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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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772. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 2. Juli 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

772. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juli 2009

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Juli 2009: 9.03 – 15.51 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (12. Ärzte­gesetz-Novelle)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicher­heits­gesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Gesundheits- und Ernährungs­sicherheitsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird

5. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kos­tenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungs­ein­richtungen

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird

7. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2007

8. Punkt: Zweiter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

9. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Zah­lungsdiensten (Zahlungsdienstegesetz – ZaDiG) erlassen und das Bankwesengesetz, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Wert­pa­pier­aufsichtsgesetz 2007 geändert werden sowie das Überweisungsgesetz aufge­ho­ben wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Inter­natio­nalen Währungsfonds

13. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung des Staates Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang


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14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union zur Änderung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Ein­rich­tung eines Aktennachweissystems für Zollzwecke

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................ 26

Schreiben des Bundesministers für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 30. Jänner 1974 unterzeichneten Ab­kommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen .................................................................................... 28

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen, die Jahresvorschau des BMVIT 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-373-BR/2009 d.B.) gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme              29, 29

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Fragestunde (143.)

Europäische und internationale Angelegenheiten ................................................... 8

Georg Keuschnigg (1684/M-BR/09); Albrecht Konecny, Stefan Schennach

Albrecht Konecny (1688/M-BR/09); Kurt Strohmayer-Dangl, Monika Mühlwerth

Monika Mühlwerth (1683/M-BR/09); Josef Saller, Albrecht Konecny, Peter Mit­terer

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (1685/M-BR/09); Ana Blatnik, Efgani Dönmez

Reinhard Todt (1689/M-BR/09); Reinhard Jany, Stefan Zangerl

Mag. Walter Ebner (1687/M-BR/09); Maria Mosbacher, Dr. Franz Eduard Kühnel, Stefan Schennach

Dr. Andreas Schnider (1686/M-BR/09); Ing. Reinhold Einwallner, Johann Ertl

Wolfgang Beer (1690/M-BR/09); Ferdinand Tiefnig, Peter Mitterer


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 3

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 29

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 26

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (12. Ärztegesetz-Novelle) (149 d.B. und 181 d.B. sowie 8122/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 30

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 30

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 30

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 31

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ..... 33

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 34

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ..... 35

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 36

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz geändert werden (155 d.B. und 184 d.B. sowie 8115/BR d.B. und 8123/BR d.B.) .......................................................................................................... 36

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 36

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wolfgang Erlitz .............................................................................................. ..... 37

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 38

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ............................................................... ..... 39

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 40

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (154 d.B. und 185 d.B. sowie 8124/BR d.B.) ........ 40

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 40

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ...................................................................................................... ..... 40

Kurt Strohmayer-Dangl ......................................................................................... ..... 41

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 43

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 44

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (153 d.B. und 186 d.B. sowie 8125/BR d.B.)                45


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 4

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 45

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 45

Edgar Mayer .................................................................................................................. 46

Efgani Dönmez ............................................................................................................. 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 47

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungsein­richtun­gen (205 d.B. und 210 d.B. sowie 8126/BR d.B.) .............. 48

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 48

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 48

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ..... 50

Maria Mosbacher .................................................................................................... ..... 52

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 53

Staatssekretärin Christine Marek ........................................................................  54, 62

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 57

Christa Vladyka ....................................................................................................... ..... 58

Mag. Walter Ebner .................................................................................................. ..... 60

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 63

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 67

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ..... 68

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 70

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (652/A und 212 d.B. sowie 8116/BR d.B. und 8127/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 71

Berichterstatter: Josef Kalina ....................................................................................... 71

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 71

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 72

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 74

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 76

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 78

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 80

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahn­regulie­rung 2007 (III-371-BR/2009 d.B. sowie 8128/BR d.B.) ...................................................................................................... 81

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 81


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 5

8. Punkt: Zweiter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-376-BR/2009 d.B. sowie 8129/BR d.B.) ....................... 81

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 81

9. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-373-BR/2009 d.B.)                             81

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 81

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 84

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 87

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, den Bericht III-371-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, den Bericht III-376-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 93

Annahme des Antrages zu Punkt 9, den Bericht III-373-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen                   93

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Zahlungs­diensten (Zahlungsdienstegesetz – ZaDiG) erlassen und das Bankwesengesetz, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 geändert werden sowie das Überweisungs­gesetz aufgehoben wird (207 d.B. und 213 d.B. sowie 8117/BR d.B.) ................................................................................. 94

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner .................................................................. 94

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 94

Wolfgang Schimböck, MSc ................................................................................... ..... 95

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 96

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 98

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ..... 99


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 100

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (168 d.B. und 214 d.B. sowie 8118/BR d.B.)                       100

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner ................................................................ 100

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Jany ......................................................................................................... ... 100

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ... 102

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  103, 109

Friedrich Hensler ........................................................................................................ 104

Mag. Walter Ebner .............................................................................................  105, 111

Christoph Kainz .......................................................................................................... 107

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 112

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bun­desgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Internationalen Währungsfonds (158 d.B. und 215 d.B. sowie 8119/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 112

Berichterstatterin: Christa Vladyka ............................................................................. 112

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang (148 d.B. und 217 d.B. sowie 8120/BR d.B.) .................................................. 112

Berichterstatterin: Christa Vladyka ............................................................................. 112

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union zur Änderung des Über­einkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Einrichtung eines Aktennachweissystems für Zollzwecke (157 d.B. und 218 d.B. sowie 8121/BR d.B.) ............................................ 112

Berichterstatterin: Christa Vladyka ............................................................................. 112

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 113

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 114

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 115

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 116

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 116

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ... 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zusammenführung der Wiener Finanzämter am Standort Wien-Mitte (2691/J-BR/09)

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Lehrlinge beim AMS Niederösterreich (2692/J-BR/09)


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 7

Wolfgang Sodl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Schengen 3-Konzept“ (2693/J-BR/09)

Wolfgang Sodl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Grenzkontrollen (2694/J-BR/09)

Wolfgang Sodl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend dritte Erstaufnahmestelle (2695/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend AKW-Projekte (2696/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend AKW-Projekte (2697/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend AKW-Projekte (2698/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend AKW-Projekte (2699/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AKW-Projekte (2700/J-BR/09)

Wolfgang Schimböck, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend korrekte Datenlage zur Sicherheitskampagne des Linzer ÖVP-Vizebürgermeisters Dr. Watzl (2701/J-BR/09)

Ing. Reinhold Einwallner, Dr. Magnus Brunner, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft betreffend Käseimitate (2702/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Ausstellung von Dienst- und Diplo­matenpässen (2703/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Stand der Umsetzung des Projekts „Weltkulturerbe Donau Limes“ (2704/J-BR/09)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kleinwindkraftanlagen in Österreich (2461/AB-BR/09 zu 2667/J-BR/09)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend angebliche Entschädigungs­zahlun­gen der börsenotierenden Immobiliengesellschaft Meinl European Land an die Privat­stiftung des Thomas Prinzhorn (2462/AB-BR/09 zu 2665/J-BR/09)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­des­räte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kleinwind­kraft­anlagen in Österreich (2463/AB-BR/09 zu 2666/J-BR/09)


09.02.36


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Erwin Preiner: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich eröffne die 772. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 771. Sitzung des Bundesrates vom 5. Juni 2009 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Elisabeth Grimling, Gün­ther Kaltenbacher, Monika Kemperle, Johannes Peinsteiner und Harald Reisenberger.

Ich teile mit, dass ich meine Antrittsrede nicht heute, sondern in der Sitzung am 23. Juli halten werde, da zeitgleich heute auch der Landtag im Burgenland eine Land­tags­sitzung abhält.

09.03.04 Fragestunde

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, verweise ich darauf, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

 


Präsident Erwin Preiner: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundes­minis­ter für europäische und internationale Angelegenheiten. – Hiermit auch ein herzliches Willkommen, Herr Bundesminister Dr. Spindelegger, hier bei uns im Bundesrat! (Allge­meiner Beifall.)

Ich bitte nun den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Keuschnigg, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1684/M-BR/2009

„Welche Vorhaben, die Österreich in besonderem Maß betreffen, hat die schwedische EU-Präsidentschaft für das 2. Halbjahr 2009 angekündigt?“

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es gibt eine ganze Reihe von Schwerpunkten; ich darf wenige herausgreifen, die auch für Österreich von Bedeutung sind.

Der erste Schwerpunkt ist die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Hier hat sich die schwedische Präsidentschaft besonders zum Ziel gesetzt, das Vertrauen in die Finanzmärkte und damit wieder über die Kredite auch in die Finanzierung der Unter­nehmen herzustellen und dazu einige positive Maßnahmen zu beschließen.

Der zweite große Schwerpunkt ist sicherlich die Klimakonferenz in Kopenhagen – der Schritt nach Kyoto wird eine große Herausforderung sein –, wo die nächsten Ziele in der internationalen Gemeinschaft festgelegt werden. Das bedarf natürlich einer guten


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 9

Vorbereitung durch die Europäische Union. Wir haben ja dazu schon im Dezember letzten Jahres Schritte durch Beschlüsse gesetzt, aber jetzt bedarf es einer Koor­dinierung, damit es im Dezember dieses Jahres zu einem Erfolg werden kann.

Ich verweise auch auf das Stockholmer Programm 201–2014, wo Fragen der Zusam­menarbeit in der polizeilichen und justiziellen Hinsicht eine besondere Rolle spielen.

Ich erwähne noch kurz die Ostsee-Strategie. Das ist auch für Österreich von Bedeu­tung, weil wir uns mit der Donauraumstrategie hier ein Vorbild nehmen wollen.

Und ich darf letztlich institutionelle Fragen, die anstehen, erwähnen. Wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, sind auch Entscheidungen in personeller Hinsicht zu treffen. Der Präsident des Europäischen Rates ist zu wählen, und es ist der Hohe Beauftragte für die Außenpolitik zu bestimmen. Auch das sind Fragen, die in den Zeitraum der schwedischen Präsidentschaft fallen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Was werden die größten Herausforderungen in der Zeit der kommenden Präsidentschaft sein?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zu einer ganz großen Herausforderung wird es werden, diese Klimakonferenz im Dezember 2009 zu einem Erfolg zu machen, auch für die Europäische Union. Das wird äußerst schwierig, weil die Zielsetzungen, die man sich international vorgenommen hat, schwer zu erfüllen sind. Wir treten aber als Europäische Union mit einem Konzept an, das heruntergebrochen auf jeden Mit­gliedsstaat auch Ziele definiert, etwa für Österreich eine Erweiterung des Anteils unserer erneuerbaren Energieträger auf 34 Prozent. Das wird eine sehr große Heraus­forderung bis 2020 werden.

Ich glaube, dass das die eigentliche Herausforderung im Dezember für die schwe­di­sche Präsidentschaft sein wird.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Konecny.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ich habe vollen Respekt vor der Bedeutung der Klimakonferenz, trotzdem überrascht es mich, dass Sie in Ihrer Antwort die Überlegungen der schwedischen Präsidentschaft zur Bekämpfung der Europa schwer beutelnden Wirtschaftskrise und insbesondere zur Sicherung von Arbeitsplätzen nicht erwähnt haben.

Was ist in diesem Bereich seitens der schwedischen Präsidentschaft angeregt?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich habe das als ersten Punkt in meiner Antwort erwähnt, und da gehört es auch hin. Selbstverständlich müssen wir uns alle miteinander der Bewältigung dieser Krise widmen, aber wir wissen auch, dass die Zu­ständigkeiten einer Europäischen Union zur Bewältigung von konkreten wirtschaft­lichen Fragen eben auch begrenzt sind.

Wir können uns, was den Außenhandel betrifft, sehr stark miteinander koordinieren; das wird auch erfolgen. Wir müssen uns, wie ich es schon erwähnt habe, auf die Finanzmärkte und auf das Vertrauen in die Finanzmärkte konzentrieren, weil das die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Kreislauf ist. Hier haben wir eine gute,


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 10

ambitionierte Vorlage mit einem Bericht, der umgesetzt gehört. Auch da wird es eine Konzentration darauf geben.

Natürlich steht bei allem die Frage der Sicherung von Arbeitsplätzen im Vorder­grund, auch in Österreich. Wir werden ja sehen, wie wir das im Herbst bewältigen kön­nen, weil uns da die Voraussagen für Österreich durchaus schwere Aufgaben auf die Tagesordnung setzen.

Das ist eine schwierige Frage, wo ich aber sehe – und das darf ich zum Abschluss noch sagen –, dass die europäischen Länder miteinander in einer sehr guten Koor­dination verbunden sind. Jeder will das, alle ziehen an einem Strang. Das gestaltet sich bei Klimafragen nicht so einfach, weshalb ich glaube, dass wir diese Frage eher be­wältigen als die Frage der Klimakonferenz.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich komme trotzdem auf den Klimaschutzgipfel zurück, wobei ich glaube, dass die schwedische Präsidentschaft aufgrund der Ereignisse in Tschechien noch einiges von der vergangenen Präsidentschaft aufzuarbeiten hat.

Mit 21 000 bis 30 000 Teilnehmern ist der Klimagipfel eines der größten Ereignisse, die in diesem Bereich stattfinden werden, und es geht natürlich auch um den EU-internen Verteilungsschlüssel zur Finanzierung des Klimaschutzes für die Schwellen- und Entwicklungsländer. Welche Position vertritt da Österreich?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben uns im Dezember 2008 beim Europäischen Rat auf die Aufteilung der einzelnen Ziele für die einzelnen Länder festgelegt. Wir haben dabei gemeinsame Interessen zu berücksichtigen gehabt, was die drohende Verlagerung gerade von Schwerindustrie auf Gebiete außerhalb der Europäischen Union anlangt. Das ist eine Sorge von allen, das darf nicht passieren. Dazu brauchen wir auch entsprechende Übergangskonzepte, die aber letztlich auch gefunden wurden.

Der zweite große Bereich war die Aufteilung der Aufgabe: Wie können wir den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 Prozent heben?, und da haben wir eine gehörige Aufgabe ausgefasst, die wir auch zu bewältigen haben werden. Diese Steige­rung in Österreich um 10 Prozent mehr bis 2020 wird uns auch vor schwierige finan­zielle Fragen stellen.

Das Dritte ist der große Zielbereich: Wie können wir von den anderen Ländern nicht nur das Setzen von Zielen verlangen, sondern auch dazu beitragen, dass diese auch entsprechend erreicht werden?

Ich glaube, dass wir hier bei den Schwellen- und Entwicklungsländern in Richtung Finanzierung durchaus Anstrengungen unternehmen müssen, wo es darauf ankommt, die europäischen Programme auch auf diesen Teil auszurichten und nicht nur auf an­dere soziale Fragen in den Entwicklungsländern. Und da sehe ich gute Hoffnung, dass wir das auch in den nächsten Perioden in der Europäischen Union schaffen werden.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Konecny, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 11

1688/M-BR/2009

„Welche Initiativen und thematischen Schwerpunkte setzt Österreich als Mitglied im UN-Sicherheitsrat?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Unsere primäre Verantwortung in unserer Funktion als nicht ständiges Mitglied liegt natürlich in der Wahrung des Frie­dens und der Sicherheit auf der Ebene des UN-Sicherheitsrates, und da haben wir uns in erster Linie dem zu stellen, was gerade Thema ist. Wir sehen, dass die Fragen, die derzeit vom UN-Sicherheitsrat behandelt werden, zu 60 Prozent Fragen auf dem Kontinent von Afrika betreffen. Dort gibt es eine Unzahl von Konflikten, auch von schwierigen Situationen in humanitärer Hinsicht. Wir werden uns daher auch in unserer Arbeit als österreichisches Mitglied besonders darauf konzentrieren.

Das, was wir uns selber als Schwerpunkte setzen wollen, sind aber Zielsetzungen, die sich aus einer langjährigen Übung in Österreich ergeben. Wir haben auch unsere Kann­didatur im Sicherheitsrat begonnen mit dem Thema „Herrschaft des Rechts – Rule of Law“. Wir wollen auch bei unserer Präsidentschaft im November dieses Jahres im Sicherheitsrat dazu einen thematischen Schwerpunkt setzen. Wir haben uns vorge­nommen, dass wir vor allem den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten thematisieren, weil wir sehen, dass immer mehr in solchen Konflikten auch nicht staat­liche Organisationen involviert sind. Diese dazu zu bringen, auch internationales Völ­kerrecht anzuwenden, ist eine tatsächliche Herausforderung für die internationale Ge­meinschaft. Wir wollen daher auf dem Sektor arbeiten und dort auch einige Vorschläge präsentieren.

Aber ich darf noch einmal sagen: Wir werden das relativieren müssen für den Fall, dass es eine internationale Krise zu diesem Zeitpunkt gibt. Dann werden wir uns auch in einer Sitzung auf Ministerebene mit diesen Konflikten auseinanderzusetzen haben.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, Sie haben mit Recht auf diese Orientierung, wenn uns sonst nichts dazwischen kommt, auf das „Rule of Law“ hingewiesen. Das ist eine wichtige politische Frage. Gleichzeitig aber ist es auch eine wichtige Frage, die österreichische Bevölkerung für eine Akzeptanz eines solchen außenpolitischen Engagements, wie es die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat ist, zu gewinnen. Welche Überlegungen gibt es hier, diese Anliegen auch in der Öffent­lichkeit stärker zu verankern?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Auch da müssen wir auf die Instrumente zurückgreifen, die uns zur Verfügung stehen. Wir wollen insbesondere die Präsident­schaft Österreichs im November im Sicherheitsrat medial so darstellen, dass wir zeigen können, dass dieses Engagement für Österreich insgesamt einen Gewinn bringt, denn wir stehen damit im Fokus der Weltöffentlichkeit.

Wir haben durch unsere Führungsrolle im Sicherheitsrat auch die Möglichkeit, die Ta­gesordnung zu bestimmen. Und wir sehen ja auch durch die Rückmeldungen der Partner, die mit am Tisch sitzen – wir sind ja einer von 15, die am Sicherheitsratstisch Platz genommen haben –, dass die Konzentration auf Österreich viel stärker zu greifen beginnt.


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Was können wir darüber hinaus tun, außer das medial zu vermitteln? Ich habe mir als zweiten Schritt vorgenommen, dass ich alle Mitglieder der Bundesregierung bitte, in diesem November in New York einen Schwerpunkt zu setzen. Es wird nicht etwa nur der Herr Vizekanzler Josef Pröll dort präsent sein, wir haben auch organisiert, dass die Philharmoniker dort ein Konzert geben, wozu wir die ganze Gemeinschaft der Staaten, die beim Sicherheitsrat vertreten sind, einladen. Wir wollen darüber hinaus über das Landwirtschaftsressort zeigen, was Österreich kulinarisch kann. Es wird auch die Frau Bundesministerin Schmied so wie viele andere einen Schwerpunkt setzen und einen Beitrag leisten.

Das Dritte, was ich noch erwähnen möchte: Es ist gerade auch mit Frau Bundes­ministerin Schmied mein Plan, dieses Engagement im Sicherheitsrat auch in den Schulen präsent zu machen. Wir arbeiten derzeit daran, dass wir eine Unterlage für den Unterricht zur Verfügung stellen, wo Fragen des UNO-Sicherheitsrates und das österreichische Engagement im Zentrum stehen. Wir erwägen die Herausgabe eines Lehrbuchs, und es würde mich freuen, wenn uns das auch in diesem Jahr gelänge.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Was waren aus Ihrer Sicht die bisherigen Höhepunkte seit Beginn unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Der erste Höhepunkt war der am Beginn des Jänners 2009, als es eine Dringlichkeitsdebatte zum Thema Naher Osten aufgrund des Gaza-Krieges gab. Dort haben wir gesehen, dass wir zwischen den zwei großen Blöcken vermitteln können. Wir sind auch unmittelbar bei unserem Engagement sowohl von der arabischen Seite wie auch von anderen Staaten angesprochen worden und haben es, glaube ich, durch unsere Art der Vermittlung bewirkt, dass es zur Sicherheitsratsresolution 1860 gekom­men ist. Das hat eine Zeit lang ganz anders ausgesehen, aber letztlich gab es dazu eine Übereinstimmung mit einer Enthaltung, nämlich jener der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wir haben jetzt mit Nordkorea und den Raketentests einen weiteren Höhepunkt erlebt, wo wir uns engagiert haben, und wir haben auch bei dem furchtbaren Krieg zwischen den Regierungstruppen und den Tamilen in Sri Lanka zu vermitteln versucht und uns bemüht, dieses Thema im Sicherheitsrat auf die Tagesordnung zu bringen. Da haben wir besonders zusammengewirkt mit Großbritannien und Frankreich, und es ist uns in diesem Zusammenwirken letztlich auch gelungen, dieses Thema für den Sicherheitsrat aufzubereiten und dass es dazu auch eine Erklärung gegeben hat. Auch das werte ich als einen Erfolg im Rahmen dieser Schwerpunkte, die es bisher gegeben hat.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, da Sie gerade Nordkorea angesprochen haben: Alle Sanktionen gegen Nordkorea haben ja bis jetzt nicht gegriffen, und es ist die Frage, ob die im Juni beschlossene greifen wird.

Welche darüber hinausgehenden Maßnahmen können Sie sich vorstellen, um Nord­korea zum Einlenken zu bewegen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Auch da müssen wir sehen, dass Sanktionen eben nicht greifen, wenn sie ein Thema betreffen, wo es kaum eine Betrof­fenheit eines Landes gibt und kein Wille vorhanden ist, in Richtung eines Dialogs mit der internationalen Staatengemeinschaft einzulenken. Das sehen wir bei Nordkorea.

Deshalb dürfen wir uns jetzt nicht nur rein auf Sanktionen in unserem Wirken be­schränken, sondern wir müssen uns dort auf eine Zusammenarbeit konzentrieren, in­dem wir mehr Information aus Nordkorea selbst bekommen.

Wir wissen, dass es dort nach wie vor, gerade was die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln betrifft, große Probleme gibt. Wir sehen zum Zweiten, dass es intern einen Machtkampf um die Nachfolge des jetzigen Diktators gibt. Anscheinend hat das auch sehr stark mit den Raketentests zu tun. Wir müssen uns daher verstärkt auf diese Fragen, wo es auch um Bedürfnisse der Bevölkerung geht, konzentrieren und versuchen, einen Dialog mit Nordkorea aufzubauen, denn die Bedrohung durch Atom­waffen, die uns dort bevorsteht, ist eine so gewaltige, dass wir alle Mittel der Diplomatie einsetzen müssen, um da zu einem Konsens zu kommen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte die Anfrage­stellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1683/M-BR/2009

„Wie beurteilen Sie die Irland-Garantien beim Vertrag von Lissabon, glauben Sie, dass diese Garantien nicht nur als solches von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssen, sondern überhaupt der gesamte Vertrag von Lissabon noch einmal ratifiziert werden soll?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Irland-Garantien sind derzeit in einem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs festgehalten. Wenn Sie diesen Beschluss lesen, finden Sie die Stelle, wo ausdrücklich steht, dass diese Garantien den Vertrag von Lissabon nicht ändern, sondern dass sie eine Interpretation dieses Vertrages darstellen. Das ist eine rechtliche Qualifikation, die sich selbst in den Garantien findet.

Allerdings muss man dazusagen, dass die irische Regierung darauf bestanden hat, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa dann, wenn es einen nächsten Beitrittsvertrag gibt, diese Garantien in Form eines Protokolls an einen solchen Beitrittsvertrag, der ohnehin ratifiziert werden muss, anzuhängen. Das ist eine politische Forderung der irischen Regierung gewesen, der nach langen Verhandlungen auch entsprochen wurde, was so viel heißt wie, dass wir dann, wenn es einen nächsten Beitrittsvertrag gibt, auch ein Protokoll im Anhang finden werden, das diese Garantien noch einmal enthält.

Das ändert aber nichts an der rechtlichen Qualifikation, dass damit der Vertrag von Lissabon weder ergänzt noch geändert wird und somit der Vertrag selbst auch nicht neuerlich ratifiziert werden muss.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Der deutsche Verfassungsgerichtshof hat ja jetzt den Lissabon-Vertrag als solchen nicht in Frage


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gestellt, aber eingemahnt, dass für das Parlament, also sprich: Bundestag und Bun­desrat, mehr Rechte eingefordert werden. Nun ist es so, dass der Deutsche Bundesrat mehr Rechte als der österreichische hat. Sehen Sie einen Handlungsbedarf auch für das österreichische Parlament, ähnlich vorzugehen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Wenn es sich um ein Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts handelt, was die deutsche Rechtsordnung anlangt, sehe ich keinen unmittelbaren Handlungsbedarf für Österreich. Aber ich glaube, dass man auch hier diskutieren kann, inwieweit die Rechte des Nationalrates und des Bundesrates gestärkt werden können. Das ist eine legitime Debatte, der wir uns auch in Österreich zu stellen haben. Aber letztendlich werden die Parlamentarier bestimmen, nicht die Bundesregierung. Ich sehe dieser Debatte mit Interesse entgegen, verfolge dies aufmerksam und auch konstruktiv, allerdings wird die Entscheidung darüber im Hohen Haus gefällt.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister, wann könnte der Vertrag von Lissabon im Fall eines Ja der Iren in Kraft treten?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr verehrter Herr Bundesrat, das Procedere ist klar: Dann, wenn die letzte Ratifikationsurkunde des Vertrages von Lissabon von einem Mitgliedstaat hinter­legt wurde, kann am Monatsersten, der darauf folgt, der Vertrag in Kraft treten. So sieht es das Procedere vor. Das bedeutet: Wenn es im Oktober ein Referendum in Irland gibt, das mit einem Ja ausgeht, und die Ratifikation dort abgeschlossen ist, in Deutsch­land der Prozess fertiggestellt ist, in Polen die Unterschrift geleistet ist und auch in der Tschechischen Republik die rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind, wäre der früheste Inkrafttretens-Zeitpunkt der 1. November. Ob sich das ausgehen wird, vermag ich jetzt nicht abzuschätzen. Ich schätze aber, bei einem Ja in Irland könnte das der 1. Dezember 2009 oder der 1. Jänner nächsten Jahres sein.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Konecny.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, die ganze Debatte über den Lissabon-Vertrag, über die irischen Garantien hat einmal mehr gezeigt, dass es eine Kluft zwischen den Organen der Europäischen Union und relevanten Teilen der europäischen Bevölkerung gibt. Das ist nicht nur, aber auch ein österreichisches Problem. Daher meine Frage:

Welche politischen Maßnahmen muss – das „kann“, das ich im Manuskript habe, lasse ich aus – die Europäische Union setzen, um die Zustimmung und das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in ihre Einrichtungen und in ihre Glaubwürdigkeit zu stär­ken?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Das ist eine interessante Frage, der wir uns tagtäglich zu widmen haben, vor allem hier in Österreich, weil wir hier auch etwas gemeinsam bewirken kön­nen. Ich habe mir selbst ein Bild verschafft im ersten Halbjahr dieses Jahres mit einer Zuhör-Tour durch ganz Österreich und habe gesehen, dass Skepsis bei uns vorhan­den ist und diese vielfältige Gründe hat. Ich glaube, dass wir versuchen müssen – und daran arbeite ich und habe das auch in einem Ministerratsvortrag am 9. Mai der Bundesregierung so vorgeschlagen –, einen Dialogprozess auf Dauer einzurichten.


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Die­ser Dialog ist zu führen von der ersten politischen Ebene, der Gemeindeebene, über die Länderebene bis zum Bund, und jeder muss sich in den Dienst stellen, zu informieren, weil vieles in diesem Dialogprozess in Richtung Information, Nachfragen, Meinung äußern und Antwort geben ablaufen soll. Ich bin, wenn wir das konsequent fortsetzen, zuversichtlich, dass uns da auch etwas gelingen wird.

Ich darf den Bundesrat die Information zukommen lassen, dass ich vor Kurzem ein Gespräch mit dem Landtagspräsidenten und dem vorigen Präsidenten des Bundes­rates in Graz hatte, wo wir uns mit der Zusammenarbeit zwischen den Landtagen, die Europa-Ausschüsse haben, und dem Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten beschäftigt haben, und wir haben gemeinsam festgelegt, dass wir uns einmal in sechs Monaten zusammensetzen und Informationen austauschen. Dass die Europa-Ausschüsse der Landtage stärker in diese Arbeit eingebunden wer­den, davon halte ich viel. Das wäre ein konkreter Schritt, wie wir die Bundesländer auch mit europäischen Fragen stärker betrauen können.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nach dem Scheitern der Verfassung für Europa beziehungs­weise des Vertrages von Lissabon ist eine ernste Debatte über die Zukunft der EU not­wen­dig.

Was halten Sie von unserem Modell, einem Europa der verschiedenen Geschwin­digkeiten: für die Mitgliedstaaten eine Zugehörigkeit zum Bund europäischer Staaten, einen weiteren Kreis für die Länder mit entsprechendem Assoziationsabkommen und einen äußersten Kreis für die Länder mit besonderer Partnerschaft? (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Gar nichts halten wir davon!)

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Ich glaube, dass wir da, Herr Bundesrat, sehr sorgfältig unterscheiden müssen. Diejenigen, die zum Kreis der Europäischen Union gehören, und das sind die 27 Mitgliedsländer, sollten nicht mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeiten. Das würde eine Graduierung ergeben, die insgesamt, glaube ich, nicht gut wäre. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie Beifall des Bundesrates Kneifel.)

Die darüber hinausgehenden Fragen, wie man diejenigen, die keine Mitgliedschaft zur Europäischen Union haben können, in eine stärkere Nachbarschaftspolitik einbindet, sind Gegenstand der jetzigen Politik der Europäischen Union. Wir haben gerade eine „östliche Partnerschaft“ mit sechs Ländern, die wohl nicht zur Europäischen Union ge­hören werden, aus der Taufe gehoben. Mit diesen soll ganz speziell, etwa in Richtung des Aufbaus von Strukturen und auch der Zusammenarbeit mit Europa, gearbeitet werden; davon halte ich sehr viel.

Des Weiteren haben wir einen dritten Kreis; das sind diejenigen, die Kandidatenländer sind oder noch nicht Kandidaten, aber jetzt schon mit einem Stabilisierungs- oder Asso­ziationsabkommen ausgestattet sind. Da sollten wir, weil das ja die Westbalkan-Staaten betrifft, intensiv daran arbeiten, diese Kandidatenländer stärker in Richtung Europäischer Union zu führen.

Warum? – Wir sehen, dass Reformen, die in diesen Ländern anstehen, nur dann gelingen, wenn es für diese Reformen auch einen Fortschritt in den Beziehungen zu Europa gibt. Daher bin ich mit großem Engagement unterwegs, um für Serbien, wo es derzeit eine Blockade des Stabilisierungsabkommens gibt, zu werben, dass diese Blockade aufgegeben wird, und bei Kroatien, wo wir in einem Verhandlungsprozess


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stehen, Slowenien zu bewegen, die Blockade aufzugeben und die Grenzstreitigkeiten bilateral zu lösen. In diesem Sinne würde ich diese drei Kreise betrachten.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundes­minister, meine Frage lautet:

1685/M-BR/2009

„Welche strategischen Zielsetzungen verfolgt Österreich im Rahmen der gemeinsamen Außenpolitik der EU bezüglich der Länder entlang der Donauachse beziehungsweise des Balkan?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Was die Länder entlang der Donau anlangt, haben wir durch langjähriges Bemühen und in den letzten sechs Monaten durch gezieltes Arbeiten erreicht, dass der letzte Europäische Rat beschlossen hat, eine Donauraum-Strategie in Auftrag zu geben. Das heißt, die Europäische Kommis­sion hat bis Ende 2010 eine Donauraum-Strategie auf den Tisch zu legen. Das ist deshalb für uns so wichtig, weil wir sehen, dass es innerhalb der Europäischen Union Räume gibt, die stärker zusammenarbeiten.

Wir haben vor kurzer Zeit erlebt, dass es zu einer Mittelmeerunion gekommen ist, wo die Länder, die am Mittelmeer liegen, gemeinsam mit den nordafrikanischen Ländern in einer Union verbunden sind. Wir haben erlebt, dass es zu einer Ostsee-Strategie kam, wo nun die nordischen Mitgliedsländer sehr stark miteinander arbeiten. Es gibt jetzt die erwähnte „östliche Partnerschaft“ als Nachbarschaftspolitik der EU.

Daher stellte sich für mich die Frage: Wo bleibt Mitteleuropa, wo bleibt Zentraleuropa mit Österreich im Herzen? Daher haben wir mit den rumänischen Freunden gemein­sam eine starke Anstrengung unternommen, und wir haben es jetzt geschafft, dass es für den Donauraum eine Donauraum-Strategie gibt. Das wird ein Band sein, das uns stärker zusammenführt als den Rest der Europäischen Union. Dort werden wir unsere wirtschaftlichen und kulturellen Interessen bündeln können. Und ich bin sehr zuver­sichtlich, dass Österreich da einiges gelingen wird.

Weil Sie den Westbalkan angesprochen haben: Auch dort gibt es einige Länder, die als Grenzfluss die Donau haben, wie etwa Serbien und Kroatien, und mit diesen arbeiten wir sehr stark in diese Richtung zusammen, und sie sind auch voll in diese Donau­raum-Strategie eingebunden.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Wie sieht die internationale Bewertung des jahrelangen österreichischen Engagements in Süd- und Osteuropa aus?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Wenn ich bei Ratstagungen in Brüssel bin, bei Besprechungen, egal bei welchen auf Ebene der Außenminister, dann sehe ich schon, dass uns für Öster­reich da eine Kompetenz zugestanden wird, und zwar die, besser informiert zu sein, mehr zu tun für die Westbalkanländer als andere, und das ist auf jahrelange Arbeit, jahrlanges Bemühen zurückzuführen. Das wird von der internationalen Staatengemein-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 17

schaft, insbesondere von der Europäischen Union, auch honoriert. Aber das bedeutet für uns auch, dass wir eine gewisse Verantwortung für diese Länder haben.

Daher müssen wir uns besonders darum bemühen, dass wir die Verhandlungen mit Kroatien flottbekommen, dass wir für Serbien die Blockade des Stabilisierungs­abkom­mens beseitigen, dass wir auch versuchen, für Länder wie Mazedonien und Monte­negro eine Visa-Liberalisierung herbeizuführen, und dass wir für Bosnien, wo wir jetzt einen hohen Beauftragten haben, nämlich Valentin Inzko, der ausgezeichnete Arbeit leistet, die volle Unterstützung geben, damit auch in Bosnien Reformen gelingen und es miteinander ein Vorwärts in Richtung Wirtschaftsentwicklung gibt. Da haben wir Kompetenz, und das basiert auf Vertrauen, aber das bedeutet auch einen Auftrag für Österreich.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister, welche Möglichkeiten im Rahmen der EU und auf bilateraler Ebene sehen Sie, sich für den Schutz der Minderheiten, beispielsweise für den Schutz der Roma in Ungarn, einzusetzen?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Im Rahmen der Kompetenzen der Europäischen Union ist es vorgesehen, dass wir uns, wenn es auf der Tagesordnung steht, näher mit diesen Fragen beschäftigen. Das tun wir zurzeit eigentlich kaum; das muss ich offen zugeben.

Wir haben den Minderheitenfragen in der Europäischen Union noch nicht jenen Status gegeben, der ihnen eigentlich zukommen würde. Denn: Wenn Sie die europäische Landkarte betrachten, so sehen Sie: Das ist nicht nur eine Frage, die Rumänien betrifft, sondern es gibt fast in jedem Land eine Minderheit, die Probleme mit der Mehrheits­bevölkerung hat. Daher meine ich, das sollte in einer der nächsten Perioden im jetzigen Europäischen Parlament auch einmal Anlass sein, darüber zu debattieren und diesbezüglich vielleicht auch eine Resolution zu fassen, damit es auch da einen Fort­schritt geben kann.

Von den Zuständigkeiten her haben wir dazu nicht allzu viele in der Europäischen Union, weil sich auch die Mitgliedsländer dagegen wehren, diese Frage zu einer euro­päischen Angelegenheit zu machen, aber im Sinne eines Schutzes, wie es etwa der Europarat für Minderheiten in einer Konvention ausgearbeitet hat, sollte das jedenfalls gelingen.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehr­ter Herr Bundesminister! Welche konkreten Maßnahmen sieht Österreich vor, die Visafreiheit für die Westbalkanstaaten endlich umzusetzen und damit die für die Heran­führung dieser Region an die EU so wichtige individuelle Reisefreiheit und den direkten persönlichen Austausch der Menschen am Balkan mit jenen in der EU zu ermöglichen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, dazu gibt es einen Bericht der Kom­mission, der mittlerweile auf dem Tisch liegt, und darin wird untersucht, inwieweit die Länder des Westbalkans in der Lage sind, die Visafreiheit ihren Bewohnern zu gewäh­ren, und zwar im Hinblick darauf, dass wir auch ein Plus an Sicherheitsstandards für die Europäische Union gewährleisten können. Da ist beides wichtig; daher gibt es auch massive Anstrengungen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 18

Mazedonien ist da jenes Land, das am ehesten alle Voraussetzungen dafür erfüllt. Danach folgen – sozusagen gleichrangig – auf Platz 2 Serbien und Montenegro. Aber die anderen Länder des Westbalkans sind noch nicht so weit, dort sind die dafür nötigen Standards noch nicht erreicht. Konkret sind das Bosnien und Albanien.

Es wird jetzt eine Debatte darüber geben, und im Herbst wird es diesbezüglich einen Beschluss geben, sodass mit Jahresende für die drei Länder Mazedonien, Serbien und Montenegro eine Visa-Liberalisierung Platz greifen kann, wenn die letzten Hürden übersprungen sind. Aber da bin ich sehr zuversichtlich und glaube, dass das für diese Länder mit Jahresende wirksam werden wird.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Todt, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Bundesminister, meine Frage lautet:

1689/M-BR/2009

„Haben Sie sich in Ihrer Funktion als Außenminister für die sofortige Freilassung aller Iraner eingesetzt, die anlässlich der Demonstrationen in Folge der Wahlen im Iran inhaftiert wurden?

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 19

Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 20

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe von Beginn an, als wir nach den Wahlen im Iran erste Meldungen über die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen und über nachfolgende Demonstrationen bekommen haben, selbstverständlich in der Öffentlichkeit, aber vor allem im Europäischen Rat und danach auch im Außenminis­terrat dazu Stellung genommen. Ich habe die Verhaftungen, aber vor allem die Ein­schränkung der Meinungsfreiheit und auch die Einschränkung beim Gebot des Versammlungsrechts verurteilt und stark kritisiert.

Ich habe auch dafür Sorge getragen, dass es ein Gespräch mit dem iranischen Bot­schafter bei uns im Außenministerium gibt, das dann am 16. und am 24. Juni stattge­funden hat, wo wir alle diese Fragen detailliert durchgegangen sind.

Ich muss aber auf der anderen Seite dazu sagen, dass wir nicht von außen die Demo­kratie im Iran gewährleisten können, sondern die Schritte dazu nur kritisch begleiten können. Das tun wir selbstverständlich, wenngleich wir sehen müssen, dass die jetzige Entwicklung nicht dorthin weist, dass sich da Entscheidendes bessern wird. Zumindest ist das derzeit für die nächsten Wochen leider nicht anzunehmen.

Wir haben vor Kurzem erlebt, dass der Wächterrat die Wahlen für in Ordnung befun­den hat, und es wird der Bewerber Ahmadinejad wahrscheinlich in der zweiten August­hälfte als neuer Präsident angelobt, und damit wird versucht, ein Ende der Diskussion im Iran herbeizuführen. Ob das gelingen wird, hängt natürlich insbesondere von den Iranern ab, davon, ob sie weiter auf der Straße gegen dieses Vorgehen demonstrieren. Aber wir werden das nach wie vor kritisch begleiten – nicht in Form einer Einmischung in innere Angelegenheiten, aber sehr wohl in Richtung der Gewährleistung von Men­schenrechten, die selbstverständlich im Iran genauso ihre Gültigkeit haben wie anders­wo auch.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jany.

 


Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister, wie sind die Reaktionen innerhalb der EU in dieser Situation?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben uns bei jeder der Sitzungen der Außenminister im Rahmen der Europäischen Union mit diesem Thema ausgiebig beschäftigt, auch unsere Informationen ausgetauscht. Wir haben das auch beim Euro­päischen Rat zum Thema gemacht und dazu auch Resolutionen gefasst, wo klar die Linie, die Österreich verfolgt, von allen mitgetragen wird, nämlich eine Verurteilung von Wahlmanipulationen, eine Forderung nach diesbezüglicher Aufklärung und nach einer Überprüfung durch die Internationale Gemeinschaft, aber vor allem eine Verurteilung des Vorgehens der iranischen Führung gegen Demonstranten, gegen Menschen, die ihre Meinung äußern wollen, eine Verurteilung des Verbots von Demonstrationen. All das haben wir stark verurteilt.

Im Augenblick richtet sich unsere Sorge vor allem auf die Mitarbeiter der britischen Botschaft, die verhaftet wurden. Es sind von den neun Verhafteten mittlerweile fünf freigelassen worden, aber vier davon sind nach wie vor in Haft. Das heißt, wir werden uns insbesondere um die Freilassung dieser Personen bemühen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zangerl.

 


Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Herr Bundesminister, befürworten Sie internationale Sanktionen gegen das Regime im Iran? Würde sich Österreich gegebenenfalls daran beteiligen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, Sanktionen gegen den Iran bestehen derzeit im Zusammenhang mit dem Atomprogramm. Wir müssen natürlich überprüfen, ob weitere Sanktionen, die durchaus von einigen Mitgliedsländern vorgeschlagen wer­den, Sinn machen. Da sind wir allerdings bei einem Punkt, wo ich heute nicht ab­schließend sagen kann, ob wir das befürworten werden oder nicht, weil da auch die letzten Entwicklungen abzuwarten sind und wir zuerst sehen müssen, wie innerhalb des Iran diese Ereignisse ihren Lauf nehmen. Geht es so weiter, nämlich dass es auf der Straße weiterhin Demonstrationen gibt, werden wir das anders zu beurteilen haben als in dem Fall, dass das Regime die Oberhand gewinnt.

