Parlamentskorrespondenz Nr. 462 vom 28.04.2023

Novellen zum Geschäftsordnungs- und Klubfinanzierungsgesetz werden auf den Weg gebracht

Nationalratsmehrheit spricht sich für Informationsoffensive zur Unterstützung von Betriebsübergaben im Tourismussektor aus

Wien (PK) – Umfragen zufolge sollen 75 % der heimischen Tourismusbetriebe in den nächsten zehn Jahren neu übernommen werden. Auch wenn die Übergabe in mehr als der Hälfte der Fälle wohl innerhalb der Eigentümerfamilien erfolgen wird, wollen ÖVP und Grüne eine Informationsoffensive in Sachen Betriebsnachfolge starten. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag wurde heute im Nationalrat mehrheitlich beschlossen.

Auf Initiative aller im Parlament vertretenen Parteien wurden zudem im Rahmen von vier gemeinsamen Anträgen Änderungen im Klubfinanzierungsgesetz, im Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz sowie die jeweils damit zusammenhängenden Bestimmungen im Geschäftsordnungsgesetz einstimmig angenommen, die vorerst in zweiter Lesung das Plenum passierten. Mitangenommen wurden vier im Laufe der Sitzung von allen Fraktionen unterstützte Abänderungsanträge, durch die sichergestellt werden soll, dass sämtliche Gesetzesinitiativen ehestmöglich und zeitgleich, jedoch ohne Rückwirkung in Kraft treten können. Als Datum des Inkrafttretens wird der 15. Juni 2023 festgelegt. Die endgültigen Beschlüsse in dritter Lesung werden – teils aus formalen Gründen – bei den nächsten Nationalratssitzungen erfolgen.

Dabei geht es einerseits um eine Ausweitung der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Einführung neuer Berufsreglementierungen. Diese zielt darauf ab, Grundrechte auf Berufsfreiheit abzusichern und eine Diskriminierung von Bürger:innen anderer EU-Länder zu vermeiden. In Hinkunft sollen auch Initiativanträge von Abgeordneten, Gesetzesanträge von Ausschüssen, Initiativen des Bundesrats sowie Abänderungsanträge zu Regierungsvorlagen in die Prüfung miteinbezogen werden. Durch die Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes wird der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats ausdrücklich dazu verpflichtet, ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen, das die Namen der parlamentarischen Klubs sowie die für diese vertretungsbefugten Personen enthält.

Weiters standen eine Reihe von Rechnungshofberichten auf der Agenda, die alle in den Zuständigkeitsbereich des Landesverteidigungsministeriums entfielen. Die Themenpalette reichte von der Beschaffungsplanung des Bundesheeres, der Aufgabenerfüllung des Pionierbataillons 3, der Kooperation des Ressorts mit Vereinen und Organisationen, der Einsatzbereitschaft der Miliz bis hin zum Stand der Umsetzung von ausgewählten Empfehlungen des Prüfgegenstandes  " Wohnungen im Bereich des BMLVS ". Behandelt wurden überdies Berichte der Volksanwaltschaft, die sich mit dem Terroranschlag vom 2. November 2020, dem NGO-Forum Soziale Grundrechte sowie mit dem Thema "Jugend in Haft" befassten. Alle Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Ausweitung der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Gesetzesvorhaben und Einrichtung eines Klubregisters

Österreich ist gemäß einer EU-Richtlinie dazu verpflichtet, vor der Einführung neuer Berufsreglementierungen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Unter anderem ist zu prüfen, ob die Reglementierung notwendig und angemessen ist, welche Auswirkungen sie auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr hat und ob es nicht andere – weniger einschränkende – Alternativen gäbe. Damit sollen unter anderem das Grundrecht auf Berufsfreiheit abgesichert und eine Diskriminierung von Bürger:innen anderer EU-Länder vermieden werden. Umfang und Procedere dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sind im Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz (VPG) geregelt, das 2021 vom Nationalrat beschlossen wurde. Bislang sind allerdings im Wesentlichen nur Regierungsvorlagen vom Gesetz umfasst, nun sollen auch Initiativanträge von Abgeordneten, Gesetzesanträge von Ausschüssen, Initiativen des Bundesrats und Abänderungsanträge zu Regierungsvorlagen einbezogen werden. Die fünf Parlamentsfraktionen haben dazu einen gemeinsamen Gesetzentwurf  sowie eine begleitende Geschäftsordnungsnovelle eingebracht, die mit 1. Juni 2023 in Kraft treten sollen. Um Verzögerungen von Gesetzesbeschlüssen zu vermeiden, ist eine Frist von längstens acht Tagen – ohne Wochenende und Feiertage – für die Verhältnismäßigkeitsprüfung geplant, wobei der zuständige Ausschuss auch eine andere Frist beschließen können soll und einzelne Klubs das Recht haben, eine bestimmte Zahl von Prüfungen zu verlangen.

