Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 108

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Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Paul Tremmel, Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, DDr. Franz Werner Königshofer, Helga Moser, Monika Mühlwerth, Helena Ramsbacher, Gottfried Waldhäusl, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte (1300/J-BR/97)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen unsere Beratungen fort und gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.02

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Herr Staatssekretär, möchte ich einleitend bemerken, daß ich es bedauerlich finde, daß sich der Herr Bundeskanzler nicht persönlich die Mühe genommen hat, zu diesem – wie ich meine – für ganz Österreich und für den österreichischen Rechtsstaat eminent wichtigen Thema in den Bundesrat zu kommen.

Meine Damen und Herren! Die Überlastung der österreichischen Höchstgerichte hat ein Ausmaß erreicht, das als eine echte Gefährdung des Rechtsstaates betrachtet werden muß. Am 31. Dezember 1996 gab es beim Verfassungsgerichtshof einen Rückstand von 13 182 unerledigten Verfahren und beim Verwaltungsgerichtshof einen Rückstand von 13 638 unerledigten Beschwerden. Würden heuer beim Verwaltungsgerichtshof zum Beispiel nur 5 000 Beschwerden einlangen – "nur" deshalb, weil die Anzahl damit weniger als die Hälfte des in den letzten beiden Jahren jeweils eingelangten Beschwerdeanfalles betragen würde –, würde es rund acht Jahre dauern, allein die bis Ende 1996 eingelangten Beschwerden zu erledigen. Bei einer Fortdauer der derzeitigen Entwicklung würde sich dieser Zeitraum sogar auf rund zehneinhalb Jahre verlängern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein Alarmzeichen, angesichts dessen man nicht so tun kann, als sei dies ein Randproblem, und nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen kann. Es handelt sich um eine ernsthafte Krise, die – wie der Verwaltungsgerichtshof selbst in einem seiner Tätigkeitsberichte festgestellt hat – befürchten läßt, daß der Rechtsstaat Schaden nimmt. Präsident Jabloner ist davon zu der Aussage vom drohenden Gesamtzusammenbruch des Verwaltungsgerichtshofes veranlaßt worden. Aber die Bundesregierung hat darauf ebensowenig reagiert wie auf die massiven Warnungen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Professor Adamovich, der von der Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofes gesprochen hat.

Meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung! Wenn Ihre einzige Antwort auf diese Situation darin besteht, mit der Einführung einer Beschwerdesteuer für den Bürger den Zugang zum Recht zu erschweren, anstatt die Ursachen der Beschwerdeflut zu beseitigen, dann ist das wirklich armselig und dient nur einem einzigen Zweck, nämlich mit einer weiteren Schröpfaktion dem Finanzminister Mehreinnahmen in der Höhe von 30 Millionen Schilling zu verschaffen. Besonders dramatisch ist die Tatsache, daß man seitens der Koalition offensichtlich nicht im geringsten bereit ist, die Ursachen für diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln.

Wenn Sie sich vor Augen halten, daß die absolut unzumutbare Gesetzesflut der letzten Jahre dazu geführt hat, daß allein von 1990 bis 1996 sage und schreibe 43 874 Seiten Bundesgesetzblätter erschienen sind, dann zeigt sich allein schon daran, daß es so nicht weitergehen kann.


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