Parlamentskorrespondenz Nr. 366 vom 30.03.2023

Nationalrat: Breite Mehrheit drängt auf Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Türkei in Nordsyrien und im Nordirak

EU-Abkommen mit Malaysia und Thailand gebilligt, Einsprüche zu Beitritten Pakistans und Senegals zum Haager Beglaubigungsübereinkommen

Wien (PK) – Nach der Fragestunde mit Außenminister Alexander Schallenberg dominierten zu Beginn des heutigen Plenartages weitere außenpolitische Themen die Debatten im Nationalrat. In Bezug auf die Türkei fassten die Abgeordneten mehrheitlich eine Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Türkei zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Einhaltung der Menschenrechte in Nordsyrien und im Nordirak ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Die Basis dafür bildete ein in der Minderheit gebliebener Antrag der Oppositionsparteien, in dem ein Stopp der türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak gefordert wurde.

Alle sich zu Wort gemeldeten Abgeordneten unterstrichen die Notwendigkeit, gegen Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei, vor allem in Nordsyrien, aufzutreten. Obwohl die SPÖ von einem "müden Kompromiss" sprach, signalisierte sie Zustimmung. Anders verhielt es sich bei den Freiheitlichen. Sie begründeten ihre Ablehnung damit, dass "die Dinge nicht mutig auf den Punkt" gebracht wurden.

Weiters lagen dem Nationalrat EU-Rahmenabkommen mit Malaysia und mit Thailand zur Genehmigung vor. Auch die Einsprüche Österreichs gegen den Beitritt Pakistans und des Senegals zum Haager Beglaubigungsübereinkommen bedurften der Genehmigung durch den Nationalrat. Zum Beglaubigungsübereinkommen mit den Philippinen wird Österreich den Einspruch aufgrund der verbesserten Dokumentensicherheit hingegen zurücknehmen.

Entschließung zum Schutz der Zivilbevölkerung und Einhaltung der Menschenrechte in Nordsyrien und im Nordirak

Mit breiter Mehrheit hat sich der Nationalrat für eine Entschließung zur Position Österreichs gegenüber dem Agieren der Türkei in Syrien und im Irak ausgesprochen. Anknüpfend an eine Forderung der drei Oppositionsparteien nach einer dezidierten Verurteilung der türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak fassten ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS im Außenpolitischen Ausschuss eine Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Türkei ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Insbesondere der Außenminister soll sich gegenüber der Türkei für einen umfassenden Schutz der Zivilbevölkerung, ziviler Objekte und kritischer Infrastruktur in Nordsyrien und im Nordirak sowie für die vollumfängliche Einhaltung der Menschen- und Grundrechte in der Region, einschließlich der kurdischen Bevölkerung, einsetzen, sowie Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte weiterhin klar als solche benennen. Der Oppositionsantrag selbst fand keine Mehrheit im Plenum.

"Österreich muss sich klar gegen Menschenrechtsverletzung und völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei aussprechen. Hier lassen wir nicht locker, Herr Bundesminister", appellierte Katharina Kucharowits (SPÖ) an Außenminister Alexander Schallenberg. Die Türkei unter Präsident Erdogan gehe systematisch gegen die kurdisch stämmige Bevölkerung in Nordsyrien vor, mit dem Ziel, diese aus der Region zu verdrängen. Dagegen gelte es Stellung zu beziehen. Harald Troch (SPÖ) sprach von einem "müden Kompromiss", dem ursprünglichen Antrag hätten ÖVP und Grüne "die Zähne gezogen". Die SPÖ werde aber trotzdem zustimmen, da es zu begrüßen sei, dass die Lage der Kurden Thema im Nationalrat ist.

Axel Kassegger (FPÖ) schloss sich der Wortmeldung Kucharowits an und sprach von einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei in Nordsyrien. In Bezug auf den Krieg in der Ukraine ortete der FPÖ-Mandatar jedoch das Anlegen von Doppelstandards durch die Bundesregierung. Seine Fraktion werde dem Kompromissantrag nicht zustimmen, da dieser im Gegensatz zum ursprünglichen Antrag der Oppositionsparteien abgeschwächt sei und "die Dinge nicht mutig auf den Punkt bringt". Auch für Susanne Fürst (FPÖ) ist die Außen- und Europapolitik der Bundesregierung von Doppelmoral und Doppelstandards gekennzeichnet. Einerseits liege der Fokus auf dem "Krisenherd Russland und Ukraine", andererseits mache man aber bei einem anderen Krisenherd, wo etwa auch die EU-Mitgliedsstaaten Griechenland oder Zypern direkt von der Türkei bedroht würden, die Augen zu.

