz, bevor diese Investition und diese Übersiedlung geplant wird. Dieser Kassasturz sei absolut notwendig. Er meinte dies durchaus im Sinne einer möglichen Zusammenlegung, denn jede Stadt, die Wirtschaftsstandort sein will, muß auch Messestadt sein. Dieser Aussage kann ich mich anschließen. Aber ich bin mit Pawkowicz auch einer Meinung, daß die Bedingungen der Finanzierung und der Finanzierbarkeit und die Bedingungen der Ausschreibung gesetzeskonform und auch betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sein müssen.

Denn § 2 Abs. 1 des entsprechenden Gesetzes lautet: "Der Bund hat der Aktiengesellschaft gemäß § 1 die Kosten der in § 1 bezeichneten Aufgaben in Jahresraten zu ersetzen, soweit diese Kosten nicht durch eigene Einnahmen abgedeckt werden können." – Und diese eigenen Einnahmen sind auf Jahre noch nicht sichergestellt. Wir Freiheitlichen lehnen daher diesen Zubau ab. (Beifall bei den Freiheitlichen)

16.50

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Ing. Johann Penz. Ich erteile es ihm.

16.50

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter den internationalen Kongreßstädten auf der ganzen Welt wurde Wien im Jahre 1995 zum zweiten Mal von der Union of International Associations hinter Paris auf Platz zwei gereiht. Das freut nicht nur die Wiener. Ich meine, daß das alle Österreicher freuen und auch stolz machen kann. Wir sollten alles dazu tun, daß diese Plazierung auch in Hinkunft erhalten bleibt! Mit dieser Positionierung Wiens sind nämlich nicht nur internationale Anerkennung, sondern auch sehr klare, nüchterne wirtschaftliche Überlegungen verbunden.


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Zu diesen internationalen Anerkennungen möchte ich anmerken, daß in diesen Tagen ein weiterer Europaratsgipfel vorbereitet wird und daß bei all diesen Vorbereitungen auf den Gipfel in Wien im Jahre 1993 Bezug genommen wird. Bei diesem Gipfel wurde auch der Startschuß für die Erweiterung auf die mittel- und osteuropäischen Länder gegeben, die in die Freiheit hineingewachsen sind und jetzt die Menschenrechte akzeptieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den wirtschaftlichen Überlegungen darf ich auch sagen, daß das Austria Center Vienna in den zehn Jahren, in denen es mittlerweile in Betrieb ist, zu einem sehr bedeutenden wirtschaftlichen Faktor geworden ist.

Einige Zahlen dazu. Mein Vorredner hat einige genannt. Nur im Hinblick auf diese Daten sind meine Aussagen deckungsgleich mit seinen. Er hat gesagt: Es kamen rund 2 Millionen Besucher, ein Fünftel davon waren ausländische Gäste. Professor Otruba von der Wiener Wirtschaftsuniversität hat für 1995 errechnet, daß die durchschnittlichen Ausgaben eines internationalen Kongreßgastes pro Tag bei 5 700 S liegen, wobei in diesem Betrag auch die Ausgaben für Nächtigung, Gastronomie und kulturelle Veranstaltungen beinhaltet sind. Wenn man jetzt diese 5 700 S für die Jahre 1987 bis 1996 inflationsbereinigt, so ergeben sich immer noch durchschnittliche Ausgaben von 5 200 S pro Tag. Multipliziert man diesen Wert mit der Zahl der ausländischen Besucher in den vergangenen zehn Jahren und rund drei Tagen Aufenthalt pro Besucher, so ergibt sich eine Summe von immerhin 5,7 Milliarden Schilling.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese 5,7 Milliarden Schilling errechnen sich allein aus den Ausgaben der ausländischen Besucher! Die Ausgaben von inländischen Besuchern, etwa auch die Ausgaben von den 4 100 Besuchern des niederösterreichischen Bauernbundballes, sind in diesen Betrag gar nicht miteingerechnet.