Ich schließe daher nicht aus, dass auch Österreich Sanktionen befürworten wird, aber im Augenblick sehe ich keine Notwendigkeit dazu, weil das genau den gegenteiligen Effekt von dem erreichen würde, was wir erreichen wollen, nämlich dass Meinungs­freiheit und Versammlungsfreiheit auch im Iran gegeben sind.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Mag. Ebner, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In den letzten Monaten wird von Einsparungen im Bereich der Botschaften gesprochen.

Meine Frage lautet daher:

1687/M-BR/2009

„Wenn Einsparungen im Bereich der Botschaften gemacht werden müssen, warum wurde dann 2008 die Botschaft in Astana eröffnet und warum soll 2009 die Botschaft in Aserbaidschan eröffnet werden?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, weil selbstverständlich – das darf ich so beantworten – nach den jeweiligen Gegebenheiten, den Verschiebungen von Schwer­punk­ten, den unterschiedlichen Interessen Österreichs in bestimmten Regionen auch unser Vertretungsnetz ausgerichtet werden muss.

Wenn man sich das ansieht, so stellt man fest: Seit dem Jahr 1993 haben wir insge­samt 14 neue Botschaften eröffnet, aber auch 15 Vertretungsbehörden geschlossen. Das zeigt, dass wir uns da ständig in einem Wandel befinden, da wir uns dabei auch nach den wirtschaftlichen Interessen zu richten haben.

Wenn Sie die Botschaft in Astana, in Kasachstan ansprechen: Diese ist deshalb letztes Jahr eröffnet worden, weil wir gesehen haben, dass in Zentralasien, wo es sehr viele Rohstoffvorkommen gibt, wo auch für österreichische Interessen gesorgt werden muss, etwa bei der Speisung der neuen Gaspipeline „Nabucco“, eine Vertretung vor Ort notwendig ist, und weil es auch um Regime geht, wo der offizielle Anstrich – auch bei einer Wirtschaftsdelegation – in der Form, dass ein Botschafter Österreichs mitver­treten ist, eine ganz besondere Wichtigkeit hat.

Warum werden wir in Aserbaidschan eine Botschaft eröffnen? – Unter anderem aus genau diesen Gründen. Wir sehen, dass Baku als Hauptstadt von Aserbaidschan ein Dreh- und Angelpunkt für verschiedene Fragen von Lieferungen ist – von Öl, von Gas –, aber auch, dass sich Aserbaidschan insgesamt im Rahmen des südlichen Kau­kasus zu einer Art Drehscheibe für die Politik entwickelt hat, und daher werden wir dort, auch aufgrund eines starken Wunsches von aserbaidschanischer Seite, eine Botschaft – wahrscheinlich am Beginn des nächsten Jahres – eröffnen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mosbacher.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter, wie würden Sie die Hauptaufgaben der österreichischen Botschaften im euro­pä­ischen und außereuropäischen Raum definieren?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin, wir haben im Wesentlichen folgende Aufgaben zu bewerkstelligen.

Die erste ist, die außenpolitischen Interessen Österreichs zu vertreten und zu gewähr­leisten, dass wir Informationen, nämlich aus erster Hand, von unseren Botschafts­angehörigen erhalten.

Die zweite ist die Vertretung der Österreicher in diesem Land – das können Staats­bürger sein, die dort leben. Ich darf beispielsweise sagen, dass es in Deutschland etwa 200 000 österreichische Staatsbürger gibt, die dort leben und daher von uns auch einige Aufgaben erfüllt bekommen wollen, wie etwa die Verlängerung eines Reise­passes, wie die Ausstellung eines Personalausweises, wie das Ausstellen eines Visums, wenn sie woanders hinreisen wollen.

Die dritte sind Vertretungsaufgaben ganz konkreter politischer Interessen, die wir haben. – Weil auch immer wieder diskutiert wird, ob es sinnvoll ist, innerhalb der Europäischen Union jemanden zu haben: Ich sage Ja dazu, denn dann, wenn wir ein Vorhaben durchbringen wollen, müssen wir in unserem Partnerland jemanden haben, der im Detail Auskunft geben kann, der dort in das zuständige Ministerium geht, der dort unsere Interessen klar vertritt, als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Daher werden wir auch dort einen Schwerpunkt beibehalten, und ich glaube, dass sich diese


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 21

Art von Aufgabenverteilung, insbesondere für unsere Interessen und unsere öster­reichischen Staatsbürger tätig zu sein, bewährt hat.

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesrat Mag. Ebner, ich habe Ihnen irrtümlich keine Zusatzfrage eingeräumt. – Ich ersuche Sie jetzt, diese zu stellen.

 


Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Beantwortung eben auf die wirtschaftliche Bedeutung dieses Raumes Bezug genommen. Ich habe nunmehr eine Zusatzfrage, die ebenfalls einen sehr wesentlichen, interessanten wirtschaftlichen Raum anspricht.

Werden die Gesamtkosten der beiden neuen Botschaften geringer sein als die der Botschaft im Oman? Falls nicht, weshalb wird dann die Schließung der Botschaft im Oman mit Einsparungen begründet?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es geht nicht nur um die Botschaft im Oman, wir haben ja insgesamt vier Vertretungsbehörden, die in nächster Zeit geschlos­sen werden: Es geht auch um drei Generalkonsulate – jenes in Kapstadt, jenes in Rio de Janeiro und jenes in Hamburg. Das heißt, es handelt sich um ein größeres Paket und nicht nur um die Botschaft im Oman.

Mit tut jede Schließung leid, um das offen zu sagen, und wir sehen, dass es immer wieder nicht nur Interventionen gibt, sondern berechtigte Interessen, wie wir in einer Region zu Hause sein wollen und dort agieren können. Allerdings müssen auch wir das Budget einhalten – wir müssen uns daher bemühen, dass wir das gewährleisten.

Wenn ich in die Nachbarschaft Österreichs blicke, kann ich sagen: Wir sind da am ganz unteren Ende, was Botschaftsschließungen anlangt: Mein ungarischer Amts­kollege Péter Balázs hat mit gesagt, Ungarn wird 20 Vertretungsbehörden schließen; andere Nachbarländer noch mehr. – Das heißt, jeder hat den Sparstift anzusetzen, und daher müssen auch wir uns nach der Decke strecken.

Wir bleiben aber auf der arabischen Halbinsel stark vertreten, selbst wenn wir in Maskat unsere Botschaft schließen. Wir haben in praktisch jedem anderen Land der arabischen Halbinsel eine Botschaft und werden versuchen, von dort aus auch den Oman mitzubetreuen.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kühnel.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister, gibt es aufgrund der prekären Budgetsituationen Beeinträchtigungen bei der Ausübung der konsularischen Aufgaben?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, nein, es gibt keine Beeinträchtigungen der konsularischen Tätigkeiten, denn wir müssen aufrechterhalten, dass wir mit unse­ren Vertretungsbehörden die Österreicher, die etwa in einem dieser Länder auf Urlaub sind, gut betreuen, dass wir bei Vorfällen für sie da sind. Wir haben dazu ja auch eine Notfallkarte im Außenministerium entwickelt, die jetzt denen, die einen neuen Reise­pass bekommen, automatisch mitgegeben wird, damit wir eben konsularische Betreu­ung sicherstellen.

Wir werden uns aber darüber hinaus mit unseren Nachbarländern viel stärker ver­schränken, damit wir dort, wo wir nicht unmittelbar vertreten sind, eine Vertretung


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 22

durch einen anderen Staat der Nachbarschaft gewährleisten können. Das ist, denke ich, insgesamt eine Aufgabe für die Zukunft, durch die wir uns stärker auch in Richtung der Aufarbeitung von Synergien bewegen können.

Ich bin daher zuversichtlich, dass es uns gelingt, die konsularische Betreuung für un­sere österreichischen Staatsbürger auch in Zukunft voll aufrechtzuerhalten.

 


Präsident Erwin Preiner: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Außen­minister! Als ehemaliger Delegationsleiter bei der COSAC müssten Sie ja eigentlich über dieses Erkenntnis des Höchstgerichtes in Deutschland erfreut sein, das klarstellt, dass nicht die Regierungen, sondern die Parlamente die Hüter der Verträge sind – etwas, das Sie als Delegationsleiter auch immer am Herzen gehabt haben. Aber nun, da hier über Baku und Astana angefragt wurde, eine Frage, die mich, der haupt­sächlich im Barcelona-Prozess tätig ist, interessiert:

Wie sieht im Rahmen der östlichen Zusammenarbeit der Europäischen Union derzeit die Entwicklung der Aktionspläne und Partnerschaftsabkommen mit den Staaten aus – es war ja ein ganz erklärtes Ziel aus dem Jahre 2008, diese östliche Zusammenarbeit wirklich zu forcieren und hier fast ähnlich dem Barcelona-Prozess eine Form der Zusammenarbeit zu schaffen, was ich übrigens sehr wichtig und richtig finde.

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, selbstverständlich sind wir dort am Beginn: Wir haben ja erst ein Treffen in Prag gehabt, bei dem auf Ebene der Staats- und Regierungschefs mit diesen Ländern diese Östliche Partnerschaft aus der Taufe gehoben wurde, und jetzt beginnt die Zusammenarbeit im Detail.

Diese Arbeit obliegt im Rahmen der Zuständigkeiten der Kommission der österreichi­schen Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, die im Rahmen der Nachbarschaftspolitik auch die Finanzierung sicherzustellen hat. Es sind aber gehörige Mittel dafür in Aus­sicht gestellt – einige hundert Millionen Euro –, die in einer Periode auch für diese Zusam­menarbeit aufgewendet werden sollen.

Das, worum es jetzt geht, ist die Erarbeitung von Projekten in Richtung der Infra­struktur, in Richtung eines Austauschs, in Richtung einer Öffnung dieser Länder hin nach Europa, und das halte ich – so wie Sie – für sehr wichtig für die Zukunft, denn wir müssen auch diesen Ländern eine Perspektive geben, die nicht in einer Mitgliedschaft bei der Europäischen Union enden wird, sondern in einer speziellen Zusammenarbeit. Daher ist das Projekt auch in dieser Hinsicht interessant, und wir sehen aufgrund des Engagements dieser Länder, dass sie diese Perspektive sehr gerne annehmen und sehr ernst nehmen.

Die nächsten Jahre müssen also der Erarbeitung konkreter Schritte gewidmet werden, aber da bin ich zuversichtlich; das wird auch gelingen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Dr. Schnider, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wir haben zwar vorhin den Iran schon angesprochen, ich möchte aber doch noch einmal die Frage stellen, wie Sie den Vorwurf des systematischen Wahlbetruges im Iran sehen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 23

1686/M-BR/2009

„Wie bewerten Sie die jüngsten Entwicklungen im Iran, insbesondere im Zusam­men­hang mit dem Vorwurf des systematischen Wahlbetruges?“

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, das, was ich vielleicht ein bisschen näher ausführen kann, ist, was wir wirklich an Fakten vorliegen haben. Es gab bei diesen Wahlen keine internationalen Beobachter, sodass wir sind auf das angewiesen, was wir über Quellen im Iran direkt erfahren.

Was können wir sagen? – Es gab eine vom Wächterrat in Auftrag gegebene stich­probenartige Nachzählung, und wir haben aus unseren Quellen gehört und erfahren – nicht offiziell vom Wächterrat; offiziell hieß es nur, es gab einige Irritationen und Irre­gularitäten, die aber auf das Wahlergebnis keinen Einfluss hatten –, dass es wesentlich mehr Stimmen gab, die ausgezählt wurden, als die Zahl der Stimmen, die abgegeben wurden, was den Verdacht nahelegt, dass es offensichtlich vielleicht in den Wahlurnen schon vorher Stimmzettel gegeben hat, die nicht abgegeben wurden, sondern sich vorweg dort befunden haben. Aber das sind Verdachtsmomente, die wir in dem Sinn nicht belegen können, weil uns die Zugänge dazu fehlen.

Es gab trotz der Forderungen an den Iran und das iranische Regime keine Möglichkeit für internationale Beobachter, solche Nachzählungen durchzuführen und die Resultate zu vergleichen. Daher müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass jetzt der Wächterrat erklärt hat, dass es keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gibt und der Kandidat Ahmadinejad mit, wie ich glaube, 64 Prozent gewählt ist.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Es sind heute auch schon die Konsequenzen angesprochen worden. Meine konkrete Frage: Gibt es Überlegungen, aufgrund dieser Entwicklung diplomatisches Personal abzuziehen?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, diese Überlegungen gibt es in der Euro­päischen Union insgesamt, aber das ist ein Instrument der Außenpolitik, das man dann einsetzen muss, wenn es im Lichte von Ereignissen gerade als besonders wichtig erscheint.

Ich halte daher nichts davon, das vorweg anzukündigen, denn wir dürfen eines nicht vergessen: Wir wollen dort eine Betreuung für unsere österreichischen Staatsbürger haben – es gibt etwa 280 Österreicher im Iran, die in Teheran leben, denen wir auch gewährleisten müssen, dass wir sie notfalls schützen –, und auf der anderen Seite wollen wir durch unsere Maßnahmen nicht, dass das iranische Regime seiner Bevöl­kerung gegenüber sagen kann: Das alles ist eine böse Einmischung von außen, die nur dazu dient, unser Regime und unsere Art von Politik in Frage zu stellen! – Damit würden wir auch den Kräften im Iran, die auf eine Veränderung drängen, eigentlich nichts Gutes tun.

Diese Gratwanderung müssen wir machen, daher werden wir jetzt keine Ankündigun­gen machen, sondern für den Fall, dass sich die Lage in eine besondere, „scharfe“ Richtung entwickelt, auch eine solche Maßnahme überlegen, aber wir werden dies­bezüglich vorweg keine Festlegungen treffen. – So haben wir das auch innerhalb der Europäischen Union am Sonntagabend in Korfu miteinander beschlossen.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 24

Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Ein­wall­ner.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Bundesminister, meine Frage bezieht sich genau auf die Position der Europäischen Union nach der Anerken­nung des Wahlergebnisses im Iran durch den Wächterrat.

Können Sie noch einmal konkretisieren, wie die Position der Europäischen Union in diesem Fall ausschaut?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, das, was uns jetzt besondere Sorgen macht, sind die vier Mitarbeiter der britischen Botschaft, die in Haft sind, daher richtet sich das besondere Verlangen der Europäischen Union auf deren Freilassung, und zwar auf die Freilassung ohne Konsequenzen für diese Mitarbeiter. Wir haben uns dazu für diese Woche vorgenommen, dass wir der iranischen Führung Zeit geben, das zu bewerkstelligen, und uns dann, sollte das nicht der Fall sein, unmittelbar wieder zusammensetzen, um den nächsten Schritt zu beraten.

Das hat auch damit zu tun, dass diese Ankündigung kam, die Wahlen werden vom Wächterrat als für in Ordnung empfunden, denn wir dürfen hier nicht das eine mit dem anderen zu stark in Zusammenhang bringen – wir wollen ja, dass diese vier Mitarbeiter freigelassen werden und dass wir mit unseren Vertretungsbehörden nach wie vor im Iran arbeiten können.

Wir werden uns daher im Laufe dieser Woche, auch mit unseren Strukturen in Brüssel, gemeinsam überlegen, welchen nächsten Schritt und welche Antwort wir auf diese Ankündigung des Irans dann setzen, wenn wir Klarheit haben, ob es bei der Frei­lassung dieser vier Mitarbeiter Bewegung gibt.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Minister, was an der Situation im Iran besonders tragisch ist, ist Folgendes: Wie groß muss die Verbitterung und die Verzweiflung der Regimegegner sein, dass sie in Moussavi einen Hoffnungsträger sehen? Sind die Hoffnungen des Westens auf den Kandidaten Moussavi übertrieben gewesen?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Moussavi ist auch ein Teil dieser iranischen Führung. Er ist dort ein Amtsträger gewesen, allerdings hat sich an seiner Person ein gewisser gemeinsamer Widerstand im Iran entwickelt, den wir so zur Kenntnis nehmen müssen.

Daher sind unsere Erwartungen in seine Person jetzt weniger stark – es wurde auch immer vorausgesagt, dass sich in dem Fall, dass er die Wahlen gewonnen hätte, die Politik des Iran wahrscheinlich nicht wesentlich verändert hätte –, sondern wir richten uns in unserer Unterstützung eher an die Kräfte, die dort eine Änderung der gesamten Politik des Iran bewirken wollen, und zwar in der Richtung, diesen Handshake, den Präsident Obama in Aussicht gestellt hat, wahrzunehmen, die Hand, die ausgestreckt wurde, zu ergreifen.

Das wäre ein Schritt gewesen, durch das wir das Endziel, nämlich besonders in der Frage des Nuklear-Dossiers zusammenzuarbeiten, besser hätten bewerkstelligen kön­nen. Aber wir haben uns danach zu richten, dass es jetzt eben so ist, wie es ist, daher


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 25

werden wir diese Situation auch weiter kritisch begleiten und unsere Schritte jeweils im Lichte der letzten Entwicklungen setzen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 8. und letzten Anfrage, und ich er­suche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Beer, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1690/M-BR/2009

„Wie bewerten Sie die aktuelle Situation im Iran?“

Da sich die Meldungen nur auf das staatliche Fernsehen im Iran stützen, wäre es vielleicht interessant, auch etwas mehr zu erfahren.

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, wir haben jetzt schon viel darüber diskutiert.

Die Notwendigkeit, unmittelbare Informationen zu erhalten, ist sicherlich gegeben – wir versuchen, jeden Tag einen Lagebericht von unserem Botschafter zu erhalten, der uns die Möglichkeit eröffnet, die Situation zu beurteilen. Wir sehen, dass die Lage in Teheran im Augenblick relativ ruhig ist, auch in den anderen Städten des Iran. Ob das damit zu tun hat, dass der Elan der Demonstranten nicht mehr vorhanden ist, oder ob das damit zu tun hat, dass die Einschüchterungen des Regimes jetzt Wirkung zeigen, das können wir nicht genau beurteilen. – Wir werden sehen, wie es in der nächsten Woche weitergeht.

Das Freitagsgebet morgen ist sicherlich wieder ein gewisser Höhepunkt, und wir werden sehen, wie sich die Situation im Anschluss an dieses Freitagsgebet entwickeln wird.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Beer: Nein, danke!) – Das ist nicht der Fall.

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundes­minis­ter, wie bewerten Sie die Entscheidung des Wächterrates, der ja die Wahl im Iran aner­kannt hat, für die weitere Entwicklung im Iran?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Aus meiner Sicht, Herr Bundesrat, war das jetzt ein gewisser Endpunkt, der zumindest von der Seite des Regimes gesetzt wurde, um wieder Ruhe zu gewähr­leisten. Ob das gelingen wird, wissen wir natürlich nicht, denn dadurch, dass es keine internationale Berichterstattung aus dem Iran gibt, dass wir darauf angewiesen sind, nur mehr über die Botschaften Informationen zu erhalten, ist auch unser Gesichtsfeld etwas eingeschränkt. Wir versuchen trotzdem, diese Informationen untereinander aus­zu­tauschen, aber wir sind auf europäischer Ebene noch nicht zusammengekommen, um das alles miteinander abzugleichen.

Ich bin daher derzeit nicht in der Lage, eine Voraussage zu treffen, aber ich glaube schon, dass das Freitagsgebet morgen wieder einen gewissen Höhepunkt für die nächsten Tage setzen wird.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 26

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Bundesminis­ter, meine Frage über die vier Mitarbeiter der britischen Botschaft haben Sie in der Anfragebeantwortung der 7. Anfrage ausreichend behandelt. – Danke.

 


Präsident Erwin Preiner: Somit beende ich die Fragestunde.

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, sehr herzlich für Ihr Kommen zu unserer heuti­gen Plenarsitzung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez, Kersch­baum, Schennach und Zangerl.)

09.57.49Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Erwin Preiner: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2461/AB bis 2463/AB beziehungsweise jenes Verhandlungs­gegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt, und des Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz über die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Amtssitzabkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grund­rechte beziehungsweise die Aufnahme von Verhandlungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 30. Jän­ner 1974 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wer­den.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7.)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaft­liche Entwicklung (IFAD 8) (195 und 1216/NR der Beilagen)

*****

Anlage 1:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Harald Reisenberger

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                                  8. Juni 2009

GZ: BMeiA-EU.8.33.02/0005-I.2a/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 27

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 19. Mai 2009 (Pkt. 22 des Beschl.Prot. Nr. 19) der Herr Bundespräsident am 20. Mai 2009 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grund­rechte erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

*****

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-EU.8.19.03/0014-I.2/2009

Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich

und der Agentur der Europäischen Union

für Grundrechte; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Am 1. März 2007 nahm die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (im Fol­genden: Grundrechteagentur) in Wien ihre Tätigkeit auf. Sie wurde mit Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 errichtet. Die Grundrechteagentur hat zur Aufgabe, Informationen und Daten zu sammeln und zu verbreiten, um die Euro­päische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemein­schaftsrechts in Bezug auf die Grundrechte zu unterstützen (vgl. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung). Die Vorläufereinrichtung der Grundrechteagentur war die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die ebenfalls ihren Sitz in Wien hatte.

Mit der Grundrechteagentur ist nun ein Amtssitzabkommen abzuschließen.

Das BMeiA und das BKA tragen von den Nettomietkosten für das neue Amtssitz­gebäude (Wien IV., Schwarzenbergplatz 11) in Höhe von insgesamt EUR 732.000 jeweils EUR 122.000 und bekommen von der Stadt Wien jeweils EUR 42.700, also 35 %, refundiert. Die Bedeckung ist bei der jeweiligen Untergliederung sichergestellt.

Auch für die kleinere Immobilie der Beobachtungsstelle (Wien VI., Rahlgasse 3) war seitens der Republik Österreich und der Stadt Wien bis Ende 2006 ein Mietkosten­beitrag in Höhe von 50% geleistet worden.

Das Amtssitzabkommen zwischen Österreich und der Europäischen Stelle zur Beob­achtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (BGBI. III Nr. 84/2001) stellt das inhaltliche Vorbild für das nun neu abzuschließende Amtssitzabkommen mit der Grund­rechteagentur dar. Es weicht insofern von den sonstigen österreichischen Amtssitz­abkommen ab, als es nur ergänzende Regelungen zum Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (ABI. Nr. L 152 vom 13.7.1967 S. 13 idgF) und den Durchführungsmodalitäten zum Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen der österreichischen Bun-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 28

des­regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. III Nr. 24/2000) enthält.

Die Grundrechteagentur hat vorgeschlagen, im neuen Amtssitzabkommen insbeson­dere den Personenkreis, der diplomatische (und nicht nur funktionelle) Privilegien und Immunitäten genießt, im Vergleich zur Beobachtungsstelle zu erweitern und ihr die abgabenfreie Einfuhr von Kraftfahrzeugen zu ermöglichen sowie den Zugang zum "Commissary" vorzusehen. Eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen des neuen Amtssitzabkommens sowie der Kostendeckung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Für die Verhandlung des Amtssitzabkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Helmut Tichy                                  Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                            internationale Angelegenheiten

Legationsrätin Mag. Karin Lauritsch                      Bundesministerium für europäische und

                                                                                              internationale Angelegenheiten

Das Amtssitzabkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu bevollmächtigen.

Wien, am 12. Mai 2009

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Anlage 2:

„Josef Pröll                                                                                              BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                        FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Harald Reisenberger

Parlament

1017 Wien                                                                                                          Wien, am 10. Juni 2009

GZ: BMF-010221/1144-IV/4/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 22. Sitzung des Ministerrates am 9. Juni 2009 Verhand­lungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum Abschluss eines Protokolls


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 29

zur Abänderung des am 30. Jänner 1974 unterzeichneten Abkommens zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informations­austauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Präsident Erwin Preiner: Eingelangt ist der Zweite Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nolo­gie, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde und bereits einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet.

Weiters eingelangt ist der Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-Gesetz 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung (4. UVP-Bericht), der dem Umweltausschuss zur Vorbe­ratung zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abge­schlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Erwin Preiner: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen der Antrag vorliegt, die Jahres­vor­schau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desräte Konecny, Kneifel, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2009 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhand­lung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2009 als 9. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 30

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Erwin Preiner: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 7 bis 9 sowie 12 bis 14 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die genannte Jahres­vor­schau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2009 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zu dieser Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.01.311. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (12. Ärztegesetz-Novelle) (149 d.B. und 181 d.B. sowie 8122/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich ersuche um den Bericht,

Ich heiße Herrn Bundesminister Dr. Stöger sehr herzlich in unserer Mitte willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

 


10.01.55

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (12. Ärztegesetz-Novelle), liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


10.02.45

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Dr. Aigner! Werte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren wurde die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte an den Universitäten wesentlich modernisiert und verbessert. Sie ist praxisnäher geworden.

Daher war es notwendig, praktische Tätigkeiten und das Einüben in ärztliche Tätig­keiten auch haftungsrechtlich abzusichern. Und das geschieht mit dieser Gesetzes­novelle auch weitgehend. Auch das Instrument der Lehrpraxen und deren Stellung im Rahmen der Ausbildung zur AllgemeinmedizinerIn oder FachärztIn sind attraktiver und besser geworden.

Sehr positiv finde ich, dass man registriert, was seit Langem bekannt ist, nämlich dass es Mangelfächer gibt. In einzelnen Sonderfächern der Medizin kann nicht die nötige Anzahl an ärztlichem Nachwuchs ausgebildet werden.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 31

Sensationell, aber im negativen Sinn, nämlich erschreckend, ist der Mangel an ausge­bildeten FachärztInnen für Psychiatrie, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn in ganz Westösterreich kein einziger, keine einzige Kinder- und JugendpsychiaterIn mit einem Kassenvertrag tätig ist. Es entstehen dabei Warte- und Stehzeiten bis zur Diagnose und dann natürlich bis zur stationären Therapie. Dabei kann es schon ein Jahr oder länger dauern, bis man drankommt. Ich glaube, dass es diesbezüglich Reformbedarf gibt.

Entscheidend bei der Ärzteausbildung ist aber nicht nur das Gesetz, denn viele Turnusärzte und -ärztinnen laufen seit Jahren Sturm und klagen über ihre schlechte Ausbildung. Das hat verschiedenste Gründe: Teilweise ist es der Personalschlüssel in stationären Krankenanstalten, wo die Ausbildung stattfindet. Die in Gesundheits­berufen Tätigen sind schon sehr an ihrer Belastbarkeitsgrenze, um nicht zu sagen, sie sind Burn-out-gefährdet.

Turnusärzte fallen lästig auf und stören den Betrieb, wenn sie Fragen stellen. Das klingt komisch, aber es ist so. Auszubildende als Ballast zu empfinden kann keine ziel­führende Politik einer verbesserten Ärzteausbildung sein.

Arbeitszeiten, die in über der Hälfte der Krankenanstalten überschritten werden, geben keinen Raum, während der normalen, regulären Wochenarbeitszeit auch der Ausbil­dung Zeit zuzuwenden. Ich glaube, das Ministerium sollte darauf schauen, dass von Ländern, von Landeshauptleuten, von Krankenanstalten, von der Ärztekammer und von diversen Organisationen, die Monopole auf Ausbildungsstätten haben, die Anrech­nung von Ausbildungszeiten immer wieder verlangt wird. Diese Einäugigkeit, dieses Wegschauen wie bisher darf nicht mehr erlaubt sein.

Zu guter Letzt kommen noch, was ich persönlich bedauere und was auch abgelehnt wurde, die Sonderfächer und Additivfächer im Bereich der Pädiatrie. Ich weiß, es hat alles seine Grenzen, aber man kann auch etwas Überbordendes fordern.

In der Inneren Medizin, wo ja Erwachsene behandelt werden, gibt es zig Fächer, die der Spezialisierung und dem Fortschritt der Medizin Rechnung tragen. Wenn das in der Kinderheilkunde nicht geschieht, ist das schon ein Zeichen dafür, dass dem Gesetz­geber und auch anderen die Kinder anscheinend nicht so viel wert sind. Das mag unterschiedliche Gründe haben, aber Kinder haben, was Faktum ist, nicht die Lobby, über die die Erwachsenen verfügen.

Ich weiß, dass das Ministerium und die Länder besorgt sind, dass man, wenn man mehr Fachärzte schafft, in den Krankenanstalten auch Abteilungen für Kinder mit Leber- und Darmerkrankungen, für Kinder mit hormonellen Störungen, für Kinder­urologie und so weiter einrichten müsste. Aber nein, das muss man nicht in jedem Krankenhaus, aber in den Zentren der Zentralversorgung und Spitzenversorgung müssten solche Abteilungen sein, müsste dieser Spezialisierung Rechnung getragen werden, und das geht nur dann, wenn man diesen Additivfacharzt einführt.

Ich hoffe, dass wir diesbezüglich noch einige Debatten führen werden, in denen diese Punkte berücksichtigt werden. Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Änderung nicht zustimmen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

10.07


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


10.07.28

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie im schriftlichen Ausschuss­be­richt angeführt ist, sollen einige EU-Richtlinien in dieser Novelle in Bezug auf Ärzte, auf


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 32

innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Mit dieser Umsetzung werden manche Din­ge transparenter, es werden Anerkennungsrichtlinien geschaffen, und es werden auch Verbesserungen hinsichtlich der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten erzielt.

Es gibt zwei Punkte, die ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte: Punkt eins ist das „1-plus-1-Prinzip“. Als Ergebnis des Begutachtungsverfahrens wurde eine Lockerung des sogenannten 1-plus-1-Prinzips von mehreren Stellen vorgeschlagen, und letztendlich wurde dem auch stattgegeben.

Diese Änderung beziehungsweise vorgeschlagene Lockerung bedeutet, dass anstelle der diesbezüglichen Entscheidung durch den ärztlichen Leiter eine entsprechende an den Bundesminister gerichtete Verordnungsermächtigung vorgesehen wird. In diesem Zusammenhang werden der Österreichischen Ärztekammer, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie der Gesundheit Österreich GmbH ein ausdrückliches Anhörungsrecht eingeräumt, um den Bedarf einer solchen Locke­rung zum Zweck der längerfristigen Sicherstellung der fachärztlichen Versorgung der österreichischen Bevölkerung eindeutig feststellen zu können.

Zusätzlich kann der Bundesminister für Gesundheit auch die erforderlichen Begleit­maßnahmen zur Sicherung der Ausbildungsqualität festlegen.

Darüber hinaus soll sich die Lockerung des „1-plus-1-Prinzips“ nur auf Sonderfächer beziehen und im Übrigen nur dann zulässig sein, wenn an einer Ausbildungsstätte mehr als eine Ausbildungsstelle zur Verfügung steht, um das sogenannte 1-plus-1-Prinzip zu wahren.

Die meisten von uns wissen, dass es in den letzten Jahren sehr schwierig war – vor allem in Mangelfächern, wie es Kollege Dönmez schon angesprochen hat –, Fachärzte zu finden und die Ausbildung zu garantieren. Dem wird hiemit Rechnung getragen, indem, wie ich schon gesagt habe, der Minister per Verordnung mehr oder weniger ein Mangelfach definieren kann und im Falle eines Mangelfaches dann trotzdem ausge­bildet werden kann.

Dies bedeutet natürlich wiederum eine Steigerung der ohnehin schon hohen Qualität im österreichischen Gesundheitswesen, was sicher in unser aller Sinne und im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger ist.

Geschätzte Damen und Herren, weiters wurde mit dieser Novelle auch für unsere Studentinnen und Studenten etwas Positives erreicht. So wird zum Beispiel die Famu­latur neu geregelt. Die Ausbildungssituation hat sich verändert, die Ausbildungsqualität hat sich verändert, und so ändern sich auch die Anforderungen, die an die Famulan­tinnen und Famulanten im Spital gestellt werden. Dem wird in dieser Ärztegesetz-Novelle ebenfalls Rechnung getragen, indem von der bloßen Hilfestellung bei ärzt­lichen Leistungen zur Durchführung einzelner ärztlicher Leistungen übergegangen wird. Damit wird man, wie ich meine, dem Ist-Zustand gerecht, und unsere zukünftigen Ärztinnen und Ärzte können in Rechtssicherheit arbeiten.

Geschätzte Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich sagen, dass sich das österreichische Gesundheitswesen meiner Meinung nach auf einem qualitativ sehr hohen Standard befindet und dass es von manchen Seiten sicher zu Unrecht oft krank­gejammert wird.

Die uns heute vorliegende Ärztegesetz-Novelle ist wieder ein Schritt in die richtige Richtung, um unser Gesundheitssystem noch ein wenig zu verbessern. Unsere Frak­tion wird daher gerne dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Diesner-Wais.)

10.11



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 33

Präsident Erwin Preiner: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Eibin­ger. – Bitte.

 


10.11.41

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Den Inhalt der vorlie­genden Novelle hat Kollege Stadler bereits sehr ausführlich dargestellt, weshalb ich meinen Redebeitrag allgemein halten kann und nur noch einmal darauf hinweisen darf, dass das die Umsetzung einer EU-Richtlinie ist zur Anerkennung von Berufsqualifi­kationen, die das aber nicht nur speziell für Ärzte, sondern eben für viele Berufe regelt. Es soll dadurch ein einheitliches und transparentes System der Anerkennung geschaf­fen werden, wie wir es ja zum Beispiel auch im Hochschulbereich kennen. Ich denke, diese Anerkennung und Transparenz sind unabdingbar in einem europäischen Wirtschaftsraum, in dem die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit verankert sind.

Selbstverständlich muss bei der Anerkennung gewährleistet sein, dass die Qualität stimmt, doch ich denke, dass gerade wir in Österreich hin und wieder auch dazu neigen, zu glauben, dass nur das, was bei uns gelehrt und unterrichtet wird, das einzig Wahre ist – da können wir ruhig ein bisschen offener sein.

Die Novelle bringt damit insgesamt eine behutsame Öffnung, das muss man sagen. Das wird sich auch in den Ärztezahlen positiv niederschlagen, und das ist – ich denke in diesem Zusammenhang an die Steiermark – auch kein Fehler, denn gerade bei uns wird in den nächsten Jahren eine große Zahl an Ärzten in den Ruhestand treten, und wir werden sicher Nachbesetzungen vornehmen müssen.

Darüber hinaus werden auch Problemkreise im Berufsrecht geregelt, wie Kollege Stadler ausgeführt hat, eben in der Zahnmedizinausbildung und auch bei der Einrich­tung von Ausbildungsstellen, die bei sogenannten Mangelfächern einfacher erfolgen kann. Damit soll längerfristig die fachärztliche Versorgung sichergestellt werden.

Dass die Versorgungssicherheit oberste Priorität hat, ist, glaube ich, unbestritten und klar. Lassen Sie mich hier aber auch anmerken, dass gerade wir in Österreich sehr krankenhauslastig, sehr fachärztelastig sind. Ich denke, dass wir den praktischen Arzt in unserem Gesundheitssystem mehr forcieren sollten, denn gerade der praktische Arzt hat doch einen ganzheitlichen Überblick über die Krankengeschichte eines Patien­ten, über die Leiden eines Patienten, er hat aber im ländlichen Raum auch einen Überblick über die Krankheitsgeschichte der Familie, was ja auch eine Rolle spielt. Und im städtischen Bereich hat man das Gefühl, dass jeder irgendwie unkoordiniert und direkt gleich zu Fachärzten rennt, ohne vorher den praktischen Arzt zu konsultieren. Von den medizinischen Aspekten abgesehen, ist das, was die Effizienz und die Kosten im Gesundheitssystem betrifft, nicht gerade sehr förderlich.

Lassen Sie mich als Vertreterin der Jungen sagen, dass wir uns jetzt wirklich weiter­gehende Schritte in Richtung Gesundheitsreform wünschen. Ja, wir haben schwierige Zeiten und wir stehen selbstverständlich auch zu den Konjunkturbelebungs­maßnah­men, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Krise jetzt oft sozusagen als Lizenz zum Geldausgeben herhalten muss. Ich denke, es ist auf jeden Fall an der Zeit, zumindest bei der Erfüllung der staatlichen Aufgaben effizienter zu werden. In der Ver­waltung ist diesbezüglich sicher einiges möglich, ohne dass der Patient Einschnitte hinnehmen muss.

Außerdem bin ich der Meinung, dass viel mehr auf Prävention gesetzt werden muss, dass aber auch, wie Kollege Dönmez angesprochen hat, bei psychischen Erkran­kungen mehr getan werden muss, denn das Geld, das man dafür in die Hand nimmt, wird uns in weiterer Folge sehr viel an Ausgaben ersparen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 34

Ich weiß, es gibt das Vorschlagspapier der Sozialversicherung, doch gerade im Ge­sund­heitsbereich vermisse ich schon, muss ich sagen, die kreativen Ideen und die großen Würfe. Ich möchte Sie, Herr Bundesminister, daher fragen: Wie groß muss der Leidensdruck eigentlich noch werden, bis in diesem Bereich endlich etwas angegan­gen wird? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das Erbe!)

10.15


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. Ich erteile es ihm.

 


10.15.48

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir werden dieser Ärztegesetz-Novelle zustimmen, denn sie bringt mehr Transparenz, macht das System etwas flexibler und auch die Anerkennung wird gewährleistet.

Ich spreche aber auch über die Änderung des Arzneimittelgesetzes, des Gewebe­sicher­heitsgesetzes, des Arzneiwareneinfuhrgesetzes und des Gesundheits- und Er­nährungssicherheitsgesetzes.

Mit der Ärztegesetz-Novelle werden EU-Richtlinien umgesetzt. Durch die Richt­linie 2005/36/EG wird ein einheitliches, transparentes und flexibleres System der Aner­kennung von beruflichen Qualifikationen geschaffen. Gleichzeitig werden die bestehen­den sektoralen und allgemeinen Anerkennungsrichtlinien, unter anderem auch die EU-Ärzterichtlinie 93/16/EWG, aufgehoben. Ferner kommt es zur Adaptierung der Doppel­approbation für das Sonderfach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, sodass künftig der Abschluss des Zahnmedizinstudiums nicht mehr Voraussetzung für den Beginn der Facharztausbildung, sondern nur noch Voraussetzung für den Antritt zur Facharzt­prüfung sein soll. Damit wird der Zeitraum für die Absolvierung des Zahnmedizin­studiums um vier Jahre verlängert.

Mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes, die wir heute beschließen, kommt es zu einer Klärung hinsichtlich der Überwachung von Lebensmitteln, die im Verdacht ste­hen, Arzneimittel zu sein und Stoffe der Verbotsliste zu beinhalten, sowie hinsichtlich der Beschlagnahme von Dopingmitteln. Hier wird es klare Regelungen geben.

Die Ärztegesetz-Novelle, die wir heute beschließen werden, bringt, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, die längst überfällige Rechtssicherheit und eine notwendige Anpassung in vielen Teilbereichen der Medizin. Das ist für Ärzte, Zahnärzte, aber auch für angehende Ärzte, die Medizin-Studenten, enorm wichtig.

Positiv hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang, dass sämtliche Vorschläge der Berufsvertretung mehr oder weniger eins zu eins übernommen wurden. Trotzdem hat es jedoch 15 Jahre gedauert, bestimmte Adaptierungen, die zwar klein sind, aber große Auswirkungen haben, vorzunehmen.

In dieser Zeit haben sich die behandelnden Personen im Gesundheitsbereich in einer geradezu indiskutablen Rechtsunsicherheit befunden. Am allerwichtigsten aber er­scheint mir jener Punkt im Gesetz, der die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und anderen Ausbildungsnachweisen für Ärzte und Studenten aus anderen Ländern und Drittstaaten regelt.

Mit diesem Gesetz wird ein einheitliches, transparentes und flexibleres System der Aner­kennung von beruflicher Qualifikation geschaffen.

Abschließend noch ein Punkt, der nicht in diesem Gesetz erwähnt wird, der mir aber ausgesprochen wichtig ist: die ständige Gesetzesübertretung im Bereich der Arbeits-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 35

zeiten für Spitalsärzte. Das ist im Ärztegesetz zwar geregelt, wir haben diese Gesetze, aber diese Gesetze werden in der Realität nicht eingehalten.

Auch ich kenne aus meiner beruflichen Tätigkeit Arbeitszeiten von über 50 Stunden in einem durch. Die Konzentration lässt nach, jede Tätigkeit wird sehr, sehr schwierig. Aber nach einer derart langen Tätigkeit ist auch nicht an Schlaf zu denken. Man ist völlig überstresst, und es dauert nach einem derartigen Gewaltdienst tagelang, bis wieder Erholung eintritt.

Ich fordere daher von dieser Stelle aus auf, dass der Gesundheitsminister als Auf­sichtsbehörde darauf achtet, angesichts dieser Mängel gerade Ärzten nicht in völlig übermüdetem und erschöpftem Zustand ihre Arbeit verrichten zu lassen.

Mir kommt es auf eine solidarische Gesellschaft an, in der Gesundheitsversorgung für alle leistbar ist, in der junge Menschen einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz finden, in der Kinder optimal betreut werden können und in der Wohlstand zu einer gerechten Verteilung kommt. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

10.21


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


10.21.09

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Es ist mir wichtig, ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Thema Gesundheit insgesamt zu machen – noch dazu, wo ich auch konkret dazu aufgefordert worden bin.

Ich denke, das österreichische Gesundheitswesen insgesamt ist einer der zentralen Träger der österreichischen Volkswirtschaft. Mehr als 10 Prozent der gesamten volks­wirtschaftlichen Leistung werden in Österreich im Gesundheitswesen erarbeitet. Und ich sage dazu: Wir haben da, weltweit gesehen und weltweit anerkannt, die höchsten Qualifikationen und die höchsten Ergebnisse, was die Qualität gemessen an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten betrifft. Ich möchte dafür auch den Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, Danke sagen, denn Gesundheitsreform findet jeden Tag statt.

Gesundheitsreform bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte, die Krankenschwestern, die Krankenpfleger, die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, jeden Tag gute Leistungen erbringen wollen und jeden Tag sagen wollen: Ich habe meine Patientin, meinen Patienten gut behandelt. Und das gelingt dem österreichischen Gesund­heits­wesen in höchster Form, und darüber können wir uns alle freuen.

