Parlamentskorrespondenz Nr. 363 vom 07.04.2022

Gewessler: Lehre aus Energie-Abhängigkeit muss Weg Richtung erneuerbare Energien und Energieeffizienz sein

Bundesrat befürwortet strategische Gasreserve, Zivilverfahrens-Novelle und GeoSphere Austria

Wien (PK) – Grünes Licht gaben die BundesrätInnen in ihrer heutigen Plenarsitzung für eine künftige strategische Gasreserve in Österreich. Diese soll die Erdgasversorgung im Krisenfall absichern. Die Lehre aus der Situation der Energie-Abhängigkeit und der Erpressbarkeit müsse der Weg Richtung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz sein, erklärte Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler dazu.

Keinen Einspruch legte der Bundesrat auch gegen die Zivilverfahrens-Novelle 2022, die Ausdehnung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar, die Anpassung einer Bund-Länder-Vereinbarung zur Abwicklung der EU-Kohäsionsfonds sowie zwei Beendigungsabkommen zu Investitionsschutzverträgen ein. Zustimmung fanden auch zusätzliche Selbstbehaltsbefreiungen bei der Schul-Digitalisierung, die Erweiterung des Stiftungszwecks der Innovationsstiftung für Bildung sowie die Einrichtung des neuen Forschungszentrums GeoSphere Austria. Zur Kenntnis genommen wurden zwei EU-Vorhabensberichte in den Bereichen Justiz und Landwirtschaft für 2022.

Strategische Gasreserve ab November 2022

Der Bundesrat gab heute mit einer verfassungsmäßig notwendigen Zweidrittelmehrheit Zustimmung für eine Abänderung des Gaswirtschaftsgesetzes. Diese legt fest, dass in Österreich eine strategische Gasreserve erstmals zum 1. November 2022 bereitstehen soll. Die Mittel dafür werden über das Bundesfinanzgesetz zur Verfügung gestellt. Die operative Abwicklung der Beschaffung und der Vorhaltung der strategischen Gasreserve wird dem Verteilergebietsmanager übertragen. Die Beschaffung der Gasreserve soll im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens erfolgen. Die genaue Höhe der Gasreserve bemisst sich am Gasverbrauch des vorangegangenen Jänners. Die Regelungen werden bis 2025 befristet.

Der Krieg in der Ukraine bedeute in vielerlei Hinsicht eine Zeitenwende – so auch für die österreichische und europäische Energiepolitik, erklärte Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler. Die Lehre aus dieser Situation der Abhängigkeit und der Erpressbarkeit müsse der Weg Richtung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz sein, plädierte Gewessler. Die gestern auf den Weg gebrachte Verordnung zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sei ein wesentlicher Meilenstein und bringe deutlich erhöhte Mittel für kleinere und mittlere erneuerbare Anlagen. Die vorliegende Abänderung des Gaswirtschaftsgesetzes schaffe kurzfristig Notreserven, um den nächsten Winter gesicherter zu starten. Sie sei eine wichtige Maßnahme für den Krisenfall eines Rückgangs oder Stopps der Erdgaslieferungen.

Erdgas sei ein wesentlicher Energieträger in Österreich. Die aktuelle Situation mache deutlich, diese Abhängigkeit abzubauen, wies Martin Preineder (ÖVP/N) auf die Potenziale von den erneuerbaren Energieträgern Holz und Biogas hin.

Die aktuelle Situation – die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – zeige die Abhängigkeit Europas von Russland, stimmte Günther Novak (SPÖ/K) zu. Ein Ausbleiben der Lieferungen hätte fatale Folgen für Österreich, begrüßte Novak die künftige Speicherpflicht und wies auch auf die Folgen der Energie-Teuerung für viele Menschen hin.

Die Gas-Bevorratung begrüßte auch Michael Bernard (FPÖ/N), kritisierte aber jahrelange Versäumnisse in diesem Bereich. So sei die Einspeisung von Biogas ins Netz jahrelang torpediert worden. Es brauche Versorgungssicherheit sowie einen Netzausbau und die Leistbarkeit müsse im Auge behalten werden, meinte der freiheitliche Bundesrat.

Es brauche gigantische Anstrengungen, um die Abhängigkeit von Russland in den nächsten Jahren zu reduzieren, meinte Adi Gross (Grüne/V). Umso mehr müssten die politischen Blockaden gegen die Energiewende gestoppt werden. Diese schaffe stabile und leistbare Energiepreise sowie Versorgungssicherheit. Zudem sei diese für den lebensnotwendigen Klimaschutz und den Frieden unabdingbar.