Dazu ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Nach den Berechnungen des Statistischen Zentralamtes hatte der gesamtösterreichische Tourismus in der Zeit von Mai bis August 1996 mit einem deutlichen Nächtigungseinbruch in der Höhe von minus 5,9 Prozent zu kämpfen. Demgegenüber konnte aber der Städtetourismus in Wien in diesem Zeitraum um 8,8 Prozent zulegen. Wesentlich dazu beigetragen hat die höhere Zahl an internationalen Kongreßveranstaltungen in diesen Monaten. So brachten allein Veranstaltungen im Austria Center der Wiener Hotellerie in diesem Zeitraum 41 000 Nächtigungen. Das sind Zahlen, die belegbar sind, und aus diesen Beispielen wird auch ersichtlich, daß Wien allein schon aus wirtschaftlichen Überlegungen gut daran tut, seine hervorragende Position im internationalen Kongreßgeschehen abzusichern.

Das ist nicht ganz einfach, denn auch die Konkurrenz schläft nicht, und wir alle wollen, daß Österreich eine Spitzenposition hat. Städte wie Amsterdam, London, Barcelona oder Nizza versuchen, Wien den Rang abzulaufen. Da und dort ist man selbstverständlich auch dabei, die vorhin zitierte Umwegrentabilität oder die Hebelwirkung von Investitionen nachzurechnen, weil man weiß, daß Kongreßveranstaltungen wirtschaftlich von Bedeutung sind.

In den vergangenen Jahren hat sich aber auch deutlich gezeigt, daß für unsere Veranstalter von Kongressen ausreichende Ausstellungsflächen ertragsrelevant und daher auch von großer Bedeutung sind. Eine mangelnde Infrastruktur in diesem Bereich kann sogar zum Abwandern der einen oder anderen Großveranstaltung führen, wenn eine ausreichende Bereitstellung dieser Ausstellungsflächen nicht gewährleistet werden kann. Daher erscheint es nicht nur logisch, sondern auch sinnvoll und wirtschaftlich notwendig, dem nunmehrigen Bedarf durch die Errichtung einer Ausstellungshalle in der Größe von rund 7 000 Quadratmetern zu entsprechen.

Die Kosten – sie wurden bereits genannt –, die daraus erwachsen, betragen 65 Millionen Schilling für den Bund, 35 Millionen Schilling der Errichtungskosten trägt die Stadt Wien. Diese Investitionen werden sich jedoch sicher, allein schon durch die Zusage des Vorstandes des europäischen Radiologenkongresses, in den nächsten zehn Jahren fünf weitere Kongresse hier in Wien abhalten zu wollen, aufgrund der Umwegrentabilität rechnen.

Dennoch wird auch die fixe Zusage des Radiologenkongresses – insofern stimme ich mit der Kritik, die hier angeklungen ist, überein – allein nicht ausreichend sein, und es wird Aufgabe des


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Managements des Austria Centers sein, die verbesserte Infrastruktur wirtschaftlich zu nützen. Ich füge aber hinzu: Ich traue das Generaldirektor Auracher nicht nur zu, sondern ich bin fest davon überzeugt, daß er all seine Möglichkeiten nutzen und einsetzen wird. Es gibt ja etwa auch im Bereich der Medizin, der Computerindustrie oder der Elektronik Interesse, nach Wien zu kommen. Einige der Veranstalter aus diesen Bereichen haben bereits in der Vergangenheit in Wien Kongresse abgehalten. Mittlerweile haben diese Veranstaltungen eine Größe erreicht, daß für diese im Konferenzzentrum nicht ausreichend Platz mehr war.

Ich möchte hier beispielhaft einige Kongreßveranstaltungen nennen, die für die nächsten fünf bis sechs Jahren für Wien gewonnen oder zurückgewonnen werden könnten: die Gesellschaft für weltweite finanzielle Telekommunikation, der Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Chemotherapie oder der Weltkongreß der Zahnärzte. Aufgabe des Managements wird es sein, dieses bestehende Kundenpotential durch Mailings, Direktkontakte und diverse andere Aktivitäten anzusprechen und über die neue, verbesserte Situation zu unterrichten.

