Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

744. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Freitag, 13. April 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

744. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 13. April 2007

Dauer der Sitzung

Freitag, 13. April 2007: 9.01 – 16.53 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Produktpirateriegesetz 2004 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz über Sonderrechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die zu einer getrennten Buchführung verpflichtet sind (Sonderrechnungs­legungs­gesetz – SRLG)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

7. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

8. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch ihre Vertretungsbehörden im Verfahren zur Erteilung von Visa

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

11. Punkt: Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bundeskanzleramt an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeits­pro­gramm der Europäischen Kommission für 2007 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008


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12. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2006

13. Punkt: Wahl von Ausschüssen

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Roswitha Bachner sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat                     9

Angelobung der Bundesrätin Monika Kemperle ........................................................ 10

Ersuchen des Bundesrates Stefan Schennach, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidiale abzuhalten ......................................................................................................................................... 41

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  41, 88

Wortmeldung des Bundesrates Stefan Schennach zur Geschäftsbehandlung ......... 41

13. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................... 96

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Fragestunde (125.)

Frauen, Medien und öffentlicher Dienst .................................................................. 10

Renate Seitner (1544/M-BR/07); Martina Diesner-Wais, Eva Konrad

Alfred Schöls (1539/M-BR/07); Wolfgang Schimböck, Franz Breiner, Peter Mitterer

Eva Konrad (1542/M-BR/07); Maria Mosbacher, Josef Saller

Peter Florianschütz (1545/M-BR/07); Michaela Gansterer, Franz Breiner, Monika Mühlwerth

Sissy Roth-Halvax (1540/M-BR/07); Ana Blatnik, Elisabeth Kerschbaum

Ing. Siegfried Kampl (1543/M-BR/07); Eva Konrad, Maria Mosbacher, Reinhard Jany

Günther Molzbichler (1546/M-BR/07); Karl Bader, Stefan Schennach

Mag. Harald Himmer (1541/M-BR/07); Albrecht Konecny, Stefan Schennach

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 28

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 28


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend Verdachtsmomente und Zustände rund um das „kleine Glücksspiel“, über verbotenes Glücksspiel sowie über mangelnde Auf­klärung aufklärungswürdiger Umstände (2507/J-BR/07) ....................... 97

Begründung: Stefan Schennach .................................................................................. 97

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ................................................................ 101

Debatte:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 108

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 111

Elisabeth Kerschbaum (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 113

Sissy Roth-Halvax ...................................................................................................... 113

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 114

Franz Breiner ........................................................................................................... ... 118

Alfred Schöls ........................................................................................................... ... 120

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 121

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 122

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter .............................................................     123

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Glückspielgesetz und suchtpräventive Maßnahmen – Unter­stützungsfrage; Ablehnung  117, 118, 126

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (161/A und 62 d.B. sowie 7669/BR d.B.)                     29

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg ............................................................................ 29

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 30

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 31

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 31

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 34

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 35

Johann Giefing ........................................................................................................ ..... 36

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 37

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 38

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 39

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 40

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Produktpirateriegesetz 2004 geändert wird (37/A und 53 d.B. sowie 7666/BR d.B. und 7670/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 40

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 42

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bun­desgesetz über Sonderrechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die zu


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einer getrennten Buchführung verpflichtet sind (Sonderrechnungslegungs­ge­setz – SRLG) (81/A und 54 d.B. sowie 7667/BR d.B. und 7671/BR d.B.) ............................................................................................................................... 40

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 42

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung geändert werden (56 d.B. sowie 7673/BR d.B.)                    41

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 42

Redner/Rednerinnen:

Günther Molzbichler ............................................................................................... ..... 42

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 44

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 45

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ..... 47

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 48

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 50

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (82/A und 55 d.B. sowie 7668/BR d.B. und 7672/BR d.B.) ................................................................................................................. 50

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 51

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 51

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 52

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 55

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (2 d.B. und 57 d.B. sowie 7674/BR d.B.) .......... 55

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 56

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (27 d.B. und 58 d.B. sowie 7675/BR d.B.) ...................................................................................................... 55

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 56


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8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Proto­koll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Abän­derung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen (28 d.B. und 59 d.B. sowie 7676/BR d.B.) ................................................... 56

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................ 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................ 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................ 58

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch ihre Vertretungsbehörden im Verfahren zur Erteilung von Visa (31 d.B. und 45 d.B. sowie 7677/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 58

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 58

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 58

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 59

Ernst Winter ............................................................................................................ ..... 60

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ..... 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen                62

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (117/A und 47 d.B. sowie 7678/BR d.B.)                     62

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ......................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Sissy Roth-Halvax ........................................................................................................ 63

Ana Blatnik .................................................................................................................... 64

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 65

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 66

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 68

Peter Florianschütz ................................................................................................ ..... 68

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ..... 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 71


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11. Punkt: Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bundeskanzleramt an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission für 2007 und zum 18-Monats­pro­gramm des Rates für 2007/2008 (III-319-BR/2007 d.B. sowie 7679/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 71

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 71

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 71

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ..... 73

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 75

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 77

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 78

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ..... 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-319-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 82

12. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2006 (III-324-BR/2007 d.B. sowie 7680/BR d.B.) ................................................................................................................. 82

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 83

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 83

Peter Florianschütz ................................................................................................ ..... 85

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 88

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 90

Volksanwalt Mag. Hilmar Kabas ........................................................................... ..... 91

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 93

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 94

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-324-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 96

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Benachteiligung regionaler Betriebe durch die Bundesbeschaffung GmbH (2501/J-BR/07)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Benachteiligung regionaler Betriebe durch die Bundesbeschaf­fung GmbH (2502/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anti-Atom-Politik der öster­reichischen Bundesregierung (2503/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Anti-Atom-Politik der öster­reichischen Bundesregierung (2504/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Anti-Atom-Politik der österreichischen Bundesregierung (2505/J-BR/07)


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Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verdachtsmomente und Zustände rund um das „kleine Glücksspiel“, über verbotenes Glücksspiel sowie über mangelnde Aufklärung aufklärungswürdiger Um­stände (2507/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Aufbau einer Alpentransitbörse (2508/J-BR/07)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wetterkunde und Kriminalitätsanstieg in ganz Österreich (2509/J-BR/07)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend nachteilige Auswirkungen einer Zusam­men­legung der Gebietskrankenkassen (2510/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einrichtung eines zentralen Personen­standsregisters (2511/J-BR/07)

*****

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Bundesrates betreffend Abgeordnetenimmunität der niederösterreichischen Bundes­rätInnen (2506/J-BR/07)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­räte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlversprechen ihrer Vorgängerin: Sicherung der Zukunft der ehemaligen Laborschimpansen in Gän­sern­dorf (2277/AB-BR/07 zu 2472/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nationalpark Thayatal (2278/AB-BR/07 zu 2473/J-BR/07)

des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Änderungen in der Waisenpension (2279/AB-BR/07 zu 2474/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtraucherschutz (2280/AB-BR/07 zu 2476/J-BR/07)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handhabung des Kon­sul­tationsmechanismus (2281/AB-BR/07 zu 2478/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Bestandentgeltes für öffentliches Wassergut (2282/AB-BR/07 zu 2481/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und


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Kollegen betreffend Einrichtung eines Frauengesundheitszentrums (2283/AB-BR/07 zu 2482/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Bahnstrecke Bregenz–St. Gallen (2284/AB-BR/07 zu 2479/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Vignettenpflicht für den Pfändertunnel (2285/AB-BR/07 zu 2480/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend eine Stellungnahme der Ministerien zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Energie- und Klimastrategie/Verbundplan (2286/AB-BR/07 zu 2483/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Stellungnahme der Ministerien zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Energie- und Klimastrategie/Verbundplan (2287/AB-BR/07 zu 2484/J-BR/07)

der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Stellungnahme der Ministerien zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Energie- und Klimastrategie/Verbundplan (2288/AB-BR/07 zu 2486/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Stellungnahme der Ministerien zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Energie- und Klima­strate­gie/Ver­bundplan (2289/AB-BR/07 zu 2485/J-BR/07)


 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 9

09.01.14Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Manfred Gruber: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich eröffne die 744. Sitzung des Bundesrates.

Ich begrüße Sie am Freitag, dem 13., auf das Allerherzlichste. (Heiterkeit.) Ganz besonders begrüße ich Frau Bundesministerin Doris Bures, die heute zu ihrer ersten Fragestunde zu uns gekommen ist. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 743. Sitzung des Bundesrates vom 22. März 2007 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden, Dr. Erich Gumplmaier, Günther Kaltenbacher, Gottfried Kneifel, Mag. Gertraud Knoll, Günther Köberl, Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg.

09.02.31Einlauf

 


Präsident Manfred Gruber: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise die Wahl eines Mitgliedes des Bundes­rates und seines Ersatzmitgliedes.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes:

„Johann HATZL

Erster Präsident des Wiener Landtages

Herrn

Präsident des Bundesrates

Manfred GRUBER

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, 30. März 2007

01510-2007/0001-MDSALTG

Wahl eines Mitgliedes und

eines Ersatzmitgliedes

des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das an dritter Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Roswitha Bachner und das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied Abgeordnete Martina LUDWIG haben ihr Mandat im Bundesrat am 29. März 2007 zurückgelegt.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 10

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemein­derates wurden in der Sitzung des Wiener Landtages vom 30. März 2007 als neues Mitglied für die dritte Stelle Monika Kemperle und als an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied Abgeordnete Martina LUDWIG gewählt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“

*****

09.02.42Angelobung

 


Präsident Manfred Gruber: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

9.03.03

 


Schriftführerin Mag. Susanne Neuwirth: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Nach Namensaufruf durch die Schriftführerin leistet Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätinnen und Bundesräte gratulieren dem neuen Mitglied des Bundesrates.)

*****

 


Präsident Manfred Gruber: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.

09.04.51Fragestunde

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Bevor ich jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst

 


Präsident Manfred Gruber: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bundes­ministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Seitner, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich): Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage lautet:


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 11

1544/M-BR/2007

„Welche Maßnahmen planen Sie als Frauenministerin, um Frauen den Zugang zu einer Vollzeitbeschäftigung zu erleichtern, nachdem Studien besagen, dass Frauen nicht immer freiwillig einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Frau Bundesrätin! Zuerst einmal freue ich mich sehr, dass ich heute im Bundesrat sein und Rede und Antwort stehen kann.

Das ist eine sehr wesentliche Frage! In den Mittelpunkt meiner Tätigkeit als Frauen­ministerin werde ich alle Maßnahmen stellen, die dazu führen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert wird, dass wir mehr an Vollzeitarbeitsplätzen und Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben, damit Frauen die Möglichkeit haben, auch einer Berufstätigkeit mit einem Einkommen nachzugehen, von dem sie auch leben können.

Ich glaube daher, das ist einer der zentralen Punkte unseres Regierungs­überein­kom­mens. Was die Flexibilisierung des Kindergeldes betrifft, haben wir vereinbart, konkrete Maßnahmen zu setzen und Verbesserungen vorzunehmen und dass wir die Kinder­betreuungseinrichtungen bundesweit auch ausbauen wollen – das gemeinsam mit den Ländern.

Was Bevorzugungen von Teilzeitbeschäftigungen betrifft, haben wir vereinbart, dass wir das überdenken sollten und in die Richtung gehen sollten, dass es, wenn Mehr­leistungen getätigt werden – und das gilt ja auch bei Teilzeitjobs, dass das dann Mehrleistungen sind –, dafür auch einen Mehrstundenzuschlag geben soll, um die Attraktivität von Vollzeitbeschäftigung zu fördern.

 


Präsident Manfred Gruber: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich): Es gibt Vorschläge, dass Betriebe zur Einkommenstransparenz und Offenlegung ihrer Einkommenssysteme ver­pflichtet werden sollen, um Diskriminierungen zu vermeiden. Was halten Sie von solchen Vorschlägen?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich halte das für einen sehr guten Vorschlag, weil man damit oft Probleme und Diskriminie­rungen sichtbar macht. Wir sehen im internationalen Vergleich, dass es in den skandinavischen Städten solche Modelle gibt, dass Unternehmen sichtbar machen, wie sich das Einkommen zwischen Männern und Frauen im Unternehmen aufgliedert – aber auch, wie sich die Arbeitszeit im Unternehmen aufteilt. Und das führt dazu, eine Sensibilisierung und ein Problembewusstsein zu schaffen und es sichtbar zu machen.

Mir ist dabei aber auch besonders wichtig, dass man datenschutzrechtliche Bestim­mungen einhält. Das heißt, das geht natürlich nur in Unternehmungen, wo es eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten gibt, wo man die Einhaltung dieser datenschutz­rechtlichen Bestimmungen damit auch sicherstellt. Ich halte aber sehr viel davon, dass, wenn es Ungleichbehandlung gibt, diese einmal sichtbar gemacht wird, weil das der erste Ansatz ist, um für die Frauen auch Verbesserungen zu erreichen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Diesner-Wais, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 12

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, werden Sie die von Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat initiierten, sehr erfolgreichen Orientierungsseminare für Frauen in Karenz weiter­führen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich halte es für ganz besonders wichtig, dass es für Wiedereinsteigerinnen nach der Karenz Wiedereinstiegshilfen, Qualifizierungsmaßnahmen gibt – im Übrigen machen wir das im Bundesdienst auch! Ich glaube, dass das aber auch ein guter Beweis dafür ist, dass wir mit der „Kindergeld alt“-Regelung genau das Problem haben, dass sehr viele Frauen den Wiedereinstieg nicht schaffen und daher einer zusätzlichen Maß­nahme bedürfen. Ich erhoffe mir daher durch die Flexibilisierung schon ein leichteres Zurück in den Beruf für Frauen nach der Babypause.

Ich denke aber, es ist da ganz wichtig, dass das eine Aufgabe ist, die nicht allein dem Frauenministerium zugeordnet werden soll, sondern das vor allem eine arbeitsmarkt­politische Aufgabe ist. Ich arbeite da sehr eng mit dem AMS zusammen. Qualifizie­rungs­maßnahmen über das Arbeitsmarktservice und über Arbeitsmarktförderung halte ich für wesentlich.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Um wie viele Prozentpunkte möchten Sie die Frauenbeschäftigungsquote in Vollzeitäquivalen­ten bis 2010 steigern?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Es geht mir vor allem darum, vollzeitäquivalent zu steigern. Die Frauenerwerbsquote in Österreich an sich ist ja nicht so eine schlechte; wenn man sich aber die Verteilung der Arbeitszeit ansieht, dann sieht man, dass genau da das Problem liegt. Mir geht es darum, die Frauenerwerbsquote – und wir haben das im Regierungsübereinkommen auch festgehalten! – um 3 Prozent zu erhöhen – und das in Vollzeit, damit Frauen einen Beruf haben, von dem sie, wie gesagt, auch ein Einkommen haben, von dem sie leben können.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Schöls, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesminister, meine Frage lautet:

1539/M-BR/2007

„Was werden Sie unternehmen, um die Qualität und Leistungsbereitschaft des öffent­lichen Dienstes auch weiterhin aufrechtzuerhalten?“

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Eingangs möchte ich sagen, dass es mir in meiner Funktion als Beamten-/Beamtinnen­ministerin sehr wichtig ist, mich bei allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für ihre hervorragenden Leistungen zu bedanken. Auch im internationalen Vergleich leistet der österreichische öffentliche Dienst Hervorragendes. Auch was Korruptionsverdacht


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betrifft, ist er wesentlich gefeiter, als das in anderen europäischen Staaten leider der Fall ist. Und daher gilt mein Respekt auch den Beamten des öffentlichen Dienstes.

Zweitens geht es, so glaube ich, im öffentlichen Dienst auch viel um Sicherheit. Und da ist es ganz wesentlich, dass es klare politische Vorgaben gibt, dass es nicht per­manente Veränderungen gibt, die nicht nachvollziehbar sind und wo die Betroffenen nicht eingebunden sind. Daher habe ich mich gleich von Beginn meiner Funktion an sehr darum bemüht, alle Betroffenen des öffentlichen Dienstes – von den Führungs­kräften bis zu den Personalvertretern – in alle Prozesse einzubinden. Wir haben ja einiges auch schon auf den Weg gebracht.

Was die Effizienz und Motivation des öffentlichen Dienstes betrifft, denke ich, dass es eine ganz enge Kooperation zwischen mir und jenen zwei Staatssekretären geben soll, die wir in der Bundesregierung nominiert haben – Frau Staatssekretärin Silhavy und Herrn Staatssekretär Lopatka –, um Fragen der Verwaltungsreform und Verwaltungs­effizienz voranzutreiben. Wir werden das sehr eng absprechen. Auch Verwaltungs­reform, so denke ich, ist etwas, was zu Effizienzsteigerung im öffentlichen Dienst führen kann.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Sie haben in einem Zeitungsinterview angekündigt, die Frage des Teilpensionsgesetzes anzu­gehen und dieses dem Parlament zur Beschlussfassung vorzulegen. Wie stellen Sie sich konkret die Inhalte einer derartigen Regierungsvorlage vor? Und werden Sie rechtzeitig auch die Sozialpartner in diesen Vorschlag einbinden?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich halte solche Modelle mit Möglichkeiten von vorzeitiger Alterspension und Teilzeit­modelle für sehr sinnvoll. In diesem Zusammenhang finden die Gespräche mit der Per­sonalvertretung bereits statt. Wir werden nächste Woche auch damit ganz konkret in Begutachtung gehen. Ich habe da eine sehr enge Kooperation mit der Personal­vertretung und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Wie gesagt, es gibt Konsens, nächste Woche damit auch schon in Begutachtung zu gehen, um diese Möglichkeit auch zu eröffnen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schimböck, bitte.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Der Kollege hat ja schon wegen der Leistungsbereitschaft der Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesdienst gefragt. Ich glaube, ganz wesentlich ist da das Umfeld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade die jüngeren Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes haben ja oft Probleme durch den Schicht- und Wechseldienst und brauchen Kinderbetreuungseinrichtungen. Es gibt in Österreich noch viele Gemeinden, wo solche Kinderbetreuungseinrichtungen nur bis Mittag zur Verfügung stehen. Welche Schritte haben Sie in diese Richtung geplant, um hier entsprechend einen Ausbau vorzunehmen?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich halte es auch für sehr wichtig, dass der öffentliche Dienst Vorbildwirkung für die Privatwirtschaft hat. Und daher gilt das, was die Vorbildwirkung bei Frauenförderung


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betrifft, auch für familienfreundliche Maßnahmen – Sie haben ja den Bereich der Kin­der­betreuung angesprochen. Es gibt im öffentlichen Dienst ja sehr viele Kinder­betreuungseinrichtungen, die geführt werden. Es gibt auch einen eigenen Betriebs­kindergarten des Bundeskanzleramtes.

Ich teile aber Ihre Einschätzung, dass es natürlich viele Bereiche im öffentlichen Dienst gibt, die andere Öffnungszeiten haben – auch Nachtzeiten und Wochenendzeiten –, und dann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig ist. Ich glaube, dass es ganz wichtig wäre, dass wir hier einen zusätzlichen Impuls setzen. Wir sehen ja auch, wie wichtig zum Beispiel Betriebskindergärten in Krankenhäusern sind. Gerade im medizinischen Bereich sind ja auch viele junge Menschen, viele junge Familien und junge Frauen beschäftigt. Ich halte sehr viel davon und halte es für notwendig, dass bei dem, was familienpolitische Maßnahmen und damit auch den Ausbau von Betriebs­kindergärten betrifft, der Bund weiterhin – da hat es viele Maßnahmen gegeben – Vor­bildwirkung haben soll.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Breiner, bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minis­terin, Sie haben sich zum Ziel gesetzt, im öffentlichen Dienst in Führungs­positionen mehr Frauen unterzubringen. Welches messbare Ziel geben Sie sich hierbei?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Das Problem, das wir im öffentlichen Dienst haben, ist der geringe Anteil an Frauen in Führungspositionen. Was die Beschäftigung betrifft, gibt es eine sehr hohe Frauen­quote. Wir haben auch sehr gute legistische Instrumente, was Frauenförderpläne, was Gleichbehandlungsgesetze im Bundesdienst betrifft – wie die Frauenbevorzugung bis zur Erreichung einer 40-Prozent-Quote –, aber offensichtlich, wenn wir uns dann den geringen Anteil von Frauen auch in Führungspositionen im öffentlichen Dienst an­schauen, greifen sie nicht ganz.

Mein Ziel dabei ist, überall dort, wo es dann um Ausschreibungen geht, wo es dann auch um die Bestellung geht, für mehr Transparenz und Objektivität zu sorgen, noch mehr darauf zu achten, dass die Objektivität in Ausschreibungsverfahren gesichert ist, um Frauen mehr Chancen zu geben. Und mein Ziel ist es – und auch das werde ich nächste Woche im Zuge dieser Dienstrechts-Novelle in Begutachtung geben –, dass in den Bewertungskommissionen für Führungspositionen der Bund zwei Vertreter zu entsenden hat. Ich werde da „halbe-halbe“ vorschlagen. Es hat jedenfalls eine Frau dabei zu sein, um den Fokus genau auch darauf zu richten, dass es darum geht, Frauen im Bundesdienst zu fördern, und dass es ganz im Speziellen einen großen Aufholbedarf in Führungspositionen gibt.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mitterer, bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, auch im öffentlichen Dienst wird nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen. Ich frage Sie daher: Bis wann ist mit einer Vereinheitlichung des Beamten­dienstrechtes mit jenem der VBs zu rechnen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Wir haben im Regierungsübereinkommen genau das auch vereinbart, was Sie ange-


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sprochen haben, nämlich eine Vereinheitlichung. Das ist allerdings eine System­umstellung, die für viele Beschäftigte im Bundesdienst natürlich Veränderung bedeuten wird. Es ist das Ziel da. Ich denke, dass es auch ganz wichtig ist, nicht zwei Gruppen von öffentlich Bediensteten zu haben, aber mir ist es da auch sehr wichtig, das wirklich mit den Betroffenen zu diskutieren.

Ich bin daher in dem Zusammenhang auch schon in Gesprächen. Ich habe mit der Gewerkschaft und der Personalvertretung vereinbart, dass wir uns einmal gemeinsam in einer Enquete – es liegt ja schon viel auf dem Tisch, in welche Richtung dieses einheitliche Dienstrecht gehen kann! – mit diesem Thema noch befassen werden. Ich halte das in dieser Legislaturperiode für eine wichtige Maßnahme.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Konrad, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich bleibe gleich beim Thema und stelle die Frage:

1542/M-BR/2007

„Womit begründen Sie den verschwindenden Frauenanteil im Bereich der leitenden Positionen an Universitäten und durch welche Maßnahmen werden Sie diesen steigern?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe schon Bezug darauf genommen, dass ich auch eine mangelnde Repräsentanz an Frauen in Führungspositionen und gerade in der Wissenschaft sehe. Das ist ein Punkt, den wir auch konkret im Regierungsübereinkommen festgehalten haben: dass es gerade im Bereich der Wissenschaft und Forschung verstärkt gilt, Frauen zu fördern.

Dass Frauen in Führungsebenen schwieriger vordringen, führe ich auch darauf zurück, dass es noch immer Geschlechterstereotypen gibt, weil gerade im wissenschaftlichen Bereich offensichtlich Männernetzwerke tatsächlich noch sehr stark wirken. Wir müs­sen daher für Instrumente sorgen, um für mehr Objektivität und für weniger Männer­netz­werke zu sorgen.

Ich denke, dass Gender-orientierte Ausschreibungen hier sehr wichtig sind, und auch, dass man da die Bewertungskommissionen und den frauenpolitischen Beirat, den es ja auch an den Universitäten gibt, in ihrer Tätigkeit sehr unterstützt.

Sie haben ein 10-Punkte-Programm auch an den zuständigen Wissenschaftsminister übermittelt, und ich habe mit großer Freude vernommen, dass, da in den nächsten Jahren ja mehrere Pensionierungen von Inhabern von Professuren anstehen, auch der Wissenschaftsminister gesagt hat: Es steht im Mittelpunkt, dass die Nachfolge vor allem an Frauen zu vergeben ist.

 


Präsident Manfred Gruber: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Können Sie sich auch vorstellen, eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen an Universitäten über die Leis­tungsvereinbarungen zu erreichen?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich glaube, wir sollten alle Instrumente, die dazu führen, dass Frauen in der Wissenschaft


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gefördert werden, ernsthaft prüfen und sie uns ansehen, weil es ja eine Voraussetzung ist, damit man überhaupt weiterkommt, dass man Vorbilder hat. Und gerade in der Wissenschaft, glaube ich, ist das so notwendig. Daher schließe ich kein Instrument aus.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mosbacher, bitte.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Ich weiß, Sie haben die Frage vorher schon etwas beantwortet, aber ich möchte sie trotzdem nochmals stellen:

Auch in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes ist der Frauenanteil noch sehr gering. Planen Sie, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, und wenn ja, durch welche Maßnahmen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Wie gesagt, es ist so, dass die gesetzlichen Voraussetzungen, was Frauenförderung und Gleichbehandlung betrifft, wirklich fundiert und gut sind und dass es jetzt darum geht, die richtigen Hebel zu finden.

Und wie gesagt, ich denke mir, dass es, wenn wir davon ausgehen, dass Frauen ja nicht minder qualifiziert sind als Männer in Führungspositionen, sondern dass das offensichtlich noch etwas auch mit dem System der Besetzung von Führungs­positionen zu tun hat, mit mehr Objektivität und Transparenz in diesen Verfahren dazu kommt, dass es uns gelingt, Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Und was mir vielleicht auch wichtig ist – das wird der erste Schritt sein, den ich, eben im Zuge der Besetzung, unternehmen werde –: mich einzumischen und auf die Frauen zu achten. Was ich dabei aber auch machen werde, ist das Evaluieren. Das heißt, wenn wir draufkommen, das Instrument reicht noch immer nicht, dann – das können Sie mir glauben – werde ich mir neue Instrumente einfallen lassen, denn das Ziel muss sein, dass es gerade im Bundesdienst eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern gibt.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Saller, bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Welche Überlegungen für eine Kooperation mit Wissenschaftsminister Hahn – der zahlreiche Initiativen in diesem Feld gesetzt hat – haben Sie hier, um die positive Entwicklung einer Steigerung des Frauenanteils bei Professuren von 38 Prozent seit 2002, oder von 27 Prozent bei DozentInnen, weiterzuverfolgen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich bin in dieser Frage mit Bundesminister Hahn als zuständigem Ressortminister einer Meinung: Wir brauchen weibliche Vorbilder gerade in der Wissenschaft, und daher in diesen Führungspositionen. Daher haben wir auch vereinbart, dass Gespräche zu führen sind, welche strategischen Maßnahmen wir setzen, um genau dieses gemein­same Ziel auch zu erreichen. – Aber ich bin mir da mit ihm eins.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 4. Anfrage.


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Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Florianschütz, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der öffentliche Dienst eine Vorbild­funktion hat. Ich frage Sie daher:

1545/M-BR/2007

„Wie viele Lehrstellen für Jugendliche bietet der Bund gegenwärtig an?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Wir haben im Bund knapp unter 1 000 Lehrlinge – genau: 936 Lehrlinge –, die im Übrigen in 50 Lehrberufen ausgebildet werden. Darüber hinaus haben wir noch rund 1 800 Lehrlinge in Ausbildung, die sich in ausgegliederten Betrieben befinden.

Da wir im Regierungsübereinkommen vereinbart haben, dass auch die quantitative und qualitative Forcierung der Lehrlingsausbildung insgesamt im Mittelpunkt steht und notwendig ist, und wir ja als großes Ziel haben, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken, glaube ich, dass der Bund hier Vorbildwirkung haben sollte.

Wir werden für die Jahre 2007 und 2008 nicht nur diesen Stand an Ausbildungsstellen weiter behalten, sondern mein Ziel ist es, zumindest um 5 Prozent mehr Lehrlingen und jungen Menschen damit eine Chance und einen Ausbildungsplatz zu geben.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Welche Aus­bildungsschwerpunkte werden Sie dabei setzen, wie werden Mädchen gefördert, und welche Entwicklung bei den Lehrlingen des Bundes streben Sie an?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Schwerpunkte liegen insofern auf der Hand, als wir es insgesamt immer mehr mit einer Internationalisierung der Arbeitswelt und des Arbeitsmarktes zu tun haben. Daher haben wir im Bundesdienst auch eine ganz starke Forcierung, was Sprachausbildung betrifft, vorgenommen – das heißt, einen Sprach- und Fremdsprachen-Schwerpunkt in allen Lehrberufen gesetzt, um den neuen Anforderungen in der Arbeitswelt in diesem Bereich gerecht zu werden.

Und wir haben auch, was den Anteil der weiblichen Lehrlinge betrifft, Vorbildwirkung. Ich möchte Sie nur darüber informieren, dass 63 Prozent der Lehrlinge im Bundes­dienst weiblich sind und wir daher sehr vielen jungen Frauen auch in Zukunftsberufen Chancen und Ausbildungsmöglichkeiten eröffnen.

Und ich möchte auch im Zuge der Frauenförderung, die wir ja im Bundesdienst haben, einen Schwerpunkt darauf legen, dass wir jungen Frauen im Bundesdienst verstärkt die Chance geben, in technische Lehrberufe einzusteigen, weil das ja jene sind, von denen wir wissen, dass sie strukturell in Zukunft auch bessere Erwerbschancen und Beschäftigungschancen bieten, sodass deshalb dort der Schwerpunkt liegt.

Im Übrigen werden wir wieder den „Girls’ Day“ veranstalten, an dem sich dankens­werterweise auch alle Ressorts der Bundesregierung beteiligen, wo wir jungen Frauen in alle Bereiche des öffentlichen Dienstes Einblick bieten, um jungen Mädchen einmal zu zeigen, es gibt nicht nur fünf Lehrberufe – von der Verkäuferin über die Friseurin bis


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zur Fußpflegerin –, sondern es gibt eine Reihe von ganz tollen Lehrausbildungen und Chancen, und die wollen wir den jungen Mädchen auch im Bund, im öffentlichen Dienst geben.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Gansterer, bitte.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­des­ministerin! Ich darf noch konkret fragen: Wie viele Ausbildungsplätze haben Sie seit Ihrem Amtsantritt im Bundeskanzleramt geschaffen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Lehrlingsausbildung beginnt im September. Im September 2006 war ich noch nicht für den öffentlichen Dienst zuständig – schade, denn dann wären es um 5 Prozent mehr gewesen, als sie es jetzt sind. (Heiterkeit, Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Breiner, bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Traditionell untypische Berufe im Bereich des Bundes: Für wie viele junge Menschen – und da speziell: für wie viele Mädchen – ist es möglich, in diesen un­typischen Berufen eine Lehre zu beginnen und zu erhalten?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Das erfordert für mich natürlich die enge Kooperation mit den einzelnen Ressort­zustän­digen, weil es zum Beispiel auch im Bereich der Exekutive viele Chancen gibt und man dort auch sieht, dass sich der Umstand, dass man Frauen gefördert hat, auch insgesamt positiv auswirkt und dass das, auch was das Klima und die Außenwirkung betrifft, sehr positive Auswirkungen hat.

Aber ich bin mit allen Ressortkolleginnen und -kollegen hier in einem engen Gespräch, und wir haben uns darauf geeinigt, dass es darum geht, junge Frauen vor allem in Lehrberufen zu fördern, die atypisch sind, dass wir den Fokus genau darauf richten wollen. – Aber, wie gesagt, mittlerweile sind schon 63 Prozent jener, die in Lehraus­bildung sind, Mädchen, und es gibt eine Reihe von sehr interessanten Berufen im Bereich des Landwirtschaftsministeriums, auch des Landesverteidigungsministeriums, und ich glaube, das wird auch zu forcieren sein.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mühlwerth, bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist natürlich sehr löblich, wenn der Bund verstärkt Lehrlinge aus­bildet und das auch noch steigern möchte, aber es ergibt sich daraus dann die Frage: Welche Lehrlinge verbleiben nach ihrer Ausbildung in den Ministerien, beziehungs­weise wohin wandern sie ab, wenn sie nicht verbleiben?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das eine ist einmal die Chance auf eine Ausbildung – und dann ist die Frage die Chance auf einen dauerhaften Arbeitsplatz.


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Es ist ohne Zweifel so, dass wir unter dem Gesichtspunkt unserer Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, und was die Verwendung der öffentlichen Mittel betrifft, eine schlanke und effiziente Verwaltung brauchen und uns daher darauf geeinigt haben, dass Nachbesetzungen im Bundesdienst nicht in voller Höhe zu erfolgen haben, damit wir diesen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln auch demonstrieren und nachvollziehbar machen. Ich glaube aber, dass der ganz ent­scheidende Punkt der ist: Ein Teil davon kann natürlich im Bundesdienst bleiben, und bei dem anderen Teil ist eben genau die Frage wichtig: In welchen Lehrberufen bilden wir aus? – Wenn wir in Lehrberufen ausbilden, von denen wir wissen, dass es auf dem Arbeitsmarkt einen Bedarf dafür gibt, dann sind die Chancen, nachher einen Arbeits­platz zu bekommen, auch besser.

Ich bin – um Ihnen ein Beispiel zu sagen – auch bei der Lehrlingsförderung in der Privatwirtschaft nicht dafür, dass wir die Blum-Förderung dafür ausschütten, junge Frauen in Lehrberufen auszubilden, in denen sie mit 18 arbeitslos sind und nach der Ausbildung beim Arbeitsmarktservice stehen und keine Chance auf einen Beruf haben, sondern da bin ich für effiziente Förderung, nämlich dort, wo es um Berufe mit Zukunftschancen geht! Daher ist es auch mein Ziel, nicht nur die Zahl der Lehrlinge zu erhöhen, sondern besonders auch darauf zu schauen, dass wir sie im Bund dort ausbilden, wo sie nachher auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich auch eine Chance haben, einen guten Arbeitsplatz zu finden. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 5. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Roth-Halvax, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Da es für die Frage, um die es mir geht, keine zeitliche Beginnfrist gibt und da es dabei auch um eine nicht enden wollende Maßnahme geht, stelle ich die Frage:

1540/M-BR/2007

„Welche Maßnahmen zur weiteren Schließung der Einkommensschere werden Sie ergreifen?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich glaube, es gibt schon eine zeitliche Beginnfrist: Das muss nämlich ab sofort erfolgen (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ), was konkrete Maßnahmen zur Schließung der Einkommensschere betrifft. (Bundesrätin Roth-Halvax: In diesem Sinn habe ich das gemeint!) Ich sage Ihnen nur, das Wichtige ist – und das wissen ja alle, die sich mit diesem Bereich beschäftigen und denen das auch ein Anliegen ist –: Das erfordert ein Bündel an Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass Frauen bei gleicher Ausbildung und gleicher Beschäftigung auch tatsächlich gleichen Lohn bekommen und es nicht diese Einkommensdiskriminierung gibt, wie das jetzt der Fall ist.

Ein Bündel an Maßnahmen bedeutet zum Beispiel ganz konkret das Bemühen der Sozialpartner darum, dass es zu einem Generalkollektivvertrag mit 1 000 € Mindest­lohn kommt. Das wird dazu führen, dass es gerade für Frauen, die sich ja in diesen Berufen und in diesen Branchen befinden, wo sie bei Vollzeitarbeit – die arbeiten den ganzen Tag hart! – noch immer keine 1 000 € Mindestlohn haben, zu einer Verbes­serung kommt. Wir haben das ja jetzt auch im Regierungsübereinkommen vereinbart. Ich möchte mich auch bei den Sozialpartnern bedanken, weil ich weiß, dass diese hier


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sehr effizient und rasch arbeiten. Das Ziel ist, dass wir vielleicht noch vor dem Sommer tatsächlich endlich diesen Generalkollektivvertrag mit dem Mindestlohn haben.

Aber auch all jene Maßnahmen wie der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, der gemeinsam mit den Ländern zu forcieren ist, führen dazu, dass Frauen wieder schneller in den Beruf zurückkehren. Und wenn sie schneller in den Beruf zurück­kehren können, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren können, dann verhindern wir auch, dass es diesen berühmten Karriere- und Einkommensknick bei Frauen gibt.

Das heißt, ein Bündel an Maßnahmen – bis hin zur Ausbildung von Mädchen in atypischen Berufen – wird dazu führen, dass die Einkommensschere nicht auseinan­derdriftet, sondern wird die Einkommenshöhen doch ein Stück näher zusammenführen. Und ich glaube, da gibt es ganz konkrete Maßnahmen – wie gesagt, beim Mindestlohn sind wir dran, und da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir bald einen Erfolg auf den Tisch legen können.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sie können davon aus­gehen, dass ich genau das zum Ausdruck bringen wollte – und ich denke, dass meine Frage auch so gestellt war –, dass ein Beginn jederzeit und ab sofort möglich sein sollte.

Meine Zusatzfrage richtet sich darauf, welche Möglichkeiten Sie sehen, eben um diese Einkommensschere zu schließen, auch technische Berufe für Mädchen attraktiv zu machen.

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Eine Maßnahme ist zunächst einmal, jungen Frauen und Mädchen zu zeigen, welche Aus­bildungsmöglichkeiten es überhaupt gibt. Daher haben wir auch diesen Tag der offenen Tür für Mädchen gemacht, um ihnen in allen Ministerien und in allen Dienst­stellen des öffentlichen Dienstes einmal zu zeigen, was es an Ausbildungschancen und -möglichkeiten ganz konkret gibt.

Und das Zweite: Was mein Ziel ist – und dafür ersuche ich Sie auch um Unter­stützung –, ist, dass wir Lehrberufe und Ausbildungen fördern, die eben dazu führen, dass Mädchen auch die Chance haben, in nichttraditionellen Berufen eine Ausbildung zu finden. Und ein Punkt ist: Wir haben die Lehrlingsförderung, wir haben die Blum-Förderung, wir haben sie verlängert, das ist gut so – und jetzt sollten wir sie effizient einsetzen, vor allem im Interesse der jungen Frauen! (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Blatnik, bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Cenjena in spoštovana gospa minister! Sie haben jetzt schon sehr viele Maßnahmen aufgezählt, die Sie sofort und sicherlich erfolgreich auch verwirklichen werden.

Trotzdem eine Zusatzfrage: Welche Maßnahmen planen Sie in der aktiven Arbeits­markt­politik speziell für Frauen?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Der Schwerpunkt der Arbeitsmarktförderung für Frauen liegt im Bereich der Qualifizierung von Frauen und der Unterstützung auch von Ausbildungsabschlüssen. Wir sehen, dass


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gerade Frauen beim Wiedereinstieg oft Schwierigkeiten haben, weil sich der Arbeits­markt und die Anforderungen so schnell verändern, dass sie nach einer Babypause oder Kinderpause dann die Unterstützung brauchen, indem man zusätzliche Qualifizie­rungsmaßnahmen anbietet, um den Wiedereinstieg tatsächlich zu erreichen.

Wir haben daher die Arbeitsmarktförderung heuer um noch einmal 200 Millionen verlängert. Ich habe darauf geachtet, dass auch da die Zeit des Teilens einkehrt, nämlich halbe-halbe zwischen Arbeitsmarktförderungsmitteln, die auf der einen Seite vor allem Frauenprojekte und Frauenqualifizierung unterstützen sollen. Daher haben wir das auch schriftlich im Regierungsübereinkommen so vereinbart: 100 Millionen vor allem für zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen, weil ich denke, dass es bei der Arbeitsmarktpolitik auf der einen Seite natürlich immer um quantitative Ziele geht, nämlich die Arbeitslosigkeit zu senken, aber dass es bei dem nächsten Schritt mit diesen zusätzlichen Mitteln, die wir jetzt für Arbeitsmarktpolitik haben, auch um qualitative Zielsetzungen gehen muss, und das soll vor allem den Frauen zugute kommen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben jetzt viel über Maßnahmen gesprochen. Mich würden die Ziele interessieren: Welche Ziele haben Sie sich bei der Schließung der Einkom­mensschere bis 2010 gesetzt?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ein Prozentsatz, den man nennen kann und der viel mit der Einkommenssituation zu tun hat, bezieht sich auf die Frage der Erwerbstätigkeit von Frauen, und da ist die Zahl dahin gehend, dass wir – als konkretes Ziel – die Vollzeiterwerbstätigkeit um drei Prozent erhöhen wollen.

Bei der Einkommensschere, glaube ich, wäre es unseriös, jetzt eine genau Zahl anzu­geben. Wir wissen, dass, wenn man ungefähr auf Vollzeit umrechnet – weil sich ja die Einkommensunterschiede nicht nur aufgrund der Teilzeitarbeit von Frauen ergeben –, selbst dann der Unterschied bei 18 Prozent liegt. Aber ich denke, weil das ein Prozess ist und weil das ein Bündel an Maßnahmen erfordert, jede Entwicklung, an der wir dann sehen, dass sich die Einkommensschere schließt, ist eine Entwicklung in die richtige Richtung. Das Problem in der Vergangenheit war, dass sie auseinander­gegangen ist. Mein Ziel ist – und das sehr seriös und ohne mich auf Zahlen festzu­legen –, eine Entwicklung dahin gehend herbeizuführen, dass die Einkommensschere sich wieder dreht und sozusagen zusammengeht. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 6. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Kampl, um die Verlesung.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister, Sie haben sich bei den Koalitionsverhandlungen sehr stark für den Wegfall der Zuverdienstgrenze eingesetzt. Der Koalitionspartner, Minister Molterer, ist dagegen. Meine Frage lautet daher:


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1543/M-BR/2007

„Werden Sie sich weiter für den Wegfall der Zuverdienstgrenze und damit für tat­sächliche Wahlfreiheit für Frauen einsetzen?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Diskussion der letzten Tage rund um die Zuverdienstgrenze hat ja gezeigt, wie problematisch das Ganze ist. Ich will jetzt gar nicht darüber reden, wer der Verursacher dieses gesamten Problems ist, aber es hat sich gezeigt, dass es ein derartig kompliziertes System ist, das dazu führte, dass es für junge Frauen – und in der Regel sind es Frauen, die Kindergeld bezogen haben, nämlich 97 Prozent davon sind Frauen – eigentlich keine Rechtssicherheit gegeben hat. Mein Ziel ist, in Zukunft für Regelungen zu sorgen, bei denen es eine klare Rechtssicherheit gibt, und daher habe ich den Vorschlag gemacht, die Zuverdienstgrenze zu streichen – allerdings nicht völlig ersatzlos, sondern ich bin auch da für mehr Wahlmöglichkeit.

Ich bin der Auffassung, wir könnten uns darauf einigen, dass man sagt: Kindergeld bezieht man dann, wenn man Kinder betreut, und Kinder betreut man dann, wenn man auch Zeit für sie hat. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder reduziert man sein Gehalt und hat die Zuverdienstgrenze, oder man hat durch die Arbeits­zeitreduktion eine Grenze. Ich denke, wenn wir uns darauf einigen könnten, zu sagen, wenn man bereit ist, die Arbeitszeit um 40 Prozent zu kürzen, um sich auch tatsächlich der Kinderbetreuung zu widmen, dann wäre das ein sehr unkompliziertes Verfahren und würde für Rechtssicherheit sorgen. Man braucht nur eine Arbeitszeitbestätigung des Arbeitgebers und würde sich, wie gesagt, diese Rechtsunsicherheit und den Pallawatsch, der da in den letzten Tagen entstanden ist, wahrlich ersparen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Frau Bun­desminister, ich kann das sehr gut nachvollziehen, aber meine zusätzliche Frage: Werden Sie sich für oder gegen eine rückwirkende Aufhebung der Zuverdienstgrenze einsetzen?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Frage, wie man das rückwirkend löst, was da entstanden ist, ist eine – wie ich mir denke nach all dem, was ich mir hier angehört und angesehen habe –, die man nie mehr ganz zur Zufriedenheit lösen wird – den Murks, der da entstanden ist. Mir geht es ab sofort um die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Zukunft ist mein Vorschlag, den ich mit meiner Kollegin auch diskutieren werde: den Eltern noch mehr Wahlmöglichkeit zu geben, mehr Flexibilität, was die Verweil­dauer bei der Kinderbetreuung betrifft, mehr Flexibilität, was auch die Grenzen des Bezugs betrifft; also entweder Zuverdienstgrenze, und die auch nicht so kompliziert wie in der Vergangenheit, sondern mit Rechtssicherheit, oder Arbeitszeitreduktionen. Ich glaube nämlich, die Familien wissen am besten, was für sie und ihre Kinder gut ist. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 23

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie betonen die Wahlfreiheit der Eltern, deshalb meine Zusatzfrage: Wie viele Kinder­betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren werden in den nächsten zwei Jahren geschaffen werden, damit sich die Eltern tatsächlich für eine kürzere Karenz ent­scheiden können?

 


Präsident Manfred Gruber: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Sie haben recht in zweierlei Hinsicht, nämlich: dass wir erstens jetzt schon ein massives Defizit an Betreuungsplätzen für unter dreijährige Kinder haben und es zweitens mit der Flexibilisierung des Kindergeldes noch notwendiger ist, den Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren zu forcieren. Österreich hat sich auf das Barcelona-Ziel geeinigt, darauf, dass es wichtig ist, bei den unter Dreijährigen eine Betreuungsquote von 33 Prozent zu erreichen. Wir liegen in Österreich derzeit bei 12 Prozent und sind somit wahrlich Schlusslicht.

Ich habe klar gesagt, mein Ziel ist es, in dieser Legislaturperiode auch tatsächlich 50 000 zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen, um Beruf und Familie vereinbar zu machen, aber ich habe in den letzten Wochen ein bisschen das Gefühl, es wird nicht darüber geredet, wie man das rasch umsetzen kann, sondern darüber, ob 50 000 die richtige Zahl ist. Daher möchte ich sagen, ich habe da einen sehr pragmatischen Zugang. Ich würde sagen, es liegt auf dem Tisch, dass es ein Defizit auch an Kinder­betreuungsplätzen, die mit Berufstätigkeit – nämlich nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität – vereinbar sind, gibt. Fangen wir einmal an, den Ausbau zu forcieren und voranzutreiben, und wenn wir dann bei 48 000 Betreuungsplätzen draufkommen, es sind genug, dann verzichte ich auf die zusätzlichen 2 000, die mein angepeiltes Ziel erfüllen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mosbacher, bitte.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesminister, können Sie sich eine noch weiter gehende Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes vorstellen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe dieses Kapitel in den Koalitionsverhandlungen verhandelt, und es ist kein Geheimnis, dass es sehr zähe Verhandlungen waren, bis es gelungen ist, diese eine Vereinbarung zu treffen, nämlich bei 18 Monaten Kindergeldbezug einen Betrag von 800 € zu bekommen. Ich habe in diesen Verhandlungen nicht den Eindruck gehabt, dass wir mit dem Regierungspartner hier noch mehr an Flexibilität erreichen können. Das ist, glaube ich, ein erster ganz wichtiger Schritt, aber man kann ja gescheiter werden, es können sich auch die Rahmenbedingungen und auch die Einstellungen ändern. Also wenn es mit dem Regierungspartner und Ministerin Kdolsky möglich ist, für die Familien noch mehr Möglichkeiten zu schaffen, dann würde ich mich darüber sehr freuen und das natürlich tatkräftig unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Jany, bitte.

 


Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, da das Kinderbetreuungsgeld ja nicht in Ihre Kompetenz, sondern in die der Familien­ministerin fällt, möchte ich eine Zusatzfrage Ihren Zuständigkeitsbereich betreffend stellen, bei der es auch um die Frauen, um die persönliche Freiheit und die Unver-


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 24

sehrtheit der Frauen geht: Welche Maßnahmen planen Sie im Bereich des Gewalt­schutzes?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Bundesrat, die Zuständigkeit, die Sie zu Beginn Ihrer Frage angesprochen haben, hätte in der alten Bundesregierung zugetroffen, wir haben aber seit 11. Jänner ein eigenständiges Frauenministerium mit Koordinierungsfunktion im Bundeskanzleramt, und daher werde ich mich beim Kindergeld sowie in allen anderen Bereichen auch in Zukunft einmischen; das ist auch so festgehalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Sie haben einen ganz wesentlichen Punkt angesprochen, nämlich die häusliche Gewalt. Wir haben heuer am Internationalen Frauentag diesen Themenschwerpunkt gesetzt, und wir werden in diesem Jahr gemeinsam mit dem Europarat auch mehrere Initiativen gegen häusliche Gewalt, gegen Gewalt an Frauen und an Kindern starten. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist – wir begehen heuer auch 10 Jahre Anti-Gewalt-Gesetze, die so wichtig sind; sie werden international von allen bewundert, und es gibt viele Nachahmer dessen, was wir an Pionierarbeit im Anti-Gewalt-Bereich geleistet haben –, mit der neuen Regierung eine extreme Erhöhung des Budgets für Hilfestellungen für Frauen und Kinder, die von Gewalt bedroht sind, zu erreichen. Wir haben bei den Interventionsstellen – und das mache ich gemeinsam mit dem Innen­minister, der in dieser Frage auch ein Verbündeter ist – 60 Prozent mehr Geld – eine Erhöhung wie sonst in keinem anderen Bereich – für Hilfestellungen für Frauen und Kinder, die von Gewalt bedroht sind, zur Verfügung.