"Es ist richtig und wichtig, dass wir uns für Menschenrechte und völkerrechtliche Verpflichtungen einsetzen. Genau das machen wir mit dem Antrag", hielt Reinhold Lopatka seitens der ÖVP fest. Hunderttausende Kurd:innen würden seit Jahrzehnten unter massiver Repression leben, es sei die Aufgabe Österreichs, auf dieses Schicksal hinzuweisen.

"Die permanente Bedrohung der Kurd:innen führt dazu, dass wir klar Position beziehen müssen", wobei sich das Parlament und der Außenminister immer klar zum Völkerrechtsbruch der Türkei geäußert hätten, unterstrich Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). In Richtung FPÖ hielt Ernst-Dziedzic fest, dass man ohne jegliche Doppelstandards auf der Seite der kurdischen Bevölkerung stehe.

"Erdogan führt Krieg gegen die Kurden, dagegen müssen wir gemeinsam aufstehen", betonte Helmut Brandstätter (NEOS) in seiner Wortmeldung. Der Abgeordnete sprach sich für ein wertebasiertes Europa aus, das sich nicht destabilisieren lasse. "Wenn wir als starkes und geeintes Europa einig auftreten, werden wir ernst genommen", so Brandstätter.

EU-Rahmenabkommen mit Malaysia und Thailand

Ebenfalls mehrheitlich angenommen wurden die Rahmenabkommen mit Malaysia und Thailand. Ziel der Abkommen ist die Schaffung eines geeigneten Rahmens für einen intensiveren politischen Dialog zwischen der EU und den beiden südostasiatischen Ländern sowie die Förderung des Handels und der Investitionen hinsichtlich fortschrittlicher Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien.

Alle sich zu Wort gemeldeten Abgeordneten, mit Ausnahme des FPÖ-Vertreters, begrüßten den Abschluss der Rahmenabkommen mit Malaysia und Thailand. Ziel sei es, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen auf eine höhere Ebene zu heben, indem gemeinsame Werte und Grundsätze bekräftigt würden, betonte Alexander Melchior (ÖVP). Jörg Leichtfried (SPÖ) sprach von einem wichtigen Beitrag zur Stärkung der Rolle der EU in Südostasien. Es gelte jedoch, ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Menschenrechte in den beiden Ländern zu legen. Die Kooperationen seien geostrategisch und geopolitisch wichtig für die Stabilität und den Frieden auf internationaler Ebene, meinte dazu Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Für Helmut Brandstätter (NEOS) bilden Abkommen dieser Art die Grundlage für eine wertebasierte Außenpolitik und sind im Sinne der in Österreich lebenden Menschen.

Axel Kassegger (FPÖ) sprach hingegen von einem "losen" Rahmenabkommen mit einer überschießenden Bedeutung des Klimawandels, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit konkretisiert werden soll. "Kompetenzen, die das Leben jedes Österreichers betreffen, werden hin zu multi- und supranationalen Organisationen verschoben", kritisierte der FPÖ-Abgeordnete.

Einsprüche Österreichs zum Haager Beglaubigungsübereinkommen

Einhellige Zustimmung erhielten Einsprüche Österreichs zu Beitritten Pakistans und Senegals zum Haager Beglaubigungsübereinkommen. Wegen Mängeln im Urkundenwesen könne Korruption nicht ausgeschlossen werden, so die Bedenken gegen eine Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Zur Beglaubigung von öffentlichen Dokumenten zwischen Österreich und den Philippinen wiederum wird Österreich den Einspruch gegen den Beitritt der Republik der Philippinen zum Haager Beglaubigungsübereinkommen zurücknehmen, weil sich die Dokumentensicherheit verbessert habe. Die entsprechende Erklärung wurde von den Abgeordneten mehrheitlich gebilligt.

Axel Kassegger (FPÖ) begrüßte den Einspruch Österreichs zum Beitritt Pakistans und Senegals, da dort die Urkundensicherheit nicht gegeben sei. In Bezug auf die Philippinen ist die Rücknahme der österreichischen Bedenken für den FPÖ-Mandatar hingegen nicht verständlich. Hier sei eine Nachprüfung der Urkunden seitens der österreichischen Behörden weiter nötig. (Fortsetzung Nationalrat) med

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