Eine weitere Zielgruppe sind jene Kongresse mit begleitender Ausstellung, die bisher aus Platz- oder strukturellen Gründen, wie beispielsweise wegen zu schwerer, überdimensionierter Exponate, nicht im Konferenzzentrum ausstellen oder Kongresse abhalten konnten. Ich möchte folgendes nicht unbedingt allein auf meinen Vorredner gemünzt sehen, aber doch festhalten: Wer von Wirtschaft einigermaßen etwas versteht, weiß, daß Investitionen, die die Konkurrenzfähigkeit absichern, eine notwendige Sache sind. Und so verhält es sich auch bei diesem Erweiterungsbau im Konferenzzentrum. Ich vertrete daher die Auffassung, daß diese Investitionen zur Absicherung und Verbesserung des internationalen Kongreßstandortes Wien notwendig und sinnvoll sind. Daher werden wir von der Österreichischen Volkspartei dieser vorgelegten Novelle die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.00

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

17.00

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und liebe Kollegen des Bundesrates! Ich glaube, die beiden Vorredner haben in unterschiedlicher Form eigentlich bestätigt, daß es sinnvoll war, vor mehr als zehn Jahren das Austria Center, wenn auch unter heftigsten politischen Protesten, zu bauen. Die fragwürdigen Berechnungen des Kollegen Gudenus hat Kollege Penz sehr überzeugend widerlegt, und ich kann mich seiner Meinung anschließen, daß es nun darum geht, Wien als ersten Standort für europäische Kongresse und Weltkongresse abzusichern und auch weiter auszubauen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Lieber Herr Kollege Gudenus! Man verfährt nicht nach dem Prinzip: Koste es, was es wolle. – Die Kosten sind genau vorgegeben. Sie haben sie selbst erwähnt: Sie betragen 100 Millionen Schilling. Und Sie haben richtigerweise auch erwähnt, daß die Stadt Wien bereit ist, 35 Prozent der Planungs- und Errichtungskosten einzubringen. Ich kann mir schon vorstellen, daß Sie Probleme mit dem Konferenzzentrum und mit der nun zu errichtenden zweigeschoßigen Ausstellungshalle mit 6 000 oder 7 000 zusätzlichen Quadratmetern haben. Denn Sie halten – wie mir bekannt ist – Ihre Veranstaltungen wahrscheinlich lieber in Bierzelten ab. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Es geht wirklich darum, Wien als österreichischen Standort für Großkongresse tauglich und weltweit interessant zu machen. Ich glaube, daß es ein guter Ansatz ist, daß man auf dieser Basis fünf Radiologenkongresse planen kann, in deren Rahmen jeweils zumindest 10 000 Teilnehmer aus der ganzen Welt nach Österreich und insbesondere nach Wien kommen. Allein diese fünf Veranstaltungen werden die von Ihnen kritisierten geringen Deckungsbeiträge sicherlich verbessern.

Aber ich möchte auch betonen, daß man nicht nur betriebswirtschaftliche Maßstäbe anlegen soll, sondern daß es auch angebracht ist – das hat Kollege Penz bereits in sehr vorbildlicher Weise getan –, bei solchen Großprojekten auch volkswirtschaftliche Aspekte zu bewerten. Die


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Umwegrentabilitätsrechnung hat schon gezeigt, daß in der Vergangenheit die 2 Millionen Besucher, insbesondere die 360 000 ausländischen Gäste, in Wien weit über 5 Milliarden Schilling konsumiert haben.

Ich glaube, daß für Wien das Konferenzzentrum und der Konferenztourismus insgesamt ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor geworden sind. Dieser muß nun so rasch wie möglich sinnvoll weiterentwickelt werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Arbeitnehmer im bereits bestehenden Austria Center Jahresarbeitsplätze mit hohem Niveau gefunden haben. Diese Arbeitnehmer erbringen schon jetzt hochqualifizierte Dienstleistungen, und nach dem Zubau des Ausstellungszentrums werden noch mehr hochqualifizierte Kolleginnen und Kollegen sichere Arbeitsplätze in diesem Ausstellungszentrum vorfinden. Allein schon aus diesem Grund ist meiner Meinung nach diese zusätzliche Investition in der Höhe von 100 Millionen Schilling zu rechtfertigen. Daher halte ich es für richtig, der heutigen Novellierung die Zustimmung zu geben. Vielleicht ist es doch möglich, dieses Anliegen gemeinsam zu tragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.05

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

17.05

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einige wenige Bemerkungen zu diesem Geschäftsstück machen.