Auch was die Einrichtung eines Klubregisters betrifft, sind sich die fünf Parlamentsfraktionen einig. Sie haben zu diesem Zweck eine Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes beantragt. Mit der Novelle soll der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats ausdrücklich dazu verpflichtet werden, ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen, das die Namen der parlamentarischen Klubs sowie die für diese vertretungsbefugten Personen enthält. Als Klub ist dabei der "Gesamtklub" – also unter Einbeziehung der zugehörigen Mitglieder des Bundesrats und des Europäischen Parlaments – zu verstehen, wie in den Erläuterungen festgehalten wird. Gleichzeitig soll in der Geschäftsordnung des Nationalrats ein Passus gestrichen werden, wonach der Einrichtung des Registers zwingend Beratungen in der Präsidiale vorauszugehen haben. Alle Gesetzesanträge wurden heute im Plenum in der Fassung von Abänderungsanträgen einstimmig in zweiter Lesung beschlossen. Die dritte Lesung wird bei der nächsten Nationalratssitzung erfolgen.

Zusätzliche Unterstützung für Betriebsübergaben im Tourismus geplant

Im österreichischen Tourismussektor stehen jährlich zahlreiche Unternehmer:innen vor der Herausforderung einer Betriebsübergabe, wobei sich in den Kernsektoren Beherbergung und Gastronomie rund 67 % der Betriebe im Familienbesitz befinden. Berücksichtigt man auch Ein-Personen-Unternehmen (EPU), kommen weitere 21 % hinzu, heißt es in einem von ÖVP und Grünen vorgelegten Entschließungsantrag, der sich an den Wirtschaftsminister richtet. Um in der kleinstrukturierten Tourismusbranche geordnete Betriebsübergaben zu erleichtern, brauche es neben der finanziellen Unterstützung wie etwa im Rahmen der neu ausgerichteten gewerblichen Tourismusförderung vor allem niederschwellige Informationsangebote, zeigen sich die Antragsteller:innen Franz Hörl (ÖVP) und Barbara Neßler (Grüne) überzeugt. Dazu gehörten etwa gezielt auf die Branche angepasste Leitfäden, Online-Angebote, Webinare oder Workshops. Die Initiative wurden von allen Fraktionen unterstützt und einstimmig beschlossen.

Franz Hörl (ÖVP) wies darauf hin, dass derzeit rund 65.000 Betriebe vor der Übergabe stehen würden, davon 23 % aus dem Tourismus. Es sei daher dringend notwendig, Betriebsübergaben in dieser Sparte zu unterstützen. Auch wenn die heurige Wintersaison mit einem sehr guten Ergebnis zu Ende gegangen sei, brauche es weitere Anstrengungen, um die Zukunft der vielen Familienbetriebe abzusichern, erklärte Gertraud Salzmann (ÖVP). Unterstützung benötige vor allem die junge Generation, die oft Angst davor habe, ein eigenes Unternehmen zu führen, stellte Rebecca Kirchbaumer (V) fest. Abgeordneter Nikolaus Prinz (V) hob die Bedeutung der Landwirtschaft für einen funktionierenden Tourismus hervor, während Johann Weber (V) die Neuausrichtung der Tourismusförderung mit dem Fokus auf Betriebsnachfolge lobte.

Barbara Neßler (Grüne) machte darauf aufmerksam, dass viele Lokale und Hotels nur deshalb schließen müssten, weil sie keine Nachfolger finden. Genau aus diesem Grund habe man nicht nur den vorliegenden Entschließungsantrag eingebracht, sondern auch wichtige Schritte im Bereich der gewerblichen Tourismusförderung gesetzt. Ein besonderes Anliegen war ihr die Anpassung des Förderungssystems im Sinne eines klimafitten Tourismus, wobei künftig ein noch stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit und Resilienz liegen soll. Eingang in die Richtlinien finden dabei nicht nur Themen wie Bodenversiegelung, Kinderbetreuung oder öffentlicher Verkehr, konstatierte Neßler, es werde auch ein Nachhaltigkeitsbonus eingeführt.