Ich glaube, es ist ein Gebot der Stunde, dass wir null Toleranz gegenüber Gewalt in der Familie haben und das auch zum Ausdruck bringen und dann, wenn es passiert, auch ganz konkret Hilfe geben. Wir werden das, wie gesagt, mit einem Bündel an Maßnahmen und vor allem auch mit mehr finanziellen Mitteln tatsächlich forcieren.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Molzbichler, um die Verlesung der Frage.

 


Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesminister, meine Frage lautet:

1546/M-BR/2007

„Wird bis zum Beginn der Euro 2008 der Übertragungsstandard DVB-H (mobiles, digitales Fernsehen) bundesweit verfügbar sein?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Fußball – ein Mann stellt die Anfrage! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Herr Bundesrat, das ist ein wichtiger Punkt. Ich glaube, dass wir die Euro 2008 und den Wunsch, was den Übertragungsstandard DVB-H betrifft, die bundesweite Verfüg­barkeit, als Anschub verwenden können, um diesen Prozess, der mir sehr wesentlich zu sein scheint, zu beschleunigen. Seit einigen Wochen läuft im Übrigen ein Test­betrieb von DVB-H, vor allem was die technische Seite betrifft, aber auch – was wir immer berücksichtigen müssen – hinsichtlich Konsumentenschutz-, Jugendschutz­maßnahmen, die es im Zuge dieser technischen Möglichkeiten gibt. Und ich habe mit der Digitalen Plattform Austria, die ihre Generalversammlung abgehalten hat und die


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 25

auch den Gesetzgeber ersucht hat, vereinbart, dass die gesetzlichen Grundlagen für mobiles digitales Fernsehen in Österreich zu schaffen sind.

Ich habe damit sofort begonnen, die zuständige Sektion arbeitet bereits an der legistischen Umsetzung, damit das auch tatsächlich möglich ist. Ich gehe davon aus, dass wir noch vor dem Sommer die Grundlagen für eine Ausschreibung, um mobiles digitales Fernsehen bei der Euro 2008 zu ermöglichen, auch tatsächlich umsetzen. Ich halte das für eine wichtige Maßnahme. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Werden für die Einführung des DVB-H-Standards Mittel aus dem Digitalisierungsfonds verwendet?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Der Testbetrieb, der derzeit läuft, um das eben auch sicherzustellen, wird über den Digitali­sierungsfonds finanziert; es werden rund 1,2 Millionen in zwei Tranchen aus dem Digitalisierungsfonds ausbezahlt. Das heißt, die Antwort ist ja, es wird auch darüber finanziert. Wir müssen nur beim Digitalisierungsfonds natürlich immer darauf achten, dass diese Umstellungsprozesse zwar daraus gefördert werden können, aber der Betrieb und die damit zusammenhängenden Fragen aus europarechtlicher, wettbe­werbs­rechtlicher Sicht nicht daraus bedient werden können, weil auch die Kommission und das Europäische Parlament in Fragen von Beihilfen – eine immer vorhandene Diskussion –, auch was Förderung im medialen Bereich betrifft, darauf achten. Aber die Umstellung und der Probeversuch werden über den Digitalisierungsfonds gefördert.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Bader, bitte.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin, wann werden Sie Gespräche mit Experten und dem Koalitionspartner beginnen, um eine gesetzliche Voraussetzung für dieses DVB-H zu schaffen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe gesagt, dass diese Verhandlungen und Gespräche derzeit stattfinden. Es gibt laufend Gespräche darüber, wie sich dieser Ausschreibungsprozess tatsächlich gestalten muss und wie sich auch die Kosten ganz konkret gestalten. Es ist, wie gesagt, so, dass die Vorarbeiten getätigt sind und dass wir vor dem Sommer in die Ausschreibung gehen, um im Herbst dann tatsächlich die Entscheidung zu treffen. Also die von Ihnen erwähnten Gespräche finden schon statt.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, die Digitalisierung wird seit dem Jahr 2003 aus Mitteln der Gebührenabgabe aus Fernsehen und Radio mitfinanziert. Sehen Sie die Möglichkeit, dass dieses Modell auch dienlich sein könnte, künftig freie und nicht kommerzielle Radios in einer ähn­lichen Weise aus diesen Gebühren zu finanzieren, wie das etwa in Bayern, in Holland und in allen wichtigen Ländern der Fall ist?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 26

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Es wird sich in Zukunft überhaupt die Frage stellen – der Digitalisierungsfonds wird ja auch aus diesen Gebühren gespeist –, wie sich das entwickelt und wie hoch der Bedarf sein wird, der sich daraus überhaupt ergibt. Das heißt, nicht nur die Frage, wie man das Geld einnimmt, ist das Problem, sondern vor allem auch die Frage der Umstel­lungsphasen; man kann das dann womöglich auch auf die Frage des digitalisierten Radios erweitern.

Das heißt, ich glaube, das Entscheidende wird einmal sein, sich anzusehen: Wie entwickelt sich der Digitalisierungsfonds weiter, welcher Bedarf an Beihilfen im Zuge von Umstellungen wird sich in Zukunft skizzieren?, und daraus sind dann, glaube ich, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 8. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Himmer, um die Verlesung der Frage.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1541/M-BR/2007

„Welchen Zeitplan streben Sie an, um die Einrichtung einer unabhängigen Medien­behörde umzusetzen?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Wir haben uns im Regierungsübereinkommen darauf festgelegt, dass wir die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde anstreben, und zwar aus mehreren Gründen; im Übrigen deshalb, weil das mittlerweile europäischer Standard ist, wie Sie wissen, und weil es, wie sich auch im Zuge der weiteren Gespräche auf europäischer Ebene un­zweifelhaft zeigt, wichtig und sinnvoll ist, dass es die Unabhängigkeit von Regulatoren und Medienbehörden gibt.

Ich meine nur, dass es in Zeiten, in denen die jetzige Struktur der Medienbehörde vor großen Herausforderungen steht – Sie wissen, dass die KommAustria jüngst 21 Zulas­sungen neu ausgeschrieben hat; das ist abzuwickeln, das bedeutet nicht nur 21 Ver­wal­tungsverfahren, sondern mehrere Verfahrensparteien pro Einzelverfahren, das sind Tausende Seiten an Zulassungsmaterialien und -unterlagen, die zu bewältigen sind –, dass es in solch einer Situation, in der die derzeitigen Regulatoren vor so großen Herausforderungen stehen, grob fahrlässig wäre, das jetzt mit Zeitdruck zu machen. Ich glaube, es geht jetzt vorerst einmal darum, das seriös abzuwickeln, aber in Folge wird es wichtig sein – ohne mir da jetzt ein Zeitlimit setzen zu wollen –, sehr seriös an diese unabhängige Medienbehörde, an diese Umstrukturierung heranzugehen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Aber innerhalb dieser Legislatur­periode planen Sie das?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Alles, was im Regierungsübereinkommen bis zum Jahr 2010 steht, hat auf Punkt und Beistrich umgesetzt zu werden. – Ich sehe das als meinen Auftrag, ja.

 


Präsident Manfred Gruber: Zusatzfrage zur Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich habe nicht wirklich Auskunft über einen Zeitplan erhalten, aber eine Begründung dafür, dass es keinen Zeitplan gibt.

Eine andere Zusatzfrage: Frau Bundesministerin, Sie haben sich in den Medien für die Stärkung von Privatfunkanstalten ausgesprochen. – Welche konkreten Maßnahmen planen Sie hier?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich glaube, dass es in einer modernen Demokratie ganz wichtig ist, dass es eine pluralis­tische und vielfältige Medienlandschaft gibt, und daher halte ich sehr viel davon, dass es einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt – mit einem klaren Auftrag! – und dass es darüber hinaus aber auch eine Reihe von privaten Initiativen gibt, was meiner Auffassung nach durchaus die Frage betreffend Unterstützung in den Raum stellt.

Sagen muss man, dass sich im privaten Bereich natürlich immer wettbewerbsrechtliche Fragen stellen. Ich glaube, das, was man als zuständige Ministerin anbieten kann, ist: auf der einen Seite eben alle Maßnahmen zu verhindern, die wettbewerbshemmend oder wettbewerbsverzerrend sind. Bei allen sonstigen monetären oder finanziellen Zuwen­dungen stehen wir immer vor dem Problem der EU-Widrigkeit betreffend Beihilfen, aber es gibt ja – ohne monetäre Zuwendungen – eine Reihe von Maß­nahmen, die man treffen kann, um sozusagen Privaten auch den Betrieb zu erleich­tern. Ich glaube, dass wir das in diese Richtung andenken müssen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Konecny, bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Da sich diese Fragestunde zu einer allgemeinen Diskussion, gerade auch bei dieser Frage, entwickelt, darf ich weiter ausufern und Sie nach Ihren Überlegungen im Bereich der Presse- und Publizistik­förderung befragen.

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe im letzten Ministerrat die Evaluierung der Presseförderung präsentiert; wir haben das als Ministerratsvortrag auf dem Tisch gehabt. Aus dieser Evaluierung der Presse­förderung, die im Übrigen – was ich für sehr positiv finde – in enger Absprache und Koordinierung mit allen Betroffenen im Bereich des Journalismus, der Publizistik, auch der gewerkschaftlichen journalistischen Vertretung stattgefunden hat, gibt es eine Reihe von Vorschlägen der KommAustria, eine Reihe von Vorschlägen auch einer Umstellung der Publizistikförderung, und ich denke, dass wir jetzt, nachdem der Evaluierungsbericht auf dem Tisch liegt, die richtigen Schlussfolgerungen ziehen kön­nen. Auf jeden Fall, glaube ich, wird es eine Reihe von Ansatzpunkten geben, wo wir bei der Presseförderung Veränderungen vornehmen müssen, auch weil sich im Bereich der Medien etwas gewandelt hat. Ich bin nämlich der Ansicht, Gesetze sollen nicht der Realität hinterherhinken, sondern vielleicht ein Stück vorangehen, und daher wird es eine Reform der Presseförderung geben.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 28

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, da Ihnen ein genauer Zeitplan in Richtung Schaffung einer unabhängigen Medien­behörde nicht zu entlocken war, komme ich vielleicht zu einem anderen Thema und erlaube mir ebenfalls die Freiheit des Herrn Professors Konecny; ein Thema, das aber auch zu Ihrem Hauptressort zurückführt.

Die Medienlandschaft ist geprägt dadurch, dass Frauen in Medienbetrieben fast in keinen Entscheidungsetagen vorkommen, auch nicht in der Journalistik. In einem Bereich, es gibt den öffentlich-rechtlichen ORF, haben Sie Möglichkeiten als Frauen­ministerin: Wie werden Sie sicherstellen, dass im ORF Frauen künftig stärker in den Entscheidungsgremien verankert werden?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich denke, dass es ein Instrument gibt, an das man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erinnern kann, nämlich die Voraussetzungen dafür, dass dieser Gebühren einheben kann. Eine davon ist die Frage der Geschlechtergerechtigkeit, nicht nur was das Programm betrifft, sondern auch die Betriebsführung, die eine der vielen Voraus­setzungen ist, um öffentlich-rechtlich zu sein. Ich werde darauf pochen, dass das auch eingehalten wird. Die Entwicklungen der letzten Tage – ich glaube, darin sind wir einer Meinung – haben mir gezeigt, dass Maßnahmen notwendig sind. Es wird zunächst einmal ein Gespräch geführt werden, und wenn das nicht wirkt, muss man sich ansehen, wie stark man auf vorhandene Regelungen, auf Regelungen, die es gibt, nicht noch einmal deutlich aufmerksam macht. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Bundesministerin.

Damit ist die Fragestunde beendet.

10.00.20Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Manfred Gruber: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortungen 2277/AB bis 2289/AB verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

 


Präsident Manfred Gruber: Eingelangt ist der Bericht über die Tätigkeit der Volks­anwaltschaft im Jahr 2006, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde und bereits einen Gegenstand der heutigen Tages­ordnung bildet. (Beifall bei der SPÖ für die den Sitzungssaal verlassende Bundes­ministerin Bures.)

Ebenso eingelangt ist die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung 2007 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates, die dem Aus­schuss für Bildung und Wissenschaft zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 29

Ebenso bildet die Wahl von Ausschüssen einen Gegenstand der heutigen Tages­ordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Manfred Gruber: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 sowie 6 bis 8 jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Manfred Gruber: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdachtsmomente und Zustände rund um das „kleine Glücksspiel“, über verbotenes Glücksspiel sowie über mangelnde Aufklärung aufklärungswürdiger Umstände an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.03.111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (161/A und 62 d.B. sowie 7669/BR d.B.)

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich bitte um den Bericht.

 


10.03.26

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfall­wirtschaftsgesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher beschränke ich mich auf die Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön. – Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 30

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


10.04.19

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, die wir heute im Bundesrat diskutieren und die zur Beschlussfassung aufliegt, wurde durch einen gemeinsamen Vier-Parteien-Antrag im Nationalrat eingebracht und einstimmig beschlossen. Auch im Umweltausschuss des Bundesrates wurde der Antrag mit Stimmeneinhelligkeit verabschiedet. Es besteht weitgehend Einigkeit über das Importverbot von Asbestabfällen zum Zwecke der Beseitigung im Abfallwirtschaftsgesetz 2002.

Als vor Jahren deutlich wurde, dass sich der Umgang mit Asbest und die vielfältige Anwendung eines scheinbar bewährten Materials im Baugeschehen zu einem permanenten Gesundheitsgefährdungspotenzial entwickelt hatte, mochte wohl noch keiner ahnen, was an Rechtsvorschriften und Verordnungen zur Befriedigung der Sicher­heitsbedürfnisse formuliert und erlassen werden sollte.

An der einen Stelle wurden verstärkt fachlich qualifizierte, an der anderen nobel zurückhaltende Anforderungen an Mensch und Material gestellt, um dem Problem Asbest in unserem direkten Umfeld gefahrlos Herr zu werden.

Asbest ist als Werkstoff seit über 2000 Jahren bekannt und fand schon in der Antike seine Anwendung. Seinen Siegeszug erlebte Asbest in den siebziger Jahren und wurde in Industrie und Gewerbe, aber auch im Haushalt sehr häufig eingesetzt.

Aufgrund der eindeutig festgestellten Gesundheitsgefahren, die von Asbest ausgehen, ist der Einsatz heute in vielen Ländern verboten. Seit über einem Jahrzehnt hat sich Europa von der Asbestverwendung distanziert. Auch wenn die EU-Richtlinie erst am 1. Jänner 2005 vollständig in Kraft getreten ist, haben die meisten Mitgliedsländer bereits viel früher ein Verbot eingeführt. In Österreich wurde die Asbestverordnung bereits 1990 in Kraft gesetzt. Diese untersagt bis auf wenige Ausnahmen das Inverkehrsetzen asbesthältiger Gegenstände.

Zurückkommend auf das Abfallwirtschaftsgesetz und die Importe von Asbestabfällen: Angesichts von steigenden Importanträgen und beschränkten Deponiekapazitäten in Österreich ist ein Importverbot für Asbestabfälle und insbesondere Asbestzement zum Zweck der Beseitigung mehr als vordringlich und geboten. Es ist also nur logisch, dass von dieser Gesetzesänderung ab Juli 2007 auch bereits bestehende, nach EU-Recht erteilte Importbewilligungen erfasst werden.

Seit 2004 ist die Menge an importierten Asbestabfällen, insbesondere Asbestzement­abfällen kontinuierlich angestiegen. Seit Beginn des heurigen Jahres wurden beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Notifizierungsanträge betreffend den Import von 200 000 Tonnen Asbestzement gestellt.

Die EG-Verbringungsverordnung zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in die und aus der Europäischen Gemeinschaft räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit regulierender Maßnahmen ein. Diese ermöglicht uns, die Verbringung von Abfällen zur Beseitigung ganz oder teilweise zu verbieten, und Österreich macht Gebrauch davon.

Ich denke, dass wir darüber hinaus das Ziel haben sollten, mit unseren Abfällen anders umzugehen, dass wir sie nämlich nicht nur verwerten, sondern gleich vermeiden. Das heißt: Zuallererst muss die Vermeidung vor Wiederverwendung, vor Recycling, vor Verwertung und Beseitigung stehen, damit wir nicht von Mülllawinen erdrückt werden.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 31

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen für die bevorstehende gemeinsame Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Weiss.)

10.09


Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Diesner-Wais. – Bitte.

 


10.09.20

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Wenn wir heute die Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes beschließen und da speziell das Import­verbot von Asbestabfällen, so wissen wir, dass auch in Österreich in vielen Gebäuden Asbestbaumaterialien verwendet wurden. Aufgrund der Feststellung, dass Asbest krebserregend und gesundheitsschädlich ist, wurde es schon 1990 in Österreich verboten, und 2005 in Europa. Jedoch müssen wir bei Häusersanierungen immer noch feststellen, dass asbesthältige Materialien vorhanden sind, die jetzt ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Daher sind auch für uns in Österreich noch Deponieplätze für die heimischen Asbestmaterialien vonnöten.

In der Europäischen Union ist es grundsätzlich möglich, dass man Abfall von einem Land in ein anderes transferiert, wenn passende und notwendige Kapazitäten an Deponieplätzen vorhanden sind. Daher importierten wir in den vergangenen Jahren aus Italien bereits Asbestzement, da Italien selbst keine Anlagen zur Entsorgung hat. Jedoch erhöhten sich die Mengen von 2004 mit zirka 2 000 Tonnen bis 2006 auf 186 000 Tonnen. Heuer wurden Notifizierungsanträge betreffend den Import von zirka 200 000 Tonnen gestellt.

Es ist, glaube ich, vonnöten, dass wir regulierende Maßnahmen treffen, das Import­verbot für Asbestabfälle ist daher höchst notwendig. Gerade bei Abfällen sollen natürlich lange Transportwege vermieden werden, denn es soll nicht noch eine CO2-Belastung durch den Transport entstehen. Auch eine Belästigung durch Lärm, Staub und Abgase ist nicht wirklich ideal.

Aus diesem Grund müssen unsere obersten Bemühungen dahin gehend sein, dass wir Abfall gar nicht erst erzeugen, sondern dass wir ihn vermeiden. Das ist einfach die umweltgerechteste und auch die kostengünstigste Form. Die zweite Möglichkeit heißt: Trennen, Recycling. Natürlich ist es auch wichtig, verstärkt wieder den Einsatz von Pfandsystemen herbeizuführen. Grundsatz soll aber sein, so weit wie möglich die Abfälle dort zu entsorgen und zu deponieren, wo sie auch produziert werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Durch die Gesetzesänderung des Abfallwirt­schaftsgesetzes mit dem generellen Importverbot von Asbestabfällen ist eine wichtige Sache für Österreich geschaffen worden, damit auch künftig Deponieplätze für den heimischen Abfall vorhanden sind. Es wurde auch dem Klimaschutz ein klein wenig Rechnung getragen, da einige Transportwege vermieden wurden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.12


Präsident Manfred Gruber: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.12.33

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden dieser Gesetzesänderung natürlich gerne zustimmen. Dass Asbest gefährlich ist, das ist schon seit Jahrzehnten bekannt, er ist auch inzwischen verboten. Es gibt auch


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bestimmte Auflagen für die Arbeit mit Asbest. Dass auch Asbestzement gefährlich ist, nämlich dann, wenn er abgebaut wird, wenn er zerstört wird, wenn er zerlegt wird, ist ebenfalls bekannt, denn immerhin wird auch dann Asbest freigesetzt. Und es ist außerdem bekannt, dass Müllimporte aufregen.

Die Müllimporte regen auf der einen Seite auf, weil wir selbst die Deponieflächen brauchen, und auf der anderen Seite auch wegen des anfallenden LKW-Verkehrs, wie schon erwähnt worden ist. Deshalb kennt auch die EU das Prinzip der Nähe und den Grundsatz der Entsorgungsautarkie. Dass wir jetzt davon Gebrauch machen, das finde ich sehr positiv. Ich hätte mir nur gewünscht, dass es schon ein bisschen früher gegangen wäre. Ich möchte trotzdem noch ein bisschen auf die Hintergründe eingehen.

Im Oktober sind in Niederösterreich die ersten Zeitungsmeldungen aufgetaucht: Mark­graf­neusiedl 9 000 Tonnen Asbestzement-Importe. Es gab dann eine Anfrageserie von den Grünen, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Acht Wochen später – es dauert immer acht Wochen – gab es auf Bundesebene die Antwort, dass die Importe genehmigt werden mussten, weil das Land bescheinigt hat, dass genug freie Deponieflächen vorhanden sind. In dieser Aufteilung der Verantwortung für das Thema Müll sehe ich nach wie vor ein Problem.

In der Anfragebeantwortung ist auch gestanden, dass in den letzten fünf Jahren 35 000 Tonnen Asbestzementabfälle importiert worden sind. Im Ausschuss habe ich dann erfahren, im Jahr 2004 waren es nur 2 000 Tonnen und, wie wir jetzt gehört haben, im Jahr 2006 waren es schon fast 300 000 Tonnen. Diese ansteigenden Importansuchen sind offenbar erst ein bisschen spät, oder nicht sofort, aufgefallen.

In erster Linie betrifft das Importe aus Italien. Ich habe im Ausschuss auch nachgefragt, warum Italien so viel Asbestzement exportieren möchte. Die Antwort war, wie auch schon in der Anfrage, es gibt zu wenige Deponieflächen in Italien. Ich habe dann einen „Kurier“-Artikel entdeckt, den Sie sicher auch gesehen haben, in dem steht, dass ein Bericht im Februar über geplante Importe von 520 000 Tonnen Asbestzement im Jahr 2007 auch für Aufruhr in Italien gesorgt hat. Und der Chef des Umweltschutz­verbandes Associazione Ambiente e Lavoro, Rino Pavanello, hat gesagt, er hebt hervor, dass in Italien strenge Vorschriften für die Entsorgung von Schutt mit Asbest gelten. Die Asbestentsorgung werde in Italien streng und seriös geregelt.

Ich denke, wenn man das liest, dann überlegt man sich, warum die Italiener so viel exportieren. Vielleicht liegt es auch an den Kosten für diese aufwendige und strenge Entsorgungsvorschrift in Italien. Und dann stellt man sich nachträglich noch die Frage: Wie wird denn der Asbestzement in Österreich entsorgt?

Auch darauf haben wir im November in der Anfrage hingewiesen. In der Schweiz gab es nämlich diesen Importstopp schon im Oktober. Im Oktober hat der Schweizer Bun­desrat beschlossen, dass Asbestzemente aus Italien nicht mehr importiert werden dürfen. Und in den Zeitungsberichten dazu ist ebenfalls erwähnt worden, Italien habe so strenge Vorschriften, in der Schweiz seien sie weniger streng, und wegen der hohen Kosten exportieren die Italiener lieber, als dass sie sich selbst Deponieflächen organi­sieren.

Wir haben auch angefragt, ob in Österreich auch so ein Importstopp vorgesehen sein oder erlassen werden könnte. Im November haben wir das angefragt, dazu gab es noch die Anfragebeantwortung:

„Es bestehen derzeit keine Regelungen gemäß Artikel 4 Abs. 3 Verbringungs­ver­ordnung, die es ermöglichen, den Import von Asbestzementplatten zu verhindern bzw.


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kann die Erteilung von Importgenehmigungen nicht eingestellt werden, wenn bei Vorliegen aller Genehmigungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht.“

Sprich: Im November war die Antwort noch, es ist leider nicht möglich, dass man diesen Importstopp verhängt. – Es freut mich, dass es jetzt doch möglich ist und dass laut Bericht des Umweltausschusses genau diese Verbringungsverordnung, die das vorher angeblich nicht ermöglicht hat, es jetzt doch ermöglicht. Manchmal müssen Dinge eben ein bisschen länger sickern. Manchmal explodieren sie, wie in diesem Fall, weil eben im Februar plötzlich 520 000 Tonnen importiert werden sollten. Das hat dann auch das Umweltministerium aufgeweckt.

Aber ich möchte noch einmal kurz auf die Frage zurückkommen, wie Österreich diesen Müll entsorgt. Bis zum 31. Dezember 2006 war Asbestzement einfach Baurestmasse. Seit 1. Jänner 2007 ist das gefährlicher Abfall. In der Anfragebeantwortung wurde vom Bundesministerium auch netterweise angeführt, welche Auflagen bei der Deponierung von Asbestzement in Markgrafneusiedl einzuhalten sind. Das ist eine sehr lange Liste: Das Material muss mit Erde abgedeckt und regelmäßig begossen werden. Es muss abschließend eine Abdeckung mit bindigem Material aufgebracht werden und so weiter und so fort.

Das klingt alles sehr aufwendig. Es ist auch unbedingt notwendig, dass es so auf­wendig gehandhabt wird, denn wenn diese Eternitplatten zerstört werden, kann Asbest freigesetzt werden, und das ist eine Altlast, mit der wir später viel kämpfen müssten. Und das Problem ist, die Frage stellt sich dann in dem Moment, in dem die Probleme mit diesen alten Eternitplatten auf irgendeiner Deponie auftauchen, ob es dann den Deponiebetreiber, der die Deponie jetzt betreibt, noch gibt und ob er dann noch verantwortlich zu machen ist, wenn Probleme auftauchen. Ich denke, hier strenge Auflagen zu verhängen ist wirklich notwendig, damit derjenige dafür zahlt, der durch diese Importe auch daran verdient hat.

Ich möchte Ihnen aber jetzt noch – ich glaube, Sie haben sie schon bekommen – ein paar Fotos zeigen (die Rednerin überreicht Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll einige Fotos), Fotos nicht von mir, sondern von der Deponie in Tattendorf. Eines davon ist ein Zeitungsfoto, es ist recht nett: Da steht der Herr Bürgermeister auf einer großen Palette mit Asbestzement, der angeblich so toll verpackt und so toll deponiert ist. Nur: Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Verpackung ziemlich löchrig ist, und man soll vielleicht genauer kontrollieren, ob das jetzt wirklich begossen wird und so deponiert ist, wie man glaubt.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Ist das Ganze eine Anlassgesetzgebung? – Es hat den Anlass gegeben, dass 520 000 Tonnen irgendwie so im Raum standen, und plötzlich ist man draufgekommen, man verhängt doch ein Importverbot. Ich finde es auch sehr positiv, dass wir das jetzt verhängen, und in diesem Falle bin ich auch dafür.

Ich denke aber, dass man diesen Anlass auch dazu hernehmen sollte, weitere Gedanken zu spinnen und weiterzudenken, nämlich indem man zum Beispiel ver­gleicht, wie denn diese Entsorgungsvorschriften in den verschiedenen EU-Ländern sind, wie teuer die Asbestzemententsorgung beispielsweise in Italien, in Österreich und Deutschland ist und ob nicht diese Kosten zum Teil auch für Exporte und Importe verantwortlich sind.

Des Weiteren möchte ich noch anregen, die neue Deponieverordnung weiter anzu­denken, die ja derzeit meines Wissens noch sehr stark in Diskussion ist, wo es gerade von der Wirtschaftskammer sehr viele Einwendungen gibt, es wäre alles so kompliziert und so viel zu überprüfen. Und ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Das stimmt, man muss lange darüber nach­denken, aber es ist auch so, dass Dinge, die jetzt deponiert werden und vielleicht


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 34

später Probleme machen, dann letztendlich dem Staat als Kosten anfallen und nicht demjenigen, der vorher die Deponie ... (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Na ja, nicht immer! Es gibt in Niederösterreich genug Altlasten, wo nicht mehr der Verursacher dafür bezahlen muss.

Ein weiterer Punkt, den ich in diesem Bezug auch noch anschneiden möchte, sind allgemein neue Werkstoffe. Eternit war in den siebziger Jahren der Baustoff, weil er feuersicher und alles Mögliche ist. Dass er aber in der Folge Probleme macht, darauf sind wir erst viel später gekommen, und diese Probleme haben wir jetzt.

Die Entwicklung neuer Werkstoffe geht sehr rasant vor sich, und es ist deshalb besonders wichtig, bei der Entwicklung dieser neuen Werkstoffe immer daran zu denken, wie das dann ausschaut, wenn diese einmal zu entsorgen sind, und ob diese segensreichen neuen Werkstoffe von heute nicht die Altlasten von morgen sind.

Abschließend mein allerletztes Anliegen: Wenn Sie es dann noch schaffen, dass eine geteilte Zuständigkeit wie diese, nämlich Bund, Land, zum Teil BH beziehungsweise Gemeinden, als gemeinsame Verantwortung gesehen wird und nicht als Möglichkeit, die Bürger von Pontius zu Pilatus zu schicken, dann würde ich Ihnen sogar applaudieren. (Beifall bei den Grünen.)

10.22


Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.

 


10.22.23

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Bundesrat! Ich kann es relativ kurz machen. Es ist ein wichtiges Thema, aber da Allparteieneinigkeit herrscht, dass es notwendig ist, in der Frage Asbestimport gemeinsam vorzugehen, möchte ich nur ein paar Eckpunkte skizzieren, die auch zum Teil schon angeführt wurden: Warum, warum jetzt, und wie schaut es eigentlich mit der weiteren Vorgangsweise in der Frage gefährlicher Abfall, im Besonderen Asbest, aus?

Wenn man sich die Datenverläufe der letzten Jahre anschaut, so liegt klar auf der Hand, dass wir erst heuer, in den ersten Monaten des Jahres 2007 ein substanzielles Problem bekommen haben, vor allem mit den eingereichten Asbestzementimporten aus Italien. Die Vergleichszahlen: 2004: 2 000 Tonnen; 2005: 46 000 Tonnen; 2006: 180 000 Tonnen; und heuer sind bereits bis jetzt 200 000 Tonnen – mit einer weitaus größeren Perspektive – eingereicht.

Wir sollten auch nicht so tun, als ob die Deponiebetreiber nicht in einem Regelwerk drinnen waren und sind, wo alles legal gelaufen ist und legal läuft, aber wir haben jetzt die politische Notbremse gezogen, um diese ausufernden Mengen in den Griff zu bekommen. Ich möchte hier auch nicht die Italiener beschuldigen, überhaupt nicht, sondern das ist legitim, dass sich ein Land wie Italien, das zugegebenermaßen in der Frage der Entsorgung von Asbest sehr strenge Vorschriften hat, aber zu wenig Deponie­fläche hat – im Konkreten drei Deponien, die geeignet sind, um diese ent­sorgten Asbestabfälle zu deponieren –, natürlich auf den Exportmärkten umsieht und entsprechend exportieren will.

Es gab und gibt in Österreich Deponien, wo aus der Sorgfaltspflicht heraus alle Vor­schriften zu erfüllen sind, von der Deponierung bis zur begleitenden Kontrolle, und die diese Auflagen auch erfüllen können.

Der Grund, warum wir gehandelt haben, ist zum Ersten die Menge, und zum Zweiten, weil wir in Österreich in der Abfallwirtschaft ein Prinzip verfolgen, das da heißt: Entsorgungssicherheit für das, was in Österreich selbst anfällt. Und wir können es nicht


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zulassen, dass die Deponiemassen und Raumflächen, die zur Verfügung stehen, vor allem durch ausländische Ware aufgefüllt werden. Unsere Entsorgungssicherheit steht im Vordergrund, und es ist jetzt an der Zeit, gemeinsam zu handeln, und das tun wir mit dem heutigen Beschluss hier im Bundesrat und auch mit dem Beschluss im Nationalrat: Wir ziehen im Abfallwirtschaftsgesetz die Notbremse und verbieten damit den Import, konkret auch aus Italien, von asbesthältigen Stoffen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Eines noch zur Abrundung, um das Bild zu ergänzen: Müllmanagement in Europa ist eines, das über Grenzen gesehen werden muss. Es gibt Mülltransport; das Prinzip der Nähe gilt auch, aber wir müssen sehen, dass über die Staatsgrenzen hinweg Transfers notwendig sind. Auch Österreich exportiert, was die Verbringung von gefährlichen Abfällen betrifft, wesentlich mehr ins Ausland, als es importiert. Warum? – Weil manche Länder sich auf gewisse Deponieformen spezialisiert haben, weshalb dieser Warentransfer notwendig ist. 2006 haben wir 330 000 Tonnen exportiert und nur 150 000 Tonnen importiert. Wir sollten also nicht so tun, als ob nicht auch Österreich darauf angewiesen wäre, Spezialisten und Spezialdeponien, aus welchen Gründen auch immer, in anderen Ländern zu beanspruchen, um seine gefährlichen Abfälle zu entsorgen.

Das Prinzip der Nähe gilt, auch aus Umweltschutzgründen, aus verkehrstechnischen Gründen, aus Klimaschutzgründen, aber wir müssen hier immer das Gesamte im Auge haben, und es war klug und richtig, jetzt zu handeln. Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen, weil im Jahr 2007, erst in den letzten Wochen in Wahrheit, die Mengen so aus dem Ruder gelaufen sind. Und es zeugt auch von der Handlungsfähigkeit der Politik, dass so schnell gehandelt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

10.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


10.26.38

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Von uns allen wurde festgestellt, dass Müll sehr interessant geworden ist für die Geschäftemacher. Kreuz und quer wird Müll durch Europa transportiert. Wenn man die 200 000 Tonnen in Lkw-Fuhren umrechnet, dann ist der Müll praktisch Tag und Nacht unterwegs. Daher ist es notwendig, dass wir ein neues Gesetz machen, Herr Bundesminister. Vielleicht ist es schon höchste Zeit, aber wichtig ist, dass wir endlich dazu kommen.

Wenn wir das in Österreich machen, dann muss es uns gelingen, international, und zwar in allen europäischen Staaten gemeinsam, entsprechende Deponieflächen zu schaffen, dass auch die Nachwelt – denn letzten Endes tragen wir dafür die Verant­wortung –, unsere Kinder und unsere Kindeskinder und hoffentlich noch viele Gene­rationen noch eine intakte Umwelt und Lebenswelt haben.

Und da sehe ich eine große Problematik, nämlich insofern, dass wir diesbezüglich zu wenig tun, wiewohl ich weiß, dass Sie sich bemühen, Herr Bundesminister. Auch der ORF zeigt das ja wunderbar auf, wohin die ganze Entwicklung geht, in allen Bereichen, vom Lebensmittelbereich angefangen bis zu dem, was wir täglich wegwerfen und wohin wir Baumaterial, verbotene Stoffe und so weiter entsorgen.

Alles das, Herr Bundesminister, macht uns große Sorgen. Es wird gesagt, es wird irgendwo gelagert, und wenn es nicht mehr geht, dann setzen wir ein paar Millionen ein und säubern diese Mülldeponie wieder. So läuft es ab. Ein bisschen davon finanzieren


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 36

die Gemeinden, natürlich wird auch das Land herangezogen. Daher ist diese Geset­zes­änderung mehr als notwendig.

Nur, sehr geehrter Herr Bundesminister, etwas, was uns allen Sorgen macht, ist das AKW Temelίn. Es gibt einen Melker Vertrag, und wir wissen, dass es bereits hundert Störfälle gibt. Wir wollen ja mit den Nachbarn letzten Endes eine gutnachbarschaftliche Beziehung haben, aber so kann es ja nicht sein, denn eine gute nachbarschaftliche Beziehung erfordert auch Verantwortung, von beiden Seiten. Herr Bundesminister, da möchte ich Sie bitten, dass Sie da schon mehr auf diese Vertragstreue hinweisen und die Nachbarn zwingen, doch endlich klare Verhältnisse in dieser Frage zu schaffen. Wir werden das brauchen. Die Bevölkerung ist nämlich sehr in Unruhe.

Es gibt auch noch ein zweites Atomkraftwerk, das sich in der Nähe von Kärnten befindet, und zwar auf einer Erdbebenzone. Stellen Sie sich vor, wenn da etwas passiert! Man weiß, in der Ukraine hat man in einem Umkreis von bis zu 200 Kilometern die Menschen absiedeln müssen. Wenn in diesem AKW etwas passiert, Herr Bundesminister, dann müssen wir 50 Prozent in Österreich evakuieren, aus­siedeln und so weiter. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Herr Bundesminister! Als in der Ukraine die große Katastrophe war, durften wir keine Milch liefern, durften wir ein Jahr lang kein Wild verkaufen. Man hat ja gesehen, welche Folgen das sogar noch in Österreich gehabt hat, über tausend Kilometer entfernt!

Herr Bundesminister! Daher werden wir Österreicher da härter sein müssen. Ich würde Sie bitten, dass Sie in dieser Frage konsequent sind. Sie sind ja sonst auch sehr konsequent. Vielleicht sind Sie doch noch ein bisschen mutiger und zeitgemäßer und versuchen, die Nachbarn zum Einlenken zu bewegen und ihnen zu sagen: Liebe Freunde, so kann es nicht gehen! Sie wollen ja auch immer etwas von Österreich. Miteinander findet man schon einen Weg. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

10.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Giefing.

 


10.31.16

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Kollegin von der grünen Fraktion hat das Wort schon ausgesprochen: Anlassgesetzgebung. Ich möchte das aus meiner Sicht durchaus bestätigen.

Außerdem hat Frau Kollegin Diesner-Wais gemeint, dass man in dem Land deponieren sollte, wo diese Produkte erzeugt werden. – Da hätten wir in Wirklichkeit schon ein Problem, denn der Herr Minister hat vorhin schon gesagt, dass wir mehr exportieren, als wir importieren.

Ich glaube, dass wir in dieser Angelegenheit das Pferd vielleicht ein bisschen von hinten aufzäumen: Wir erzeugen etwas, in der Folge kommen wir darauf, dass das giftig ist, dass Menschen dadurch sterben, an Lungenkrebs sterben, und dann über­legen wir uns, wo wir das Ganze deponieren. Stellen wir uns doch einmal die Hauptfrage, ob wir solche Produkte überhaupt erzeugen müssen, ob wir nicht auf andere Alternativen umstellen könnten. Ich weiß, das geht natürlich nicht von heute auf morgen, das ist mir schon bewusst, aber man sollte sich in erster Linie mit diesen Ideen, Gedanken beschäftigen.

In diesem vorliegenden Gesetzentwurf geht es vordergründig um ein Importverbot von Asbestabfällen und Asbestzementabfällen nach Österreich. Man sieht ja, wie sich die Zeiten ändern: In den siebziger Jahren haben wir noch sehr stolz in Österreich gesagt, es ist ein Wundermittel erfunden worden. Da es einige Bürgermeister in unseren Reihen gibt: Wie viele Abwasserkanäle haben wir denn in Österreich mit diesem


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 37

Material errichtet? Und auch vor der Errichtung von Abwasserkanälen waren die Wasserleitungsrohre aus demselben Material. Das heißt, wir waren stolz, haben Asbest als Supermaterial angesehen, und jetzt müssen wir erkennen, dass das Ganze krebserregend ist und schon viele Leute daran gestorben sind.

Ich erinnere mich, auch in meiner Gemeinde hat man Asbestzementrohre als Abwas­serkanalrohre verlegt, und die Leute haben das damals mit der Flex geschnitten. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Leider ist man erst spät drauf­gekommen.

Österreich hat das 1990 verboten, die EU im gesamten EU-Raum 2005. Im November vorigen Jahres gab es einen medialen Aufschrei im Zusammenhang mit der Deponierung von Asbestzement in Markgrafneusiedl. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich dort gewehrt, was durchaus legitim ist und, wie wir heute sehen, durchaus notwendig war.

Ich erinnere mich allerdings auch, zwar nicht gerne, an die Aussagen der Deponie­betreiber zur damaligen Zeit. Es war alles rechtlich genehmigt von den behördlichen Stellen, aber die Deponiebetreiber haben behauptet, das ist eh gebunden, nicht gefährlich und so weiter. Und dann hat man ja auf Fotos gesehen, wie das ausgesehen hat: zerstückelte oder zerrissene Ummantelungen.

Nachgewiesen ist heute, dass diese Asbestfasern Lungenkrebs auslösen können, und ich glaube daher, dass wir unbedingt für ein generelles Importverbot eintreten sollten. Auch gibt uns die Europäische Union jetzt die Möglichkeit, diese gesetzliche Maß­nahme zu ergreifen. Wir müssen daher diesem Import einen Riegel vorschieben.

Ich möchte zum Abschluss jedoch nicht darauf vergessen, noch auf zwei Dinge hinzu­weisen:

Erstens: Nach den Zahlen des Umweltministeriums ist Österreich eher ein Exportland als ein Importland. Wir sollten daher mit dem Handel und mit der Industrie darüber nachdenken, wie wir die Erzeugung gefährlicher Stoffe vermeiden können, und uns nicht in erster Linie, wie diese Gesetzesvorlage heute zeigt, den Kopf darüber zer­brechen, wie wir diese Erzeugnisse ungefährlich entsorgen können.

Zweitens: Im Umweltministerium liegen für heuer Anträge, hat vorhin der Minister festgestellt, auf Import von 200 000 Tonnen Asbestzement vor. Man denke nur daran, wie viele LKWs da eingesetzt werden müssen, um diesen Asbestzement in Österreich zu transportieren: Das sind rund 10 000 LKWs, die durch unser Land rollen und wieder Abgase und Staub erzeugen! Ich denke, auch im Zusammenhang mit Klimaschutz und CO2-Reduktion ist das ein wichtiges Thema, das man sich überlegen sollte.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz natürlich gerne zustimmen, der Bevölkerung zuliebe und unserem Land zuliebe. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


10.36.32

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Vorredner in der heutigen Debatte haben schon eindrucksvoll begründet, warum wir hier, glaube ich, einstimmig für diesen Gesetzesantrag sind. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, wie es der Herr Minister schon ausgeführt hat, dass das keine Einbahnstraße ist, sondern Österreich als Müllexporteur auch davon betroffen ist. Und ich denke darüber nach, wenn das jedes Land, jeder Mitgliedstaat in der Europäischen Union beschließt, was


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 38

dann die Folge sein wird. Wir werden den Müll dann noch weiter transportieren, in Drittländer, vielleicht in Überseeländer und damit die ganze Transportproblematik beziehungsweise die Umweltbelastung weiter fortschreiben.

Ich glaube, ein Lösungsansatz kann nur sein, dass wir innerhalb der Europäischen Union Regelungen finden, die festlegen, wo es diese Deponieklassen gibt, die den entsprechenden Müll aufnehmen können.

Herr Kollege Giefing! Wir haben in Österreich nun einmal eine Zementindustrie, und ich glaube, wir sind großteils froh, dass wir den nötigen Rohstoff für die Bauwirtschaft haben – und bei der Erzeugung von Zement fällt eben Asbest als Müll an, daher müssen wir uns technologisch damit beschäftigen, wo wir diesen sicherlich – da sind wir, glaube ich, alle einer Meinung – gefährlichen Müll deponieren können.

Es wird wahrscheinlich ein Wunschdenken bleiben, dass wir in Österreich nur den so genannten – unter Anführungszeichen – „positiven“, nicht gefährlichen Müll deponieren können und unseren gefährlicheren Müll exportieren, und die anderen Länder machen das auch so. Das wird sich in Zukunft so nicht ausgehen. Wir müssen da in Zukunft eine vernünftige, wirtschaftliche Grundlösung, auch die Kosten betreffend, finden. Aber auch ich bin froh, dass dieses Verbot hier heute beschlossen wird, und denke, das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

10.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Breiner. – Bitte.

 


10.38.48

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Über die grundsätzliche Beurteilung von Asbestexport und -import ist hier genug gesprochen worden. Um vielleicht die Größenordnungen etwas klarer zu machen: 200 000 Tonnen, das würde heißen, ein Fußballfeld 15 Meter hoch zuzuschütten, oder, wie der Kollege schon sagte, 10 000 LKW-Ladungen. Also es ist eine doch große Menge.

Ich habe mich erkundigt, in Oberösterreich gibt es vier Deponien, die leicht kon­taminierte Asbestabfälle aufnehmen können. Der Großteil dieser Asbestplatten fällt da darunter. Aber es gibt einen geringen Teil, der schwer belastet ist, und da bestehen in Österreich nur ganz wenige Deponien, die diesen Müll aufnehmen können. Daher gibt es klarerweise ganz eng gesteckte Ressourcen in der Kapazität der Deponien.

Asbest und Asbestzement sind natürlich eng mit dem Bezirk verbunden, aus dem ich komme, mit Vöcklabruck, ist dort doch die Firma beheimatet, die hauptsächlich diese Asbestplatten produziert hat. Die Firma hat sich ursprünglich als sehr sozial erwiesen und hat in Vöcklabruck ein Krankenhaus errichtet. Man kann sich vorstellen: Als das Krankenhaus dann ausgebaut und der Neubau errichtet wurde, wurde dort durchaus großzügig Eternit verwendet. Dieses Krankenhaus gibt es nicht mehr: Es wurde voriges Jahr gesprengt und unter einem immensen Aufwand zur Sprengung vor­bereitet. Man muss sich vorstellen, dass ein Haus mit einer Kubatur von 100 000 m³ luftdicht eingehüllt wurde. Im Haus wurde Unterdruck erzeugt, und dieses Haus war dann nur mehr durch Schleusen begehbar, und zwar von Menschen, die Spezial­anzüge trugen, die Atemgeräte trugen. Die haben dann die Entsorgung dort vorge­nommen. Das ganze Entsorgungsmaterial wurde luftdicht verpackt und dann der Ent­sorgung in Niederösterreich zugeführt, ein Teil davon wurde auch in Oberösterreich entsorgt, wie gesagt, je nach Kontamination, wobei im ganzen Krankenhaus Vöckla­bruck 200 Tonnen asbesthältiges Material angefallen sind. Etwa 25 Tonnen waren schwer kontaminiert, der Rest leicht.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 39

Zu diesem Vorgang wurde vom Land Oberösterreich eine Person zur Beaufsichtigung abgestellt, die alle diese Vorgänge protokolliert hat, mitverfolgt hat, überprüft hat.

Die Gefährlichkeit von Asbest ist uns in Vöcklabruck im Besonderen bewusst, gibt es doch dort viele Menschen, die klarerweise mit diesem Werkstoff arbeiteten und, Gott sei Dank, jetzt anerkannt bekommen haben, dass Asbestose eine Berufskrankheit ist. Hervorgerufen wird Asbestose durch Asbestfasern. Kleinste Bruchteile dieser Fasern können bewirken, dass Asbestose auftritt, und zwar zirka 30 Jahre, nachdem man damit zu tun hatte. Es ist oft gar nicht mehr tatsächlich feststellbar, wie man sich diese Krankheit geholt hat.

Sie können sich vorstellen, dass die Bevölkerung in Vöcklabruck darauf bedacht war, dass dieser Abriss wirklich sorgsam durchgeführt wurde. Wesentlich ist auch noch, dass bei all diesen Transporten die Transportkette nachgewiesen werden kann, dass man weiß, wo das hinkommt. Bei Krankenhäusern ist das ja leicht, aber ich denke hier auch an Einfamilienhäuser, die in unserer Gegend oft mit Eternit gedeckt sind, deren Wetterseite mit Eternit getäfelt ist, wo Rohre aus Eternit verwendet wurden. Wo kommt das hin, wenn abgerissen wird? Kann man die Deponierung nachvollziehen? Oder geschieht das öffentlich unter Gefährdung der weiteren Umgebung? Denn es reicht dann oft ein Sturm oder auch nur ein Wind aus, um diese Fasern weit zu tragen und Kinder zu schädigen, die dann mit 40 Jahren Lungenkrebs haben – und keiner weiß dann mehr, woher das kommt. Wir gefährden also damit massiv unsere Umwelt.

Daher trete ich für besonders kurze Fahrtwege ein – denn jeder Transport stellt eine Gefährdung an und für sich dar – und für eine überprüfbare Entsorgung all dieser gefährlichen Abfälle. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


10.45.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die vorliegende Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes ist bereits ausreichend diskutiert worden. Wir stoppen damit diesen Abfalltourismus und die Hereinbringung von asbesthaltigen Stoffen verschiedenster Stufen nach Österreich.

Nun zum Kollegen Kampl noch einen Satz, weil er hier offensichtlich gemeint hat, dass das Ministerium oder der Minister zu wenig rasch reagiert habe oder zu wenig tue: Genau das ist der Anlass, und diese Anlassgesetzgebung muss einfach sein, weil wir diese Importe nach Österreich stoppen, lieber Herr Kollege. Und Sie haben ja schon kurz erwähnt, was das an LKW-Fuhren bedeuten würde. Dass das eine Umwelt­belastung der Superlative ist, das muss man, glaube ich, nicht gesondert erwähnen. (Bundesrat Ing. Kampl: Ich habe das positiv erwähnt!) Sie haben positiv gesagt, Herr Kollege, dass der Herr Minister konsequent und mutig ist. Das kann ich vollinhaltlich bestätigen: mutig und konsequent zu jeder Zeit! (Bundesrat Ing. Kampl: Zu wenig mutig! Bei AKW zu wenig! Bei anderem schon mutig, aber da nicht!) Mutig und konsequent zu jeder Zeit ist unser Herr Minister, lieber Herr Kollege, und genau darum geht es.