Ich habe mich sowohl im Finanzausschuß, als auch im Nationalrat selbst redlich bemüht, gerade auch die Frage der betriebswirtschaftlichen Berechnungen klarzulegen, und zwar in der Weise, daß es möglich ist, innerbetriebliche Kalkulationen eines Unternehmens, das sich letztendlich auch im Wettbewerb mit anderen befindet, einer öffentlichen Diskussion auszusetzen.

Ich gehe zunächst einmal davon aus, daß diese Gesellschaft Organe hat, diese Organe gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Verantwortlichkeiten haben und sowohl Geschäftsführung und Aufsichtsrat das Finanzierungskonzept vor allem vom Blickwinkel der Verbesserung der Deckungsbeiträge, die durch den Zubau möglich sind, genehmigt haben. Selbstverständlich – das habe ich auch sehr deutlich im Finanzausschuß des Nationalrates gesagt – hätte eine ausschließlich betriebswirtschaftliche Überlegung nicht zu einer solchen Entscheidung führen können.

Ich meine, daß man bei der Beurteilung eines solchen Projektes zwei weitere Faktoren nicht außer acht lassen darf. Zunächst einmal möchte ich den volkswirtschaftlichen Faktor in besonderer Weise betonen: Gerade im Bereich des Tourismus und im besonderen Maße des Konferenztourismus gibt es nicht von ungefähr europaweit einen beinharten Wettbewerb. Denn es ist natürlich bekannt, daß gerade im Zusammenhang mit internationalen Konferenzen und dem mit diesem im Zusammenhang stehenden Tourismus Personen an einem Standort zusammenkommen, die die Wirtschaft der betreffenden Stadt und des betreffenden Landes, wo ein solcher Kongreß stattfindet, im wahrsten Sinne des Wortes befruchten, weil es sich hiebei letztendlich um Persönlichkeiten handelt, die überproportional viel Geld ausgeben. Das muß man auch in aller Deutlichkeit sagen.

Gerade aus diesem Grunde haben wir es uns nicht einfach gemacht, sondern Herrn Professor Otruba beauftragt, anhand eines Fallbeispieles zu berechnen, was im Hinblick auf eine Minimierung der Umwegrentabilität in dem Fall passiert, daß der internationale Radiologenkongreß nicht mehr nach Wien kommt. Es bestand überhaupt keine Frage, daß der europäische Radiologenkongreß nicht mehr in Wien getagt hätte, wenn wir ihm nicht jene Infrastrukturen zusätzlich geboten hätten, die er für seinen Kongreß braucht.

Es kommt nämlich noch etwas hinzu, und ich habe mich in meiner früheren Funktion sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt, gerade auch im Hinblick auf mögliche nicht vorhandene Synergien etwa bei einer Zusammenführung der Messe AG mit der IAKW, zumindest standort