Wer heute den „Kurier“ liest und einen Vergleich mit der Situation und den Bemühun­gen in den Vereinigten Staaten zieht, der kann auch sehen, dass das österreichische Gesundheitssystem große Anerkennung genießt.

Mir ist es wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass man in der Gesundheitsdiskussion nicht über Mythen reden, sondern die Dinge auf den Punkt bringen und über konkrete Menschen, die krank sind, reden sollte. Ich sage, kranke Menschen haben keinen Markt. Und weil sie keinen Markt haben, müssen staatlich bedachte Eingriffe und Steuerungsmöglichkeiten geschaffen werden – und das tun wir.

Ich warne auch davor, das Gesundheitswesen den Gesundheitsökonomen und den Zahlenfüchsen zu überlassen. Es geht darum, den Menschen, die krank sind, gute Ver­sorgung zur Verfügung zu stellen. Es geht darum, das österreichische Gesundheits­system so nachhaltig auszurichten, dass die Menschen dann, wenn sie krank sind, geeignete Maßnahmen vorfinden.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 36

Diese Gesetze, die heute auch den Bundesrat passieren, dienen im Kleinen dazu, die Situation zu verbessern. Wir wollen die Anerkennung mit dem Ausland verbessern. Es soll auch ein Austausch von Ärztinnen und Ärzten möglich sein. Es soll die Ausbildung in neuen Fächern möglich sein. Wenn wir uns für neue Fächer entscheiden, dann ist es notwendig, auch verbesserte Ausbildungszugänge zu haben. Insofern ist die Auflösung des Eins-zu-eins-Prinzips und die Einbeziehung auch des Leiters einer Abteilung wichtig und schafft die Chance, dass wir auch in der Jugendpsychiatrie und in anderen Mangelfächern zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten bekommen.

Wir schaffen Bürokratien ab. Bei der Zulassung zur Ausbildung gerade bei der Zahn­medizin wird eine Hürde beseitigt. Der Facharztabschluss wird in Zukunft noch nicht während des Studiums, sondern erst am Ende notwendig sein. Damit ist die Flexibilität in der Ausbildung erhöht, und das nützt letztendlich auch den Menschen.

Es geht darum, das Gesundheitswesen auch so zu gestalten, dass immer der Mensch im Mittelpunkt steht, im Gesundheitswesen gerade die kranken Menschen, die Versor­gung brauchen. Da müssen wir einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass die Versorgung möglich ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

10.26


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung noch ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.26.512. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz, das Arzneiwarenein­fuhrgesetz 2002 und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geän­dert werden (155 d.B. und 184 d.B. sowie 8115/BR d.B. und 8123/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Nun kommen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich ersuche um den Bericht.

 


10.27.07

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz, das Arzneiwarenein­fuhrgesetz 2002 und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 37

Präsident Erwin Preiner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Erlitz. – Bitte.

 


10.27.48

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Anknüpfend an die vorhin geführte Dis­kussion würde ich auch meinen, dass wir in Österreich immer noch ein hervor­ragendes Gesundheitssystem haben, eines der besten der Welt. Und ich glaube, da stimmen wir überein: Wir wollen auch weiterhin allen Menschen die bestmögliche Versorgung sicherstellen, nicht nur jenen, die etwas im Geldtascherl haben.

Es geht in unserem Gesundheitssystem, wie ich meine, gar nicht so sehr um eine Kostenexplosion, das stimmt ja nicht, sondern um eine Leistungsexplosion und um eine Einnahmenerosion. Es kommt nicht mehr das herein, was man braucht: auf Grund der hohen Zahl von Arbeitslosen, von atypischen Beschäftigungsverhältnissen und so weiter. Und da sollten wir uns gemeinsam überlegen: Wie könnten wir diesem System wieder Einnahmen erschließen?

Es gibt genug gesellschaftliche Bereiche, die noch nicht jenen Teil beitragen, den sie beitragen sollten, um dem Gesundheitssystem das zu geben, was es braucht, um weiterhin – noch einmal – allen Menschen die Versorgung zu geben, die sie benötigen, unabhängig von dem, was sie im Geldtascherl haben. Das heißt, ich glaube, daran wird es liegen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zuge­hörigkeit.)

Aber ich gebe auch der Kollegin recht, wenn sie sagt, ein Gesundheitssystem verdient erst dann diese Bezeichnung, wenn es sich bemüht, dass Menschen nicht krank werden, also so lange wie möglich gesund bleiben. Das heißt, wir sind Weltmeister in der Reparaturmedizin, überhaupt keine Frage. Da spielen wir österreichweit in der Champions League. Aber in der Gesundheitsvorsorge, also in der Gesundheits­prävention, in der Gesundheitsförderung, da liegt es schon im Argen, also da sind wir noch nicht so weit. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Da sind wir Entwicklungsland!) Da könnten wir uns, würde ich schon meinen, gemeinsam noch anstrengen, gesundheits­förderlich zu sein. Nicht jede Krankheit ist uns schicksalshaft in die Wiege gelegt, son­dern durch Berücksichtigung einiger Faktoren könnte so manche Krankheit durchaus verhindert werden.

Gut, das ist jetzt ein kleiner Sidestep gewesen – irgendwann war ich einmal Gesund­heitslandesrat, das hat mich jetzt herausgefordert. (Heiterkeit.) Ich bin jetzt längst woanders angesiedelt; das steht mir nicht mehr zu.

Mit dem vorliegenden Gesetzeskomplex – ich komme jetzt zum Thema – werden eben auch wieder aufgrund von Anpassungsvorgaben des Europäischen Parlaments und des Rates eigentlich vier Gesetze geändert, nämlich das Arzneimittelgesetz, das Ge­webesicherheitsgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz.

Ich beziehe mich nun auf drei Punkte des Arzneimittelgesetzes. Diese gesetzlichen Anpassungen betreffen unter anderem den Einsatz von Arzneimitteln für neuartige Therapien und von Kinderarzneimitteln. Dabei wird der Begriff Arzneispezialität europarechtskonform korrigiert, denn das geltende österreichische Arzneimittelgesetz knüpft die Zulassungspflicht daran, dass Arzneimittel im Voraus stets in gleicher Zu­sammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in bestimmter Form in Verkehr gebracht werden. Nach der EU-Richtlinie unterliegen aber nun alle Arznei­mittel, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden, die entweder gewerblich zubereitet oder in einem industriellen Verfahren hergestellt werden, der Zulassungs-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 38

beziehungsweise gegebenenfalls der Registrierungspflicht. Das heißt, auch jene Arz­neimittel unterliegen jetzt dieser Pflicht, die nicht im Voraus in gleicher Zusam­men­setzung hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an Verbraucher bestimmten Form in Verkehr gebracht werden. Insofern ist der Begriff Arzneispezialität richtlinienkonform zu erweitern, um Europarechtskonformität herzustellen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Angesprochen werden auch die Arzneimittel, die in Krankenanstalten im Kleinen hergestellt und angewendet werden. Dafür wurde ebenso eine europarechtskonforme Lösung gefunden, eine Lösung, die eine Ausnahme für Arzneimittel hinsichtlich neu­artiger Therapien vorsieht, die nicht routinemäßig nach spezifischen Qualitätsnormen hergestellt werden. Der Einsatz dieser Arzneimittel steht ausschließlich in der fach­lichen Verantwortung eines Arztes.

Hinweisen sollten man auch auf § 41 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes, wonach durch­aus internationalen Vorbildern folgend bei Mitgliedern von Ethikkommissionen selbst der Anschein einer Befangenheit vermieden werden sollte. Das ist, glaube ich, eine löbliche und sehr begrüßenswerte Maßnahme. Deshalb haben die Mitglieder der Ethik­kom­mission gegenüber dem Landeshauptmann ihre Beziehungen zur pharmazeu­ti­schen Industrie offenzulegen. Dies gilt sowohl für die erstmalige Offenlegung als auch für jede weitere Veränderung in möglichen Naheverhältnissen zu pharmazeutischen Produktionsstätten.

Ein dritter Punkt des Arzneimittelgesetzes, den ich hier noch ansprechen möchte und der quasi in den Dopingbereich hineinreicht, scheint mir auch von entsprechender Relevanz zu sein – ein Dauerthema auch bei uns in Österreich. Die Vollzugspraxis hat gezeigt, dass nämlich die bisherige gesetzliche Regelung, die sich nur auf Nah­rungs­ergänzungsmittel bezieht, zu eng formuliert ist. Dadurch werden nämlich sonstige Lebensmittel, zum Beispiel Tees und so weiter, die in Verdacht stehen, Arzneimittel zu sein, nicht erfasst.

In diesem Segment gibt es nun auch ganz klare Regelungen, so zum Beispiel wie nach einer vorläufigen Beschlagnahme solcher Mittel vorzugehen ist, beziehungsweise eine Regelung für den Umgang mit als verfallen erklärten Waren. Ebenso ist festgehalten, dass das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen entsprechend dem Ausmaß allfälliger Gefährdung alle Maßnahmen setzen kann, die das Inverkehrbringen oder auch die Verwendung eines gefährlichen Arzneimittels verhindern können. Da gibt es also sehr klare Regelungen.

Es gäbe sicher noch weitere Punkte; die nachfolgenden RednerInnen werden sicher noch auf weitere Punkte dieses Gesetzeswerkes eingehen.

Resümierend sei hier festgehalten, dass es sich um ein gelungenes Gesetzeswerk handelt, dem man guten Gewissens zustimmen kann und das uns in der Gesundheits­politik doch wieder ein gutes Stück weiterbringt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.34.47

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren im Bundesrat! Wenn gerade mein Vorredner, Kollege Erlitz, gesagt hat, dass wir ein qualitativ hochwertiges und für alle Menschen zugängliches Gesundheitssystem brauchen, dann können wir, so glaube ich, dem alle zustimmen, da sind wir einer Meinung.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 39

Wir sind aber nicht einer Meinung, wenn es darum geht, dass Sie zusätzliche Ein­nahmen wollen, denn ich denke, in einer Zeit der Wirtschaftskrise, in der es vielen Leuten schlecht geht, in der viele Leute arbeitslos sind, ist es nicht sinnvoll, neue Steuern einzuführen (Bundesrat Mag. Klug: Von denen wollen wir es eh nicht! – Bundesrat Kraml: Wer redet von neuen Steuern?), sondern da sollten wir schon den Sparstift ansetzen, wie es meine Kollegin schon gesagt hat, etwa in der Verwaltung, bei der Beseitigung von Doppelgleisigkeiten, wo man noch viel einsparen könnte. Das müssen wir meiner Meinung nach angehen. Es kann nicht sein, dass wir auf Kosten unserer Kinder leben. Wir sollten daher Maßnahmen in diese Richtung setzen.

Aber in diesem Gesetz geht es ja im Wesentlichen um die Umsetzung – mein Kollege hat schon darauf hingewiesen – von EU-Recht im Bereich des Arzneimittelgesetzes, des Gewebesicherheitsgesetzes, des Arzneiwareneinfuhrgesetzes und des Gesund­heits- und Ernährungssicherheitsgesetzes. Darin sind einige Dinge geregelt.

Im Gewebesicherheitsgesetz geht es darum, dass der Transport von Zellen und Geweben jetzt auch durch Dritte erfolgen kann, auch wenn keine Bewilligung der Gewebebank vorliegt. Aber um die Sicherheit zu garantieren, kann das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen kontrollieren. Ich denke, das ist wichtig. Im Arznei­wareneinfuhrgesetz wird hinzugefügt, dass bereits der Versuch einer Übertretung straf­bar ist. Bei der Änderung im Arzneimittelgesetz ist auch festgeschrieben, dass bei einer klinischen Prüfung die Mitglieder der Ethikkommission ihre Verhältnisse zu Pharmafirmen offenlegen sollen. Das ist ein wichtiger Punkt, der aus meiner Sicht zu begrüßen ist.

Beim Begriff Arzneimittelspezialität geht es auch um eine Anpassung, eine Verbes­serung und Überwachung der Beschlagnahme von Lebensmitteln, die verdächtig sind, Arzneimittel zu sein oder Stoffe zu enthalten, die laut Anti-Doping-Kommission als verbotene Wirkstoffe gelten.

Es werden auch die Bestimmungen bezüglich neuartiger Therapien und Kinderarznei­mittel geändert.

Ich meine, wir haben, wie ich bereits ausgeführt habe, ein gutes Gesundheitssystem in Österreich und liegen damit an der Spitze. Dieses ist allerdings trotzdem ständig weiterzuentwickeln und auch zu verbessern, wobei man natürlich auch die Kostenfrage in den Griff bekommen muss. Dieses Gesetz ist ein Weg dahin, auch künftig die Arz­neimittelsicherheit zu gewährleisten. Dazu werden wir daher unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.38.15

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist wichtig, die Kette der Arzneimittel sicherzustellen und auch die Einfuhr der Arzneimittel zu verbessern. Wir sind zuneh­mend mit dem Umgang mit illegalen Arzneimitteln konfrontiert – und um da staatlicherseits Einfluss nehmen zu können, ist es notwendig, die Strafbestimmungen klarer zu fassen beziehungsweise auch den Versuch unter Strafe zu stellen. Das soll sicherstellen, dass die Menschen zu jenen Medikamenten kommen, die sie tatsächlich brauchen. Das soll aber auch sicherstellen, dass dann diese Medikamente und diese Arzneimittel auch jene Qualität haben, die sich die Menschen auch verdienen. Wir merken, dass gerade auf diesem Feld die kriminellen Kräfte stärker werden, weil man


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 40

da viel Geld machen kann. Da muss man staatlicherseits sehr Rücksicht nehmen und die Kontrollen dementsprechend verschärfen. Dem dient dieses Gesetz.

Eines scheint mir auch wichtig zu sein, nämlich die Frage der Unabhängigkeit der Menschen, für die ethische Fragen eine Rolle spielen. Es geht darum, Unabhängigkeit in den Kommissionen zu haben, gerade auch Unabhängigkeit von der Pharma­indus­trie, wenn es um die staatliche Kontrolle, wenn es um die menschlichen Vorstellungen von Ethik geht.

Insofern haben wir durch die Schaffung einer Verpflichtung, eventuelle Bedenken oder ein Naheverhältnis dem Landeshauptmann zu melden, einen weiteren Schritt gesetzt, der gerade im medizinischen Bereich Vorbildwirkung haben soll. (Beifall bei der SPÖ.)

10.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.40.553. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (154 d.B. und 185 d.B. sowie 8124/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Bitte um den Bericht.

 


10.41.08

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss den Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher sogleich zum Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


10.41.47

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, ist mit der im Jahr 2006 verabschiedeten Badegewässerrichtlinie die Bade­gewässerpolitik der Europäischen Union neu definiert worden. Die in der bestehenden österreichischen Rechtsordnung enthaltenen Regelungen, insbesondere jene zu den bäderhygienischen Vorgaben, reichen nicht mehr aus, um den Zielen der EU-Richtlinie


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 41

aus dem Jahr 2006 zu entsprechen. Diese Regierungsvorlage beinhaltet daher die wichtigsten Punkte dieser EU-Richtlinie.

Im zweiten Teil dieser Vorlage kommt es zu einer längst fälligen Präzisierung des Anwendungsbereiches für Warmsprudelwannen. Diese Whirlpools erleben einen Boom, Untersuchungen ergaben aber ernüchternde Ergebnisse hinsichtlich der Was­serqualität.

Als wichtigste und wesentliche Neuerung dieser Regierungsvorlage kann man das regelmäßig zu erstellende Badegewässerprofil bezeichnen, das auch einer ständigen Aktualisierung bedarf. Es sind alle potenziellen Verschmutzungs- oder Verunreini­gungsquellen in der Nähe von Badegewässern zu beschreiben, zu qualifizieren, zu analysieren und zu kartographieren. Die daraus gewonnenen Informationen dienen in Zukunft als Grundlage für langfristige Planungs-, Erhaltungs- sowie Verbesserungs­programme, für die Erstellung von Checklisten bezüglich Verschmutzungsereignissen sowie für die Information der Öffentlichkeit; sie haben auch als Entscheidungs­grund­lage bezüglich der Häufigkeit der Überprüfungen sowie der Aktualisierung ihre Berech­tigung.

Damit verbunden ist eine weitere Neuerung, nämlich die jährliche Einstufung der Qualität der Badegewässer, die künftig die Daten der letzten vier Badesaisonen zur Grundlage hat – und nicht mehr nur jene der letzten Badesaison.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einführung neuer Parameter zur Überwachung und zur mikrobiologischen Beurteilung der Badegewässerqualität. Diese Maßnahme er­möglicht die Einführung von vier Qualitätsstufen. Eine erste Einstufung soll nach der neuen EU-Richtlinie spätestens zum Ende des Jahres 2015 erfolgen. Darüber hinaus sollten 2015 alle Badegewässer über eine ausgezeichnete Wasserqualität verfügen.

Waren Whirlwannen oder Whirlpools im geltenden Bäderhygienegesetz bisher als Nebeneinrichtungen rechtlich nur unzureichend geregelt, gilt ab sofort, dass der § 2 des Bäderhygienegesetzes nun Anwendung finden muss. Ich habe bereits zu Beginn meiner Ausführungen darauf hingewiesen, dass Untersuchungen zu ernüchternden Ergebnissen geführt haben; daher ist die stärkere Kontrolle von Whirlpools eine sinnvolle, gesundheitspolitische Maßnahme.

Gerade ein Tourismusland wie Österreich muss im Bereich von Bäderanlagen, Thermen und Wellness gut aufgestellt sein und darf sich keine Blöße geben, aber auch kein Risiko eingehen.

Wir Sozialdemokraten werden daher dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Strohmayer-Dangl. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.45.46

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Beschluss wird unser Bäderhygienegesetz an eine EU-Richtlinie angepasst, die seit 2006 Gültigkeit hat. Einerseits bedeutet dies die Umsetzung dieser Richtlinie, in der es um die Qualität unserer Badegewässer und deren Bewirtschaftung geht, andererseits erfolgt eine Präzisierung hinsichtlich der hygienisch einwandfreien Betriebsführung von Warmwassersprudelwannen. Über diesen Begriff könnte man durchaus diskutieren; wir sagen ganz einfach „Whirlpools“.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 42

Der Badewasserreport der Europäischen Kommission sagt, dass man in den öster­reichischen Badeseen und Badeteichen unbedenklich baden kann. Von den 268 Bade­stellen entsprachen im Jahre 2008 261 den Qualitätskriterien der Europäischen Union. Zahlreiche Seen verfügen über eine exzellente Wasserqualität bis hin zur Trinkwas­serqualität. Darauf können wir alle sehr stolz sein.

Sieben Badestellen wurden beanstandet. Diese haben den EU-Hygienebestimmungen nicht entsprochen. Die festgestellten Grenzwertüberschreitungen sind zwar in keinem einzigen Fall gesundheitsgefährdend; trotzdem muss man die Ursachen suchen und auch an deren Behebung arbeiten.

Vier dieser Stellen befinden sich in Niederösterreich, drei davon in meiner Heimat­region. Das Land Niederösterreich hat diesbezüglich bereits eine Studie in Auftrag gegeben, und es liegt auch schon ein Ergebnis vor. Kleinere Zubringergerinne zu die­sen Badestellen, hinter denen kleinere Ortschaften liegen, die noch keine ordentliche Abwasserbeseitigungsanlage haben, bringen oft die Grundlage für diese erhöhten Werte mit sich; an der Behebung wird bereits gearbeitet.

Speziell beim Herrensee in Litschau ist es so, dass die größere Anzahl an Starkregen­ereignissen zu immer größeren Erdmassen führt, die in Gewässern bis zu 48 Stunden lang die Wasserqualität trüben. Wenn derartige Messungen in die Zeit dieser immer häufiger werdenden Starkregenereignisse fallen, kann man leicht einen Zusammen­hang zu diesen überhöhten Werten herstellen. Solche Verfälschungen tragen dann natürlich zur Beeinträchtigung des Gesamtergebnisses bei.

Dies wird aufgrund der zukünftigen Messpraktiken nicht mehr möglich sein, da derar­tige durch Naturereignisse bedingte Abweichungen unberücksichtigt bleiben können. Mit der Erstellung von Badewasserprofilen, die regelmäßig erfolgen und stets aktuali­siert werden, ist mit Sicherheit eine nachhaltige Planung und auch eine Verbesserung von Checklisten und anderen formellen Verpflichtungen möglich. Diese Umstände werden sich sicher positiv auf unsere Badeseen und Badeteiche auswirken.

Zum Thema Warmwassersprudelwannen: Diese boomen derzeit; die Anzahl der Anlagen verschiedenster Arten ist stark im Steigen. Wir wissen aber auch, dass bei unsachgemäßer Betriebsführung Keime und Bakterien im warmen Wasser eine ideale Brutstätte finden. Da derartige Anlagen ja nicht nur in Kuranstalten und großen Wellness-Ressorts oder anderen jetzt schon unter Kontrolle stehenden Betriebs­anla­gen vorhanden sind, ist eine strengere Kontrolle aller Anlagen durchaus notwendig.

Darum ist es wichtig und richtig, dass zukünftig auch jene Unternehmungen mit Whirl­pools, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen, eine Betriebsgenehmigung benöti­gen und damit auch einer wasserhygienischen Kontrolle unterzogen werden. Zukünftig müssen alle Betreiber von solchen Warmwassersprudelanlagen einmal jährlich ein Gutachten an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde liefern. Diese Bestimmungen des Bäderhygienegesetzes für Warmwassersprudelwannen sind wichtig, denn damit wird den Bakterien und Keimen der Nährboden und so den damit verbundenen Infek­tionskrankheiten jegliche Grundlage entzogen, und wir können dem Vergnügen von Wellness mit Whirlpool ohne Bedenken frönen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass mit dieser Gesetzesänderung ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung unseres Heimatlandes im Hinblick auf höhere Standards in den Bereichen Tourismus, Freizeitvergnügen und Gesundheit gesetzt wird. Mehr Transparenz und Informationen über die Wasserqualität sichern auch in Zukunft ein ungetrübtes Badevergnügen in unseren Seen und Teichen. Die permanenten Kon­trollen unserer Whirlpools sind aus gesundheitlicher Sicht ebenfalls ein richtiger Schritt.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 43

Unsere Fraktion wird daher diesem Bäderhygienegesetz ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


10.50.50

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dies ist ja ein sehr föderales Gesetz, da der Herr Landeshauptmann quasi ein „Oberbadewaschl“ ist (allgemeine Heiterkeit Zwischen­ruf des Bundesrates Perhab), denn er ist nicht nur für das Bäderprofil, das er jährlich zu erstellen hat, und alles Weitere verantwortlich, sondern man könnte auch bei jeder Schwimmhalle schreiben: Wenn Sie Fragen haben, fragen Sie den Herrn Landes­hauptmann!

Aber durch diese mittelbare Bundesverwaltung will es natürlich auch der Zufall, dass ich selber mit diesem Bäderhygienegesetz konfrontiert bin. Es gehört zu meiner politi­schen Agenda, es zu vollziehen, und ich weiß nicht, wie viele Badeanlagen ich heuer schon überprüft und bewilligt habe. Daher kann ich ein bisschen aus der Erfahrung berichten.

Ich finde, diese Weiterentwicklung ist richtig. Was da nämlich alles unter – bitte über­setzt nicht immer alles, denn man muss das Deutsche schon rückübersetzen, damit man es versteht – Whirlpools fällt, bei 60 von 90 Proben, seien wir ehrlich, geht es, ganz hart gesagt, um das Rotlichtmilieu, und die Beamten werden da einiges an Aufwand haben. In diesem Milieu gibt es sehr viele Whirlpoolanlagen, die derzeit nicht unter die Regelung fallen. Es ist natürlich medizinisch äußerst wichtig, dass auch diese Anlagen einer entsprechenden Überprüfung unterzogen werden.

Es wird natürlich eine spannende Sache sein, wenn die Amtsärzte und all die ent­sprechenden Fachbeamten und -beamtinnen diese Bereiche künftig einer näheren Betrachtung unterziehen, da wir diese Anlangen ja nun einmal im Jahr im Detail anschauen müssen. Gott sei Dank, denn früher war insofern eine Umgehung der Vorschriften möglich, als man gesagt hat, dass die Kontrollen unangemeldet vorge­nommen werden sollen. Ich kann mich erinnern, dass die ersten unangemeldeten Besuche bei Badeanlagen absolut sinnlos waren, denn dort war niemand, keine einzige Unterlage war vorhanden. Das heißt, es macht sehr wohl Sinn, sich vor der Überprüfung einer Badeanlage anzumelden, damit auch alle entsprechenden Unter­lagen vorhanden sind.

Wichtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass natürlich auch private Häuser oder Genossenschaftshäuser, die eine entsprechende Anlage haben, heute unter dieses Bäderhygienegesetz fallen. Es geht dabei ja nicht nur um öffentliche oder gewerbliche Schwimmbäder, sondern wenn zum Beispiel die Bewohner einer privaten Hausanlage mit vier Parteien gemeinsam einen Badeteich nutzen, dann fällt das da hinein, und es ist auch wichtig, dass das so ist. Was mir aber immer problematisch erscheint – und ich sage, dass ich meine Arbeit in diesem Jahr bereits erledigt habe –, ist, dass wir zum Beispiel bei großen Freibädern die Untersuchung im März oder April durchführen, wobei aber der große Ansturm eigentlich im Sommer stattfindet!

Da werden die einzelnen Anlagen, wenn ich das einmal so sagen kann, meiner Meinung nach zu stark über einen Kamm geschert. Es ist völlig klar, dass in einem Genossenschaftshaus mit, sagen wir, 20 Parteien die Überprüfung, wann immer man sie macht, ausreichend ist. Aber wenn wir bei den ganz großen Freibädern eine Begutachtung im April vornehmen, wo praktisch eine Nullnutzung oder eine geringe


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 44

Nutzung vorliegt, und dann das nächste Gutachten wiederum im nächsten Frühjahr erfolgt, kommen wir nie in die „heißen“ Zonen.

Deshalb schlage ich Ihnen vor, Herr Bundesminister, durchaus zu überlegen, diese Überprüfung doppelt zu vorzunehmen. Man sollte einmal, meinetwegen am Beginn einer Saison, eine Kontrolle machen, aber man sollte das Gutachten oder die Über­prüfung durchaus zu einer Zeit wiederholen, in der auch eine starke, entsprechende Nutzung erfolgt. (Bundesrat Perhab: ... Reform!) Aber nur bei großen Anlagen, denn es soll ja auch nichts überbürokratisiert werden. Das sind Dinge, die ich so in der Praxis sehe.

Herr Bundesminister, etwas, was uns eigentlich immer wieder wirklich große Sorgen macht und immer eine Frage ist – die Bäderkommission hat ja dafür keine Handhabe –, sind sogenannte Liegesolarien, die in diesen Bädern unkontrolliert stehen – und das müsste einen Gesundheitsminister schon nervös machen. Da steht zwar immer nett auf irgendeinem Zettel: Machen Sie eine Selbsteinschätzung nach dem Hauttyp!, und dann macht man da so kleine Tests, aber diese Solarien kann man eigentlich ununter­brochen einschalten. Das heißt, wenn jetzt irgendjemand eine wahnsinnige Idee hat, was weiß ich, er trifft die neue Freundin in vier Tagen und will sich drei Tage bis zu dem Zeitpunkt durchgehend bräunen, dann kann er das in so einer Anlage, da das niemand kontrolliert.

Dagegen sollte man zumindest Standards entwickeln, denn diese Solarien werden meistens von einem Fremdbetreiber in eine solche Badeanlage gestellt. Manchmal findet man noch netterweise eine Einteilung in die vier Hauttypen, nach denen diese Anlagen dem Gesetz nach einzuteilen sind. Diese werden mittels Kinderphotos dar­gestellt. – Warum man das immer so witzig findet, dass man bei einem Solarium Kinderphotos als Beispiel hinhängt?! Die Besucher können diese Geräte wieder und wieder einschalten, denn in Wirklichkeit schalten sie sich zum Beispiel nicht nach einer 15-minütigen Nutzung aus und sind erst einmal blockiert – ist klar, weil sie wirtschaftlich genutzt werden und eigentlich sofort wieder funktionieren müssen.

Also, meine Damen und Herren, diese Weiterentwicklung des Badehygienegesetzes ist sinnvoll. Eine Differenzierung, was die großen Freibäder betrifft, sollte man sich trotzdem noch überlegen, sodass man sie von der Nutzung her unterschiedlich sieht.

Es ist sicher für den Tourismus gut, und es ist sicherlich auch für den Nutzungsbereich, sagen wir einmal, im Rotlichtmilieu gut, wenn auch dort höhere Hygienestandards gesetzt und auch diese Betriebe überprüft werden und einen jährlichen Besuch von Organen der Bezirkshauptmannschaft erleben, die sozusagen jeden Winkel durch­schauen. Wir werden dem zustimmen. – Danke. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

10.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? War das eine Wortmeldung? – Nein. Dann ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 45

10.58.324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (153 d.B. und 186 d.B. sowie 8125/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Bitte um den Bericht.

 


10.58.51

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher gleich zum Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


10.59.26

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der uns vorliegenden Novelle des Blutsicherheitsgesetzes diskutieren wir nicht – das möchte ich am Anfang gleich klarstellen – Schutzbestimmungen, denn in diesem Punkt sind die Standards nach wie vor sehr vorbildlich.

Bei dieser Novelle geht es um die Inspektion von Blutspendeeinrichtungen.

Wie ist der Jetzt-Zustand? – Im noch gültigen Gesetz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, obliegt die Inspektion der Bezirksverwaltungsbehörde, was in der Praxis zu Doppelgleisigkeiten und damit zu Mehrbelastungen für die betroffenen Betriebe führt. Durch die Gesetzesänderung soll die Aufgabe der Inspektion der Blutspende­einrichtungen – soweit es sich nicht um mobile Entnahmeeinrichtungen handelt – von der Bezirksverwaltungsbehörde auf das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheits­wesen übertragen werden. Diese Maßnahme soll in Hinkunft die in der Praxis auftre­tenden Doppelgleisigkeiten vermeiden helfen.

Nicht nur die Bezirksverwaltungsbehörden werden dadurch entlastet. Natürlich bedeu­tet dies auch für die betroffenen Einrichtungen eine Vereinfachung, da diese Betriebe für den Teil ihrer Tätigkeiten, die nicht mehr unter das Blutsicherheitsgesetz fallen, dem Arzneimittelgesetz – und unter diesem Gesichtspunkt ohnehin der Inspektion durch das Bundesamt – unterliegen. Bei der mobilen Entnahme wird im Hinblick auf den regionalen Anknüpfungspunkt an der bisherigen Zuständigkeit der Bezirksverwaltungs­behörden festgehalten.

Wir können alle froh sein, dass es ein solches Gesetz gibt und wir somit sicher sein können, dass wir Blut bekommen, das wir nicht nur vertragen, sondern das auch unserer Gesundheit wohltut.

Unsere Fraktion wird dieser Gesetzesänderung gerne zustimmen.

Zum Thema Blutspenden sei mir ein persönlicher Satz erlaubt. Ich glaube, jeder von uns kann – aus welchen Gründen auch immer – in die Situation kommen, ganz plötz-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 46

lich Blut zu brauchen, und leider hören wir immer wieder, dass es bei bestimmten Blutgruppen in den verschiedensten Depots zu Engpässen kommt.

Deshalb appelliere ich an dieser Stelle: Stellen wir uns zur Verfügung, spenden wir unseren wichtigen Lebenssaft! Wir können damit Leben retten. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)

11.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.02.14

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Kollege Werner Stadler schon ausgeführt hat, geht es um eine leichtere Handhabung der Inspektion von Blutspende­einrichtungen. Dadurch werden – so wie er gesagt hat – entsprechende Doppelgleisig­keiten abgebaut, die das Blutsicherheitsgesetz und das Arzneimittelgesetz betroffen haben, da in diesem Gesetz die Zuständigkeit des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen vorgesehen ist.

Es ist also logisch, dass es dadurch zu einer Entlastung der Bezirksverwaltungs­behörden kommt, und auch die involvierten Spendeeinrichtungen erhalten dadurch Vorteile in der Administration. Ausgenommen, wie gesagt, sind eben die mobilen Blutspendeeinrichtungen, die sinnvollerweise nach wie vor in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden fallen.

Wenn die Laborleistungen ausgelagert werden, ist eine Vorgabe bezüglich der Ver­gabe dieser Modalitäten normiert, und weiters ist damit auch in diesem gesund­heit­lichen Bereich sichergestellt, dass es – was die Eignung des Spenders anlangt – zu keinen Problemen kommt.

Es ist aber deshalb auch von Wichtigkeit, dass die Schriftlichkeit zwischen der Blut­spen­destelle oder -einrichtung und dem Labor eingeführt wird. Dies bringt nicht nur zusätzliche Transparenz, sondern auch Nachvollziehbarkeit bei den externen Ver­gaben.

Wir haben vor zirka drei Jahren hier im Hohen Haus die freiwillige, unentgeltliche Blut­spende im Gesetz verankert, um zum einen die Qualität der Blutkonserven sicher­zustellen und zum anderen den internationalen Handel mit Blutprodukten zu kanali­sieren.

Halten wir also fest: Neben den Verwaltungsvereinfachungen beschließen wir wichtige Maßnahmen, um die Sicherheit und hohe Qualität im Bereich des österreichischen Blutspendewesens zu gewährleisten. Es gibt durch das Österreichische Rote Kreuz eine lange Tradition und eine hervorragende Struktur im Blutspendewesen. Die Öster­reicherin/der Österreicher bekennt sich zu dieser Einrichtung, natürlich auch zur Blut­spende, insbesondere im ländlichen Raum; da steht die Tradition des Blutspendens im Sinne von ehrenamtlicher Tätigkeit mit dem Dienst am Nächsten sozusagen in einer Reihe.

Ich stelle fest, dass es hier im Hohen Haus immer wieder zu Aufforderungen kommt, Blutspenden abzugeben; ich habe persönlich schon daran teilgenommen. Ob das Blut eines Politikers eine bessere Qualität aufweist (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez), das konnte ich nicht in Erfahrung bringen (Bundes­rat Konecny: Aber genommen haben sie es!), aber der Blutspendeaktion des Kollegen Werner Stadler würde ich mich gerne anschließen; eine Blutspendeaktion des Hohen Bundesrates wäre einmal etwas Besonderes, Herr Kollege.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 47

Ich möchte noch ein paar Zahlen anführen. In Österreich werden pro Jahr mehr als 500 000 Blutkonserven benötigt, die etwa von 300 000 SpenderInnen kommen. Das heißt, nur etwa 4 Prozent der österreichischen Bevölkerung spenden Blut, und das ist sicher ein Wert, der noch ausbaufähig wäre.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat, das der österreichische Rot-Kreuz-Präsident – ein Vorarlberger mit einem einfach zu merkenden Namen, nämlich Fredy Mayer – bei einer Auszeichnung von Betrieben, die sich beim Blutspenden besonders hervorgetan haben, gesagt hat:

Blut kann nicht künstlich hergestellt werden, und eine Konserve hält nur 42 Tage. Wir brauchen das ganze Jahr über engagierte Blutspenderinnen und Blutspender, die ihren roten Lebenssaft für kranke und verletzte Menschen spenden. Wichtig sind auch Unternehmen und Betriebe, die soziale Verantwortung, konkretes Engagement zeigen. – Zitatende.

Wir werden dieser Vorlage gerne zustimmen, Herr Minister, weil das Gesetz wesent­liche Verbesserungen in diesem Bereich bringt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)

11.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.06.18

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr viel ist schon von meinen Vorrednern gesagt worden, darum fasse ich mich ganz kurz.

Dieses Gesetz ist einer der ganz wenigen und seltenen Schritte im Sinne einer Ver­waltungsreform und im Sinne des Gedankens, dem Föderalismus gewisse Grenzen zu setzen. Was die Landesbehörden leisten sollen und welche Kompetenzen sie sich dafür teilweise mühsam aufbauen müssen, ist kostentreibend. Warum aber nur statio­näre Einrichtungen der Vereinfachung unterliegen, nicht aber ambulante Blutspende­dienste, ist nur schwer nachzuvollziehen. Das ist ein Kompromiss, den man eigentlich vermeiden sollte.

Die stationären Einrichtungen haben schon aufgrund der Tatsache, dass sie in Kran­kenhäusern und in Rot-Kreuz-Zentren untergebracht sind, gewisse infrastrukturelle Vorgaben, die ein Bus, der durch die Lande fährt und zum Spenden aufruft, in diesem Ausmaß gar nicht haben kann.

Es ist schade, dass es da eine Trennung gibt; nichtsdestotrotz ist dieses Gesetz eine Verbesserung, und auch unsere Fraktion wird dieser Vorlage zustimmen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

11.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 48

11.08.125. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und ver­pflich­tenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (205 d.B. und 210 d.B. sowie 8126/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Bitte um den Bericht.

 


11.08.36

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzter Herr Minister! Der Bericht des Aus­schusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungs­einrichtungen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.09.25

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Anfang positiv anmerken, dass man sich nach fast jahrzehntelanger FPÖ-Forderung nach dem Gratiskindergarten jetzt bundesweit – wir haben es ja vor allem in Wien gemacht – doch entschlossen hat, diesen wenigstens halbtags zu ermöglichen. Das finde ich absolut positiv, darüber freue ich mich sehr.

Trotzdem gibt es dazu ein Nein seitens der FPÖ (Bundesrat Konecny: Es wäre ja alles andere eine Überraschung!), weil wir die Verpflichtung doch als besonderes Hindernis sehen. Die FPÖ ist immer für die Wahlfreiheit der Eltern eingetreten, dafür ein­getreten, ihnen die Möglichkeit zu lassen, ihre Kinder selbst zu betreuen, und dafür, das auch entsprechend zu respektieren und zu honorieren.

Diese neue Vereinbarung aber enthält die Verpflichtung! – und dazu sagen wir: Nein, das wollen wir so nicht!; noch dazu, wenn man bedenkt, dass 93,3 Prozent der Kinder österreichweit in den Kindergarten gehen.

Jetzt liegt die Vermutung nahe – auch aufgrund des Textes dieser Artikel-15a-Verein­barung –, dass die restlichen 6,7 Prozent vor allem jene sind, die einen Migrations­hintergrund haben oder aus sozial schwachen Familien kommen. Das wird wahr­scheinlich auch so sein, aber möglicherweise gibt es noch mehr, die sprachliche Schwierigkeiten haben, und da stellt sich nun die Frage: Wie soll das jetzt gehen?

Das BIFIE hat erhoben, dass die Kinder von Zuwanderern einen Förderbedarf von 73 bis 93 Prozent – über die Bundesländer verteilt –, die Kinder mit deutscher Mutter­sprache nur einen von 10 Prozent haben. – Das sollen jetzt die Kindergarten­päda­gogInnen wettmachen!

Die KindergartenpädagogInnen haben eine hervorragende Ausbildung und leisten auch hervorragende Arbeit, und ich möchte mich an dieser Stelle für diese verant­wortungsvolle Aufgabe, die sie alle tagtäglich für uns leisten, herzlich bedanken. Es


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 49

gibt aber natürlich auch Schwierigkeiten. In Gesprächen mit Kindergartenpädago­gInnen anlässlich einer Podiumsdiskussion, nach der wir dann noch miteinander gesprochen haben, ist der Tenor quer durch alle Gruppen, auch der politischen Far­benlehre, ewig der Gleiche geblieben:

Gruppen mit 25 Kindern werden als zu groß angesehen. Wir wissen, dass diese Gruppengrößen auch immer wieder überschritten werden, aber selbst 25 Kinder in einer Gruppe werden schon als zu viel angesehen.

Die KindergartenpädagogInnen beklagen die schlechten Rahmenbedingungen: keine Mediation, keine fixen Elternsprechstunden, die ein großes Anliegen wären. Die KindergartenpädagogInnen leiden darunter, dass sie alles immer so zwischen Tür und Angel mit den Eltern abhandeln müssen.

Ein weiterer Kritikpunkt kam auch von jenen, die einen Kindergarten leiten und zusätzlich fix Gruppen betreuen müssen. Sie sagen, sie hätten nichts dagegen, einzuspringen, wenn jemand krank wird, aber es sei schon schwierig – vor allem, wenn man einen großen Kindergarten leitet –, einerseits die Leitung innezuhaben und andererseits gleichzeitig eine Gruppe zu leiten. (Bundesrat Perhab: In Wien ist das so, bei uns nicht!)

Speziell in Wien war natürlich einer der Kritikpunkte die Bezahlung. Wenn man sich die Gehälter der KindergartenpädagogInnen vor allem in Wien anschaut, dann kann man schon auch den Schluss ziehen, dass das nicht unbedingt ein „brüllendes“ Gehalt ist. Nicht ohne Grund sind sehr viele KindergartenpädagogInnen auch nach Nieder­österreich abgewandert: weil dort die Bezahlung einfach besser war.

Ein ganz wesentlicher Kritikpunkt war, dass es zu viele Kinder in einer Gruppe gibt, die nicht Deutsch können. Alle KindergartenpädagogInnen sagen, wenn es zwei, drei, vier Kinder sind – von 25, gehen wir von dieser Anzahl aus –, dann geht das noch. Es sind aber oft wesentlich mehr, und daher wird es fast unmöglich, den Kindern Deutsch beizubringen.

Die Kosten sind laut dieser Artikel-15a-Vereinbarung bis zum Jahr 2013 gesichert. – Und dann? Was wird dann passieren? Das geht aus der Vorlage nicht hervor. Vor allem kleinere Kindergartenbetreiber werden Schwierigkeiten haben, jene „frei werden­den Mittel“ – wie das in der Vereinbarung steht – dann auch tatsächlich zu haben, um einen Ausbau vorzunehmen, um mehr Personal anzustellen. In Wien fehlen nach aktuellem Stand jetzt schon 200 KindergartenpädagogInnen. Aus den soeben ange­führten Gründen werden auch viele nicht mehr zurückkommen; manche haben den Beruf überhaupt aufgegeben. Es bräuchte ein entsprechendes Angebot, um diese zurückzugewinnen, denn viele weigern sich schlicht und ergreifend, zurückzukommen.