Wir haben heute ausreichend darüber diskutiert, aber ich möchte aus Vorarlberger Sicht etwas ergänzend anmerken. Wir werden diesem Gesetz, weil es notwendig und wichtig ist, selbstverständlich unsere Zustimmung geben. Der Grund, warum ich mich hier zu Wort gemeldet habe, ist aus Vorarlberger Sicht doch ein anderer: Es liegt eine weit größere Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes zur Begutachtung vor, die für uns


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Vorarlberger ein weit größeres Problem oder, wenn man so sagen will, einen größeren Abfallbrocken darstellt. Hier geht es insbesondere um die derzeit noch vorgesehenen Ausnahmen von Vorschriften für die Deponieverordnung, in reinen Bodenaushub­deponien zum Beispiel mit einem Gesamtvolumen von unter 100 000 m³. – Wir ver­fügen also nicht in dem Maße über brachliegende Flächen wie andere große Bun­desländer, wo derartige Deponien geführt und sozusagen in die Landschaft gesetzt werden können. Unsere Bodenflächen brauchen wir für die bäuerliche Landwirtschaft, als Siedlungsräume für die Ländle-Bewohner, und die Berghänge, wo noch Platz wäre, brauchen wir natürlich zum Skifahren und zum Wandern.

Aber wir benötigen selbstverständlich auch entsprechende Deponien für unsere Bau­wirtschaft. Das liegt auf der Hand – oder in der Deponie, wenn man es so bezeichnen möchte.

Ohne jetzt im Detail auf die von Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber einge­wendeten Punkte einzugehen – und es sind doch einige, sehr verehrte Damen und Herren –, möchte ich deutlich anmerken, dass im Zuge dieser Novelle natürlich auch beträchtliche Kostensteigerungen auf uns zukommen. Es geht aber nicht nur um Kostensteigerungen, sondern auch um 30, 40 zusätzliche Behördenverfahren. Ich denke, das ist auch ein entscheidender Punkt, denn hier gibt es natürlich, selbstredend zeitaufwendige und kostenintensive Szenarien.

Wir Vorarlberger hoffen, dass unsere Einwendungen entsprechend Berücksichtigung finden werden, weil sie vernünftig sind, alemannisch korrekt und vor allem kosten­sparend.

Wie ernst uns diese Angelegenheit ist, Herr Minister, zeigt die Tatsache, dass das Land Vorarlberg bei der in Begutachtung stehenden Novelle Verhandlungen im Rahmen des Konsultationsmechanismus verlangt hat. Ich darf hier um entsprechende Berücksichtigung unserer Einwendungen ersuchen und danke dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

10.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

10.49.332. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Produktpirateriegesetz 2004 geändert wird (37/A und 53 d.B. sowie 7666/BR d.B. und 7670/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz über Sonderrechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die zu einer ge-


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 41

trenn­ten Buchführung verpflichtet sind (Sonderrechnungslegungsgesetz – SRLG) (81/A und 54 d.B. sowie 7667/BR d.B. und 7671/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung geändert werden (56 d.B. sowie 7673/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Bundesrat Schennach: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet.

 


10.50.04

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Auf Grund der Regelung, wonach der Bundeskanzler und der Vizekanzler sich auch von dem dem jeweils anderen beigegebenen Staatssekretär vertreten lassen, haben wir hier diskutiert und haben wir auch in der Präsidiale diskutiert. Und das ist im Verfassungsrang. Aber es gibt die Lex specialis, das ist die Geschäftsordnung des Bundesrates.

Wir haben heute auf der Tagesordnung die Produktpiraterie, wir haben die Konkurs­ordnung – okay, das ist für die Fußballliga wahrscheinlich interessant (Heiterkeit) –, wir haben die Finanzmarktaufsicht, wir heben ein „Doppelnullbesteuerungsabkommen“ auf. Es kann nicht sein, dass ein Staatssekretär den Finanzminister vertritt, der hier nach § 37 Abs. 3 in dieser Debatte und nach § 61 Abs. 2 bei der Dringlichen als nicht beigegebener Staatssekretär kein Rederecht hätte! Deshalb ersuche ich, der Gewohn­heit des Hauses zu folgen und aufgrund des Antrages einer Fraktion die Sitzung zu unterbrechen und die Präsidiale einzuberufen.

10.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich kann die Rechtsansicht zwar so nicht teilen, unterbreche aber gerne die Sitzung – und bitte die Mitglieder der Präsidialkonferenz, zusam­menzutreten.

*****

(Die Sitzung wird um 10.51 Uhr unterbrochen und um 11.05 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile zur Geschäftsordnung noch einmal Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


11.05.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Sitzung der Präsidiale habe ich ganz klar hier noch einmal den Protest der grünen Fraktion eingebracht – es wird unserer­seits in der nächsten Präsidiale auch ein entsprechendes Gutachten vorgelegt werden. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass zur Dringlichen Anfrage angekündigt wurde, dass Staatssekretär Matznetter diese beantworten wird.

11.06



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir setzen in der Behandlung der Tages­ordnung fort.

Wir kommen zu den Berichten zu den erwähnten Tagesordnungspunkten. Bericht­erstat­ter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Klug.

 


11.06.27

Berichterstatter Mag. Gerald Klug: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Produktpirateriegesetz 2004 geändert wird.

Da Ihnen der Bericht schriftlich vorliegt, komme ich sofort zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe darüber hinaus den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz über Sonderrechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die zu einer getrennten Buchführung verpflichtet sind (Sonderrech­nungs­legungsgesetz).

Da Ihnen auch dieser Bericht schriftlich vorliegt, komme ich sogleich zur Antrag­stellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 ebenso mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Darüber hinaus bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, in schriftlicher Form vor, daher gelange ich gleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


11.08.35

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Produktpiraterie ist ein Phänomen, das bereits seit Jahrzehnten existiert und lange Zeit eigentlich nicht richtig ernst genommen wurde; es galt eigentlich immer als Kavaliersdelikt. Das Fälschen von Produkten verletzt jedoch das Urheber- und Patentrecht sowie weitere gewerbliche Schutzrechte.

Darüber hinaus wurde die Produktpiraterie in den letzten Jahren eine ernsthafte Bedro­hung vor allem für die sogenannten höher entwickelten Volkswirtschaften, etwa im europäischen Raum, aber auch für die Gesundheit und Sicherheit der Endver­brauche­rinnen und Endverbraucher.

Es wird mittlerweile davon ausgegangen, dass zirka 8 bis 10 Prozent des Welthandels Fälschungen und Nachahmungen sind. Der weltweite volkswirtschaftliche Schaden beträgt jährlich – je nachdem, wessen Zahl wir heranziehen – zwischen 200 Milliarden


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 43

und 300 Milliarden €. Wir können damit rechnen, dass dadurch insgesamt weltweit zirka 200 000 Arbeitsplätze pro Jahr verloren gehen, andererseits jedoch die Kinder­arbeit steigt und die Arbeitsbedingungen gerade in den Hochburgen der Produkt­piraterie, vor allem in Indien, China, Russland, Südostasien und Südamerika, katastro­phal sind.

Auch die Beschlagnahmefälle durch den Zoll zeigen den Anstieg der Produkt­fälschun­gen auf drastische Weise.

Computersoftware, Uhren, Flugzeugteile, Bekleidung, Autoersatzteile, Spielzeug, Zigaretten, Pestizide für die Landwirtschaft, Arzneien und Nahrungsmittel werden gefälscht. Es gibt nahezu keine Sicherheitsanforderungen. Die Kontrolle etwa in China ist fahrlässig, es mangelt an Informationen.

So offenbarte etwa im Jahre 2005 ein Angestellter einer Lebensmittelfabrik der Neuen Pekinger Zeitung, dass, wenn Produkte nicht die Qualitätskontrollen passierten, die Hersteller sich einfach Zertifikate und Warenzeichen von größeren Betrieben aus­bor­gen würden. Die Folgen sind etwa dioxinhaltige Lebensmittel, fehlende Wirkstoffe in Arzneimitteln oder Giftstoffe in Spielzeugen, die die Gesundheit aller Konsumentinnen und Konsumenten gefährden. Weiters: Hautirritationen, Vergiftungen aufgrund von schädlichen Substanzen in Bekleidung oder Düngemitteln, Gefährdung der Straßen­sicherheit wegen der Benutzung günstiger nachgeahmter Autoteile, zum Beispiel Bremsbacken oder Bremsbeläge. Unzählige Todesfälle in afrikanischen Ländern auf­grund von giftiger imitierter Arznei, Steigerung der Kindersterblichkeit in chinesischen Regionen wegen gefälschten minderwertigen Milchpulvers dokumentieren die tra­gische Reichweite der Produktpiraterie der letzten Jahre.

Aufsehenerregend war vor wenigen Monaten, meine Damen und Herren, ein Bericht über Pillen zur Behandlung von Herzerkrankungen, die laut Analyse aus Steinstaub hergestellt, mit Straßenfarbe bemalt und mit einem Überzug aus Möbelpolitur versehen worden waren. Diese Pillen, werte Kolleginnen und Kollegen, konnte man via Internet problemlos und weltweit bestellen.

Zwar existieren im europäischen Raum Rechtsvorschriften, in vielen Fällen sind jedoch die Produktpiraten außerhalb der Europäischen Union tätig und versuchen, Fäl­schungen und Plagiate in den europäischen Raum einzuführen.

Die Europäische Kommission weist zudem darauf hin, dass die Arbeiten der Zoll­behörden etwa aufgrund des Arzneimittelverkaufes via Internet erheblich erschwert werden.

Die Vorschriften zum Schutz vor Produktpiraterie richten sich in erster Linie gegen die Fälscher und die Importeure, aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten können rechtliche Schwierigkeiten bekommen. Internetkäufer und Urlauber, die primär ein günstiges Schnäppchen erwerben möchten, wissen sowohl über die rechtlichen Auswirkungen als auch über die gesundheitliche Gefahr selten Bescheid.

Meine Damen und Herren! Es gilt, die Konsumentinnen und Konsumenten zu schützen und zu informieren. Sie müssen darauf hingewiesen werden, welcher Gefahr sie sich bei dem schnellen, günstigen oder scheinbar vielversprechenden Kauf von Fäl­schun­gen aussetzen und welche Folgen dieser Kauf von gefälschten Produkten rechtlich haben kann. Dazu benötigen wir jedoch regelmäßige Berichte und Informationen über Produktpiraterie.

Darüber hinaus muss es weitere internationale Regelungen geben, die in erster Linie vor allem die Betreiber der Produktpiraterie strafrechtlich verfolgen und nicht die Kon­sumentinnen und Konsumenten.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 44

Dem Antrag auf Gesetzesänderung, initiiert von unserem Abgeordneten zum National­rat Jacky Maier, mit dem sichergestellt werden soll, dass der Finanzminister nun jährlich und verbindlich einen Produktpiraterie-Bericht dem Parlament vorlegen muss, können wir aufgrund der zuvor genannten Punkte nur vollinhaltlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

11.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.14.24

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen dieser Tagesordnungspunkte gelangen eine Reihe von Gesetzesmaterien zur Diskussion, die in unmittelbarem Zusam­menhang mit der Transparenzrichtlinie der EU stehen, und in einem weiteren Tages­ord­nungspunkt werden dann auch das Bankwesen- und das Börsegesetz diskutiert.

Aber kommen wir zurück zum Sonderrechnungslegungsgesetz. Dabei geht es darum, eine getrennte Rechnungslegung öffentlicher Unternehmen nach verschiedenen Leis­tungs­bereichen vorzusehen, also eine Trennung von öffentlichen Dienstleistungen und gewerblichen Tätigkeiten, um damit die sogenannten beihilfenrechtlichen Quersubven­tionierungen verfolgen zu können.

Das Gesetz regelt demnach die finanziellen Beziehungen nach den Vorstellungen der Europäischen Union zwischen den Stellen der öffentlichen Hand und der Gebiets­körperschaften Länder und Gemeinden und ermöglicht so eine effektive Kontrolle der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen.

Ein besonders schwieriges Thema, das wir mit diesen Materien diskutieren, ist, wie bereits Kollege Molzbichler auch angesprochen hat, die Produktpiraterie, weil sie eben ein Ausdruck unserer schnelllebigen Zeit und auch der ständigen gesellschaftlichen Veränderungen ist.

Diese Produktpiraterie stellt eine immense Gefahr für die europäischen Volkswirt­schaften, für die Volkswirtschaften dar und beschränkt sich längst nicht mehr auf Luxusgüter, sondern hat auch auf die Dinge des täglichen Bedarfs übergegriffen. Dieser Markt hat eine Dynamik, ein Ausmaß erreicht, stellt einen weltweit boomenden Wirtschaftsfaktor dar – das gedeiht natürlich im Verborgenen, Schattenwirtschaft – und hat, wie gesagt, Steigerungsraten, die unglaublich sind. In Europa gehen daher Milliar­den an Steuereinnahmen und, was noch wesentlich problematischer ist, natürlich in dramatischem Ausmaß Arbeitsplätze, Tausende Arbeitsplätze, verloren. Dabei ent­stehen insbesondere im asiatischen Raum, in Indien, in China, wie wir gehört haben, völlig neue Industrieproduktionen, von wo technische Teile, wie Flugzeugteile, Auto­ersatzteile, in den Handel gelangen, wodurch auch lebensgefährliche Situationen entstehen, weil das Ganze natürlich nicht qualitätsgeprüft ist und diese schlechte Qualität natürlich nicht die entsprechende Haltbarkeit hat wie professionell hergestellte Ersatzteile.

Gar nicht zu reden von Textilien, Schmuck, Uhren, deren Kopien jeder von uns irgend­wann im südeuropäischen Raum zur Urlaubszeit von Strandhändlern schon angeboten bekommen hat – und vielleicht das eine oder andere Stück auch schon mitgenommen hat.

Neben den wirtschaftlichen Problemen kommt es zusätzlich im Bereich der Gesundheit zu schwerwiegenden Gefährdungen, weil die Produktpiraterie jetzt auch die Medika­men­tenbranche entdeckt hat und insbesondere über das Internet gefälschte Arznei­mittel angeboten und vertrieben werden – mit ganz extremen Zusammensetzungen.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 45

Kollege Molzbichler hat dieses typische Beispiel schon angesprochen, wo es darum geht, mit Ziegelstaub ein lebensnotwendiges Herz-Kreislauf-Mittel zu verfälschen und dann auch noch mit Farbe anzumalen. Das lässt wirklich kein Herz höher schlagen, das kann man hier wirklich betonen, sehr verehrte Damen und Herren.

Der Anstieg der Zahlen in den letzten Jahren ist dramatisch. Wurden im Jahr 2004 noch keine derartigen Fälschungen beschlagnahmt, waren es im Jahr 2005 immerhin 55 Medikamenten-Packungen und im Vorjahr bereits 127 Aufgriffe mit 12 000 Packun­gen – die Dunkelziffer, der Graubereich ist hier natürlich viel höher – im Wert von 360 000 €.

Ich denke, die Europäische Union, der große gemeinsame europäische Markt, hat hier höchsten Handlungsbedarf und ist aufgefordert, hier besondere Maßnahmen in die Wege zu leiten. Wir haben im Rahmen der EU-Präsidentschaft hier bereits Impulse gesetzt und begonnen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Bürgerin­nen und Bürger vor gesundheitlichen Gefahren und Problemen zu schützen.

Die Produktpiraterie, sehr verehrte Damen und Herren, gehört mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.19.32

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch vonseiten der Grünen wird es in allen drei Bereichen Zustimmung geben, insbesondere zeigt das Sonderrechnungslegungsgesetz, dass man bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie auch noch zusätzlich positive Aspekte verankern kann und dass es hier doch einen großen Schritt in Richtung Transparenz gibt, wie auch schon Kollege Mayer ausgeführt hat.

Aber insbesondere – und das ist uns besonders wichtig – konnte beim Sonderrech­nungs­legungsgesetz verankert werden, dass Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und auch Leistungen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, definiert werden. Uns ist das insofern wichtig, als es ja auch da um Tätigkeiten geht und es immer wieder Tendenzen gibt, alle Bereiche der Daseins­vorsorge zu privatisieren. Es gilt, dass eben diese ausgenommen werden, insbeson­dere die gesetzliche Sozialversicherung.

Was mir von besonders großer Wichtigkeit ist, Kollege Schnider, das ist das nationale Bildungssystem. Es ist wichtig, dass es hier getrennt dargestellt wird. Das sind nämlich Tätigkeiten, die keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Das ist von großer Wichtig­keit, und deshalb werden wir diesem Gesetz sehr gerne zustimmen.

Ich komme nun zum Thema „Produktpiraterie“. Dabei geht es um das, was vielfach als Kavaliersdelikt angesehen wird und mit Augenzwinkern hingenommen wird – auch in Richtung eigene Brieftasche bei Urlauben –, wenn die Dame „Prada“ trägt und es gar nicht von Prada ist und wenn aus „Nike“ Mike wird.

Aber das sind keine Kavaliersdelikte. Da geht es um gezielte Verletzungen von Markenrechten, von Patentrechten, von Urheberrechten, von gewerblichen Schutz­rechten und um deren illegale Nutzung. Und, wie Kollege Mayer schon gesagt hat, die größten Auswirkungen hat das auf den eigenen Arbeitsmarkt. Das, was wir glauben, billig in einem Urlaub beziehungsweise auch hierzulande billig erwerben zu können,


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 46

hat eine absolute Rückkoppelung auf den eigenen Arbeitsmarkt; da dürfen wir uns nicht täuschen.

Zum anderen hat es aber auch Rückwirkungen auf einen fairen Wettbewerb, der dadurch unterbunden wird, und auch auf den wirtschaftlichen Erfolg der heimischen Firmen oder jener Firmen, die diese Rechte besitzen. Das heißt, es schlägt zurück sowohl auf die Industrie, auf die Wirtschaft wie auch auf die Gesellschaft.

Es ist, was bereits angedeutet wurde, auch mit einem Sicherheitsrisiko verbunden. Eine Kopie ist eine Kopie und eben nicht das Original. Und die Herstellung einer Kopie ist nicht in der Weise kontrolliert wie das Original. Da gibt es zwei Bereiche, die besonders bedenklich sind. Einer wächst stetig und ist auch schwer zu kontrollieren, das ist der Pharmabereich. Der wächst vor allem über das Internet. Und der zweite Bereich betrifft die Teilleistungskomponenten in der Automobilbranche.

Aber wenn wir den ersten Bericht zur Produktpiraterie hernehmen, dann sehen wir, dass da an erster Stelle der Bereich „Uhren und Schmuck“ steht. Wir können jetzt fachsimpeln: Es muss ja einen enormen Graubereich geben! Das, was vonseiten des österreichischen Zolls festgestellt wurde und wo eingegriffen wurde, macht knapp 11 Millionen € im Jahr aus. Davon entfällt die Hälfte auf Erzeugnisse wie Uhren und Schmuck. Insgesamt sind es 452 Fälle. Die Mehrzahl der Fälle aber, die sich nicht in dieser finanziellen Quantität darstellen, betrifft den Bereich Bekleidungszubehör, wie etwa Schuhe, Gürtel, Brillen, Sonnenbrillen, Taschen. Da sind 560 Fälle anhängig geworden. 430 Fälle betreffen andere Bekleidungsstücke.

In Anbetracht dessen wirkt sich der Bereich der Medikamente mit 127 Fällen und einem Gesamtwert von 352 000 € noch gering aus. Das hängt aber damit zusammen, dass gerade im Medikamentenbereich das nicht so kontrolliert werden kann.

Die Zahl der gefälschten Artikel macht insgesamt, wenn wir es nach Warengruppen ordnen, 54 000 Computer und 55 000 Stücke im Bekleidungs- und Bekleidungszube­hör­bereich aus. Aber mit 11 000 Stück bekommen die Medikamente schon eine signifikante Größe.

Interessant ist natürlich auch: Wer kauft denn oder wer importiert denn diese Fälschungen? Und da fällt auf, dass bei den importierten Fälschungen der gewerbliche Bereich mit 150 000 Fällen an der Spitze steht. Bei der Zahl der Fälle jedoch ist es der private Bereich, sprich jene, die das entweder im Urlaub gekauft oder die das bestellt haben. Abgefangen wurden diese Artikel einerseits über den Flugzeug- und anderer­seits über den Postverkehr.

Interessant sind natürlich die Herkunftsregionen: Es sind die „heißen“, die „hungrigen“, die schnellen Wirtschaften, und zwar insbesondere China, Hongkong, Türkei, Vietnam und Indien, in denen diese Produktpiraterie-Artikel erzeugt werden. Da gilt es, sehr, sehr wachsam zu sein, aber auch durch Abkommen und durch gezielte Wirtschafts­beziehungen in diesem Raum beziehungsweise mit diesem Raum da Vorsorge zu treffen.

Auch die EU ist aufgefordert, ganz speziell mit diesem Raum, und zwar gerade im Hinblick auf Produktpiraterie und Sicherheit, was die Produkte anlangt, essenzielle Fortschritte zu erzielen.

Was im nationalen Rahmen möglich und nötig ist, ist vor allem Aufklärung. Aber dazu ist letztlich jeder von uns aufgefordert.

In diesem Sinne werden wir allen drei Gesetzen unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.26



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. – Bitte.

 


11.26.49

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident, danke, dass ich das Wort nehmen darf. – Ich bin hier in Vertretung des Vizekanzlers und Finanzministers. Aber ich bin auch als Sportstaatssekretär von diesem Bereich natür­lich sehr betroffen.

Es ist schon gesagt worden, dass durch die Produktpiraterie einerseits Arbeitsplätze bei uns gefährdet werden, was hundertprozentig richtig ist, und dass andererseits dadurch natürlich auch dem Finanzminister viel an Einnahmen entgeht.

Der dritte Punkt, den ich für viel gravierender halte, betrifft den Bereich der Medikamente und damit natürlich den der Gesundheit – hier ist auch der Sportbereich zu erwähnen –, wo Billigprodukte eine Gefahr darstellen. So sind 2006 mehr als 12 000 gefälschte Medikamente aufgefunden worden, aber die Dunkelziffer wird noch weit höher sein. Der Medikamentenschmuggel ist aufgrund der Größe der Produkte sehr einfach. Vor allem bietet das Internet da eine Plattform, was Bestellmöglichkeiten betrifft, und da sind die Gefahren nicht zu unterschätzen.

Daher war es richtig, dass seitens des Vizekanzlers hier entsprechend gehandelt worden ist, sodass am 29. März vom Nationalrat diese Änderung im Produktpiraterie­gesetz beschlossen werden konnte.

Da Handlungsbedarf bestand, ist schon in der letzten Legislaturperiode vom National­rat die Aufforderung in Form einer Entschließung ergangen, und zwar am 13. Juni 2006, einer jährlichen Berichtspflicht nachzukommen und auch legistisch entsprechend zu reagieren.

Ich bin sehr froh, dass dieses Gesetz heute auch hier im Bundesrat einstimmig beschlos­sen wird, wiewohl man nicht außer Acht lassen darf, dass wir da erst am Beginn einer Arbeit sind, wo sowohl die nationalen Parlamente als auch natürlich die Europäische Union gefordert sind, ihren Beitrag zu leisten, zumal wir auch die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, dass es weltweit so etwas wie einen fairen Handel gibt.

In diesem Zusammenhang denke ich vor allem an China, wo einerseits alle Umwelt­standards außer Acht gelassen werden und wo andererseits im Bereich des Arbeit­nehmerschutzes die Regelungen weit entfernt sind von dem, was in Europa Gott sei Dank schon lange Standard ist. Daher ist dieser Produktpiraterie-Bericht, den wir nun jährlich seitens des Finanzministeriums bekommen werden, ein ganz, ganz wichtiger Schritt, um einerseits Bewusstsein zu schaffen, aber andererseits auch entsprechend vorzugehen – es eben nicht augenzwinkernd als Kavaliersdelikt abzutun, wenn ge­fälschte Produkte bei uns auf den Markt kommen und gekauft werden.

Es handelt sich bei Produktpiraterie um einen kriminellen Markt und um einen kriminel­len Akt, der als solcher auch zu sehen ist. Daher ist es richtig, dass nun jährlich ein Produktpiraterie-Bericht dem Parlament vorzulegen ist, womit sicherlich ein wesent­licher Beitrag geleistet wird, um uns dieser Aufgabe auf Dauer zu stellen, indem dieses Thema auf der Tagesordnung bleibt und sich auch das Parlament ab nun regelmäßig mit diesem Bereich zu befassen hat.

Mein Dank gilt all jenen, die einen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir zu dieser gesetzlichen Regelung gekommen sind. Und Ihnen ein Dankeschön, dass dieser Beschluss einstimmig gefasst wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.31

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


11.31.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist über die Parteigrenzen hinweg schon festgestellt worden, dass es sehr gut ist, dass es diese Produktpiraterie-Verordnung 2004 gibt und damit das Produktpiraterie­gesetz, das es den Zollbehörden ermöglicht, möglichst früh gefälschte Waren aus dem Verkehr zu ziehen.

Wir sind uns auch alle einig darüber, dass das für unsere Volkswirtschaft – nicht nur in Österreich, sondern auch in ganz Europa – eine Katastrophe darstellt, weil dadurch Millionen bis Milliarden an Euro den Staaten entgehen und dadurch auch Arbeitsplätze gefährdet sind oder erst gar nicht geschaffen werden.

Es wurde heute hier bereits auch festgestellt: Solange das Taschen, Kleidung, Son­nenbrillen, Schmuck betroffen hat, hat man das mit einem Augenzwinkern hinge­nommen und hat eigentlich nichts Besonderes daran gefunden. Wie der eine oder andere heute schon bemerkt hat, hat man solche Dinge vielleicht in früheren Zeiten selbst schon einmal erstanden.

Der Problembereich – und da sind wir uns alle einig – ist natürlich jener Bereich, wo es um Medikamente geht, wo es eigentlich dramatisch ist, denn dort geht es nicht nur um Geld und Arbeitsplätze, sondern dort werden mittlerweile auch Leib und Leben gefähr­det. So hat die EU-Kommission im Bereich der Technologie zum Beispiel vor gefälschten Handys gewarnt, deren Akkus explodieren. Ich glaube, niemand von uns mag sich vorstellen, dass das eigene Kind ein gefälschtes Handy am Ohr hat, dessen Akku plötzlich explodiert.

Weiters haben bei den Bremseinrichtungen, wie heute auch schon erwähnt worden ist, deutsche Untersuchungen ergeben, dass dadurch potenziell lebensgefährliche Situationen entstanden sind.

Bei den Arzneimitteln ist es natürlich besonders dramatisch. Das schlimmste Beispiel wurde heute schon gebracht, und zwar das Beispiel mit dem Ziegelstaub und mit der Straßenfarbe und mit der überzogenen Möbelpolitur. Dabei stellt sich für den Konsumenten das Problem, dass diese gefälschten Produkte in gefälschten Original­verpackungen verkauft werden, was den Konsumenten sich in Sicherheit wiegen lässt, weil das alles sehr echt ausschaut. Das Einzige, wodurch es sich äußerlich unter­scheidet, ist natürlich der Preis.

Bei aller Information muss man in Zukunft dem Konsumenten auch sagen, dass er es selbst in der Hand hat, diese Dinge zu kaufen und sich anzuschauen, was er kauft, und darüber nachzudenken beziehungsweise sich darüber zu informieren, von wem er seine Sachen bezieht.

Aber selbst Experten sagen, dass es mittlerweile auch gefälschte Produkte gibt, für die der Nachweis der Fälschung wahnsinnig schwierig ist, wo man zwar nicht von einer Gefährdung von Leib und Leben ausgehen kann, die aber trotzdem gefälschte Produkte bleiben. Dagegen müssen wir uns wehren.

Was das Problem des Medikamentenversandes natürlich für die Behörden noch zusätzlich erschwert, ist der Umstand, dass das über den Postversand geschieht, der Absender meistens nicht ausfindig zu machen ist und das in so kleinen Mengen erfolgt, dass wir ein Heer von Zollbeamten bräuchten, um jedes einzelnen Produkts habhaft werden zu können.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 49

Leider muss man aber auch kritisch anmerken, dass diese Entwicklungen – wie viele andere auch – von Österreich selbst, aber auch von der Europäischen Union ziemlich lange verschlafen worden sind und man erst immer dann reagiert, wenn eigentlich schon alles am Kochen ist. Dann macht man zwar eine Verordnung, ein Gesetz, was ja durchaus begrüßenswert ist – und wir werden dem selbstverständlich auch zustim­men –, aber es ist eben immer ein wenig spät.

Es ist ja nicht nur so, dass diese gefälschten Produkte, wie heute schon gesagt worden ist, aus China über die EU kommen, wo man sich, wie „Der Spiegel“ geschrieben hat, mit erschlichenen Visa Fälscherwerkstätten einrichtet oder diese Produkte in Zollfreilagern umlagert, wie es im Bericht steht, um sie dann in andere Länder weiterzuvertreiben, sondern es gibt diese Werkstätten auch schon hier im Lande. China, Indien, Südamerika arbeiten natürlich mit allen Tricks, um ihre eigenen Lands­leute – unter menschenunwürdigen Bedingungen, nebenbei bemerkt – zu beschäf­tigen, die schon im eigenen Land diese Produkte fälschen. Und da kann man schon von organisierter Kriminalität sprechen, die es natürlich zu bekämpfen gilt.

Es ist zwar schön, dass auch wir im Parlament jetzt hier jährlich einen Bericht von­seiten des Finanzministeriums vorgelegt bekommen, das alleine wird aber natürlich nicht genügen, sondern man wird auch dafür Sorge tragen müssen, dass man das nötige Personal hat, das speziell geschult und ausgebildet ist, damit das Produkt­pirateriegesetz nicht ein zahnloses ist. Denn wir wissen: Die kriminellen Vereinigungen sind uns ohnehin immer drei Schritte voraus, aber wenn man hier nicht für den nötigen Personalstand sorgt, dann werden sie uns hundert Schritte voraus sein.

11.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.37.05

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst zum Bundesgesetz über die Sonderrechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die zu einer getrennten Buchführung verpflichtet sind, einige Bemerkungen aus Sicht eines Unternehmers und aus wirtschaftspolitischer Sicht machen: Wettbewerbsverzerrungen sind in Österreich leider gang und gäbe, auch für die private Wirtschaft bei öffentlichen Aufträgen. Daher ist es zu begrüßen, das wir hier mit dieser Umsetzung der Transparenzrichtlinie der Europäischen Union doch Klarheit und Übersicht und Einsicht in diverse Vorgänge schaffen.

Natürlich sind diese Richtlinie und dieses Gesetz verbunden damit, dass sie einen erhöhten Verwaltungsaufwand der Unternehmen, die künftig davon betroffen sind, erfordern. Wir können ruhig davon sprechen, dass ein zweiter Buchhaltungskreis notwendig sein wird, wo es privilegierte und nichtprivilegierte Geschäfte gibt. Trotzdem befürworten wir dieses Gesetz im Sinne eines fairen Wettbewerbes.

Positiv ist aus unserer Sicht auch anzumerken, dass die Unternehmen, die in den letzten zwei Geschäftsjahren weniger als 40 Millionen € Umsatz erzielt haben, nicht unter dieses Gesetz fallen. Auch bei den Kreditinstituten haben wir eine Grenze von 800 Millionen Bilanzsumme festgesetzt. Hier sind also auch Regelungen getroffen worden, wodurch die kleineren Betriebe von dieser Rechnungslegung nicht erfasst werden.

Jene Unternehmen aber, die betroffen sind, sind verpflichtet, intern getrennte Konten zur Erfassung der Kosten und Erlöse einerseits für alle Geschäftsbereiche im Sinne des § 2 des Gesetzes und andererseits für jeden weiteren Geschäftsbereich zu führen.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 50

Alle Kosten und Erlöse sind den jeweiligen Bereichen nach objektiv gerechtfertigten und einheitlich angewandten Kostenrechnungsgrundsätzen korrekt zuzuordnen. Hier wird also die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns vorausgesetzt. Sollte es zu Auskunftsverlangen durch die Europäische Kommission kommen, ist das Bundes­ministerium für Wirtschaft und Arbeit verpflichtet, Einsicht in die betreffende Firma zu nehmen, und die Firma beziehungsweise der Betrieb wiederum ist verpflichtet, binnen drei Wochen seine Unterlagen bereitzustellen.

Ich glaube, dass die Umsetzung dieser Transparenzrichtlinie in Österreich als gelun­gen bezeichnet werden kann. Denn – wie auch schon Kollege Schennach angeführt hat – es war im Sinne des Subsidiaritätsprinzips möglich, die Definition der Leistungen der Daseinsvorsorge, die keine wirtschaftlichen Tätigkeiten darstellen, selbst vorzunehmen. Damit haben wir doch einige Bereiche herausgebracht, die – ich glaube, da sind wir uns einig – nicht voll privatisierbar sind. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Produktpirateriegesetz 2004 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss vom 29. März 2007 betref­fend ein Sonderrechnungslegungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

11.41.415. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (82/A und 55 d.B. sowie 7668/BR d.B. und 7672/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich bitte ihn um den Bericht.

11.41.42

 



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 51

Berichterstatter Mag. Gerald Klug: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden.

Da Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sofort zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.42.27

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch dieses Gesetz bringt mehr Transparenz. Auch dieses Gesetz ist die Umsetzung einer EU-Verordnung und wird in vielen Teilen von uns als mehr als begrüßenswert angesehen – auch wenn uns die Umsetzung dieses Gesetzes doch mit einiger Verspätung erreicht. Wie Sie ja wissen, stand schon eine Klage gegen Österreich im Raum für den Fall, dass es jetzt nicht dazu gekommen wäre.

Meine Damen und Herren! Warum sind wir dagegen? Und warum wundere ich mich darüber, dass hier die Kollegen von der SPÖ diesem Gesetz so freundlich zustimmen?

Meine Damen und Herren! Die Verordnungsermächtigung, die Sie hier praktisch mitliefern, ergeht an die Finanzmarktaufsicht! Jene Finanzmarktaufsicht, die angeblich funktioniert und die letztlich – das haben ja alle Protokolle und Einvernahmen im Bankenausschuss gezeigt, und auch die Vertreter und Vertreterinnen der SPÖ mussten das feststellen – eine absolute Schimäre ist!

Diese Finanzmarktaufsicht ist das Papier nicht wert, auf dem sie gegründet ist, und sie ist ein Teil des KHG-Netzwerkes. Das ist eine Verrottung, die hier stattgefunden hat und die einmal ... (Zwischenruf des Bundesrates Schöls.) Nein, das ist leider so. Sie lässt sich instrumentalisieren, wie sie es braucht: Einmal ist sie eine unabhängige Behörde; und wenn es Herr Karl-Heinz Grasser wollte, war sie plötzlich nicht eine unabhängige Behörde. Hier steht ja nach wie vor der Verdacht der Anstiftung zum Amtsmissbrauch im Raum. (Bundesrat Schöls: Das ist aber der Schluss ...!)

Dieser Behörde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, geben Sie heute mit diesem Gesetz auch noch die Verordnungsermächtigung in die Hand! Ich persönlich verstehe das nicht. Vor drei oder vier Monaten hätten Sie hier mit Sicherheit anders abgestimmt, und es wäre eine andere Mehrheit zustande gekommen.

Gehen wir noch einmal zurück, lehnen wir uns einmal zurück. Wer bekommt jetzt ... – Kollege Schöls, du hast es jetzt irgendwie lustig, aber die 10 000 ... (Bundesrat Schöls: Lustig habe ich es schon, weil du herauskommst ...!) Kollege Schöls! Die 10 000 Menschen in Österreich, die durch die AMIS-Affäre geschädigt wurden, finden das alle nicht lustig. Was ist hier passiert? – Diese glorreiche Grasser-Behörde Finanz­marktaufsicht hat einfach alle Warnungen in den Wind geschlagen! Oder die Schnittstellenprobleme – jetzt kommen wir zur BAWAG zurück –, die zur Oesterreichi­schen Nationalbank bestehen, sind ja ganz offensichtlich und evident. (Ruf bei der ÖVP: Tumpel-Gugerell!)

Das heißt, dieser Behörde eine Verordnungsermächtigung in die Hand zu geben, ist eine gefährliche Aktion. Das sollten die beiden Koalitionsparteien wissen. Stellen Sie


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jetzt schon eine Sonderkommission hinter dieses Gesetz, die das überprüfen wird, was dort geschieht!

Aber kommen wir noch zu einer anderen Debatte, die im Zusammenhang damit steht. Das hat ja Böhler-Uddeholm ausgelöst, und das betrifft auch die Transparenz, wenn nach wie vor der Verdacht auf Insiderhandel im Raum steht. Es wird ja auch in dieser Sache untersucht.

Die Beteiligungsverhältnisse haben wir in dieser Verordnung nach wie vor mit 5 Prozent geregelt. Offensichtlich ist man nicht auf die Idee gekommen, sich rechtzeitig in Europa umzuhören, und meinte, das sei eine europäische Norm. Aber wenn wir von 5 Prozent auf 3 Prozent gehen – also ab 3 Prozent die Besitzverhältnisse öffentlich und transparent zu machen –, dann schaffen wir tatsächlich diese Transparenz und schaffen auch einen besseren Kampf gegen den Insiderhandel.

Es sind ja keine Zwergerln unter denen, die sich auf 3 Prozent verständigt haben: Großbritannien, Deutschland, Italien, Spanien, das kleine Portugal oder unser Nach­bar­land Tschechien, sie alle haben 3 Prozent und mit diesen 3 Prozent eine niedrigere Schwelle. Eine 5-prozentige Schwelle, die angeblich die EU in den Raum stellt, gibt es nicht, meine Damen und Herren!

Das heißt, ich hoffe sehr, dass entsprechend dem Entschließungsantrag, der zwei Minuten oder eine Minute vor zwölf im Nationalrat an den Finanzminister, an die Bundesregierung gefasst wurde, relativ rasch geprüft wird, ob wir nicht im Sinne des Kampfes gegen den Insiderhandel und um mehr Transparenz, was die Beteiligungen betrifft, hier doch von 5 Prozent auf 3 Prozent kommen.

Nur, meine Damen und Herren, eine Verordnungsermächtigung an eine Behörde namens Finanzmarktaufsicht in ihrer derzeitigen Verfassung wird es mit den Stimmen der Grünen nicht geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


11.48.01

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich breche hier beim Börse­gesetz und beim Bankwesengesetz sicher nicht in Jubelstimmung aus, nur hat sich doch einiges geändert. Wenn man von der Verordnungsermächtigung und von der Finanzmarktaufsicht spricht, dann muss man auch sagen, dass sich auch dort etwas ändern wird müssen, damit es zu solchen Vorfällen, wie es sie gegeben hat, nicht mehr kommt.

Meine Damen und Herren! Alle heutigen Änderungen des Börsegesetzes und des Bankwesengesetzes sind Änderungen aufgrund von EU-Richtlinien. Die vorliegende Änderung aktualisiert das EU-Recht über Informationen, die Aktionären und Anleihe­inhabern regelmäßig zu übermitteln sind, und fasst die Regelungen über Beteiligungs­änderungsmeldungen neu. Weiters sieht sie umfassende Regelungen über Sprachen­regime, Informationen von Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat sowie Behörden­kompetenzen vor.

Hauptunterschied der neuen zur bisherigen Rechtslage sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene ist, dass von den Informations- und Veröffentlichungs­pflichten der Richtlinie nunmehr alle Emittenten an einem geregelten Markt gleich­mäßig betroffen sind und daher eine weitgehende Angleichung der Transparenz­anforderungen für Emittenten im amtlichen Handel und im geregelten Freiverkehr erfolgt.


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Weiters ist zu beachten, dass gemäß dem Herkunftsmitgliedstaatsprinzip nunmehr von der innerstaatlichen Aufsicht auch Unternehmen erfasst sein können, die ihren Firmen­sitz nicht im Inland haben und nicht an einem inländischen Markt notieren. Umgekehrt ist für die Aufsicht von Emittenten, die zwar im Inland an einem geregelten Markt notieren, für die jedoch nicht Österreich, sondern ein anderer Staat Herkunftsmitglied­staat ist, grundsätzlich die Aufsichtsbehörde dieses Herkunftsmitgliedstaates zustän­dig.

Meine Damen und Herren! Das Börsegesetz und das Bankwesengesetz sind zwei sehr sensible Themen. Es läuft derzeit ein Prozess, bei dem es um den Vorwurf des massiven Insiderhandels geht. Geld zu machen mit Informationen, die andere noch nicht haben, das ist an sich strafbar und gehört meiner Meinung nach auch rigoros verfolgt, wobei ich schon weiß, dass die Beweisführung in solchen Angelegenheiten nicht immer leicht ist.

Da vom Kollegen Schennach schon die Schwellenverordnung angesprochen worden ist: Es hat ja diesen Entschließungsantrag im Nationalrat gegeben, der aussagt, dass der Finanzminister und die Justizministerin bis Ende 2008 einen Bericht vorlegen müssen. Da wird man dann sehen, inwieweit man sich auf diese 3 Prozent einigen kann. Ich meine, dass diese 3 Prozent auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei sind. Der Markt in Österreich ist ein bisschen anders als vielleicht jener in Großbritannien oder in sonstigen Ländern. Ich meine aber, dass es sicher diskutiert gehört und dass man auch, wenn Änderungen notwendig sind, diese Änderungen machen soll.

Das Bankwesengesetz wird also dem Börsegesetz angeglichen, wobei ich mit den Änderungen beim Bankwesengesetz nicht immer glücklich bin. Wer noch an die Diskussion zurückdenkt, die es über Basel II gegeben hat: Diese gesamte Änderung gemäß Basel II ist seit 1.1.2007 in Kraft, und wir alle wissen, dass es für sehr viele Klein- und Mittelbetriebe wesentlich schwieriger geworden ist, zu Geld zu kommen.

Es hat dies auch den Ausfluss, dass das Geld einfach teurer geworden ist, weil mit der Auffächerung der Prioritäten und der Bonitätsstufen wesentliche Verschlechterungen eingetreten sind und auch die Banken wesentlich mehr dokumentieren müssen. Es soll ja nicht so sein, dass man mit jeder Änderung, die da passiert, einfach zusätzliche Hürden schafft, weil es, glaube ich, auch nicht der Sinn der Sache sein kann, dass wir nur noch aufzeichnen, dass wir nur noch dokumentieren und daneben vergessen, dass eigentlich die Wirtschaft auch Geld braucht.

Es ist ja so: Wenn ich so viel Geld im Betrieb habe, dass ich die Bank nicht brauche, dann bekomme ich billiges Geld. Wenn es mir schlechter geht, dann muss ich mir teures Geld nehmen. Das soll mit Sicherheit nicht so sein!

Meine Damen und Herren! Wie gesagt, die beiden Gesetze sollen mehr Sicherheit auf dem Kapitalmarkt mit sich bringen. Wir werden daher diesen Gesetzesänderungen unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


11.53.24

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt schon einiges ausgeführt worden. Hier geht es um eine Änderung des Bankwesengesetzes; dies stellt lediglich ein redaktionelles Erfordernis zur Umsetzung von Basel III dar. Deshalb setzen sich meine weiteren Ausführungen mit der Novelle zum Börsegesetz aus­einander.


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Es geht ja vorweg bei dieser Novelle um die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie, und damit werden zwei wirtschaftspolitische Ziele verfolgt. Erstens erfolgt dadurch eine Gleichstellung aller Unternehmen, deren Wertpapiere an geregelten Märkten zum Handel zugelassen sind. Es geht daher nicht nur um börsenorientierte Unternehmen, sondern um alle Unternehmen, die mit Wertpapieren handeln. Zweitens erfolgt durch die Transparenzrichtlinie und durch die nationale Umsetzung ganz einfach eine euro­paweite Harmonisierung, das stärkt somit europaweit das Vertrauen in die Finanzmärkte und natürlich auch in den österreichischen Finanzmarkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie wir wissen, sind Geldfragen gleichzeitig immer auch Vertrauensfragen, und der österreichische Finanzmarkt hat noch eine Menge Potenzial. Es ist bekannt, dass wir Österreicher richtige Sparefrohs sind, aber gleichzeitig mit Aktien wenig am Hut haben. Mit unter 10 Prozent Beteiligungs­vermögen von unserem Gesamtguthaben sind wir Österreicher das Schlusslicht bei den Euro-Ländern. Jede vertrauensbildende Maßnahme kann diese Situation wesent­lich verbessern, und damit ist eben der gesamten Wirtschaft geholfen.

Gleichzeitig kann sich diese Harmonisierung generell noch besser auf den Erfolgsweg der Wiener Börse auswirken. Wie Sie wissen, hat die Wiener Börse im Vorjahr ihr mit Abstand erfolgreichstes Ergebnis in der Unternehmensgeschichte gehabt. Dieses Rekordergebnis bestätigt das stetig steigende Interesse nationaler und internationaler Investoren am österreichischen Kapitalmarkt, und das muss auch so bleiben.

Für die Wirtschaft war aber bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie auch ent­scheidend, dass keine österreichischen Besonderheiten aufgenommen wurden, die wiederum eine Wettbewerbsverzerrung auf dem europäischen Finanzmarkt mit sich gebracht hätten. Diese Forderung ist mit dieser Umsetzung weitestgehend erfüllt, deshalb ist dieses Gesetz auch ausdrücklich zu begrüßen.

Ich möchte jetzt noch auf die Ablehnung durch die Grünen – durch dich, Herr Schennach – eingehen. Mit diesem Gesetz wurde nicht gleichzeitig die Meldeschwelle von 5 Prozent auf 3 Prozent herabgesetzt, also die Schwelle für die Meldung an die Finanzmarktaufsicht, wenn als Folge des Erwerbs oder der Veräußerung der Anteil an den Stimmrechten gestaffelt 5 Prozent übersteigt oder unterschreitet. Der dies­bezügliche Entschließungsantrag auf Senkung dieser Schwelle wurde ja, wie wir gehört haben, im Nationalrat bereits angenommen. Die Senkung dieser Meldeschwelle hat nichts mit der rasch notwendig gewordenen Umsetzung dieser Transparenz­richtlinie zu tun.

Zweitens ist der im Nationalrat erwähnte Fall, dass bei Senkung der Meldeschwelle die Übernahmeabsicht von Böhler-Uddeholm früher hätte aufgedeckt werden können, nicht richtig. Denn die kolportierte Kaufabsicht durch einen ausländischen Fonds ist nicht über die Börse gelaufen; das waren lediglich Gespräche. Die Finanzmarktaufsicht in der Rolle als Markt- und Börsenaufsicht hätte zu diesem Zeitpunkt auch bei einer niedrigen Schwelle nichts erfahren.

Drittens wurde ja, wie wir schon gehört haben, im Nationalrat zu diesem Thema schließ­lich ein anderslautender Entschließungsantrag gefasst, dass die Bundes­minister für Finanzen und Justiz bis 15. September 2007 über internationale Bei­spiele – zum Beispiel eben Deutschland, Großbritannien und die Schweiz – und Erfahrungen einer Absenkung von 5 Prozent auf die derzeit niedrigste Meldeschwelle von 2 oder 3 Prozent berichten.

Man darf dabei aber auch den damit verbundenen Aufwand für die Unternehmen und die Behörden nicht vergessen, weil natürlich jede Absenkung der Schwelle unweiger­lich mit einer häufigeren Meldepflicht, mit einer entsprechenden EDV-Vorkehrung und


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einer höheren Bürokratie verbunden ist. Ein Mehrwert für die Anleger ist deshalb nicht erkennbar.

Ich habe mir jetzt auch einmal angeschaut und bei uns gefragt, warum das in Deutschland eigentlich gemacht wurde. Da hat man mir mitgeteilt, dass, im Gegensatz zu Österreich, in Deutschland die Aktiengesellschaft im großen Ausmaß als Publikums­gesellschaft geführt wird. Daher ist für den Kapitalmarkt bereits eine marginale Veränderung von 3 Prozent der Stimmenanteile natürlich viel relevanter als in Österreich.

Aber auch in Deutschland ist dieser Senkung auf 3 Prozent eine sehr langwierige politische Diskussion vorausgegangen, und in Deutschland hat man vorweg beurteilt, welche Auswirkungen diese Senkung auf den Kapitalmarkt, die Behörden und die Unternehmer hat. Darum ist das ganz wichtig, und ich verstehe nicht, warum wir jetzt nicht bis 15. September abwarten sollten und uns auch Großbritannien im Hinblick darauf anschauen, was für Folgen das hat und was es kostet.

Ich war nicht herinnen, aber ich habe gehört, dass hier die AMIS von dir (in Richtung Bundesrat Schennach) kritisiert wurde. – Ich halte das nicht gerade für guten politischen Stil, wenn du hier eingreifst. Es läuft ein Strafverfahren und ein Amts­haftungsverfahren, und das sollte man wirklich abwarten. Beim Bankenausschuss hat es diese von dir geäußerte Kritik nicht gegeben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Kraml.)

11.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.00.176. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (2 d.B. und 57 d.B. sowie 7674/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (27 d.B. und 58 d.B. sowie 7675/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 56

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (28 d.B. und 59 d.B. sowie 7676/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 6 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte ihn darum.