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mäßig. Es haben sich in den letzten zehn Jahren gerade bei internationalen Kongressen die Voraussetzungen ganz wesentlich verändert. Vor einem Jahrzehnt war der überwiegende Teil von Kongressen so organisiert, daß irgend jemand bezahlt hat, man einen Kongreß abgehalten hat, dort wahrscheinlich sehr gescheite Ergebnisse produziert hat und man dann wieder nach Hause gefahren ist. Im zunehmenden Maße benutzt man jetzt Großkongresse, etwa der Radiologen, aber auch im Technologiebereich, bei denen Tausende Persönlichkeiten aus ganz Europa und aus der ganzen Welt zusammenkommen, auch dazu, um in Form von Ausstellungen, Produktpräsentationen und sonstigen, durchaus im Marketingbereich angesiedelten Operationen die Möglichkeit zu entsprechenden Präsentationen wahrzunehmen.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Gudenus! Daher ist etwa eine auf den Quadratmeter bezogene Rentabilitätsberechnung ein wenig zu kurz gedacht. Denn eine internationale Konferenz kann man heute nicht mehr nach dem Raum für die Sessel beurteilen, auf denen die Teilnehmer sitzen, sondern man muß auch jene Flächen in Betracht ziehen, auf denen sich zum Teil ganz wichtige Sponsoren, die den Kongreß überhaupt erst ermöglichen – das ist selbstverständlich auch ein marktwirtschaftlicher Faktor! –, präsentieren können.

Unter diesem Aspekt bestand daher überhaupt keine Frage, daß der Konferenzstandort Wien und Österreich den großen Radiologenkongreß verloren hätte. Ich könnte Ihnen den Briefwechsel durchaus darlegen. Ihr Kollege Trattner ist im Besitz desselben, weil ich ihm die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt habe. Gemäß diesen ist die Entscheidung, daß der internationale Radiologenkongreß in Österreich bleiben wird und auch für die nächsten zehn Jahre fünf Kongresse garantiert und diese bereits durch seine Organe beschlußmäßig abgesichert werden, davon abhängig gemacht worden, daß im Jahr 1999 die zusätzlichen Ressourcen tatsächlich bereits zur Verfügung stehen.

Ich glaube, daß man diese Umwegrentabilitäten nicht einfach von der Hand weisen kann. Denn nach den Berechnungen von Professor Otruba ergibt sich jedenfalls folgender finanzieller Umfang – das ist das zweite Entscheidungskriterium –: Der Kongreß bringt etwa 10 000 Teilnehmer und Aussteller nach Wien, die Tendenz ist steigend. Entsprechende Auslastungen der Hotellerie im Nebensaisonmonat März sind entscheidend. Allein dem Radiologenkongreß entsprechen etwa 286 Ganzjahresarbeitsplätze und Steuereinnahmen in der Höhe von insgesamt 39 Millionen Schilling. Davon entfallen 24 Millionen auf eindeutige Bundessteuern, 4,8 Millionen auf steuerliche Einnahmen für die Stadt Wien, rund 11 Millionen Schilling auf gemeinschaftliche Bundesabgaben. Man kann also mit Fug und Recht sagen, daß auch andere Gebietskörperschaften am Konferenztourismus in Wien partizipieren.

Und auch das dritte Kriterium halte ich für nicht ganz unbedeutend: Wien ist eine der drei UNO-Städte der Welt. Wien ist darüber hinaus die einzige UNO-Stadt innerhalb der Europäischen Union. Das halte ich für einen ganz besonderen Faktor, gerade dann, wenn man tatsächlich an die Zukunft der Europäischen Union glaubt, und ich glaube daran. Es kann von einem ganz gewaltigen Vorteil gesprochen werden, wenn wir im internationalen Bereich in Anbetracht dessen, daß Wien dritte UNO-Stadt und einzige UNO-Stadt innerhalb der Europäischen Union ist, jene Ressourcen entwickeln.

Ich glaube, dies wird der internationalen Reputation unserer Stadt guttun. Wir liegen im Herzen Europas. Wir bieten uns für vielerlei Dialoge an, und zwar in offensiver Form. Denn ich glaube, daß offensive internationale Politik die beste Friedenssicherung ist, die es überhaupt gibt. – Ich danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.14

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Königshofer.

17.14

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über die Argumentation der Österreichischen Volkspartei


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kann man sich wirklich nur wundern und den Kopf schütteln! Die Ausführungen des Bundesrates Penz würden beim verstorbenen Altkanzler Kreisky wahre Freude auslösen! (Bundesrat Ing. Penz: Das war das Ziel!) Sie haben mit Ihrer Argumentation eigentlich Ihr damaliges Volksbegehren und die Intentionen des damaligen Volksbegehrens völlig desavouiert und dargelegt, daß es in die völlig falsche Richtung gegangen ist. Da kann man nur sagen: Eigentlich muß man Kreisky danken, daß er damals nicht den 1,3 Millionen Unterschreibern, zu denen ich damals auch gezählt habe, nachgegeben hat! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Prähauser: Man muß ihm danken!)