SPÖ-Abgeordnete Melanie Erasim (SPÖ) sprach von einem weiteren Minimalkompromiss, zumal auch im vorliegenden Fall die Regierungsfraktionen ihre "eigenen" Minister mit Entschließungsanträgen auffordern, etwas zu tun. Noch besser wären aber konkrete Lösungen, wie etwa die aus ihrer Sicht dringend notwendigen Änderungen bei den Betriebsanlagengenehmigungen. Da in den nächsten zehn Jahren drei Viertel der Tourismusbetriebe vor der Übergabe stehen, müsse rasch gehandelt werden, drängte auch ihr Fraktionskollege Maximilian Köllner (SPÖ). In erster Linie müssten die Rahmenbedingungen für die Bediensteten im Tourismus und der Gastronomie verbessert werden, schloss sich auch Michael Seemayer (SPÖ) seinem Vorredner an.

Gegen eine Informationskampagne in Sachen Betriebsnachfolge könne grundsätzlich niemand etwas haben, meinte NEOS-Mandatarin Julia Seidl, aber dafür gebe es schon jetzt eine zuständige Institution, nämlich die Wirtschaftskammer. Außerdem müsse man das Problem an der Wurzel packen und dafür sorgen, dass die Betriebsübergaben deutlich erleichtert werden. Dafür brauche es vor allem steuerliche Anreize, wie zum Beispiel die Absetzmöglichkeit von Eigenkapitalzinsen, schlug Seidl vor.

Ähnliche Argumente führte auch Gerald Hauser von der FPÖ ins Treffen, der für eine grundsätzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen eintrat. Derzeit würden den Unternehmer:innen viel zu viele "Prügel vor die Füße" geworfen. Erneut setzte er sich zudem für die Interessen der 40.000 heimischen Privatvermieter:innen ein, die wichtige Arbeitsplätze im ländlichen Raum schaffen würden.

Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler hielt es für sehr wichtig, dem Thema Betriebsübergaben Gehör zu verschaffen. Dies habe man bereits mit der im März beschlossenen Neuausrichtung der gewerblichen Tourismusförderung getan, und zwar durch die Einführung von drei neuen Instrumenten. Dazu zählten der Nachhaltigkeitsbonus, der Ausbau der Jungunternehmerförderung sowie Zinszuschüsse und Haftungsübernahmen für Kredite zur Stabilisierung von Unternehmen, die etwa an langjährige Mitarbeiter:innen übergeben werden. Eine positive Entwicklung zeichne sich bei den Lehrlingszahlen ab, informierte Kraus-Winkler, hier gebe es ein Plus von 6 %.

Neues Mitglied für die Parlamentarische Versammlung des Europarats

Am Ende der Tagesordnung stand noch die Wahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Versammlung des Europarats auf der Agenda. Statt Grün-Abgeordnetem Michel Reimon wird seine Fraktionskollegin Agnes Sirkka Prammer in das Gremium einziehen. Insgesamt ist Österreich in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit 6 Mitgliedern (3 ÖVP, je 1 SPÖ, FPÖ und Grüne) sowie 6 Ersatzmitgliedern (je 2 ÖVP und SPÖ, je 1 FPÖ und NEOS) vertreten.

Keine Mehrheit für Fristsetzungsanträge der SPÖ und NEOS

Von der SPÖ und den NEOS wurden vier Fristsetzungsanträge eingebracht, die jedoch keine Mehrheit fanden. Nach Ansicht der Sozialdemokrat:innen sollte sich der Verfassungsausschuss bis spätestens 25. Mai 2023 mit ihren Initiativen auf Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und der Verankerung einer Informationsverpflichtung für öffentliche Stellen sowie auf Archivierung von digitalem Schrift- und Kommunikationsgut von Regierungsmitgliedern und anderer Oberster Organe befassen. Die NEOS-Fristsetzungsanträge für den Justiz- bzw. den Verfassungsausschuss bezogen sich auf die Einrichtung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts sowie auf die Vorlage eines Informationsfreiheitsgesetzes. Beide sollten bis spätestens 1. Juni 2023 behandelt werden Im Anschluss fand noch eine weitere Sitzung des Nationalrats statt, die vor allem geschäftsordnungsmäßigen Zuweisungen und Mitteilungen diente. (Schluss) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.