 


12.01.05

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich bringe daher den Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich bringe daher den Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe darüber hinaus den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte. – Es liegen keine Wortmeldungen vor.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 57

Wir kommen daher zur Abstimmung, die getrennt über die Vorlagen stattfindet.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Lettland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun wird über den Antrag abgestimmt, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 58

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit ange­nommen.

Nun stimmen wir über den Antrag ab, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Auch hier bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustim­men, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der vorliegende Beschluss ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf auch er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Und nun wird über den Antrag abgestimmt, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Auch hier ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

12.08.319. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch ihre Vertretungsbehörden im Verfahren zur Erteilung von Visa (31 d.B. und 45 d.B. sowie 7677/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Bader übernommen. – Bitte.

12.08.58

 


Berichterstatter Karl Bader: Ich bringe den Bericht zum gegenständlichen Tagesord­nungs­punkt und darf mich auf die Antragstellung beschränken, weil der schriftliche Bericht Ihnen allen vorliegt.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


12.10.01

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Abkommen mit Ungarn über die wechselseitige Vertretung in Verfahren zur Erteilung von Visa geht es an und für sich um ein Abkommen zur Verwaltungsvereinfachung. Es geht hier genau genommen darum, dass zukünftig ungarische Behörden Tätigkeiten im Zusammenhang mit Visa-Verfahren für öster­reichische Behörden in jenen Ländern übernehmen, wo Österreich keine Vertretung hat, beziehungsweise – es ist ein wechselseitiges Abkommen – das gilt natürlich auch umgekehrt.

Als Verwaltungsvereinfachung wäre das eigentlich positiv zu sehen. Ich muss deshalb begründen, warum wir hier nicht zustimmen werden. Dieses Abkommen enthält nämlich – und das ist für uns immer ein sehr heikler Punkt! – auch einen Passus betreffend die Einholung von biometrischen Daten der AntragstellerInnen bei Visa-Verfahren. Und bei biometrischen Daten muss man immer sehr genau hinsehen, was damit passieren soll und warum das gemacht wird.


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Ich habe im Ausschuss auf meine Frage hin die Auskunft erhalten, dass eine Verord­nung der EU jetzt in Vorbereitung sei, die biometrische Daten betrifft. Und das Abkommen enthält einen Passus, der sich auf eine Verordnung bezieht, die noch nicht in Kraft ist, die noch nicht vorliegt. Das heißt, es besteht für uns hier doch eine große Unklarheit, worüber wir hier eigentlich abstimmen sollen.

Wir beschließen – oder besser gesagt, Sie beschließen, weil wir hier nicht zustimmen werden – eine Verfassungsbestimmung, die vorauseilend all das ermöglicht, was irgendwann einmal die EU zu diesem Punkt beschließen wird. Gerade in Hinsicht auf biometrische Daten ist das für mich ein wenig unvorsichtig. Hier muss man, wie gesagt, sehr genau hinsehen.

In ähnlichen Abkommen, die bisher beschlossen wurden, war genau ein solcher Passus eben nicht enthalten. Da war nicht von biometrischen Daten die Rede. Insofern ist das hier ein Sonderfall, über den wir heute reden.

Und es gibt noch einen zweiten Punkt des Abkommens, der für uns auch proble­matisch ist, und zwar geht es um den Artikel 4, in dem ausdrücklich festgehalten ist, dass die eine Vertragspartei keine Haftung für Tätigkeiten der anderen Vertragspartei übernimmt, wenn dadurch eventuelle Schäden entstehen.

Wenn jetzt also durch die Handlung eines Beamten oder einer Beamtin der einen Seite für eine Person, die um ein Visum ansucht, ein Schaden entsteht, dann ist laut diesem Abkommen völlig ungeklärt, wer denn für diesen Schaden haftet. Es ist jedenfalls nicht die vertretene Vertragspartei.

Das sind zwei große Unklarheiten, denen wir so nicht zustimmen können. Wir werden deshalb diesem Abkommen nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Grünen.)

12.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


12.12.47

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seitens der Kollegin Konrad ist es erwähnt worden, dass das Ganze doch an sich eine gute Sache ist, aber weil die biometrischen Daten erhoben werden, könne man dem nicht zustimmen, und die Haftungsfrage sei auch nicht geklärt. (Bundesrätin Konrad: Nein! Genauer zuhören!)

Bitte, hier ist schon zu sagen, dass die EU sich seit längerer Zeit bemüht, auf dem Sektor der sogenannten dritten Säule entsprechende Maßnahmen zu setzen. Und aufgrund dessen geht Österreich eben vorausschauend – nicht mit vorauseilendem Gehorsam, sondern vorausschauend! – vor, indem man in dieses Abkommen bereits die biometrischen Daten aufnimmt.

Ich finde, das ist eine sehr vernünftige Sache. Bei der Begründung, warum man dagegen ist, glaube ich doch eher, dass ein Fall von klassischer Scheinargumentation vorliegt. (Bundesrat Schennach: Au! Au! Au! Welcher Schein...?)

Das Zweite, was ich sagen möchte, ist, dass ich dieses Abkommen beispielgebend finde, dass sich nämlich im Bereich der EU zwei, drei Staaten zusammentun, um gemeinsam im EU-Ausland aufzutreten. Und das ist, wie gesagt, ein echtes Pilotprojekt. Österreich ist da wirklich ein Vorreiter im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wird sich in dem Fall auch noch ein drittes Land, nämlich Slowenien,


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 60

beteiligen. Als Pilotland ist Moldawien vorgesehen – da wird jeder von uns wissen, wo das ist –, und zwar soll in der Stadt Chişinău das Pilotprojekt durchgeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für meine Partei ist es daher selbst­verständlich, dass wir diesem vorausschauenden Abkommen zustimmen. Wir sind der Meinung, dass die Aufnahme der biometrischen Daten vernünftig ist, denn die Auf­nahme bedeutet ein höheres Maß an Sicherheit – und für das bin zumindest ich als Vorsitzender des Innenausschusses jederzeit zu haben.

Und als Letztes möchte ich noch darauf hinweisen, dass hier in der EU die Zusam­menarbeit gefördert wird. Und alles, was Zusammenarbeit fördert, ist von Österreich jederzeit zu unterstützen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

 


12.15.30

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundesratsfraktion wird dem gegenständlichen Staatsvertrag mit Ungarn gerne ihre Zustimmung erteilen. Dieser Staatsvertrag ist eine Erweiterung der schon existieren­den nachbarschaftlichen Zusammenarbeit. Nunmehr soll diese Zusammen­arbeit auch im Bereich des Visa-Wesens ausgebaut werden.

Es ist dies auch ein Projekt innerhalb der Europäischen Union, an dem sichtbar wird, wie zwei Staaten zum Wohle ihrer BürgerInnen eine Zusammenarbeit eingehen, um diese bestmöglich unterstützen zu können.

Wie sensibel aber Visa-Angelegenheiten sind, haben die Skandale um rechtswidrig ausgestellte Visa bei österreichischen Vertretungsbehörden aufgezeigt. Ich würde mich daher in diesem Zusammenhang dafür interessieren, sehr geehrter Herr Bundesminister, wie der gegenwärtige Stand der Aufarbeitung dieser Skandale ist, aber insbesondere auch, welche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen getätigt wurden, um solche Visa-Skandale in Zukunft auszuschließen beziehungsweise zu verhindern. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Doch zurück zur Zusammenarbeit mit Ungarn. Aus heutiger Sicht wird Österreich die größten Teile seiner Schengen-Außengrenze verlieren und unter anderem diese Auf­gabe an die Ungarn abtreten. In diesem Zusammenhang möchte ich als Mandatar, der an einer solchen Grenze – allerdings mit der Republik Tschechien – lebt, dafür appel­lieren, dass wirklich alles unternommen wird, um durch Ausgleichsmaßnahmen die Sicherheit des österreichischen Staatsgebietes zu gewährleisten.

Es muss daher, bevor eine solche Erweiterung erfolgt, im Detail überprüft werden, ob die neuen Schengen-Mitgliedstaaten tatsächlich ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüll­en, denn Menschenhandel und Schlepperei zählen zu den grausamsten Ver­brechen. Gesamteuropa muss daher alles unternehmen, um diese Verbrecher effektiv zu bekämpfen.

Ich erkläre nochmals, dass wir diesem Staatsvertrag gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist bemängelt worden, dass Herr Kollege Winter in seiner Rede eine Frage gestellt hat. Leider ist weder die Frau Bundesministerin noch der Herr Staatssekretär anwesend.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 61

Dürfen wir Sie bitten, diese Frage weiterzugeben? Das Protokoll ist sicher auch gerne bereit, Ihnen das dann auch so in die Hand zu geben. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor. – Herr Bundesminister, bitte.

 


12.19.02

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Prä­sidentin! Wenn ich schon das Vergnügen habe, die Frau Außenministerin hier vertreten zu dürfen, dann möchte ich diese Gelegenheit wahrnehmen. Ich bedanke mich aber schon für Ihr vorauseilendes Verständnis, dass ich sozusagen in substanzielle Beantwortung laufender außenpolitischer Fragen nicht eingreifen möchte, und darf mich auf die Materie im engeren Sinn und das, was Gegenstand der Besprechungen war, beschränken.

Ich darf nochmals darauf hinweisen – ich glaube, das steht für alle außer Streit –: Europa ist nicht nur ein historisches Friedensprojekt, sondern es ist ein Projekt, das uns heute völlig neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit bietet. Die Europäische Union hat die Grenzen innerhalb Europas beseitigt, sie bietet uns aber auch die Chance auf mehr Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit, der Justiz und der Innenpolitik. Das wollen wir unseren Bürgern zumuten und zuerkennen. Und dazu bekennt sich auch die österreichische Bundesregierung im Rahmen des Regierungs­programmes.

Das nun vorliegende Abkommen zwischen Österreich und Ungarn bedeutet für Öster­reich neuerlich das Einnehmen einer Vorreiterrolle im Bereich einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik, wie das bereits beim Prümer Vertrag zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten der Fall war. Dieses Abkommen bildet die Grundlage für die Einrichtung gemeinsamer Visaannahmestellen, die in unserem Regierungs­pro­gramm vorgesehen sind und von der Europäischen Kommission auch begrüßt werden. Gemeinsame Visaannahmestellen in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Part­nern bieten die einmalige Chance, unser Vertretungsnetz im Ausland kosteneffizient auszubauen und zugleich eine sichere und effiziente Bearbeitung und Kontrolle der Visaanträge zu gewährleisten. Mehr Kooperation bedeutet daher mehr Effizienz und mehr Service bei Einhaltung strikter Kontrollsicherheit.

Als Pilotprojekt ist die Einrichtung einer gemeinsamen Visaannahmestelle mit Ungarn und Slowenien an der ungarischen Botschaft in Chişinău in der Republik Moldau geplant. Falls der Bundesrat heute zustimmt – wozu ich Sie nochmals sehr herzlich einladen möchte –, soll diese Visastelle mit österreichischer Beteiligung bereits am 25. April feierlich eröffnet werden.

Weil also Österreich keine Vertretung in Moldau unterhält, sind moldauische Staats­bürger derzeit gezwungen, ihr Visum an der österreichischen Botschaft in Bukarest zu beantragen. Für die Reise nach Bukarest benötigen moldauische Staatsangehörige allerdings ebenfalls ein Visum. Der derzeitige Zustand isoliert daher die Republik Moldau zusehends in Europa und stellt für menschliche Kontakte ein echtes Hindernis dar.

Nach Inbetriebnahme der gemeinsamen Visaannahmestelle können Visaanträge für moldauische Staatsbürger direkt in Chişinău eingereicht werden und werden dann an die österreichische Botschaft in Bukarest zur Bearbeitung weitergeleitet. Ab dem Zeit­punkt, zu dem Ungarn Schengen-Mitglied sein wird, kann Ungarn die vollwertige Ver­tretung Österreichs bei der Visaabwicklung übernehmen.

Neben Österreich und Ungarn wird sich auch Slowenien, das am 16. März ein im Wesent­lichen gleichlautendes Abkommen unterzeichnet hat, an diesem richtung­weisenden Projekt in Chişinău beteiligen. Dieses Pilotprojekt macht daher die Dynamik


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und Wirksamkeit der Regionalen Partnerschaft sichtbar. Österreich, Ungarn und Slowenien nehmen damit eine Vorreiterrolle in Europa ein. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, darf ich Sie nochmals um Zustimmung zum vorliegenden Staatsvertrag ersuchen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss in dessen Artikel 1 Abs. 1 eine verfassungs­ändernde Bestimmung enthält, bedarf dieser gemäß Artikel 50 Abs. 3 der Bundes­verfassung in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder Stimmenmehrheit gegeben, der Antrag ist somit angenommen, und zwar unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserforder­nisse.

Ich stelle nochmals ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

12.24.4610. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 63

2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (117/A und 47 d.B. sowie 7678/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Mag. Baier übernommen. – Bitte.

 


12.25.06

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Ich darf Ihnen nur mitteilen: Österreich hat eine Bundesregierung, nur wir haben keinen Vertreter von ihr hier im Saal – aber gut.

 


12.26.00

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsiden­tin! Auf der Regierungsbank kann ich niemanden begrüßen – gut, macht nichts. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Änderung des Entschädigungsfonds­gesetzes geht es um drei Punkte:

Es geht erstens darum, dass Naturalrestitutionen auch im Fall bereits erfolgter Ent­schädigungszahlungen möglich sind, wobei natürlich dann in diesem Fall der entsprechende Betrag an den Entschädigungsfonds zurückfließt.

Es geht weiters darum, dass die Antragsfrist für Naturalrestitutionen bis Ende des Jahres 2007 erstreckt wird. Dies ist schon deshalb notwendig, weil einige Gebiets­körperschaften die Schiedsinstanzen erst im zweiten Halbjahr des vorigen Jahres eingerichtet haben beziehungsweise erst heuer einrichten werden.

Und es geht drittens um die Ermächtigung zum Austausch personenbezogener Daten zwischen dem Entschädigungsfonds und dem Nationalfonds, die ja sehr eng zusam­menarbeiten, sodass das ja direkt auch eine Notwendigkeit ist.

Ich möchte diese Gelegenheit zum Anlass nehmen, um den 132 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Entschädigungsfonds meinen großen Dank auszudrücken. Sie machen eine sehr, sehr wichtige Arbeit, die sie mit großer Verantwortung und mit unermüd­lichem Einsatz leisten, und ich möchte stellvertretend für diese Mitarbeiter Frau Hannah Lessing, die Geschäftsführerin beider Fonds ist, meinen Respekt zum Ausdruck bringen.

Vielleicht einige interessante Zahlen: Es wurden bereits 20 641 Anträge eingebracht. Davon sind 13 390 Anträge fertig bearbeitet, in 4 600 Fällen wurde bereits ausbezahlt, und 15 195 Anträge sind juristisch abgeschlossen. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass bis Ende des heurigen Jahres über alle Anträge entschieden sein wird und dass im Jahre 2008 die Auszahlungen erfolgen können.

Ich möchte diesen Anlass aber weiters auch dazu nützen, um einigen Institutionen zu danken – in chronologischer Abfolge:

Ich möchte den Verhandlern des Washingtoner Abkommens danken, dass sie dieses Ergebnis zustande brachten.

Ich möchte auch der Kultusgemeinde danken, die anfänglich die Klage in den Vereinigten Staaten unterstützte, aber in weiterer Folge dann einen wesentlichen Schritt zur Erlangung der Rechtssicherheit setzte.

Ich möchte weiters der österreichischen Wirtschaft danken, die immerhin zur Dotierung des Fonds 210 Millionen US-Dollar aufgebracht und in den Fonds eingebracht hat.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 64

Ich möchte auch erwähnen, dass wohl 1995 das Bekenntnis der Mitschuld statt­gefunden hat, aber noch keine Taten folgten. Und so ist es auch sehr, sehr wichtig, dass im Mai 2001 unter Bundeskanzler Schüssel das Entschädigungsfondsgesetz in Form eines Fünf-Parteien-Antrages eingebracht wurde und dass in Bezug auf dieses Gesetz alle im Parlament vertretenen Parteien einig waren und hier mitgestimmt haben.

Ich möchte bei diesem Anlass auch einer wichtigen Einrichtung meinen Dank aus­sprechen, und zwar dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Es leistet eine sehr, sehr wichtige Arbeit in der wissenschaftlichen Aufarbeitung unserer Geschichte. Es ist Botschafter und Mahner für die Jugend und für spätere Generationen. Das DÖW schärft unser Bewusstsein und erinnert daran, dass verbrecherische Regime nicht wie eine Naturkatastrophe über ein Volk hereinbrechen, sondern dass es dazu einer Geisteshaltung bedarf – Anfängen, Entwicklungen, die es sensibel zu beobachten gilt. Solche Geisteshaltungen wachsen wie ein Krebs, und sie bedürfen eines Nährbodens. Hier ist es sehr, sehr wichtig, dass unsere Wachsamkeit nicht nachlässt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass das DÖW finanziert wird durch eine Stiftung, die von Wien und dem Bund gespeist wird. Wien valorisiert alljährlich den Betrag, den es in diese Stiftung einbringt. Der Bund hat leider 1995 letztmalig valorisiert, sodass das DÖW in Bedrängnis ist und zurzeit eine Differenz von 40 000 € hat. Vielleicht kann man sie da unterstützen, indem der Bund ähnlich agiert wie in dem Fall die Stadt Wien.

Wichtig ist es mir, abschließend zu betonen, dass das Unrecht, das passiert ist, und das menschliche Leid, das verursacht wurde, nicht wiedergutgemacht werden können. Wir nehmen hier eine moralische und eine symbolische Wiedergutmachung vor. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals, Frau Kollegin. Ich hätte mir gewünscht, dass bei diesem Thema mehr Kolleginnen und Kollegen im Saal anwesend sind, und ich möchte auch von dieser Stelle aus Danke sagen für die Worte, die Sie vor allen Dingen für die Beamtinnen und Beamten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Fonds gefunden haben. Wir werden dafür sorgen, dass dieser Dank auch wirklich weitergegeben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Roth-Halvax: Darf ich auch etwas sagen: Ich bin auch betroffen über die mangelnde Anwesenheit! Vielleicht könnte man das in der nächsten Präsidiale zum Thema machen!)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.31.50

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Gospa president! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die demokratische Einstellung einer Republik spiegelt sich in der Frage wider, wie sich das Land zu den dunklen Kapiteln seiner Geschichte und der Aufarbeitung der Vergangenheit verhält. (Staats­sekretärin Silhavy betritt soeben den Sitzungssaal und nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Recht herzlich willkommen, Frau Staatssekretärin! Pozdravljena, gospa državna sekretarka! – Vor allem in den Jahren zwischen 1938 und 1945 gab es eine Zeit, die sehr tragisch, sehr schicksalhaft, sehr menschenverletzend war und einfach nicht mehr wiedergutzumachen ist, und ich glaube, dass es unsere Aufgabe ist, allen Personen, die in dieser Zeit besonderes, menschenverachtendes und menschen­verletzendes Leid ertragen mussten, unsere Unterstützung, jedoch auch unser Ver­ständnis entgegenzubringen.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 65

Wiedergutmachen, so wie es meine Vorrednerin gesagt hat, kann man diese Zeit nicht mehr. Es kann nur versucht werden, dass sich Österreich dieser Verantwortung stellt und, soweit es geht, dieses Unrecht – unter Anführungszeichen – „symbolisch ent­schädigt“.

Der Nationalfonds der Republik Österreich ist eine Institution, die nicht mehr weg­zudenken ist. Er ist eine Institution, die versucht, gewaltiges Unrecht, ausgelöst durch den Nationalsozialismus, wieder – unter Anführungszeichen – „auszugleichen“ und den Opfern und deren Erben geraubtes Gut zu entschädigen.

Die Bestimmungen des Entschädigungsfondsgesetzes ermöglichen es ehemaligen Eigentümern und Eigentümerinnen oder ihren Erben, Liegenschaften sowie beweg­liches Vermögen zurückzufordern. Das Washingtoner Agreement sieht die Antrags­berechtigung für den Allgemeinen Entschädigungsfonds für alle Personen vor, die während des Nationalsozialismus Verlust und Schäden erlitten haben. Dazu gehört auch die Opfergruppe der Roma und Sinti.

Die gegenständliche Gesetzesvorlage, die sehr positiv ist und der wir selbstver­ständlich zustimmen, weil sie für all diese Personen, die in der Zeit des National­sozialismus wirklich sehr viel Leid ertragen mussten, wenngleich keine Wieder­gut­machung leistet, so doch Unterstützung und Verständnis zum Ausdruck bringt und eine Entschädigung vorsieht, bringt im Wesentlichen in drei Punkten eine Abän­derung – die Vorrednerin hat das schon erwähnt, ich werde es kurz zusammen­fassen –:

Es geht erstens darum, dass eine nachträgliche Naturalrestitution ermöglicht wird, zweitens darum, dass der Datenaustausch zwischen dem Entschädigungsfonds und dem Nationalfonds durch eine neu formulierte Datenschutzbestimmung ermöglicht wird, und drittens darum, dass die Antragsfrist verlängert wird.

Auch ich möchte mich in meinem Namen und im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei allen, die etwas dazu beigetragen haben, um dieses Leid auszugleichen, recht herzlich bedanken.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.36


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.36.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man könnte so eine Rede auch vor einem leeren Haus beginnen. Die Stimmung ist wirklich etwas seltsam, aber sie hängt wahrscheinlich auch mit der Situation dieser Materie zusammen.

Selbstverständlich, Frau Präsidentin, teile ich das, was Sie gesagt haben – an den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Fonds liegt es nicht, dass vieles erst sehr spät kommt. Wo ich etwas vorsichtig bin, ist das gegenseitige Schulterklopfen in der Republik selbst, denn die 210 Millionen US-Dollar – das sind US-Dollar, bitte, ja nicht zu verwechseln mit Euro! – stehen einer Summe von 9,5 Milliarden € gegenüber, die entwendet und geraubt wurden. 9,5 Milliarden € werden aufgewogen mit 210 Mil­lionen US-Dollar – das ist mehr als dürftig, mehr als wenig, und es ist maximal eine symbolische Geste. Und es hat ja jemand profitiert! So eine Großtat der Wirtschaft ist es daher nicht, diesen Fonds zu speisen, denn arisierte Unternehmen, arisierte Häuser, Grundstücke, Bankkonten, Wertgegenstände, machen einen Großteil der 9,5 Milliarden € – heute, umgerechnet –, oder wenn wir es in Reichsmark sagen:


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 66

2,5 Milliarden Reichsmark, aus. – Das sind die Zahlen, die offiziell vorliegen; wahr­scheinlich ist das Inoffizielle wesentlich höher.

Und dass wir 60 Jahre nach dem erfolgten Raub, nach der Liquidation der Betriebe erst diesen Fonds einrichten, das ist ja etwas, was bedrückend ist, oder dass wir 55 Jahre nach Kriegsende erst zu einer symbolischen Handlung fähig sind. Da fragt man sich: Wie lange hat diese Republik gebraucht, jenen, die geschädigt wurden, zumindest eine symbolische Form der Entschädigung zukommen zu lassen?! – Insofern möchte ich hier nicht so in diesen Jubel einstimmen. Ich teile das, was die Frau Präsidentin gemeint hat: Denjenigen, die heute in 20 000 Akten das Leid nachvollziehen müssen, das auszahlen und diesen Fällen nachgehen, gebührt unser uneingeschränkter und voller Dank dafür.

Was heute auch mit angesprochen worden ist: Wir schließen Lücken, die da sind, und eine dieser Lücken betrifft natürlich auch die Volksgruppe der Sinti und Roma. Und nur damit es einmal feststeht: Dem fahrenden Volk, das in Langenbach ins KZ kam, wurde auch das Vermögen genommen. Wenn man glaubt, das fahrende Volk hat ohnehin nichts gehabt: Hier geht es interessanterweise auch um Häuser! Eine Studie, die uns vorliegt, sagt, den Roma und Sinti in Österreich ist ein Vermögen in der Höhe von 100 Millionen € entwendet worden. Bei der Aussendung von 2001, die an 30 000 Anspruchsberechtigte ging, haben sich zwischen 1 000 und 2 000 noch lebende Angehörige der Roma und Sinti gemeldet, und 600 haben heute einen Antrag auf Entschädigung gestellt.

Ich finde es richtig und wichtig, dass wir die Volksgruppe der Roma und Sinti nicht vergessen, denn auf diese Volksgruppe ist schon bei der Anerkennung als Volks­gruppe lange vergessen worden. Deshalb ist dieser Schritt, der hier mit gesetzt wird, ein weiterer der Konsolidierung. Selbstverständlich stimmen wir hier und heute zu. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


12.41.48

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe zu diesem Entschädigungsfondsgesetz, glaube ich, schon einmal sehr ausführlich gesprochen und dabei mein Mitgefühl, aber auch meine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass das so lange gebraucht hat. 62 Jahre sind seit dem Krieg, seit diesem traurigen Kapitel vergangen – und wir sind eigentlich noch immer nicht fertig. Auch wenn man weiß, dass der Austausch von Daten aufgrund des Datenschutzes sehr problematisch ist, sollten wir, glaube ich, alle Verantwortlichen schon ein bisschen mehr auch an das Zeitgefühl erinnern, zumal die Menschen zum Teil gar nicht mehr leben, und daher das Bedürfnis, mit Anstand etwas zu erhalten, zu bekommen, gar nicht mehr besteht.

Dieser Daten- und Paragraphendschungel – ich sage das bewusst – hemmt uns in vielen Bereichen sehr stark; wir sollten wirklich einmal darüber reden. Es gibt viele Dinge, die nicht so richtig funktionieren, weil man sich gegenseitig immer wieder mit großem Misstrauen begegnet, und daher muss es natürlich Dinge geben, wo Daten­schutz sein muss, und Dinge, wo Datenschutz eben nicht sein sollte. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir heute über dieses ganze Problem reden, dann, muss ich sagen, ist das höchste Zeit! Da brauchen wir nicht hin- und herzureden und nicht noch mit Schuldzuweisungen und so weiter zu agieren: Es hat einfach zu lange gedauert, die ganze Situation hat sich einfach zu sehr hinausgezögert.


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Österreich mit seiner international hohen Anerkennung hat es auch zuwege gebracht, dass wir in dieser Frage Vorbildwirkung haben. Kein Land der Welt ist so vorbild­wirkend wie Österreich in dieser Frage! Es war sicher nicht leicht für die Republik, es war sicher auch nicht leicht für die großzügigen Spenden, aber wir haben es geschafft, und wir haben es gemacht. – Und diese hohe Anerkennung beweist, welchen Stand wir als Europäer in der Welt haben.

Es ist so, dass wir in diesem Jahrhundert den letzten Teil der vor über 65 Jahren über uns hereingebrochenen Misere bewältigen müssen, und ich hoffe, dass das mit der heutigen Beschlussfassung des Bundesrates umgesetzt wird. In diesem Jahrhundert, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir aber auch ein zweites Kapitel zu bewältigen gehabt: das der Heimatvertriebenen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, ich möchte Sie wirklich bitten, dass wir dieses Thema der Vertreibung, der Vergewaltigung, der Schändung, des Tot­schlags und des Raubes dieser Menschen auch diskutieren. – Ich gehöre zu dieser Generation, und ich habe das schon einmal hier in diesem Haus gesagt. Man hat versucht, es mir anders nachzusagen, aber, liebe Freunde, der Verfassungsdienst hat mir bestätigt, dass ich nichts Unrechtes gesagt habe, die politischen Parteien haben meine Worte nur anders ausgelegt; ich habe auch alle Verhandlungen gewonnen.

Liebe Freunde! Wer mich kennt, wer mich als Bürgermeister kennt, wer mich aus dem Landtag kennt, der weiß, dass ich immer für die Schwachen eingetreten bin, dass ich immer gegen die Ungerechtigkeit aufgetreten bin, und das werde ich auch in Zukunft tun. Daher sehe ich es als unsere Verantwortung, das Problem, das wir heute haben, mit Ernst und auch mit Sorge abzuschließen. Ich trage wirklich sehr hart daran, weil ich weiß, wie es solchen Menschen ergangen ist, denen man mit größter Brutalität letzten Endes bis zu ihrer Hinrichtung begegnet ist. Daher schmerzt mich das.

Aber auch der andere Teil – glauben Sie mir, liebe Freunde hier im Bundesrat – gehört hierher. Dabei handelt es sich um Menschen, die in Österreich, hier bei uns wohnen. Es gibt noch die Jahreshauptversammlungen, und interessanterweise treffe ich dort alle politischen Parteien. Jeder sagt, das ist Unrecht – nur: Wir reden nicht darüber! Daher möchte ich wirklich bitten, dass wir in aller Offenheit und ohne Vorbehalte über all das reden sollten. – Das wäre meine Zielsetzung.

Ich glaube, dass wir heute gemeinsam eine gute Entscheidung treffen und das positiv unterstützen. – Ich danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

12.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Kampl, es ist schon mehr­fach versucht worden, Ihnen zu erklären, dass Unrecht Unrecht ist. (Bundesrat Ing. Kampl: So ist es!) – Das ist die eine Sache. Aber es ist absolut unzulässig, das eine mit dem anderen aufzurechnen. (Bundesrat Ing. Kampl: Warum? – Bundesrat Reisenberger: Entweder man hat das Gewissen oder man hat es nicht!)

Es tut mir leid, ich kann jetzt, vor allen Dingen von diesem Platz aus, keine Diskussion mit Ihnen führen, ich würde nur wirklich ganz herzlich darum bitten, mit diesem Versuch der gegenseitigen Aufrechnung aufzuhören. Das hat hier keinen Platz.

Niemand bezweifelt das entsetzliche Leid, das Menschen widerfahren ist, die ver­trieben wurden. Dieses Leid gibt es auch heute noch. Es sind Millionen Menschen auf der Wanderung, weil sie aus ethnischen Gründen vertrieben werden. – Kein Mensch bestreitet dieses Leid, nur, bitte, es ist unvergleichbar mit dem Grauenhaften, das durch industrialisierten Mord zum Beispiel an 6 Millionen Menschen geschehen ist. Da gibt es kein gegenseitiges Aufrechnen! Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 68

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


12.48.59

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas von meinem Konzept abweichend möchte ich doch kurz feststellen, dass ich Ihnen, Frau Präsidentin, recht gebe, denn es kann nicht sein, dass man das eine Unrecht mit einem eventuellen anderen Unrecht aufrechnet. – Das ist das eine.

Das Zweite: Dieser Standpunkt ist nicht sehr christlich.

Und das Dritte: Wenn wir gegenseitig immer wieder aufrechnen, ist damit zu rechnen, dass sich die Spirale immer weiter drehen wird. Und irgendwann einmal in einer immer besser werdenden Welt muss erreicht werden, dass diese Spirale unterbrochen wird. – Das nur zu dieser vorherigen Diskussion.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukehren, möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion herzlich bedanken bei den Mitarbeitern, die beim Entschädigungsfonds tätig sind und hier versuchen, die Dinge so rasch wie möglich voranzubringen.

Ich möchte auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erwähnen, das ich deswegen ein bisschen besser kenne, weil es im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße untergebracht ist und ich dort als Bezirksrat häufig vorbeikomme und beobachten kann, welche Tätigkeiten dort wahrgenommen werden.

Ich möchte weiters sagen, dass die Vorredner nicht nur sehr viel Vernünftiges, sondern auch sehr viel Richtiges gesagt haben – vielleicht mit einer Ausnahme –, und was richtig gesagt worden ist, möchte ich nicht wiederholen. Daher sei mir erlaubt, im Folgenden etwas holzschnittartig zu sprechen.

Meine Fraktion bedauert selbstverständlich, dass sehr spät versucht worden ist, der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, aber: besser spät als nie – das muss der Grundsatz dazu sein.

Weiters ist zu begrüßen, dass laufend daran gearbeitet wird, dass die österreichische Vergangenheit – und wir haben immer mehr Erkenntnisse von unserer Vergangen­heit –, aber vor allem auch die Zeit von 1938 bis 1945 aufgearbeitet wird und – um auf den Beschluss, der nun gefasst werden wird, zurückzukommen – dass die vermögens­rechtlichen Fragen der Praxis angepasst werden, um sich dem Ziel, immer mehr Gerechtigkeit zu erreichen, anzunähern.

Aus dem heraus stimmt meine Fraktion dem zu. Ich möchte betonen – und das zeichnet sich doch ab –, dass in dieser sehr wichtigen Frage für die Republik eine Einstimmigkeit erzielt werden kann. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Florianschütz. – Bitte.

 


12.52.19

Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bis jetzt viel Richtiges gesagt worden – aber auch Falsches, und das kann man natürlich nicht unwider­sprochen im Raum stehen lassen. Wenn heute hier jemand gesagt hat, über dieses Land ist damals eine Katastrophe hereingebrochen, dann ist das gewissermaßen falsch, denn diese Katastrophe ist nicht einfach hereingebrochen, sondern sie wurde von Menschen gemacht. Die Schuldigen daran, die Täterinnen und Täter, kommen aus


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 69

diesem unserem Heimatland. – Auch das sollte man nicht vergessen, daran sollte man erinnern.

Frau Präsidentin Haselbach hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass in der Zeit zwischen 1938 und 1945 die Shoah stattgefunden hat. – Das ist die industrielle Vernichtung von Menschen in einem ungeheuren Ausmaß, das ist ein einzigartiges Menschheitsverbrechen, meine Damen und Herren, und kann mit nichts abgewogen werden!

Das bedeutet nicht, dass es nicht auch andere Verbrechen gibt, mit denen man sich auseinandersetzen müsste, aber allein der Versuch einer Gleichsetzung führt mich zu einem Buch, das ich gelesen habe: „Die Unfähigkeit zu trauern“ vom Ehepaar Mitscherlich. – Das ist eben die Unfähigkeit zu trauern: indem man gewaltsam versucht, Verbindungen zu schaffen, um damit – und das unterstelle ich jetzt einfach – Entlastungen von eigener Schuld zu konstruieren, indem man hergeht und in etwa Dresden mit Auschwitz gleichsetzt, was in Wirklichkeit ungeheuerlich ist. Darauf muss man hinweisen und das muss man zurückweisen, weil sonst die Unfähigkeit zu trauern wie eine bleierne Belastung über diesem unserem Land liegt. Das tut sie ja offensichtlich immer noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle ist klein, aber wichtig, aber – da gebe ich Kollegem Schennach recht – doch kein Grund zum Jubel, denn es ist keine außergewöhnliche Leistung, dass die Republik Österreich – sehr spät, aber doch – das tut, was sie tut: Es ist wichtig, die Fristverlängerung auf ein Jahr vorzunehmen, weil ja Schiedsinstanzen erst Mitte 2006 gegründet worden sind. Die Möglichkeit der Naturalrestitution ist wichtig, keine Frage. Wichtig ist insbesondere auch – und das sollte man nicht unterschätzen – die Frage der Datenweitergabe, weil daran ja die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Weiteraufarbeitung des Verbrechens und des Schicksals der Opfer gebunden ist und der Nationalfonds und der Ent­schädigungsfonds eng zusammenhängen.

Im Nationalrat ist diese Gesetzesnovelle von fünf Parteien beschlossen worden. Obwohl ich bei zweien einen gewissen Zweifel an der Ehrlichkeit habe, ist es trotzdem erfreulich, dass sich alle fünf Parteien dazu durchringen konnten; ich glaube allerdings nicht, dass es bei diesen zweien, die ich meine – aber das muss ich hier nicht betonen –, zu einer Bewusstseinsänderung gekommen ist, insbesondere nicht nach den Plakaten des letzten Wahlkampfes.

Ich gebe all jenen recht, die sagen, dass 1995, als wir das Bekenntnis zur Mitschuld abgelegt haben, ein später Zeitpunkt war, dass Mai 2001, als wir das Entschädigungs­fondsgesetz beschlossen haben, ein später Zeitpunkt war, aber: Spät ist besser als nie! Ich gebe insbesondere all jenen recht, die meinen, dass 210 Millionen Dollar sehr symbolisch sind; insbesondere deshalb, weil diese Summe auf ganz viele Leute – es gibt 200 000 Einzelanträge – aufgeteilt werden muss.

Ich verweise an dieser Stelle auf die merkwürdigen Erlebnisse, die ich gehabt habe, als plötzlich ein paar Klimt-Bilder zurückgegeben werden mussten. Das wurde in diesem Land als Staatskatastrophe begriffen. – Meine Damen und Herren, es handelt sich bei diesen Entschädigungen um Rechtsansprüche, um ganz kleine Wiedergutmachungen und Rechtsansprüche. Das sind keine Geschenke, und diejenigen, die diese Anträge stellen, sind keine Bösen, sondern das sind geduldige und bescheidene Menschen, die in Wirklichkeit sehr ruhig sind, denn ob der Verluste, die nicht entschädigt und restituiert werden, könnte man in Zorn verfallen und die Ungerechtigkeit beklagen. So gesehen muss man sich tatsächlich bei der Kultusgemeinde für ihren Langmut bedanken, man hätte das auch viel härter und strenger sehen können.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 70

Dem Dank insbesondere – stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – an die liebe Hannah Lessing und an Brigitte Bailer-Galanda schließe ich mich an. Es ist – ich habe mir das selbst angesehen – eine ungeheure Arbeit, diese Akten aufzu­arbeiten, es ist eine ungeheure Arbeit, dem nachzugehen, und es ist eine schmerz­hafte Arbeit, insbesondere deshalb, weil nicht alle Anträge positiv beschieden werden können. Allein das ist schmerzhaft: zu wissen, dass es Menschen gibt, die Unrecht erlitten haben, die aber trotzdem keine Entschädigung erhalten. Das, meine Damen und Herren, ist schmerzhaft.

Und schmerzhaft ist – und da bin ich durchaus der Meinung des Kollegen Schennach –, dass den Angehörigen einer spät, aber doch anerkannten öster­reichischen Volksgruppe, nämlich unseren Freunden der Sinti und Roma – und das sage ich jetzt als Angehöriger des Volksgruppenbeirates der ungarischen Minderheit in Österreich –, dass unseren Freunden der Roma und Sinti nachweislich 100 Millionen € gestohlen worden sind und sie im Grunde nur ganz wenig zurückbekommen. Das ist deshalb bedauerlich, weil es zeigt, dass die Lebenssituation der Angehörigen der Volksgruppe, die Anerkennung der Angehörigen der Volksgruppe und das Image der Volksgruppe selbst immer noch nicht gut sind.

Das ist bedauerlich, und es steht zu hoffen, dass das – so wie jetzt auf ein Jahr verlängert wurde und das gemeinsame Bemühen da ist – wenn auch nicht wieder­gutzumachen – das kann man nicht wiedergutmachen –, so doch zu entschädigen sein wird; zu entschädigen, das ist ein Unterschied. Es steht zu hoffen, dass man einen neuerlichen Anlauf starten wird und versuchen wird, noch einmal in einem gemein­samen Kraftakt, vielleicht auch im Zusammenschluss aller fünf Parteien, der Volks­gruppe der Roma und Sinti in einem höheren Ausmaß das zurückzugeben, was ihnen geraubt und gestohlen worden ist. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Grünen.)

12.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Staatssekretärin Silhavy, Sie haben das Wort. – Bitte.

 


12.59.02

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Hoher Bundesrat! Gestatten Sie mir, nur drei Sätze zu der Vorlage zu sagen.

Erstens: Ich möchte mich namens der Bundesregierung für diese Initiative des Nationalrates, des Parlamentes und, wie ich höre, natürlich auch für die jetzt offen­sichtlich einstimmige Beschlussfassung durch den Bundesrat bedanken. Es geht um kleine Anpassungen – das wurde schon erwähnt –, um Anpassungen, die der Erfah­rung der Praxis entgegenkommen. Es geht vor allem um die Verlängerung der Antragsfrist, von der wir wissen, dass sie äußerst notwendig ist. Es geht aber auch – und ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt – um die Symbolwirkung, die wir gegenüber der Gruppe der Roma und Sinti mit diesem Zeichen setzen können. Ich weiß, dass es nicht mehr ist als eine Symbolik, aber ich glaube, gerade angesichts der Situation, in der sich die Roma und Sinti im europäischen Kontext befinden, ist das ein wesentliches Symbol, und dafür möchte ich mich auch ganz herzlich bedanken.

Anschließen möchte ich mich auch noch dem Dank dieses Hauses an die Mitar­beiterInnen des Fonds für ihre wirklich schwierige, wichtige und vor allem mühevolle Arbeit.

Ich möchte mich nochmals bei Ihnen für die Einheitlichkeit der Beschlussfassung bedanken, denn ich glaube, es trägt zur Kultur in Österreich bei, wie wir mit der


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 71

Vergangenheit umgehen, auch wenn wir unterschiedliche Zugänge haben, auch wenn wir unterschiedliche emotionale Regungen haben, aber es ist zumindest ein wesent­liches Zeichen, das wir auch nach außen hin signalisieren können. – Meinen herzlichen Dank dafür. (Allgemeiner Beifall.)

13.00


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen dazu keine weiteren Wortmel­dungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Daher gelangen wir jetzt zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.01.14 11. Punkt

Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bun­des­kanzleramt an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2007 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008 (III-319-BR/2007 d.B. sowie 7679/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Perhab übernommen. – Bitte.

 


13.01.46

Berichterstatter Franz Perhab: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bundeskanzleramt an das öster­reichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2007 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf daher sogleich zum Antrag kommen:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 den Antrag, den Gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bundeskanzleramt an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2007 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008 zur Kenntnis zu nehmen und keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


13.02.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Wir setzen mit diesem Tagesordnungspunkt die konsekutive Behandlung der Regie­rungs­berichte der einzelnen Ressorts zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2007 und zum 18-Monatsprogramm des Rates fort. Ich


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möchte heute nicht die generelle Diskussion, die wir bei der letzten Sitzung geführt haben, fortsetzen, sondern auf einige sehr wesentliche Punkte verweisen, die in diesem Bericht enthalten sind. Das kann naturgemäß nur eine Auswahl darstellen; die mag jeder nach seinen Prioritätensetzungen vornehmen.

Mir ist zunächst die in diesem Bericht enthaltene Orientierung der Europäischen Union in der Kohäsionspolitik auf die Umsetzung der Lissabon-Agenda ganz besonders wichtig, denn hier geht es um zentrale Elemente der europäischen Politik. Es geht darum, jene Stärkung der Wirtschaftskraft, der weltweiten Konkurrenzfähigkeit der Europäischen Union voranzutreiben und gleichzeitig die sozialen Elemente, das, was man eben immer wieder das europäische Sozialmodell nennt, zu betonen und einen Weg zu finden, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit mit dieser starken sozialen Absicherung zu verbinden.

Wenn wir uns die Probleme in unserem eigenen Land anschauen, wenn wir uns die Entwicklung, die Konflikte und die Problemstellungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anschauen, dann merken wir, wie vorrangig diese Zielsetzung ist. Der Europäische Rat hat schon im Jahr 2000 beschlossen, alle Politiken der EU auf die Ziele Wachstum und Beschäftigung, eben auf die Lissabon-Agenda auszurichten. Und es ist durchaus anzumerken, dass dieser Prozess noch lange nicht so erfolgreich ist, wie wir uns das wünschen würden und wie es Europa bräuchte.

Wir haben im Jahr 2004 vonseiten der Kommission einen Kohäsionsbericht vorgelegt bekommen. Der nächste derartige Bericht, der dann wieder zu einer Überprüfung der eingeschlagenen Richtung Anlass geben wird, ist im heurigen Jahr fällig.

Österreich hat als erster Mitgliedstaat – das ist durchaus hervorzuheben – im vergangenen Jahr im Oktober seinen nationalen strategischen Rahmenplan für die Verwendung der Mittel der EU-Kohäsionspolitik der Kommission vorgelegt, wobei dieser Plan auf einer sehr breiten Grundlage, insbesondere auch mit den Interes­senvertretungen, den Sozialpartnern, den Gemeindeverbänden und der Raum­planungskonferenz erarbeitet wurde. Das ist für Österreich deshalb von besonderer Bedeutung, weil ja die günstigeren Positionen, insbesondere was das Burgenland anbelangt, der Vergangenheit angehören, hier die Phasing-out-Programme – vor allem für das Burgenland – enthalten sein müssen. In diesem Papier werden zentrale Interessen formuliert, über die jetzt mit der Kommission verhandelt wird, wobei wir damit rechnen können, dass es im Frühjahr 2007 zu einer Zustimmung zu diesem Rahmenplan kommen wird.

Ich möchte einen zweiten Aspekt anschneiden, der schon deshalb so bedeutungsvoll ist, weil er sich in durchaus beispielgebender Weise auf ein Thema bezieht, das so in der umgangssprachlichen Kritik an der Europäischen Union eine große Rolle spielt, nämlich das Schlagwort „better regulations“, der Versuch, bestehende Regulierungen innerhalb der Europäischen Union zu vereinfachen, dadurch Verwaltungsbelastungen zu minimieren, obsolete Regelungen aufzuheben, die Folgenabschätzung Gestalt annehmen zu lassen und Regulierungsakte permanent und immer wieder zu screenen und erforderlichenfalls auch zurückzuziehen. Gerade wenn wir uns die populäre Kritik an der Europäischen Union als eine gewaltige Papierbedruckungsmaschine vor­stellen – und da haben wir uns immer mit der Kritik der Bevölkerung auseinander­zusetzen –, wenn wir uns jene manchmal zugespitzten, aber selten falschen Beispiele für Regulierungen, deren Sinnhaftigkeit sich vielen nicht erschließt, in Erinnerung rufen, dann bedeutet das einen wichtigen Ansatz, um die formalen Regeln der Europäischen Union mit dem Bewusstsein der europäischen Bürgerinnen und Bürger halbwegs zur Deckung zu bringen.


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Österreich ist naturgemäß, und zwar auch durchaus aufgrund seiner eigenen Erfahrun­gen mit der Verwaltungsreform, an einer Beschleunigung und Fortführung dieses Prozesses interessiert. Angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission in ihrem Kodifikationsprogramm 500 Verwaltungsakte vorsieht, die immerhin 2 000 be­stehende Regulierungen ersetzen könnten, ist so etwas wie ein bescheidener Lichtschimmer am Horizont zu sehen. Es geht in all diesen Bereichen darum, die Bedürfnisse, aber auch die Alltagserfahrungen der europäischen Bürgerinnen und Bürger mit der hochkomplexen Politik der Europäischen Union wenn schon nicht zur Deckung zu bringen, so zumindest dieser anzunähern.

Es kann nicht sein, dass eine hoch qualifizierte europäische Verwaltung Regeln erlässt, die von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht als notwendig oder in vielen Fällen auch nicht als richtig angesehen werden. Auch unser eigener Gesetz­gebungsprozess ist vielleicht nicht immer und in jedem Einzelfall vom Bewusstsein der Bevölkerung voll umfasst und wird vielleicht auch nicht in jedem Einzelfall mit Begeisterung aufgenommen, aber, bei aller Kritik, die Oppositionen, die Interessen­gruppen oder wer auch immer an einzelnen Regelungen im nationalen Bereich treffen, die Notwendigkeit von Regulierungen, die wir treffen, ist im Allgemeinen unumstritten; und wir sind eher in der politischen Debatte damit konfrontiert, dass aus der Bevöl­kerung die Forderung nach neuen Regelungen, nach zusätzlichen Regelungen kommt, weil es eben so viele Lebensbereiche gibt, die unbefriedigend gelöst sind. Ich erinnere nur an die Pflege-Debatte, die jetzt so durch die Gegend läuft, wo es einfach einen Regelungsbedarf, der auch einen Zahlungsbedarf beinhaltet, gibt – und das wird in der Bevölkerung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Auf der europäischen Ebene verläuft diese Debatte anders. Es ist eher eine Debatte, in der daran gezweifelt wird, ob all jene Regelungen, die getroffen wurden, wirklich für das Funktionieren des europäischen Zusammenlebens notwendig sind oder ob sich da nicht der der Bürokratie nun einmal immanente Regelungszwang krankhaft durchsetzt.

Ich glaube, dass die Einsicht der Europäischen Kommission, dass nicht alles, was geregelt ist, so und in dieser Ausführlichkeit, in dieser Detailliertheit geregelt bleiben muss, dass die ganze Debatte, die auch darum geht, welche Regelungen gesamt­europäisch zu treffen sind und wo nicht nationale Regelungen – die natürlich auf EU-Recht Rücksicht zu nehmen haben – die sinnvollere Lösung sind, intensiviert werden muss. Es ist gut und richtig, dass dieses Thema in diesem Bericht angeschnitten wird. Ich würde hoffen und wünschen, dass in diesem Prozess – so wie bei der Erfüllung der Lissabon-Agenda mit neuem Leben – auch in diesem Bereich Österreich eine drän­gende, dominierende und vorantreibende Rolle übernehmen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.13


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

 


13.13.03

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die nun bereits das dritte Jahr übermittelten Berichte der Bundesministerien zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und zum Arbeitsprogramm des Rates sind eine wertvolle Informationsquelle. Wenn­gleich uns das Arbeitsprogramm der Kommission selbst auch zur Verfügung stünde, ist es natürlich wertvoll zu wissen, welche Schlussfolgerungen die einzelnen Bundes­ministerien für ihre weitere Arbeit daraus ziehen.