Das muß man, wenn man Ihre Argumentation gehört hat, sagen. Denn sonst könnten Sie heute nicht hier stehen und eine Erfolgsstory dieses Konferenzzentrums darlegen.

Wie dem auch sei: Mag dieses "Werkl" Konferenzzentrum jetzt auch gut laufen – was der Einschätzung des damaligen Bundeskanzlers entspricht –, so verstehe ich trotz aller Argumentationen mit Umwegrentabilität nicht, daß man nicht eine Kostenrechnung für diesen Zubau auf den Tisch legen kann! Denn es gibt viele Hotels in Österreich, meine Damen und Herren, die auch Umwegrentabilität schaffen und volkswirtschaftliche Effekte auslösen, die aber dennoch betriebswirtschaftlich positiv abschließen müssen, denn sonst sind diese Hotels weg und mit ihnen auch die angesprochene Umwegrentabilität.

Ich habe gestern im Ausschuß nur die Frage gestellt: Wie hoch wird die Tagesmiete in diesem Zubau sein? – Ich habe darauf keine Antwort erhalten, geschweige denn eine Auskunft über die Auslastungen: An wie vielen Tagen wird diese Halle zu 100 Prozent, zu 50 Prozent und zu 25 Prozent ausgelastet sein? Welche Umsätze wird man erzielen? Welche Kosten werden dabei anfallen? Wie wird der Cash-flow aus diesem Bereich sein? – Darauf erhielt ich keine Antwort! Wenn jemand mit einer solchen Aufbereitung in eine Bank geht, wird er nicht einmal 100 000 S Kredit bekommen!

Ich weiß, daß sehr viele Orte in Österreich solche Kosten berechnen. So läßt zum Beispiel auch der Bürgermeister einer Gemeinde in Salzburg, in der ein multifunktionales Stadion geplant wird, kalkulieren, wie viele Einnahmen im Jahr hereinkommen, welche Kosten anfallen werden und wieviel übrig bleiben wird. – Bei solch großen Investitionen kalkuliert die Regierung jedoch über den Daumen mal Pi und sagt: Es kostet 100 Millionen, das geben wir aus, irgendwie wird das schon hereinkommen.

Einen verräterischer Ausdruck hat auch der Herr Minister gebraucht, nämlich den Ausdruck "Konferenz- oder Kongreßtourismus". – Wir sehen schon, Herr Minister, daß immer häufiger Großkongresse in der ganzen Welt stattfinden, daß es immer mehr Teilnehmer an diesen Kongressen gibt. Es handelt sich hiebei nach Ihrer Diktion um "Touristen", die diese Kongresse besuchen. Da frage ich mich: Wie lange werden diese Dinge noch finanzierbar sein? – Es verhält sich nämlich nicht so, daß die Leute, wie Sie sagen, diese Reisen alle aus der eigenen Tasche bezahlen. Sie bekommen sehr viel Taschengeld von der öffentlichen Hand, von Kammern und so weiter mit. Denken wir nur an den Kongreß der Gemeindevertreter in Mauritius! Glauben Sie denn wirklich, diese hätten alles aus der eigenen Tasche bezahlt? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genauso ist verhält es sich in diesem Fall. Das Volk hat nämlich gar keinen Willen mehr, diese Dinge zu glauben, zu akzeptieren und zu sagen: Bauen wir gigantomanische Großprojekte in Erwartung zukünftiger Erträge, wenn heute entsprechende Berechnungen nicht auf den Tisch gelegt werden können. – Das ist auch der Grund, warum wir diesen Gesetzesbeschluß ablehnen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.18

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

17.18

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Kollege Königshofer hat mich geradezu provoziert, mich zu Wort zu melden.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 118