Das heißt, da tut sich eine Lücke auf, und ich bin wirklich gespannt, wie diese ge­schlos­sen werden soll.

Meine Fraktion ist schon im Nationalrat für ein verpflichtendes Vorschuljahr für all jene Kinder, die Sprachdefizite jedweder Art haben, eingetreten, weil wir meinen, dass die Lehrer in Bezug auf Sprachvermittlung schon ausgebildet sind, was bei den Kinder­gartenpädagogInnen ja noch nicht in diesem Ausmaß der Fall ist. Man kann das auch im Vorschulbereich durchaus spielerisch und altersgerecht machen.

Ein Letztes noch: Ganz gratis ist der Kindergarten leider doch nicht, denn für alle Zusatzangebote wie Musikförderung et cetera, Essen sowieso, wird natürlich nach wie vor ein Elternbeitrag eingehoben werden; also von komplett gratis kann man nicht sprechen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 50

Die Vereinbarung ist ein guter Ansatz, aber es sind noch zu viele Ungereimtheiten darin enthalten, und daher werden wir nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Ertl. – Bundesrat Konecny: Weil Sie ja so gut reimen können auf Ihren Plakaten! – Bundesrätin Mühlwerth: Ihnen muss es ja nicht gefallen! – Bundesrat Konecny: Tut es auch nicht, Frau Kollegin, keine Sorge!)

11.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rausch. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.15.47

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Bereiche in der Politik, über die viel und lange diskutiert wird, in denen lange auf große Würfe gewartet wird – und im Endeffekt geschieht dann wenig. Es gibt aber auch Bereiche in der Politik, in denen Schritt für Schritt konsequent Gegenwart gestaltet, Zukunft mitgedacht und für die Zukunft vorgesorgt wird, in denen konsequent, pragmatisch und lebensnah gearbeitet wird – und mit solch einem Bereich haben wir es heute zu tun.

Ich will den Wurf, der da gelungen ist, nicht kleinreden, sondern im Gegenteil: Wir haben es in diesem Bereich mit einer Politikerin zu tun, die konsequent Schritt für Schritt daran arbeitet, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Österreich ver­bessert wird, und die dabei die Bedürfnisse von Eltern und Kindern immer im Blick hat. Dir, Frau Staatssekretärin Marek, liebe Christine, möchte ich für deinen unermüdlichen Einsatz herzlich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich „Schritt für Schritt“ sage, dann erinnere ich daran, dass wir erst im März hier an dieser Stelle über die Novelle des Kinderbetreuungsgeldes gesprochen haben, und wenn ich „konsequent“ sage, dann will ich darauf hinweisen, dass es doch einer gewissen Kondition und einer festen Überzeugung in der Sache bedarf, um in relativ kurzer Zeit solch eine Vereinbarung über einen Gratiskindergarten zustande zu bringen. Ich glaube, wir alle – gerade wir hier herinnen – kennen unsere Landeshaupt­leute und wissen, wie hartnäckig diese sein können. – Auch aus diesem Grund: große Anerkennung für Frau Staatssekretärin Marek!

Wir haben heute eine Artikel-15a-Vereinbarung auf dem Tisch, die österreichweit den Halbtagskindergarten für die Fünfjährigen – also für die Kinder im letzten Jahr vor dem Schuleintritt – verpflichtend und kostenlos macht. Schon jetzt, wir haben es gehört, gehen über 96 Prozent der Fünfjährigen in die Schule oder in den Kindergarten; man­che schon in die Schule, viele in den Kindergarten. Aber gerade jene, die aufgrund ihrer Herkunft, aufgrund ihres Hintergrundes, ihres Umfeldes eine besondere frühpäda­gogische Betreuung brauchen, sind derzeit noch nicht im Kindergarten.

Auf der einen Seite die Verpflichtung, auf der anderen Seite vor allem der Wegfall der Kosten machen mit dieser Ungleichbehandlung der Kinder Schluss, und das steht da ja wohl im Mittelpunkt.

Für jene Eltern, deren Kinder ohnehin in den Kindergarten gehen würden, ist der Wegfall der Kosten – also der Gratiskindergarten – eine spürbare Kostenersparnis und noch mehr als das: Es ist ein Zeichen dafür, dass unserer Gesellschaft und uns, die wir Politik und Gesellschaft gestalten, Kinder und die frühe Förderung von Kindern ein echtes Anliegen sind.

Der Kindergarten – das wird oft gesagt, umso mehr muss es auch heute gesagt wer­den – ist längst keine Aufbewahrungsstätte mehr. Der Kindergarten ist ein Ort des Erlebens und Erlernens. Er ist eine Bildungseinrichtung, die erste Bildungseinrichtung, mit der Kinder in Kontakt kommen. Der Besuch eines Kindergartens – auch das muss


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 51

uns wichtig und bewusst sein – kann die Chancen eines Kindes für den weiteren Berufs- und somit Lebensweg ganz entscheidend beeinflussen.

Ich möchte jetzt darauf eingehen – eigentlich erwartet man vonseiten der FPÖ zu diesem Thema ohnehin nichts anderes –, dass die FPÖ einmal sehr direkt im National­rat und heute hier zwischen den Zeilen den Vorwurf geäußert hat, dass mit diesem Gratiskindergarten auch wieder die Migranten über Gebühr gefördert werden. Ich möchte darauf zwei Antworten geben. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann haben Sie etwas falsch verstanden!) – Ich glaube, wir verstehen die FPÖ immer sehr richtig, auch wenn Sie andere Worte verwenden.

Dazu zwei Antworten. Erstens: Viele Kinder, nämlich etwa ein Drittel derer, die im Rahmen der sprachlichen Frühförderung schon jetzt gefördert werden, um Deutsch-Defizite auszugleichen, haben überhaupt keinen Migrationshintergrund. – Erste Ant­wort.

Zweite Antwort: Wir alle kennen die Schwierigkeiten, wenn Kinder mit deutscher Mutter­sprache später Klassenkolleginnen und Klassenkollegen haben, die wenig bis gar nicht Deutsch können. Der Unterricht erfolgt langsamer, weil natürlich nicht alle mitkommen. Es ist manchmal ein Gefühl, dass der Unterricht langsamer verläuft, manchmal ist es aber auch eine Tatsache, aber das ist logisch: Wenn man die Sprache nicht ordentlich beherrscht, ist es schwierig, dem deutschsprachigen Unterricht zu folgen.

Da ist es mir – das sage ich als Vertreterin der jungen Menschen in diesem Land – allemal lieber, wenn alle Kinder, jene mit und jene ohne Migrationshintergrund, vor dem Schuleintritt gemeinsam ausgebildet werden, alle, die mit und die ohne Migra­tionshintergrund, sprachlich im Kindergarten fit gemacht werden, damit später niemand von ihnen beim Lernen aufgehalten wird. Das ist, so glaube ich, der richtige Weg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir kommen so nicht weiter – das möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen –, wenn wir unsere Gesellschaft immer in vermeintlich „Gute“ und „Böse“ aufteilen. Gerade, was Kinder betrifft: Diese können am wenigsten dafür, wo sie geboren sind, wo sie jetzt wohnen und welche Chancen sie haben. Gerade, was Kinder betrifft, muss es uns im Sinne einer guten Entwicklung unseres Landes wichtig sein, muss uns viel daran liegen, die Chancen aller Kinder schon von Anfang an bestmöglich zu erhöhen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das wichtig ist – auch gerade vor dem Wertehinter­grund, aus dem ich komme –, dass wir nur so eine gute Perspektive haben.

Ich will abschließend noch einmal allen danke sagen, die in den Ländern daran mitge­wirkt haben, dass diese Vereinbarung zustande gekommen ist. Dir, Frau Staatssekre­tärin Marek, möchte ich für deine Arbeit danke sagen und auch dafür, dass es ja nicht bei dieser Maßnahme bleibt. Das sei auch in Richtung von Frau Mühlwerth gesagt: Es wird jetzt schon auf Hochtouren daran gearbeitet, die Qualitätsstandards zu verbes­sern; eine Konkretisierung des Bildungsplanes steht an. Wir werden darüber sicherlich noch einiges hören.

Mit dem verpflichtenden Gratiskindergarten wird ein weiterer Schritt gesetzt – und das ist ganz entscheidend –, der Familien spürbar unterstützt, der Kindern noch mehr Chan­cen gibt und der Österreich wieder ein Stück kinderfreundlicher und uns somit zukunftsfähiger macht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum, Dönmez und Zangerl.)

11.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mos­bacher. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 52

11.21.39

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meiner Vorrednerin nur dazu gratulieren, wie sie die Thematik auf den Punkt gebracht hat. Ich kann mich ihrer Rede nur anschließen, denn mit der heutigen Vereinbarung wird ein Grundstein für die Ver­besserung der Bildungschancen unserer Kinder gelegt. Wie schon gesagt, es wurde endlich zwischen dem Bund und den Ländern die Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen.

Zielsetzung ist, dass allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten, Startchancen in das spätere Berufsleben, unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft, geboten werden. Daher werden Kinder im letzten Jahr vor der Schulpflicht im Ausmaß von min­destens 16 bis 20 Stunden an mindestens vier Tagen pro Woche zum Besuch von geeigneten Kinderbetreuungseinrichtungen verpflichtet. Der halbtägige Besuch im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche im letzten Jahr vor der Schulpflicht wird kostenlos sein, damit Familien weiter entlastet werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in der Regierungsvorlage steht unter Artikel 2, „Bildungsaufgaben“, unter anderem – ich darf zitieren – Folgendes zu lesen:

„Die institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen haben die Aufgabe, durch altersge­mäße Erziehung und Bildung die körperliche, seelische, geistige, sittliche und soziale Entwicklung im besonderen Maße zu fördern und nach erprobten Methoden der Kleinkindpädagogik die Erreichung der Schulfähigkeit zu unterstützen.“

Weiters steht dort:

„Im Rahmen der Persönlichkeitsbildung ist jedes einzelne Kind als eigene Per­sönlichkeit in seiner Ganzheit anzunehmen, zu stärken und auf die Schule vorzube­reiten. Seine Rechte, Würde, Freude und Neugierde sind zu achten und zu fördern.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen, und ich bin überzeugt davon, dass wir uns all dies für unsere Kinder wünschen und dass wir all dies für unsere Kinder wollen.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Marek, ich freue mich über diese Vereinbarung. Ich gratuliere Ihnen dazu, bedanke mich aber auch ausdrücklich bei unserer Frauenminis­terin Heinisch-Hosek herzlich, die maßgeblich daran mitgewirkt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass diese Vereinbarung ein erster Schritt war und dass das nicht der letzte gewesen sein kann, das wissen auch wir. Dass dies weiters finanzieller Mittel bedarf – und da muss besonders auf die Gemeinden Rück­sicht genommen werden –, ist uns auch allen klar. Letztendlich müssen der Ausbau der Ganztagsbetreuungsplätze und der Ausbau der Einrichtungen für die Unter-Dreijährigen vorangetrieben werden, um die Eltern zusätzlich zu unterstützen, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können.

Abschließend, werte Kolleginnen und Kollegen: Als Steirerin freut es mich natürlich ganz besonders, dass es unserer Landesrätin Bettina Vollath bereits vor einem Jahr gelungen ist, den kostenlosen Kindergartenzugang für alle Drei- bis Sechsjährigen durch­zusetzen. Damit wurde eine lange sozialdemokratische Forderung von uns SteirerInnen erfüllt. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum, Dönmez und Zangerl. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo, Maria Mos­bacher!)

11.25



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 53

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.25.38

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich war es ohnehin eine Forderung von allen Parteien, dass der Kindergarten gratis sein soll. Ich will jetzt keine Copyright-Diskussionen darüber führen, ich finde es gut, dass das jetzt bundesweit so sein soll.

In Niederösterreich haben wir ja den Gratiskindergarten schon mehr oder weniger seit „ewigen“ Zeiten. Ich glaube, schon als ich Kind war, mussten meine Eltern nicht dafür bezahlen, dass ich in den Kindergarten gehen durfte. In unserer Stadt war damals auch kein Kind nicht im Kindergarten, was ich als sehr positiv empfunden habe. Aller­dings gab es schon noch einige Unterschiede zum heutigen Standard. Mittagessen im Kindergarten hat es damals so gut wie nicht gegeben, Nachmittagsbetreuung auch nicht. Das waren so die „Kindergarten-Krankheiten“ des niederösterreichischen Sys­tems.

Es hat damals auch nicht sehr viele berufstätige Mütter gegeben. Möglicherweise kann man da wieder über das Problem Henne und Ei diskutieren. Meine Mutter war berufstätig, ich war im Kloster-Kindergarten. Das hat mir auch nicht geschadet, obwohl man es mir nicht mehr anmerkt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Inzwischen hat sich auch beim niederösterreichischen System einiges geändert – und einiges zum Positiven geändert. In den größeren Gemeinden funktioniert die Nachmit­tags­betreuung eigentlich ganz gut. Flächendeckend gibt es die Nachmittagsbetreuung allerdings in Niederösterreich nicht wirklich. Viele Eltern müssen relativ weit fahren, wenn sie ganztags berufstätig sind. Gerade in kleineren Gemeinden ist das nach wie vor ein Problem. Andererseits gibt es auch Privatkindergärten, die sehr gut davon leben, dass sie längere oder andere Öffnungszeiten als die Landeskindergärten anbie­ten. Das ist auch ein Vorteil.

In den letzten Jahren gab es eine größere Kindergartenoffensive in Niederösterreich, die sehr begrüßenswert ist. Die Gruppengrößen wurden heruntergesetzt. Zweieinhalb­jährige haben inzwischen fast alle einen Platz in den Kindergärten gefunden. In den Ferien sind die Öffnungszeiten besser geregelt. Das sind alles sehr positive Schritte. Auch da gab es am Anfang Probleme mit der Umsetzung.

Die Übergangsfristen waren für die Gemeinden ein bisschen zu kurz angesetzt, bezie­hungsweise war der Druck am Anfang, die Kinderbetreuungseinrichtungen auszu­bauen, etwas zu gering, sodass dann sehr viele Gemeinden zu spät geplant haben und Container anschaffen mussten, die natürlich den Preis enorm in die Höhe getrieben haben. Ich glaube, so teure Container wie in den letzen Jahren in Niederösterreich hat es vorher noch nie gegeben, weil eben viele Gemeinden Container für die Kindergärten gebraucht haben, weil sie zu spät dran waren.

Es hat auch in Niederösterreich einen Engpass bei den KindergartenpädagogInnen gegeben, weil natürlich der Bedarf rapid gewachsen ist und man plötzlich gemerkt hat, dass man eigentlich nicht genug Leute hat. Das wäre schon vorherzusehen gewesen oder man hätte vielleicht schon ein paar Jahre früher daran denken müssen, dass der Bedarf steigen und man mehr KindergärtnerInnen brauchen wird. Prinzipiell – das waren alles Kinderkrankheiten, wie gesagt – ist inzwischen das meiste gelöst, und mit der Umsetzung in Niederösterreich können wir zufrieden sein.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 54

Etwas, was mich auch freut, was ich positiv erwähnen will, ist, dass in Niederösterreich die Wichtigkeit der muttersprachlichen Betreuung der Kleinkinder erkannt wurde. Der Haken daran ist: Das ist nicht ausreichend finanziert. Diese muttersprachliche Betreu­ung würden wir uns vermehrt wünschen. Die Umsetzung des Sprach-Schecks ist auch ein bisschen holprig vor sich gegangen.

Wichtig ist aber, dass man den Kindergarten nicht nur als Sprachbildungszentrum sieht, wie das jetzt so mancherorts angesprochen worden ist; meiner Meinung ist der Kindergarten noch viel mehr. Gerade für Einzelkinder ist es wichtig, dass sie hin und wieder auch mit anderen Gleichaltrigen in Kontakt kommen, dass sie Konkurrenz erleben, dass sie Freundschaften schließen. Das lernt man für das Leben, das lernt man für den Beruf; das sind Tools, die immer wichtiger werden, gerade in der Arbeits­welt, aber im Leben wird man sie immer ganz besonders brauchen.

Ich möchte trotzdem hinsichtlich der Aussagen von Frau Kollegin Mühlwerth – sie hat einiges an Kritik angebracht – darauf verweisen, dass es auch sehr wichtig sein wird, dafür zu sorgen, dass die Arbeit der KindergartenpädagogInnen in der Gesellschaft aufgewertet wird. Das erfolgt unter anderem durch eine finanzielle Anerkennung. Es ist aber auch ein gesellschaftliches Problem, und ich denke, da können wir alle noch etwas dazu beitragen.

Prinzipiell finde ich natürlich den Gratiskindergarten positiv; schön wär’s, wenn es ihn auch am Nachmittag geben würde. Auch die Verpflichtung, die Kinder in den Kinder­garten zu schicken, finde ich positiv. Ich würde mir nur wünschen, dass die Fehler, die wir in Niederösterreich gemacht haben – diese Kinderkrankheiten –, bundesweit nicht noch einmal gemacht werden müssen, dass man ein bisschen in dieses Bundesland hinüberschaut und so vielleicht auch Fehler vermeiden kann. (Beifall der Bundesräte Dönmez, Schennach, Mag. Ebner und Zangerl sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

11.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


11.31.18

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich danke für die breite Unterstützung hinsichtlich der Umsetzung des kostenlosen und verpflichtenden Kindergartenbesuchs für alle Fünfjährigen ab Herbst dieses Jahres. Die Verpflichtung wird erst im nächsten Jahr für alle schlagend werden, weil wir gesehen haben, dass es noch nicht möglich ist, für 100 Prozent aller Fünfjährigen bereits heuer einen Platz anbieten zu können. Wir können nicht die Eltern in die Pflicht nehmen, wenn wir noch nicht für alle einen Platz anbieten können. Die Mittel stehen heuer ab Herbst zur Verfügung.

In den Ländern wird bereits mit Hochdruck an der Umsetzung gearbeitet, sodass ab Herbst das Geld abgeholt werden kann, damit natürlich auch – wenn notwendig – am Ausbau von Betreuungsplätzen entsprechend gearbeitet werden kann. Die Verpflich­tung ab dem nächsten Jahr ist vor allem auch deshalb wichtig, damit jene Kinder, die noch keinen Kindergarten besuchen und im Folgejahr in die Schule kommen, die gleiche Chance haben. Genau darum geht es. Das haben auch einige VorrednerInnen bereits gesagt.

Es wurde die Frage der Arbeit der PädagogInnen mehrfach angesprochen. Ich kann alles unterstreichen, was dazu gesagt wurde. Ja, wir müssen an besseren Rahmen­bedingungen für die PädagogInnen arbeiten. Im Kindergarten hat sich sehr viel verän-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 55

dert. Der Kindergarten hat sich zu einer Betreuungs- und Bildungseinrichtung ent­wickelt, die die Kinder für das weitere Leben, für eine erfolgreiche Schullaufbahn und spätere berufliche Laufbahn entsprechend vorbereitet.

Frau Bundesrätin Kerschbaum, es ist tatsächlich so, dass es nicht nur um die Sprache geht, sondern es geht natürlich um viel mehr. Wir leben in einer Zeit, in der fast jedes zweite Kind ohne Geschwister aufwächst, in der wir schon längst fast keine Groß­familien mehr haben, in der die Kinder nicht voneinander in unterschiedlichen Alters­gruppen in der Familie lernen, sich entsprechend durchzusetzen, sich umeinander kümmern können. Deshalb ist dieses soziale Lernen, die soziale Entwicklung gerade im Kindergarten ein ganz, ganz wichtiges Argument.

Hier gibt es mit altersgemischten Einrichtungen und mit altersgemischten Gruppen auch sehr erfolgreiche Konzepte, die in ganz Österreich umgesetzt werden und bereits gelebte Realität sind.

Wir hatten bei unseren Verhandlungen die Aufgabe und das Ziel, mit einem gemein­samen Zugang, mit einem Ziel, neun völlig unterschiedliche Systeme in Österreich vereinen zu müssen. Frau Bundesrätin Mühlwerth hat kritisiert, es sei nicht gratis. – Ja, es ist tatsächlich so, dass Eltern auch weiterhin für zusätzliche Angebote Elternbei­träge bezahlen müssen. Wenn wir sagen, alles ist gratis, dann hätten wir eine Nivellierung nach unten gehabt und die Eltern hätten keine Entscheidungsfreiheit mehr: Ist den Eltern ist eventuell ein Montessori-Kindergarten oder eine besondere Sprach­förderung wichtig? – Das kann es wohl nicht sein, dass wir diese Vielfalt nicht fördern und positiv unterstützen, sondern nur noch einen Einheitsbrei haben und alles auf ein geringeres Niveau setzen!

Für mich ist die Argumentation der FPÖ ganz spannend. Im Familienausschuss des Nationalrates wurde von Ihnen argumentiert, dass Sie das deswegen ablehnen, weil es – wie Frau Bundesrätin Mühlwerth das vorhin gesagt hat – eine Verpflichtung ist. – Wenn Sie genau hineinschauen, sehen Sie: Wir haben mit den Ausnahmemög­lich­keiten, die auch der Schulunterrichtspflicht entsprechen, und zusätzlichen Urlaubsmög­lichkeiten eine wirklich sehr, sehr ausgewogene Regelung gefunden. – Da nicht zuzustimmen, das kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Es sind übrigens nicht 93,3 Prozent der Fünfjährigen im Kindergarten, sondern 96,3 Prozent sind in Betreuung. Das ist noch einmal um ein Stückchen mehr. Es geht um die 3,7 Prozent der Kinder, denen wir die gleichen Chancen geben wollen. Da geht es um die Chancen unserer Kinder, und wir bauen an unserer gemeinsamen Zukunft.

Im Nationalratsplenum war das Nein der FPÖ darin begründet, dass diese Leistung nur für Österreicherinnen und Österreicher offen sein soll, aber gleichzeitig kam das Argu­ment, dass unsere Kinder wegen der Migrantenkinder verpflichtet werden. – Was jetzt, meine Damen und Herren? (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Wir wissen, dass alle Kinder die bestmögliche Unterstützung brauchen, wir wissen aber auch, dass bei Weitem nicht nur Migrantenkinder entsprechende Unterstützung brauchen. Bei der vorgezogenen Schuleinschreibung, bei der Sprachstandsfeststellung hat sich herausgestellt, dass etwa ein Drittel der Kinder, die aufgrund von Defiziten in der Entwicklung, im Sprachstand in den Kindergarten gekommen sind und besondere Unterstützung brauchen, keinerlei Migrationshintergrund hatten. Also ein Drittel dieser Kinder! Da ist es müßig, über ÖsterreicherInnen versus NichtösterreicherInnen zu sprechen. Ich glaube, es ist auch nicht wirklich vernünftig.

Es wurde kritisiert, die Gruppengröße mit 25 sei zu groß. Wir haben österreichweit unterschiedliche Gruppengrößen, das ist ja genau unsere Herausforderung. Wir haben deswegen im Regierungsprogramm festgehalten, dass grundlegende Standards erar-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 56

beitet werden, die möglichst bundeseinheitlich sein sollen. Genau das ist einer dieser Standards, an dem wir arbeiten. In der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG ist festgehalten – die Länder haben das unterschrieben –, dass sich die Länder dazu verpflichten, die Gruppengrößen eben nicht zu erhöhen und das Maximum nicht zu überschreiten. Wir haben gemeinsam einen bundeseinheitlichen Bildungsplan verein­bart.

Das, meine Damen und Herren, ist wirklich ein bildungspolitischer Meilenstein. In diesem Bildungsplan für alle Fünfjährigen werden nämlich auch erstmals Bildungsziele gemeinsam vereinbart und konkret festgehalten: Wo soll ein Kind zum Zeitpunkt des Schuleintritts in der Sprache, in der sozialen Kompetenz, in der Teamkompetenz stehen, damit es dem Unterricht folgen kann und echte, beste Chancen für die Schule hat? Ich glaube, genau das muss unser Ziel sein. Potentielle Ausländerfeindlichkeit auf dem Rücken der Kleinsten auszutragen, das ist wohl auch nicht das Ziel dieser Debatte.

Es wurde kritisiert, dass die Kosten nur bis 2013 gedeckt sind. Wir haben einen Bundesfinanzrahmen, der bis 2013 fixiert ist; dann wird der Finanzausgleich wieder neu verhandelt. Und im Rahmen dessen haben wir vereinbart, dass es dazu weitere Gespräche gibt.

Wir haben auch mit den Gemeinden sehr intensive Gespräche geführt. Da haben wir die Schwierigkeit, dass die Gemeindevertreterinnen und -vertreter sagen, sie seien finanziell sehr belastet, alles, was die Kosten in die Höhe treibe, sei für sie ein Prob­lem. Da reden wir natürlich auch von der Hochschulausbildung der PädagogInnen, vom Einkommen von KindergartenpädagogInnen. Da haben wir Handlungsbedarf, und genau in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

Ich denke, wir haben eine gute Lösung gefunden, vor allem weil die Länder die Mittel für all das bekommen, was an Aufwand im Zusammenhang mit diesem letzten, ver­pflichtenden Gratis-Kindergartenjahr anfällt. Das heißt, dort, wo es besonders schwie­rig ist, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – und das wird für Sie, meine Damen und Herren, ein Thema sein –, auch Fahrtkosten abzurechnen. Die Länder haben diese Mittel zur Verfügung und müssen sie mit den Gemeinden entsprechend aufteilen.

Ich meine, dass wir ein wirklich zukunftsfähiges und tragfähiges Konzept erarbeitet haben. Ich unterstütze sehr, was Frau Bundesrätin Kerschbaum gesagt hat, dass wir natürlich, wenn es Erfahrungswerte gibt, diese auch beachten müssen. Das haben wir auch in vielen Gesprächen gemacht. Das Bundesland Kärnten, das da schon Erfah­rung hat, weil das verpflichtende letzte Kindergartenjahr dort bereits seit einem knap­pen Jahr Realität ist, und auch das, was in Niederösterreich in den letzten Monaten und Jahren passiert ist, war für uns wichtig, um Informationen zu sammeln. Da bin ich bei Ihnen, dass man Fehler nicht noch einmal machen soll; Erfahrungen sind da einzubeziehen. Das machen wir. Wir haben mit den Ländern diesbezüglich eine sehr konstruktive Gesprächsbasis.

Ich freue mich, dass wir hier ein ganz wichtiges Puzzlesteinchen einfügen. Und genau das ist es: Es ist ein Teil des Gesamtbaus unserer gemeinsamen Zukunft – eines Baus in bestmöglicher Qualität, mit bestmöglicher Unterstützung für unsere Kinder, die unsere Zukunft sind. Es freut mich, dass Sie uns bei diesem Weiterbauen an unserer Zukunft auch unterstützen, und ich darf auch für die Zukunft darum ersuchen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grei­derer. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 57

11.40.53

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Frau Staatssekretärin Christine Marek! Geschätzte Damen und Herren! Auch ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, diesen wichtigen Schritt in Richtung Entlastung der Familien umzusetzen.

Unsere Gesellschaft hat sich, wie wir ja alle wissen und täglich feststellen, in den letzten Jahrzehnten, was die Lebensplanung betrifft, sehr verändert. Neben einer guten Ausbildung, Karriere und Beruf und dann auch noch Familie möchte man größt­mögliche Freiheit und Ungebundenheit genießen – und das kann und darf auf keinen Fall auf Kosten der Kinder geschehen!

Unserer Staatssekretärin Christine Marek ist es wirklich innerhalb kürzester Zeit gelun­gen, ein tolles Modell vorzulegen, und dafür möchte ich mich bei ihr und ihrem Team ganz herzlich bedanken, aber auch beim Regierungspartner, der da mitgegangen ist.

Wir beschließen heute mit dieser vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung nach der 13. Familienbeihilfe und der Steuerreform, insbesondere auch der steuerlichen Absetz­barkeit von den Kinderbetreuungskosten, einen weiteren Puzzle-Teil, mit dem sich Beruf und Familie wieder viel besser vereinbaren lassen. Individuell optimierte, ange­passte und vor allem leistbare Kinderbetreuungslösungen für Kinder und deren Eltern erleichtern die Lebensplanung, die Berufsplanung und erhöhen natürlich auch die Chancen und das Weiterkommen auf dem Arbeitsmarkt. Besonders aber erleichtern diese Lösungen den Frauen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und vor allem den Wiedereinstieg nach der Baby-Pause.

Die demographischen Zahlen besagen, dass man Frauen auf dem Arbeitsmarkt sehr dringend brauchen wird. Auch deswegen sind diese Maßnahmen sehr wichtig, denn nur auf diese Weise können wir die Frauen auf den Arbeitsmarkt zurückbringen. Wir können nur hoffen, dass wir auch mit dieser Maßnahme dem Ziel „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ immer näher kommen.

Was bedeutet dieser Gratiskindergarten für alle Kinder? – Aus meiner Sicht sollen eben – das wird auch in den Begründungen betont – alle Kinder die gleichen Chan­cen haben. Da geht es auch um Bildungsarbeit, wie wir schon gehört haben, und ich glaube, mein Kollege wird dann noch näher darauf eingehen: Bildungsarbeit im Kindergarten ist etwas ganz Wichtiges. Zum Beispiel ist die Frühkindpädagogik etwas, das im Kindergarten selbstverständlich geschieht, dort auch professionell gemacht wird, und es ist eine gute und gerechte, gleiche Vorbereitung für die Schule.

Wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft! Deshalb muss das Gratiskindergartenjahr für alle gelten – und nicht nur für Österreicher. Wie soll Integration, von der wir ständig sprechen, denn überhaupt umsetzbar und möglich sein ohne das soziale Miteinander? (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Weiters ist sehr zu begrüßen, dass einzelne Bundesländer darüber hinaus noch Maß­nahmen setzen, um Familien zusätzlich zu entlasten. Ich freue mich zum Beispiel darüber, dass bei uns in Tirol unsere Landesrätin Beate Palfrader zusätzlich ein Tiroler Modell mit dem Koalitionspartner zusammengestellt hat, das heute, wahrscheinlich in etwa zeitgleich, im Tiroler Landtag beschlossen wird und auch ab September 2009 gelten soll. Es betrifft die Regelung, dass nicht nur, wie jetzt vom Bund finanziert, die Fünfjährigen den Gratishalbtagskindergarten haben, sondern in Tirol wird es das jetzt ab September auch für die Vierjährigen geben – das ist eine ganz tolle Sache! –, und zusätzlich erhalten die Familien für jedes zwei- und dreijährige Kind das Tiroler KINDERGELD PLUS in der Höhe von 400 €, und das ohne Betreuungsnachweis.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 58

Wenn ich mir die Liste unserer Landesrätin im Hinblick auf die Bundesförderungen anschaue, finde ich, man muss das einmal sozusagen in plakativer Form deutlich machen, damit klar wird, was es für Maßnahmenbündel gibt – im Bund, vom Bund finanziert, und vom Land.

An Bundesförderung gibt es jetzt im Alter von null bis zweieinhalb das Kinderbetreu­ungsgeld, im Alter fünf bis sechs den Gratiskindergarten, 20 Stunden in der Woche, im Alter von null bis 19 die Familienbeihilfe, für Kinder von null bis zehn haben wir die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und von null bis 19 die steuer­lichen Absetz- und Freibeträge für die Familien. – Das sind jetzt einmal die Bundes­för­de­rungen.

Und was wir in Tirol jetzt neu bekommen: für Kinder im Alter von zwei bis vier dieses KINDERGELD PLUS, im Alter vier bis fünf den Gratiskindergarten halbtags, und dann gibt es bei uns noch die einkommensabhängigen Förderungen: von null bis 14 den Kinderbetreuungszuschuss, von sechs bis 15 die Schulstarthilfe – gerade der Schul­beginn bringt hohe Kosten für die Familien mit sich; das wird damit abgefedert –, und an Gemeindeförderungen gibt es noch für Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren die soziale Staffelung der Elternbeiträge.

Wenn man sich jetzt all diese Bundes- und Landesförderungen für Familien ansieht, die es jetzt schon gibt, plus Gratis-Kindergartenjahr und einkommensabhängiges Kin­dergeld und, was wir jetzt auch immer wieder in den Medien lesen konnten, die vier verschiedenen Bezugsvarianten, die ab Jänner dazukommen, dieses einkommens­unabhängige Kindergeld, wenn man also all das, was ab 2010 kommen soll, be­trachtet, dann kann man wahrlich von einem tollen Riesenbündel von Maßnahmen sprechen, das jetzt endlich zur Umsetzung gelangt und damit die Familien entlastet und endlich wieder Mut macht, ja zu Kindern zu sagen.

So wird unser Land Österreich wieder kinderfreundlicher und auch wettbewerbsfähiger werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zuge­hörigkeit.)

11.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Vladyka. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.47.49

Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Prä­sident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich freue mich natürlich ganz besonders, dass nunmehr mit dem Beschluss des Gesetzgebers ein weiterer wichtiger Grundstein für die Bildungschancen unserer Kinder und damit für die Weiterentwicklung unseres Staates gelegt ist.

Schon Adalbert Stifter hat treffend gemeint: Auf der Familie ruht die Kunst, die Wissen­schaft, der menschliche Fortschritt und damit auch der ganze Staat.

Das heißt, wir sind aufgerufen, die notwendigen Rahmenbedingungen hierfür sicher­zustellen und vor allem so sicherzustellen, dass der soziale Friede gewahrt ist. Der soziale Friede ist ja der Ursprung einer friedlichen Gesellschaft, und mit dem verpflich­tenden kostenlosen Kindergartenbesuch im vorliegenden Ausmaß sind wir dem ja einen wichtigen Schritt näher gekommen.

Niederösterreich hat, und das ist ja auch schon kurz angesprochen worden, unter so­zialdemokratischer Zuständigkeit – ich erinnere an Frau Landesrätin Traude Votruba – Jahrzehnte lang überhaupt für alle Kinder ab vier Jahren, und, wenn Platz war, auch ab drei Jahren, ganztags den Besuch der Kindergärten, je nach Verfügbarkeit, kostenfrei angeboten.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 59

Erst seit der Änderung des Kindergartengesetzes im Jahre 1999, wo ab August 1999 der Aufenthalt in Bildungszeit am Vormittag und Betreuungszeit am Nachmittag aufge­teilt wurde, ist nunmehr der Besuch am Vormittag, also während der Bildungszeit, für alle Kinder ab drei Jahren und seit 2008 auch für die Kinder ab zweieinhalb Jahren kostenfrei.

Für Niederösterreich bedeutet die nunmehr zur Beschlussfassung vorliegende Rege­lung, dass es für das Kindergartenjahr 2009/2010 13,7 Millionen € an zusätzlichen Zuschüssen gibt, und für die weiteren Jahre gibt es für diese Zuschüsse bereits eine Zusage. Dies bedeutet für Niederösterreich die einmalige Chance, damit auch den ganztägigen kostenlosen Besuch der Kindergärten wieder zu finanzieren, denn leider können es sich die Eltern nicht aussuchen, ob sie am Vormittag oder am Nachmittag einer Beschäftigung nachgehen wollen.

Wenn wir schon immer davon reden, wie wichtig die Vereinbarkeit von Beruf und Fa­milie ist, vor allem in Zeiten wie diesen, in denen immer mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt verlangt wird, darf die Möglichkeit der Kinderbetreuung nicht vom Geldbörsel der Eltern abhängen.

Ein wichtiger Schritt ist ja mit dieser heutigen Beschlussfassung getan – und nun sind natürlich auch die Länder gefragt, weitere und vor allem richtige Schritte zu setzen. Heute soll ja zeitgleich eine Novelle zum Kindergartengesetz im Niederöster­reichi­schen Landtag beschlossen werden, wo auch die Sozialdemokraten einen Antrag auf Entfall der Bestimmungen bezüglich des Kostenbeitrags für die Betreuung von 13 Uhr bis 17 Uhr und der Verwendung der hier beschlossenen Zuschüsse für den ganz­tägigen kostenlosen Besuch der Kindergärten einbringen werden. Ich hoffe, dass das Land Niederösterreich dem die Zustimmung erteilt.

Die Gemeinden tun ja ohnehin das Ihrige dazu. Ich bin hier besonders auch auf meine Gemeinde stolz. Wir bieten Kinderbetreuung von null bis 16 Jahren in den verschie­densten Einrichtungen an. Wir haben erst im vergangenen Jahr drei neue „Mobi Kids“-Kindergartengruppen für die Zweieinhalbjährigen eröffnet, und für den Neubau dieser drei Kindergruppen, die wir im nächsten Jahr einrichten werden, sind 1,040 Millionen € vorgesehen. Für die gesamte Kinderbetreuung, ohne Neubaukosten und Vereinsför­de­rung, gibt meine Gemeinde jährlich rund eine halbe Million an Gemeindezuschüssen, das sind rund 70 Prozent der Gesamtkosten, aus. Das ist natürlich auch etwas, das man nicht unerwähnt lassen soll.

Wir sind bestrebt, mit diesen Maßnahmen einen weiteren wichtigen Mosaikstein in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu setzen, aber vor allem sollen die Chancen für die Zukunft unserer Kinder mit dem Ausbau dieser so wichtigen Bildungs­einrichtungen – Bildung ist nun einmal der Schlüssel für die Zukunft – verbessert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade Betreuungseinrichtungen wie zum Beispiel Kindergärten sollen ja zentrale Bildungseinrichtungen darstellen, die auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind und keinesfalls als „Aufsichtsanstalten“ ge­sehen werden dürfen. Und so gilt es, spezielle Bildungsangebote, pädagogische Kon­zepte auf unsere Kleinsten zugeschnitten zu erstellen, diese methodisch an den Entwicklungsstand der Kinder anzupassen und entsprechend umzusetzen. In spiele­rischer Form soll die Förderung der Neigungen, das Erlernen von sozialen Fähigkeiten und die Begleitung in der Persönlichkeitsentwicklung genauso möglich sein wie die Unterstützung im Erwerb von Fähigkeiten, die für die Schule wichtig sind. – So Mag. Staar in einem Kindergarten-Bericht.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, nützen wir die Chancen für die Kleinsten, denn wie sagt ein Sprichwort aus den USA? –: Wir sollten uns weniger bemühen, den


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Weg für unsere Kinder vorzubereiten, als unsere Kinder für den Weg. Die Kinder haben ein Recht darauf.

In diesem Sinne danke ich allen, die stets für unsere Kleinsten da sind. Wir werden selbstverständlich gerne dem Beschluss des Nationalrates zu dieser Vereinbarung unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundes­räten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Ebner. – Bitte.

 


11.54.02

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Es ist tatsächlich so, dass wir heute eine sozialpolitische, familienpolitische, bildungspolitische und gesamtgesellschaftliche Diskussion hier zu einem Tagesordnungspunkt haben, bezüglich dessen einzelne Bundesländer – Frau Staatssekretärin, Sie haben es schon angesprochen – bereits erste Schritte gesetzt haben und wo nunmehr der Bund, die Republik Österreich, in die Verpflichtung ein­steigt, entsprechend tätig zu werden.

Frau Staatssekretärin, Sie haben auch angesprochen, dass das Bundesland Kärnten mit den Jahren 2006, 2008 ein Kindergartenjahr für die Fünfjährigen eingerichtet hat, das sowohl gratis als auch verpflichtend ist, und dass hier entsprechende Erfahrungen gesammelt werden konnten. Daher bedauere ich es umso mehr, dass Herr Helmut Mödlhammer – und das ist ja nicht irgendjemand, sondern das ist der Bürgermeister einer Salzburger Gemeinde und Gemeindebundpräsident – hier Kritik geübt hat, dass die Umsetzung des verpflichtenden Kindergartenjahres in Österreich chaotisch sei.

Ich glaube, dass sich Herr Bürgermeister Mödlhammer sicherlich da noch nicht konkret informiert hat, da hier von einem Chaos keine Rede sein kann. Er hätte nur nach Kärnten zu kommen brauchen, um das feststellen zu können, oder auch in andere Bundesländer, denn die Bevölkerung greift dieses Angebot sehr gerne auf. Wir haben da eine Zustimmung von über 99 Prozent zu verzeichnen. Diejenigen, die für ihre Kinder dieses verpflichtende Kindergartenjahr nicht in Anspruch nehmen konnten, haben vor allem medizinische Gründe, aber auch eine zu große Entfernung dafür ange­geben. Das ist auch in dem entsprechenden Entwurf und in der zur Beschluss­fassung vorliegenden Form der Artikel 15a-Vereinbarung deutlich aufgelistet.

Das heißt also, die Entscheidungsträger in den Ländern, im Bund und hier im Bun­desrat folgen nicht nur politischen Forderungen der Bevölkerung, sondern folgen auch den Ergebnissen der Forschungen, und nicht nur der Gehirnforschung, dass wir im Rahmen dieser Maßnahmen ein Jahr vorher mit den Kindern zusammenkommen sollten; mit „wir“ meine ich die Pädagogen. Aus diesem Grunde ist mit Recht ange­sprochen worden, dass wir von Kindergartenpädagogen sprechen, auch von der Frühförderung, und nicht mehr der traditionelle Begriff KindergärtnerInnen im Mittel­punkt steht.

Daher ist es auch legitim, darauf hinzuweisen, dass wir vor wenigen Wochen hier eine bildungspolitische Diskussion mit Frau Bundesminister Dr. Schmied hatten. Schon damals wurde bedauert, dass einzelne Teile der ÖVP-Fraktion sich nicht über diese 10 Prozent-Hürde drüber wagten oder drüber wagen konnten, als wir die Gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen hier in Diskussion hatten. Im Vorblatt zu dieser Vereinbarung wird bei den Zielen nämlich eindeutig davon gesprochen, dass wir allen Kindern die besten Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufs-


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leben, unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft, zu bieten haben. Und daher ist eine entsprechende verpflichtende und für die Eltern kostenfrei stellende Maß­nahme gerechtfertigt.

Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass die sozioökonomische Herkunft bei Kindern mit 14 Jahren auf einmal keine Bedeutung mehr hat, sondern quasi hier enden sollte.