Ich komme nun zu der Frage: Was machen wir mit diesen Informationen? Auf ein Jahr bezogene Informationen verlieren naturgemäß mit dem Fortschreiten des Kalenders


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ihren Wert. Wir haben jetzt Mitte April und noch acht nicht behandelte Berichte der Bundesministerien vor uns. Letztes Jahr haben wir den letzten derartigen Bericht Ende Juli behandelt. Das zeigt schon, dass der Wunsch, man möge das etwas zügiger in Verhandlung nehmen, wohl angebracht ist.

Das Zweite ist eine materielle Komponente. Wir haben diese Berichte, wie auch die sonstigen EU-Vorlagen im Allgemeinen, bisher noch nicht sehr intensiv zum Inhalt von Stellungnahmen gemacht. Das steht zum einen in einem gewissen Widerspruch zu der auch schon angesprochenen Unzufriedenheit mit dem einen oder anderen, was denn der Gesetzgeber EU alles macht. Wir sind selbst nicht frei von dieser Kritik, sie ist mitunter auch nachvollziehbar, aber sie wäre wahrscheinlich etwas schlüssiger und berechtigter, wenn wir auch uns frühzeitig, zum richtigen Zeitpunkt artikulieren würden.

Das Nächste ist, dass wir dabei natürlich auch die Interessen der Länder im Auge haben müssen und wir uns bisher auch nicht allzu intensiv mit diesen Fragen beschäf­tigt haben. Wir bekommen nun mit dem Subsidiaritätsprüfungsverfahren, sozusagen im Vorgriff auf den Verfassungsvertrag der EU, eine weitere Möglichkeit, bei der wir in gewisser Weise Vertrauensanwalt der Landtage sind. Dieser Zusammenhang ist ja auch im Subsidiaritätsprotokoll ausdrücklich dargestellt.

Wir bekommen seit 1. September die entsprechenden Vorlagen der Kommission und wir haben jetzt durchgesetzt, dass diese auch in einer technisch geeigneten Weise den Landtagen zur Verfügung gestellt werden können, so wie das eigentlich im Sub­sidiaritäts­protokoll grundgelegt ist. Wir werden auch in Zukunft eine etwas strukturierte Übersicht über den EU-Posteinlauf, wenn ich das so vereinfachend sagen darf, bekommen, weil es natürlich etwas wenig ist, auf die Einsichtmöglichkeit in die Daten­bank verwiesen zu werden. So wie wir inzwischen ganz gut damit arbeiten können, dass wir nahezu täglich ein Mail bekommen, was an Regierungsvorlagen und sons­tigen parlamentarischen Materialien eingelangt ist, so wertvoll wird das erst recht für das sein, was uns die EU an Vorlagen zur Verfügung stellt.

Es ist bereits Vorsorge dafür getroffen, dass diese Information auch den Landtagen weitergeleitet wird, weil diese ja noch einen zeitlich wesentlich anspruchsvolleren Beratungsmechanismus haben.

In einem untrennbaren Zusammenhang mit dieser Information steht natürlich aber auch die Frage, wie man denn auf die in der parlamentsinternen EU-Datenbank gespeicherten Dokumente zugreifen kann. Bei der Erörterung der Möglichkeiten, die wir den Landtagen bieten können, ist hervorgekommen, dass diese EU-Datenbank nicht über das Internet, sondern nur über das Intranet zugänglich ist und auch hier nur den Mitgliedern der EU-Ausschüsse beziehungsweise offenkundig den Mitgliedern der Präsidialkonferenz. Das halte ich für eine antiquierte Vorgangsweise.

Eine EU, die vermehrt – begrüßenswerterweise – mit dem Anspruch antritt, transparent sein zu wollen, und ein Parlament, das sich auch der Öffnung und der Transparenz zu verschreiben hat, sollten es wohl nicht auf Dauer hinnehmen, dass es hier einen abgeschotteten Bereich an Informationen gibt, der nur einem kleinen Kreis zugänglich gemacht wird. Ich sehe überhaupt keinen Grund mehr – da mag in der Anfangsphase eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung angebracht gewesen sein –, mit dieser EU-Datenbank eine Art Geheimniskrämerei zu betreiben.

Ich denke, man sollte sie allen Abgeordneten zugänglich machen, man sollte sie auch den Landtagen zugänglich machen. Ich möchte durchaus auch zur Diskussion stellen, ob man sie nicht überhaupt, im Wege des Internet, auch dem Bürger zugänglich machen sollte. Es ist ohnedies nur einem mit der Materie näher Vertrauten möglich, sie sachgerecht zu nutzen, und ich denke, das, was dort abgebildet ist, ist es durchaus wert, auch einem breiteren Personenkreis zugänglich gemacht zu werden. Diese


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Kabinettspolitik, dass man Informationen nur einem kleinen Kreis vorbehält, sollte auch in diesem Bereich, nach den nun damit gemachten guten Erfahrungen, aufgegeben werden. Ich appelliere sehr an das Haus – das richtet sich ja naturgemäß nicht an das Bundeskanzleramt und an die Ministerien, sondern an das eigene Haus –, dass man hier einen transparenteren Umgang mit den EU-Dokumenten pflegen sollte. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Konecny.)

13.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.19.45

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde der Methodik des Professors Konecny folgen, werde mir auch drei Bereiche aus dem Bericht des Bundeskanzlers sowie der Bundesministerin zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission und des Rates herauspicken und mich näher darauf beziehen.

Der erste Punkt ist einer, der, glaube ich, wichtiger ist, als es vielleicht vielen klar ist. Es geht nämlich um Energie und um Klimaschutz. Unter den Top-Ten-Prioritäten des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission findet sich gleich an erster Stelle das Thema Energie, an zweiter Stelle steht ein Grünbuch zum Klimawandel. Die Prioritätensetzung in dieser Reihenfolge ist absolut angebracht, wenn man sich den jüngsten UNO-Klimabericht ansieht beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist, nachdem die politischen Interventionen verschiedener Staaten beendet waren.

Kurz die Fakten, um sie uns noch einmal in Erinnerung zu rufen: Wenn bis 2020 die Treibhausgasemissionen nicht deutlich gesenkt werden, ist der Klimawandel unumkehrbar. Es droht uns eine Klimaerwärmung um über 6 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, in weiterer Folge ein Anstieg des Meeresspiegels, Überflutung von Küstenregionen und eine massive Häufung von extremen Wetterereignissen. Es dürfte uns allen in den letzten Jahren schon aufgefallen sein, dass Wirbelstürme, Überflutun­gen und ähnliche Umweltkatastrophen verstärkt aufgetreten sind, und das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch auf uns zukommt, wenn nichts unternommen wird.

Wie stark sich das Klima allerdings erwärmen wird, das kann jetzt noch beeinflusst werden. Der UNO-Weltklimarat stellt fest, dass die globale Erwärmung innerhalb von 2 Grad Celsius gehalten werden kann – immerhin etwas –, wenn die Treibhausgase bis 2020 um mindestens 30 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden. Damit das erreicht werden kann, damit die Klimaerwärmung „nur“ – unter Anführungszeichen – 2 Grad beträgt, braucht es verbindliche Ziele, was die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien betrifft, es braucht verbindliche Ziele für die Sen­kung der Treibhausgasemissionen, und es braucht verbindliche Ziele bezüglich des EU-Energieverbrauchs.

Was hat also der EU-Rat in Brüssel am 8. und 9. März in dieser Hinsicht tatsächlich gebracht? – Das Ergebnis blieb jedenfalls weit unter den Forderungen auch des Europäischen Parlaments mit 30 Prozent Reduktion der CO2-Emissionen und 25 Pro­zent Anteil erneuerbarer Energien bis 2020. Dass der EU-Rat die Bewertung der EU-Kommission zur Kenntnis genommen hat, dass Nuklearenergie einen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und auch zur CO2-Reduktion leisten kann, geht jedenfalls in eine völlig falsche Richtung.

Atomenergie mit erneuerbarer Energie gleichzusetzen, das ist der Versuch jener Staaten, die auf Atomenergie setzen, aus dieser jetzt wirklich brisanten, sehr gefähr-


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lichen Situation auch noch Profit zu schlagen, anstatt auf tatsächliche, schnelle und effiziente Maßnahmen zu setzen.

Mir ist schon bewusst, dass die österreichische Anti-Atomenergie-Haltung in Europa eine ist, die von einer absoluten Minderheit vertreten wird. Ich war vor Kurzem Mitglied einer Delegation, die nach Bukarest gefahren ist. Wenn man mit den dortigen Ent­scheidungsträgern spricht, was sie von Atomenergie halten, dann ist es erschreckend, was man da zu hören bekommt. Mir ist also wirklich klar, dass Österreich mit seiner Haltung in der Minderheit ist und dass da sehr viele Kräfte in eine ganz andere Richtung gehen und Atomenergie forcieren wollen. Aber ich erwarte mir schon, dass Österreich auch auf EU-Ebene sehr offensiv gegen die Atomlobby auftritt und das, von dem wir wissen, dass es der richtige Weg ist, nämlich Atomenergie nicht zu fördern, sondern aus Atomenergie auszusteigen und tatsächlich auf erneuerbare Energien zu setzen, wirklich offensiver vertritt.

Zu einem anderen Punkt, nämlich dem Thema Frauen und Gleichbehandlungs­angelegenheiten. Hier hat der Rat drei Schwerpunkte für die kommenden eineinhalb Jahre ausgearbeitet, und, wie das bei Querschnittsmaterien immer so ist, das sind globale, wirklich schöne Forderungen, denen wahrscheinlich alle zustimmen werden. Es geht um gleiche Chancen von Frauen und Männern im Bereich Beschäftigung, um den Abbau von Geschlechterstereotypen und um den Abbau von Benachteiligung von Frauen mit Migrationshintergrund.

Das sind alle schöne, hehre Ziele. Ich glaube, sie sind auch nicht neu. Ich hoffe doch sehr, dass wir nach diesen eineinhalb Jahren tatsächlich eine merkbare Änderung bei diesen Problemfeldern feststellen können. Mich würde sehr interessieren – wir haben es heute in der Fragestunde auch schon andiskutiert –, welche Maßnahmen Österreich plant, um diese Ziele zu erreichen.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass zwar das Thema immer diskutiert wird und dass man hier immer versucht, Maßnahmen zu setzen, aber eine wirklich spürbare Änderung konnte ich jedenfalls in dem Zeitraum, den ich jetzt beobachten und überblicken kann, noch nicht feststellen.

Interessant wäre unter anderem auch die Frage, wie es in der unendlichen Geschichte der EU-Verfassung weitergehen wird. Auch die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich vorgenommen, hier eine Roadmap in die Wege zu leiten und den Prozess wieder in Gang zu setzen. Wenn man sich Diskussionen zum Thema EU-Verfassung anhört, wird hauptsächlich darüber gestritten, ob die EU-Verfassung jetzt schon gänzlich tot ist, ob sie nur schläft, ob sie sich erholt. Also da wird immer mit fast schon klinischen Begriffen gearbeitet. Ich bin gespannt, was passieren wird. Das ist auch eine Frage, die wahrscheinlich nur mit der Zeit zu beantworten sein wird.

Abschließend möchte ich noch einen Punkt anreißen: Die Diskussion über die soziale Dimension der EU scheint zumindest auf der Ratsebene nicht so fortzuschreiten, wie es nötig wäre. Es gibt aber ein Papier einer Gruppe von neun Mitgliedstaaten, das eine Stärkung der Sozialpolitik und soziale Mindeststandards fordert. Auch Bundesminister Buchinger hat diese Erklärung unterschrieben, was jedenfalls zu befürworten ist. Hier muss man schon eines sagen: Solange die EU ausschließlich oder hauptsächlich ein Wirtschaftsbündnis ist, wird das auch von der Bevölkerung so wahrgenommen. (Unruhe im Saal.) – Störe ich? (Heiterkeit.)

Wenn wir uns alle in Sonntagsreden immer wünschen, dass es mehr Identifikation mit Europa, mehr Europa-Gesinnung sozusagen geben soll, dürfen wir uns nicht wundern, wenn das nicht fortschreitet, solange die EU sich auf eine wirtschaftliche Ebene beschränkt, wie es leider meistens der Fall ist. Eine Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der EU kann es nur geben, wenn die EU sich stärker in sozialen Bereichen


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engagiert und stärker auf gemeinsame soziale Zielsetzungen hinarbeitet. Dass es starke Unterschiede gibt zwischen neuen Mitgliedstaaten und denen, die schon länger bei der EU sind, ist klar, ist aber ein ganz großer Konfliktherd. Es muss hier sehr stark darauf hingearbeitet werden, dass es verbindliche gemeinsame Sozialstandards in der EU gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


13.26.40

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wenn wir heute zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission eine Stellungnahme abgeben beziehungsweise das zur Kenntnis nehmen sollen, sollten wir auch ein bisschen Rückschau halten und daraus lernen.

Die zehn Punkte, die da angeschnitten werden, sind sehr gut, sind wichtig, sind alles entscheidende Punkte. Dem Programm, auf 30 Seiten komprimiert, kann man sehr vieles entnehmen, was da an positiver Arbeit und an Leistungen vollbracht werden soll. Jetzt ist Deutschland mit der Präsidentschaft dran, dann Frankreich, die Tschechische Republik und Schweden.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir wissen – und da gibt es einen Bericht –, dass in der EU jährlich zirka 20 Milliarden € veruntreut werden – 20 Milliar­den € werden im Jahr in der EU veruntreut! –, und wenn man weiß, dass Zypern und Portugal bis zu 80 Prozent verfälschte Anträge einbringen, dann, glaube ich, müssen wir einmal dort den Hebel ansetzen, wo es wirklich brennt und wo wirklich die Probleme sind.

Ich freue mich, dass diese Schwerpunkte gesetzt werden, Frau Staatssekretär, und es werden mehrere Sitzungen sein. Über das Thema Familie, Frau, Arbeitsplatz zum Beispiel reden wir schon lange. Wir sind nicht einmal in Österreich noch so weit, aber ich hoffe, dass Österreich einen Beitrag dazu leisten wird, dass endlich die Frau gleich viel verdient wie der Mann und die Familien mehr Schutz genießen als bisher.

Oder die Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer – auch das ist ein Schwerpunkt, sehr stark von Österreich eingebracht. Was ein europäisches Sozialmodell betrifft, sind wir auch säumig, auch da haben wir einiges zu tun. Oder: Armutsbegrenzung, Redu­zierung von administrativen Angelegenheiten um 25 Prozent. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, denn wenn man sich diesen ganzen Beamtenapparat und den ganzen Aufwand für die europäische Arbeit vor Augen führt, dann wundert es einen nicht, dass der Apparat so schwerfällig ist. (Präsident Gruber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aber große Bedeutung für die Zukunft werden die Sitzungen am 21. und 22. Juni haben, in denen es um die Europäische Verfassung geht. Wir haben ja diesbezüglich schon einige Erfahrungen und wissen, dass es in zwei Ländern eben keine Mehrheit dafür gegeben hat. Daraus sollte man lernen, und daraus sollten wir auch Konse­quenzen ziehen, wie wir es in Zukunft besser machen können.

Eine ganz große Bedeutung, Frau Staatssekretär, werden wohl die Sitzungen vom 13. und 14. Dezember 2007 haben, wo die sieben zentralen Herausforderungen auf dem Tapet sind: Klimaveränderung, saubere Energie, Verkehr, Konsum, Produktion, Ge­sund­heit und natürliche Ressourcen.

Auch da bin ich bei meiner Kollegin, wenn sie fordert, mehr in Richtung saubere Energie zu tun. Ich glaube nämlich, dass wir da sehr säumig sind. Und wenn wir er-


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reichen wollen, dass wir in Zukunft auf 20 Prozent saubere Energie und auf 10 Prozent Bioenergie kommen, dann haben wir noch sehr viel zu tun.

Frau Staatssekretär! Das wäre für uns alle sehr wichtig. Ich würde Sie bitten, hier weiterzumachen. Wir haben eine große Vorarbeit geleistet für die Europäer, haben den europäischen Vorsitz ein halbes Jahr innegehabt, und ich glaube, wir waren hier beispielgebend. Es gab sehr viele positive Forderungen, viel Positives konnte umgesetzt werden, und das, glaube ich, sollten wir nicht vergessen, aber wir müssen natürlich in diese Richtung weiterarbeiten. Ich bin nicht davon überzeugt, dass alle die dynamische Energie aufbringen wie wir Österreicher. Das glaube ich nicht, und deshalb sollten wir Österreicher das immer wieder aufzeigen und immer wieder auf Verbesserungen drängen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

13.31


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege.

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Dr. Kühnel vor. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.31.32

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon von einigen Vorrednern angedeutet worden ist, ist es sehr wichtig, dass uns die Europäische Kommission jetzt immer wieder ihre Programme vorlegt.

In Österreich ist für dieses Programm, das heute diskutiert wird, das Bundeskanzleramt verantwortlich. Es ist aber auch bei den anderen Ministerien, wenn ich mich richtig erinnere, festzustellen, dass das eigentlich eine sehr anonyme Sache ist. Ich möchte schon in Hinkunft bitten, wenn diese Schriftstücke dem Parlament übermittelt werden, dass es einen Bearbeiter gibt, der für den Inhalt verantwortlich ist. Das ist das Erste. Zweitens soll es ein Datum und eine Unterschrift enthalten und darauf ersichtlich sein, welchen Stand dieses Papier hat. Ob die Unterschrift von einem Abteilungsleiter geleistet wird, einem Gruppenleiter, einem Sektionsleiter oder gar einem Staats­sekretär oder vom Bundeskanzler selbst, das ist selbstverständlich dem Ressort zu überlassen. Aber es wäre gut, wenn man das hätte.

Das Zweite, was ich an dem Bericht etwas kritisch anmerke, ist diese Mischung aus Deutsch und Englisch. Jetzt kann man natürlich sagen, Englisch muss heute jeder können – ist in Ordnung, aber diese Mischung aus Englisch und Deutsch ist zumindest etwas eigenartig. Die Franzosen sagen zu dem „Franglais“ – bei uns müsste man vielleicht dazu „Allemandglais“ sagen. Das ist die Sprache, die jetzt unbedingt im Kommen ist. Ich würde schon bitten, hier zu trennen, und vielleicht kann das Bundes­kanzleramt die Bearbeiter auch dazu bringen, dass sie eben einen deutschen Text verfassen. Ich bin öfters in Brüssel, und da sagen mir zumindest die deutschen Kolle­gen, wir bestehen darauf, dass die EU drei Amtssprachen hat, nämlich Englisch, Deutsch und Französisch, und man soll daher im allgemeinen Sprachgebrauch, auch bei den Wortmeldungen in Brüssel oder Straßburg die deutsche Sprache verwenden. Daher bitte auch in Österreich das entsprechend umzusetzen.

Das Nächste, was ich erwähnen möchte, ist, dass man natürlich immer wieder meint, die EU sollte weniger regulieren, sie sollte mehr Subsidiarität betreiben. Nur wissen wir aus der praktischen Politik heraus, dass sehr häufig Länder keine Regelungen treffen und sehr wohl dann darauf warten, dass Brüssel hier in gewissem Maße eingreift, wobei man aber immer, auch in der politischen Diskussion, nicht außer Acht lassen darf, dass die EU nur bestimmte Kompetenzen hat. Vor allem wäre hier natürlich wichtig – aber das haben wir in der letzten Sitzung schon diskutiert –, dass die EU-


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Verfassung abgespeckt, aber jedenfalls in irgendeiner Form endlich zum Tragen kommt.

Nun zu ein paar anderen Punkten, die ich kurz erwähnen möchte. Kollege Konecny hat gewisse Klischees bezüglich der EU bedient. Das werde ich jetzt nicht tun. Aber: bessere Rechtssetzung – da würde ich sagen, dass nicht nur die EU für bessere Rechtssetzung sorgen sollte. Wie wäre es, wenn wir vor der eigenen Türe kehren und auch in Österreich eine bessere Rechtssetzung machen?

Ich denke zum Beispiel an eine klarere Ausdrucksweise, an weniger Kann-Bestim­mungen, an weniger Ausnahmebestimmungen für dieses und jenes, was vor allem in der praktischen Verwaltung immer ein Problem ist. Dann ist die Frage einmal grund­sätzlich zu stellen: Brauche ich für alles eine bescheidmäßige Erledigung, oder würde vielleicht auch eine Mitteilung genügen? Denn in dem Moment, wo ich mit bescheid­mäßigen Regelungen arbeite, ist der komplette Rechtszug vorhanden – sicher eine sehr schöne Sache, nur: Wie lange dauern dann die Verfahren, und um welchen Wert im Allgemeinen geht es denn, dass so ein Verfahren lohnenswert ist? Also hier wäre einiges in Österreich sicher selbst zu tun.

Das Nächste ist die so genannte Berichtspflicht. Wenn wir als Parlamentarier hier unterwegs sind, dann bekommen wir soundso viel Stück Berichte pro Woche. Es wäre einmal interessant, stundenmäßig zu berechnen, wenn ein Abgeordneter diese Berichte alle entsprechend studieren würde, nur was sein persönliches Fachgebiet betrifft, wie viel Zeit er für dieses Studium brauchen würde. Ich meine daher, es wäre vielleicht auch im innerstaatlichen Bereich, ohne dass man jetzt auf die EU zeigt, anzustreben, mit weniger Berichten auszukommen, oder vielleicht könnte man sie auch etwas kürzer fassen, denn in der Kürze liegt oft wirklich die Würze. Das möchte ich nicht unerwähnt lassen.

Als Nächstes möchte ich auch etwas ansprechen, was den innerstaatlichen Bereich betrifft, denn ich habe da ein dumpfes Gefühl. Es kann sein, dass jetzt die eine oder andere Fraktion über mich herfällt, aber das ist mir egal. Und zwar ist das die Sache mit den Studiengebühren. Wenn ich da die Diskussion betrachte, was da alles an Ausnahmen geschaffen werden soll, dann könnte ich mir vorstellen, dass man dafür zusätzliche Beamte braucht – und die werden ja auch vom Bundeskanzleramt in gewissem Maße gesteuert –, damit die Verfahren hier entsprechend abgewickelt wer­den können. Und wenn ich in dem Sektor dann noch bescheidmäßige Erledigungen verlange, dann bin ich wieder bei dem Thema von vorhin, nämlich dass dafür wieder zusätzliche Arbeitsplätze für Beamte geschaffen werden könnten. Gleichzeitig soll aber im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform die Zahl der Beamten reduziert werden.

Also ich kann nur empfehlen, auch bei der Studiengebührenregelung sehr vorsichtig vorzugehen, und vor allem, sollte es zu einer Aufhebung kommen, sehr einfache Regeln.

Abschließend möchte ich noch auf ein Thema eingehen, weil ich nicht alle Top-Prioritäten, wie es so schön heißt, behandeln möchte. – Hier nur eine kurze, vielleicht ironische Bemerkung: Priorität ist etwas, was von ganz besonderer Wichtigkeit ist. Was ist dann eigentlich eine Top-Priorität? Oder ist es dann wieder so: Wenn alles wichtig ist, ist eigentlich nichts wichtig, wenn alle verantwortlich sind, ist niemand verant­wortlich? – Also auch das wäre bitte einer gewissen Bewertung zuzuführen. Jedenfalls sind zehn Top-Prioritäten doch etwas viel.

Ein Punkt zum Schluss, zum Datenschutz, den die EU jetzt generell regeln will. Aus Sicht meiner Fraktion und auch von meiner Warte aus gesehen, ist das eine ver­nünftige Sache, dass man im Zusammenhang mit der dritten Säule bei der EU die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, was Datenschutz betrifft, auf eine einheit-


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liche Basis stellt. Denn eines muss uns schon, gerade auch in der Diskussion Daten­schutz und Sicherheit der Bevölkerung, immer wieder bewusst sein: dass die Sicherheit der Bevölkerung nicht eine von vielen Top-Prioritäten ist, sondern die Top-Priorität schlechthin. Denn wenn ein Staat anerkannt werden will, dass der Staat eine gewisse Schutzfunktion ausübt, dann muss die Sicherheit der Bürger in besonderem Maße gewährleistet sein.

In dem Zusammenhang darf ich kurz auf die Attentate dieser Woche hinweisen: Marokko und Algerien. Daraus ersieht man schon: Wenn es eine gewisse polizeiliche Zusammenarbeit gibt, kann man das eine oder andere verhindern, beziehungsweise wenn sie nicht gegeben ist, dann kann in Ländern wie zum Beispiel Algerien, wo man jetzt doch Verschiedenes unternommen hat, um eine gewisse Befriedung zu erreichen, doch einiges passieren.

Zuallerletzt möchte ich aber noch etwas Lobendes sagen. Ich bin froh, wie auch Kollege Weiss erwähnt hat, dass diese EU-Berichte jetzt immer wieder dem Parlament vorgelegt werden. Und ich appelliere an das Präsidium des Bundesrates, hier etwas expeditiver vorzugehen, nicht dass wir dann im November den letzten Bericht abhandeln. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.40


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Kühnel.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Staatssekretärin, bitte.

 


13.40.09

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Herr Vorsitzender! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Dr. Kühnel! Vorerst einmal zum Bericht. Der vorliegende Bericht ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Von dem muss man ausgehen!) – Gut. Der vorliegende Bericht, der Bericht, den das Haus erhalten hat, ist datiert mit 1. März. Es wird auch Bezug genommen auf das neue Bundesministerien­gesetz, daher geht zumindest aus diesem Ressortbericht relativ eindeutig und klar hervor, wann er geliefert wurde und wann er erstellt wurde.

Das möchte ich nur feststellen, aber ich nehme gerne Ihre Anregung auf und leite sie auch entsprechend weiter, falls es bei anderen Berichten eben nicht der Fall ist. Ich denke, dass es ohnedies natürlich auch eine gute Sitte ist, dass man das Datum der Abfassung und das Übermittlungsdatum eines Berichtes erkennen kann.

Ein Wort nur zum Thema Sicherheit. Ich glaube, dass wir hier in diesem Saal alle einer Meinung sind, dass natürlich Sicherheit ein ganz wesentlicher Faktor für die Bürgerin­nen und Bürger unseres Landes, aber auch der Europäischen Union ist. Dennoch müssen wir hier – Sie haben das im Zusammenhang mit dem Datenschutz ange­sprochen – natürlich auch Persönlichkeitsrechte, persönliche Rechte und Menschen­rechte abwägen, die eben auch einen wesentlichen Wert der Gesellschaft darstellen.

Sie haben auch angesprochen, dass die deutsche Sprache verwendet werden sollte. Da bin ich schon bei Ihnen, nur haben wir das Problem, dass es sich mittlerweile durchgesetzt hat, dass es doch viele Termini gibt, die fachspezifische Bedeutung haben und nicht so einfach 1 : 1 zu übersetzen sind. Das ist ja auch ein Punkt, warum wir als Politiker und Politikerinnen ein Problem haben, weil wir eben oft diese Fach­ausdrücke verwenden. „ASVG“ ist wahrscheinlich für jede der hier im Haus anwesen­den Personen etwas, was ganz klar und deutlich ist, und wir wissen, was damit gemeint ist. Wenn man aber draußen auf der Straße diesen Ausdruck verwendet, weiß wahrscheinlich kaum ein Mensch, dass damit zum Beispiel das Thema Pensionen gemeint ist. – Das, um nur ein Beispiel zu nennen.


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Ich glaube, das ist ein Thema, über das wir hier sehr lange diskutieren könnten. Es ist auf jeden Fall ein Problem, dass wir sicherlich nicht mehr für alles deutsche Ausdrücke finden können. Ich habe mir die Benachrichtigung der Kommission der Europäischen Union auf Deutsch angeschaut: Zum Beispiel haben wir auch für das Ziel Konvergenz im Burgenland trotzdem den Ausdruck „Phasing-Out“ drinnen.

Ich nehme das nur als eines der Beispiele, um aufzuzeigen, dass wir diese Misch­formen wahrscheinlich schon aufgrund dieser Ausdrücke nicht ganz wegbringen werden.

Vielleicht darf ich kurz auf die Beiträge der Frau Bundesrätin Konrad und des Herrn Bundesrates Kampl eingehen, weil sie sich teilweise – zwar nicht von den Aussagen her, sondern von den Themen her – gedeckt haben. Das war einerseits das Thema Umwelt und andererseits vor allem das Thema Klima. Ich darf darauf aufmerksam machen – aber das wird Ihnen ohnedies nicht entgangen sein –, dass wir am 16. einen Klimagipfel haben, und zwar genau deshalb, weil der österreichischen Bundes­regierung das Thema Klima und Klimaschutz so wichtig ist.

Das heißt, dass natürlich ein verstärktes Engagement auf diese Thematik gelegt wird. Ich glaube, das haben Sie alle mitverfolgt, und das ist ja auch in der Öffentlichkeit entsprechend kommuniziert worden.

Wir werden uns beim Klimaschutzgipfel mit vier zentralen umweltpolitischen Themen beschäftigen, nämlich: Umwelt, Landwirtschaft, regionale Wirtschaft; Verkehr und Innovation; Industrie und Energie; Konsumenten, Wohnen und Energieeffizienz. Damit wollen wir auch darauf hinweisen, dass man das Thema Klimaschutz nicht nur auf ein Thema fokussieren kann, sondern dass Klimaschutz natürlich ein umfassendes Thema ist. Das brauche ich aber Experten und Expertinnen, wie Sie es sind, nicht aus­führlicher und näher zu erläutern.

Ein Punkt, der mir auch noch wichtig ist – er wurde von Frau Bundesrätin Konrad ange­sprochen –: Ich glaube, wir haben uns in Österreich eine sehr gute Tradition bewahrt, was unsere Einstellung zur Atomenergie anbelangt. Sie haben es selbst ange­sprochen: Österreich und Irland – sonst stehen wir, was unsere Haltung anbelangt, ziemlich allein da. Ich glaube, dass die Formulierungen, die jetzt gefunden worden sind, ein Weg sind, den man gehen kann. Österreich hat seine Position nicht verloren, aber auf der anderen Seite brauchen wir Mitstreiter, wenn wir Mehrheiten gewinnen wollen. Das ist in der Europäischen Union nicht anders als im Bundesrat, wo man auch Mehrheiten braucht, wenn man etwas beschließen will. Das ist das Wesentliche in einer Demokratie, das ist so zu akzeptieren, und wir haben unsere Positionen auch entsprechend eingebracht.

Zum Thema Gleichstellung vielleicht auch nur ein paar Stichworte, denn sonst geht es uns so, wie es vorhin beim Bericht war, nämlich dass es offensichtlich zu viel und zu lange ist. Es ist immer schwierig, das richtige Maß zu finden, den Informations­wün­schen nachzukommen und auf der anderen Seite diese Informationen auch noch so zu gestalten, dass sie für alle in einem zeitlich erträglichen Maß sozusagen verwertbar sind. Aber die Bemühungen gehen, zumindest in den Ansätzen, in die Richtung, das so zu beantworten, dass dann noch Nachfragen möglich sind.

Sie wissen, dass wir in Österreich sozusagen auch durch eine andere Ministerien­gesetzgebung jetzt wieder eine Frauenministerin haben, die auch dafür zuständig ist, Gleichstellungsfragen dezidiert und im übertragenen Sinne voranzutreiben, und dass das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen im Jahr 2008 in Vilnius seine Arbeit aufnehmen wird. Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, der auch wieder einen neuen Schub zum Thema Gleichstellung der Geschlechter auf europäischer Ebene und natürlich dann auch auf nationaler Ebene bedeuten wird.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 82

Zum Herrn Bundesrat Weiss, glaube ich, brauche ich nichts zu sagen, denn das waren in Wahrheit hausinterne Geschichten, und da fehlt mir die Kompetenz, etwas dazu zu sagen.

Herr Bundesrat Konecny hat aus meiner Sicht zwei Punkte angesprochen, die wesent­lich sind: Das eine ist das Thema Kohäsionspolitik. Herr Bundesrat, wir sind relativ stolz darauf, dass wir von der Europäischen Kommission auch schon eine Antwort bekommen haben, was den strategischen Rahmenplan 2007 bis 2013 anbelangt. Offensichtlich ist hier auch von der ÖROK – ich möchte den Erfolg jetzt nicht für uns verbuchen, sondern für die, die auch die Arbeit geleistet haben – sehr gute Arbeit geleistet worden, was die Beurteilung anbelangt, und ich denke, wir können stolz sein, dass wir hier sehr gut gearbeitet haben und dass wir aus den Erfahrungen der zwei vorangegangenen Planungsperioden wirklich das Maximum herausgeholt haben.

Zum Thema Better Regulation: Die EU hat minus 25 Prozent in ihren eigenen Regel­gesetzeswerken bis 2012 beschlossen. In Österreich haben wir das Ziel, dieses Viertel bis 2010 zu reduzieren. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass das natürlich schon ein sehr sensibles Thema ist. Auf der einen Seite besteht in vielen Bereichen ein Rege­lungsbedarf, und in vielen Bereichen besteht ein Regelungsbedürfnis, nämlich ein Bedürfnis der Menschen, dass etwas geregelt ist, vor allem dann, wenn dieses Bedürf­nis ein solches nach Sicherheit und eigener Rechtsdurchsetzung ist.

Ich glaube, wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht im Zuge dessen, dass wir sagen: Alles, was Verwaltung ist, ist „unnötig“, ist zu viel!, Gefahr laufen, wesentliche Regelungsmechanismen, die Sicherheit und Schutz der Menschen betreffen, zu verlieren. Das klingt zwar relativ gut, jeder sagt: Super, da machen wir Verwaltungs­vereinfachungen!, aber ich glaube, wir sollten das Thema mit einer hohen Sensibilität angehen, denn die Menschen in Österreich und die Menschen in Europa haben ein Recht darauf, dass ihr Sicherheits- und Schutzbedürfnis auch hier gewahrt wird.

Ich danke Ihnen jedenfalls für die engagierte Diskussion und freue mich sehr, dass der Bericht so zur Kenntnis genommen werden soll. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­räten der ÖVP.)

13.48


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Frau Staatssekretärin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Danke. Gegen­probe? – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.48.4512. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2006 (III-324-BR/2007 d.B. sowie 7680/BR d.B.)

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 83

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte um den Bericht.

 


13.48.46

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Der vorliegende 30. Bericht stellt die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Volksanwaltschaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2006 dar.

Der Bericht ist allen Bundesrätinnen und Bundesräten zugegangen. Ich kann daher zur Antragstellung übergehen:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2007 den Antrag, den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2006 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Mayer. – Bitte sehr, Herr Kollege.

 


13.50.25

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Volksanwalt! Ich möchte mich eingangs bei den Volksanwälten, bei der Volksanwältin – die nicht da ist – und den Mitarbeitern in der Volksanwaltschaft für den hervorragenden und ausführ­lichen Bericht ganz herzlich bedanken.

Ich möchte mich auch im Namen meiner Fraktion – und ich hoffe, dass man das dann der Frau Volksanwältin bitte auch ausrichtet; und ich denke, ich sage das mit Zustim­mung aller anderen Fraktionen hier im Hohen Haus – in besonderem Maße auch bei Frau Volksanwältin Rosemarie Bauer bedanken, die heute als Volksanwältin, praktisch mit Übergabe dieses 30. Berichtes, aus der Volksanwaltschaft ausscheidet.

Ich denke, sie hat es mit Bravour verstanden, ihren Aufgabenbereich unparteiisch und vor allem mit höchster Kompetenz wahrzunehmen. – Dafür von uns allen, glaube ich, ein herzliches Dankeschön, und ich denke, das ist auch einen Applaus wert. Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Die wichtige Arbeit der Volksanwälte zum Schutz von Bürgerinteressen und zum Schutz vor staatlicher und behördlicher Willkür hat jedes Jahr gewaltige Dimensionen. Dieser Bericht ist eine imposante Leistungsbilanz, und es ist nach wie vor unglaublich, dass in einem derart hoch entwickelten Rechtssystem wie in Österreich derartige Fälle passieren können.

Es ist auch nicht selbstverständlich für eine Institution des Bundes, und es zeugt auch von einer hochwertigen Büroorganisation, dass bereits Ende März der fertige Jahres­bericht vorliegt und im Bundesrat vor dem Nationalrat diskutiert wird, wobei anzu­merken ist, dass der Nationalrat erst vor wenigen Wochen den Bericht 2005 diskutiert hat. Manchmal ist der Bundesrat eben weiter, als man glaubt.

Ich werde mich jetzt nicht im Detail in den Bericht vertiefen. Ich darf aber anmerken, dass an und für sich die Zahlen leicht rückläufig sind – marginal, muss man sagen, wenn man die Gesamtanzahl von 16 005 Anbringen betrachtet. Davon mussten immerhin 5 557 Fälle, 200 mehr als im letzten Jahr, wegen Unzuständigkeit zurück­gewiesen werden, weil hier eben eine Zuständigkeit der Gerichte gegeben war.

Es zeigt diese Zahl auch eindeutig, dass der Weg zum Volksanwalt für viele sozusagen oft der letzte Strohhalm ist, den letzten Strohhalm in einem Verfahren darstellt. Und ich habe mir auch sagen lassen, dass es bei Sprechtagen der Volksanwaltschaft manch­mal auch zu „seelsorgerischen“ Tätigkeiten kommt.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 84

Die Beschwerdehäufigkeit ist nicht gleichmäßig über Österreich verteilt. So haben die westlichsten Bundesländer, Tirol und Vorarlberg, die wenigsten Beschwerden. Da kommt der Spruch „Im Westen sind die Besten“ wieder einmal richtig zur Geltung. Es kann aber auch damit zu tun haben, dass in Tirol und Vorarlberg die Landesvolks­anwaltschaften in besonderem Maße die Zusammenarbeit mit der Bundesvolksanwalt­schaft pflegen. Auf jeden Fall wurde im Ausschuss ein klares Statement für die sehr gute Zusammenarbeit der Volksanwaltschaften mit den Landesvolksanwaltschaften abgegeben.

Ich möchte aus diesem großartigen Bericht zwei Bereiche besonders herausgreifen, und zwar die immer mehr ausufernde Geschichte bei den Rettungshubschrauber­einsätzen und die Arbeit im Bereich des Bundesbehindertengesetzes.

Im Bericht wird festgestellt, dass Österreich mittlerweile die höchste Rettungshub­schrauber­dichte in ganz Europa hat. Eine Flugminute kostet immerhin 70 €. Daraus lässt sich schließen, dass diese Geschichte ein gutes Geschäft oder sogar ein sehr gutes Geschäft geworden ist und sich diese Rettungsdienste offensichtlich um die Patienten streiten. Gab es vor zehn Jahren fast keine oder überhaupt keine Hub­schrauberbergungen, so hat es heute den Anschein, als ob jeder Patient mit einem Bruch eines kleinen Fingers oder mit einer Gallenkolik mit dem Hubschrauber ins Spital geflogen werden muss.

Die große Unbekannte ist bei den Betroffenen aber, dass Bergungskosten und die Kosten für die Beförderung vom Berg ins Tal bei Unfällen in Ausübung von Sport und Touristik nicht durch die Krankenversicherung gedeckt sind. Selbst für die Flugstrecke sozusagen vom Tal ins Spital wird ein pauschaler Kostenzuschuss verweigert, wenn sich nachträglich im Krankenhaus herausstellt, dass der Hubschraubereinsatz medizi­nisch nicht zwingend notwendig gewesen wäre, da angesichts der Verletzungen – die am Unfallort ja nicht abschätzbar sind – keine Lebensgefahr bestand.

Auch im Zuge von Schulschikursen und echten Arbeitsunfällen im alpinen Gelände, die den Freizeitunfällen nicht gleichzusetzen sind und daher, wie der OGH bereits aus­drücklich betonte, sozialversicherungsrechtlich anders zu behandeln sein müssten, gibt es offensichtlich regelmäßige Probleme in diesem Bereich.

Selbst für den Fall, dass nachträglich die medizinische Notwendigkeit des Flugret­tungs­transportes nicht in Abrede gestellt werden kann, wenn also Lebensgefahr besteht, sind die Satzungen für vorgesehene Kostenzuschüsse erheblich niedriger, als sie von den Flugrettungsbetreibern tatsächlich in Rechnung gestellt werden. Es kann und darf in Bezug auf die Kostendeckung aus Sozialversicherungsmitteln keinen Unter­schied machen, ob jemand einen Verkehrsunfall hat oder im alpinen Gelände einen Arbeitsunfall erleidet.

Eine gesetzliche Regelung wie in Tirol mit dem Flugrettungsgesetz wäre für alle Bun­desländer erstrebenswert. Für Vorarlberg gilt ein Rahmenübereinkommen zwischen dem Land Vorarlberg, den Flugrettern und der Landesnotrufzentrale, aber es regelt nicht die Voraussetzung für den Einsatz der Notärzte und Rettungshubschrauber.

Die Forderung der Volksanwaltschaft, den in diesem Zusammenhang stehenden Themen­komplex sowohl sozialversicherungstechnisch wie auch legistisch einer sach­gerechten Lösung zuzuführen, kann man nur vollinhaltlich unterstützen.

Ich möchte in einem zweiten Punkt, den ich aufgreifen möchte, als Obmann einer Behindertenorganisation der Volksanwaltschaft auch ausdrücklich dafür danken, dass sie sich im Rahmen des Bundesbehindertengesetzes in besonderem Maße für die Sorgen und Nöte der behinderten und benachteiligten Menschen in Österreich einsetzt.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 85

Wenn man den Bericht in diesem Bereich liest, hat man das Gefühl, es wird weit mehr getan als erforderlich, und es gibt zusätzlich in diesem Bereich Anregungen und Impulse. Ein Beispiel sind die Unterschiede, die zwischen Behindertenpass und dem so genannten Gehbehindertenausweis nach § 29b StVO gemacht werden. Die Beur­teilung im Behindertenpass und dem Gehbehindertenausweis klaffen in der Praxis weit auseinander. Gehbehinderte Personen können nämlich einen Gehbehindertenausweis nach der StVO und die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffent­licher Verkehrsmittel in ihrem Behindertenpass beantragen. Beides verfolgt den Zweck, Menschen, denen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, beim Erhalt der Mobilität behilflich zu sein.

Die Forderung der Volksanwaltschaft, dass bestimmte Einstufungen im Behinderten­pass als Grundlage für die Ausstellung des Gehbehindertenausweises nach der Straßen­verkehrsordnung herangezogen werden, ist voll zu unterstützen und sollte wirklich baldigst umgesetzt werden.

Auch der Forderung, die Bezieher von Mobilitätszuschüssen in den Zuerkennungs­schreiben bereits auf die Möglichkeit der rechtzeitigen Antragstellung für die vergan­genen Jahre hinzuweisen, kann man voll beipflichten.

Hingegen kann ich aus Vorarlberg berichten, dass es im Bereich der Erlangung von Zuwendungen für behindertengerechte Anschaffungen eine zentrale Anlaufstelle über das Institut für Sozialdienste gibt, die sich rasch und effizient um derartige Zuschüsse bemüht und auch Beratungen für behindertengerechte Aus- und Umbauten macht. Dies sollte laut Bericht der Volksanwaltschaft aber in allen Bundesländern so gehand­habt werden, wo es immer wieder zu mühsamen Antragstellungen und langen Ver­fahren kommt.

In diesem Sinne darf ich mich, auch im Namen der behinderten Menschen Österreichs, nochmals sehr herzlich für Ihr Engagement, aber auch für die hervorragende Arbeit zum Wohle und zum Schutz der österreichischen Bevölkerung bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.59


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Kollege Mayer.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Florianschütz. – Bitte.

 


13.59.16

Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners an­schließen: Der Bericht 2006 der österreichischen Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat ist ein eindrucksvolles und schwergewichtiges Buch mit über 400 Seiten. Ich gehe davon aus, dass alle Kolleginnen und Kollegen es gelesen haben; darum brauchen wir nur auf Details einzugehen und nicht über alles zu reden.

16 005 Anbringen, 5 557 davon nicht zuständig – das klingt viel, ist aber keine Katastrophe. Meiner Ansicht nach ist das ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung die Institution Volksanwaltschaft schätzt. Das heißt, offensichtlich ist es so, dass man, wenn man Sorgen hat, wenn man nicht weiterweiß, zunehmend zur Volksanwaltschaft geht. Dabei spielt es – das wurde im Ausschuss diskutiert – nicht unbedingt eine Rolle, dass es sofort zu einer Lösung kommt, sondern wichtig ist, dass der Bürger/die Bür­gerin den Eindruck hat, dass er/sie Gehör findet, dass man mit ihm/ihr spricht. Oft kommt es vor – so war jedenfalls der Bericht –, dass die Leute nach Hause gehen und sagen: Jetzt hat uns jemand zugehört!, sodass damit letztendlich auch ein Beitrag zu lebendiger Demokratie geleistet wird.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 86

In Wien sind pro 100 000 Einwohner 129 Beschwerden, in Oberösterreich 62 – Tirol und Vorarlberg lasse ich jetzt aus, denn das ist ja nur die Bundesverwaltung –, aber ich kann mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren, dass die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher so viel problemloser sind als die Wienerinnen und Wiener. Das glaube ich nicht, sondern ich glaube, dass es sich auszahlen wird, die Volksanwalt­schaft als Institution, insbesondere die Sprechtage der Volksanwaltschaft, massiv bei der Bevölkerung zu bewerben, um sie stärker noch, als es jetzt schon der Fall ist, ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

2005 gab es 260 Sprechtage der Volksanwaltschaft, 2006 gab es 211 Sprechtage der Volksanwaltschaft vor Ort, in den Regionen. Das sind im Vergleich zum Vorjahr um 49 weniger.

Das hat eine Ursache, meine Damen und Herren: Es hängt damit zusammen, dass gegen Ende der XXII. Gesetzgebungsperiode Herr Volksanwalt Stadler es für richtig befunden hat, für den Nationalrat zu kandidieren. Dankenswerterweise hat er auf Anregung der anderen Volksanwälte seine Tätigkeit in den Regionen eingestellt – was hätte er dort schon gemacht als wahlkämpfen? – und hat sich bei vollen Bezügen auf Wien beschränkt. Die anderen Volksanwälte haben versucht, das durch verstärkten Einsatz auszugleichen, daher mein Dank an die Frau Volksanwältin und an den Herrn Volksanwalt, die sich da sehr bemüht haben – ganz ist es nicht gelungen.

Es stellt sich aus meiner Sicht schon die Frage, ob es insgesamt gescheit ist, dass ein aktiver Volksanwalt parallel zu seiner Tätigkeit als Volksanwalt als Wahlkämpfer auftritt. Das ist rechtlich in Ordnung, das gebe ich zu; ob es demokratiepolitisch so schön ist, ist eine andere Frage.

Jetzt zu einigen konkreten Schmankerln aus dem Bericht; in dem Bericht sind ja wirklich verschiedenste Anregungen enthalten.

Die Volksanwaltschaft hat sich unter anderem mit Problemen bei der Visa-Ausstellung auseinandergesetzt. Sie konnte helfen. In vielen Fällen wurden nicht erteilte Visa, spät erteilte Visa oder die Nichtausfolgung von Passdokumenten aufgehoben, es konnte den Bürgerinnen und Bürgern geholfen werden. Richtig ist aber auch, dass man zwischen den Zeilen des Berichtes der Volksanwaltschaft herauslesen kann, dass bei den Botschaften die Visums-Ausstellung hoch restriktiv betrieben wird; ich erlebe das auch in meinen Sprechstunden.

Ich habe jetzt zum Beispiel den Fall gehabt, meine Damen und Herren, dass ein türkisches Ehepaar, das seinen Sohn in Wien besuchen wollte, ohne weitere Begründung keine Visa bekommen hat. Das hat sich so abgespielt: Die sind in der Türkei zur Botschaft gegangen, haben Visa für Wien beantragt, um den Sohn und die Enkelkinder zu besuchen, aber dort sind die Visa abgelehnt worden mit der Begrün­dung, sie hätten kein Geld, sich in Österreich den Lebensunterhalt zu verdienen respektive zu bestreiten. Zweitens sind sie in der Türkei nicht genug verwurzelt, als dass man annehmen könnte, dass sie freiwillig wieder dorthin zurückkehren und das Bundesgebiet verlassen. Dokumente, die das belegen oder nicht belegen, wurden nicht angefordert. Es gibt lediglich einen Zettel, wo das einfach ausgefüllt worden ist. – Ein Fall für die Volksanwaltschaft, würde ich fast meinen. Da kann man froh sein, dass es die Volksanwaltschaft gibt, insbesondere auch bei einem zweiten Punkt, der Verbesserung des Verbrechensopferschutzes.