Ich habe seinen Ausführungen entnommen, daß er allen Ernstes daran denkt, bei Zubauten zu Messegeländen und -hallen andere Preise als bei den vorhergehenden zu verlangen. – In der Praxis sieht das so aus, daß es Bedarf gibt, dann kommt es zu Ausweitungen von Messegeländen oder Messezentren, und der Quadratmeterpreis wird sich nicht von dem der bestehenden Objekte unterscheiden. Denn sonst wäre das kaufmännisch überhaupt nicht erläuterbar, und es würde dann Aussteller oder Proponenten anderer Unternehmen erster, zweiter oder dritter Kategorie geben.

Daher liegt auf der Hand, wie die neuen Quadratmeter dort zu vermieten sind. Es ist nun einmal die Praxis des Messewesens, daß wir zuerst einmal aufgefordert sind, den entsprechenden Bedarf an Fläche zu decken. Wenn die Chance besteht, Geschäfte auszuweiten, ist es natürlich im Interesse aller, diese sofort wahrzunehmen.

Ich möchte wirklich aufgreifen, was Sie gesagt haben, und mich auch bei Kreisky für die Weitsicht bedanken. Daß die Opposition das damals anders gesehen hat, war ihr gutes Recht. Heute wissen wir gemeinsam, daß die Entscheidung damals richtig war. Dazu sollte man stehen, und Geschäfte, die auf der Straßen liegen, sollte man möglichst wahrnehmen und nicht anderen europäischen Ländern überlassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Hoher Bundesrat! Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen (365 und 658/NR sowie 5438/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (505 und 659/NR sowie 5439/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (545 und 660 /NR sowie 5440/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluß der Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 119

Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (556 und 661/NR sowie 5441/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll (585 und 662/NR sowie 5442/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten (558 und 664/NR sowie 5443/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll sowie

ein Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten.

Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Die schriftlichen Berichte liegen vor. Ich darf mich daher auf jene Passagen beschränken, die der Beschlußerfordernis dienen.

Zum Bericht über das Abkommen mit Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen darf ich ausführen, daß der gegenständliche Staatsvertrag gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend ist. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


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Zum Tagesordnungspunkt 11 betreffend Abkommen mit der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen:

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 12 betreffend das Abkommen mit Kuwait darf ich ausführen, daß dem Nationalrat bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich erschien.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 13 über das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika ist auszuführen, daß dem Nationalrat bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich erschien.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 14 über das Abkommen mit der Republik Bulgarien darf ich ausführen, daß dem Nationalrat bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich erschien.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


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Schließlich darf ich zu Tagesordnungspunkt 15 betreffend das Übereinkommen über die Zollbehandlung ausführen, daß der gegenständliche Staatsvertrag gesetzändernd ist, aber keine verfassungsändernden Bestimmungen enthält.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte um Behandlung.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Hongkong über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
626. Sitzung / Seite 122

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Beschluß des Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Südafrika über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Zollbehandlung von Behältern, die im Rahmen eines Pools im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden (Behälter-Pool-Übereinkommen) samt Vorbehalten.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
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626. Sitzung / Seite 123

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen (577/NR sowie 5444/BR der Beilagen)

...Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung, nämlich dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Ferdinand Gstöttner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ziel des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates ist eine Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs durch Schaffung einer vertraglichen Grundlage. Inhalt des Beschlusses ist die Ermöglichung des direkten Verkehrs zwischen den Justizministerien im Regelfall, Übermittlung von Rechtshilfeersuchen per Telefax in dringenden Fällen sowie Entbehrlichkeiten der Beglaubigung oder Legalisierung der Ersuchen und Ausdehnung des Umfanges der Rechtshilfepflicht auch auf fiskalische strafbare Handlungen.

Nach Beratungen der Vorlage am 5. Mai 1997 stellt der Rechtsausschuß mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung zwei Anfragen, 1285/J und 1286/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 5. Juni 1997, 10 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, 3. Juni 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung, meine Damen und Herren, ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.34 Uhr