Daher darf ich noch einmal darauf hinweisen: Das Kindergartenjahr – mit diesem Modell: gratis und verpflichtend – ist eine bildungspolitische, eine gesellschafts­politi­sche Maßnahme. Vor allem sind es die Ein-Kind-Familien, die hier präsent sind, und wir haben es vermehrt mit allein erziehenden Müttern und Vätern zu tun. Und wir wissen auch, dass es 50 Prozent Scheidungen gibt, wo Kinder ebenfalls mit betroffen sind. Daher ist es umso wichtiger, dass die Familien entlastet werden.

Weil die Kollegin die Tiroler Ergebnisse angesprochen hat und betont hat, was hier von den Bundesländern eingebracht worden ist, darf ich sagen: Wir können das sicherlich auch von Kärnten sagen. Und jeder Repräsentant aus den Bundesländern kann dies für sein Bundesland ebenfalls tun.

Frau Staatssekretärin, Sie werden sicher auch Verständnis dafür haben, dass ich das nicht im Detail aufliste – wir könnten das Kärnten betreffend sicherlich auch minutiös auflisten –, sondern nur die Summe erwähne. Es ist etwa der Betrag von 63 Millionen € im Jahr 2008 gewesen; aber das ergibt sich wohl aus den Aufgabenstellungen der Bun­desländer. Wohl aber ist hier auch anzusprechen, dass die Träger der Kinder­gärten, und das sind 60 Prozent, die Träger der öffentlich-rechtlichen Institutionen, die Gemeinden, natürlich auch Kosten zu tragen haben.

Unser Bürgermeister Linder aus der Gemeinde Afritz hat als Abgeordneter zum Nationalrat deutlich gemacht, dass nur ein Drittel der Kosten vom Bund tatsächlich übernommen wird und dass wir – Sie haben es angesprochen, in diesen Jahren ist es budgetär fixiert, aber die nachfolgenden Jahre sind auch von unseren Nationalrats­abgeordneten angesprochen worden – hier eine entsprechende Wertsicherung, auch eine Wertsicherungszusage vom Bund haben wollen, dass diese Mittel dann auch in Zukunft in derselben Höhe, wenn nicht gar in einer größeren Höhe, fließen werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Frau Staatssekretärin Marek, Sie haben aber auch etwas anderes angesprochen, nämlich die bildungspolitische Aufwertung der Ausbildung der Kindergartenpäda­gogIn­nen. Da ist es so, dass von Klagenfurter Seite Frau Direktor Marisa Krenn-Wache, Leiterin der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik in Klagenfurt, BAKIPÄD, federführend nicht nur in Österreich, sondern in Europa hier Informationen gesammelt hat und auch deutlich macht, dass dieser pädagogische Schritt richtig und notwendig ist.

Folgendes darf ich Ihnen mitgeben: Genau dieselbe Diskussion bezüglich der Kosten hatten wir vor etwas über zehn Jahren, als die kindergartenpädagogische Ausbildung von der dreijährigen, vierjährigen zur Maturaausbildung geworden ist. Natürlich haben hier auch die Gemeinden gesagt: Wie finanzieren wir das, dass nunmehr die Kinder­gartenpädagogInnen als MaturantInnen anzustellen und zu entlohnen sind? – Aber hier haben die Gemeinden und die Länder deutlich gemacht, dass die bessere Ausbildung und auch entsprechend bessere Dotierung im Sinne der Kinder der richtige Weg sind.

Ich bin überzeugt davon, dass wir auch diesen Weg beschreiten werden, dass wir auch hier eine Fachhochschul- oder im Rahmen der Pädagogischen Akademien eine gesamtpädagogische Ausbildung bekommen und daher auch eine entsprechende kindergartenpädagogische Ausbildung auf einem entsprechend erweiterten Niveau.


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Zusammenfassend: Diese Artikel-15a-Vereinbarung, die nunmehr zum Beschluss vor­liegt, ist eine Entscheidung, die in Kärnten entsprechend abgedeckt, abgesichert ist. Die Unterstützung des Bundes in der Größenordnung der entsprechenden Prozent­sätze ist nicht so groß, dass nicht vom Bundesland beziehungsweise von den Gemein­den noch weitere Mittel aufgebracht werden müssen.

Wir sehen auch diesem Schritt mit Zuversicht entgegen, da es ein weiterer Schritt auch aus einer gesellschaftlichen Notwendigkeit heraus ist, und ich bin überzeugt davon, dass sich der Bund hier anschließen wird und auch eine Wertsicherung oder eine bessere Dotation der Mittel gegenüber den Bundesländern und Gemeinden zusichern wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörig­keit sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Staats­sekretärin Marek. – Bitte.

 


12.02.58

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Gestatten Sie mir, dass ich noch einmal kurz das Wort ergreife. – Sie haben etwas gesagt, Herr Bundesrat Mag. Ebner, das ich berichtigen möchte: Sie haben Herrn Präsidenten Mödlhammer mit Kritik zur vermeintlich chaotischen Um­setzung des Gratis-Kindergartenjahres beziehungsweise des verpflichtenden Kinder­gar­ten­jahres zitiert. – Da sind Sie einem Irrtum unterlegen, Herr Bundesrat.

Es hat tatsächlich vor mehreren Wochen eine Schlagzeile in der „Kronen Zeitung“ gegeben, wo genau das zitiert wurde. Bei näherer Befassung damit – Herr Präsident Mödlhammer hat das selbst dann auch so gesagt – stellte sich heraus, dass er in einer Presseaussendung im März 2008, Herr Bundesrat, die Umsetzung der ersten Artikel-15a-Vereinbarung kritisiert hat, die von den Ministerinnen Bures und Kdolsky vorgenommen wurde, und dass da einfach in der mehr oder weniger gegebenen – oder auch nicht gegebenen – journalistischen Gründlichkeit eine alte Presseaussen­dung in einem neuen Zusammenhang neu zitiert wurde.

Mir war es wichtig, das Bild entsprechend zurechtzurücken. Selbstverständlich ist der Gemeindebund für uns ein wichtiger Gesprächspartner gewesen, zumal die Gemein­den ja unmittelbar betroffen sind. Der Gemeindebund trägt diese Artikel-15a-Verein­barung auch voll mit. Wir haben die Aufteilung der Mittel zwischen Land und Gemeinde auch explizit in der Artikel-15a-Vereinbarung festgehalten – was vielen Ländervertrete­rinnen und -vertretern gar nicht so recht war, das können Sie mir glauben.

Und was die Mittel betrifft, die zu wenig wären und 2013 ja auch noch mehr sein sollten: Diese Forderung hat auch Herr Landeshauptmann Dörfler immer wieder ganz vehement erhoben. Das erstaunt insofern ein bisschen: Hier geht es um den Entfall der Elternbeiträge, die wir den Ländern ersetzen, und um die Schaffung der zusätzlichen Plätze, die notwendig sind. Gerade ein Bundesland wie Kärnten, das diesen Gratis­kindergarten ja ohnehin schon umgesetzt hat, lange bevor der Bund diese Initiative gesetzt hat, kann nicht sagen, dass den Ländern aufgrund der Bundesinitiative exorbitant höhere Kosten entstehen.

Diese Argumentation, Herr Bundesrat, ist also ein bisschen „hatschert“. Aber wir sind uns natürlich der Problematik bewusst, dass Kinderbetreuung insgesamt einen höhe­ren Aufwand bedeutet. Dazu bekennen wir uns – deswegen geben wir ja von Bundes­seite jährlich 70 Millionen € in einen Bereich, der sowohl in der Gesetzgebung als auch


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in der Vollziehung zu 100 Prozent Länderkompetenz ist. Aber wir bekennen uns zu die­ser gemeinsamen Aufgabe. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider zu Wort. – Bitte.

 


12.05.38

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildungspolitisch ist das, denke ich, ein wahrer Meilenstein. Jetzt haben wir schon sehr viel über die Kosten gehört, und ich denke mir: Dass es kostenfrei für die Eltern, für die Erziehenden ist, ist im Grunde eine wesentliche Rahmenbedingung, damit das, was wir bildungspolitisch wollen, überhaupt funktionieren kann. Das heißt, das eine ist die Rahmenbedingung für das andere.

Es wird immer wieder diskutiert, und daher erlauben Sie mir, hier ein paar kleine Anmer­kungen zu Bildungsfragen zu machen, ein paar Dinge zu erläutern.

Was die Geschichte mit Vorschule und Kindergarten betrifft, so ist das eine Diskussion, in der ich immer wieder vonseiten auch der FPÖ höre, dass sie da sehr stark für die Vorschule wäre.

Hier gibt es wirklich einen Unterschied, denn: Der Kindergarten ist der Bereich des nonformalen Bildungssystems – ich werde dann auch kurz erklären, was das ist –, und die Schule, somit auch die Vorschule, des formalen Bildungssystems.

Was heißt das? – Das Nonformale heißt, dass der Strukturierungsgrad geringer ist, dass es aber trotzdem zielorientierte Lernprozesse gibt, dass es keine Zertifikate und keine Zertifizierungen gibt, dass es in diesem Zusammenhang natürlich auch – so wie das auch in der Pädagogensprache heißt – keine Sanktionen bei Misserfolg gibt. Und es ist wichtig, dass, gerade wenn wir von einem wichtigen bildungspolitischen Meilen­stein reden, die Verantwortung, aus der öffentlichen Hand hier etwas zu geben und hier wesentlich etwas zu investieren, schon im nonformalen Bereich beginnen muss.

Aber warum? – Weil der Kindergarten letztlich das Eingangstor hin zur Schule ist – und der Vorschulbereich lediglich ein Bereich ist, der die Möglichkeit schafft, sich in der Schule noch ein Stück besser und leichter zurechtzufinden. Das war immer die Grundidee dieses Ansatzes. Der Kindergarten ist aber von seinem Bildungsansatz her etwas ganz, ganz anderes.

Zweiter Punkt: Bildung. – Das wurde auch immer diskutiert. Ich freue mich wirklich, dass es diesen österreichweiten Bildungsrahmenplan gibt, der jetzt im Herbst als Pilot anläuft. Herzliche Gratulation an alle, die das ermöglicht haben!

Es wurde ja schon früher von meinen VorrednerInnen, nämlich aus allen Fraktionen, angesprochen, dass es, was Bildung betrifft, im Kindergarten nicht nur um die Sprachförderung geht. Das ist nur ein kleiner, eingeschränkter Bereich. Ich bin aber über diesen Bereich sehr, sehr froh, weil er sichtlich die Gesamtpolitik plötzlich sehr stark mobilisiert hat, über alle Fraktionsgrenzen hinweg zu sagen: Da tun wir etwas! Aber unser Anliegen, gerade innerhalb der Volkspartei, war in den bildungspolitischen Diskussionen immer dahin gehend – ich denke da gerade auch an die Steirische Volkspartei, schon vor Jahrzehnten, an unsere bildungspolitischen Büchlein und Denk­werkstätten et cetera –, dass es mehrere Bereiche gibt und dass wir im Kindergarten vom Wort „Bildung“ sprechen.

Aber: Was ist Bildung? – Keine Angst, es kommen keine tausend Definitionen, es kommt nur eine einzige, und die, glaube ich, trifft am ehesten das, was Kindergarten-


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bildung möchte, nämlich: Bei der Bildung geht es um einen lebenslangen Prozess, der eine aktive Auseinandersetzung mit sich selbst, mit den Menschen und mit seinem Umfeld und seiner Umwelt fördern will. – Ich glaube, in diesem Sinne ist es genau der bildungspolitisch richtigste, wesentlichste und wichtigste Schritt, den wir unternehmen konnten, dass wir im Kindergartenbereich ansetzen.

Aber – und das möchte ich auch dazusagen: Da möchte ich gerade in Richtung unserer Staatssekretärin Marek ein herzliches und aufrichtiges Danke sagen, denn sie gehört meines Erachtens zu jenen Persönlichkeiten in diesen politischen Umfeldern, die, auch was Familienbild betrifft, einiges ins richtige Licht gerückt haben – machen wir uns doch nichts vor: Das Familienbild ist nicht nur eines, das sich so manche Gruppen in unseren unterschiedlichen gesellschaftlichen Ecken so vorstellen – denn jeder in seinem Eck glaubt, das, was er unter Familie versteht, ist es. Wissen Sie, das – wie ich immer so schön sage – „industrialisierte Familienbild“ von Vater, Mutter und Kind ist ja auch nicht ein Bild, das es seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden gibt.

Wenn wir uns die Veränderung der Familienbilder heute so anschauen, dann müssen wir sagen: Die Haushaltsformen im 19. Jahrhundert waren, dass überwiegend die Großfamilie, mit fünf Mitgliedern plus, gezählt hat. Schauen wir in das Jahr 1960: Da waren es Familien mit einem Kind. Schauen wir andererseits heute die Haushalts­formen um das Jahr 2010 an! – Nur an all diesen Punkten können Sie schon sehen, welche hier dominieren, nämlich die verschiedensten: kinderlose Paare, homosexuelle Paare, Restfamilien – wie das eben im soziologischen Sinn heißt –, Alleinerziehende mit Kindern, Paare mit einem Kind, Paare mit zwei Kindern, Patchwork-Familien, neue Drei-Generationen-Familien, Alleinerziehende mit zwei Kindern.

Und jetzt sage ich Ihnen: Gott sei Dank! Wir haben ein wunderbares plurales gesell­schaftliches Bild! Aber wenn wir bildungspolitisch etwas verändern wollen und wirklich in dieser Gesellschaft, in dieser österreichischen Gesellschaft etwas prägen wollen, dann können wir uns vor solchen soziologischen Befunden und letztlich empirischen Daten – nicht irgendwelchen Zukunftsdaten, sondern jetzt seienden! – nicht ver­schließen.

Dann gehört natürlich auch dazu, sich zu überlegen: Wie sehen die Betreuungsplätze aus? Ich sage hier schon voll überzeugt, so einfach können wir es uns nicht machen, zu sagen: So, das war jetzt der Kindergarten, jetzt sind wir fertig, jetzt sind wir am Ende mit all unseren Überlegungen! – Denn so ist es nicht! Ich habe mir eine sehr inter­essante Prozentzahl aus dem neu erschienenen Nationalen Bildungsbericht, den ich für sehr lesenswert halte, herausgeschrieben, nur bin ich nicht sicher, ob da alle Prozent­zahlen genau übereinstimmen mit denen, die hier in unterschiedlichen Frak­tionen teilweise zitiert werden.

Erstmals wird hier nämlich klar festgehalten, dass wir – das hat Frau Staatssekretärin Marek schon angesprochen –, was die Quoten betrifft, was Kindergarten betrifft, der Drei- bis Fünfjährigen und so weiter, sehr gut unterwegs sind und dass diese paar Prozentchen, die da oder dort in einem Bundesland noch fehlen, wie wir es ja gehört haben, in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr aufgeholt werden. Darin sehe ich überhaupt kein Thema.

Aber das Thema liegt schon ein bisschen auch davor, und da sollten wir uns als Päda­gogen und Pädagoginnen auch von einer ideologischen Diskussion ein bisschen entfernen. Es ist vielleicht merkwürdig, das von einem katholischen Theologen, aus dem Munde eines Religionspädagogen zu hören, aber: Von vornherein zu sagen, wenn jemand sein Kind auch vor dem dritten Lebensjahr einer fremden Betreuung anvertraut, wenn ich das so sagen darf, dass dieses Kind schlecht betreut wird, dass sein Vater ein Rabenvater oder seine Mutter eine Rabenmutter ist – bitte schön,


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schminken wir uns das ab! Wissen Sie, worum es letztendlich nämlich geht? Es geht hierbei um die Qualität der Betreuung! Und es ist pädagogisch nachgewiesen, ... (Bundesrat Kalina: ... ÖVP!)

Nein, nein. Moment! Herr Kollege Kalina, ich verstehe diese Einwürfe von Ihrer Seite. Aber was ich nicht verstehe, ist, dass sie gerade bei diesem Thema kommen. Deshalb mache ich da keinerlei Schuldzuweisungen – davon halte ich gar nichts –, denn ich glaube, da sind wir auf einem ganz tollen Weg, hier in dieser Kammer und auch aufseiten dieser Regierung. Was meine ich damit? – Dass wir bildungspolitisch nur etwas weiterbringen, wenn wir es gemeinsam angehen. Und das finde ich großartig! (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

Das hat sich ja auch anderswo gezeigt: Schauen Sie, der eine Anfang ist der Kinder­garten, und dann gibt es auch noch so einen „Zwischenstopp“, den wir jetzt zum Glück auch gemeinsam „gepackt“ haben – es sind sichtlich auch die Frauen, die da einiges weiterbringen –, das ist die Maturareform. Ich bin auch froh darüber, dass wir da etwas weiterbringen. Es geht eben nur gemeinsam, und mit gegenseitigem Zuweisen von Schuldgeschichten kommen wir keinen Schritt weiter.

Worauf ich aber hinweisen will, ist Folgendes: Es ist klar und deutlich zu sagen, dass Betreuung dort sehr wohl wichtig und richtig ist, wo sie die dementsprechende Qualität hat. Es hat dort keinen Sinn, wo Betreuung, was Personen betrifft, ständig wechselt. Das sind zum Beispiel Kriterien! Aber dort, wo zum Beispiel die Zeitressourcen von Mutter und Vater aufgrund – wir haben es heute schon gehört, Elisabeth hat es angesprochen – unterschiedlicher Arbeitszeit und auch Freizeitbedingungen anders geregelt sind in dieser Gesellschaft mit diesen unterschiedlichen Familiengemein­schaftsformen, wenn ich das einmal so sagen darf, Beziehungsformen, ist es auch wesentlich, dass wir das genau betrachten und uns hier auch von manchen sofort schlagenden ideologischen Grundvorstellungen entfernen.

Da bin ich dir, liebe Frau Staatssekretärin Marek, sehr, sehr dankbar, dass du hier als eine, die selbst jahrelang in unterschiedlichen Arbeitsprozessen gestanden ist, die selbst ihre Familien- und Partnerschaftsbiographien hat, hier wirklich zeigst, dass das Familien- und Gemeinschaftsbild heute ein anderes ist und das heute auch anderes erfordert. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar, weil damit wirklich ein Meilenstein gelungen ist.

Zum Schluss möchte ich noch auf einige Herausforderungen zu sprechen kommen. Das eine habe ich angesprochen: Das mit der Quote kann man sehr rasch diskutieren. Wir wissen, da wird von der EU einerseits 90 Prozent vorgegeben, und für die Unter-Dreijährigen 33 Prozent. Da gibt es sicher bei Zweiterem noch etwas zu tun. Aber drei Dinge scheinen mir ganz wichtig zu sein:

Erstens – es wurde auch bereits angesprochen –: Bitte schauen wir zu, dass alle Pädagoginnen und Pädagogen aus dem Kindergartenbereich für ihre Ausbildung, Fort- und Weiterbildung in den tertiären Bereich der Pädagogischen Hochschulen kommen. Da kommen wir, bitte, nicht umhin! Und legen wir da auch, alle gemeinsam, so manche Ressortzuständigkeiten – wer denn dann für wen zuständig ist – einmal weg und stellen wir die Frage: Was ist hier sinnvoll?

Ich möchte hier auch gleich etwas deponieren, das ich überall jetzt deponiere, weil ich es für wichtig halte, dass man das gleich im Schwung mitnimmt: Bitte, nicht nur die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen, sondern auch die Sozialpädagoginnen und -pädagogen, die sind alle jetzt in Kollegs! Und ich weiß, dass es bereits einen regen Schriftverkehr gibt zwischen Ministerium, der Frau Bundesministerin Schmied, und denjenigen, die draußen in diesen Kollegs sind. Die wollen nämlich dort hinein! Ich weiß, dass diese natürlich sehr stark von den kirchlichen Einrichtungen getragen


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sind und nur in sehr geringem Maß von den öffentlichen. Und ich bitte, dass diese mit­verhandelt werden, denn gerade wenn man sich ein wirkliches neues Bildungsmodell anschaut, das ja einen Tag oder eine Woche betrifft, dann gehören alle pädagogischen Bereiche mit dazu. Und ich glaube, dass die Sozialpädagoginnen und -pädagogen hier hereingehören.

Zweiter Punkt: Forschung. – Es gibt in Österreich keine Forschungen, was die Auswir­kungen der verschiedenen Formen von frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erzie­hung betrifft, nämlich was die verschiedenen Kompetenzbereiche und was die ver­schie­denen Bildungslaufbahnen betrifft. Ich bitte, das auch mit zu bedenken.

Ein Letztes – das habe ich am Anfang schon gesagt, und damit möchte ich auch schließen –: Ich freue mich, dass es diesen Bildungsrahmenplan geben wird. Ich freue mich ganz besonders, ich habe ihn schon studiert. Ich weiß nicht, ob ich ihn ganz regulär bekommen habe oder nicht, aber ich habe ihn bekommen. (Ruf: Gott sei Dank!) Gott sei Dank!

Ich hoffe, es haben ihn auch alle hier Anwesenden schon studiert, denn das, was da drinnensteht, allein an Bildungsbereichen, halte ich insofern für bahnbrechend, als die formulierten Bildungsbereiche wirklich einen Übergang ermöglichen in die Lehrpläne, die es dann in der Volks- und Hauptschule gibt.

Etwas erfüllt mich allerdings ein wenig mit Trauer, muss ich dazusagen: dass der Über­gang von dem Rahmenplan, Bildungsplan Kindergarten in den Lehrplan Hauptschule und AHS-Unterstufe einfacher ist – von der Architektur her – als in die Volksschule und dass das, was wir an Volksschullehrplan jetzt gerade in Österreich entwickeln, kein neues Produkt ist, sondern ein Aufwärmen eines Lehrplans aus dem Jahr 1983.

Deshalb warne ich hier in pädagogischer Hinsicht davor, jetzt dazwischen so eine Kluft zu schaffen. Was meine ich damit? – Wenn man sich zum Beispiel die Bildungs­bereiche durchliest, steht da: Emotionen, soziale Beziehungen, Ethik und Gesellschaft, Sprache und Kommunikation, Bewegung und Gesundheit, Ästhetik und Gestaltung. Das steht im Bildungsrahmenplan des Kindergartens drin, und ähnliche Bereiche sind genau im Sekundarbereich 1 formuliert.

Der Volksschulbereich steht dem aber pädagogisch und von der Architektur eines Lehrplanes her weit hintennach. Und was ich jetzt sehe, was hier entwickelt wird – ich entschuldige mich für den Ausdruck, und jetzt bekomme ich wahrscheinlich einen Ord­nungsruf –, das ist ein Schmarren! Deshalb bitte ich, noch einmal darüber nachzu­denken, ob man nicht auch über den Lehrplan der Volksschule, schon bevor man ihn erlässt – und das ist ja letztlich auch eine Sache, die etwas mit Ministerien zu tun hat –, noch einmal nachdenkt, denn die Anschlussglieder passen hier nicht ganz.

Trotzdem ist der heutige Tag ein Freudentag, weil wir bildungspolitisch einen ganz wichtigen Grundstein setzen. Ich sage, von den Kosten, das sind die Rahmenbedin­gungen, aber was wir bildungspolitisch tun können, das setzen wir hier. Einen herz­lichen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben, und vor allem dir, liebe Frau Staats­sekretärin! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörig­keit.)

12.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bevor ich Frau Kollegin Blatnik das Wort erteile, stelle ich fest, dass „Schmarren“ nicht zu den verpönten Wörtern im Bundesrat gehört und keinen Ordnungsruf zur Folge hat. (Heiterkeit.)

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 67

12.21.29

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Gospa president! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Gospa državna sekretarka! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Drage kolegice, dragi kolegi! Es hat mich betroffen gemacht! Es hat mich betroffen gemacht, dass eine Partei Spaltung, Vorurteile, Spannung und sogar Hass schürt. Sie spaltet Kinder in – unter Anführungszeichen – „Gute“ und in „Schlechte“. Sie spaltet Kinder in Kinder Klasse 1 und Kinder Klasse 2.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf nicht unsere politische Zielrichtung sein, und das ist nicht unsere politische Zielrichtung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit.) Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Kinder können, ist einzigartig: Sie grenzen nicht aus! Kinder begegnen sich ohne Vorurteile, Kinder begegnen sich, ohne dass sie auf Hautfarbe schauen, ohne dass sie Sprachunterschiede von Anfang an kritisieren, ohne dass Nationalitäten für sie wichtig wären. Kinder begegnen sich unproblematisch – im Gegensatz zu Herrn Strache und seiner FPÖ! Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Zielsetzung sollte und muss sein, dass diese Verbesserung in der Bildungschance für unsere Kinder für alle Kinder gilt, ohne Ausnahme! Prozente sind hier nicht die Frage.

Der halbtägige Besuch des Kindergartens wird im letzten Jahr vor Schulbeginn ver­pflichtend für die Kinder und kostenlos für die Eltern sein. Das ist praktisch der Inhalt dieser Artikel-15a-Vereinbarung; die detaillierte Aufgliederung haben meine Vorred­nerinnen und Vorredner schon erwähnt. Ich möchte diese Artikel-15a-Vereinbarung aus einer pädagogischen Sichtweise – was auch mein Vorredner Andreas Schnider schon getan hat – kurz erwähnen. Ich möchte mich bei Herrn Andreas Schnider recht herzlich bedanken für seine Definition, was Rabenmütter und Rabenväter betrifft, und bitte ihn, dass er diese seine Definition auch weitertragen könnte, vor allem in der ÖVP.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Aufgabe der Kindergärten ist es, die Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz der Kinder zu fördern. Sie sollen zu eigenverantwortlichen, selbst­bewussten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten werden. Gerade die Gestaltung und Art der Angebote und Aktivitäten im Kindergarten sollen sich nach den Bedürf­nissen der Kinder und ihrer Umwelt orientieren. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die flexiblen Öffnungszeiten in den Kindergärten sehr wichtig und sind flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen besonders wichtig, vor allem hinsicht­lich der Kinderbetreuungseinrichtungen für die Unter-Dreijährigen. Da haben wir noch Lücken, und auch die Akzeptanz ist noch nicht gegeben.

In meiner politischen Tätigkeit sind Besuche in Kindergärten – in einsprachigen, in mehrsprachigen – besonders wichtig. In einem Kindergarten konnte ich auf einem Plakat an einer Haustür etwas lesen, was mich sehr inspiriert hat, nämlich – und ich zitiere –:

Bei uns lernen die Kinder fürs Leben. Den Kindern wird durch geführte Aktivitäten soziales Lernen, entdeckendes Lernen und lebensnahes Lernen vermittelt. – Zitatende.

Ich habe mich davon überzeugen können. Durch das gemeinsame Spielen, durchs Erzählen, durchs Zuhören, was andere Kinder erzählen, durchs Entdecken, durchs Experimentieren, durchs Gestalten und etwas Verändern, durchs Kennenlernen von Liedern und durch Singen entwickeln sie ein Gefühl für Rhythmus und Musik und sammeln eigene Erfahrung, erweitern das eigene Wissen und eignen sich bestimmte Tätigkeiten, Fertigkeiten und Kreativität an.

Erlauben Sie mir, noch einen Punkt zu erwähnen, der für mich auch sehr wichtig ist; es ist das, was die Frau Staatssekretärin schon erwähnt hat. Für viele Kinder ist es auch das erste Mal, dass sie Erfahrungen mit größeren Gruppen machen. Sie entwickeln


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 68

Sinn für die Gemeinschaft, entdecken eigene Stärken und Schwächen und lernen, damit umzugehen. Sie übernehmen Verantwortung, lernen aber auch, eigene Bedürf­nisse zugunsten anderer zurückzustellen, und dies ehrlich, ohne nachtragend zu sein.

Einen Punkt noch: Der Kindergarten ist keine Garderobe, an der man Kinder abgibt. Der Kindergarten ist neben der Unterstützung für die Eltern, dass sie Beruf und Familie besser vereinbaren können, eine wichtige Bildungseinrichtung, die den Kindern die beste Startchance mit höchster Qualität und Professionalität sichert.

Ich möchte mich bei allen Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen, bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, bei unserer Frauenministerin, bei allen Beamtinnen und Beamten für diese Arbeit recht herzlich bedanken!

Ich appelliere aber noch mit Bezug auf das, was meine Vorrednerinnen und Vorredner auch schon gesagt haben: Das ist der erste Grundstein! Sie haben es als Puzzle definiert, und dieses Puzzle muss einmal ein ganzes Puzzle sein. Die Schaffung der Rahmenbedingungen für die Qualität, die die Kindergartenpädagoginnen und -päda­gogen brauchen, muss fortgesetzt werden.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte.

 


12.29.35

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich ist die Einführung eines verpflichtenden kostenfreien Vorschuljahres ein wichtiger und positiver Schritt zur Förderung aller Kinder, unabhängig vom sozialen Hintergrund.

Die Einführung dieses kostenlosen Vorschuljahres ist deshalb besonders wichtig, weil die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens zur frühkindlichen Sprachstandsfeststellung ganz deutlich zeigen, dass Österreichs Vorschüler und Erst­klässler von gleichen Startbedingungen zu Beginn der Schulkarriere weit entfernt sind. Zumindest 15 Monate vor der Einschulung spricht fast jedes vierte Kind, also insge­samt um die 23 Prozent, so schlecht Deutsch, dass schon deshalb gröbere Probleme ins Haus stehen. Dabei haben sogar 10 Prozent der Kindergartenkinder mit Deutsch als Muttersprache sprachlichen Förderungsbedarf. Der Besuch des Kindergartens wirkt sich, wie die Studie belegt, sehr positiv auf die Sprachkompetenz aus.

Dennoch sind einzelne Punkte der Vereinbarungen im Detail zumindest diskussions­würdig. Gemäß der zu beschließenden Vereinbarung ist der verpflichtende Besuch des Kindergartens nur halbtags vorgeschrieben und auf das Unterrichtsjahr, also exklusive der dreizehn Ferienwochen, beschränkt. Aber diese Anlehnung an das Schulzeitgesetz und an die schulischen Ferienregelungen ist keineswegs familienfreundlich. Dies stellt keine Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar und geht mit an Sicher­heit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Frauen.

Klar ist bei dieser Vereinbarung nur, dass in diesen Zeiten der halbtägige Besuch auch kostenfrei sein muss. Ob für die Ferienzeit extra zu bezahlen sein wird, bleibt leider bislang offen. Die Kinderbetreuung soll jedoch für alle Altersgruppen ganztägig und ganzjährig angeboten werden. Ich glaube, das sind wir Österreichs Müttern ganz einfach schuldig.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 69

Ich meine auch, dass der ganztägige Besuch für die Fünfjährigen kostenfrei sein soll, die Kindertagesheime nicht mehr als 25 Schließtage im Jahr aufweisen sollen und auch der Besuch während der Ferienzeit für die Fünfjährigen kostenlos sein sollte. Natürlich sind zur Verwirklichung dieser umfassenden Zielsetzungen auch ent­sprechende Qualitätsstandards unabdingbar. Der Bildungsplan, auf den in der Verein­barung verwiesen wird, muss umgehend erstellt werden, und dies sollte einen Teil der Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG darstellen. In diesem Zusammenhang sind auch die bedingt durch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen komplizierten Aufgaben­verteilungen zu hinterfragen. Das inhaltliche Konzept ist dabei das Um und Auf.

Die Ausbildung der Kindergärtnerinnen erfolgt zurzeit an den Bildungsanstalten der Kindergartenpädagogik. Dazu möchte ich festhalten, dass in allen anderen EU-Län­dern die Ausbildung der KindergärtnerInnen schon lange auf Hochschulniveau erfolgt. Ich persönlich würde die Ausbildung über eine Fachhochschule bevorzugen.

Die Anstellungsbedingungen und Erfordernisse für KindergärtnerInnen sind in jedem Bundesland eigens geregelt. Vor Inkrafttreten müssen noch alle Bundesländer ihre Kindergartengesetze harmonisieren. Weiters ist eine Festlegung von Mindeststandards im Bildungsplan hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation des Personals, der Betreu­ungsschlüssel, der angemessenen Begrenzung der Gruppengrößen sowie der sonsti­gen infrastrukturellen Voraussetzungen aus meiner Sicht unabdingbar.

Im Großen und Ganzen ist die gegenständliche Vereinbarung sicherlich ein wichtiger Schritt, es sollte jedoch nicht der letzte in die richtige Richtung sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

12.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.33.53

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den letzten Redner ist es immer ein bisschen schwierig, neue Aspekte einzubringen. Deshalb werde ich mich nur ganz, ganz kurz zu diesem Thema äußern. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir Grüne fordern seit Jahren, dass ein Gratis-Kindergarten und ein verpflichtendes Kindergartenjahr kommen soll. Nun ist es so weit. In Oberösterreich werden wir schon ab September 2009 das verpflichtende Kindergartenjahr für alle Kinder ab fünf Jahren einführen, ebenso einen Gratis-Kindergarten und die Beitragsfreiheit der Krabbel­stuben sowie ein Gratis-Mittagessen.

Über die Rahmenbedingungen wurde auch schon sehr viel gesprochen. Dass man hier natürlich Optimierungsbedarf hat, ist, glaube ich, allen klar, sei es von der Ausbildung oder auch von der Gruppengröße her.

Was schon alarmierend ist, ist das Faktum, dass den KindergartenpädagogInnen mitt­lerweile das Wasser sozusagen bis zur Unterkante der Nase steht. Sie haben sich in einer Initiative organisiert, die „Kinderaufstand“ heißt, wobei sie auch angekündigt haben, es den Lehrern und Lehrerinnen gleichzutun, sodass sie Streikmaßnahmen ergreifen werden. Das sollte uns zu denken geben.

Wir alle wissen, dass es in diesem Bereich, wie schon oft angesprochen, eine große Dropout-Quote gibt beziehungsweise die Burn-out-Gefährdung eine sehr hohe ist. Wir setzen uns da natürlich ein und fordern eine bessere Bezahlung der Kindergarten­pädagogen und -pädagoginnen. Es soll selbstverständlich gleiche Mindeststandards


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für alle Kinder geben, egal ob in Wien, im Zillertal oder in Oberösterreich. Wir fordern auch einen Rechtsanspruch.

Das Ganze ist natürlich mit Kosten verbunden, das ist mir klar. Aber erlauben Sie mir da eine Anmerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist eine Frage der Wertigkeit. Geld ist vorhanden, das haben wir in den letzten Wochen, Monaten und Jahren ge­sehen, es ist nur die Frage, wofür es ausgegeben wird. Unsere Kinder, die Kleinsten, die unsere Zukunftsträger sein werden, müssen uns einfach das wert sein, von dem man sagt: Das ist das Beste, was ihnen zusteht und was wir ihnen zukommen lassen können. Da gibt es meines Erachtens Handlungsbedarf.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Marek, einen Punkt möchte ich herausgreifen, der mir aufgefallen ist und von dem ich glaube, dass in der Praxis Probleme auftreten werden. Es ist in der Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG unter anderem enthalten, dass es bei Kindern, die verpflichtet sind, den Kindergarten zu besuchen, Ausnahmen gibt, wenn zum Beispiel das Kind oder die Eltern erkrankt sind, wenn außerge­wöhnliche Ereignisse eintreten oder wenn man auf Urlaub fährt. Da ist es maximal drei Wochen möglich, das Kind vom Kindergarten abzumelden – sofern ich das richtig herausgelesen habe –, ohne dass es zu einer Verwaltungsstrafe kommt.

Aus der Praxis wissen wir, dass sehr viele Migranten und Migrantinnen mindestens drei, vier, fünf oder auch sechs Wochen in ihre Herkunftsländer auf Urlaub fahren. Ich glaube, sie sparen sich einfach Zeitausgleich an ... (Staatssekretärin Marek: Das bezieht sich nicht auf die Schulferien!) Drei Wochen? (Staatssekretärin Marek: Zusätz­lich zu den Schulferien!) Ach so, okay. Ich habe mir nämlich gedacht, wenn es so kommt, wird es sicher Probleme in der Praxis geben, weil da eben sehr viele auf Urlaub sein werden. – Gut, dann ist das ausgeräumt.

Dass von uns immer eine hundertprozentige Betreuungsquote eingefordert worden ist, brauche ich nicht extra zu betonen. Da werden wir sicher noch einigen Bedarf haben, das auszubauen, aber wir sind auf einem guten Weg.

Ihnen, Ihren Mitarbeiterinnen und allen, die sich in diesen Diskussionsprozess einge­bracht haben, einen herzlichen Dank! Wie auch Kollege Schnider schon angemerkt hat, ist dies ein richtiger Weg in die richtige Richtung. Dass da noch Verbesserungs­potenzial vorhanden ist, ist klar, aber die Richtung passt. – Danke. (Beifall bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

12.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Bures in unseren Reihen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 71

12.39.376. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (652/A und 212 d.B. sowie 8116/BR d.B. und 8127/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kalina. Bitte um den Bericht.

12.40.01

 


Berichterstatter Josef Kalina: Frau Minister! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird. Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach der Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


12.40.40

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass mit der heutigen Novelle zum Telekommunikationsgesetz wesentliche Eckpunkte be­schlos­sen werden. Es ist dies ein Schritt in die richtige Richtung und eine zukunftsfeste Novellierung, in deren Zustandekommen alle beteiligten, interessierten und betroffenen Gruppen involviert waren.

Diese Novellierung ermöglicht einen wirtschaftlicheren Aufbau neuer und eine Erneue­rung bestehender Infrastruktur. Außerdem wird durch Änderungen im Regulierungs­rahmen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Infrastruktur verbessert. Es ist für mich nicht nur wichtig und richtig, sondern es ist dringend notwendig, die Infrastruktur im Bereich der Telekommunikation auszubauen. Österreich hat im internationalen Ver­gleich, wie ein EU-Vergleich inzwischen zeigt, beim Festnetz-Breitband-Internet den Anschluss verloren und liegt somit unter dem OECD-Durchschnitt. Ich bin guter Dinge, dass wir mit dieser Initiative aufholen und wieder einen Spitzenplatz einnehmen wer­den.

Sehr oft wurden und werden in politischen Gesprächen Festnetz und Festnetztelefonie mit Telekommunikationsinfrastruktur verwechselt. Man sollte aber nicht Äpfel mit Birnen verwechseln! Argumentiert wird sehr oft damit, dass die Festnetztelefonie rückläufig ist, und dies ist auch korrekt und richtig, nur muss man wissen, dass für alle Telekommunikationsdienste von der Festnetztelefonie über Internetdienste, Mobil­telefonie bis hin zum digitalen Fernsehen eine entsprechende Infrastruktur Voraus­setzung ist.

Kommunikation ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Die Übermittlung von Infor­mation hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder geändert. Seit Jahrzehnten ist das Telefon fester Bestandteil unseres Lebens. Der Griff zum Telefon, ob Mobil- oder Festnetz, das Gespräche mit Menschen rund um die Welt ermöglicht, ist heute eine Selbstverständlichkeit.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 72

Als vor zirka 130 Jahren die Telefonie in Österreich begann, war das Telefon eine sensationelle Innovation. In diesen knapp 130 Jahren gab es Quantensprünge im Be­reich der Telekommunikation, wobei sich das Übertragungsmedium Kupferkabel bis dato nicht wesentlich verändert hat. Im Ausschussbericht heißt es: „Im Telekom­muni­kationsbereich, insbesondere im Festnetzbereich, stehen nachhaltige technologische Änderungen an. Die bestehenden Kupfernetze sind am Ende ihres technischen und wirtschaftlichen Lebenszyklus angelangt und sind durch neue Glasfasernetze samt IP-Technologie zu ersetzen. Nur durch diese technologischen Änderungen wird es möglich sein, den sich absehbar entwickelnden Kommunikationsbedürfnissen zu ent­sprechen.“

Da ich aus der Telekommunikationsbranche komme, bin ich für den gemeinsamen Antrag, den die Abgeordneten Mag. Hakl und Ing. Gartlehner im Nationalrat einge­bracht haben, um das Telekommunikationsgesetz zu novellieren, sehr dankbar. Ich möchte mich aber auch beim Kabinett und insbesondere bei dir, Frau Bundes­ministerin, und deinem Team für die kraftvolle Unterstützung dieses Projekts sehr herzlich bedanken.

Die Bundesregierung bekennt sich dazu, den Breitbandausbau in Österreich zu forcieren, wie das auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Es ist Aufgabe der Politik, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese Rahmenbedin­gungen müssen mit dem Schlagwort flächendeckend genauer definiert werden. Viele wissen, dass der Glasfaserausbau im städtischen Bereich kein Problem darstellt bezie­hungsweise darstellen wird. Mit städtischem Bereich meine ich unsere Landeshaupt­städte, andere Städte und auch Großgemeinden. Dort ist es sicherlich kein Problem, dass Infrastrukturunternehmen und Provider den notwendigen Glasfaserausbau vor­nehmen, beziehungsweise haben sie ihn teilweise sogar schon umgesetzt. Um für die nächste Generation von Breitbanddiensten vorbereitet zu sein, wird der Einsatz von Glasfaser bis zum Endkunden durch Fibre To The Home-Netzarchitekturen notwendig.

Eine große Herausforderung und eine große Kraftanstrengung wird die flächen­deckende Versorgung vor allem im ländlichen Raum darstellen. Immer wieder wird die Problematik des ländlichen Raums angesprochen und diskutiert. Für mich ist die Versorgung mit dem Medium Telekommunikation ein wesentlicher Teil der Nahversor­gung.

Die Investitionen ins Breitband bringen laut Wifo-Berechnungen eine deutliche Kon­junkturbelebung mit sich. Laut Arbeiterkammer könnten mit einer Investition von 100 Millionen € rund 1 300 Menschen in Beschäftigung gehalten werden. Weiters ist es wichtig, unseren Wirtschaftsstandort Österreich weiter zu sichern und auszubauen. Diese Investitionsoffensive hat gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine positive Auswirkung.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Das Informationsaufkommen und analog dazu der Datentransfer wachsen unaufhörlich. Wirtschaft, Gewerbetreibende, wirtschaftliche und private User fordern höhere Bandbreiten und höhere Geschwindigkeiten im Inter­net. Mit dieser Novelle werden die Grundlagen dafür geschaffen. (Allgemeiner Beifall.)