Da gibt es offensichtlich einen Fall, wo eine Ehefrau von ihrem Ehemann lebensgefähr­lich verletzt wird, und der Ehemann begeht Selbstmord. Die Behandlungskosten der Ehefrau betragen 25 000 €, die von der Gebietskrankenkasse bezahlt werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 87

Die Gebietskrankenkasse macht das im Umweg beim verstorbenen Täter geltend, indem sie sich an der Erbmasse auf Kosten der Ehefrau bedient. Das konnte zwar geschlichtet werden, meine Damen und Herren, aber die Anregung der Volksanwalt­schaft, das besser zu regeln, sodass man gar nicht auf die Idee käme, hier einen Regress in dieser Form zu machen, ist schon sehr richtig.

Die Rettungshubschrauber-Geschichte hat mich auch sehr bewegt, aber das ist ausführlichst von meinem Vorredner behandelt worden. Man muss die Leute halt aufklären. Wer heute sein Kind auf einen Skikurs schickt, begeht offensichtlich eine hoch riskante Tat. Das sollte man den Leuten sagen, oder – noch besser – man sollte eine Lösung finden, dass diese Kosten eben nicht schlagend werden, denn es ist nicht einzusehen, dass ich, wenn mein Kind auf Skikurs fährt, dort stürzt und verunfallt, nachher eine Rechnung über 3 500 € bekomme und, wenn ich Glück habe und bei der Versicherung der öffentlich Bediensteten bin, dann 948,27 € zurückbekomme – auf dem Rest bleibe ich sitzen. Das kann es nicht sein!

Nächster Fall: die Familienbeihilfe. Das war mir auch nicht bewusst, aber, meine Damen und Herren, es ist in der Realität so, dass für Zivil- und Präsenzdiener keine Familienbeihilfe bezahlt wird, weil man offensichtlich annimmt, dass der „üppige“ Verdienst eines Präsenz- und eines Zivildieners zur Bestreitung des Lebensunterhalts dient und ausreicht. – Das sieht die Volksanwaltschaft nicht so. Meine Damen und Herren, ich sehe das auch nicht so – und dem Nicken vieler in diesem Raum entnehme ich, Sie sehen das auch nicht so. Das sollte man daher auch in Ordnung bringen.

Der Hinweis, dass die Studienförderung nicht wertgesichert ist und daher Jahr für Jahr weniger wert wird und demzufolge in die Novelle des Studienförderungsgesetzes ein Automatismus eingebaut werden sollte, wonach Jahr für Jahr zumindest die Inflation abgegolten wird, ist natürlich richtig und sollte in die jetzt anstehende Diskussion des Studienförderungsgesetzes eingebracht werden.

Zum Thema Opferfürsorgegesetz: Das Opferfürsorgegesetz ist ein wichtiges Gesetz, es befasst sich ja mit Wiedergutmachung – leider nur bei österreichischen Staats­bürgern.

Unverständlich ist der Fall eines spanischen Staatsbürgers, der als Kind nach Öster­reich entführt wurde, in Mauthausen Zwangsarbeit leisten musste und aus dem Opferfürsorgegesetz keine Entschädigungsleistungen erhält, weil er ja nicht österreichi­scher Staatsbürger ist, aus dem Versöhnungsfonds aber auch nicht, weil darauf hingewiesen wird, dass er eine Leistung aus der Bundesrepublik Deutschland mit zirka 300 € pro Monat erhält. Ich bin mir sicher, dass das eines Landes wie Österreich, insbesondere angesichts der vorher geführten Debatte, nicht würdig ist und dass man das dringendst beheben sollte.

Zum Schluss: Ab Seite 423 ist eine Aufstellung der legislativen Anregungen der Volks­anwaltschaft an die öffentlichen Stellen, die Bundesregierung, die Ministerien et cetera, angeführt. Bedauerlich dabei ist, dass neben den Anliegen überwiegend steht: „bleibt aufrecht“. Vielleicht kann man das auch beheben, sodass es nicht aufrecht bleibt, sondern positiv erledigt ist, meine Damen und Herren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

14.07


Präsident Manfred Gruber: Meine Damen und Herren! Da keiner meiner Vertreter vor Ort ist, unterbreche ich für 2 Minuten die Sitzung für ein zutiefst menschliches Bedürf­nis.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 88

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.08 Uhr unterbrochen und um 14.10 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Manfred Gruber: Ich bedanke mich für Ihre Geduld und nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich darf Herrn Bundesrat Breiner das Wort erteilen. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.10.06

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dem Dank an die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter und an die VolksanwältInnen kann man sich nur anschließen. Die Volksanwaltschaft ist eine demokratiepolitisch sehr wesentliche Institution. Die Zahlen beweisen, dass die Bürger und Bürgerinnen davon regen Gebrauch machen.

2002: 8 000 Anbringen; 2006: 16 000 Anbringen – also eine wesentliche Zunahme an Arbeit. Ob das mit der Güte der Gesetze zusammenhängt, sei hier nur als Frage gestellt. Meistens aber – das sieht man, wenn man den Bericht liest – hängt das mit der Aus- und Durchführung der Gesetze zusammen.

Dass der Bereich Grundrechtsfragen einem Monitoring unterstellt ist, ist als besonders positiv hervorzuheben. Nichtsdestotrotz bedarf es einer Weiterentwicklung der Volks­anwalt­schaft. Wesentliche Institutionen im öffentlichen Bereich wurden ausgelagert und sind dadurch dem Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft entzogen. Ich denke, da dürften wir Überlegungen anstellen, die das Einflussgebiet der Volksanwaltschaft wiederum für den Bürger so weitreichend herstellen, dass alle diese Institutionen mit einbezogen werden.

Die Fälle, die hier angesprochen sind, berichtet sind – der Bericht liest sich stellen­weise tatsächlich spannend wie ein Krimi –, machen teilweise sehr betroffen. Der Umgang der Behörden mit den Bürgern und Bürgerinnen ist manchmal nahezu men­schen­verachtend. Bei einem dieser Fälle, die ich im Bericht gelesen habe, hat der Bürger dann aufgegeben, nach sage und schreibe elf Jahren – einfach, weil der Bürger keinen Sinn mehr darin sah, das Anliegen weiter zu vertreten. Da wurde der Akt verschlampt, vergessen, verloren, nicht wiederhergestellt. Einer der Punkte war dann, dass der Beschwerdeführer den Akt selbst hätte rekonstruieren sollen – also unvor­stellbar, wie das hätte sein sollen. Die Behörde hat ihm dabei weder geholfen noch geschaut, dass dies in Ordnung kommt.

Einem Kapitel habe ich mich hier besonders gewidmet – wie sollte es anders sein? –, dem Fremdenrecht. Es fällt in die Zuständigkeit der Volksanwälte Stadler und Kabas, und es geht um den Umgang mit Asylsuchenden, mit Familienauseinanderführungen, sollte man fast sagen, jedenfalls mit Fällen, für die man kein Verständnis aufbringen kann.

Die Volksanwaltschaft hat in vielen Fällen geholfen und hat diese Dinge repariert. Und ich möchte gerade mit diesem Punkt überleiten zu dem, was wir jetzt ständig erleben im Zusammenhang mit der Kandidatur von Mag. Terezija Stoisits zur Volksanwältin, wo Hetze betrieben wird, im Speziellen von der FPÖ, wo wir aber nicht verstehen können,


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 89

welchen Kurs die ÖVP hier vertritt. Ich kann mir nicht vorstellen, warum sich die ÖVP hier offensichtlich nicht dafür entscheiden kann – so wie man hört, außer es hätte heute eine Änderung gegeben (Zwischenruf bei der ÖVP) –, sich auf Frau Stoisits einzulassen.

Volksanwältin heißt doch, eine Vertretung zu haben für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, für alle Menschen (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl) – das steht so im Gesetz ja gar nicht drinnen (Bundesrat Ing. Kampl: Zuerst für die Öster­reicher!) –, für alle Menschen, die das österreichische Gesetz betrifft und berührt.

Ich denke hier im Besonderen auch an die Fälle, wo ja durch das neue Fremdengesetz Familien zerrissen werden, Männer von Frauen getrennt werden, und das, obwohl die ÖVP ja ständig behauptet, dass die Familie ein ganz wichtiger Faktor in unserer Gesellschaft ist. – Dem kann man sich ja im Prinzip anschließen, aber dann sollte das doch für alle Familien gelten.

Ich habe mir eine Frage an die ÖVP aufgeschrieben: Was befürchten Sie denn, wenn Frau Stoisits Volksanwältin wäre? Sind die Gesetze, die gemacht wurden, so schlecht, oder wird die Anwendung dieser Gesetze – da meine ich auch speziell im Fremden­bereich – doch so restriktiv durchgeführt, dass man befürchten muss, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger an die Volksanwaltschaft wenden müssten, um zu ihrem Recht zu kommen? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, auch zu Recht. Bei der Behand­lung der Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – aus ihren Ländern vertrieben werden, mit Tod bedroht sind ... (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth und bei Bundesräten der ÖVP.) Aber das ist ja doch ein ... (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Sie sehen immer, wenn Sie Schwarze sehen, Drogen­händler. Wir unterscheiden da wenigstens noch, dass manche Schwarze nicht ganz so schwarz sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr seid ja nur Träumer!) – Lieber ein Träumer und auf der Basis der Menschenrechte als ein Verhetzer, der die Menschenrechte durchaus verlässt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Auch hier zeigt sich ja wieder, wie diese Diskussion läuft.

Aus der Homepage der Volksanwaltschaft: „Die Bundesverfassung hat der Volksan­walt­schaft die Aufgabe übertragen, behauptete oder vermutete Missstände in der Verwaltung zu prüfen. – Dies hat sie bisher löblichst getan, und ich bin mir auch sicher, dass dies auch weiterhin die wesentliche Aufgabe sein soll. – Ungeachtet der Nationalität der Betroffenen. Und im Wesentlichen ist darauf zu achten, dass Opfer auch Opfer bleiben und geschützt werden, wie wir es ja auch in anderen Fällen als problematisch aus dem Bericht der Volksanwaltschaft erkennen. Das bereits erwähnte Opferfürsorgegesetz sei hier nur ebenfalls erwähnt, das hat bereits mein Vorredner angesprochen.

Eines der Ergebnisse der Volksanwaltschaft habe ich hier, es sind dies die Anregun­gen der Volksanwaltschaft, und zwar legislative Anregungen; sie sind auch von meinem Vorredner bereits angesprochen worden. Ich habe mir das herausgesucht: Bei 15 Fällen ist die Umsetzung der Anregung erfolgt, bei 22 Fällen ist die Umsetzung beabsichtigt, bei 84 Fällen ist die Umsetzung nicht beabsichtigt, davon bleibt bei 75 Fällen aber die Anregung der Volksanwaltschaft aufrecht. Das kann es doch eigentlich nicht sein, wenn wir behaupten, dass die Aufgabe der Volksanwaltschaft so positiv ist, wie wir sie jetzt festgestellt haben, dass der Gesetzgeber dann diese Arbeit nicht so würdigt, wie wir es eigentlich erwarten. Ich hoffe – ich denke, diese Legis­laturperiode wäre doch dazu angetan –, dass es hier wesentlich öfter heißt, dass die Umsetzung dieser Anregungen stattgefunden hat und dadurch der Zugang zum Gesetz und zum Recht für die Bürger wieder besser und wesentlich sicherer gestaltet wurde. (Beifall bei den Grünen.)

14.20



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 90

Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


14.20.30

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Volksanwalt! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! 30 Jahre Volksanwaltschaft – zusammenfassend: eine erfolgreiche Arbeit für die Bürger und die Menschen, für uns Österreicher.

Der Bericht umfasst 437 Seiten und bietet einen guten Überblick über die Arbeit der Volksanwaltschaft. Wenn man diesen ein bisschen genauer liest, dann muss man sagen: Sehr, sehr vielseitig! Behandelt wurden insgesamt über 16 000 Fälle von Bürgern, die ihre Probleme einfach nicht mehr allein lösen konnten und dazu eben die Volksanwaltschaft aufsuchten. Diese Menschen sind oft zufrieden damit, dass sie nur angehört werden, denn alles kann auch die Volksanwaltschaft nicht erledigen, weil es auch um Dimensionen geht, die einfach menschlicher Natur sind, aber wenn sich jemand die Probleme anhört, dann tut das schon oft gut.

7 735 Prüfverfahren wurden abgeschlossen, davon 3 900 Fälle betreffend Bundes­verwaltung und 2 631 Fälle betreffend Landes- und Gemeindeverwaltung. – Das ist sehr umfangreich, und man sieht daran, dass es einen großen Bedarf gibt und dass es daher von sehr großer Wichtigkeit ist, dass die Volksanwaltschaft auch funktioniert.

Große Unterschiede gibt es hinsichtlich der Inanspruchnahme vonseiten der einzelnen Bundesländer. So kommen zum Beispiel auf 100 000 Einwohner in Wien 129 Be­schwer­den, in Kärnten 80 und in Tirol 35; aber bei Tirol ist das verständlich, denn Tirol hat eine eigene Volksanwaltschaft – und das ist auch gut so.

Dazu kommen noch andere wichtige Aktivitäten, wo es, sehr geehrter Herr Volks­anwalt, entscheidend ist, dass die Volksanwaltschaft ein so großes Vertrauen genießt, wie etwa 211 Sprechtage in Ländern und Bezirken, 19 552 Stück Schriftverkehr, 130 906 Besucher und damit letzten Endes Gespräche, 40 Fernsehsendungen – und die finde ich am positivsten: Wenn die Sendung kommt, dann ist man dabei und lernt viel dabei!

Herr Volksanwalt! Diese Aktivitäten sollen noch ausgebaut werden. In Kärnten plant man deswegen eine eigene Volksanwaltschaft, und ich muss sagen: Ich bin sehr froh darüber. Diese wird überparteilich sein, und für die Besetzung wird eine unabhängige Objektivierung erfolgen. Damit wird auch Kärnten in Zukunft einen Volksanwalt haben.

Ich habe aber trotzdem eine Frage an Sie, Herr Volksanwalt, nämlich: Da gibt es auf den Seiten von 39 bis 42 und von 348 bis 352 einen Bericht bezüglich des Ortstafelstreits in Kärnten, und da frage ich mich: Warum macht die Volksanwaltschaft von sich aus Aktivitäten, die an den Verfassungsgerichtshof gerichtet sind bezie­hungsweise die die Ortstafeln in Kärnten betreffen – und zwar ohne Rücksprache mit der offiziellen Kärntner Landesstelle beziehungsweise mit der Kärntner Landes­regierung und ohne sich um die Kärntner Willensbildung und um die Menschen in Kärnten zu kümmern?

Ich möchte mich bei allen Volksanwälten für die Ermöglichung des Zugangs zum Recht bedanken. Ich glaube, dass ich auch im Namen der vielen tausend ÖsterreicherInnen euch drei Volksanwälten den Dank aussprechen darf, hoffe aber für die Zukunft, dass auch so verantwortungsbewusste Volksanwälte dieses hohe Amt vertreten werden.

Nun richte ich das Wort an meinen Kollegen Breiner. Lieber Herr Kollege Breiner, ich habe hier einen Artikel – ich will ihn bewusst nicht vorlesen – aus der Kolumne „Post von JEANNÉE“.  (Zwischenruf des Bundesrates Breiner.) Nein, nein, das ist nicht so! – Wer den liest – und natürlich lesen ihn viele Österreicher –, der weiß Bescheid, was da


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steht bezüglich der Frau Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Breiner.)

Ich will ihn gar nicht vorlesen, aber eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich sagen: Die Funktion des Volksanwaltes ist meiner Meinung nach eine der höchsten und eine der verantwortungsvollsten Funktionen in Österreich, und ich hoffe, dass der Nationalrat – ich vertraue dem Nationalrat! – aus seiner Mitte und von den ihm vorgegebenen Kandidaten jenen Kandidaten oder jene Kandidatin wählt, der für dieses Amt passt.

Leider muss ich zu Frau Abgeordneter Stoisits sagen: Wenn jemand zuerst die anderen liebt und dann erst die Österreicher, dann kann das nicht stimmen! – Ich glaube, zuerst sind die Österreicher ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nein, liebe Kolle­gen! Zuerst sind die Österreicher zu vertreten – ob euch das passt oder nicht! (Neuer­liche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Kollegen von der SPÖ, wartet noch ein bisschen ab, ihr werdet wahrscheinlich noch „vergattert“ werden! Die Grünen sind zwar mit meiner Aussage nicht zufrieden, aber so ist es, glaube ich, im Bewusstsein der Österreicher! (Zwischenruf des Bun­desrates Reisenberger.)

Frau Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Stoisits ist bekannt dafür, dass sie zuerst die Probleme der anderen lösen will und dann erst die der österreichischen Bürger – und das ist das Problem!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nehmen den Bericht der Volksanwalt­schaft gerne zur Kenntnis. Herr Volksanwalt, machen Sie so weiter! Und schauen wir, dass wir auch in Zukunft Volksvertreter haben, die zuerst die Österreicher vertreten und dann erst die anderen! Das wäre wichtig! – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Mitterer und der Bundesrätin Mühlwerth.)

14.26


Präsident Manfred Gruber: Als Nächster gelangt Herr Volksanwalt Mag. Kabas zu Wort. – Bitte, Herr Volksanwalt.

 


14.26.29

Volksanwalt Mag. Hilmar Kabas: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs dafür entschuldigen, dass zwei Volks­anwälte – Volksanwältin Bauer und Volksanwalt Dr. Kostelka – heute nicht hier sein können: Frau Volksanwältin Bauer ist im Budgetausschuss bei den Budgetverhand­lungen über das Kapitel „Oberste Organe“, und Herr Volksanwalt Dr. Kostelka musste einen Termin im Ausland wahrnehmen. Es ist nämlich so, dass auch die Volksanwalt­schaften in den diversen Ländern vernetzt sind und auch die Volksanwälte eine internationale Vereinigung bilden, und da hat Österreich in der Person von Dr. Kostelka einen sehr hohen Stellenwert, und daher konnte er sich dieser Verpflichtung nicht entziehen.

Ich möchte mich nun herzlich bedanken für die hohe Anerkennung, die bisher hier in den Reden der Institution der Volksanwaltschaft entgegengebracht worden ist. Ich möchte es aber auch nicht verabsäumen, den Mitarbeitern der Volksanwaltschaft herzlichst zu danken, ohne deren wirklich profunde Kenntnisse diese Aufgabenstellung nicht bewältigt werden könnte. Ich darf das vielleicht auch deshalb besonders authen­tisch sagen, weil ich ja erst seit Kurzem – seit einigen Monaten – im Amt bin und das deshalb sehr gut beurteilen kann, weil mir die Hilfestellung der Mitarbeiter bezie­hungsweise die Federführung der Mitarbeiter natürlich sehr zugute gekommen ist.

Es wurden hier schon einige Probleme der Gestionierung der Volksanwaltschaft, aber auch Fragen der Weiterentwicklung derselben gestreift. Ich glaube, dass es in nächster


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Zeit zu einer Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft kommen wird, und zwar auch aufgrund der Erfahrungen der letzten 30 Jahre.

Weil sowohl im Ausschuss des Bundesrates als auch heute wieder die Frage zur Sprache gekommen ist, inwieweit legistische Anregungen der Volksanwaltschaft auch tatsächlich umgesetzt werden, muss ich sagen: Da gibt es ein Defizit! Und da gebe ich all jenen – Herrn Bundesrat Breiner, auch Herrn Bundesrat Kampl – recht, die das hier zur Sprache gebracht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Na, Sie sehen, wenn man diese Funktion auszuüben hat, geht das ohne Weiteres, Herr Bundesrat Schennach.

Ich glaube, dass es durchaus zweckmäßig ist, in den Institutionen der Legislative anzumerken, dass es schade ist, dass 62 Prozent der legistischen Anregungen, wenn man bis in das Jahr 2001 zurückgeht – bis dahin haben wir es momentan untersucht –, nicht umgesetzt wurden. Das heißt nicht, dass die gesamten 62 Prozent auch von der Warte der Legislative aus, von der Warte der Verwaltung aus zu 100 Prozent umgesetzt werden müssten, aber jedenfalls wäre mehr umzusetzen zum Besten der Bürger und zum Funktionieren der Verwaltung und des Staates, statt dass man es auf die lange Bank schiebt.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das auch so feststellen, und ich wäre froh, wenn wir gemeinsam den Versuch unternehmen würden, dafür zu sorgen, dass hier doch mehr aufgegriffen wird. Allerdings gibt es bei diesen 62 Prozent sozusagen eine Unschärfe, denn einige der Anregungen haben schon in Ministerialentwürfe oder in Regierungsvorlagen Eingang gefunden, sind aber noch keiner Erledigung zugeführt worden. Auf jeden Fall soll angemerkt werden, dass es wünschenswert wäre, dass mehr legistische Anregungen der Volksanwaltschaft aufgegriffen werden.

Vielleicht kann man auch im Zuge der Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft, aber auch der Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit den entscheidenden Institutionen des Staates, des Parlaments, des Nationalrates und des Bundesrates, einen Modus überlegen, wie man die legislativen Anregungen der Volksanwaltschaft, die quasi aus der Praxis stammen, da sie vor allem in Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern, die mit der Verwaltung zu tun gehabt haben, entstehen, indem entweder ein Missstand der Verwaltung oder Lücken in den Gesetzen festgestellt werden mussten, was natürlich immer sein kann, am besten umsetzt. Aus diesen Erfahrungen der Volksanwaltschaft stammen ja diese Anregungen in Richtung Legislative.

Eine konkrete Frage kam von Herrn Bundesrat Kampl, nämlich weshalb die Volks­anwaltschaft in der Ortstafelfrage zu solchen Schritten, die auch im Bericht Eingang gefunden haben, kommt. Ich stelle es einmal ganz formal fest: Weil es in der Kom­petenz der Volksanwaltschaft liegt, dass sie auch solche Schritte setzen kann. Es ist dieser Teil federführend von Volksanwalt Dr. Kostelka so geführt worden.

Mich hat gerade Frau Dr. Pacher, die Geschäftsbereichsleiterin von Dr. Kostelka, darauf aufmerksam gemacht – aber ich habe das schon von der Kollegialsitzung her gewusst –, dass Volksanwalt Dr. Kostelka selbstverständlich mit Verkehrslandesrat Dörfler gesprochen hat, und zwar im Beisein des Landtagspräsidenten und auch von Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden. (Bundesrat Ing. Kampl: Danke!)

Diese Auskunft ist dahin gehend zu bewerten, dass wir, so wie in allen anderen Fällen auch, selbstverständlich überhaupt nichts machen, ohne vorher auch die andere Seite zu hören. Das ist ganz wichtig: Audiatur et altera pars! Das muss man immer machen, weil sich dann ja oft andere Aspekte ergeben und nicht nur die Aspekte der Beschwerdeführer alleine zu bewerten sind. So ist es auch in diesem Fall gewesen. –Das wollte ich hier nur zur Aufklärung gesagt haben.


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Ich darf noch darauf hinweisen, dass diesen Verordnungsanfechtungen, wie im Bericht dargestellt, Mehrheitsentscheidungen in den Kollegialsitzungen der Volksanwaltschaft zugrunde lagen.

Ich glaube, dass es aus der Sicht der Volksanwaltschaft sehr, sehr wichtig ist, dass diese Berichte diskutiert werden, dass man sich damit auseinandersetzt, damit dann, wie es bei allen Rednern der Fall war, Verbesserungen angeregt werden, die zum Beispiel im Sozialbereich, im Behindertenbereich oder im Fremdenrecht wünschens­wert sind. Genau so soll es ja sein!

Es ist eben festzustellen, dass nicht alles reibungslos funktionieren kann, denn gerade in einer Staatsverwaltung werden immer wieder auch Fehler gemacht. Dort wo Menschen sind, werden eben Fehler gemacht. Und das zeigt auch, dass die Ein­richtung der Volksanwaltschaft vor 30 Jahren demokratiepolitisch ein wirklich ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung war.

Ich habe in der Kürze der mir bisher zur Verfügung stehenden Zeit bereits gesehen, dass der Gedanke der Volksanwaltschaft weltweit weiter vorangetrieben wird. Das ist wirklich interessant! So findet zum Beispiel gerade in den ehemaligen Staaten der UdSSR die Einrichtung der Volksanwaltschaft ein hohes Interesse. Man bemüht sich in einigen Nachfolgestaaten tatsächlich, eine solche Institution zu entwickeln. Man kommt sogar nach Österreich, um Gespräche darüber mit uns zu führen, um sich zu erkun­digen, wie so etwas zu machen ist. Neulich war eine Delegation aus Albanien hier in Österreich, die sich unsere Institution angeschaut hat und unsere Erfahrungen damit hören wollte.

Das heißt, es gibt in diesem Bereich weltweit eine sehr positive Entwicklung. Das zeigt, dass der Bürger in den verschiedensten Staaten, auch mit unterschiedlichen Gesell­schaftssystemen, in seiner Zusammenarbeit beziehungsweise im Kontakt mit der Staatsverwaltung einen immer höheren Stellenwert bekommt.

Ich bin überzeugt davon, weil es schon entsprechende Papiere gibt, die in den nächs­ten Monaten diskutiert werden und dann auch dem Nationalrat und dem Bundesrat vorgelegt werden, dass es zu einer Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft im positi­ven Sinne kommen wird.

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen herzlichst für Ihr Interesse bedanken und uns allen gemeinsam wünschen, dass unsere Rechtsschutzeinrichtungen und auch jene Einrichtungen, die vor Missständen und Fehlentwicklungen in der Verwaltung schützen sollen, auch in Zukunft so gut und vielleicht noch besser funktionieren, als es in den letzten 30 Jahren der Fall war. – Danke. (Beifall der Bundesräte Mitterer, Ing. Kampl und Mühlwerth sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Saller. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.37.28

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Volks­anwalt! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeit der Volksanwaltschaft wissen wir alle, wie wir ja hören, sehr zu schätzen, greift sie doch eigentlich in viele Fälle sehr wirksam ein. Und sie bewirkt zweierlei: Auf der einen Seite greift sie das Schicksal oder die ungerechte Behandlung Einzelner auf, und auf der anderen Seite sind viele dieser Fälle symptomatisch für manche Mängel in unserer Gesellschaft.

Ich möchte davon zwei besonders hervorstreichen: Das Thema „Schulsprengel“ kommt wieder vor; das war bereits 2004 ein Thema, ich habe auch damals dazu gesprochen. Jetzt geht es darum, dass eine Schülerin aus einer kleinen Gemeinde nahe Wien ohne


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vorherige Absprache in der Bundeshauptstadt eine Schule und ein Heim besucht und natürlich jetzt gerechterweise ein Schulerhaltungsbeitrag vorgeschrieben wird, der sehr hoch ist, und das stellt natürlich die kleine Gemeinde vor große Probleme.

Dieser Fall zeigt, dass das System, so wie wir es jetzt haben, sicher viele Härten in sich birgt und daher eine Reform diesbezüglich dringend notwendig ist.

Aber bei dem vorliegenden Bericht ist mir etwas ganz anderes besonders ins Auge gestochen, und zwar scheint dort in einem Punkt die Diskriminierung aufgrund des Alters auf.

Ich bringe dazu ein Beispiel: Eine 57-jährige Frau wurde von einem fixen Arbeitsplatz in eine Art „Personalentwicklungs-Einsatzpool“ versetzt. Begründet wurde das mit dem Argument, dass in der Zentrale Arbeiter abgebaut würden und die Wahl auf sie gefallen sei, weil sie eben die Älteste sei, und außerdem wären noch drei weitere drange­kommen. Dieser Fall scheint mir besonders symptomatisch zu sein. Viele werden heute in unserer Gesellschaft wegen Hautfarbe, Religion, Herkunft, Partnerschaft und vielem anderem mehr diskriminiert. Diese Liste ist längst zu erweitern: Es kommt hier auch das Alter dazu.

Die Altersdiskriminierung geht eigentlich durch alle gesellschaftlichen Bereiche, durch Arbeitsmarkt, Finanzen, Wohnen, Ehrenamt, politische Vertretungen und vieles andere mehr. Die Einschränkung der Mobilität durch Reglementierung oder fehlende Angebote im Verkehrsbereich zulasten der älteren Menschen ist ein besonderes Problem. Als weitere Frage stellt sich, ob es legitim ist, dass die Erfahrung und das Wissen der älteren Leute vergeudet wird. Dabei werden der älteren Generation oft Gerechtigkeit, Menschlichkeit oder Lebensfreude genommen. Jede Diskriminierung wird auch von physischer und psychischer Gewalt begleitet.

Der Salzburger Landtag hat sich bereits vor zirka eineinhalb Jahren mit diesem Thema befasst und hat auch diesbezüglich einen Antrag einstimmig beschlossen, jeder Art von Diskriminierung, soweit dies das Land oder die Landesgesetzgebung betrifft, entgegenzuwirken. Bei der letzten Sitzung des Landesseniorenbeirates am Dienstag dieser Woche ist dieses Thema ebenfalls angesprochen worden. Helfen wir also gemeinsam mit, diese Altersdiskriminierungen bereits im Keim zu ersticken!

Ich möchte mit einem Zitat Goethes schließen: „Der Alte verliert eines der größten Menschenrechte: Er wird nicht mehr von seinesgleichen beurteilt.“

Ich danke den Damen und Herren Volksanwälten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft für diesen Bericht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.42


Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.42.17

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Volks­anwalt! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich kann auch nur sagen: Wir sind zutiefst beeindruckt vom vorliegenden Bericht der Volksanwaltschaft. Ich glaube, einige Vorredner haben bereits Bezug genommen auf jenen Bereich, der sich mit der Verteidigung der Grundrechte auseinandersetzt. Ich muss jetzt irgendwie diesen Ball aufnehmen; Kollege Kampl hat es ja für notwendig erachtet, hier den Ortstafelbereich hereinzuklauben.

Kollege Kampl! Ich bitte dich wirklich, diesen Teil des Berichtes der Volksanwaltschaft einmal ganz genau zu lesen. Denn was steht da drin? – Hier geht es darum, dass die


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Volksanwaltschaft sich auf das rechtsstaatliche Prinzip dieser Republik bezieht! Wenn die obersten Gerichte, vor allen Dingen die außerordentlichen Gerichte – in diesem Fall geht es um den Verfassungsgerichtshof –, hier eine Empfehlung geben, dann ist das, glaube ich, auch für eine Landesverwaltung verbindlich, Kollege Kampl!

Aber ich möchte das heute wirklich ein bisschen nachösterlich-positiv sehen. Du hast ja in deiner Gemeinde, glaube ich, den Sitz des Bischofs, also sollte man an diese Dinge auch einmal christlich herangehen. Ich glaube, auch die katholische Kirche hat sich geöffnet, sie zeigt sich vielfach weltoffen, und ich denke, dieser Weg könnte durchaus auch in Kärnten beschritten werden. Auch du solltest mit einem guten Beispiel vorangehen für die jungen Menschen, die es ganz gerne sehen, wenn man internationalisiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.)

Du sitzt neben einem renommierten Hotelier, der ja früher auch deiner Wählergruppe angehörte. Ich glaube, wir brauchen die Touristen, wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Menschen, auch über die Grenzen hinweg. So sollten wir uns zeigen, und so sollten es, glaube ich, irgendwann einmal diese zweisprachigen Ortstafeln zeigen, entgegen der Problemdarstellung, wie sie der Landeshauptmann immer so gerne macht, um zu polarisieren und um zum Teil die Menschen gegeneinander aufzu­bringen. Ich glaube, man sollte die Menschen eher füreinander bestimmen. – Das zu diesem Thema.

Herr Volksanwalt! Ich kann wirklich nur gratulieren zu dem, was im Bereich der Antidiskriminierung alles unternommen wurde. Mir ist hier ein Fall ganz besonders aufgefallen, und zwar die Bestellung eines öffentlich Bediensteten, der bei einer Aus­schreibung in der Reihung eigentlich an vierter Stelle war; da hat man die bestgereihte weibliche Bedienstete nach hinten expediert. Sie – beziehungsweise Ihre Kollegin oder Ihr Kollege – kommen dort, glaube ich, zu dem Schluss, dass man eigentlich den Gleichbehandlungsbeauftragten oder die Gleichbehandlungsbeauftragte bei der Volksanwaltschaft ansiedeln sollte, um diesem Thema die entsprechende Bedeutung zu geben. Ich kann Ihnen dazu nur gratulieren, und ich hoffe, Sie finden mit dieser legistischen Anregung hier in beiden Häusern Zustimmung.

Als Wirtschaftsvertreter bin ich natürlich immer begeistert, wenn Sie ganz intensiv Themen aus dem Wirtschaftsbereich aufgreifen. Ein Thema, das wir hier schon abge­handelt haben, ist die Berufserweiterung der Zahntechniker. Eine Kollegin christlicher Couleur hat damals gemeint, das ist kein Thema. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Die Volksanwaltschaft, Kollegin Zwazl, hat das Gott sei Dank wieder zu einem Thema gemacht.

Ich glaube, die Berufserweiterung der Zahntechniker für das Abdrucknehmen ist ein brandheißes Thema. Diese Kolleginnen und Kollegen in der Wirtschaft stehen in einem Wettbewerb, inzwischen sogar mit dem fernen China und so weiter, wo die Zahnärzte mittels E-Mail ihre Zahnprothesen abrufen. Ich glaube daher, Kollegin Zwazl, wir sollten diesen Kollegen – so wie das die Volksanwaltschaft hier auch meint – eine Chance für eine entsprechende berufliche Zukunft geben.

Lassen Sie mich auf ein Thema noch ganz kurz eingehen. Sie haben hier gesagt, dass Sie etwas bestürzt sind, weil 62 Prozent Ihrer legistischen Anregungen noch nicht umgesetzt wurden. Sehen wir es einmal positiv: Das ist doch irgendwo wieder ein zu etwa 40 Prozent volles Glas!

Lassen Sie mich abschließend, sehr geehrter Herr Volksanwalt, auch Ihren beiden Kollegen, die ja entschuldigt sind, aber vor allen Dingen auch denen in der zweiten Reihe, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein herzliches Dankeschön für diese umfassende Arbeit aussprechen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 96

Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Schimböck. – Weitere Wortmeldun­gen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

14.47.2213. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Präsident Manfred Gruber: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates

den Ausschuss für BürgerInnenrechte,

den Ausschuss für Familie und Jugend

mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 7 Mit­glieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ, 6 auf die ÖVP und 1 Mitglied und Ersatz­mitglied auf die grüne Fraktion entfallen,

sowie folgende Ausschüsse mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen beziehungsweise aufzulösen, wobei ebenfalls jeweils 7 Mitglieder und Ersatz­mitglieder auf die SPÖ, 6 auf die ÖVP und 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die grüne Fraktion entfallen:

den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung – statt Ausschuss für Bildung und Wissenschaft –,

den Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur – statt Kulturausschuss – und

den Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz – statt Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Die zuvor genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung neu gewählt beziehungsweise aufgelöst.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind von den Fraktionen die auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen. Diese gelten damit als gewählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 97

14.49.13Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Finanzen betreffend Verdachtsmomente und Zustände rund um das „kleine Glücksspiel“, über verbotenes Glücksspiel sowie über mangelnde Aufklärung aufklärungswürdiger Umstände (2507/J-BR/2007)

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schennach als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte. (Bundesrat Dr. Kühnel: 45 Minuten, oder wie? – Bundesrat Schennach – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es wird etwas länger dauern, Herr Kollege!)

 


14.49.47

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage ist nicht nur im Saal und unter den Mitgliedern des Hohen Bundesrates verteilt worden, sondern es dürfte der Inhalt der Anfrage auch ganz schnell zu jener Firmengruppe, die hier angesprochen ist, gelangt sein, sodass noch vor der Behandlung in dieser Sitzung eine Stellungnahme zu dieser Dringlichen Anfrage – und das schon wenige Minuten nach Mittag! – eingetroffen ist. Das Netzwerk, das diese Dringliche Anfrage zeichnet – ein erschreckendes Sittenbild, Herr Staatssekretär! –, funktioniert also, und es funk­tioniert offensichtlich bis ins Hohe Haus.

Herr Staatssekretär! Tausende Automaten überschwemmen das Land. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... in das Hohe Haus?) Sie wissen, dass Tausende Automaten in den vergangenen Jahren aufgestellt wurden. Für weitere knapp 2 000 Automaten liegen derzeit Ansuchen auf Bewilligung vor. Niederösterreich wird bald nicht mehr als das Land an der Donau und des Weines gelten, sondern als eine Art Automaten-Valley, in dem man irgendwelche Automaten ausprobieren kann.

Den Greißlern, die zusperren, folgt in deren Lokalitäten meist ein Wettbüro. Schauen Sie sich die kleinen Ortschaften an: Greißler raus, Wettbüro/Spielwetten hinein! (Bun­desrätin Roth-Halvax: Eine maßlose Übertreibung!) – Sie wissen, dass es das nicht ist; fahren Sie einmal durch die kleinen Ortschaften! In Ihrer Gemeinde, Frau Bürgermeisterin, ist es nicht so; das weiß ich. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... ist höflich!)

Damit schaffen Niederösterreich sowie leider auch Wien, Herr Staatssekretär, Kärnten und die Steiermark eine ganz besondere Form eines Förderprogramms, nämlich ein Förderprogramm für Spielsucht: Spielsucht im ganzen Land verbreiten!

Meine Damen und Herren! Wir haben ein Sozialsystem, das sich eigentlich auf einem sehr soliden, sicheren System aufbaut. In Ländern mit mangelndem Sozialsystem werden Menschen zu dem Versuch angehalten, zu zocken, um vielleicht entweder über Kinder oder über das Glücksspiel ein System der sozialen Sicherheit zu erlangen. In Österreich, konkret in diesen vier Bundesländern, schaffen wir gerade ein System, das vermeintlich dazu führt, dass Menschen in Österreich es schon notwendig haben, ihre soziale Sicherheit in Wettbüros zu erzocken und darum zu spielen. Meine Damen und Herren, das kann es nicht sein!

Wenn wir nun diese erschreckende Strafanzeige der Kriminalpolizei Niederösterreich anschauen – die nicht, wie in der heutigen Stellungnahme der Firma Novomatic


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 98

behauptet, auf anonymen Anzeigen basiert, sondern auf einer Äußerung der Landes­kriminalpolizei Niederösterreich, die sie selbst abgegeben hat, aufgrund eigener Erhebungen und nicht aufgrund anonymer Anzeigen! –, sehen wir, dass es hier ein unfassbares Netzwerk gibt.

Eine Kriminalpolizei, die ja in der Wortwahl an sich sehr vorsichtig ist, spricht von einem massiven Lobbying gegenüber Politikern, sie spricht von einem massiven Lobbying gegenüber Behörden, sie spricht davon, dass sich eine Firmengruppe einen Schutzwall von Gutachtern geschaffen hat, dass im Grunde jeder Gutachter nachher – oder schon, während er dazu bestellt wird – mit einem üppigen Beratervertrag dieser Firma ausgestattet wird.

Wortwörtlich schreibt das Landeskriminalamt Niederösterreich von einem Schutzwall an Gutachtern, den diese Firmengruppe rund um sich geschaffen hat. Damit sagt auch das Landeskriminalamt Niederösterreich, dass diese Gutachten nicht mehr zurate zu ziehen sind oder zumindest in Frage gestellt werden müssen. Es weist sogar auf verwandtschaftliche Verhältnisse, finanzielle Vertragsverhältnisse und so weiter hin.

Frau Kollegin Roth-Halvax! Sie werden dann ja eine flammende Rede für den nieder­österreichischen Spielautomatenwald halten. Ich frage Sie: Bedarf es wirklich dieser Komplizenschaft der Politik oder von Landesregierungen, indem man sagt, wir brauchen diese Mittel für die Landesbudgets und riskieren es, dass Tausende Menschen süchtig sind? Wissen Sie, wie viele Menschen in Österreich durch die konzessionierten Glücksspielbetreiber derzeit vom Glücksspiel ausgeschlossen sind? Wissen Sie es? – Hunderttausend Menschen in Österreich sind vom konzessionierten Glücksspiel ausgeschlossen, zirka dreitausend pro Jahr!

Beim so genannten kleinen Glücksspiel gibt es überhaupt keine Ausschlussgrenzen, es gibt keine Zugangsgrenzen, und ich stelle hier auch die Behauptung auf: Es gibt kein kleines Glücksspiel mehr, für das einmal das Finanzministerium seine Bewilligung erteilt hat! Denn diese Wertgrenzen, unter die man noch kleines Glücksspiel sub­sumieren könnte, gibt es nicht mehr. Deshalb werden Sie, Herr Staatssekretär, für Sie vielleicht sehr seltsame Fragen in dieser Dringlichen Anfrage finden, nämlich dort, wo ich Sie frage: Ab wann beginnt das Spiel? Und wann endet das Spiel?

Die nächste Frage wäre dann die: Was ist die durchschnittliche Verweildauer Spiel­süchtiger vor diesen Automaten? – Sie können so lange setzen, solange sich der Würfel dreht, und das Spiel beginnt erst dann, wenn die Starttaste gedrückt wird. Es wäre hier wichtig, dass das Finanzministerium sagt: ein Mal setzen, und Schluss! Dann wäre es vielleicht ein kleines Glücksspiel: 50 Cent setzen, und Schluss! Aber sie können drücken, drücken, drücken, und das Spiel beginnt erst, wenn sie die Starttaste in Bewegung setzen.

Das allerdings gilt es von Gutachtern festzustellen. Was mich zum Beispiel völlig verwundert, ist, dass das Finanzministerium aufgrund von der Bundespolizeidirektion Wien gemachter Feststellungen quasi auf Tiefgang gegangen ist. Die Bundes­polizeidirektion Wien hat ganz klar gesagt: Dort ... (Bundesrat Ing. Kampl: ... macht­los!) Nein, nicht machtlos.

Die Bundespolizeidirektion Wien hat das auf den Punkt gebracht: Ich kann – sie haben diese Beobachtungen wiederholt gemacht – die Spielautomaten elektronisch beeinflus­sen, mit Fernbedienung und Stromzufuhr-Unterbrechung. Wenn eine Kontrolle kommt, dann habe ich eine Fernbedienung, und plötzlich schaltet dieser Spielautomat auf normalen Betrieb um. Deshalb hat die Bundespolizeidirektion schon im Jänner 2006 gesagt: Wir brauchen eine verplombte Elektronik. Wo sind die entsprechenden gesetz­lichen Umsetzungen in diese Richtung?


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 99

Wir schauen zu, in Niederösterreich haben wir derzeit die nächsten 1 700 Anträge, und es geschehen keine Ordnungsprinzipien. Nein, die Menschen, die kritisieren – wie zum Beispiel eine Landesrätin in Niederösterreich –, werden geklagt! Oder Menschen, die im ORF bei Interviews über ihre Spielleidenschaft oder darüber, wie sie spielen, Auskunft geben: jeder Einzelne, der interviewt wurde, wurde geklagt!

Das nenne ich eine extrem aggressive Vorgangsweise einer Firma. Wenn eine Firma dermaßen aggressiv reagiert und agiert, frage ich mich, meine Damen und Herren: Was ist da der nähere Hintergrund? Warum muss ich in einer dermaßen sensiblen Sache derart reagieren, nicht immer mit demselben Schmäh zu sagen: der Staat hält noch immer ein Monopol auf Glücksspielunternehmen, und die Privaten kommen zu kurz?

Wenn wir einmal die Privaten anschauen – der Herr Staatssekretär hat ja eine inter­essante Frage bekommen –: Wie sieht denn diese andere, private Seite aus? – Frau Präsidentin Zwazl, Sie werden sagen: Wir wünschen uns den Wettbewerb. Das wünsche ich mir auch, überall soll es Wettbewerb geben. Sie werden gar keinen Wettbewerb mehr auf der privaten Seite finden! Sie werden keinen mehr finden, denn so aggressiv, wie man gegen Kritiker vorgegangen ist, so klar hat man auch den Markt gestaltet.

Warum gibt es kein kleines Glücksspiel mehr? – Weil es nicht nur höhere Wetten gibt, als sie in Bewilligungen erlaubt sind, und diese nicht überprüft werden, sondern es gibt auch deswegen kein kleines Glücksspiel mehr, weil unter kleinem Glücksspiel Dinge subsumiert werden, die im Grunde klares Glücksspiel sind. Da ist eben das, was jetzt in Niederösterreich die Wogen so hochgehen lässt, dieses so genannte Hunderennen. Ich lese Ihnen hier ein paar Sachen vor. Das muss jetzt sein, Herr Kollege Kühnel; Sie werden sich freuen, Sie brauchen es nicht persönlich nachzulesen.

Was würden Sie sagen, wenn Sie jemand zu einer Wette herausfordert und den Ausgang schon vorher kennt? – Dankend ablehnen würden Sie wohl. Was aber, wenn Sie erst hinterher erfahren, dass Ihr Wettgegner das Ergebnis schon vorher gekannt hat? Dann würden Sie ihn vermutlich schlicht einen Betrüger nennen und wenn möglich Ihren Einsatz zurückfordern.

Das ist auch die Ansicht der Staatsanwaltschaft St. Pölten, die sagt, es ist moralisch zumindest eine fragwürdige Variante, bei den zwei großen Wettanbietern aber gang und gäbe. Es wäre nichts Schlimmes daran, denn diese Rennen würden ja nur wenige Minuten verspätet übertragen werden, weil etwa die Rechte für eine Live-Übertragung unverhältnismäßig teuer sind und es technisch bedingte Verzögerungen gibt.

Was würden Sie aber sagen, wenn Sie wetten, der Anbieter die Wette kennt und diese Rennen schon zwei Monate und länger zurück sind und via DVD abgespielt werden? Und nun kommt die große Rechtfertigung: Na ja, es ist keine Wette, wir vermitteln ja nur einen Wettvertrag. – Die Landeskriminalpolizei Niederösterreich hat auf jeden Fall die technischen Geräte und die entsprechenden DVDs, die diese Wetten generieren oder scheinbar darzustellen versuchen, beschlagnahmt.

Meine Damen und Herren! Nun stellt sich folgende Frage – und die stellt sich natürlich an den Bund, denn ich sage Ihnen ganz ehrlich, Frau Kollegin Roth-Halvax, von den Ländern erwarte ich mir nichts, denn dort zählt das Klingeln der Kassa in den Landesbudgets! Die Grundaufsicht über das Glücksspiel liegt beim Bund, die liegt beim Finanzministerium. Und derzeit haben wir befangene Gutachter und eine hilflose Kontrolle. Jeder verweist dann gleich auf das Internet. Richtig, das Internet ist eine Sache, aber auch hier gibt es schon eine Stellungnahme der Bundespolizeidirektion. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Auch hier meine Frage an den Herrn Staatssekretär: Wurde eigentlich, seit die Bun­des­polizeidirektion das angebracht und mitgeteilt hat, irgendein Schritt unternommen? Ich sage Ihnen – Kollege Bieringer wird jetzt gleich brüllen vor Zorn oder vor Empörung! –, eines ist schon interessant, wenn wir dieses Netzwerk anschauen, Frau Kollegin Zwazl. Diese Firma, die diese Firmengruppe lobbyiert, hat einen neuen Mit­eigen­tümer – die Lobbyfirma dieser Firma –: Der heißt Karl-Heinz Grasser. Interessant! Der Finanzminister, der vorher die Aufsicht über das Glücksspiel hatte, ist jetzt genau Miteigentümer – zuerst übrigens noch unentgeltlich – jener Firmengruppe geworden, die jetzt das Lobbying dieser Firma betreibt. Das gehört meiner Meinung nach überprüft, genauso wie der Verdacht ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) – Ich weiß nicht, ich kann auch einmal kurz etwas trinken! (Ruf bei der ÖVP: Prost!)

Das gehört überprüft, wie auch der Verdacht, dass hier eine ganze Reihe von Automaten erstens manipuliert und zweitens überhaupt illegal sind. Mein Kollege Breiner wird darauf noch näher eingehen, wie die Situation in jenen Bundesländern ausschaut, die sich derzeit noch wehren – und manche sind schon ganz schön in der Zwickmühle – und wo es noch keine Möglichkeit des kleinen Glücksspiels gibt, aber es bereits eingezogen ist.

Meine Damen und Herren! Ja, es stimmt. Es gibt jetzt ein laufendes Untersuchungs­verfahren. Es stimmt, wir haben diese Dringliche Anfrage mitten in ein laufendes Unter­suchungsverfahren gestellt. Wir denken aber, dass der Herr Staatssekretär angesichts der Wahrnehmungen, die schon älter sind – die auch auf der Hand liegen, und die Finanzbehörden klagen selbst darüber –, jetzt nicht wiederum sagen muss, er muss etwas länger abwarten, sondern die Politik kann jetzt angesichts dieser Tatsachen, die hier auf dem Tisch liegen, Konsequenzen ziehen, erste Maßnahmen setzen. Das Einzige, was wir jetzt und sofort vom Finanzministerium verlangen, ist: Reden Sie bitte mit dem Bundesministerium für Inneres und bilden Sie eine Sonderkommission!