Zivilverfahrens-Novelle mit Regelungen für digitale Aktenführung

Vorrangiges Ziel der Zivilverfahrens-Novelle 2022 ist die Anpassung der Verfahren an die fortschreitende Digitalisierung der Justiz, insbesondere der digitalen Aktenführung. Der Bundesrat stimmte der Vorlage heute einhellig zu. Mit der Novelle werden weitere Verbesserungen des Verfahrensrechts angestrebt, die eine Erleichterung der Verfahrensführung und eine Verbesserung des Zugangs zum Recht bewirken sollen, ebenso wie eine Rechtsbereinigung in diesem Bereich, um eine leichtere Auffindbarkeit und einen besseren Überblick über die Rechtslage für die RechtsanwenderInnen zu ermöglichen. Die verfahrensrechtlichen Vorgaben und Abläufe sollen demnach grundsätzlich nicht verändert werden. Mit der Novelle wird auch die Erhöhung der Gerichtsgebühren auf 2023 verschoben.

Neues Forschungszentrum GeoSphere Austria passiert Bundesrat

Die mehrheitliche Zustimmung der BundesrätInnen erhielt auch das neue nationale Kompetenzzentrum "GeoSphere Austria — Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie". Dieses soll in den kommenden Jahren aus der Zusammenführung der Geologischen Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) entstehen.

Europäisches Auslieferungsübereinkommen auf Gibraltar

Um die im Rahmen des Europarats vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auf Gibraltar zu vollziehen, bedarf es der Ausweitung einer Vereinbarung zwischen der Republik Österreich, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Die BundesrätInnen stimmten einer dementsprechenden Regierungsvorlage heute einhellig zu. Ein von Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) eingebrachter Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. Darin forderte der Bundesrat den Abschluss von Staatsverträgen, damit mehr in Österreich verurteilte ausländische StaatsbürgerInnen ihre Haft im eigenen Land verbüßen.

EU-Justizpolitik: Vorhabensbericht 2022

Zur Kenntnis genommen haben die BundesrätInnen mehrheitlich einen Bericht der Justizministerin zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2022. Dieser weist etwa auf die angekündigte Stärkung der Rechte der VerbraucherInnen, Produkte zu fairen Preisen reparieren zu lassen, hin. Besonders relevant ist dem Bericht zufolge der Plan der Einstufung von Hetze und Hasskriminalität als Straftatbestände. Wichtig wäre die Förderung der nachhaltigen Unternehmensführung und insbesondere die Regelung von Lieferketten, wird angeführt. Kritisch gesehen werden von österreichischer Seite der Revisionsvorschlag der Verbraucherkreditrichtlinie.

EU-Agrarpolitik: Jahresvorschau 2022

In der EU-Jahresvorschau informiert die Landwirtschaftsministerin über die wichtigsten Vorhaben auf EU-Ebene und die österreichischen Positionen dazu. Zum nationalen GAP-Strategieplan (GSP) wird darin festgehalten, dass der Genehmigungsprozess durch die Europäische Kommission bis spätestens Ende 2022 abgeschlossen sein muss, um die Umsetzung 2023 zu starten. Was die "Farm-to-Fork-Strategie" betrifft, sollen 2022 etwa Richtlinien zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden und zur Herkunftskennzeichnung präsentiert werden. Zum Mercosur-Handelsabkommen vertritt Österreich "ein klares Nein", heißt es in dem vom Bundesrat heute mehrheitlich zur Kenntnis genommenen Bericht.

Digitalisierung an Schulen: Befreiung von Selbstbehalt wird erweitert

Für die Ausgabe von Laptops und Tablets sieht das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts einen Selbstbehalt vor, der für einkommensschwache Familien entfällt. Mit einer Novelle werden nun die Befreiungstatbestände neu geregelt. So sollen zusätzlich unter anderem Kostenbefreiungen im Rahmen des Ökostromgesetzes und des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes als Befreiungsgründe gelten. Der Bundesrat stimmte dieser Regelung einhellig zu.

Stiftungszweck der Innovationsstiftung für Bildung wird erweitert

Mehrheitlich stimmte der Bundesrat auch der Erweiterung des Stiftungszweckes der Innovationsstiftung für Bildung zu. Damit sind künftig neben kompetitiven Ausschreibungsverfahren auch andere Qualitätssicherungsverfahren möglich, um Förderungen zu vergeben. Weiters kann die Stiftung künftig auch zweckgebundene Zuwendungen erhalten.

Anpassung der Bund-Länder-Vereinbarung zur Abwicklung der EU-Kohäsionsfonds

Um den geänderten EU-rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, muss die bisherige Bund-Länder-Vereinbarung zur Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik für die Periode 2021-2027 angepasst werden. Ziel der im Bundesrat einhellig angenommenen Regierungsvorlage ist die effiziente und ordnungsgemäße Abwicklung der Programme der EU-Kohäsionsfonds in Österreich, wie etwa des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung oder des Europäischen Sozialfonds Plus.

Beendigungsabkommen zu Investitionsschutzverträgen

Zur Umsetzung eines EuGH-Urteils genehmigten die BundesrätInnen einhellig weitere Beendigungsabkommen zu bilateralen Investitionsschutzverträgen, und zwar diesmal mit Polen und Lettland. (Fortsetzung Bundesrat) pst/keg/wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek  des Parlaments verfügbar.

Format