12.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


12.47.29

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kollege Sodl hat im Großen und Ganzen schon die Eckdaten dieser Novelle erklärt. Ich


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als Wirtschaftsvertreter bin sehr froh darüber, dass es hier Einstimmigkeit, eine All-Parteien-Zustimmung gibt, sogar von den Grünen. Vielen Dank dafür! Es ist ja nicht immer so. Ich erinnere nur an den Mobilfunk und so weiter.

Als Abgeordneter des ländlichen Raumes darf ich doch ein paar Aspekte erwähnen, wie ich sie für meine Region sehe beziehungsweise für das gesamte Bundesgebiet. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei dieser Novelle um ein künftiges Investitionsvolumen von in etwa einer Milliarde €, wenn wir von heute auf morgen das Breitband in Österreich wirklich flächendeckend installieren würden, was natürlich nur Wunschdenken sein kann.

Aus der Schladminger Region kommend bin ich jedoch schon vorrangig betroffen. Wir haben im Zuge der Ausrichtung der Alpinen Ski-Weltmeisterschaft 2013 auch auf Landesebene durchaus schon Maßnahmen gesetzt. Wir haben schon in der Gegen­wart immer zu wenig Kapazität in Bezug auf Breitband und Geschwindigkeiten. Bei diversen Großveranstaltungen, wie den Weltcup-Rennen, bei denen wir 50 000 Be­sucher haben, haben wir das Problem, dass der technische und technologische Aus­bau noch nicht entsprechend erfolgt ist.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich hoffe auf Sie und bitte Sie, hier auch mit Ihrem Ressort dazu beizutragen, dass die Alpinen Ski-Weltmeisterschaften auch auf dem Gebiet der Infrastruktur in unserer Region ein Aushängeschild für die Republik Österreich werden, denn letzten Endes ist auch für die letzte Alpine Ski-WM in St. Anton mit dem Bahnhof St. Anton, der sowieso notwendig gewesen wäre, eine Großinvestition im Infrastrukturbereich getätigt worden. Wir Steirer dürfen, glaube ich, schon appellieren, dass wir auch nicht viel schlechter behandelt werden sollten als die Tiroler. In diesem Sinn ist das eine sehr höfliche Bitte an Sie. Sie verfügen ja mit Ihrem Großressort doch über große Finanz- und Budgetmittel, und ich hoffe, dass hier innerministeriell doch eine gewisse Schwerpunktsetzung erfolgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht es insgesamt mit der Breitband­struktur in unserem Land aus? – Es gibt eine OECD-Studie, die besagt, dass wir im OECD-Bereich pro 100 Einwohner 22,7 Breitband-Anschlüsse haben. In Österreich sind wir mit 21,6 nahe daran; Deutschland hat mit 27,4 ein etwas höheres Niveau, was auch mit der Bevölkerungsstruktur, mit mehr Ballungszentren erklärbar ist.

Damit bin ich auch schon beim Thema Ballungszentren. Es ist klar, dass die Anbieter, die großen Mobilfunkbetreiber beziehungsweise zwei, drei Festnetzbetreiber sich sicherlich jede Investition überlegen werden, wenn es keinen Rückfluss und keine Refinanzierung gibt. Daher müssen wir den ländlichen Raum strukturell verstärkt unterstützen. Ich bin kein Verfechter der Verstaatlichung eines zukünftigen Breitband­netzes, denn letzten Endes hat uns die Erfahrung gezeigt, dass das an und für sich der Tod einer jeder Innovation ist. Es bleibt dann alles beim Alten, und die Dinge werden nicht besser. Niemand wird sich gerne daran erinnern, dass es zumindest in meinem Bezirk so war, dass man 1970 bis zu ein Jahr auf einen Festnetzanschluss gewartet hat. Diese Zeiten wollen wir sicherlich nicht zurückhaben, sondern wir wollen nach vorne schauen, wir wollen ein modernes Breitbandnetz in Österreich aufbauen.

Die arbeitsmarktpolitischen Folgerungen und Konsequenzen daraus, auch auf dem Gebiet der Frauenarbeitszeiten und der Frauenbeschäftigung, wird Ihnen noch meine Kollegin Anneliese Junker aus Tirol sehr einprägsam zu Gehör bringen. Ich denke, mit dieser Novelle ist ein erster Schritt getan, um die Zukunft zu bewältigen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

12.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 74

12.51.50

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist richtig, ich habe als Sprecher für Medien und Telekommunikation meiner Fraktion empfohlen, dieser Novel­lierung zuzustimmen, aber nicht, weil ich so wahnsinnig vor Begeisterung sprühe wie meine beiden Vorredner. Es ist ja auch eigentlich erstaunlich: Wir haben seit drei Jahren einen Masterplan, und das ist jetzt nach drei Jahren quasi die erste Initiative, die aus diesem Masterplan erwächst, eine Novellierung, die über Abgeordnete einge­bracht wird. – Soll so sein! Die Wege des Herrn sind manchmal nicht so leicht zu definieren und auch so mancher Gesetzesweg nicht.

Was mich jedoch schon wundert, Herr Kollege Perhab, zumindest wundert es mich bei der ÖVP, aber vielleicht ist das ja auch eine Aufgabe, die Sie im Sinne der Arbeits­teilung mir überlassen haben, ist etwas, das man hier schon einmal offen ansprechen muss. Sie freuen sich, wir freuen uns alle, denn immerhin schaffen wir damit doch eine Öffnung, mehr Wettbewerb, wir schaffen ein schnelleres, ein leichteres Verlegen von Glasfaserleitungen und auch einen leichteren Zugang zur Benützung bestehender. Das ist ja alles einmal im Prinzip positiv. Was jedoch schon auch passiert, lieber Herr Kollege, ist, dass wir da massiv in Eigentumsrechte eingreifen und dass es da zu mas­siven Besitzverschiebungen kommen wird. (Bundesrat Perhab: Im öffentlichen Inter­esse!)

Eingriffe in Eigentumsrechte – wir haben hier nicht einmal eine Folgekosten­abschät­zung. Zu dieser Novellierung gibt es keine Folgekostenabschätzung! Sie müssen bedenken, dass es zu einer massiven Eigentumsverschiebung kommen wird. Das bringt Folgekosten mit sich, und Sie müssen Dinge dulden, zum Beispiel als Haus­besitzer, auf die Sie innerhalb kürzester Fristen kaum mehr reagieren können. Das soll aber schon einmal ausgesprochen werden und bewusst sein. Es geht hier ja auch darum, dass Sie, wo die Benützung des öffentlichen Weges nicht möglich ist, Dul­dungsmaßnahmen zu erleiden haben. Ich möchte das nur einmal ausdrücklich festgestellt haben. (Bundesrat Perhab: Wir in der Steiermark haben schon in den achtziger Jahren im Zusammenhang mit den 380-kV-Leitungen Erfahrungen mit Eingriffen im öffentlichen Interesse gemacht!)

Ja, gut! Ich sage ja nur, da Sie es nicht getan haben, muss ich es machen. Der Eingriff in die Eigentumsrechte oder Besitzrechte wird in dieser Novellierung nicht groß argu­mentiert. Trotzdem, Sie kennen mich, gehe ich einmal davon aus – prinzipiell ist für mich das Glas immer halb voll und nicht halb leer –, dass das etwas Richtiges ist. Wenn wir am 2. Juni dieses Jahres wieder feststellen mussten, was meine Vorredner schon getan haben, dass wir im Bereich des Breitbandinternets einen sukzessiven Rückfall zu verzeichnen haben, dann, meine ich, müssen wir reagieren.

Kollege Sodl hat sich für die kraftvolle Unterstützung durch die Frau Bundesministerin bedankt. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Debatte über das Konjunktur­paket erinnern, in der sowohl Kollege Vizepräsident Himmer als auch ich gesagt haben, dass es außer Beton und Asphalt auch noch andere Dinge gibt. Wenn das Straße-Schiene-Paket 20 Milliarden € ausmacht, während wir hier in einer Zukunfts­branche, in der wir laufend technologische Erneuerungen haben, mit 10 Millionen € herumkrebsen, so würde ich das Wort kraftvoll in den Ausführungen des Kollegen Sodl gerne streichen und sagen: Wir bedanken uns für die Unterstützung, aber kraftvoll, Herr Kollege Sodl – jetzt kommt er gerade wieder herein –, ist die Unterstützung nicht. Gemessen an den 20 Milliarden € für Straße und Schiene sind diese 10 Millionen € Unterstützung für die Telekommunikation nur ein Klacks.

Wenn wir dann noch bedenken – wie das auch Kollege Perhab und Kollege Sodl gesagt haben –, wie viele langfristige Arbeitsplätze in Zukunft daran hängen, so würde


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 75

ich mir tatsächlich die kraftvolle Unterstützung wünschen, von der Kollege Sodl ge­sprochen hat, die aber leider nicht stattfindet.

Das Problem mit dieser Art von Anträgen ist auch, dass schon das alte TKG eine Art Mystifikation war oder ein besonderer Gipfel an Schwammigkeit. Ich verstehe schon, es kommen unglaublich viele neue Begrifflichkeiten, technologisches Know-how und so weiter auf. Die Interpretationsspielräume, die wir mit dieser Novelle für die Gerichte aufmachen, werden eigentlich nur größer, denn die Klarheit, die man sich gewünscht hat, die Genauigkeit der Formulierung sehe ich in diesem Telekommunikationsgesetz nicht. Trotzdem sage ich: Ja, es ist richtig.

Der Regulator wird immer wichtiger. Das heißt, die Interpretationsaufgabe des Regu­lators nimmt zu. Jetzt sagen Kritiker, dass, wenn der Spielraum des Regulators zu­nimmt, die demokratische Kontrolle abnimmt. Und es ist für Marktteilnehmer etwas schwierig, abzuschätzen, wenn ein Regulator so stark entscheidet, wie und zu welchen Bedingungen er überhaupt am Wettbewerb teilnehmen kann.

Insgesamt ist dieses Telekommunikationsgesetz etwas, das wir in einer alten Sprache – jetzt versuche ich, es in einer inkorrekten Sprache auszudrücken – einen Zwitter nennen. Es geht um ein zwitterhaftes Wesen, das zwischen der alten mono­polistischen Struktur und den neuen liberalen Wettbewerbsmöglichkeiten hin- und her­pendelt.

Ich bin ganz bei Frau Bundesministerin Bures, wenn sie um die generelle Postver­sorgung kämpft. Wir haben vier Unternehmen in unserem Land, die einmal starke Monopolbetriebe waren und die wir durch Liberalisierungen zum Teil einem Wett­bewerb ausgesetzt haben. Eigentlich sagen wir da immer nur: Hauptsache, wir drücken sie unter 50 Prozent, auch wenn kein volkswirtschaftlicher Sinn darin zu sehen ist. Es sind die Telekom, die Post, die Bahn und der ORF. Diese Unternehmen werden per Gesetz einem Wettbewerb ausgesetzt, ohne dass ein volkswirtschaftliches Gesamtziel gegeben ist.

Selbstverständlich kann man bei Infrastrukturen darüber diskutieren, Herr Kollege Per­hab, ob es sinnvoll ist, eine Infrastruktur, so wie zum Beispiel Straße oder Schiene, staatlich zu planen und auch zur Verfügung zu stellen. So könnte es auch im Breit­bandbereich sein oder bei allen Übertragungsformen. Es kann auch eine Frage sein, wie man das mit dem ORF macht, den ganzen 2 600 Sendeanlagen. Jetzt kann man sagen, die kann man privatisieren und jeder geht da hinauf, oder man kann einen Carrier-Vertrag mit einer Must Carry-Verpflichtung erstellen, was dann heißt, dass etwas mittransportiert werden muss.

Natürlich schaut es ein bisschen komisch aus, wenn Sie, Hausnummer, eine Werks­halle haben und verpflichtet werden, die Hälfte Ihrer Werkshalle Ihrem größten Konkur­renten zur Verfügung zu stellen. Das wird Sie wohl nicht freuen!

Aber genau in dieser Zwitterhaftigkeit bewegt sich die Telekommunikation. Einerseits werden Sie zu Duldung verpflichtet, andererseits werden Einspruchsmöglichkeiten eingeschränkt, die Sie als derjenige, der dulden muss, natürlich haben müssen. Das ist die grundsätzliche Problematik, die in diesem Telekommunikationsgesetz steckt.

Wenn wir schon diese grundsätzliche Frage stellen, wer über die Infrastrukturen denn eigentlich verfügt, so muss man doch sagen: Es gibt – das haben wir heute schon be­sprochen – unwirtschaftliche Doppelversorgungen gerade in Ballungsräumen, es gibt Unterversorgung in den Randzonen, es gibt Versorgungsunsicherheit, vor allem durch technische Schnittstellenprobleme, und es gibt wirtschaftlichen Verdrängungswett­bewerb. Und was sehr interessant ist: Plötzlich gibt es wieder neue Monopole! Plötzlich bilden sich neue Monopole heraus, wie wir es ja zum Beispiel im Bereich des Rund-


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 76

funkwesens beobachten mussten – dass nämlich aus einer reichhaltigen, vielfältigen Wiese plötzlich wieder eine neue Form eines dualen Systems entsteht. Das sind Dinge, die es dabei zu berücksichtigen gibt. Ich sehe es trotzdem positiv, was wir hier miteinander beschließen, nur waren mir die beiden Vorredner einfach zu euphorisch.

Von Euphorie kann da meiner Meinung nach keine Rede sein, vor allem nicht, wenn man sich die Digital Divide anschaut. Wir haben ja eine komplexe Digital Divide. Auf Initiative des Bundesrates – für all jene, die noch nicht so lange dabei sind – hat zu diesem Thema eine der meistbeachteten Enqueten stattgefunden, die wir hier je durchgeführt haben.

Dann fragt man sich, was denn seither eigentlich wirklich passiert ist. Wir haben nach wie vor eine Digital Divide zwischen Alt und Jung und eine zwischen städtischen Ballungszentren und ländlichen Regionen. Wir haben in Österreich, Kollege Schim­böck, wirtschaftlich gesehen, wenn wir unseren berühmten Atlas der Telekommuni­kations­netzwerke hernehmen, mindestens 20 Problembezirke! Die Lage dort wurde bis heute nicht wesentlich verbessert. Unternehmen, die sich in diesen Bezirken befinden, stecken voll in dieser Digital-Divide-Falle.

Digital Divides haben wir aber nicht nur zwischen Jung und Alt und zwischen Regionen, sondern auch ökonomisch. Wir, gerade die Bürgermeisterinnen und Bürger­meister in diesem Hohen Haus, müssen auch schauen, dass wir in jeder Gemeinde auch einen öffentlichen fixen Zugang schaffen, um diesen Nutzen zu haben.

Außerdem haben wir eine Digital Divide international, zwischen Nord und Süd. Das heißt, wir haben völlig unterschiedliche Digital Divides. Man kann das nicht immer nur in der Sprache des Wettbewerbs machen, indem wir sagen, die Deutschen sind bei 27 Prozent, wir müssen aufholen. Nicht jede Infrastrukturmaßnahme eignet sich für einen internationalen Wettbewerb zwischen Staaten, Städten oder Regionen, denn wir haben in diesem Bereich extreme Amortisationszeiträume.

Gerade bei Infrastrukturprojekten sind ja auch die Bedarfsplanungen von besonderer Wichtigkeit. Also dass wir jetzt drei Jahre nach Ausrufung des Masterplans hier erst­mals etwas vorgelegt bekommen, ist ja nicht unbedingt Ausdruck einer sehr sorg­fältigen wirtschaftlichen Bedarfsplanung, sondern eher dessen, dass es jetzt brennt. Und weil es brennt, sage ich Ja. Das Glas ist halbvoll, wir werden das weiter unter­stützen.

Frau Bundesministerin, ich denke, Sie kennen die Dramatik, die wir in diesem Bereich haben, auf unterschiedlichen Ebenen. Mit dieser heutigen Unterstützung und mit nur 10 Millionen €, Herr Kollege Sodl, werden wir das, was du vorhin als großes Ziel pos­tuliert hast, nicht schaffen. Denn immerhin gilt der Masterplan bis 2013 – und das ist nicht mehr sehr lange, das möchte ich nur sagen. Bei Infrastrukturprojekten ist 2013 überübermorgen, da bedarf es mehr als nur dieser einen kleinen Novellierung. – Danke. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum, Hensler und Mitterer.)

13.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Beer. – Bitte.

 


13.04.59

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich glaube, man muss ein bisschen auf die Ausführungen der Vorredner eingehen. Wenn hier Bedenken angemeldet werden hinsichtlich riesiger Enteignungen und Prozesse, die geführt werden müssen, dann, so meine ich, sollten wir doch einmal die Telefonie von ihren ersten Gesetzestexten an betrachten sowie vielleicht auch ein wenig das Telekom-Wegerecht.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 77

Das Telekom-Wegerecht hat es beim Aufbau der Telefonie der damaligen Post- und Telegraphenverwaltung sehr wohl gestattet, ähnlich dem jetzigen Gesetz, einfach Dinge hinzustellen und Leitungen zu verlegen. Dieses Telekom-Wegerecht hat ge­währ­leistet, dass die damalige Technologie in Österreich sehr schnell flächendeckend verbreitet werden konnte.

Das Telekommunikationsgesetz in seiner jetzigen Form ist im Vergleich dazu ein sehr gemildertes Telekom-Wegerecht. Jetzt stehen wir aber vor der Herausforderung der neuen Technologien. In der Vergangenheit wurde der Ausbau des Netzes nicht sehr forciert, möchte ich einmal sagen, aber wir dürfen in diesem Bereich nicht Schlusslicht in Europa werden!

Da gibt es ein Problem – das haben wir heute schon gehört – mit der Infrastruktur. Plötzlich nennen wir das alles wieder Infrastruktur. Da verstehe ich die Position der ÖVP nicht ganz, denn: Wenn wir das hier Infrastruktur nennen, warum sollen wir Infra­struktur eigentlich in die Hand Privater oder gar in die ausländischer Konzerne legen?

Dieses Gesetz zielt auch auf Folgendes ab: Da wir, wie wir auch schon gehört haben, uns hier im Bereich der Regulierung befinden – und es ist eine europaweite Regu­lierung, nicht nur der österreichische Regulator hat hier ein Wörtchen mitzusprechen –, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Regulierung besagt, dass die Netze geöffnet werden müssen.

Jetzt standen wir vor der Herausforderung, dass die Telekom Austria ein Netz besitzt und die alternativen Anbieter, hinter denen manchmal auch große Konzerne stehen, dieses Netz ganz einfach mitbenutzen dürfen beziehungsweise können. Die Telekom wurde verpflichtet, dieses Netz zur Verfügung zu stellen – nach genau festgesetzten Preisen, die der Regulator festgelegt hat.

Jetzt frage ich mich, da wir hier so wirtschaftsorientiert sind: Welcher Betrieb würde für einen anderen Betrieb Infrastruktur zu Verfügung stellen, und zwar kostendeckend, vielleicht gar unter der Kostendeckung, weil es Ziel des Regulators war, diese Mono­polstellung aufzubrechen und Vergünstigungen für neu in den Markt eintretende Firmen zu ermöglichen? Wer würde als Privater seine Leitungen unter dem Herstel­lungspreis zur Verfügung stellen? (Rufe bei der SPÖ: Niemand!) – Also ich glaube, niemand. (Bundesrat Perhab: Zum Teil machen wir das schon! – Zwischenruf des Bundesrates Keuschnigg.) – Die Angemessenheit? Da sollte man vielleicht wirklich einmal nachlesen, was die Europäische Kommission bei dieser Regulation eigentlich im Hinterkopf gehabt hat. Es ging nicht wirklich darum, eine richtige Chancengleichheit herzustellen, sondern darum, den Zugang zum Markt zu erleichtern. Was heißt aber „erleichtern“? Erleichtern heißt unter dem Einstandspreis. (Bundesrat Keuschnigg: Nein, so steht es nicht im Gesetz!) – Nein, das ist ja sicher nicht so.

Hören Sie bitte ein bisschen zu! Wir reden jetzt nicht über dieses Gesetz, sondern darüber, was die Europäische Kommission im Hinterkopf hatte. Das begann ja bereits unter Thatcher mit der British Telecom. Und wenn wir uns die British Telecom an­schauen, dann sehen wir, was aus der British Telecom geworden ist.

Aber, um wieder auf unsere wirtschaftlichen Aspekte zurückzukommen: Wenn plötz­lich, obwohl wir uns immer dagegen verwahrt haben, beim Ausbau des Glasfaser­netzes und der Breitbandinfrastruktur von Infrastruktur geredet wird, dann sollten wir uns überlegen, was „Infrastruktur“ bedeutet.

Wir sind jedenfalls auf dem Weg, und das zeigen auch die diversen Fachmessen  (Bundesrat Schennach: Wer ist „wir“? Die ÖVP hat sich immer dagegen verwehrt!) – Kollege Schennach, es gibt auch noch andere Fraktionen, keine Frage. – Es gibt einige


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 78

Fachmessen, die uns zeigen, was im Elektronik-, im Breitband- und im Glasfaser­bereich in Zukunft alles möglich sein wird.

Wir sind nicht mehr sehr weit entfernt von Science-Fiction-Filmen. Bald werden wir zum Eiskasten gehen und fragen: Was ist da? Oder wir werden anrufen und unseren Eiskasten fragen: Was müssen wir einkaufen? Oder er schickt uns eine SMS: Die Milch ist sauer geworden, bitte einen Liter Milch kaufen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir werden also riesige Datenmengen beziehungsweise ‑pakete übertragen müssen, die wir mit unserem derzeitigen Netz nicht wirklich realisieren können. Und das bedeutet eben auch den Ausbau dieses Netzes.

Der Ausbau dieses Netzes und der Umstieg von Kupfer auf Glasfaser ist ein Ausbau-Programm. Mit 10 Millionen € werden wir da nicht sehr weit „hupfen“, das ist gar keine Frage, aber wir haben nie gesagt, dass das ausreichen wird. Es gibt eine Verpflichtung der verschiedenen Unternehmen, die hier mit partizipieren wollen und daher auch für den Ausbau verantwortlich sind.

Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, dass wir es als echte Infrastruktur Österreichs betrachten, aber dann ist dafür der Staat zuständig und nicht die Firmen. Da muss sich die ÖVP einmal darüber einig werden, was sie will. (Bundesrat Keuschnigg: Ja, aus­gerechnet wir! – Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Ja wer sonst, wenn nicht ihr?

Warum sollte ein einzelnes Unternehmen diesen gesamten Ausbau bezahlen, um dann wieder nach einiger Zeit als böser, garstiger, den Markt beherrschender Monopolist betrachtet zu werden?! Und dann wird womöglich gesagt: Du hast das ausgebaut, aber wir zahlen dir nichts dafür, du musst uns die Leitungen zur Verfügung stellen. Mit dieser Diskussion, die wir hier führen, und mit diesen Betrachtungen kann ich mich nicht ganz anfreunden. Entweder – oder, darüber sollten wir uns klar werden.

Dieses Telekommunikationsgesetz ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, um sicherzustellen, dass wir eine Chance auf den Ausbau des Glasfasernetzes haben. In wesentlichen Bereichen trifft dieses Telekommunikationsgesetz auch die Regulierung, auch Wünsche der Regulierung. Es waren auch, wenn ich richtig informiert bin, Tele­kommunikationsunternehmer mit eingeladen, die mitdiskutiert haben und dieses Ge­setz nicht verdammt haben.

Wir werden jedenfalls diesem Gesetzesbeschluss, nachdem er den Nationalrat pas­siert hat, ebenfalls zustimmen. Ich glaube, wir können das mit ruhigem Gewissen tun, denn das ist wichtig für die Zukunft Österreichs. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


13.14.03

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf als letzte Rednerin ganz kurz zusam­menfassen und die positiven Auswirkungen auf die Arbeitsplätze herausstreichen.

Die vorliegende Novelle des Telekommunikationsgesetzes hat zum Ziel, den Ausbau von leistungsfähigem Breitband schneller und effizienter zu gestalten. Vor allem sollen Investitionsanreize ausgelöst werden, die neben den Ballungsräumen auch den ländlichen Raum mit leistungsfähigen Bandbreiten versehen sollen. Wichtig ist für mich, dass durch diese Novelle die Nutzung beziehungsweise Mitbenützung aller be­reits bestehenden Leitungen, Leerrohre, Kabelschächte und so weiter durch unter­schiedliche Anbieter ermöglicht wird.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 79

Hiefür ist ein angemessenes Entgelt zu bezahlen, das die Errichtungs- und Betriebs­kosten sowie die Marktpreise für die Mitbenützung von Leistungen berücksichtigt. Damit wird auch, so hoffe ich, dem Grabungswahnsinn Einhalt geboten. Es soll nicht mehr vorkommen, dass Straßenzüge innerhalb eines halben Jahres dreimal aufgeris­sen und wieder zugeschüttet werden.

Große Bandbreiten zur Verfügung zu haben ist für Unternehmen wie auch für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von großer Wichtigkeit. Gerade im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es für viele Berufe eine große Herausforderung und Chance zugleich. Zum Beispiel bei den Steuerberatern, also im kaufmännischen Segment, ist eine leistungsfähige Vernetzung zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits und dem Betrieb beziehungsweise den Ämtern andererseits von großem Vorteil.

Egal, von wo aus der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin ihre Tätigkeit ausübt – wo der Schreibtisch steht, ist nicht mehr relevant, ob das im Büro des Arbeits­gebers oder zu Hause in den eigenen vier Wänden ist –, die erbrachte Leistung, das fertige Produkt kann von jedem Ort aus abgerufen werden; der Auftraggeber bezie­hungsweise das Amt erhält die Auswertung per Mail, per Fax oder, wie gehabt, per Post, je nach Wunsch des Kunden. Sollte der Empfänger den zuständigen Sach­bearbeiter telefonisch erreichen wollen, geht es unkompliziert mit Durchwahl an die jeweilige Nebenstelle.

Solche Arbeitsplätze sind hochwertig, gut dotiert und vor allem für Frauen, aber auch für Männer, die sich in einem größeren Ausmaß der Kinderbetreuung widmen wollen oder müssen, besonders wichtig. Auch hat dieser Personenkreis nach der so genann­ten Babypause eine viel bessere Voraussetzung, von Teilzeit- in die Vollbeschäftigung zu wechseln, da auch dessen Fachwissen keine Rückstände aufweist.

Diese neue und moderne Telekommunikationsgesetz-Novelle wird besonders dem ländlichen Raum zugute kommen und positive Auswirkungen auf die Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Jetzt müssen wir alle Kräfte in die Modernisierung und flächendeckende Verbreitung des Breitbandes fließen lassen. Geben wir den Menschen einen schnellen Zugang zu Information, Unterhaltung und Bildung, und stärken wir damit den Wirtschaftsstandort Österreich! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


13.17.55

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Diskussion und die Wortmeldungen, die gezeigt haben, dass es zu dieser Novelle eine breite Zustimmung gibt. Mit ein bisschen mehr oder eventuell weniger Begeisterung wird die Notwendigkeit dieser gesetzlichen Veränderungen mehrheitlich doch positiv bewertet.

Ich glaube, das Wesentliche bei den Änderungen – die Punkte wurden ja schon ange­sprochen – ist, dass wir damit legistisch den Weg für einen Investitionsschub in der Telekommunikationsbranche insgesamt freimachen. Da ist es mir wichtig, dass wir natürlich seitens der öffentlichen Hand mit 10 Millionen € das nur als eine Anreizfinan­zierung und eine Unterstützung eines notwendigen Investitionsvolumens sehen müs­sen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 80

Mir ist aber auch wichtig, dass wir diesen Ausbau der Infrastruktur, diese notwendige Modernisierung mit der Wirtschaft gemeinsam bewältigen wollen, dass es – wie auch bei Forschungsmitteln in der angewandten Forschung – nicht darum geht, dass aus­schließlich die öffentliche Hand diese Investitionen tätigen kann, sondern dass dieses Volumen, das für diesen Ausbau und für diese Innovationen notwendig ist, nur gemeinsam getragen werden kann – nicht nur durch die öffentliche Hand, sondern so, dass eine wesentliche Verantwortung auch den Unternehmungen und der Tele­kommunikationsbranche zukommt.

Ich möchte in die Diskussion noch zwei Punkte ergänzend einbringen: Erstens, dass ich natürlich die Notwendigkeit dieser Modernisierung der Infrastruktur sehe, weil der Lebenszyklus der Kupferverkabelungen ein Ende hat und weil es eine moderne Technologie, nämlich die Glasfaser-Technologie, gibt, die es umzusetzen gilt. Das ist aber gerade jetzt auch deshalb so wichtig, weil das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch eine Impulswirkung hat, was den Wirtschaftsstandort und die Beschäftigung betrifft.

Zwei Punkte ergänzend. Wir wissen, dass 30 bis 40 Prozent des Produktions­zuwach­ses in der Europäischen Union ausschließlich auf Telekommunikation und moderne Informationstechnologien zurückzuführen sind. Das, glaube ich, ist ein Beweis dafür, dass es jetzt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eben genau um diesen Investitions- und Modernisierungsschub geht.

Das Zweite ist, dass ich eine Wifo-Studie in Auftrag gegeben habe, welche Beschäfti­gungseffekte Investitionen in Telekommunikation und Informationstechnologie haben. Das Ergebnis: 100 Millionen Investitionen in diesem Bereich lösen unmittelbar 1 300 hochwertige Arbeitsplätze aus.

Ich glaube, diese zwei Punkte zeigen, dass es viele gute Gründe gibt, jetzt diese ge­setzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, aber dass es auch einen Beitrag zu einer Konjunkturankurbelung darstellt. Daher bedanke ich mich für diese breite Zustimmung.

Ich meine, dass es mit dieser Novelle wirklich gelingen kann, dass wir den Wirt­schafts­standort stärken, dass wir unser Kommunikationsnetz auf modernen technischen Stand bringen und dass das nur gemeinsam – nämlich öffentliche Hand und Tele­kommunikationsbranche – zu bewältigen ist. Nur dann können wir erfolgreich sein. (Allgemeiner Beifall.)

13.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 81

13.22.017. Punkt

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2007 (III-371-BR/2009 d.B. sowie 8128/BR d.B.)

8. Punkt

Zweiter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-376-BR/2009 d.B. sowie 8129/BR d.B.)

9. Punkt

Jahresvorschau des BMVIT 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-373-BR/2009 d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 7 und 8 ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um die Berichte.

 


13.22.42

Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2007.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Daher der Antrag, den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2007 zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Zweiten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor. Daher gleich zum Antrag, den Zweiten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesminis­terin für Verkehr, Innovation und Technologie, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. Ich bitte um Ihren Beitrag. (Bundesrat Boden: Fehlt nicht der dritte Bericht über die Jahresvorschau? Gibt es da keinen Bericht?) – Nein.

 


13.23.51

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigung für meinen Irrtum, dieser Bericht wurde ja nicht im Ausschuss behandelt, sondern kommt direkt ins Plenum, genauso wie die anderen Berichte, die nur im Plenum des Bundesrates behandelt werden und gestern im Verkehrsausschuss schon endbehandelt wurden.

Der Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH ist natürlich gesetzlich verankert. Im Eisenbahngesetz von 2006 ist festgeschrieben, dass die Vorlage an das Parlament jährlich zu erfolgen hat. Nun liegt uns der Bericht des Jahres 2007 vor. Der Bericht für 2008 befindet sich schon im Druck und wird dem Parlament demnächst auch vorliegen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 82

Geschätzte Damen und Herren! Was ist eigentlich diese Eisenbahnregulierungsstelle? Sie setzt sich aus der Schienen-Control Kommission und der Schienen-Control GmbH zusammen. In der Kommission gibt es drei Mitglieder, wovon eines vom Bundesminis­terium für Justiz – es muss dem Richterstand angehören – und zwei vom Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ernannt werden.

Die Schienen-Control GmbH, verankert im BMVIT, erledigt einerseits die inhaltliche und organisatorische Aufbereitung der Unterlagen für die Kommission, andererseits hat sie eigene Aufgaben im Bereich der Marktbeobachtung und der Statistik. Es gibt auch eine Schlichtungsstelle, deren Aufgaben sie ebenfalls wahrnimmt.

Was sind die Aufgaben der Eisenbahnregulierungsstelle? Unabhängige und weisungs­freie Regulierungsbehörden sind ein wesentlicher Bestandteil des strategischen Konzepts der EU zur Liberalisierung des Eisenbahnsektors. Gemäß Artikel 30 der Richt­linie und deren Umsetzung im österreichischen Eisenbahngesetz hat die Eisen­bahn­regulierungsstelle insbesondere gegen ungerechte Behandlung von Eisenbahn­unternehmungen einzuschreiten, und zwar hinsichtlich Schienennetz, Nutzungsbedin­gungen und deren Kriterien, Zugtrassenzuweisungsverfahren, also das heißt Fahr­planerstellung und Infrastrukturbenutzungsentgelte. Sie schreitet natürlich auch auf­grund von Beschwerden von Eisenbahnunternehmungen und auch von Amts wegen ein.

In der Praxis schaut das dann so aus: Die Verpflichtung zum amtswegigen Ein­schrei­ten bedingt die routinemäßige Prüfung sämtlicher regulierungsrelevanter Verträge und Urkunden zwischen den Eisenbahnunternehmungen und deren Schienen-Control Kommission.

Im Jahr 2007 ergaben sich insgesamt 82 zu prüfende Unterlagen. Obwohl es in einigen Fällen Beanstandungen der vorgelegten Unterlagen gab, wurden letztendlich keine Bescheide ausgestellt, da die Sachverhalte immer im Vorfeld bereits ausdiskutiert und geklärt werden konnten und freiwillig den Änderungen zugestimmt wurde.

Konflikte betrafen in der Vergangenheit überwiegend Probleme auf den Anschluss­bahnen. Das heißt, es ging um Gebühren für die Benutzung, um den Anschluss an das Netz der ÖBB und um Zugangsrechte für die Anschlussbahnen im Allgemeinen.

Auch im Bereich der Marktbeobachtung ist diese Institution zuständig. Wir haben derzeit 24 Privateisenbahnunternehmungen, die auf dem Schienennetz der ÖBB unter­wegs sind, und durch die Liberalisierung drängen natürlich immer mehr Unterneh­mungen auf die Schiene.

Im Güterverkehr konnten wir, wie wir im Ausschuss schon erfahren haben, einen Zuwachs von 3,3 Prozent lukrieren. 2007 hat sich das so niedergeschlagen, dass wir im Güterverkehr einen Zuwachs von 7,7 Prozent auf 8,9 Prozent hatten. Wir haben natürlich noch nicht den Wert erreicht wie in Deutschland; dort liegt der Wert derzeit bei 17 Prozent.

Die Privatbahnen betreiben natürlich am liebsten Ganzzüge, weil das das beste Geschäft ist. Bei Verschubarbeiten fallen immer Mehrkosten an, das heißt, Privat­bahnen sind bestrebt, Ganzzüge von Ost nach West zu führen. Speziell bei der Voest sieht man, dass sie über die Voest-Tochter LogServ ihre eigenen Rohstoffe und ihre Produkte selbst transportiert.

Beim Personenverkehr ist anzumerken, dass wir in diesem Bereich fast keinen Wett­bewerb haben. 99 Prozent befördern die ÖBB, lediglich 1 Prozent entfällt auf den City Airport Train beziehungsweise die Außerfernbahn.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 83

Allerdings wenn man sich die Zahl der beförderten Personen ansieht, dann schaut das schon ein bisschen freundlicher aus: Insgesamt 10 Prozent der beförderten Personen werden von Privatbahnen befördert. (Präsident Preiner übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich gibt es auch eine Schlichtungsstelle; gerade im Personenverkehr spielt die Frage der Kundenzufriedenheit eine große Rolle. Nach dem Vorbild der übrigen Re­gulierungsbehörden wurde daher mit der Eisenbahngesetznovelle 2006 auch bei der Schienen-Control GmbH eine Schlichtungsstelle eingerichtet.

100 Fälle wurden in diesen Schlichtungsstellen behandelt – nur kurz einige Punkte, worum es da geht –: Mangelnde Information, das hört man immer wieder; so etwa zu wenige Lautsprecherdurchsagen, ungenügende oder gar keine Information betreffend Verspätungen. Weiters: Tarifprobleme; Beschwerden wegen der aufgestellten Auto­maten, auch immer wieder Beschwerden, dass sich ältere Personen keine Fahrkarte lösen können, weil sie den Automaten nicht bedienen können und dann im Zug Strafe zahlen müssen.

Beschwerden gibt es auch immer wieder betreffend Ausstattung und Qualität der Züge, wobei dazu zu sagen ist: Natürlich kostet das Wagenmaterial sehr viel Geld, und es gibt auch da immer wieder Verbesserungen, aber das geht nicht so schnell, wie das Material verbraucht wird.

Weitere Beschwerde: schlechtes Fahrplanangebot. – Ja, aber für jeden einen eigenen Fahrplan zu gestalten, das kann, wie ich meine, auch nicht Sinn und Zweck sein.

Kurz noch zum Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, eines Komitees, das nach Vorlagen des Nationalrates geschaffen wurde. Im Ausschuss haben wir ja erfahren, dass sich einige Mitglieder dieses Komitees zurückgezogen haben, so zum Beispiel die Bundesarbeiterkammer, die leider keine Ressourcen zur Mitarbeit frei hat; ebenso davon zurückgezogen haben sich die Vertreter des Gentechnik-Volksbegehrens, die in dieses Komitee aufgenommen wurden. Sie haben sich ohne eine förmliche Mitteilung zurückgezogen und weder an der Berichterstellung noch sonst mitgearbeitet.

Was umfasst die Tätigkeit dieses Komitees? – Die Überprüfung der nationalen Er­teilung und Spruchpraxis, also nur jener vom Österreichischen Patentamt selbst erteil­ten Patente; das sind lediglich 0,33 Prozent der Gesamtsumme der für Österreich gültigen Biopatente; die überwiegende Mehrheit stammt aus Erteilungen seitens des Europäischen Patentamtes.

Konkret hat das Komitee die seit Jänner 2006 bis 2009 vom Österreichischen Patent­amt insgesamt 67 erteilten Patente mit biotechnologischem Bezug überprüft und als den gesetzlichen Vorgaben entsprechend beurteilt.

Abschließend gibt dieser Bericht einen Überblick über die vom Europäischen Gerichts­hof und von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes getroffenen Entscheidungen sowie über die wichtigsten anhängigen Fälle im Bereich des Patent­wesens; ebenso über weitere aktuelle Entwicklungen über Aufgaben innerhalb der EU.

Auch noch einige Bemerkungen zum Legislativ- und Arbeitsprogramm; davon haben wir ja in der letzten Zeit sehr wenig gehört. Die tschechische EU-Präsidentschaft hat dieses Thema leider nicht aufgegriffen, und zwar unter dem Vorwand, die EU-Kom­mission habe noch keine Vorschläge gemacht. Seitens der schwedischen EU-Präsi­dentschaft wurde aber bereits gestern die EU-Rats-Arbeitsgruppe eingesetzt; einige wichtige Punkte möchte ich noch kurz hervorheben.

Bei uns im Ministerrat wurde ja bereits vorgearbeitet, wobei einige Punkte dieses intelligente Verkehrssystem betreffen. Wichtig ist eben ein gemeinsames europäisches Vorgehen, um die Effizienz zu steigern und Synergien nützen zu können. In den


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kommenden Verhandlungen wird es ja auch darum gehen, an einer technischen Harmonisierung zu arbeiten, ebenso an der Datenschutzproblematik, aber auch das industrielle Interesse nicht außer Acht zu lassen.

Ein europaweiter Einsatz dieses intelligenten Verkehrssystems ist uns natürlich sehr wichtig, da wir ja Verbesserungen in Bezug auf die Verkehrssicherheit und eine Opti­mierung von Kapazitäten anstreben und natürlich auch Beiträge zur Verbesserung der Umwelt sowie Emissionsreduktion keinesfalls außer Acht gelassen werden dürfen.

Diese beiden Berichte sind – wie meine Kollegin Elisabeth Kerschbaum bereits im Ausschuss festgehalten hat – sehr aufschlussreich, sind sehr gut geschrieben, wofür ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Ministerium sehr herzlich bedanken möchte, die da wirklich gute Arbeit geleistet haben.

Du, Elisabeth, hast gesagt, wenn man diesen Bericht liest, kennt man sich bei der Eisenbahn aus und weiß alles, was da passiert. – Ich traue mich zwar nicht so etwas zu behaupten, freue mich aber, wenn du alle Probleme der Österreichischen Bun­desbahnen aus diesem Bericht herauslesen konntest. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

13.36


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile es ihm und möchte gleichzeitig meinerseits sehr herzlich Frau Bundesministerin Bures begrüßen.

 


13.36.43

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einige Bemerkungen zum Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH machen und mich vorab für die Vorlage dieses Berichtes sehr herzlich bedanken, auch bei der Frau Bundesministerin sowie beim Herrn Geschäftsführer der Schienen-Control GmbH.

Dieser Bericht ist der zweite seiner Art; als einer aus dem Jahre 2007 ist er zwar nicht mehr ganz taufrisch, aber wie ich gehört habe, befindet sich der Bericht für 2008 bereits in Drucklegung. Das heißt, das wird sich einspielen, sodass wir dann doch das nächste Mal auf Basis eines aktuelleren Zahlenmaterials diskutieren können. Dieser Bericht aus dem Jahre 2007 ist aber sehr informativ; das möchte ich unterstreichen, und ich halte diesen Bericht für grundsätzlich gut und wichtig, weil wir uns generell mit der Entwicklung der Schiene im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs in Zukunft wesentlich intensiver befassen werden müssen.

Gründe dafür gibt es ja genug: die Klimaerwärmung, Umweltargumente, die zuneh­mende Mobilität der Bevölkerung; eben die Bewältigbarkeit des Verkehrs in mancherlei Hinsicht. Und da wird immer wieder die Schiene eine ganz zentrale Rolle spielen müssen.