Diese Verflechtung, die hier vorliegt – die mich übrigens an so manch andere glamour­hafte Verflechtung in Wien erinnert –, kann nicht anstehen! Hier gehört Licht ins Dunkel eines Netzwerkes gebracht. Stoppen Sie, bis das geklärt ist, alle laufenden Anträge auf Bewilligungen! Stoppen Sie alle laufenden Anträge auf Landesebene und auf Bundesebene! Und stellen Sie so wie der unabhängige Verwaltungssenat Nieder­österreich – der ist ja auch nicht gerade auf der Milchsuppe dahergeschwommen! – klar: Diese Hundewetten sind kein „kleines“ Glücksspiel, das ist Glücksspiel. Und dafür kann Niederösterreich keine Konzession an „kleine“ Glücksspiel-Anbieter ausgeben.

Das heißt: Klären Sie mit den Landesbehörden! Stoppen Sie derzeit bis zur Klärung all dieser Dinge Bewilligungen! Es gibt so viele Automaten, und so viele Tausende, Zehn­tausende Menschen tragen derzeit ihr Geld schon in diese Automaten, dass man durchaus sagen kann: Und jetzt stoppen wir einmal! In Kärnten haben wir zum Beispiel eine Zunahme Spielsüchtiger um 600 Prozent, wie die Studie von Professor Scholz festgestellt hat. Bitte, das ist ja keine Kleinigkeit! Wir haben Spielsüchtige, die jetzt bereits klinischen Aufenthalt brauchen.

Ich muss Ihnen sagen: Glücksspiel wird es in jeder Gesellschaft geben, soll es in jeder Gesellschaft geben. Der Spieltrieb gehört auch zum Menschen. Menschen süchtig und abhängig zu machen, ist aber eine ganz, ganz andere Frage. Für die Spielanbieter höhere Zugangsbeschränkungen und höhere Schranken überhaupt einzubauen und auch zu kontrollieren, das ist dringend geboten!

Ich frage Sie daher, Herr Staatssekretär: Was werden Sie nun tatsächlich tun? – Schaffen Sie eine Sonderkommission! Suchen Sie – und wenn es sein muss, im Ausland – unbefangene, nicht mit Privatverträgen ausgestattete Gutachter, die sich all diese Konzessionen noch einmal anschauen und durchgehen! Schauen Sie bitte das


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an, was die vier betroffenen Bundesländer derzeit an Bewilligungen ausgegeben haben, und legen Sie diese Bewilligungen alle noch einmal auf den Prüfstand! Über­prüfen Sie sie mit der Realität! Nehmen Sie das, was die Bundespolizeidirektion drama­tisch an Sie gerichtet hat, endlich zur Kenntnis und setzen Sie hier die ent­sprechenden Maßnahmen!

Und noch etwas: Wenn Sie das „kleine“ Glücksspiel aufrechterhalten – runter mit den Einsätzen und aufhören damit, dass man einen Einsatz bis zu zwölf Mal tippen kann während eines Spieles! Meine Damen und Herren! Da wäre schon sehr viel getan. Und im Übrigen, Herr Staatssekretär, bin ich sehr daran interessiert, wie Sie die 40 Punkte nun beantworten werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Matznetter das Wort.

 


15.08.55

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Meine Damen und Herren! In Beantwortung der Dringlichen Anfrage betreffend Ver­dachts­momente und Zustände rund um das „kleine“ Glücksspiel, über verbotenes Glücksspiel sowie über mangelnde Aufklärung aufklärungswürdiger Umstände des Bundesrates Stefan Schennach, Freunde und Freundinnen darf ich wie folgt Stellung nehmen.

Einleitend ein paar Gedanken darüber, wie man mit dem Glücksspiel umgeht. Es ist völlig klar, dass das Glücksspielrecht ein hochsensibler Bereich ist. Es besteht eine hohe gesellschaftspolitische Verantwortung, weil eine transparente Glücksspiel­wirtschaft und eine effektive Aufsicht die Grundsteine eines akzeptierten Glücksspiels sind. Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Bundesrat, dass es in jeder Gesellschaft Glücks­spiel gibt – umgekehrt aber auch die Verantwortung der Gesellschaft dafür, dass die Abwicklung nach Regeln erfolgt, die den Einzelnen davor schützen, in eine Situation der Abhängigkeit oder gar des Suchtverhaltens zu kommen.

Die österreichische Bundesregierung fühlt sich insbesondere dem Ziel des Spieler­schutzes im hohen Ausmaß verpflichtet. Aus diesem Grund war es ja bereits in der Vergangenheit so und wird es auch in der Zukunft so sein, dass ein verantwortungs­bewusster Umgang mit dem Glücksspiel an sich gepflogen wird und notwendige Maß­nahmen getroffen werden, um ein unkontrolliertes oder gar aggressives Aufheizen der Spielleidenschaft zu vermeiden.

Im Rahmen der Aufsicht werden daher den vom Bund beauftragten Konzessionären – aber ich bitte: den vom Bund beauftragten Konzessionären! – umfangreiche Spieler­schutz­maßnahmen auferlegt, und es werden diese auch im Hinblick auf die Einhaltung überprüft und laufend evaluiert. Wir passen sie auch laufend an die Gegebenheiten des Marktes an.

Selbstverständlich ist es aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen nicht ausreichend, dass lediglich das legale Glücksspiel – also das konzessionierte Glücksspiel – überwacht ist. Verstöße gegen die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen dürfen nicht durch illegale Anbieter unterlaufen werden.

Logischerweise ist hier an der Grenzlinie dessen, was legal und was illegal ist, immer ein Untersuchungsgebiet, das es notwendig macht, in einer intensiven Zusam­menarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres als oberste Behörde für die innere Sicherheit wie auch mit dem Bundesministerium für Justiz, welches für die Strafver­folgungs­behörden beim gerichtlich strafbaren Akt zuständig ist, als zuständige Ver­folgungs­behörden laufenden Kontakt zu halten.


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Das Bundesministerium für Finanzen tut dies laufend. Die in der Anfrage gegen­ständliche Anzeige ist daher Ausfluss auch dieser BMF-Bestrebungen, dass, wenn es Verstöße geben sollte, diese lückenlos untersucht werden.

Man muss sich allerdings schon klar darüber sein, was die primäre Aufgabe der Aufsicht des Bundesministeriums für Finanzen ist: Das Bundesministerium für Finan­zen hat die Kompetenz für die Legistik im Bereich des Glücksspielgesetzes, hat daher auch für die nach diesem bundesweit geregelten Glücksspielgesetz vergebenen Konzessionen über die Konzessionäre die Aufsicht und wird jeden Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und hat das auch immer getan.

Zuständige Strafbehörde ist aber die Verwaltungsstrafbehörde, nicht das Bundesminis­terium für Finanzen. Wir haben als Ministerium und als Aufsicht in der Frage Glücksspielmonopol keine Strafverfolgungskompetenz, dennoch sieht das BMF es natürlich als seine Aufgabe an, den Strafverfolgungsbehörden die notwendige Unter­stützung zu geben, das heißt sowohl durch Fachexpertise wie auch durch das sofortige Anzeigen von bekannt gewordenen Umständen, aber durchaus auch durch Sensi­bilisierung für die Notwendigkeit von Untersuchungen im Hinblick auf die Suchtprä­vention und den Spielerschutz.

Wir tun das laufend, und ich glaube, dass das Bundesministerium für Finanzen in der Vergangenheit bisher auch gezeigt hat, dass wir das mit einer hohen Verantwortung machen und auch den Pflichten, die das Gesetz auferlegt, nachkommen.

Ich darf Sie aber aufmerksam machen, meine Damen und Herren, dass die letzten Jahre die Landschaft verändert haben. Glücksspiel ist nicht mehr eine rein nationale Angelegenheit. Das berührt einerseits die bereits angesprochenen Umstände, dass mittels der heutigen modernen Technik des Internets ja in Wirklichkeit weltweit gespielt werden kann, es berührt aber auch den Umstand, dass natürlich im Laufe der letzten Jahrzehnte durch die Reisemöglichkeit der Menschen, durch die Verbesserung der Verkehrsbedingungen, durch die Möglichkeit, einfach für ein paar Stunden über die Grenze zu fahren, klarerweise Glücksspiel eine Angelegenheit ist, die im internationa­len Kontext zu sehen ist.

Es bleibt daher ein wichtiges und wird ein immer wichtigeres Thema, wie wir in diesen geänderten Rahmenbedingungen den Jugendschutz und die Suchtprävention auf einem entsprechend hohen Standard aufrechterhalten.

Und es ist ein europäisches Thema. Das BMF bemüht sich in diesem Zusammenhang im Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedstaaten und den dortigen Behörden, auch dieser Verantwortung gerecht zu werden. Es ist kein Geheimnis, dass der Europäische Gerichtshof in einer Fülle von Judikaten – die letzten sind erst vor wenigen Wochen öffentlich diskutiert worden – eine Balance zwischen der Freiheit der Niederlassung und der Ausübung eines Geschäftes und den notwendigen Möglich­keiten für die Mitgliedstaaten, dem Verbraucherschutz, wie es so schön heißt – in dem Fall auch dem Spielersuchtverhalten gegenüber –, gerecht zu werden, zu finden sucht.

Es reicht jedenfalls nach der europäischen Judikatur nicht aus, Abgabeninteressen oder Monopolerhaltungsinteressen zu haben, weil das keine ausreichende Motivation für einen Mitgliedstaat sein kann, Beschränkungen der einen oder anderen Art auf­recht­zuerhalten.

Österreich hat ein sehr strenges Recht, was die bundesweite Regelung des Glücksspiels betrifft, und hat dafür eine Ausnahme vorgesehen, das so genannte „kleine“ Glücksspiel, wo mit einer Beschränkung in der Höhe der Spieleinsätze die


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Möglichkeit geschaffen wird, dass die Bundesländer in ihrem eigenen Wirkungsbereich in diesem Ausmaß das „kleine“ Glücksspiel genehmigen können oder nicht.

Diese Möglichkeit haben einige Bundesländer in Anspruch genommen und haben ent­sprechende Regelungen eingeführt. Es ändert aber nichts daran, dass die Grenzen dieses „kleinen“ Glücksspiels nicht überschritten werden dürfen, weil ansonsten ein Verstoß des illegalen Glücksspiels auch gegen das bundesweite Monopol vorliegt.

In diesem Rahmen darf ich daher zu den gestellten Fragen wie folgt die Antworten geben:

Zu den Fragen 1 bis 7:

Die Anzeige der Kriminalabteilung Niederösterreich wegen illegalen Glücksspiels gemäß § 168 des Strafgesetzbuches ist dem BMF bekannt. Für den Stand und die weiteren Verfahrensschritte ist die Bezirksanwaltschaft beziehungsweise Staatsanwalt­schaft und damit letztlich in der Ressortzuständigkeit das Bundesministerium für Justiz zuständig. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir in ein solches laufendes Verfahren weder eingreifen können noch wollen.

Wir wissen auch nicht, ob dort tatsächlich virtuelle Hundewetten abgeschlossen worden sind. Wir können nur zur Frage, wenn es illegale Hundewetten gibt, insofern Stellung nehmen: Das BMF hat mehrfach in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Abhaltung virtueller Hundewetten – also solcher, wo nicht mehr gewettet wird, weil das Endergebnis bekannt ist – illegal ist.

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen ist unter www.bmf.gv.at/steuern/­fachinformationen/glücksspiel/FAQs – ich schaue nur, ob das Protokoll passt, damit man das nachher auch aufrufen kann – diese Rechtsansicht auch veröffentlicht.

Uns ist auch jene Entscheidung des UVS vom November 2006 bekannt, der diese Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen bestätigt.

Zur Frage 8:

Die Frage, ob ein Bescheid der niederösterreichischen Landesregierung vorliegt oder nicht, können wir nicht beantworten, weil es uns nicht bekannt ist. Es fällt auch nicht in den Bereich der Bundeskompetenz. Das Bundesministerium für Finanzen hat diesbezüglich keinerlei Erkundigungen eingeholt.

Ich darf die Frage 9 grundsätzlich beantworten. Wenn das BMF eine Anzeige wegen illegalen Glücksspiels vornimmt, das heißt einen bemerkten Sachverhalt des Verstoßes feststellt, wird gleichzeitig immer auch eine Verständigung des zuständigen Finanz­amtes für Gebühren und Verkehrssteuern vorgenommen. Das BMF initiiert in diesem Fall auch allgemeine Abgabenprüfungen durch die jeweils zuständigen Finanzämter. Inwieweit gegen die in der Dringlichen Anfrage angesprochenen einzelnen Glücksspiel­betreiber Abgabenverfahren laufen, kann und darf das BMF unter Hinweis auf das Steuer- und Abgabengeheimnis nicht beantworten.

Zur Frage 10:

Wie viele Glücksspielautomaten nach landesgesetzlichen Bestimmungen vorliegen, können wir vonseiten des BMF nicht beantworten. Wir haben diese Zahlen schlichtweg nicht.

Zur Frage 11:

Die Anzahl der in konzessionierten Spielbanken aufgestellten Automaten beträgt rund 1800, also präzise 1788. In einer Aufgliederung nach Bundesländern ergibt sich, dass


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im Bundesland Niederösterreich 282, im Bundesland Salzburg 154, im Bundesland Vorarlberg inklusive Zollausschlussgebiete 299, in der Steiermark 125, in Oberöster­reich 214, in Wien 179, in Kärnten 173, in Tirol 362 und im Burgenland kein solcher Automat aufgestellt ist.

Das sind jene Automaten – um es klarzustellen –, die bei Konzessionären im Rahmen der Konzession in Betrieb stehen.

An Video-Lotterie-Terminals der elektronischen Lotterien sind derzeit zirka 600 Auto­maten aufgestellt.

Was die Frage nach der Aufgliederung betrifft, so bitte ich um Verständnis, dass wir aufgrund der kurzfristigen Fragestellung nicht in der Lage gewesen sind, diese präzise für alle Bundesländer zu erstellen. Wenn darauf beharrt wird, würden wir innerhalb kurzer Zeit schriftlich die entsprechenden Unterlagen, was die Videolotterien betrifft, nachreichen.

Ich möchte ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass es für diese Automaten, die hier beschrieben sind, begleitende Spielerschutzmaßnahmen gibt. Bei den elektro­nischen Lotterien, die ja an anderen Standorten aufgestellt sind, gibt es folgende Auflagen, die einzuhalten sind: Das maximale Wocheneinsatzlimit beträgt 800 €. Es gibt Selbstsperrmöglichkeiten, das heißt, der Spieler kann sich selber in eine Sperrliste versetzen. Die Spielbedingungen werden durch das BMF genehmigt. Die Sperre durch den Konzessionär – das heißt, auffällig gewordene Spieler, die in Sperrlisten einge­tragen werden. Es wird strikt ein Alterslimit von 18 Jahren in jeder Form berücksichtigt. Und es gibt eine effektive Identitätskontrolle inklusive Meldeabfrage und Abfrage der entsprechenden Bankverbindung.

Wenn es in der Beantwortung ausreicht, dass ich die Standorte nenne, könnte ich Ihnen die Videolotterien melden – würde Ihnen das ausreichen? –, und jeder tut sich die Bundesländer ... (Bundesrat Schennach: Nein, die andere ist mir lieber!) – Okay, gut.

Zur Frage 12:

Die Kontrollkompetenzen betreffend das „kleine“ Automatenglücksspiel liegen nicht beim Bund. Das „kleine“ Automatenglücksspiel ist im Glücksspielgesetz aus dem Monopol ausgenommen. Es obliegt daher den landesgesetzlichen Regelungen, ob ein Automatenglücksspiel erlaubt ist oder nicht. Falls es nach landesgesetzlichen Regelun­gen erlaubt ist, wird durch die Bezirksverwaltungsbehörden der entsprechende Bewil­ligungs- oder Konzessionsbescheid erteilt. Die Prüfung der Einhaltung dieser Vorschrif­ten obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden – und nicht dem Bund, wenn ich das ergänzen darf.

Zur Frage 13:

Das Vorschreiben von technischen Einrichtungen im Rahmen des „kleinen“ Glücks­spiels obliegt daher ebenfalls den Landesbehörden im Rahmen der Bescheidbe­will­ligungs­kompetenz – und, um mich dies ergänzen zu lassen, nicht dem Bund.

Zur Frage 14:

Das Bundesministerium für Finanzen ist selbstverständlich der Meinung, dass die österreichischen Behörden, auch der Bundesländer, ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen ausüben. Wir sind als BMF in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden, insbesondere auch mit der Landesbehörde in Wien. Und im gemeinsamen Wirken ist man natürlich laufend bemüht, Verstärkung der Aufsicht auch über das „kleine“ Automatenglücksspiel in Gesprächen zwischen Bundesbehörden und Landes­behörden anzuregen.


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Ich darf vielleicht an dieser Stelle Folgendes ergänzen: Österreich ist ein Rechtsstaat, und wir können den Vorwurf, dass unsere Landesbehörden systematisch nicht in der Lage, nicht willens oder nicht bereit sind, die Einhaltung der Gesetze zu überprüfen, an dieser Stelle nicht stehen lassen, und ich darf die zuständigen Behörden hier ausdrücklich in Schutz nehmen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Zur Frage 15:

Die Ausnahme des „kleinen“ Automatenglücksspiels aus dem Bundesmonopol ist im Hinblick auf effektive und effiziente Kontrolle dann kein Hindernis, wenn die zustän­digen Strafverfolgungsbehörden ihre Verantwortung wahrnehmen. Denn das System ist im Prinzip das gleiche: Es wird angezeigt, wenn Feststellungen vorliegen, und die Strafverfolgungsbehörde ist verpflichtet, die Verfolgung vorzunehmen.

Wenn und solange diese funktionieren – und ich bin zutiefst überzeugt davon, dass sie funktionieren –, ist auch die Aufrechterhaltung der derzeitigen gesetzlichen Situation in ihrem legalen Zustand gegeben.

Zur Frage 16:

Ja, es gab schon Kontakte mit dem BMI, und es gibt ebensolche mit dem für die Vollziehung des § 168 StGB zuständigen Bundesministerium für Justiz. Was es nicht gibt, ist eine Sonderkommission, und ich bitte die Herren und Damen Bundesräte um Verständnis: Eine Sonderkommission im Bereich der Strafverfolgung würde eine Kom­petenz zur Strafverfolgung verlangen. – Das Bundesministerium für Finanzen hat aber keine Kompetenz zur Strafverfolgung. Es kann nur und wird auch immer jene Verstöße, die bekannt werden oder hinsichtlich deren ein Verdacht besteht, zur Anzeige bringen, kann aber selbst nicht Teil der Strafverfolgungsbehörden sein. Daher ist es auch nicht möglich, dass das BMF mit dem BMI eine Sonderkommission bildet.

Zur Frage 17:

Die Spielbanken sind Standorte des Konzessionärs, die den in der Anfrage zitierten strengen Aufsichtsmaßnahmen des BMF und den vom BMF auferlegten Spielerschutz­maßnahmen, wie Zugangsbeschränkungen und Sperrmöglichkeiten, unterliegen. Für das „kleine“ Glücksspiel, für die Automaten im Rahmen des „kleinen“ Glücksspiels, obliegt es den Landesbehörden, derartige Regelungen vorzuschreiben. Bei Sportwet­ten gelten die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Schutzbestimmungen des Rechtsverkehrs.

Zur Frage 18:

Dem Bundesministerium für Finanzen wurde die Scholz-Studie übermittelt, und sie wurde auch eingesehen.

Zur Frage 19:

Im Rahmen des Monopols gibt es nur Konzessionäre, für die die umfassenden Spielerschutzauflagen des BMF gelten. Das „kleine“ Automatenglücksspiel wird seitens des BMF gerade einer Evaluierung unterzogen, um gegebenenfalls durch legistische Maßnahmen eine Anpassung an die Entwicklungen des Standes der Technik und des Marktverhaltens vorzunehmen. Dazu wird vonseiten des BMF auch auf die Erfahrun­gen der Landesbehörden zurückgegriffen. Wir sind in diesem Bereich laufend bemüht, auf dem neuesten Stand zu sein, und wir bemühen uns auch, uns in Zusammenarbeit mit den Landesbehörden weiterzuentwickeln.

Zur Frage 20:

Gutachter werden nicht vom Bundesministerium für Finanzen beauftragt, sondern von der jeweils zuständigen Landesbehörde. Aus Sicht des Bundesministeriums für Finan-


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zen wurde bereits mit einzelnen Landesbehörden hinsichtlich der Sachverständigen­problematik Kontakt aufgenommen, sprich: Sollte bei uns eine Wahrnehmung in die Richtung, dass ein Sachverständiger möglicherweise hinsichtlich seiner Kompetenz oder seiner objektiven Beurteilung problematisch ist, eingegangen sein, dann werden und haben wir auch in der Vergangenheit solche Mitteilungen an die zuständigen Behörden getätigt.

Erlauben Sie mir, dass ich die Fragen 21 bis 25 in einem beantworte:

Dem Bundesministerium für Finanzen ist die konkrete Stellungnahme, so wie sie in der Dringlichen Anfrage genannt ist, nicht bekannt. Die Thematik der plombierten Elek­tronik wird aber seitens der zuständigen Abteilung im BMF selbst forciert und geprüft. Zu diesem Zweck ist auch geplant, dass man eine entsprechende Studienreise nach Italien unternimmt, um hier einen Erfahrungsaustausch mit Italien zu bewerkstelligen. Italien wird im internationalen Vergleich hier als das Best-Practice-Beispiel angeführt. Eine diesbezügliche Gesetzesinitiative erfordert eine Reihe von Begleitmaßnahmen, da natürlich organisatorische, personelle und infrastrukturelle Fragen damit verknüpft sind.

Erlauben Sie mir auch, meine Damen und Herren, dass ich die Fragen 26 bis 31 in einem beantworte:

Auf die Problematik der Serienspiele wird vonseiten des Bundesministeriums für Finanzen seit Jahren gegenüber den Landesbehörden hingewiesen. Nach Rechts­ansicht des BMF muss jedes Spiel gesondert ausgelöst werden. Der Einsatz eines solcherart ausgelösten Spiels darf 50 Cent nicht übersteigen, der Gewinn pro Spiel darf 20 € nicht übersteigen. Umgehungen dieser Grenzen sind illegal, stellen einen Eingriff in das Glücksspielmonopol dar und sind von den Landesbehörden zu verfolgen. Wird uns als BMF ein solcher Sachverhalt zur Kenntnis gebracht, erstatten wir umgehend die notwendige Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden. Das BMF weist laufend auf diesen Umstand hin.

Zur Frage 32:

Das österreichische Glücksspielrecht ist durch ein Konzessionssystem gekennzeich­net, das ein kontrolliertes Angebot schafft und im Sinne der zuletzt ergangenen Entscheidung des EuGH, die ich vorher schon angeführt habe, in der Rechtssache Placanica auch bestätigt wurde. In diesem Bereich kann man nicht von einer Pluralität sprechen – es ist keine Pluralität gegeben.

Das „kleine“ Automatenglücksspiel und der Sportwettenmarkt dagegen, die ja außerhalb des Glücksspielmonopols stehen, sind grundsätzlich für jeden Anbieter offen, wobei die jeweiligen landesgesetzlichen Bestimmungen einzuhalten sind.

Zur Frage 33:

Laut Auskunft der zuständigen Landesverwaltungsbehörden ist diese Aussage, dass kein einziger Automat den gesetzlichen Intentionen entspricht, nicht zutreffend. Inwie­weit auf der jeweiligen Landesebene Sonderkommissionen eingerichtet sind oder werden, liegt in deren Kompetenz. Das BMF jedenfalls unterstützt die Landesbehörden jederzeit und umfassend in fachlicher Hinsicht.

Zur Frage 34:

Es ist dem BMF bekannt, dass die Pokerspiele zunehmen, und es ist dies auch ein Schwerpunkt im Rahmen der Aufsichtstätigkeit.

Zur Frage 35:

Poker ist ein Glücksspiel im Sinne der §§ 1 ff Glücksspielgesetz und darf als solches grundsätzlich nur von Konzessionären unternehmerisch angeboten werden. Dort


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unterliegt es neben den allgemeinen Unternehmensabgaben der Spielbank- und Konzessionsabgabe und den entsprechenden Spielerschutzauflagen.

Die Gebühren, die es nach § 33 Tarifpost 17 Z 7 Gebührengesetz gibt, greifen aber auch im Fall von illegalem Glückspiel. Das heißt, wenn illegal veranstaltet wird, ist dennoch die entsprechende Gebühr fällig. Und diese Anzeigen werden regelmäßig beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Verdachtsfällen erstattet und auch entsprechend verfolgt – eine Nichtzahlung der Gebühren zieht die entsprechen­den Konsequenzen nach sich.

Zur Frage 36:

Es erfolgen bei Hervorkommen von Verdachtsfällen umgehend Anzeigen an das zuständige Finanzamt, und es werden auch zusätzlich entsprechende Abgabenprüfun­gen in die Wege geleitet.

Zur Frage 37:

Die Problematik des illegalen Remote-gambling-Glücksspiels, des gesamten Internet-Glücksspiels, stellt sich in ganz Europa. Das BMF selbst ist auf der Experten- und Beamtenebene in Kontakt sowohl mit den Behörden der einzelnen EU-Mitgliedstaaten als auch mit der Europäischen Kommission. Ich darf dazu anmerken, dass es laufend auch Gegenstand der politischen Kontakte ist, da sich die Problematik in einer Vielzahl von Ländern ebenfalls in einem erschreckend hohen Ausmaß stellt und die Prob­lematik des Internet-Glücksspiels noch weit über die Problematik des reinen Auto­matenspiels hinausgeht, da sich ja dort unkontrollierterweise zu Hause und ohne jede weitere soziale Umgebung die Spielsucht entsprechend entwickeln kann.

Wir bemühen uns daher – und ich darf das an dieser Stelle bei der Beantwortung dieser Frage auch anführen –, auf internationaler Ebene zu besseren Regelungen zu kommen, und werden uns auch in dieser Gesetzgebungsperiode als österreichische Bundesregierung bemühen, alles Mögliche dafür zu tun, im Sinne der Prävention des Spielsuchtverhaltens entsprechende Änderungen, falls sie notwendig sind, in die Wege zu leiten. Die Maßnahmen in diesem Bereich müssen jedenfalls gut durchdacht sein und müssen die Best-practice-Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen. Sinn und Zweck ist es, solche Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Eindämmung der Spiel­sucht führen – und nicht unter Umständen Maßnahmen mit hohem büro­kratischem Aufwand zu setzen, die aber wirkungslos verpuffen, weil neue Formen des Spiels die Umgehung in kurzer Zeit möglich machen.

Zur Frage 38:

Es gibt keine Lobbying-Tätigkeit, die das Bundesministerium für Finanzen in seiner Aufsichtstätigkeit beeinträchtigt.

Zur Frage 39:

Ich darf grundsätzlich darauf hinweisen, dass in der zuständigen Abteilung des BMF kein Mitarbeiter tätig ist, der zu der betreffenden Unternehmensgruppe in einem Vertragsverhältnis steht oder stand.

Was die Frage der Politiker betrifft, darf ich darauf verweisen, dass die Zuständigkeit dafür nach dem Unvereinbarkeitsgesetz beim zuständigen Ausschuss des National­rates liegt und die dortigen Bestimmungen jenen Personen, die den Unvereinbarkeits­bestimmungen des Unvereinbarkeitsgesetzes 1983 unterliegen, insbesondere den Mitgliedern der Bundesregierung und den Staatssekretären, jede Nebentätigkeit zu Erwerbszwecken verbieten. Allfällige Tätigkeiten und Vertragsverhältnisse sind im Rahmen der Berichtspflicht dort zu melden. Ob in der Vergangenheit Vertragsver-


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hältnisse bestanden haben, ist dem Bundesministerium für Finanzen offiziell nicht bekannt. (Ruf bei den Grünen: „Offiziell“! – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Ich komme zur Frage 40:

Diese ist keine Frage des Vollzugs des Glücksspielgesetzes, sondern eine Frage der unternehmerischen Gestaltung eines einzelnen privaten Unternehmens. Würden dem Bundesministerium für Finanzen oder einer nachgeordneten Dienststelle diesbezüg­liche Details bekannt sein, so würden sie dem Abgabengeheimnis unterliegen und wären ebenfalls hier nicht zu nennen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, in der gemäß § 61 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 


15.36.17

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! In Niederösterreich ist das kleine Glücksspiel seit Herbst 2005 erlaubt, und schon vor Herbst 2005 gab es darüber heiße Diskussionen und immer wieder Probleme auch im Bereich von Anzeigen gegen alle möglichen Personen, die sich kritisch mit diesem Glücksspiel auseinandergesetzt haben. Angefangen hat das Ganze schon mit der damaligen Landesrätin Kranzl, die sich kritisch geäußert hat, die dann im Landtag selbst auch von den SPÖ-Kolleginnen und -Kollegen ziemlich im Stich gelassen wurde und inzwischen einen Karrieresprung in den Bund gemacht hat – und ich denke, sie wird froh darüber sein. (Ruf: Aber nicht deswegen!) – Na ja, es könnte auch deswegen sein, dass sie froh ist. – Es gibt immer wieder Anzeigen gegen Personen, die sich gegen dieses kleine Glücksspiel aussprechen, die kritische Anmerkungen machen. Es gab eine ORF-Berichterstattung, und auch da war es schwer, Menschen zu finden, die sich zu diesem Thema überhaupt äußern wollten, einfach weil sie Angst hatten, angezeigt zu werden.

Was die Frage laufendes Verfahren betrifft – es ist zuerst eingeworfen worden, es handelt sich um ein laufendes Verfahren und deshalb dürfen wir im Bundesrat nicht darüber sprechen –: Ich habe ein bisschen den Eindruck, es gibt da dauernd laufende Verfahren und man dürfte über dieses Thema nie sprechen! Also, irgendwann einmal muss man es wohl machen, und ich habe schon den Eindruck – ich bin mir eigentlich sehr sicher –, dass es eine sehr vielschichtige politische Dimension hat. Es sind schon sehr viele Themen angesprochen worden. Auf der einen Seite ist es die Frage: Monopol, oder machen das Private? Auf der anderen Seite geht es um den Spieler­schutz. Das ist sehr wohl eine politische Frage, denn wer kommt denn dafür auf, wenn jemand spielsüchtig ist, wer muss die Kosten für dessen „Heilung“ – unter Anführungs­zeichen – bezahlen? Das macht ja nicht derjenige, der die Spielsucht verursacht hat, sondern das macht im Prinzip der Staat.

Und es ist auch jener Punkt in Ihrer Anfragebeantwortung, der das Verursachen von Kosten und die Einnahmen betrifft, auf den ich im Folgenden kurz eingehen möchte: Sie sagen immer wieder, das kleine Glücksspiel zu beurteilen, ob das jetzt kleines Glücksspiel ist oder nicht, das ist mehr oder weniger Landessache, und zu überprüfen, ob das jetzt kleines Glücksspiel ist oder nicht, das ist Sache der Länder. Ich verstehe das nicht ganz, denn es sind ja dann Einnahmen, die dem Finanzministerium mehr oder weniger abhanden kommen. Wenn jemand unter dem Deckmäntelchen „kleines


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Glücksspiel“ großes Glücksspiel betreibt, sprich ziemlich hohe Umsätze macht, ziemlich viel Geld verdient und dafür nur relativ wenig an die Länder abführt – und an das Finanzministerium noch weniger –, dann verstehe ich Ihr Desinteresse an diesem Problem und an diesen Vorgängen und auch an dieser Anzeige des Landeskriminal­amtes nicht ganz.

Jetzt noch im Einzelnen zu Ihren Antworten: Sie haben auf die Frage, ob das Glücksspiel „Hunderennen“ durch die gesetzliche Definition des „kleinen Glücksspiels“ legal ist, gesagt, Sie haben schon öfters darauf hingewiesen, dass es illegal ist. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Das virtuelle!) Ja, ja, das virtuelle. Von anderen Hunderennen rede ich jetzt nicht, ich rede jetzt von dem kleinen Glücksspiel „virtuelle Hunderennen“.

Sie sagen, Sie haben schon auf der Homepage darauf hingewiesen, dass es illegal ist. Mich würde nur interessieren: Hat das Bundesministerium für Finanzen kein Interesse daran oder liest es die Medien nicht? Es ist ja durch die Medien gegeistert, dass diese Hunderennen auch virtuell abgehalten werden und mit welchen Summen da gespielt wird. Sie wissen, dass es illegal ist – warum kann es dann sein, dass es so etwas überhaupt noch gibt? Das frage ich mich schon, denn es geht ja letztendlich um die Einnahmen des Bundes.

Sie haben dann gesagt: Auch wenn das illegal ist, ist diese Abgabe dennoch zu bezahlen. – Sie sollten vielleicht diese Anzeige, wir können Ihnen auch die Stellung­nahme der Bundespolizeidirektion zukommen lassen, genau durchlesen; möglicher­weise finden Sie da viele Möglichkeiten, selbst auch aktiv zu werden und das fehlende Geld, das dem Bund ja fehlen würde, doch noch rechtzeitig einzuholen.

Ganz konkret jetzt: die Pokerbetreibergebühren. Vielleicht schauen Sie einmal beim Gasometer vorbei – ich selbst bin ja nicht sehr spielsüchtig, ich pokere nicht; ich kann nicht einmal pokern –, dort besteht nämlich die Möglichkeit, und auch wenn es nicht legal ist, können Sie vielleicht trotzdem die Gebühren, die offenbar auch bei illegalem Glücksspiel anfallen, gleich kassieren; vielleicht nehmen Sie gleich einen Erlagschein mit.

Gesamt gesehen geht es mir auf der einen Seite darum: Lässt sich der Bund da nicht eine ganze Menge Geld entgehen, wenn er dieses legale oder illegale oder kleine oder große Glücksspiel in dieser Form zulässt? Wenn er nicht wirklich ein Interesse daran zeigt – Sie haben gesagt, Sie haben keine offiziellen Angaben; vielleicht haben Sie ja inoffizielle Angaben?; also mir ist die Antwort doch etwas desinteressiert vorgekom­men –, lässt sich der Bund da sehr viel Geld entgehen.

Die zweite Frage, die schon sehr wichtig ist – vielleicht könnten Sie ja im Ministerrat einmal eine Umfrage dahin gehend machen –: ob es denn noch andere Minister oder Staatssekretäre gibt, die mit der Firma Novomatic in irgendeiner Form verbunden sind und vielleicht auch einen Teil ihres Einkommens daraus beziehen. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist gerade in diesem Fall so, und das ist auch aus der Anzeige hervor­gegangen und immer wieder betont worden, dass dieses Lobbying für unsere Verhältnisse einfach enorm ist. In Niederösterreich gibt es immer wieder in ÖVP-nahen – SPÖ weiß ich nicht – Medien Inserate, es gibt Jobangebote für Gutachter und, und, und. Ich denke, das sind Zustände, die wir im Prinzip nicht ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ein Inserat in ÖVP-nahen Medien hat nichts mit dem Pius Strobl zu tun. Ich glaube nicht, dass dieser ein ÖVP-nahes Medium verbreitet. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mir geht es um die politische Verantwortung. Und ich habe manchmal den Eindruck, es ist gerade aufseiten der ÖVP so etwas von ganz normal, dass Firmen Dinge bezahlen, die sich dann möglicherweise auch für einen Politiker gut auswirken können. Das wird


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einfach so hingenommen, als wäre das ganz normal. Die Homepage von Minister Grasser anno dazumal: Wenn die Industriellenvereinigung eine Homepage zahlt und der Minister Grasser dann sehr freundlich ist ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Das hat aber mit Niederösterreich nichts zu tun!) Ich rede jetzt von mehr oder weniger Ein­stellungen einer ÖVP zu ... (Ruf bei der ÖVP: Reden Sie über die eigene!) Meine Einstellung dazu? – Meine Einstellung dazu ist, dass ich als Politikerin ein Gehalt habe und dass ich es nicht nötig habe, mir eine Homepage oder Inserate bezahlen zu lassen (Beifall bei den Grünen) von einer Firma, der ich dann vielleicht einen Gefallen tun könnte. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das hat mit Niederösterreich und dem Thema überhaupt nichts zu tun!) Das hat mit Niederösterreich insofern etwas zu tun, weil die Firma Novomatic nämlich auch in Niederösterreich in parteinahen Blättern Inserate geschalten hat – und nicht nur eines! (Bundesrat Dr. Kühnel: Und in den grünen Zeitungen ...?) – Haben sie keine Inserate geschalten, denn in grünen Zeitungen wür­den wir das nicht annehmen.

Des Weiteren geht es mir auch um das Problem des Jugendschutzes. Das kleine Glücksspiel in Niederösterreich ist so geregelt, dass unter 18-Jährige keinen Zugang dazu haben. – Damit ist die Jugend geschützt. Wunderbar! So sieht das der Landtag in Niederösterreich. Es ist aber bekannt, dass es ungefähr vor zwei Monaten einen kleinen Test gab und ein Mädchen im Alter von 16 Jahren ganz ungehindert dieses Glücksspiel ausprobieren konnte. Niemand hat das überprüft – und genau das ist der Punkt: Es wird nicht überprüft, niemand fühlt sich zuständig. Und wenn das Land Niederösterreich dann noch sagt, die Firma Novomatic überprüft ohnehin selbst, dann ist das meiner Meinung nach etwas zu viel Vertrauen in eine Firma, die ein Interesse daran hat, dass sogar unter 16-Jährige spielen können.

Mir geht es außerdem um eine gewisse Steuergerechtigkeit. Es ist bekannt, ich rauche. Auf jede Zigarette, die ich rauche, habe ich eine gewisse Abgabenquote, und zwar mehr als 20 Prozent Umsatzsteuer. (Bundesrat Dr. Kühnel: Feinstaub!) Ich zahle eine ganze Menge dafür, weil Rauchen gesundheitsschädlich ist und weil dieser Gesundheitsschaden vielleicht irgendwann einmal behoben werden muss. – Wenn ich mich jetzt dem kleinen Glücksspiel zuwende, dann muss ich doch der öffentlichen Hand auch eine Abgabe dafür liefern, dass genau das eine Krankheit, nämlich eine Sucht hervorrufen kann! Deshalb ist es für mich absolut unverständlich, dass das Bun­desministerium für Finanzen offensichtlich nicht so großes Interesse daran hat, hier Einnahmen zu lukrieren, die möglicherweise zu lukrieren wären. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Entschul­digung, ich wollte jetzt eigentlich aufhören (demonstrativer Beifall bei der ÖVP), aber wenn Sie mir noch fünf Mal sagen, ich soll Schluss machen, dann muss ich noch eine Viertelstunde weiterreden.

Es stellt sich natürlich nicht mehr die Frage, wie lange das Monopol zu halten sein wird und ob das Monopol nicht ohnehin unterwandert ist. Es ist klar, es gibt im Internet Spiele, und es gibt legale oder illegale Spielautomaten, aber ich denke, es müssen gleiche Regeln für alle geschaffen werden. Warum sollen die konzessionierten Unter­nehmer mehr Aufwand betreiben müssen, mehr kontrollieren müssen als andere bezie­hungsweise wie ist es zu verantworten, dass die anderen es nicht tun? Wie können hier klare Regelungen eingeführt werden, an die sich wirklich alle halten müssen? Ich finde diese Ungleichheit einfach nicht gerechtfertigt. (Bundesrat Mag. Himmer: Was für eine Ungleichheit?) – Es ist eine Ungleichheit! Das Casino muss den Ausweis über­prüfen – man kann nur rein, wenn man 18 Jahre alt ist, denn die wollen einen Ausweis sehen –, das Casino muss alles mögliche andere überprüfen, und die anderen müssen überhaupt nichts überprüfen. Die müssen nur überprüfen, ob man Geld im Geldtascherl hat; wie alt man ist, ist denen relativ egal. (Neuerlicher Zwischenruf des


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Bundesrates Mag. Himmer.) Ich bin schon über 18, aber es gibt Menschen, die jünger sind.

Es geht darum, dass es gleiche Voraussetzungen gibt. Ich finde das einfach unfair gegenüber dem konzessionierten Glücksspiel. Das ist einfach unfair, denn wenn nicht überprüft werden muss, dann wird eine gewisse Klientel natürlich eher das Spiel an den Automaten in Betracht ziehen, als in ein Casino zu gehen. Das ist unfair, und im Übrigen wird damit einiges nicht finanziert, was auch vom kleinen Glücksspiel finanziert werden muss. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Der Monopolist ist nicht unterprivilegiert.

Wir reden jetzt nicht davon, ob Monopol oder nicht Monopol. Ich habe gesagt, das Monopol in dem Sinn gibt es ja eigentlich nicht mehr, weil schon viele andere Arten von Glücksspiel angeboten werden. Es geht mir nur darum, dass ich nicht einsehe, warum ein Monopolist unbedingt Dinge einzuhalten hat, die ein Anbieter von Automaten­glücksspiel nicht einzuhalten hat. Wie kann es sein, dass dieses Automatenglücksspiel derart missachtet wird? – Das war’s. (Beifall bei den Grünen.)

15.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.49.03

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos richtig, dass sich auch diese Kammer des Parlaments mit einer gesellschaftlichen Frage – und das ist die Verbreitung des Glücksspiels – auseinandersetzt. Es ist ein untaugliches Instrument, um das gleich hinzuzufügen, für Weltverschwörungstheorien, und es ist ein untaugliches Instrument für Verdächtigungen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Es geht im Kern um eine nicht besonders sympathische menschliche Neigung: das Schicksal herauszufordern, etwas zu erzwingen und – wenn es nicht eintritt – es immer wieder erzwingen zu wollen. Das ist das Grundprinzip des traditionellen Glücksspiels, das mit relativ hohen Zugangsschranken versehen ist; das ist der Grundsatz des Glücksspiels der kleinen Leute, vom Zahlenlotto angefangen, wo es eben auch um kleine Beträge, aber angesichts der großen Zahl der teilnehmenden Personen auch um eine große, wenn auch unwahrscheinliche Gewinnchance geht. Das alles ist schon bei Nestroy literarisch aufgearbeitet und hat ganz offensichtlich eine große Verbreitung auch schon vor 150 Jahren gehabt.

Es hat immer Versuche gegeben, die Regulierung dieses Bereiches, das Monopol dieses Bereiches zu unterlaufen – selbstverständlich! Sie sind gescheitert oder haben sich über relativ lange Zeit erhalten, und sie haben natürlich in einer völlig anderen gesellschaftlich-technologischen Situation andere Dimensionen angenommen.

Niemand fragt den, der zu Hause seinen Computer aufdreht und sich an einem Internet-Spiel beteiligt, nach seinem Ausweis. Es gibt keine Möglichkeit – natürlich nicht! –, es gibt keine realistische Möglichkeit, mit mobilen Trupps – sei es der Polizei, sei es des Finanzministeriums – zu kontrollieren, ob sich an solchen Spielen nur Menschen beteiligen, die die Altersgrenze erreicht haben, ob die Spielbedingungen fair sind, ob die Einsätze zu hoch sind, ob die Gewinnchancen angemessen sind.

Es hat aus gutem Grund keine bundesgesetzliche Regelung für das kleine Glücksspiel gegeben, trotzdem ein großer Druck entstanden ist, sondern es hat hier gewisser­maßen eine Öffnungsklausel gegeben. Es ist dann möglich, wenn die Länder innerhalb gesetzter Rahmenbedingungen, wo es vor allem um die Beträge geht, landes­gesetz­liche Regelungen erlassen und natürlich auch auf deren Einhaltung achten. Ich


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verstehe die Kritik an der niederösterreichischen Praxis, aber die ist im Wesentlichen dort abzuhandeln, wo sie verursacht wird; was nicht heißt, dass uns das nichts angeht, aber dort ist trotzdem der prioritäre Bereich der Auseinandersetzung, und wenn es die erforderlichen Erfolge nicht gibt, ist das nicht einfach auf das Finanzministerium abzuladen.

Wir haben – und das ist zweifellos notwendig – öffentliches Bewusstsein zu schaffen, weit über das hinaus, was in der Anfrage gestanden ist und was hier auch bisher gesagt wurde. Die Abhängigkeit, die Spielsucht ist auch dann ein gesellschaftliches Problem, wenn jemand 15 Trafiken nacheinander abgrast und bei „6 aus 45“ einen Stapel von Scheinen ausfüllt. – Das ist legal, das ist entsprechend mit Gebühren und Steuern versehen. (Bundesrat Breiner: Aber zu mühsam!) – Also ich muss ganz ehrlich sagen, diesen Eindruck habe ich nicht, wenn ich meine Umwelt betrachte. Das ist in vielen Fällen mit geringerer sozialer Ächtung verbunden als für jene, die am Automaten stehen. Vier Trafiken sind zu schaffen, und da kann man relativ viel Geld „verzocken“, ohne einer sozialen Ächtung zu unterliegen und seine Sucht offensichtlich zu machen. Ich behaupte jetzt nicht, dass das das eigentliche Problem ist und das, was Gegenstand der Anfrage ist, kein Problem ist, wir sollten nur nicht den Fehler begehen, es auf das zuzuspitzen.

Und zu der Verschwörungstheorie: Die haben alle gekauft und daher passiert ihnen nichts! – Das ist ein gesellschaftliches Problem! Es ist nicht einfach ein Problem des Strafrechtes, es ist nicht einfach ein Problem des Vollzugs. Hier ist Öffentlichkeit zu schaffen. Sie ist zu schaffen aus dem Bereich des Konsumentenschutzes – liegt nicht im Ressort des Finanzministers, aber es ist eine Aufgabe der Politik –, das hat zu geschehen durch mediale Aufarbeitung, und jeder Versuch, das zu unterbinden, ist energisch zurückzuweisen – wenn das, was ich nicht weiß, was aber behauptet wurde, versucht wird. Es muss in diesem Land möglich sein, dass sich Betroffene dazu äußern, ohne von Strafe und Schadenersatzzahlungen bedroht zu sein.

Ich glaube, das gehört zentral zur Meinungsfreiheit, und das ist in einer solchen Debatte auszusprechen. Das ist auch nicht die Ingerenz des Finanzministeriums, aber Debatten – nicht nur diese –, öffentliche Debatten dadurch unmöglich zu machen, dass für das Mundaufmachen auch eine Gebühr, nämlich in Form einer Schadenersatz­zahlung an denjenigen, mit dem man sich auseinandersetzt, fällig wird, das ist mit Sicherheit in einer freien Gesellschaft nicht zulässig.

Ich glaube, wir sollten diese Dringliche Anfrage und die Debatte darüber als Anlass nehmen, uns für uns zu überlegen, welchen Beitrag wir zu dieser vermehrten Öffent­lichkeit leisten können, und uns nicht darin verlieren, welche technischen Kontrollen bei einem bestimmten Gerät vielleicht noch möglich wären.

Klar ist, dass die nationale Regelungshoheit überall dort, wo sie versucht, sich durch­zusetzen, schwächer wird, dass angesichts eines bestehenden Bedarfes – ob man ihn jetzt gutheißt oder nicht; ich nehme an, niemand in diesem Kreis heißt das besonders gut – das Ventil gesucht wird, ob es jetzt im Internet und damit eventuell auch im Ausland ist, ob es am Spielautomaten ist oder in anderer Form; aber das gesell­schaftliche Bewusstsein können wir national schaffen – und dazu soll diese Debatte ein Beitrag sein.

Insofern mein Dank an den Herrn Staatssekretär, der eben auch die Begrenzungen der Möglichkeiten aufgezeigt hat, Dank aber durchaus auch an jene, die diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, weil das ein Beitrag zu dieser Bewusstseinsbildung ist, an der wir weiter zu arbeiten haben werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.57



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 113

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. Ich weise auf die Redezeitbegrenzung von 5 Minuten und darauf hin, dass es notwendig ist, zunächst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann den als tatsächlich angesehenen zu benennen. – Bitte.

 


15.58.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich muss das berichtigen, was ich selbst gesagt habe: Ich habe vorhin im relativen Wirrwarr erwähnt, dass Sie doch eine Umfrage machen mögen unter Ihren Ministerratskolleginnen und ‑kollegen bezüglich Vertragsverhältnisse beziehungsweise Einkünfte von der Firma Novomatic, die bestehen könnten.

Die tatsächliche Berichtigung wäre natürlich: dass diese Vertragsverhältnisse bestan­den haben könnten – natürlich können sie nicht bestehen, nachdem sie jetzt im Ministerrat sitzen.

15.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


15.58.50

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schennach, ich werde dich jetzt sehr enttäuschen: Du hast angekündigt, dass von mir jetzt eine flammende Rede folgen wird. – Eine flammende Rede in puncto Niederösterreich kannst du von mir haben, wenn ich dich davon überzeugen soll, dass Niederösterreich weit vorne liegt, wenn es um die Sicherung unseres Wirtschaftsstand­ortes und unserer Arbeitsplätze geht, dass Niederösterreich nahe dran ist, wenn es um die Sicherstellung der Bedürfnisse der Menschen geht, aber du wirst von mir nicht hören, keine flammende Rede darüber, wie begeistert ich vom kleinen Glücksspiel in Niederösterreich bin und überhaupt von einem Gesetz, das mit Spiel zu tun hat.

Ich persönlich bin keine Gamblerin, aber ich habe, als das Spielautomaten-Gesetz in Niederösterreich zur Beschlussfassung anstand, deshalb mitgestimmt, weil ich es sehr vernünftig finde, dass eine Sache, die es de facto gibt, geregelt wird.

Sie wurde dahin gehend geregelt, dass in der Durchführungsverordnung eine Begrenzung der aufgestellten Automaten mit 1 800 Stück besteht und dass es sehr wohl Zugangsbeschränkungen, was das Alter betrifft, gibt, nämlich 18 Jahre. Das heißt, es muss sich jeder ausweisen, der dort hineingeht, somit entspricht das den Jugendschutzbestimmungen. Es dürfen nur 18-Jährige dort hingehen, wo es diese Automaten gibt. Wenn dem nicht so ist – wie du das aufzeigst oder wie Sie, Frau Kollegin Kerschbaum, das aufgezeigt haben –, dann ist das eine Verfehlung, die zu ahnden ist. Aus, Pause! Das ist so.

Das hat kontrolliert zu werden. Und wenn das ruchbar wird, wenn das aufkommt, dann ist diese Verfehlung zu ahnden und zu bestrafen, denn laut Gesetz gibt es diese Beschrän­kung, dass man sich ausweisen und dass man 18 sein muss. (Bundesrätin Kerschbaum: Wer kontrolliert es?) Bitte, das ist so! Deshalb finde ich diese Anfrage, wie es auch Kollege Konecny gesagt hat, in Ordnung. Es werden hier Dinge aufge­zeigt: Wenn es Unregelmäßigkeiten gibt, dann sind sie zu bestrafen. Das ist so. (Bundesrätin Kerschbaum: Von wem?)

Das, was mich aber schon sehr bestürzt: Ich bin eine derjenigen, die sich sehr bemühen, dass wir hier in diesem Hause, dass wir Kollegen untereinander in einem entsprechenden Ton richtig miteinander umgehen. Und ich muss dir eines sagen, Herr Kollege Schennach: Deinen Rundumschlag an Verdächtigungen und Unterstellungen


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finde ich wirklich unerträglich. Wenn dir Dinge zu Ohren gekommen sind, die du aufzeigen willst, die nicht korrekt sind, dann nenne Namen! Dann wird das verfolgt und geahndet und bestraft werden. Aber diese generellen Verdächtigungen finde ich nicht in Ordnung. Ausdrücke wie „Netzwerke direkt in das Hohe Haus“ – also, das ist deines Niveaus unwürdig. Ich muss sagen, das enttäuscht mich ein wenig.

Ob jetzt, wie auch ich in einer Aussendung der Novomatic erfahren habe, diese Anzeige von anonym verfassten Schreibern war, ob das bereits im Vorfeld diversen Medien zugespielt wurde, ist für mich nicht so relevant. Wichtig ist aber doch, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt und dass gewisse Dinge, die du in Frage gestellt hast, eben nicht zu beantworten sind, solange dieses Verfahren läuft. Wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist – und es werden sich Dinge ergeben, die nicht in Ordnung sind –, dann werden sie bestraft. Ich verstehe deine Aufregung eigentlich nicht – aber bitte.

Das Land Niederösterreich ist sich dieser hohen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Deswegen haben wir auch in Niederösterreich eines der strengsten Spiel­automatengesetze – es ist strenger als jenes von Wien, Kärnten und der Steiermark –, wo die ganzen Zugangskontrollen festgelegt sind. (Bundesrat Schennach: Ob das die Frau ehemalige Landesrätin Kranzl auch so sieht, ist eine andere Frage!) – Das war ihre Entscheidung.

Das, was du in Punkt Nummer 8 behauptest, es würde einen Bescheid in Nieder­österreich geben, mit dem die Wetten auf Hunderennen genehmigt werden, dazu muss ich sagen: Das ist im Spielautomatengesetz nicht geregelt. Das betrifft die Buchmacher und das Totalisateurwesen. In den Erläuterungen wird erwähnt, dass das auf Hunde­rennen nicht zutrifft und dass diese nicht erlaubt sind. Wenn hier ein Regelungsbedarf besteht – das hat vorher die SPÖ-Landesrätin Kranzl und jetzt Landesrat Schabl betroffen –, dann wird man sich das anschauen und konkreter und genauer dahin gehend regeln, dass noch dezidiert herauskommt und herausgearbeitet wird, dass eben Hunderennen verboten sind. Es kommt jedenfalls im Text vor, es ist erwähnt.

Ich muss dir sagen: Ich danke eigentlich für das nötige Aufzeigen dieser Angelegen­heiten. Ich stehe dahinter. Ich mache mir insofern keine Sorgen, als es bei uns im Land Niederösterreich üblich ist, dass, wenn es Unzulänglichkeiten gibt, wenn Probleme auftauchen, diese von unserem Landeshauptmann sehr rasch und unproblematisch gelöst werden. – Ich danke für die Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

16.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.04.27

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirklich rührend von meiner Vorrednerin, wenn sie sagt, in Niederösterreich sei alles geregelt, und wenn etwas nicht stimme, werde es kontrolliert und geahndet.

Grundsätzlich sollte es auch so sein. Schauen wir uns aber den Alkoholausschank in den Gasthäusern an! Und dann sagen Sie mir, dass das wirklich immer alles so kontrolliert wird und dass es noch nie passiert ist, dass Jugendliche alkoholisiert aus einem Lokal rausgegangen sind. Das berühmt-berüchtigte Komatrinken, zum Beispiel im Bermuda-Dreieck – aber nicht nur in Wien, das trifft andere Bundesländer auch – ist legendär und erschreckend. Die Kontrolle wird immer gerne angeführt, aber mit der Durchsetzung schaut es dann ein bisschen anders aus.


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Auch Kollege Konecny hat mich heute wirklich mit seiner Aussage verwundert – ja, natürlich gibt es das Glücksspiel, das wissen wir alle, und wir wissen auch alle, dass wir alle nur Menschen sind; bei den einen ist die Bereitschaft zur Sucht geringer, bei den anderen gar nicht gegeben und bei den anderen größer.

Aber hier zu stehen und zu sagen, die technischen Gegebenheiten hätten sich verändert und daher könne man überhaupt nichts dagegen machen, also das ist wirklich hanebüchen. Wir haben heute über das Produktpirateriegesetz gesprochen, da haben sich auch technische Voraussetzungen beim Fälschen von Waren, beim Vertrieb et cetera geändert. Da hinken wir zwar immer nach, aber wir finden doch auch einen Weg, diesbezüglich tätig zu werden. Genauso ist es natürlich beim Glücksspiel und genauso geht das beim Internet – auch bei den Videospielen über Codezugänge, wo die Eltern, gerade wenn wir von Jugendlichen sprechen, auch gefordert sind. Die technischen Möglichkeiten gibt es, man muss nur den Willen dazu haben, auch den politischen, das zu machen und dann umzusetzen.

Seit das Glücksspielmonopol gefallen ist und das „kleine Glücksspiel“ möglich gemacht wurde, haben das einige Länder sehr bereitwillig aufgegriffen. Klar, bringt ja auch Geld in die meist leeren oder nicht so vollen Kassen oder für Projekte, wo man sich dann selbst darstellen kann. Das nimmt man selbstverständlich gerne an.

Wien alleine nimmt zum Beispiel schon 47 Millionen € mit dem „kleinen Glücksspiel“ ein. Die haben 2 200 Automaten aufgestellt, da kommt eine Summe zusammen, die man sich nicht einfach so wegnehmen lässt. Durch den Entfall dieses Monopols entgeht jetzt natürlich dem Finanzminister einiges an Geld. Das „kleine Glücksspiel“ mit den Geldeinsätzen, wie Sie, Herr Staatssekretär, es heute gesagt haben, das ist es wahrscheinlich nicht, das werde ohnehin alles kontrolliert, wo wir ja immer sehr blauäugig sind, bis wir eines Besseren belehrt werden. Es gibt ein internes Schreiben des Ministeriums vom März 2006, das den Verdacht auf einen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes beinhaltet. Es heißt weiter im Text zur Praxis der Geldeinsätze und Gewinnaussichten bei den Spielautomaten des „kleinen Glücks­spiels“:

Diese Praxis ist aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen problematisch, da durch die hohen Spielablaufgeschwindigkeiten insgesamt große Verluste für die Spieler möglich sind.

Also nichts da mit 50 Cent Einsatz und maximal 20 € kann man gewinnen! Selbst Ihr Ministerium ist schon zu der Ansicht gelangt, dass dem nicht so ist.

Auch wenn man den Einzelnen natürlich nicht in allen Belangen vor sich selbst schützen kann, obwohl man das manchmal machen müsste, nicht nur beim Spielen, bei manchen anderen Dingen auch, denke ich aber trotzdem, dass der Staat eine gewisse Verantwortung hat, gerade dann, wenn es um Jugendliche geht. Bei den Jugendlichen ist die Spielsucht laut Experten sprunghaft angestiegen. In Wien gibt es 28 000 Spielsüchtige, 56 000 sind potentielle Spielsüchtige. Österreichweit sind es 1,5 Prozent Spielsüchtige, und 3 Prozent sind immerhin gefährdet. Für 40 Prozent der Spielsüchtigen beginnt ihre Spielsuchtkarriere vor dem 18. Lebensjahr. Das heißt, wir sprechen hier fast noch von Kindern, denen jetzt noch viel mehr die Möglichkeit gegeben und es viel leichter gemacht wird, weil die Kontrolle einfach auch aufgrund des mangelnden Personals nicht effektiv genug ist. Man kann nicht sagen, man kann garantieren, dass das keiner unter 18 macht, keiner unter 18 in einem Lokal sitzt und zehn Mal hintereinander auf den Knopf drückt und sich dort verschuldet.

Auch die Schuldnerberatung sagt, dass seit dem Möglichmachen des „kleinen Glücks­spiels“ die Überschuldungen sprunghaft angestiegen sind, und, wie gesagt, Experten meinen, dass auch dort schon, weil die Schwelle so niedrig ist, die Spielsucht beginnt.


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Und in Wirklichkeit muss uns klar sein, dass wir hier von Familiendramen reden, von der Vernichtung von Existenzen von jungen Leuten, die mit 18 schon bis an ihr Lebensende überschuldet sind oder diese Schulden überhaupt nie mehr zurückzahlen können werden. Die Automatenbetriebe verdienen daran nicht ein unbeträchtliches Geld, die machen nicht Millionen-, sondern Milliardenumsätze. Das kann uns nicht ganz egal sein.

Man kann nicht sagen: Gut, das ist die freie Marktwirtschaft, das muss man eben möglich machen, jeder ist für sich verantwortlich und muss schauen, wo er bleibt – sondern ich denke schon, dass wie in anderen Bereichen auch die Politik die Aufgabe hat, hier ein gewisses Regulativ darzustellen.

In Niederösterreich, mit der SPÖ-Landesrätin, die sich ja vehement dagegen ausgesprochen hat, dass diese 2 000 oder 2 500 Spielautomaten aufgestellt werden, hat man einfach ihren Urlaub ausgenutzt und hat das in ihrer Abwesenheit gemacht. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das kann nicht stimmen! Nicht die Landesrätin!) Ich bin ja sonst nicht mit allem einverstanden, was die SPÖ sagt, aber in dem Fall gebe ich der Landesrätin recht, wenn sie sagt, die Legalisierung des „kleinen Glücksspiels“ ist eine reine Geldbeschaffungsaktion, die nicht im Sinne des Jugend- und Konsumenten­schutzes sein kann.

Eine Verflechtung von Politik und Glücksspiel können Sie ja nicht ganz leugnen. Ihr Wissenschaftsminister Hahn war immerhin Geschäftsführer der Novomatic, die zumindest jetzt einigen Verdachtsmomenten ausgesetzt ist, die – zugegebener­maßen – nicht geklärt sind (Bundesrätin Roth-Halvax: Was wollen Sie damit sagen? Das will ich jetzt wissen!), dass es eine Verflechtung gibt. Hahn war Geschäftsführer der Novomatic (Bundesrätin Roth-Halvax: Und was heißt das?) – hören Sie mir zu, dann muss ich es nicht ständig wiederholen, ansonsten lesen Sie es bitte im Protokoll nach –, und Ex-Innenminister Schlögl sitzt im Aufsichtsrat der Novomatic. Bei der Novomatic haben sich im Moment gewisse Verdachtsmomente – noch nicht bewie­sene, aber Verdachtsmomente – ergeben. (Bundesrätin Roth-Halvax: Was schließen Sie daraus?) Es gibt hier natürlich schon eine gewisse Verschränkung von Politik und Glücksspiel.

Es wird daher natürlich wesentlich sein, dass wir hier Regelungen treffen. Die be­stehende Rechtslage erschwert eine effiziente Verfolgung, auch der illegalen Betreiber. Wir hinken ja immer einige Schritte hintennach (Bundesrätin Roth-Halvax: Sie vielleicht!), haben nie genügend Leute, um wirklich effektiv werden zu können. – Na, der Staat! Ich bin ja nicht die Behörde und der Verfolger oder Kontrolleur von diversen Dingen.

Das Finanzministerium hat zum Beispiel in der Region Ost einen Aktionstag gemacht, der nannte sich „Illegales Glückspiel 2005“, wo bei sämtlichen Kontrollen – das hat das ergeben –, Überprüfungen im Rahmen dieses Aktionstages und der vorgelagerten Überprüfungshandlungen bisher bei keinem einzigen Automaten beobachtet und festgestellt werden konnte, dass er sich nur auf das „kleine Glücksspiel“ – Einsatz 50 Cent, Gewinn maximal 20 € – beschränken würde. Sämtliche vorgefundene Geräte waren immer mit einem deutlich höheren Einsatz und Gewinnlimit ausgestattet und stellten damit einen Eingriff in das Glücksspielmonopol dar.

Daher meine ich, es wird wichtig sein, dass wir Regelungen treffen, klare Beschrän­kungen, auch staatliche Konzepte zur Bekämpfung der Spielsucht erarbeiten, wo man auch die Verursacher mit in die Pflicht nehmen muss. Ich erlaube mir daher, folgenden Antrag einzubringen:


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Entschließungsantrag

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Glückspiel­gesetz und suchtpräventive Maßnahmen

Der Bundesrat möge beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, in Abstimmung mit der Bundes­ministerin für Justiz, dem Bundesminister für Inneres sowie der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Änderung des Glückspielgesetzes, des Strafgesetzbuches und zur Bekämpfung der Spielsucht dem Nationalrat vorzulegen. Dieses Maßnahmenpaket hat insbesondere zu enthalten:

1. Grundlagenforschung zur Spielsucht (Epidemiologie der Spielsucht):

Diese sollte durch das BM für Gesundheit, Familie und Jugend und durch das BM für Finanzen finanziert werden (Risken hinsichtlich der Verschuldung und der besonderen Situation von Jugendlichen). Es geht auch um Folgewirkungen und Folgekosten von krankhaftem Glücksspiel.

2. Laufende Kontrollen der Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen in den ein­schlägigen Lokalen betreffend die Teilnahme von Jugendlichen an illegalen Glückspielen und Wetten.

3. Geschicklichkeits- und Geldspielautomaten

Typisierung bzw. Zertifizierung jedes Automaten als generelle Voraussetzung für Zulassung und Aufstellung (Staatliche Typisierungsstelle). Jeder außerhalb der Kon­zessionäre aufgestellte Glückspielautomat und -apparat muss mit der Bundesfinanz­behörde vernetzt werden.

4. Begrenzung bzw. Streichung des kleinen Glücksspiels

Wirksame technische Beschränkungen bei Geschicklichkeits- und Geldspielautomaten, andernfalls sollte auch die Streichung bzw. Neufassung von § 4 des Glückspiel­gesetzes ins Auge gefasst werden.

5. Kleines Glückspiel (Sonderabgabe):

Schaffung einer gesetzlichen Verpflichtung, dass in Österreich jene Bundesländer, die das sogenannte „kleine Glücksspiel“ gesetzlich zugelassen haben, die Einrichtung und Erhaltung einer regionalen Beratungs-/Behandlungseinrichtung zusätzlich zu finan­zieren. Möglich ist diese über eine Sonderabgabe der Betreiber bzw. Eigentümer der Geldspielautomaten des kleinen Glückspiels.

6. Novellierung des Glücksspielgesetzes, mit der der technologischen Entwicklung im Automatenbereich Rechnung getragen wird sowie eine drastische Verschärfung der Strafbestimmungen des § 168 StGB im Sinne der Kritik der Bundesländer.

7. Initiative auf EU-Ebene, um Maßnahmen zur wirkungsvollen Unterbindung nicht konzessionierter Glückspiele und Wettangebote im Internet (Werbeverbote, Zahlungs­stromverbote etc.) zu setzen.“

*****

Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

16.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegt, wie Sie soeben gehört haben, ein Antrag der Bundesrätin Mühlwerth auf Fassung einer Entschließung betreffend Glückspielgesetz


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 118

und suchtpräventive Maßnahmen vor. Da der vorliegende Entschließungsantrag nicht genügend unterstützt ist, stelle ich die Unterstützungsfrage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag ihre Unterstützung geben, um ein Handzeichen. – Das ist eine ausreichende Unterstützung. Der vorliegende Entschließungsantrag ist somit genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Breiner. – Bitte.

 


16.17.21

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir als Thema das heute bereits erwähnte und dem Ministerium offensichtlich vorliegende Gutachten zum Glücksspiel von Dr. Herwig Scholz gewählt, weil ich der Meinung bin, dass der Gesetzgeber sehr wohl eine Verantwortung für die Menschen trägt, die mit diesen Gesetzen befasst werden. In diesem Gutachten wird festgestellt, was eigentlich süchtig macht. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie das bei vielen dieser Automaten auch vorfinden, obwohl sie sozusagen im gesetzlichen Rahmen sind.

Süchtig macht eine schnelle Folge von Spielen, das heißt, je schneller man Zugriff auf die Spiele hat, umso eher ist man natürlich versucht, den Verlust wieder in einen Gewinn umzudrehen. Das ist einer der wesentlichen Punkte, die die Spielsucht betreffend Automaten bewirken. Weiters – und das ist das Tückische an dieser Geschichte –: Wenn die Risikoabschätzung nicht bekannt ist, dann weiß der Spieler oder die Spielerin ja nicht, wie das Ganze ausgeht. Gerade in der Sucht ist die Abschätzung des Risikos – und das wissen wir alle – nicht gegeben. Und wie schnell erwischt es auch einen Nicht-Süchtigen, die Verluste wieder hereinzuspielen!

Was besonders auffällig ist und was die Studie auch bestätigt, ist, dass die Benützung dieser Automaten im Wesentlichen auch von der sozialen Schicht, vom sozialen Status abhängt. Anscheinend ist das Hereinbringen von Geld eine wesentliche Triebfeder, dem Glück ein Schnippchen zu schlagen; wir wissen alle, wie kurzsichtig das ist. Jemand, der aber darauf angewiesen ist, freut sich darüber, einmal 100 € oder 500 € mehr auf die Schnelle in der Tasche zu haben, denn über seinen Verdienst hat er keine Chance, diese Erhöhung zu erreichen. Der weiß, wie verlockend das ist.

Weiters sind natürlich – und das geht aus der Studie eindeutig hervor – Menschen, die ohnedies schon in einer schlechten psychosozialen Situation sind, belastet, hier zuzugreifen, der Sucht noch eins draufzusetzen, sei es Alkoholsucht, sei es ohnedies eine psychisch destabile Situation. Das, was mich bei solchen Sachen am meisten berührt, sind die Jugendlichen. Natürlich ist das ein Anreiz, sich das Taschengeld aufzubessern. Diese Untersuchung zeigt genau, wie diese Zugriffsgrenzen fallen: Sind bei anderen Glücksspielarten die Zugriffsjahre durchschnittlich mit 19,9 Jahren erforscht, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, so verringert sich bei diesen Automatenspielen das Einstiegsalter auf 15,6 Jahre, also ein Alter, in dem die Jugendlichen tatsächlich die Gesamtheit der Folgen niemals abschätzen können.

Interessant ist auch – das hat Kollege Schennach schon erwähnt –, dass sich der Anfall an suchtkranken Menschen in Kärnten schlagartig versechsfacht hat. Wir wissen das deswegen, weil dieser Herr Dr. Scholz in Kärnten ein Institut leitet. Also es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zu dem – und ich sage das jetzt ganz bewusst – auch erlaubten Spiel; da ist das verbotene noch gar nicht dabei. (Bundesrat Dr. Kühnel: Ist das wissenschaftlich seriös, was Sie da sagen?) Sie können die Studie nachlesen, Herr Kollege, und über die wissenschaftliche Seriosität  (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Na, lesen Sie es nach, das wird ja noch möglich sein. Wenn die Studie sogar dem Ministerium bekannt ist, werden Sie sie auch


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erhalten können. (Bundesrat Schennach: Man braucht eine gewisse geistige Kapa­zität, um diese Studie zu lesen!)

Im Kärntner Landtag wurde erst vor Kurzem ein Antrag von den Grünen eingebracht, der ein Aussteigen aus dem kleinen Glücksspiel zum Inhalt hatte. Er wurde einem Ausschuss zugewiesen, und man kann nur hoffen, dass dieser Antrag auch Folgen hat. Ich erwähne das deswegen, weil die Schweiz ein Modell hat, das durchaus beachtenswert ist: In der Schweiz ist das kleine Glücksspiel verboten, dafür gibt es Geschicklichkeitsautomaten, und zwar ist das seit 2005 so. Das ist nicht schon vor langer Zeit geschehen, sondern erst vor Kurzem, und die Umstellung hat tatsächlich stattgefunden.

Es ist nämlich auch eine Frage, ob man sich an dem Unglück der Menschen noch weiden soll, indem man kräftig daran verdient, wie es ja viele Länder tun. Die Mittel, die durch das Glücksspiel hereinkommen und in die Kassen der Länder fließen, sind ja durchaus interessant, natürlich ist das auch ein verlockendes Moment. Ich denke aber, dass die Verantwortung auch für die Menschen, die es betrifft, wesentlicher Teil der Politik sein muss, und wir wissen, dass der Faktor der Süchtigen mindestens mal drei gerechnet werden muss, um das ganze Ausmaß der Betroffenen zu sehen: Da sind ganze Familien daran beteiligt!

Ich möchte mit den Forderungen der Studie hier schließen und feststellen, dass es doch überlegenswert wäre, hier einige Punkte zu verhandeln beziehungsweise mitzu­nehmen. Ich darf einige der Forderungen kurz vorlesen: Lizenzvergabe für jegliches Glücksspiel – ist bei uns in Österreich ja hoffentlich notwendig –, keinerlei Ausweitung des Glücksspielangebotes – sagt der Suchtwissenschaftler –, Verbot von Spielen wie Quickie, Internetwetten und Online-Glücksspielen, Limits für Lotto-Jackpot und Höchst­einsätze bei Sportwetten, kein Zugang Jugendlicher zu Glücksspielen. – Hier wird nicht eine Altersbegrenzung gefordert, sondern kein Zugang. Das heißt, der Staat ist meines Erachtens verpflichtet, die technischen Möglichkeiten für diesen Zugang zu prüfen und einzufordern.

Weitere Forderungen sind: keine Umsatzbeteiligung für Mitarbeiter von Glücksspiel­unternehmen, Verbot von Geldspielautomaten in Gaststätten, Ausschluss auslän­discher Glücksspielangebote sowie eindeutige Information zu Suchtrisiken, Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeit gegenüber spielberechtigten Personengruppen.

Ich habe das deswegen vorgelesen, weil dieser Dr. Scholz sicher nicht unser Sprach­rohr ist, wir uns aber der Meinung anschließen, dass diese Punkte mehr als diskus­sions­würdig sind und auch durch den Bundesrat und meines Erachtens auch durch die  (Bundesrat Mag. Himmer: Sind das die Forderungen der Grünen, die Sie da jetzt vorgelesen haben?) Nein, das sind nicht die Forderungen der Grünen, ich habe ausdrücklich gesagt, das sind die Forderungen in dieser Studie. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie haben gesagt, Sie schließen sich dem an! Dann sind das eigentlich Ihre Forderungen!) Wir können uns dem anschließen und finden das diskussions­würdig, was darin steht, werter Herr Kollege!

Ich denke, und damit komme ich zum Schluss, dass wir Gesetzgeber Verantwortung tragen vor allem für die, die die Verantwortung nicht selbst übernehmen können, weil es altersmäßig nicht geht oder weil sie aus anderen Gründen gehindert sind. Und ich möchte mit einem Wort meines allzu griechischen Griechischlehrers enden, der gesagt hat: Jeder ist seines Glückes Schmied und seines Unglücks Hexenmeister. – Ich möchte aber nicht, dass die Hexenmeister des Unglücks andere sind. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

16.27



BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 120

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

 


16.27.10

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich jetzt einige Jahre Auszeit von diesem Bundesrat gehabt habe und im Nationalrat tätig war, kann ich heute mit großer Freude feststellen, dass diese Länderkammer, die von manchen zu Unrecht gescholten wird, sehr wohl ihrer aktuellen Bedeutung nach wie vor treu bleibt. Denn es ist unbestritten, dass der Spieltrieb und die Spielsucht zum ältesten Verhalten der Menschheit gehören. Es gibt auch schon in der Bibel Verweise auf Menschen, die dem Spieltrieb und der Spielsucht verfallen sind. Und die Gesellschaft hat die Verpflichtung, hier regelnd einzugreifen. Wir werden es nicht verbieten können, und wir sollen es auch nicht verbieten, und wir müssen uns dessen bewusst sein, dass diese Sucht in den verschiedensten Formen auftritt.

Ich bin Ihnen, Kollege Schennach, sehr dankbar dafür, dass die Grünen heute mit ihrer Dringlichen Anfrage, die gesellschaftspolitische Bedeutung hat, wieder einmal vor Augen geführt haben, wie gefährlich das Spiel ist, denn das, was Sie mit dieser Anfrage hier betreiben, ist ja nichts anderes als ein Spiel. Nur: Es ist ein politisches Spiel, das Sie hier treiben, denn Ihnen geht es nicht so sehr um den Schutz der Jugend und um den Schutz der Menschen (Bundesrat Schennach: Woher wissen Sie denn das?), sondern Ihnen geht es darum, ein Thema, das zurzeit in Niederösterreich am Köcheln gehalten wird, vielleicht auch mit einem Nahebezug zu den kommenden Landtagswahlen, auch in den Bundesrat hereinzutragen und damit ein politisches Spiel zu betreiben, und noch dazu ein schlechtes.

Frau Kollegin Kerschbaum, ich kann mir schon vorstellen, dass Ihnen die Aktion der ehemaligen Landesrätin und jetzigen Staatssekretärin Kranzl gefallen hat. Sie haben darauf hingewiesen, dass das alles zurückgestellt wurde, aber sagen Sie hier in diesem Raum auch für jene, die diese Frage mit niederösterreichischem Lokalbezug nicht mitverfolgt haben, dazu, dass Frau Landesrätin Kranzl unqualifiziert zwei Beamte beschuldigt hat! Sie hat zwei Beamte des Amtsmissbrauchs beschuldigt! Diese beiden Beamten sind heute frei, weil nachgewiesen wurde, dass sie kein Fehlverhalten an den Tag gelegt haben.

Also tun Sie nicht so, als ob es bei der SPÖ den einen oder anderen Guten, weil er Ihnen gerade zu Gesicht steht, gäbe und ansonsten alles danebengehen würde! Lassen wir die Kirche im Dorf, und bekennen wir uns dazu, dass wir alle Schutz­maßnahmen zu ergreifen haben!

Herr Kollege Schennach! Sie sind, wenn ich richtig informiert bin, auch der Medien­experte Ihrer Fraktion oder waren es zumindest lange Zeit. Es mag schon sein, dass die Firma Novomatic für Zeitungen der Grünen keine Inserate geschaltet hat, aber vielleicht hat es einmal in einem Blatt der Grünen auch von Casinos Austria oder anderen Unternehmen Inserate gegeben – wäre auch interessant, sich das einmal anzuschauen.

Und wenn Sie sich heute hier herstellen und in einen Verfolgungswahn verfallen und von einem Netzwerk sprechen und wenn Sie heute mit Ihrer Dringlichen Anfrage in ein schwebendes Verfahren eingreifen und Behauptungen, Verdächtigungen und teilweise sehr zweifelhafte Fragen in den Raum stellen und, wenn eine der betroffenen Firmen das dann auch aus ihrer Sicht darstellt, das als Verschwörungstheorie sehen, dann muss ich sagen, da haben Sie ein sehr eigenartiges Gerechtigkeitsempfinden, das ich nicht verstehen kann.

Nur der guten Ordnung halber: Das LKA ist tätig geworden, weil es eine Anzeige gegeben hat. Diese Anzeige ist auch auf Redaktionstischen von Monatsheften gelan-


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 121

det, und wenn es sie nicht gegeben hätte, wie kommt sie denn dann in die Monatshefte? Also versuchen Sie doch nicht, uns hier etwas einzureden, was nicht den Tatsachen entspricht! Es hat eine Anzeige gegeben (Bundesrat Schennach: Nein!), das LKA ist aufgrund dieser Anzeige tätig geworden, und weil hier gewisse Verdachts­momente bestehen, dass diese Anzeige aus dem internen Kreis des LKA hinaus­gegangen ist, ist die im Ministerium eingerichtete zuständige BIA bereits dabei, zu ermitteln, wie diese Anzeige auf die Redaktionstische der Medien gekommen ist.

Spielen ist ein Trieb. Spielen ist eine Sucht. Es ist niemandem verboten, im Rahmen der Spielregeln zu spielen. Sie ändern die Spielregeln, indem Sie heute, weil es Ihnen in Ihr politisches Spiel passt, den Entschließungsantrag einer Gruppe unterstützen, mit der Sie an und für sich sonst nichts zu tun haben wollen. Spielen Sie Ihr Spiel, aber seien Sie nicht böse darüber, wenn andere aufdecken, dass Sie mit gezinkten Karten spielen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


16.33.19

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil es einen sehr, sehr anerkannten Forscher und Gutachter gibt, nämlich den Professor Herwig Scholz, den ich persönlich sehr gut kenne, der auch in meiner Gemeinde eine Sonderkranken­anstalt für Suchtgiftkranke führt, in der sowohl Alkohol- als auch Drogenabhängige wie eben auch Spielsüchtige behandelt werden. Diese Krankheit nimmt immer stärker zu. Ich kenne diese Anstalt, und ich kenne auch die Verzweiflung der Menschen, die diese Institution in Anspruch nehmen müssen beziehungsweise wollen. Der Wille muss zuerst einmal vorhanden sein.

Es gibt Unterschiede, was das Sich-Bekennen zu einer Sucht anbelangt. Es wurde von Professor Scholz aufgezeigt, dass es in Ländern, wo es kein kleines Glücksspiel gibt, weniger bekannte Spielsüchtige gibt als in den Ländern, in denen es das gibt. Da, glaube ich, klafft das Ganze ein bisschen auseinander. In Ländern, wo das Glücksspiel erlaubt ist, ist das Bekennen dazu, dass man spielsüchtig ist, größer als dort, wo man zugeben muss, dass man illegal dieser Sucht nachkommt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir in Kärnten haben dieses kleine Glücksspiel vor Jahren eingeführt, nicht unter Landeshauptmann Haider, sondern unter Landeshauptmann Zernatto, der damals gleich­zeitig auch Finanzreferent war. Wir haben das sehr genau geprüft und prüfen lassen, und es ist da nicht um das Geld gegangen – obwohl es gar nicht so wenig ist, das stimmt –, sondern es gab vorher die Anonymität. Man hat gewusst, dass es keinen Jugendschutz gibt, dass mit hohen Einsätzen gespielt wird, und hat deshalb geglaubt – und wir glauben es teilweise heute noch –, dass wir es besser im Griff haben, wenn wir das legal betreiben, weil der Jugendschutz gewährleistet ist, was natürlich auch überprüft werden muss, und weil es eine Kontrollmöglichkeit gibt.

In Kärnten gibt es zum Beispiel 608 kontrollierte Geräte. Im Monat werden 80 bis 100 dieser Geräte von Sachverständigen und beeideten Beamten geprüft, und in zwei bis drei Fällen pro Monat werden Verfehlungen festgestellt, was zur Folge hat, dass dieses Gerät sofort beschlagnahmt und abtransportiert wird. Das heißt, ein relativ geringer Prozentsatz hält sich nicht an die Regeln, der Rest schon, weil die Mindeststrafen von 3 500 € wie auch die Höchststrafen von 14 500 € auch eine abschreckende Wirkung haben. Wie gesagt, es wird bei uns die Einhaltung entsprechend überprüft, auch überfallsartig dort, wo Verdachtsmomente vorliegen, und das schon seit 12.3.2001.


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Ich möchte abschließend noch ein paar Dinge sagen. Wenn man über ein Verbot redet und es gefordert wird, so glauben wir nicht, dass es damit das Aus des Glücksspiels wäre, sondern es findet dann wahrscheinlich wieder illegal statt. In Oberösterreich haben wir Schätzungen nach 1 800 illegal aufgestellte Geräte. Und es gibt eine Sucht­gift­expertin aus Deutschland, die Frau Dr. Sabine Grüsser-Sinopoli, die gemeint hat, die Gefahren, einer Sucht zu verfallen, sind eigentlich auch durch die Monopolisten vorhanden. Denn wenn jemand zweimal in der Woche Lotto spielt, „6 aus 45“, weil Mittwoch und Sonntag gezogen wird, dann ist der Prozentsatz oder Promillesatz derjenigen, die dem kleinen Glücksspiel frönen, im Verhältnis zu den anderen, die ganz legal, wie schon gesagt wurde, von einer Trafik zur anderen gehen und Scheine ausfüllen, sehr gering.

Es sollte hier keine Polarisierung geben, es sollte das Thema auch nicht ein politisches Thema sein, denn es muss uns allen ein Anliegen sein, hier helfend, präventiv einzu­wirken. Dass dieses Thema gerade von der grünen Fraktion forciert wird, die – deshalb habe ich vorher auch die Drogensucht genannt – für die Zulassung der leichten Drogen eintritt, während sie beim Glücksspiel konträr handelt, ist eher nicht glaubwürdig. Aber die Redebeiträge haben gezeigt, dass es bei jeder Fraktion die Bereitschaft gibt, dort, wo wir Verbesserungen vornehmen können, es auch zu tun.

Der einzige machbare Weg, sagt Frau Sabine Grüsser-Sinopoli, um der Spielsucht generell Herr zu werden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und einem funktionierenden Hilfssystem. – Ich glaube, das ist ein schönes und rich­tiges Schlusszitat.

16.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.38.41

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lassen Sie mich am Ende dieser Dringlichen Anfrage Ihnen, Herr Staatssekretär, zunächst einmal für die umfangreichen Informationen danken. Ich darf Ihnen die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Jänner 2006, die dem Finanzministerium nicht vorliegt, überreichen. (Der Redner überreicht Staatssekretär Dr. Matznetter ein Schriftstück.)

Zum Zweiten: Herr Staatssekretär, dass Sie beziehungsweise das Finanzministerium die virtuellen Hundewetten als illegal auf Ihrer Homepage ausgewiesen haben, finde ich insofern bemerkenswert, als man in Niederösterreich Tag für Tag in Wettbüros virtuelle Hundewetten abgeben kann. – Also vielleicht könnte man die niederöster­reichi­schen Stellen dringendst anweisen, den Hinweisen des Bundesministeriums für Finanzen nachzukommen und diese Wetten generell zu unterbinden. Interessant wäre zu beobachten, wie es in Wien, in der Steiermark und in Kärnten diesbezüglich steht.

Was mich noch interessiert: In Oberösterreich stehen mittlerweile 2 000 illegale Auto­maten. Oberösterreich kennt das kleine Glücksspiel nicht. Wird das Finanzministerium die oberösterreichischen Behörden beziehungsweise das Bundesministerium für Inneres anweisen, dem auf die Spur zu gehen, woher diese 2 000 Automaten kommen und wer die Betreiber sind – möglicherweise keine österreichischen Firmen, könnte man sogar annehmen?

Interessant, Herr Staatssekretär, ist natürlich, dass aus Ihren Worten eine gewisse abwartende Haltung des Bundesministeriums für Finanzen herauszuhören ist. Und doch: Ich könnte mir vorstellen, dass das Bundesministerium für Finanzen mit dieser Aufsplitterung der Kompetenzen im Bereich des so genannten kleinen Glücksspiels –


BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 123

denn mittlerweile vom „kleinen Glücksspiel“ zu reden ist aufgrund dessen, was wir heute gehört haben, schon mühsam, aber trotzdem – nicht zufrieden ist.

Ich weiß, Ihnen sind die Hände gebunden. Die Landesbehörden haben da zu agieren, und auch die Verwaltungsbehörden. Ich bin aber froh, dass es offensichtlich Ge­spräche zwischen dem Finanzministerium, dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Justiz gibt.

Mir ist klar, dass das Bundesministerium für Finanzen nicht Teil einer Sonderkom­mission sein kann. Unser Appell an das Bundesministerium für Finanzen war ja, dass es seinerseits an die beiden anderen Ministerien appelliert, dass federführend das Bundesministerium für Inneres eine solche Sonderkommission ins Leben ruft.

Lieber – „lieber“ ist jetzt übertrieben – Herr Kollege Kühnel, der sich seit einiger Zeit in den Bereich Abfangjäger vertieft! Herr Primarius Universitätsprofessor Dr. Herwig Scholz ist alles andere als irgendeine Lachnummer, als die Sie ihn hier darstellen wollten.

Wenn Sie alleine die Quellen, die für diese Studien herangezogen wurden, her­nehmen – ich erspare es Ihnen, aber sie sind nahezu alle aus ganz Europa beziehungsweise aus Kanada und aus den USA –, über Suchtprävention, Jugendliche und Glücksspiel, Prävention problematischen Suchtverhaltens und so weiter, dann erübrigen sich solche Stellungnahmen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Solche Stellungnahmen von Ihnen kennen wir. Die Flapsigkeit kennen wir.

Kollege Schöls! Sie sind leider auf dem Holzweg. Das Landeskriminalamt Niederöster­reich hat aufgrund der Darstellung der mit Verdachtsmomenten belegten Firmengruppe eine Stellungnahme abgegeben. Da in einer Pressekonferenz vor ungefähr einer Woche das von der Firmengruppe behauptet wurde, hat das Landeskriminalamt Niederösterreich festgestellt, dass diese Erhebungen nicht aufgrund anonymer Anzeigen, sondern aufgrund eigener Erhebungen erfolgt sind. Also bitte lieber nach­fragen, bevor Sie brüllen, dann kommen Sie auch zu einem Ergebnis. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls.)

Ansonsten würde ich sagen, Sie haben sich heute fast schon als Nachfolger von Herrn Hahn als Firmensprecher vorgestellt.

Nun zum Letzten, Herr Kollege Schöls, weil Sie noch gesagt haben, heute wird hier ein Antrag abgestimmt. Ich verrate Ihnen nur so viel: Dieser Entschließungsantrag, der heute hier zur Abstimmung kommt, stammt aus der Feder einer der beiden Regie­rungsparteien und ist von uns eins zu eins gewürdigt worden. – Jetzt kann Herr Schöls in sich gehen und überlegen: Habe ich dem damals zugestimmt oder nicht? (Bundesrat Schöls: Wenn Sie eigene Ideen eingebracht hätten, ...!) – Wir werden ja sehen.

Ich danke für die faire Debatte, Herr Staatssekretär, und ich hoffe, dieses Thema bei Ihnen auch weiterhin in guten Händen zu wissen. (Beifall bei den Grünen.)

16.44


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


16.44.07

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Angesichts der vorgeschrittenen Stunde am Freitag versuche ich, mich möglichst kurz zu fassen.

Wenn Frau Bundesrätin Kerschbaum oder andere Mitglieder des Hauses den Eindruck bekommen hätten, dass ein Desinteresse im Bereich des BMF vorläge, dann tut mir das wirklich leid. Das liegt dann offensichtlich an meiner Art der Beantwortung, es entspricht aber nicht den Tatsachen.


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Das Bundesministerium für Finanzen – gerade die zuständige Abteilung – ist sehr bemüht – und ich möchte da die Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich in Schutz nehmen –, alle Sachverhalte, die ihnen zur Kenntnis gebracht werden, auch unverzüglich zu behandeln, nämlich – wie ich es vorher gesagt habe –: Anzeige, wenn es ein solcher Sachverhalt ist, bei der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde, die zustän­dig ist, Mitteilung ans Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern, allenfalls auch Kontrollmitteilung zur Durchführung der notwendigen Abgabenprüfung bei den Betreibern.

Und wenn ich einen Nachsatz aus meiner langjährigen Tätigkeit als Steuerberater anbringen darf: Glauben Sie mir, die Abgabenprüfungen finden statt, und zwar nicht mit Glacéhandschuhen. In diesem Bereich kann ich, will ich und muss ich zurück­weisen, dass Desinteresse bestünde.

Was die Pokerbetriebe betrifft – die Möglichkeit, Poker unternehmerisch zu spielen, außerhalb der Konzession –, werden wir jeden Hinweis, den wir bekommen – und ich bitte, das zu melden –, unverzüglich zu dem notwendigen Abgabenerfolg führen. Aber neben dem Abgabenerfolg muss unser Interesse im Sinne der Aufsicht auch sein, dass sich illegales Glücksspiel eben nicht ausweitet, weil dort gar keine Kontrolle besteht. Dieses Problem ist aber evident, seit es Glücksspiele gibt, und wir werden uns trotzdem bemühen, auch als BMF, diese Dinge ordnungsgemäß zu verfolgen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur einen Punkt ansprechen – vielleicht auch als Antwort auf das, was Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth in den Raum gestellt hat, indem sie meinte, wie seien nicht interessiert daran, dass der Bund Geld bekommt, wenn die Stadt Wien ohnehin 40, 45 Millionen kassiert:

Bei aller Liebe und sozusagen bei allem Neid auf eine andere Gebietskörperschaft: Ob wir die Einnahmen machen oder diese, letztlich müssen wir erstens gemeinsam dafür sorgen, dass das öffentliche Defizit sinkt oder zu einem Überschuss wird, zweitens kann und darf das Handeln nicht einzig und allein vom Interesse, möglichst viel Steuern einzunehmen, geleitet sein.

Ich glaube, wir verstehen uns in dieser Frage: In diesem Bereich muss der Regelungs­bedarf ein solcher sein, dass wir gerade dieser Zielsetzung folgen, Menschen, die es nicht selbst einschätzen können, sei es, weil sie zu jung sind, sei es, weil sie bereits ein Suchtverhalten an den Tag gelegt haben, daran zu hindern, dass sie ihr gesamtes Vermögen und womöglich mehr riskieren.

Zu einem indirekten Vorwurf – vielleicht habe ich mich verhört, aber ich spreche es aus Solidarität mit der Kollegin Kranzl, die Staatssekretärin im BMVIT ist, an: Ich glaube nicht, dass sie verleumderisch etwas Falsches gesagt hat. Möglicherweise gab es bestimmte Missverständnisse im Rahmen des Amtes der Niederösterreichischen Lan­desregierung. – Das wollen wir nicht ausschließen. Ich möchte die Kollegin aber in Schutz nehmen. Ich kenne sie als eine, die ihren Angelegenheiten sehr ordentlich und pflichtbewusst nachgeht.

Vielleicht noch zu dem, was Herr Bundesrat Breiner bezüglich des Kontrollierens gesagt hat. Es ist immer so ein Zwischenspiel: Wie weit soll Kontrolle gehen, und wo fängt ein Obrigkeitsstaat an, der alles kontrolliert?

Wir alle haben Bemühungen unterstützt – und ich sage das bewusst als Raucher –, dass man sich beim Zigarettenautomaten ausweisen muss. Tatsächlich ist aber der Vorgang, dass man seinen Namen, seine Adresse, seine Identität anmelden muss, wenn man eine bestimmte Ware bezieht, noch verständlich nach dem Suchtgiftgesetz, weil man ein Opiat bekommt.


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Aber die Frage ist: Wie weit gehen wir in richtiger Vorgangsweise, und wo ziehen wir die Grenze der Kontrolle? Im Internet zu kontrollieren hieße in Wirklichkeit, dass man weiter geht als ein sehr großer Staat dieser Erde, der dann auch noch bestimmte Seiten abschaltet oder sie nur bestimmten Personen zugänglich macht. Ich halte das alles nicht für problemlos und ich bitte um Verständnis dafür, dass wir uns in der Abteilung für Glücksspiel sehr bemühen, auch international die beste Methode, die einen möglichst guten Schutz gibt, mittels Best Practice zu erarbeiten. Wie gesagt: Dieses Hinschauen auf Italien ist durchaus berechtigt, weil man uns sagt, dass dort ein sehr gutes System – auch mit der Plombierung – erreicht wurde.

Was die Frage der 2 000 illegalen Automaten in Oberösterreich betrifft: Wenn jemand konkret einen Standort, wo ein solcher Automat steht, nennt, wird das umgehend zur Anzeige gebracht, wenn es bei uns eingeht; ansonsten würde ich das direkt bei den Strafverfolgungsbehörden machen.

Ich kann es mir aber fast nicht vorstellen, dass 2 000 bis 3 000 Automaten unbemerkt in einem Bundesland stehen, dass das sonst niemandem auffällt und dass das nicht so weit geht, dass der genaue Standort mit dem genauen Hinweis, welcher Tatbestand dort erfüllt ist, bei uns oder bei den Strafverfolgungsbehörden eingeht. Ich kann mir das fast gar nicht vorstellen, denn es gibt in diesem Markt eine gewisse Konkurrenz­situation zwischen zwei großen Anbietern; nennen wir es einmal so. Ich denke, da würde das, wenn es ein konkreter Sachverhalt ist, auch entsprechend zur Anzeige gebracht werden.

Lassen Sie mich das auch als Schlussbemerkung sagen: Ich werde auch den Herrn Vizekanzler bitten, mit dem Innenminister zu reden, ob man zumindest anregen kann, die Möglichkeit einer Koordination mit dem BMI bezüglich Sonderkommission zu über­prüfen.

Aber ich wollte eine abschließende Bemerkung machen: Es ist ja nicht so, dass wir nicht alle durchaus im Laufe unseres Politikerlebens Gespräche mit allen Beteiligten dieses Marktes geführt hätten. Seien wir uns klar: Es gibt natürlich eine Konkurrenz, und es ist ein Markt, der gerade wegen der Reglementierung einer ist, der sich in einem starken Auseinandersetzungsverhältnis, aber natürlich auch in einem starken Zusam­menwirken mit der Politik befindet.

Mich wundert es nicht, wenn die Schreiben sofort da sind, sozusagen zwei Stunden nachdem in der parlamentarischen Korrespondenz nur vom Umstand berichtet wird.

Es zwingt uns alle in diesem Bereich mit der notwendigen Distanz und Objektivität an die Sache heranzugehen. Es besteht nur immer die Gefahr, dass man das audiatur et altera pars nicht einhält. Man muss durchaus alle Beteiligten anhören.

Ich bitte weiters um Verständnis, dass man auch keine Vorverurteilungen seitens der Exekutive machen kann. Solange kein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, kann man nicht sagen, da finden illegale virtuelle Hundewettrennen statt, denn es wird bestritten, und letztlich ist es eine Beweisfrage. Wenn es bewiesen wird, wird es die Strafe geben, wenn es nicht beweisbar ist, wird das nicht der Fall sein.

Wir als BMF können nur die Illegalität zum Beispiel virtueller Hundewetten feststellen. Wir können sagen, dort, wo eine Wette auf ein Ereignis, das der Anbieter weiß, statt­findet, darf das nicht durchgeführt werden. Die Frage ist, ob das nicht strafrechtlich ein noch viel weiter gehender Tatbestand wäre. Da müsste man eine Anfrage an das Bundesministerium für Justiz stellen.

Aber festzustellen, ob im konkreten Fall so etwas vorliegt, darf und kann nicht unsere Zuständigkeit sein. Wir können es nur allenfalls zur Anzeige bringen, wenn es unseren


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Damen und Herren, die zuständig sind, zur Kenntnis kommt. Der Rest ist Angelegen­heit der Strafbehörden.

Und: Nein, wir wollen als BMF nicht die Zuständigkeit der Strafbehörde auch noch haben – als „Inquisition“ in dieser Frage –, sondern es gibt das Strafrecht und die Gerichte, es gibt im Bereich der Verstöße die Verwaltungsstrafgerichtsbarkeit, und die Kompetenz soll dort bleiben. (Bundesrat Schennach: Das ist aber ein Missver­ständnis!) – Ich wollte das nur an dieser Stelle klarstellen.

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.51


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesrätin Mühlwerth auf Fas­sung einer Entschließung betreffend Glückspielgesetz und suchtpräventive Maß­nahmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

16.52.45 Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 10. Mai 2007, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 8. Mai 2007, ab 13 Uhr vorge­sehen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Nachhausekommen und ein erholsames Wochenende!

Die Sitzung ist geschlossen.

16.53.29 Schluss der Sitzung: 16.53 Uhr

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