Auf zwei Punkte aus diesem Bericht möchte ich besonders eingehen. Das ist einmal die Situation aus der Sicht der Bundesländer – wir sind ja hier in der Länderkammer –, speziell die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und das Bestellerprinzip, Stichwort „Verkehrsdiensteverträge“, und da ganz besonders auch die Auseinandersetzung mit den ÖBB, weil die ÖBB natürlich – trotz Liberalisierung und Öffnung der Netze – der Megaplayer auf diesem Sektor sind und es auch bleiben werden; im Güterverkehr zu zirka 90 Prozent und im Personenverkehr, wie mein Vorredner gesagt hat, in etwa zu 99 Prozent. Das heißt, wir haben da im Wesentlichen auch eine Debatte über die Leistungsfähigkeit der Österreichischen Bundesbahnen.

Die Bundesbahnen erhalten im Jahre 2007 463 Millionen € für öffentliche, für gemein­wirtschaftliche Leistungen. 92 Millionen € zahlen die Bundesländer, eben über die


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 85

Verkehrsdiensteverträge, in die ÖBB hinein, wobei ich dazu sagen möchte: Diese Entwicklung stellt einen gewissen Anachronismus dar – und die Begehrlichkeit der ÖBB nimmt da kein Ende.

Es kann doch nicht so sein, dass bei jeder Maßnahme zusätzliche Zahlungen einge­fordert werden, wenn es beispielsweise darum geht, ob eine Haltestelle aufrecht­erhalten werden soll oder nicht. Wenn die Länder bezahlen, heißt es, dann bleibt diese Haltestelle bestehen. Und was Erhaltungsmaßnahmen anlangt – da gibt es jetzt ein aktuelles Beispiel, Frau Bundesminister –: Bei gewissen Haltestellen sollen Signal­tafeln angebracht werden, und da geht es auch wieder darum, ob die Länder – das Land Tirol in diesem speziellen Fall – da mitzahlen.

Das heißt, dieser Rückzug der ÖBB auf Kernleistungen kann nicht hingenommen werden, wenn man sieht, welche enormen Beträge hier fließen. Es ist allseits bekannt, dass mehr als 4 Milliarden € jährlich in Richtung ÖBB bewegt werden. In dieser Sum­me muss ein Sozialauftrag enthalten sein, und da ist auch ein Auftrag für den länd­lichen Raum inkludiert.

Stichwort: ländlicher Raum. – Das Postgesetz und das Telekommunikationsgesetz fallen, Frau Ministerin, in Ihren Kompetenzbereich. Da ist eine grundsätzliche Debatte erforderlich. Aber zuvor eine Nebenbemerkung.

Frau Bundesministerin, ich würde Sie dringend ersuchen, in Ihrem Hause dafür Sorge zu tragen, dass bei den Ausschussberatungen – Stichwort: Telekommunikations­ge­setz – Experten anwesend sind. Es ist unserer Arbeit nicht dienlich, dass Fragen, so wie im konkreten Fall, schriftlich zu stellen sind, weil im Ausschuss kein Experte anwesend ist, und wir erst danach die Antworten kriegen. Man könnte natürlich jetzt hier all das diskutieren, was man eigentlich im Ausschuss hätte machen wollen.

Das Telekommunikationsgesetz wird grundsätzlich, soviel ich weiß, von allen gutge­heißen, aber der wirkliche politische Job ist die Bewältigung des Investitionsvolumens, das je nach Definition zwischen einer und zwei Milliarden Euro liegt, um die Glasfaser letztlich auch in die Gemeinden hinaus zu bringen.

Da ist die Frage: Wie wird das bewältigt? – Und in Ihrer schriftlichen Antwort, die wir heute bekommen haben, steht drinnen, primär gehe es darum, die Marktteilnehmer zu stimulieren, auch in Regionen zu investieren, wo auf den ersten Blick kein rascher Return on Investment zu erwarten ist.

Da halte ich es einmal mit dem Kollegen Schennach, der sagte: Der Horizont 2013 ist übermorgen! Es ist bei solchen Planungsphasen selbstverständlich eines klar: Was nicht jetzt schon auf Schiene ist, wird 2013 ganz einfach nicht sein!

Weiters ist zu sagen: Es wird einfach nicht sein, dass der Wettbewerb die Glasfaser in den ländlichen Raum trägt. Das wird nicht der Fall sein, weil die Wirtschaft das nicht alleine tragen wird oder es, wenn sie es doch tut, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauert, bis diese Investitionen getätigt sind, und der Wirtschaftsstandort „ländlicher Raum“ hat dann viele Jahre verloren.

Damit will ich sagen: Es ist Ihr politischer Job, erstens die Entscheidung zu treffen, was privat zu erfolgen hat und was aus öffentlichen Geldern zu zahlen ist, und zweitens für die Abwicklung zu sorgen und auf politischer Ebene durchzusetzen, dass die Investitionen getätigt werden und letztlich die Länder und die Gemeinden und vielleicht über Infrastrukturprogramme auch die Europäische Union zur Finanzierung an Bord geholt werden. Und wenn sich das Gesamte auf vier, fünf Jahre aufdröselt, dann bin ich der Überzeugung, dass auch 2 Milliarden bewältigt werden können, wenn wir die Obergrenze hernehmen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 86

Das ist eine große politische Aufgabe, und deren Durchführung ist ein wesentlicher Parameter dafür, wie erfolgreich Politik im Infrastrukturministerium gemacht wird.

Damit kehre ich zurück zu den ÖBB. Das Entscheidende ist meiner Meinung nach, und damit schließe ich diesen Punkt ab: Wir können insgesamt – und aus diesem Grund habe ich auch das Postgesetz mit erwähnt – den Rückzug der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktureinrichtungen aus dem ländlichen Raum nicht hinnehmen. Das heißt, es ist eine ganz wesentliche Aufgabe beziehungsweise ein Grundauftrag an die Politik, dass sich die ÖBB nicht ... (Bundesrat Kraml: Dann müssen Sie sich anders verhalten! Man kann nicht etwas sagen und dann etwas anderes tun!) – Ent­schuldigung, ich weiß nicht, wovon Sie jetzt sprechen, aber das können wir gerne außer Haus diskutieren. (Bundesrat Kraml: Sie sind auf dem völlig falschen Zug!)

Wir haben große Bereiche im ländlichen Raum, zum Beispiel in Tirol den Bezirk Lienz oder das Außerfern, die inzwischen die Deutsche Bundesbahn versorgt. Oder auch das Tiroler Oberland, wo wir ganz dringend die Infrastruktureinrichtung der ÖBB bräuch­ten. Aber wenn bei jeder Einzelentscheidung die Länder und auch die Gemein­den zur Mitzahlung aufgefordert werden, überfordert man die Regionen und den ländlichen Raum.

Nun eine kurze Bemerkung zur Frage Güterverkehr. (Bundesrat Stadler: In den letzten Jahren hat man den Eindruck gehabt, dass die ÖVP die ÖBB nicht braucht! Man muss wissen, was man sagt!) Ich will jetzt wirklich keinen parteipolitischen Streit und kein Gezanke und auch kein Ping-Pong-Spiel veranstalten (Bundesrat Stadler: Ja eh nicht!), sondern klar sagen, dass wir leistungsfähige, effiziente, schlanke Österreichi­sche Bundesbahnen brauchen, und es ist ein politischer Job, dafür zu sorgen, dass wir dahin kommen. (Bundesrat Stadler: „Schlanke“ – wenn man in jedem Ort ...!) Hören Sie mir noch ganz kurz zu, dann können wir diese Debatte weiterführen!

Beim Güterverkehr funktioniert die Öffnung der Netze schon wesentlich besser, und das ist in Wahrheit alarmierend, und aus diesem Grund bin ich besonders besorgt, was die Entwicklung der ÖBB betrifft.

Es werden derzeit zirka 10 Prozent der Tonnage von privaten Dienstleistern befördert. Aber alleine im Jahr 2007 hat, sofern ich den Bericht richtig gelesen habe, der Markt­anteil der Privaten – zugegeben auf einem niedrigen Niveau, weil 90 Prozent nach wie vor Rail Cargo Austria transportiert – um 15 Prozent zugenommen. Ich betone: 15 Prozent in einem Jahr! Das heißt, wir sind in kurzer Zeit bei den deutschen Verhältnissen mit 17 bis 20 Prozent. Das hat der Kollege von der sozialdemokratischen Fraktion ja sehr positiv gesehen – das sehe ich auch sehr positiv. Nur: Welche Antwort ist da dahinter zu suchen?

Das heißt, dass beim Erkennen der Chancen – ob es jetzt Baustellenverkehr oder etwas anderes ist; Sie haben den Industrieverkehr, die Voest und so weiter genannt – die Privaten offensichtlich die Schnelleren sind.

Besonders alarmierend ist, wenn zum Beispiel auf der Brennerstrecke die früheren Staatsbahnen von Italien und Deutschland größere Zuwächse zu verzeichnen haben als die ÖBB. Das ist für mich als österreichischen Staatsbürger und Mitglied des Bun­desrates eigentlich alarmierend. Das ist ein ganz wichtiges Alarmzeichen, das wir ernst nehmen müssen. Und die Frage ist: Wo kommen wir hin?

In diesem Bericht steht ein ganz interessanter Satz, den muss ich jetzt einfach zitieren, und der lautet: Alles ist bei der Bahn viel komplizierter.

Jetzt kann man sagen: Gerechterweise kann man diesen Satz in mehrfacher Hinsicht sehen und kann sagen: Es ist komplizierter, die Renaissance auf der Bahn zu bewerk­stelligen – im Vergleich zum Straßengüterverkehr, wo es um tausend Prozent mehr


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Unternehmungen gibt, die einfach beladen und fahren; die Schiene ist jedoch ein kom­plexes System.

Man kann auch sagen: Es ist öffentlich alles viel komplizierter als privat. Das ist aber die Frage!

Was ich damit sagen will, ist: Wir laufen Gefahr – es muss nicht so sein, aber wir laufen Gefahr –, dass dann, wenn die Privaten immer mehr Stücke von diesem Gesamtkuchen an sich reißen – und das wird der Fall sein, wie die Statistik derzeit zeigt –, die ÖBB immer unfinanzierbarer werden. Ich betone: Wir laufen Gefahr, dass dies so sein wird, aber es muss nicht so sein!

Das heißt, an der Durchführung dieses Jobs, den wir haben, den die politisch Verant­wortlichen haben, wird die Politik letztlich gemessen, nämlich daran, ob es gelingt, die ÖBB effizient, schlank und leistungsfähig zu machen. Wichtig ist, dass – und nur das rechtfertigt den enormen Staatszuschuss – die Dienstleistungsqualität, von der immer die Rede ist, für Reisende und Wirtschaft nicht nur behauptet wird, sondern tatsächlich vorhanden ist. Und daran wird auch unsere Politik gemessen.

Ich bedanke mich noch einmal für diesen Bericht, der jährlich dafür sorgt, dass wir uns intensiver mit der Entwicklung der Schiene befassen, und das halte ich für gut und richtig.

Wir werden diesem Bericht selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.49


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


13.49.13

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich zu Beginn eine Kritik, die ich hier anbringen möchte: Ich finde es eigentlich sehr schade, dass wir diese drei Berichte jetzt unter einem diskutieren, denn ich finde alle drei Berichte sehr interessant und sehr span­nend, und durch die Zusammenfassung dieser drei Berichte in einer Diskussion läuft man Gefahr, sich zu verzetteln. Aber gut, es ist nun einmal so entschieden worden.

Ich beginne mit dem zweiten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees.

Beim Durchblättern dieses Berichtes ist mir zuallererst aufgefallen, dass die Minder­heitenfeststellungen, die im letzten Bericht doch häufig vorhanden waren, dieses Mal weggefallen sind. Die Minderheitenfeststellungen waren beim letzten Bericht die kriti­schen Feststellungen, und zwar in erster Linie vom Verein für Konsumenten­informa­tion, von den Vertretern des Gentechnik-Volksbegehrens und von der Arbeiterkammer.

Auf Seite 12 habe ich dann des Rätsels Lösung gefunden: Der Verein für Konsumen­teninformation, die Arbeiterkammer und auch die Vertreter des Gentechnik-Volksbe­gehrens arbeiten nicht mehr mit. Die Auskunft im Ausschuss lautete: Na ja, die haben sich dann nicht mehr gemeldet beziehungsweise die Arbeiterkammer und der Verein für Konsumenteninformation haben zu wenig Ressourcen.

Ich möchte doch näher darauf eingehen, weil ich meine, dass dieser Bericht dadurch, dass diese kritischen Stimmen großteils wegbrechen, massiv an Inhalt verliert. Sehr viele waren es bisher schon nicht, ein paar sind verblieben, aber in Wirklichkeit ist ein Großteil der kritischen Stimmen weggebrochen. Ich habe mit Herrn Weihs vom Gentechnik-Volksbegehren telefoniert, und der hat mir erklärt – und ich kann das sehr gut verstehen –, es sei eine gewaltige Ressourcenbindung für eine Privatperson, wenn


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 88

man sich tagelang und nächtelang mit Themen beschäftigen soll, die dann nur ganz kurz unten im Bericht als „Minderheitenfeststellung“ vermerkt werden. Die Effizienz dieser Arbeit ist also so gesehen in Frage gestellt.

Das ist auch das Problem vieler Bürgerinitiativen. Ich war selber einmal bei einer Bür­gerinitiative dabei, die auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung mitgemacht hat. Man buttert da sozusagen Tage und Wochen und Monate an Freizeit hinein. Natürlich macht man es deshalb, weil es einen interessiert und weil es einen direkt betrifft, aber letztendlich muss man es sich auch leisten können. Ich würde schon bitten, dass Sie sich, Frau Ministerin, Gedanken darüber machen, wie Sie diese kritischen Stimmen wieder in die Kommission zurückbekommen können, denn ohne diese Stimmen ist dieser Bericht einseitig.

Ich möchte noch einen Teil dieser Einseitigkeit hervorheben: Prinzipiell ist Österreich, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, eher gentechnikkritisch. Das Biopatent Monitoring Komitee ist da eher beruhigend unterwegs. Zum Thema Landwirtschaft erklärt es uns – ich zitiere –:

„Für die österreichische Landwirtschaft haben sich durch Umsetzung der Biopatent-Richtlinie – soweit erkennbar – keine unmittelbaren Auswirkungen ergeben. Wohl findet die Biotechnologie in der Züchtung und Futtermitteltechnologie Anwendung, doch sind durch Anpassung des österreichischen Patentgesetzes keine Änderungen der Situation beobachtet worden.“

Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie beobachtet wurde, denn das geht aus dem Bericht nicht hundertprozentig hervor die Kommission beobachtet keine Veränderun­gen, was ich einmal so zur Kenntnis nehme –, geht es im Prinzip doch darum, dass es in dem Moment, in dem die Kommission Veränderungen beobachten würde, etwa dass es bereits Abhängigkeiten beziehungsweise große Preisunterschiede aufgrund der Paten­tierungen gäbe, eigentlich schon zu spät wäre. Also es wäre ein Bericht im Nachhinein und die Geschichte wäre sozusagen gestorben. Insofern ist genau diese Erklärung, die die Kommission zu diesem Thema von sich aus gibt, doch zumindest einseitig. Dass es zum Beispiel in den USA bereits Probleme gibt, wird in diesem Bericht mit keiner Silbe erwähnt.

Das Thema Konsumentenschutz wurde im Bericht nicht behandelt, weil die Arbeiter­kammer und der Verein für Konsumenteninformation ausgestiegen sind.

Zu den Auswirkungen der österreichischen Biopatent-Richtlinie auf Entwicklungsländer hätte ich mir eine Antwort dahingehend erwartet, ob es eine Auswirkung gibt oder nicht. Im Bericht gibt es keine Antwort darauf, aber es steht drinnen, dass Österreich eifrig an Diskussionen zur Frage der geographischen Herkunft des genetischen Ma­terials teilnimmt. Das ist zwar löblich, aber beantwortet nicht die Frage, ob die Biopatent-Richtlinie irgendeine Auswirkung auf die Landwirtschaft in den Entwicklungs­ländern hat.

Eine aktuelle Studie von Christoph Then und Ruth Tippe mit dem Titel „Saatgut und Lebensmittel“ sieht die Probleme, die die Biopatentierung mit sich bringt, schon etwas schärfer. Sie besagt nämlich, dass Patente auf genetisches Material und Saatgut zu einer Behinderung des Fortschritts in der konventionellen Züchtung führen. Es ist eine ziemlich umfassende Studie; ich kann sie Ihnen empfehlen. Es ist vielleicht die Seite, die an diesem Bericht fehlt.

Meiner Ansicht nach ist dieser Bericht weder ausgeglichen noch umfassend. Ich persönlich hätte ein großes Problem, seiner Kenntnisnahme zuzustimmen, es sei denn, Frau Ministerin, Sie können mir versichern, dass es wirklich massive Anstren-


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gungen geben wird, die kritischen Stimmen wieder in das Komitee hineinzubekommen. Ansonsten hat er sich für mich in dieser Form erledigt.

Der zweite Bericht, den ich schon im Ausschuss intensiv gelobt habe, ist der Tätig­keitsbericht der Schienen-Control GmbH. Ich kann nicht behaupten, dass man, wenn man ihn liest, alle Probleme der ÖBB kennt – ich habe im Ausschuss vielleicht doch etwas übertrieben –, aber es ist ein gutes Handbuch, in dem man nachschlagen kann, um Probleme, die es im öffentlichen Schienenverkehr gibt, besser zu verstehen.

Dieser Bericht ist umfassend und detailliert und geht, was sehr positiv ist, kritischen Fragen nicht aus dem Weg. Er behandelt kritische Themen wie zum Beispiel den überproportionalen Anstieg der Preise im öffentlichen Verkehr. Während von 1987 bis 2007 die Kosten im Personenverkehr Straße um etwa 10 Prozentpunkte mehr gestie­gen sind als der Verbraucherpreisindex, sind gleichzeitig die Kosten im Personen­verkehr Schiene um fast 30 Prozentpunkte mehr gestiegen als der VPI. Das heißt: Der Personenverkehr beziehungsweise die Mobilität ist teurer geworden als alles andere. Wesentlich teurer geworden ist der Personenverkehr auf der Schiene. Und seit gestern gibt es wieder neue Tariferhöhungen.

Diese Teuerungen wirken sich sichtbar bei den Fahrgastzahlen aus. Während es 2008 erfreulicherweise bei den Fahrgastzahlen massive Zuwächse gegeben hat, haben wir jetzt, 2009, wieder Rückgänge zu verzeichnen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die – wie man zum Teil sagen muss – Verkehrsverhin­derungspolitik der ÖBB. Ich sage das aus leidvoller Erfahrung. Bei uns in der Region gibt es folgendes Projekt: eine private Vereinigung, die gerne Schienen käuflich erwer­ben würde, um selbst einen Betrieb zu installieren. Die Preise, die die ÖBB dafür verlangt, sind aber so horrend, dass das unmöglich ist. Da kann man schon den Ein­druck gewinnen, dass die ÖBB sagen: Entweder bekomme ich den Auftrag, dass ich diese Strecke betreibe, oder es darf gar niemand fahren! Also ein bisschen geht es leider in diese Richtung.

Nächster kritischer Punkt: Streckenstilllegungen. – Es ist geplant, viele hunderte Kilo­meter an Bahnstrecken stillzulegen. Die meisten Streckenstilllegungen sind in Nieder­österreich geplant – ein Problem mehr, das Niederösterreich hat. Niederösterreich baut jetzt beim öffentlichen Verkehr mehr auf Bus und Anrufsammeltaxi. Das Kapitel „Bahn“ scheint Niederösterreich abgeschlossen zu haben. (Bundesrat Hensler: Na geh!) Na ja, schon! Zumindest im Nahverkehr. (Bundesrat Hensler: Na geh!)

Ich kann schon verstehen, dass das Land Niederösterreich zum Teil Probleme mit den ÖBB hat; das kann ich nachvollziehen. Wie gesagt, auch bei uns in der Region gibt es ein Projekt, und ich sehe, dass es nicht immer einfach ist; daher kann ich das nach­vollziehen. (Bundesrat Hensler: Wirklich?!)

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist der Umstand, dass sich das Land Niederöster­reich wenig darum kümmert, dass man einen Privatbahnbetreiber einbindet bezie­hungs­weise ins Land bekommt. Es gibt zwar die Badner Bahn, die privat betrieben wird, aber ansonsten sind wir da Schlusslicht. (Bundesrat Hensler: Es gibt kein Bun­desland, das so viel in die ÖBB investiert!) – Das stimmt nicht! (Bundesrat Hensler: Die Frau Minister hat es selbst gesagt!) Bitte, schau im Kontrollbericht nach! Da steht es ganz anders drinnen. (Bundesrat Hensler: Wenn es die Frau Minister sagt, wird es stimmen!)

Im Bericht steht es anders drinnen. Aber das kann die Frau Ministerin dann vielleicht noch klären. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Im Bericht steht jedenfalls, dass sich die meisten von der Stilllegung betroffenen Strecken in Nieder­österreich befinden.


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Unser Hauptanliegen wäre es, auf Privatbahnbetreiber zu setzen, vor allem bei Lan­desbahnprojekten wie Ybbstalbahn oder Thayatalbahn. Bei der Westbahn ist es relativ egal, aber gerade bei diesen kleinen Bahnen, die von der Einstellung oder Nicht-Inbetriebnahme betroffen sind, wäre ein Privatbahnbetreiber doch eine Option.

Was der Bericht meiner Meinung nach sehr gut aufzeigt, ist die fehlende Transparenz bei der Finanzierung. Die Aufwendungen des Bundes für den Schienenverkehr sind relativ unabhängig von dem, was die Bahn wirklich leistet, denn die Beträge sind seit Jahren ziemlich gleich hoch. Von den Ländern her gesehen schwanken sie zwar, aber da auch nur minimal. Wie wir im Ausschuss gehört haben, ist eine Aufteilung in der Weise, dass der Bund den überregionalen Verkehr übernimmt und die Länder den regionalen Verkehr, leider noch nicht geplant.

Wie auch immer man die Aufteilung vornimmt, wichtig wäre es, dass es Zuständig­keiten gibt, dass es Kompetenzen gibt und dass es Verantwortlichkeiten gibt.

Derzeit ist es so, dass für die Bahn in Österreich der Bund zuständig ist, das Land ein bisschen, und die Gemeinden werden jetzt auch noch zuständig gemacht. Wenn es Beschwerden gibt, dann kann man zum Salzamt gehen, denn dann ist niemand zuständig und niemand verantwortlich. Das ist eines der großen Probleme, die die PendlerInnen im Bahnverkehr haben.

Ich würde mich freuen, wenn es so etwas gäbe wie in der Schweiz, wo es Richtwerte gibt – eine bestimmte Zahl an Einwohnern bedeutet eine entsprechend hohe Takt­frequenz im Bahnverkehr oder notfalls im Busverkehr, wenn es nicht anders geht. Das wäre eine Möglichkeit, das Angebot in Österreich so zu entwickeln, dass man vielleicht so einen ähnlichen Modal Split bekommen könnte wie in der Schweiz. (Bundesrat Konecny: Wie soll da eine Ordnung reinkommen?)

Im Ausschuss ist uns auch berichtet worden, dass einige Verbesserungen zu erwarten sind, insbesondere bei der Transparenz und der Finanzierung. Die Schlichtungsstelle, die jetzt schon von der Schienen-Control GmbH übernommen wird – und mehr oder weniger auf freiwilliger Basis umgesetzt ist –, wird dann verpflichtend einzurichten sein. Wir würden uns freuen, wenn das auch weiterhin die Schienen-Control GmbH über­nähme. Sie hat bis jetzt bewiesen, dass sie das gut kann, und wird es auch hoffentlich weiter beweisen können.

Für mich stellt sich die Frage, ob die Finanzierung dieser Leistungen gesichert ist, denn wenn diese ausgeweitet werden, dann werden sie ja auch mehr in Anspruch genommen und es wird mehr Personal benötigt.

Diesem Bericht werden wir jedenfalls gerne zustimmen. Ich hätte gerne mehr solcher Berichte – man kann sich ja etwas wünschen. Vielen Dank für die Erstellung. Ich muss sagen, es ist wirklich ein tolles Nachschlagewerk.

Der dritte Bericht, den wir heute behandeln – es sind ja eben leider drei Berichte unter einem –, ist die Jahresvorschau des BMVIT. Da bin ich noch einmal ein bisschen enttäuscht, weil die Diskussion im Ausschuss entfallen ist. Ich habe nachgefragt: Es gibt einen Beschluss der Präsidiale, dass diese Berichte nicht mehr in den Aus­schüssen vorbesprochen werden.

Das finde ich schade, denn es gibt eigentlich gerade in diesem Bereich – von der EU-Politik wird ja nicht so viel medial berichtet, dass jeder immer alles weiß – viele inter­essante und interessierte Fragen zu stellen; es geht also nicht darum, irgendwie nachzufragen, nachzubohren und zu sekkieren, sondern einfach zu fragen, weil es einen interessiert. Das wäre im Ausschuss möglich. Ich kann das hier auch tun, aber möglicherweise ziehe ich mir dann euren Ärger zu. Ich würde es jetzt nicht so intensiv betreiben wollen, wie ich es im Ausschuss vielleicht machen könnte.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 91

Ich würde mir wünschen, dass wir diese Berichte über die Tätigkeit der Kommission und über die Tätigkeit des Rates im Bundesrat ein bisschen ernster nehmen, allein schon deshalb, weil wir die Verbindung zwischen Bund und Ländern darstellen. In vielen Fällen stellen wir auch die Verbindung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dar, weil da auch viele von uns aktiv sind. Ich würde mir wünschen, dass wir die EU-Ebene noch dazunehmen. Dafür wäre unser Gremium sehr geeignet, wir könnten uns diese Berichte näher anschauen und intensiver diskutieren.

Die Jahresvorschau des BMVIT ist eine der erfreulichen Jahresvorschauen, zumindest bezüglich Übersichtlichkeit und Ausführung. – (Die Rednerin wendet sich Bundes­ministerin Bures zu, die gerade mit jemandem spricht.) Jetzt lobe ich die Frau Ministerin ... (Bundesministerin Bures: Frauen sind in der Lage, zwei Dinge gleichzeitig zu tun! – Allgemeine Heiterkeit.) – Aber Lob bekommt man von mir nicht so oft, bitte aufpassen!

Der Bericht ist wirklich übersichtlich, er ist gut erklärt, und was mir gefällt – was bei vielen Ministerien leider oft nicht der Fall ist –, ist, dass es überall einen österreichi­schen Standpunkt gibt – zumindest zu den Punkten der Kommission, wenn auch nicht zu den Präsidentschaftsvorhaben.

Wie gesagt, ich hätte gerne einiges dazu gefragt, dafür fehlt jetzt aber wahrscheinlich die Zeit. Es würde mich auch noch interessieren, welche der angeführten Projekte der tschechischen Präsidentschaft eigentlich umgesetzt worden sind und welche nicht – das ist so eine Wissensfrage.

Noch eine Frage zu den zurückgezogenen Projekten: Da gibt es ein Projekt betreffend Entschädigung bei Nichterfüllung von Qualitätsanforderungen im Güterverkehr. Es ist klar, das Projekt ist gescheitert, weil es im Parlament und im Rat nicht durchgekommen ist, aber die Alternative ist, dass die Ziele durch Einzelinitiativen und Qualitätsrichtlinien der Eisenbahnen erreichbar sind. Glauben Sie das wirklich oder ist das nur eine Hoffnung?

Ich habe noch ein zweites Anliegen. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme zur Verord­nung über die statistische Erfassung des Güterkraftverkehrs, dass es wichtig ist, dass wir all diese Daten von allen Ländern bekommen. – Das sehe ich ein. Ich habe vor Kurzem erst das Bedürfnis gehabt, festzustellen, wie viele Autos eigentlich bei uns in der Gegend auf der A 22 fahren, habe dann im Internet auf die BMVIT-Dauerzähl­stellen geklickt und festgestellt, es gibt zwar viele Zählstellen in Wien, aber keine in Niederösterreich.

Ich würde mir wünschen, dass auch die Bevölkerung in diesem Land die Möglichkeit hat, Verkehrswerte und statistische Daten in einem doch etwas umfassenderen Aus­maß zur Verfügung gestellt zu bekommen, als es derzeit der Fall ist. Das Gleiche, was Sie von der EU wollen, hätte ich gerne von Ihnen. Ich habe erst vor Kurzem eine Anfrage bezüglich der S 1 gestellt. Unter anderem ging es auch darum, dass es Verkehrsmessungen gibt und ich wissen wollte, ob die Ergebnisse öffentlich zur Ver­fügung gestellt werden. Da war dann die Antwort: Na ja, die gehören eigentlich der ASFINAG und die bekommt nur die betreffende Behörde. Wenn die Verkehrszahlen nicht überschritten sind, wird man nichts davon hören. Ich würde mir wünschen, dass gerade bezüglich Verkehrszahlen auch in Österreich ein bisschen mehr Transparenz für den Bürger herrschen würde.

Sie haben bei der Haltung zur Mitteilung über die Zukunft des Verkehrs erwähnt, dass sich Österreich in den vergangenen Jahren immer wieder für die Grundsätze Verkehrs­verlagerung und ausgewogene Verteilung des Verkehrsaufkommens eingesetzt hat. Das ist zwar eine nette Anmerkung, und ich würde sie so begrüßen, aber nicht, wenn ich mir anschaue, was in der Realität passiert. Preis und Qualität sind an und für sich


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ein ausschlaggebendes Kriterium für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Momen­tan ist es aber so, dass verständlicherweise – die PendlerInnen haben viel Verständ­nis – sehr viele Baustellen massive Verspätungen verursachen. Ich bin heute für 20 Minuten Fahrzeit insgesamt 25 Minuten zu spät gekommen – das war eine „super“ Leistung.

PendlerInnen schlucken das, und ich bewundere wirklich, wie brav sie das schlucken, dass da jahrelang gebaut wird und dass es jahrelang Verspätungen gibt. Wenn dann aber gleichzeitig eine Preiserhöhung erfolgt und auf der anderen Seite das Auto billiger wird, weil das Benzin wieder billiger wird, muss man damit rechnen, dass die PendlerInnen auch wieder in die andere Richtung umsteigen. Da würde mich schon interessieren, wie Sie da gegensteuern wollen. Derzeit ist die Situation so, dass der öffentliche Personennahverkehr wieder Verluste hinzunehmen hat. Wie wollen Sie da gegensteuern und wie haben Sie sich in den vergangenen Jahren in der EU stark gemacht? – Die Erläuterung war zwar nett, aber das würde mich ein bisschen genauer interessieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Na ja, wenn man es im Ausschuss nicht diskutieren kann!

Wir werden den beiden Berichten – sowohl der Jahresvorschau des BMVIT als auch dem Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – gerne zustimmen. Beim Bericht des Biopatent Monitoring Komitees kann ich höchstens zustimmen, wenn Sie mir wirklich versichern, dass es da Bemühungen gibt. Ansonsten werde ich den ablehnen; meine Kollegen werden zustimmen. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

14.08


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


14.08.31

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zur Jahresvorschau des BMVIT 2009 haben wir schon von mehreren Seiten einiges gehört, und ich glaube, das ist gerade für die Ver­kehrspolitik in Zukunft ein wichtiges Thema. Wichtig für die Zukunft sind meiner Meinung nach auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Hiezu erlauben Sie mir bitte, nur ganz kurz etwas zu sagen.

Herr Kollege Keuschnigg, Sie waren leider noch nicht da, als bei so manchen Sitzun­gen nicht nur ich hier stand, sondern auch einige meiner Kolleginnen und Kollegen da heraußen gestanden sind, wenn es um die Umstrukturierung ging, und, erlauben Sie mir den Ausspruch als jemandem, der seit 1972 bei dem Unternehmen ÖBB arbeitet, ich habe manchmal den Ausspruch „Zerschlagung der ÖBB“ in den Mund genommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)  Nein das geht nicht so. Für die Zukunft, habe ich gesagt, ist die Vergangenheit oft sehr wichtig.

Ich habe in der Vergangenheit sehr oft darauf hingewiesen, was das bedeutet. Und jetzt kommen Sie und sagen, Sie machen sich Sorgen um die ÖBB. Die habe ich mir vor fünf Jahren schon gemacht, als ich das gehört habe! Vor allem haben Sie gesagt, die ÖBB als EVU, als Eisenbahnverkehrsunternehmen, verlieren speziell auch im Güterverkehr die Leistungen, und die privaten EVU nehmen immer mehr Leistungen von den ÖBB weg. Sie seien, wie Sie gesagt haben, schlauer oder schneller.

Ich sage Ihnen, sie sind nicht schneller, sondern schlauer. Wer bedient denn den ländlichen Raum, den Sie hier am Rednerpult immer so hervorheben? – Ein privates Unternehmen, das lieber einen Zug von Rotterdam nach Koper mit einem Triebfahr­zeug führt, nur mit einem Personalwechsel – oder oft nicht einmal das? Oder machen das die ÖBB? Der ÖBB-Güterverkehr bedient doch den ländlichen Raum und verliert


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 93

dadurch das „schöne Geschäft“, wie es unter EisenbahnerkollegInnen bezeichnet wird, weil was kostet Geld ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich gebe jetzt die Antwort auf Ihre Fragen; hören Sie bitte zu, ich habe das ja schließlich auch getan.

Das schöne Geschäft ist also jenes, bei dem die ÖBB Profit erzielen, und Profit zu erzielen bedeutet, dass die ÖBB auch Nebenbahnen erhalten und Firmen bedienen können, denn da bedarf es eines großen Aufwandes; da braucht man Leute, die Wag­gons abholen, kuppeln und so weiter. Ich glaube, es versteht jeder, dass das ein schönes Geschäft ist, wenn ein Zug von Rotterdam in den Hafen von Koper fährt. – Das ist also das Problem. Trotz vieler Mahnungen wurde das aber leider nicht beach­tet.

Sich jetzt hier herauszustellen und zu schimpfen, die ÖBB brauchen immer mehr, das finde ich nicht in Ordnung! – Man kann über vieles reden. Gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB waren und sind stets offen für Veränderungen, aber dass man sich jetzt hier herstellt und sagt, die brauchen nur immer mehr Geld, das ist, wie gesagt, nicht in Ordnung.

Ich habe schon damals auf all diese Probleme aufmerksam gemacht. Offensichtlich haben aber manche – Sie persönlich nicht (in Richtung des Bundesrates Keuschnigg), denn Sie waren damals noch nicht hier – aus den Erfahrungen nicht viel gelernt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.11


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Ich begrüße jetzt sehr herzlich in unserer Mitte Herrn Staatssekretär Schieder. (Allge­meiner Beifall.)

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2007.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den zweiten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nolo­gie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zur nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 94

14.14.0910. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Zahlungsdiensten (Zahlungs­dienstegesetz – ZaDiG) erlassen und das Bankwesengesetz, das Fern-Finanz­dienstleistungs-Gesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehör­dengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Wertpapier­aufsichtsgesetz 2007 geändert werden sowie das Überweisungsgesetz aufge­hoben wird (207 d.B. und 213 d.B. sowie 8117/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Bitte um den Bericht.

 


14.14.17

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Erbringung von Zahlungsdiensten erlassen und das Bankwe­sengesetz, das Fern-Finanzdienstleistungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 geändert werden sowie das Überweisungsgesetz auf­ge­hoben wird.

Meine Damen und Herren, der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


14.15.10

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden bei diesem Zahlungs­dienstegesetz zwar von der Umsetzung einer EU-Richtlinie, sind aber doch der Auffassung, dass dieses Gesetz höchst an der Zeit ist, weil wir gerade in dieser Zeit Rechtssicherheit im Bereich der Finanzmärkte schaffen und da auch das Vertrauen wiederherstellen müssen.

Deshalb ist, wie ich meine, die Umsetzung dieser EU-Richtlinie von größter Wichtigkeit. Es ist aber erstaunlich, dass in diesem großen EU-Binnenmarkt, den es ja schon seit Jahrzehnten gibt, erst seit eineinhalb Jahren ein Rechtsrahmen für diese Zahlungs­dienste besteht. Es ist daher, wie bereits gesagt, höchst an der Zeit, dass Österreich diese Materie auch in österreichisches Recht übernimmt.

Mit einer Harmonisierung der Zahlungsdienste innerhalb der Europäischen Union wird auch damit aufgeräumt, dass in der EU insgesamt 27 verschiedene rechtliche Ausfor­mungen im Zahlungsverkehr gegeben waren, was natürlich auch zu erhöhten Kosten für Anbieter und Kunden geführt hat.

Diese Richtlinie bringt also Rechtssicherheit und für die Kunden positive Effekte; summa summarum geht es um eine Beschleunigung des Zahlungsverkehrs. Ab Novem­ber 2009 werden Fristen in Bezug auf Gutschriften auf drei Tage verkürzt; ab Jän­ner 2012 von drei Tagen auf einen Tag.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 95

Wenn jetzt viele sagen – wie auch Kollege Schennach und ich im Ausschuss –, das hätte auch etwas schneller gehen können, so kann man dem nur beipflichten. Ursache, dass das nicht so schnell vonstatten geht, ist offensichtlich eine parallel dazu laufende EDV-Umstellung der Banken und Zahlungsdienstleister, die nicht nur kompliziert sein soll, sondern im gesamten EU-Raum auch Kosten in Höhe von rund 130 Millionen € verursachen sollen. – Ich sage das bewusst im Konjunktiv, denn bei vielen Teilen der Bevölkerung ist die Glaubwürdigkeit der Banken bei Weitem nicht mehr so groß wie vielleicht früher.

Insgesamt also eine wesentliche Verbesserung, wobei wir bereits bewährte Strukturen, so zum Beispiel unser Konzessionssystem, beibehalten, weil sich das im Sinne einer ordnungsgemäßen Funktion des Marktes und des Kundenschutzes bewährt hat.

Noch ein Satz zur Einlagensicherung, wie wir das ja auch schon im Ausschuss dis­kutiert haben, Herr Kollege Schennach. Es ist, wie ich meine, an der Zeit, die unbefristete Sicherung auslaufen zu lassen. Ich glaube, du, Kollege Schennach, bist nicht ganz dieser Auffassung, dass wir ab Jänner 2010 wieder diese 100 000 € pro Bankinstitut limitieren; bei einer Konsolidierung des Banksektors und des Finanz­marktes ist dies aber, wie ich meine, sehr wohl ein Ding der Möglichkeit.

Die Entwicklung zeigt auch, dass der Finanzmarkt wieder Normalität und damit Stabilität erhalten hat, und ich denke, das ist auch ein wichtiger Faktor für positive Signale in Richtung Realwirtschaft.

Abschließend, Herr Staatssekretär: ein guter Impuls in den Zahlungsverkehr im EU-Raum, eine gute Investition auch in das Vertrauen in die Finanz- und Geldmärkte, dem wir gerne unsere Zustimmung geben werden. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Ebner.)

14.18


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


14.19.05

Bundesrat Wolfgang Schimböck, MSc (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Ausdruck beginnen, den Kollege Schennach heute verwendet hat, nämlich: Wenden wir uns dem halb vollen Glas zu!, denn meiner Ansicht nach ist diese Umsetzung der Richtlinie auch noch nicht das Gelbe vom Ei. Es geht hiebei um die Wertstellung von Beträgen – und jeder, der einen kleineren oder mittelgroßen Betrieb führt und mit Auslandsüberweisungen zu tun hat, musste ja stets glauben, dass er irgendwie im Kalender zu schnell geblättert oder vielleicht der Wind hereingeweht hat, wenn man oft sieht, wie solche Überweisungen noch erfolgen.

Diesbezüglich, Herr Staatssekretär, ist, denke ich, der Regierung, aber auch unserer intensiven Mitarbeit in der Europäischen Union einmal wirklich Dank abzustatten, dass wenigstens das in Gang kommt, denn früher, muss ich sagen, hätte man gerne das Geld gehabt, das sich der Geldsektor da geholt hat.

In Wien sieht man überall ein Plakat, da geht es um den Schutz des Eigentums – das lässt ein ÖVP-Politiker plakatieren –: „Mehr Schutz für Ihr Eigentum“ oder so, und ich denke, hier wird wirklich das Eigentum geschützt, nämlich das Eigentum von Gewer­betreibenden, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern und damit auch von Kon­sumenten, denn in Wirklichkeit musste das dann von den Betrieben weitergegeben werden, was die Deckungskostenbeiträge oft empfindlich geschmälert hat – ich denke gerade an jene Betriebe, die eben aus dem Ausland etwas zukaufen müssen, um dann selbst zu produzieren, beziehungsweise hat es vereinzelt dann auch Exportbetriebe betroffen.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 96

Heute wurde gesagt, dass betreffend den Geldsektor schon quasi Entwarnung gege­ben werden kann, aber wenn man jetzt sieht, was sich da noch bewegt, dann, denke ich, ist es noch nicht Zeit, Entwarnung zu geben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich meine, wenn wir jetzt ein Regelwerk geschaffen haben, dann ist es ganz, ganz wichtig, dass dieses auch exekutiert wird.

Ich habe kürzlich eine Anfrage an Ihren Ressortminister, Herr Staatssekretär Schieder, betreffend die Vorgänge um die Meinl Bank gestellt; es kam dann vom Herrn Bundes­minister zurück, dass er da irgendwie nicht zuständig sei. – Ich meine, dass der Anlegerschützer Herr Dr. Rasinger zu dem Thema, wofür das Ressort zuständig ist, in den nächsten Wochen sicherlich eine Pressekonferenz veranstalten wird, wie ich gehört habe. Es geht darum, dass ein großer Anleger ident war: Er hat da als Stiftungs­mitglied angelegt, dort im Stiftungsvorstand, der Vorstand dieser Bank, die noch immer bei Ermittlungen der Finanzmarktaufsicht herumgeistert.

Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, da penibelst Erhebungen durchzuführen und ein Regelwerk, wenn es einmal geschaffen wird, wie hier in diesem Fall, dann auch wirklich zu exekutieren, denn es wird uns dann nicht geholfen sein, wenn zum Beispiel Wertstellungen, die doch in Frist erfolgen sollten, dann nicht entsprechend beobachtet und sanktioniert werden. – Das zum einen.

Ich denke, wenn solche Regelwerke beziehungsweise Richtlinien im EU-Raum ge­schaffen werden, dann ist es ganz wichtig, dass – ähnlich wie beim Konsumenten – auch kleine Betriebe eine Position bekommen, die so ausschaut, dass sie sich auf etwas berufen können.

Ich habe gerade heute gesehen, dass es eine ganz aktuelle Klage des Vereins für Konsumenteninformation gibt, aus dem sich leider ein Sozialpartner verabschiedet hat, was ich für nicht gut halte. Auch als Gewerbetreibender sage ich: Das gehört her!, denn ein gut gelebter Konsumentenschutz ist nichts anderes als ein Wettbewerbs­schutz, und dass das zurzeit nur Arbeiterkammer und ÖGB offensiv betreiben, ist eigentlich eine traurige Geschichte. Da, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass sich auch der Sozialpartner, der ausgestiegen ist, wieder ganz massiv einklinkt, denn er schützt damit jene seiner Mitglieder, die sich an Regelwerke halten. – Und darum geht es auch bei diesen Bestimmungen, bei dieser Umsetzung der Richtlinie.

Wie gesagt: Schauen wir in der Zwischenzeit auf das halb volle Glas, wie Kollege Schennach gemeint hat. Unsere Fraktion wird dem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.23.44

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Eigentlich brauche ich jetzt gar nichts mehr zu sagen, weil ... (Demonstrativer Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Es ist alles gesagt!) – Es ist sehr schön, wenn man als Oppositioneller so schnell und nach kaum einem Satz Applaus bekommt, da fühlt man sich geradezu von einer Welle der Begeisterung getragen. (Bundesrätin Zwazl: ... wenn man etwas Richtiges sagt!)

Das ist natürlich immer wieder ein Problem, wenn die „Zensurstelle“ einzig und allein die Frau Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich ist. Das kann unter Um­ständen zu einem ziemlich negativen Notenbild führen – aber ich arbeite daran, Frau Präsidentin. (Bundesrätin Zwazl: Danke schön! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Spiegelfeld-Schneeburg.)


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 97

Betreffend das, was wir hier heute beschließen – auf die Kritik werde ich noch einmal kurz eingehen –, muss man prinzipiell sagen, dass wir mit dieser Payment Services Directive, deren Umsetzung per 1. November die EU vorgegeben hat, eigentlich ein gänzlich neues Kapitel oder eine neue Ära im Bereich des gesamten Zahlungsdienstes beginnen, was die Ein- und Auszahlungen betrifft, die Lastschriftgesetze oder die Zahlungskartengesetze – das ist schon eine sehr spannende Sache! – und dass Zahlungsdienste von Bankgeschäften entkoppelt werden, was meine Vorredner, und deshalb kommen wir vielleicht zu einem anderen Thema, noch gar nicht angesprochen haben.

Während ein normales Kreditinstitut einer entsprechenden Ausstattung von 5 Mil­lionen € bedarf, benötigen nun Zahlungsinstitute, die sowohl Kredite vergeben als auch Zahlungsdienste vornehmen können, ein Anfangskapital von 20 000 €, 50 000 € oder 125 000 €. – Das heißt, da ist Wettbewerb angesagt. Das geht natürlich zulasten unse­rer traditionellen Kreditinstitute.

Man muss natürlich der Fairness halber sagen, bei einer so knappen Kapitalaus­stattung bedarf es einiger Sicherheiten und einiger Garantien für die Person, die da Kreditgeschäfte macht. Diese kleinen Zahlungsinstitute dürfen also nur Kredite bis zu einer Laufzeit von 12 Monaten gewähren, und diese müssen auch innerhalb dieser 12 Monate zurückgezahlt werden. Das kann im internationalen Geschäft (sich an Bun­desrätin Zwazl wendend) – jetzt schaue ich noch einmal zur geschätzten Frau Präsidentin – und das kann im Bereich unserer KMUs durchaus von großem Interesse sein, da wir doch die Blockade der traditionellen Institute kennen, die derzeit auf „Rien ne va plus!“ spielen – womit wir eigentlich bei einem ganz anderen Thema gelandet sind, nämlich dass wir endlich ein einheitliches Glückspielgesetz bekommen, dass dem Haus derzeit noch nicht vorliegt, das aber im Sinne einer einheitlichen Regelung in Gesamtösterreich von Interesse wäre.

Was mich aber im Ausschuss so geärgert hat – Kollegen haben schon darauf hinge­wiesen –, Herr Staatssekretär, ist, dass der Konsumenten-/Konsumentinnenschutz bei dieser Novelle irgendwie verschlafen wurde, zumindest innerhalb der Regierung, dass man also die Möglichkeiten, die da bestanden hätten, nicht genutzt hat, denn die Richtlinie, die ich schon zitiert habe, sieht ja auch vor, dass man das nicht bis zum letzten Tag ausschöpfen muss, was die Drei-Tages-Frist betrifft.

Es wird eine Übergangsfrist von einem Jahr geben, und wie uns dann im Ausschuss mitgeteilt wurde, hat man die Banken gefragt, und die Banken haben gesagt, es gehe nicht schneller, sie müssten technisch umstellen. – Dazu kann ich nur sagen: Da lachen doch die Hühner! Am Tag des Ausschusses war ich um 9 Uhr auf der Bank und habe Geld nach England überwiesen; das war um 11 Uhr in England, und zwar bestätigterweise. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schieder.) – Nur: Was wollen sie? – Technisch funktioniert das alles, sie wollen nur Geld kassieren!

Sagen Sie das einfach dazu: Wenn wir schon diese Zahlungsdienste einführen, durch die die Kreditinstitute jetzt Konkurrenz bekommen, machen wir eine Förderung der Bankenwelt und schauen wir, dass diese noch bis zum Jahre 2012 dieses Geld drei Tage lang arbeiten lassen können! – Das wäre ein bisschen offener und ehrlicher, denn so, wie diese Regelung vor uns liegt, ist sie gegen die Konsumenten, aber für die Banken. Mir gefällt dieser „Spin“ nicht, denn wir haben jetzt so viel für die Banken getan und die Banken tun derzeit so wenig für die Wirtschaft, könnte man durchaus sagen, und für die Endkonsumenten, nämlich jene, die den Zahlungsverkehr brauchen, könnte man das ein bisschen „turboisieren“.

Die Richtlinie sieht weiters vor, dass jeder Zahlungsdienstnutzer einmal im Monat kostenlos eine Auskunft in Papierform bekommt, und genau das verweigern wir hier:


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 98

Das kann nämlich sein, in Österreich ist es allerdings zu bezahlen. Während die EU sagt, wenn man es so macht, wie sie es vorschlägt, ist die Auskunft einmal im Monat nicht zu bezahlen, regeln wir das heute so, dass es zu bezahlen ist. – Das alles sind Dinge, von denen ich sage, das sie im Interesse der Banken sind, aber mit Sicherheit nicht im Interesse der User.

Was aber im Interesse aller ist – auch der Firmen oder jener, die viel Zahlungsverkehr haben – und wenn schon die Wirtschaft europäisch ist, ist, dass wir hier endlich ein­heitliche Rahmenbedingungen und EU-Mindeststandards schaffen, insbesondere bei den Haftungen, das ist ja auch relativ wichtig.

Was die Zinsvorteile betrifft, muss man fairerweise von Regierungsseite sagen: Da, liebe Konsumentinnen und Konsumenten, müsst ihr bis 2012 warten, weil das haben wir hier nicht vorgesehen. – Aber im Prinzip ist diese neue Ära, die hier im Bereich der Zahlungsdienste eingeläutet wird, eine sehr wichtige Ära.

Man könnte auch sagen, wir schaffen heute mit unserer Abstimmung eine Art „Bank light“, ein zusätzliches „Bank light“-System – light im Sinne von „leicht“. Das heißt, wir werden leichtere Zugangsmöglichkeiten niederschwelliger Art für Unternehmen, aber auch für Einzelpersonen haben, und wir werden letztlich dann, wenn 2012 da ist, wirklich eine deutliche Beschleunigung haben.

Das ist begrüßenswert und deshalb werden wir zustimmen. – Danke. (Beifall der Bun­desräte Kerschbaum und Dönmez, bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Ebner und Zangerl.)

14.30


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


14.31.00

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Eigentlich könnte ich mit den gleichen Worten beginnen wie Kollege Schennach, der meinte, dass nach Edgar Mayer und Wolfgang Schimböck alles gesagt sei – er hat dann aber trotzdem auch Ausführungen angehängt, was ich jetzt in kurzer Form gleichfalls machen möchte. Ich kann nämlich diesmal alle Aus­führungen des Kollegen Schennach voll unterstützen, und er hat, denke ich, betreffend die Wirtschaftskrise – Auslöser war ja die Bankenkrise – richtig argumentiert.

Das Positive an diesem neuen Gesetz ist also, dass sämtliche Zahlungsdienste euro­paweit einen einheitlichen Rechtsrahmen erhalten und sich dadurch auch die Finanz­marktaufsicht leichter tun wird, in Zukunft zu verhindern, dass es solche Dinge gibt, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat.

Die Ausweitung der Einlagensicherheit ist zu begrüßen. Gemeinschaftliche Rahmen­bedingungen, gleiche Wettbewerbsbedingungen, das sind Dinge, die wir schon lange gefordert haben und die nun auch in diesem Gesetz verpackt sind. Das führt dazu, dass Kunden große Rechtssicherheit durch einheitliche Rechtsgrundlagen erhalten – ein Vorteil für die Kunden, meiner Ansicht nach! Die verkürzte Überweisungsdauer, die von Herrn Kollegem Schennach angeführt wurde, ist teilweise darin enthalten, geht aber nicht weit genug: Sie ist nach wie vor ein wichtiger Punkt, der in der Zukunft noch geändert gehört.

Es gibt aber auch negative Begleiterscheinungen – ein paar Sätzen dazu: Es ist große Vorsicht bei der Ausweitung im Finanzbereich geboten! Banken könnten durch die Ausweitung der Konkurrenz geschwächt werden, und das würde eher kontraproduktiv dazu sein, dass die österreichische Bundesregierung ein sogenanntes Bankenpaket geschnürt hat, um den Banken zu helfen. Durch größeren Wettbewerb kann es wieder


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zu Schwächungen kommen. Und – noch einmal –: Abbuchungen sofort und Gut­schriften verzögert ist etwas, was überarbeitenswürdig ist.

Der beste Beweis ist, dass es den Banken immer gut – ich sage nicht: besser, zum jetzigen Zeitpunkt – und der Wirtschaft schlechter geht, und damit sind auch die Arbeitsplätze verbunden.

Trotzdem, die Vorteile überwiegen: Es gibt eine positive Bilanz bei diesem Gesetz, deshalb werden wir dieses Gesetz natürlich auch nicht beeinspruchen. (Beifall des Bundesrates Mag. Ebner, bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

14.33


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Staatssekretär Schieder, bitte.

 


14.33.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Es freut mich erstens einmal, wieder einmal hier im Plenum des Bundesrates zu sein, und es freut mich zweitens auch, dass das quasi am zweiten Tag des burgenländischen Vorsitzes passiert, ist es doch nicht nur unser jüngstes Bundesland, sondern es gewinnt vor allem in dieser Jahreszeit massiv an Charme: Das Burgenland ist ja kein „Winter-Bundesland“, sondern eher ein „Sommer-“ und „Bade-Bundesland“.

Betreffend die Diskussion, die hier stattgefunden hat, denke ich, dass wir heute einen richtigen und notwendigen Schritt setzen. Sehr oft haben wir uns alle in unserem Privatleben als Bankkunden gefragt: Was ist denn das für ein Körberlgeld, dass sich die Banken durch diese relativ langen Valuta-Zeiträume verdienen? Und die zweite Frage, die wir uns ja auch schon länger stellen, ist: Warum ist das, wenn ich ins Ausland überweise oder vom Ausland eine Überweisung bekomme, dort nicht so?

Mit dieser Regelung wird nicht nur quasi die Umsetzung der EU-Richtlinie, die das vereinheitlichen soll, vollzogen, sondern auch die Wertstellung am nächsten Tag – mit Übergangsfristen, aber immerhin – vereinbart. Man fragt sich auch da, Herr Bundesrat Schennach hat das Beispiel gebracht, warum die Überweisung von hier nach, ich glaube, England war das, von 9 Uhr bis 11 Uhr dauert. – Das weiß ich auch nicht, denn das Versenden einer E-Mail von hier nach England dauert von 9 Uhr bis 9 Uhr und 10 Sekunden. So gesehen ist das ein technisch ähnlicher Prozess, und da sind weder zwei Stunden noch drei Tage ein verständlicher Zeithorizont.

Wichtig ist allerdings, dass wir klassische Überweisungen im Inland mit Überweisungen aus dem oder ins Ausland gleichstellen, und zwar sowohl bezüglich der Haftungen und der Informationspflichten als auch der Wertstellung.

Der zweite wichtige Punkt ist, dass es im Zuge der Gesetzeserstellung auch und vor allem von Konsumentenschutzseite das dringende Interesse gab, sich da nicht nur um Girokonten zu bemühen, sondern auch Kredit- und Sparkonten genau dieser Rege­lung, nämlich spätestens am nächsten Tag wertzustellen, zu unterwerfen. Das ist, denke ich, eine ganz wichtige und notwendige Maßnahme, weil hier auch dem Konsu­mentenschutz und der gleichen Behandlung aller Kontoarten entsprochen wird, und gerade betreffend Kreditkonten darf man darauf hinweisen, dass es immer wieder Diskussionen und auch Prozesse in diesem Bereich gab, weil es zu großer Unzu­friedenheit gekommen ist.

Ein weiterer Punkt sei auch kurz angesprochen – den brauche ich, glaube ich, hier nicht mehr ausführlich zu erwähnen –, das ist die Einlagensicherung, die mit 100 000 €


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für alle natürlichen und juristischen Personen ab Beginn des nächsten Jahres fest­gelegt wird, womit eigentlich 97 Prozent aller Spareinlagen abgedeckt sind. Damit ist auch weiterhin das gesichert, was die Bundesregierung und der Gesetzgeber im Zuge des Bankenpakets festgelegt haben, nämlich dass die gesamten Spareinlagen der Privatpersonen dieses Landes sicher sind, der Staat für diese haftet und dass sich niemand um deren Sicherheit Sorgen machen muss.

So gesehen freut es mich, dass ich schon der Debatte entnehmen konnte, dass kein Einspruch erhoben wird, und ich danke für die angeregte Diskussion. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Schennach und Mitterer.)

14.37


Präsident Erwin Preiner: Ich danke, Herr Staatssekretär, für die charmanten Worte das Burgenland betreffend.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung noch ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit ... (Bundesrätin Mühlwerth: Mehr­heit!) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. – Man muss natürlich manchmal überprüfen, ob auch alle im Raum befindlichen Bundes­rätinnen und Bundesräte zu 100 Prozent aufmerksam sind.

14.38.1711. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (168 d.B. und 214 d.B. sowie 8118/BR d.B.)

Präsident Erwin Preiner: Nun gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich ersuche um den Bericht.

 


14.38.34

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfonds­ge­setz 1996 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jany. – Bitte.

 


14.39.06

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Mit der Änderung des Katastrophenfondsgesetzes


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haben unsere Feuerwehren Planungssicherheit für die Zukunft; sie können voraus­planen bis 2011.

Die vergangenen Tage mit der Hochwasserkatastrophe in weiten Teilen Österreichs haben bewiesen, was unsere Feuerwehrmänner und -frauen in diesem Land leisten: Sie waren täglich im Einsatz, Tag und Nacht, um Menschenleben zu retten, um Hab und Gut zu retten, bei den Aufräumarbeiten, beim Kellerauspumpen, beim Beseitigen von Schlamm und Geröll und so weiter – Leistungen, die sie unentgeltlich und ehren­amtlich erbringen.

Die Feuerwehren waren tagelang ehrenamtlich im Einsatz. Ein junger Feuerwehrmann musste leider Gottes auf tragische Weise sein Leben lassen. (Ruf: Aber nicht im Einsatz!)

Die Aufgaben der Feuerwehren haben sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich ge­ändert. Heute müssen neben der Brandbekämpfung auch technische Einsätze bewäl­tigt werden. Das ist eine besondere Herausforderung an das Fachwissen, eine beson­dere Herausforderung, was die entsprechende Ausrüstung beziehungsweise das Gerät betrifft.

Professionelle Hilfe ist nur möglich, wenn unsere Feuerwehrmänner und -frauen ent­sprechend ausgebildet und ausgerüstet sind. Der Wille zur Aus- und Weiterbildung ist bei der Feuerwehr vorbildhaft.

Den Freiwilligen Feuerwehren kommt auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung in den Gemeinden zu. Sie sind für den Zusammenhalt in jeder Gemeinde ein ganz wich­tiger Bestandteil. Uneigennütziger Einsatz für die Menschen, auch unter Gefährdung des eigenen Lebens, Einordnen in ein Team, der Wille für ständige Aus- und Weiter­bildung, die Vorbereitung auf den Notfall sind Tugenden, die auch an die Jugend weitergegeben werden. Die Feuerwehren leisten damit einen Beitrag für die Jugend, für die Erziehung der Jugend, und das hat einen Wert, der nicht hoch genug geschätzt werden kann.

Ich komme selbst aus einer Gemeinde mit 2 300 Einwohnern, mit fünf kleinen Orts­teilen, wie das im Burgenland ja üblich ist, mit zirka 400 Einwohnern pro Ortsteil. Wir haben fünf Feuerwehren – ich weiß den Wert der Feuerwehr zu schätzen. Ja, es gibt auch Kosten, wir haben erst voriges Jahr das fünfte Feuerwehrhaus eröffnet, seit ich im Gemeinderat bin. Damit ist die Feuerwehr auch ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Die Politik kann also nur die Rahmenbedingungen vorgeben und mitunter ein wenig helfen. Wenngleich das Feuerwehrwesen Sache der Länder ist, erfolgt dessen Finan­zierung durch finanzielle Mittel, die vom Bund eingehoben werden, und zwar zum einen über die Feuerschutzsteuer und zum anderen über Anteile des Katastrophen­fonds. Mit der Novelle des Katastrophenfondsgesetzes wird den Feuerwehren bis ein­schließlich 2011 ein Mindestvolumen aus der Feuerschutzsteuer und den Katastro­phenfondsmitteln von 93 Millionen € zur Verfügung gestellt. Dadurch ist eine ent­sprechende Investitionsmöglichkeit für die Feuerwehren gegeben.

Ich möchte diese Gelegenheit nützen und mich bei allen Einsatzkräften der Feuer­wehren, bei allen freiwilligen Helfern, die in den vergangenen Tagen wesentlich gehol­fen haben, für ihren Einsatz recht herzlich bedanken. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

14.43


Präsident Erwin Preiner: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Hladny. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 102

14.43.32

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Beschluss des Nationalrates, den Feuerwehren in den Jahren 2009 bis 2011 Anteile aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung zu stellen, können wir uns sicherlich alle identifizieren. Die jährliche Min­destsumme von 93 Millionen € aus den Mitteln der Feuerschutzsteuer und des Katas­trophenfonds garantieren Menschen, die durch ihre freiwilligen Arbeitseinsätze Men­schenleben retten, Sicherheitskompetenzen vor Ort übernehmen, dass sie im Brand­falle, bei technischen oder chemischen Problemen, aber auch bei Naturkatastrophen, die wir alle in den letzten Tagen und Wochen entweder persönlich oder aus den Medien erfahren mussten, eine ordnungsgemäße Ausrüstung und Schulung für ihre Einsätze haben.

Eine Bemerkung am Rande: In der Steiermark wird die Feuerschutzsteuer, seit wir den sozialdemokratischen Landeshauptmann Mag. Franz Voves haben, 1 : 1 an die Feuer­wehren weitergegeben.

Die 93 Millionen € an zusätzlichen Mitteln kommen aber auch unserer Wirtschaft zugute und sichern daher auch Arbeitsplätze. Die Freiwilligen Feuerwehren nehmen zu den üblichen selbstverständlichen Einsätzen auch einen wichtigen Part im Bereich der Jugendbetreuung ein. Zirka 26 000 Jugendliche werden betreut und stellen einen wesentlichen Kulturfaktor dar. Ich denke dabei an die Betreuung bei Fitmärschen, an Benefizveranstaltungen, Flohmärkte und so weiter.

Wie würde Österreich ohne die Arbeit Freiwilliger aussehen? Wie groß wären die Schäden, die durch Brand, Überschwemmungen, Murenabgänge und so weiter ent­stehen, wären nicht die Feuerwehren mit ihrer Fachkompetenz zu jeder Tages- und Nachtzeit einsatzbereit?

Ich hatte die Gelegenheit, am 13. Juni 2009 beim Antonifest in der Gemeinde Radmer, Bezirk Leoben, die Ehrung von Freiwilligen Feuerwehrmännern und -frauen vorzu­nehmen. Darunter war auch jener Feuerwehrmann, der bei einem Einsatz schwer verunglückte, wochenlang im Tiefschlaf lag und jetzt im Rollstuhl sitzt. Er ist 50 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Ich habe die tiefe und ehrliche Freude der Feuerwehrkameraden miterlebt, als sie ihren Kollegen beim Antonifest begrüßen konnten.

Oder: der berührende Bericht einer jungen Frau, deren Haus durch eine Mure total verwüstet wurde. Sie konnte das Haus nicht mehr verlassen und dachte, dass sie jetzt sterben müsse. Plötzlich wurde die Eingangstür aufgebrochen – und vor ihr stand Bürgermeister Siegfried Gallhofer in seiner Feuerwehruniform. Er hat sie in die Arme genommen und in Sicherheit gebracht. Sie konnte das überwältigende Gefühl nicht in Worten ausdrücken, aber auch für den Feuerwehrmann und Bürgermeister Siegi Gallhofer war das einer der berührendsten Momente in seinem Leben.

Solche Geschichten gibt es sicherlich viele, und sie zeigen uns, dass Feuer­wehr­männer und -frauen mit Schicksalsschlägen in Berührung kommen, die sie selbst auch nur schwer verarbeiten können. Ich habe große Hochachtung vor allen freiwilligen Einsatzkräften und möchte meinen Dank für ihre unentgeltliche und unermüdliche Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit aussprechen.

Wir werden den Antrag selbstverständlich unterstützen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Ebner und Zangerl.)

14.47


Präsident Erwin Preiner: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 



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14.47.27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Zum Thema Katastrophenfondsgesetz steht auf der Homepage des Finanz­minis­teriums:

„Der Katastrophenfonds wurde für die zusätzliche Finanzierung von Maßnahmen zur Vorbeugung gegen künftige und zur Beseitigung von eingetretenen Katastrophen­schä­den eingerichtet.“

Ich möchte jetzt nicht viel mehr vorlesen, aber es heißt dann: „Weiters werden aus Mitteln des Katastrophenfonds auch Einsatzgeräte für Feuerwehren sowie das Warn- und Alarmsystem mitfinanziert und Hagelversicherungsprämien gefördert.“

Wir werden natürlich zustimmen, wenn heute beschlossen wird, dass die Finan­zierungssicherheit der Feuerwehren auch aus Mitteln des Katastrophenfonds weiter gewährleistet werden soll. Ich denke, in den letzten Tagen – das haben schon viele erwähnt – wurde wieder unter Beweis gestellt, wie wichtig dieses Freiwilligensystem in Österreich ist, wie wichtig es ist, dass wir ausreichend Feuerwehrmänner und -frauen finden, die sich diese Arbeit freiwillig antun, die natürlich eine gewisse Befriedigung bringt, aber eben eine freiwillige Arbeit ist, für die man bekanntlich kein Geld bekommt.

Wir wissen – viele von uns sitzen ja auch in den Gemeinderäten –, dass sich die wenigsten Gemeinden in Österreich die Einrichtung einer Berufsfeuerwehr und den Verzicht auf dieses Freiwilligensystem leisten könnten.

Es ist aber auch bekannt und auch schon sehr lange in Diskussion, dass nach wie vor nicht jeder Arbeitgeber glücklich ist, wenn seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen die Flut kämpfen und deshalb nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Dass diesbezüglich endlich einmal Lösungen gefunden werden sollten, ist auch schon lange bekannt. Diese Lösungen werden sicher nicht heute in dieser Sitzung gefunden werden, aber ich möchte daran erinnern.

Ich möchte auch daran erinnern, dass das letzte Jahrhunderthochwasser 2003 war (Ruf bei der ÖVP: 2002!) und dass wir heuer schon wieder nicht ganz ein Jahr­hunderthochwasser, aber doch in etwa ein 30-jährliches Hochwasser hatten. Sprich, 30-jährliches und 100-jährliches Hochwasser werden offensichtlich immer häufiger; es gibt auch Studien, die das belegen. Es werden solche Fälle und Katastrophen, wenn wir nichts dagegen unternehmen, einfach zunehmen und stärkere Schäden anrichten.

Vorbeugen heißt deshalb auf der einen Seite Klimaschutz – das Wort „Klimaschutz“ ist schon in aller Munde; es wäre aber schön, wenn viel mehr umgesetzt würde. Ich erinnere nur an das Klimaschutzgesetz, das bereits vor einem Jahr im Bundesrat schon einmal zum Thema gemacht wurde. Damals hat uns der Herr Minister ver­sichert, es werde bald in Kraft treten, dafür brauchten wir gar keinen Antrag mehr. Bis heute gibt es das nicht, und der neue Minister versichert uns jetzt wieder, dass das Klimaschutzgesetz, das er mit den Ländern ausverhandeln wird, bald in Kraft treten wird.

Der vorige Umweltminister ist jetzt Finanzminister, das heißt, dieser Wechsel hat sich auf das Klimaschutzgesetz bisher nicht ausgewirkt.

Vorbeugen gegen Unwetterkatastrophen und vor allem Flutkatastrophen betrifft aber auch den Bereich Umwidmungen. Vor allem die Gemeinden müssen sich den Kopf darüber zerbrechen, ob es immer sinnvoll ist, alle Grenzen, bis zu denen etwas erlaubt ist, auszunützen und unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten alles zu verbauen.

Ich komme aus Korneuburg und muss sagen, wir haben dieses Problem selbst vor Ort. Ich kämpfe diesbezüglich schon lange gegen den Bürgermeister und denke, dass es


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irgendwann einmal so weit sein muss, dass man sich überlegt, wie man Umwidmungs­gewinne auch einmal dazu verwenden kann, Rückwidmungen gegenzufinanzieren, denn dass es dazu früher oder später kommen wird – gerade im Bereich der Hoch­wässer –, ist unumgänglich.

Ich möchte noch kurz auf einen Fall eingehen, weil ich erst vor Kurzem wieder ange­rufen und gefragt wurde, wie es denn da weitergeht. Ich habe am 25. Juli 2006 eine Anfrage gestellt, damals noch an Herrn Minister Pröll, bezüglich des Lanzenkirchner Werkskanals. Das Problem vor Ort ist: Der Lanzenkirchner Kanal ist ein Seitenarm der Leitha, die Leitha wurde reguliert, und der Kanal wurde mehr oder weniger abgetrennt und wird jetzt durch einige andere Bäche gespeist.

Durch diese Eingriffe ist es jetzt aber so, dass der Werkskanal verschlammt, weil im Normalfall nicht mehr die nötige Wassermenge durchfließt. Es gab vonseiten des Leitha-Fischa-Wasserwerksvereins immer wieder Aufrufe, dass diese Verschlammung endlich beseitigt werden müsse, von Bundesseite. Es wurde vom Umweltanwalt in Niederösterreich sogar interveniert, schon 1999 – auch das war ohne Erfolg. Kurzum, seit 1993 ist das Thema auf dem Tisch, es müsste der Schlamm aus dem Flussbett entsorgt werden – der Bund wäre dafür zuständig; keiner hat es gemacht. Es gibt Rechtsstreitigkeiten, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, die belegen, dass die Behörde für das Ausbaggern zuständig ist – geschehen ist nichts.

Was war? – Vorige Woche ist es wieder zu einer Überflutung gekommen, und Herr Landeshauptmann Pröll hat in die Gegend fahren müssen, um gegenüber den Leuten dort sein Bedauern darüber auszudrücken, dass es leider wieder zu einem Hoch­wasser gekommen ist.

In Wirklichkeit gibt es niemanden und keine Stelle – außer dem „Salzamt“ –, wo man sich beschweren kann, denn der Bund wäre ja dafür zuständig gewesen, dort Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen, damit es eben zu keiner Überflutung mehr kommt. Das wäre auch eine relativ kostengünstige Variante gewesen: im Vergleich zu den Schäden, die durch ein Hochwasser entstehen.

Ich möchte deshalb noch einmal appellieren, dass man darauf achtet, dass die Mittel des Katastrophenfonds sorgfältig verwendet werden. In den letzten Jahren gab es immer wieder Zugriffe auf den Katastrophenfonds, die nicht immer direkt im Zusam­menhang mit dem Sinn und Zweck dieses Fonds standen. Vielleicht muss man sich auch überlegen, wie man diesen Fonds künftig höher dotiert. Momentan ist es so, dass er aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer gespeist wird. Es ist nicht zu erwarten, dass Einkommen- und Körperschaftsteuer heuer und in den nächsten Jahren großartig ansteigen, also werden auch die Fondsmittel nicht viel höher werden.

Möglicherweise muss man sich deshalb weitere Finanzierungsmöglichkeiten für diesen Fonds überlegen, denn es ist, wie gesagt, zu befürchten – es gibt ausreichend Studien dazu –, dass der Katastrophenfonds in den nächsten Jahren immer wieder benötigt wird, dass wir da Mittel brauchen und zur Verfügung stellen müssen. (Beifall der Bun­desräte Dönmez, Schennach und Mag. Ebner.)

14.54


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

 


14.54.51

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorerst eine Bemerkung zu den Ausführungen meiner Kollegin Kerschbaum. Kollegin Kersch-


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baum hat interpretiert, und zwar die Forderung im Bereich der Einsätze, der Freistel­lungen und vieles mehr.

Ich sage hier ganz offen und ehrlich: Es ist unbestritten, dass man alles fordern kann, aber man kann auch die Gesellschaft ganz einfach überfordern! Die Forderungen müssen ganz einfach der Realität entsprechen. Ich sage das hier bewusst, meine sehr geehrten Damen und Herren, als einer, dessen Bezirk durch diese Flutkatastrophe sehr schwer betroffen war.

Ich habe keinen einzigen freiwilligen Helfer gehört, der gesagt hätte: Fritz, wir wollen mehr! – Die freiwilligen Helfer haben ihr Herz hineingelegt und dazu beigetragen, den Menschen zu helfen. Das ist die Realität, das ist die Wirklichkeit, geschätzte Frau Kollegin. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Katastrophenfondsgesetz ist aktueller denn je. Sicher, wir haben es schon sehr treffend von meinen Vorrednern gehört, ich möchte es so formulieren: Man braucht sich nur die Gesellschaft anzuschauen, jeder Einzelne von uns nimmt sehr viele Dinge als selbstverständlich an, und wir glauben, alles lässt sich gestalten, lässt sich organi­sieren, es lässt sich alles planen. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, so ist es nicht!

Das heurige Jahr hat uns wieder auf den Boden der Realität zurückgeführt, denn es ist leider wieder eine verheerende Flutkatastrophe auf uns hereingebrochen. Auch in unserem Bezirk – meine geschätzte Kollegin Christa Vladyka wird das bestätigen –, Dammbruch, Sprengungen, Sorgen und Nöte der Menschen. Der ganze Bezirk ist zusammengestanden. Ich sage das hier bewusst. Wir sind ein kleiner Bezirk mit ein bisschen über 40 000 Einwohnern, und wenn in einer kleinen Gemeinde wie meinem Heimatort, 200 Einwohner, auf einmal 180 Feuerwehrhelfer da sind und sagen, wir helfen, geschätzter Herr Staatssekretär, dann beweist das, dass in unserer Heimat die Menschen, die Bürger wissen, wem sie helfen sollen und wann sie helfen müssen.

Herr Staatssekretär, ich bin daher wirklich sehr dankbar dafür, dass diese 93 Millionen organisiert und gut gestaltet für die Feuerwehren, für die Planung zur Verfügung gestellt werden.

Abschließend: Unsere Gesellschaft würde ohne die Freiwilligen ganz einfach nicht funktionieren – das ist meine Feststellung –, egal, ob Feuerwehren, karitative Einrich­tungen, Rotes Kreuz und viele mehr. Aber es ist auch klar, dass das ein Teil der Menschen ist oder eine bestimmte Wertigkeit für die Menschen unseres Heimatlandes hat. Wir können darauf stolz sein, dass sehr viele junge Menschen eine aktive Gestal­tung – ich sage es hier vielleicht ein bisschen überspitzt: Freizeitgestaltung; kein böses Wort – erfahren. Sie lernen, sich aktiv einzubringen, sie lernen, den Menschen zu helfen, und sie lernen, die wahren Werte des Lebens zu schätzen.

Darum bin ich überzeugt davon, dass das in die richtige Richtung geht, und bedanke mich noch einmal recht herzlich.

Ich bedanke mich bei den unzähligen Helferinnen und Helfern, die aktiv dabei waren. Sie lindern den Schmerz, den materiellen Schmerz. Wir können trotz allem der Zukunft positiv entgegensehen. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Ebner. – Bitte.

 


14.59.26

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Ich


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 106

darf auf die Ausführungen meines Vorredners replizieren: Selbstverständlich fordern die freiwilligen Feuerwehrmänner nicht. Selbstverständlich sind, wenn die Sirene geht, Männer und auch Frauen in der Zwischenzeit einsatzbereit, um sich für die Gemein­schaft einzusetzen.

Aber gerade deswegen haben wir als Vertreter dieser unserer Gesellschaft die morali­sche Verpflichtung, auch auf die Bedürfnisse und da und dort berechtigten Wünsche und Forderungen dieser freiwilligen Feuerwehrmänner einzugehen.

Ich sage dies hier nicht, weil Ferdinand Jergitsch in Klagenfurt vor knapp 130 Jahren das Freiwillige Feuerwehrwesen gegründet und in der gesamten Monarchie verbreitet hat, wobei das Freiwillige Feuerwehrwesen eine besondere Form des gesellschaft­lichen Miteinanders ist, sondern weil viele Staaten in Europa das Freiwillige Feuer­wehr­wesen in der Form, wie es bei uns etabliert ist, nicht kennen. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Aber wir haben nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern wenn wir – es ist schon mehrmals angesprochen worden – die Schäden der Katastrophenjahre und jetzt diese Schäden betrachten, dann sehen wir, diese gehen in die Millionen und Aber­millionen Euro, ja haben die Milliardengrenze schon bei Weitem überschritten. Wir set­zen also deswegen diesen Schritt, die freiwilligen Feuerwehrmänner und das Feuer­wehrwesen mit diesem Beschluss zu unterstützen, weil das ein Teil der Prävention, der Vorsorge und im Sinne von nachhaltiger Politik ist.

Diese 93 Millionen € sind ja nur ein Teil dessen, was an Geldmitteln notwendig ist, um einen Teil des Schutzbedürfnisses unserer Gesellschaft, unserer Infrastruktur, der volks­wirtschaftlichen Vermögenswerte und der privatwirtschaftlichen Vermögenswerte abzusichern, denn – und das steht auch hier in den Beschreibungen – die steuerlichen Veränderungen werden unter Umständen einkommensteuer-, körperschaftssteuer­relevant sein. Das hoffen ja die einen, aber andererseits bedeutet das unter Um­ständen geringere Mittel.

Andererseits wissen wir aber auch, dass es die Feuerschutzsteuer gibt. Was die Feuereinsätze im Bereich der freiwilligen Feuerwehrmänner, aber auch der anderen Feuerwehren betrifft, da soll auf die Feuerwehren in Wien und in Linz besonders hingewiesen werden, denn dort sind die zentralen Ausbildungsstätten für unsere österreichischen freiwilligen Feuerwehrmänner und dort wird optimale Ausbildung für die Offiziere und Mannschaft gewährleistet. Tatsache ist, dass derzeit etwa nur mehr ein Drittel tatsächlich Feuereinsätze sind, die anderen sind chemische Einsätze, Um­welteinsätze, technische Einsätze. Daher ist das, was hier heute beschlossen wird, notwendig, richtig und eine Entscheidung, die einfach schon angestanden ist.

Aber, Herr Staatssekretär, Sie werden sicherlich wissen, dass das nur ein Teil ist, denn mit Geld werden wir, wie ich es schon angesprochen habe, dieses Problem nicht lösen können, werden wir tatsächlich nur einen Teil ansprechen können, denn im letzten Rech­nungshofbericht heißt es eindeutig für diesen Bereich – ich darf zitieren –: „Kom­petenzzersplitterungen erschweren die einheitliche Abwicklung von Katastrophen­schutzmaßnahmen“, und, und, und, ein sehr ausführlicher Bericht.

Im Kärntner Feuerwehrgesetz steht ausdrücklich, der Feuerwehrmann hat zu kommen, wenn der Einsatz gefordert wird, nämlich auch der freiwillige Feuerwehrmann. Daher ist diese ihre Forderung berechtigt und richtig. Denn wenn er zu kommen hat, hat sich die Gemeinschaft auch für ihn einzusetzen, und das sind einige Punkte. Dann haben wir auch das Kompetenzwirrwarr der verschiedenen Ministerien, das Kompetenz­wirrwarr der verschiedenen Abteilungen und die unterschiedlichen Kompetenzen im Bereich des Bundes und der Länder endlich anzugehen, Richtlinien auszuarbeiten, endlich darauf zu achten, dass Geld nicht liegenbleibt, wie es vom Rechnungshof hier


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angesprochen wurde. Dann sind dieser Beschluss und diese 93 Millionen € tatsächlich nur der erste Schritt.

Man braucht nur im Rechnungshofbericht nachzulesen, diese Bundesregierung und in Kooperation die Bundesländer haben noch einiges vor. Und es ist notwendig, dass sie es vorhaben, dass sie es umsetzen müssen, denn wenn wir so zögerlich mit den Katastrophenschutzmaßnahmen voranschreiten, dann ist nicht nur 2002, 2003, 2004, 2005, 2006 bis 2009 da und dort eine größere Umweltkatastrophe, sondern dann ist jedes Bundesland betroffen.

Daher darf ich das noch einmal konkretisieren, und glauben Sie mir, das sage ich seit Jahren, denn ich durfte jahrelang Feuerwehrreferent in der Landeshauptstadt Klagen­furt sein und kenne also tatsächlich die persönlichen Gründe, warum sich die frei­willigen Feuerwehrmänner und ‑frauen der Gemeinschaft dienen.

Ich kenne aber auch ihre Sorgen. Eine der Sorgen ist, dass im härter werdenden Wirtschaftskampf, Konkurrenzkampf der Arbeitsplatz tatsächlich auch gefährdet ist, wenn in den Bewerbungsunterlagen freiwilliger Feuerwehrmann steht. Für den Unternehmer, wenn er wohlgesonnen ist, stellt der eine oder andere Einsatz kein Problem dar, auch nicht für die öffentliche Hand oder für manche Institutionen. Aber wenn sich das häuft, dann haben wir auch hier die Frage zu stellen, ob es nicht notwendig ist, ab einem gewissen Zeitraum die Lohnkosten den Unternehmen durch die öffentliche Hand abzugelten, denn die Freiwilligkeit erspart uns auf der anderen Seite Millionenbeträge. Es müsste doch möglich sein, da einen Weg zu finden.

Mir ist schon klar, die Kompetenzen sind nicht klar definiert, das verlangt dann auch Kooperation und Koordination in den verschiedensten Ministerien und öffentlichen Stellen, wenn wir die Lohnkosten abgelten, wenn wir steuerliche Begünstigungen haben, wenn wir das als eine der wesentlichen Bedingungen auch mit hineinnehmen in die bevorzugte Aufnahme im öffentlichen Dienst, denn sie leisten auch eine öffentliche Aufgabe. Ich glaube, das lässt sich noch fortsetzen mit der Schwerarbeiterregelung und, und, und.

Wer einen freiwilligen Feuerwehrmann gesehen hat, der nach einem schweren Einsatz psychisch schwerst angeschlagen zurückgekommen ist, der weiß, das ist harte Arbeit. Das lässt sich aber in der Gemeinschaft der freiwilligen Feuerwehrmänner – und diese ist eine, die wir da und dort in der Gesellschaft vermissen – aufarbeiten und bearbeiten, aber auch das ist Schwerarbeit und Schwerstarbeit.

Daher werden wir von unserer Seite diesem Antrag selbstverständlich die Unter­stützung geben, ersuchen aber die Bundesregierung, im Besonderen Sie, Herr Staats­sekretär, dass Sie diese Anregungen von diesem Hause aus mitnehmen und sagen, das ist ein erster Schritt, ein Schritt, dem jedoch weitere folgen werden müssen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


15.07.30

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs kurz auf die Ausführungen von zwei meiner VorrednerInnen eingehen; zunächst auf jene von Frau Bundesrätin Hladny. Erstens einmal haben mich diese beiden Einsatz­beispiele natürlich – wie uns alle – sehr berührt. Ich kenne solche Situationen. Man kann immer nur froh sein, wenn diese so ausgehen, wie sie ausgegangen sind.


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Frau Bundesrätin Hladny hat gemeint, Herr Landeshauptmann Voves hat die Feuer­schutzsteuer den Freiwilligen Feuerwehren gegeben. Da kann man nur froh sein, dass diese nicht in einer Stiftung gelandet sind, denn dann wäre das Geld nämlich weg gewesen. (Bundesrat Gruber: Geh, hör auf! – Bundesrat Konecny: Herr Kollege, das ist nicht einmal mehr unter der Gürtellinie! – Bundesrat Mag. Klug: War das jetzt etwas Inhaltliches? – Staatssekretär Mag. Schieder: Wo sind die Wohnbaufördermittel?) In dem Sinne war das die richtige Entscheidung des Herrn Landeshauptmannes. (Bun­desrat Mag. Klug: Kommt da noch etwas?)

Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Ebner – stolz, wenn der Kärntner Feuer­wehrverband 130 Jahre feiert. Ich bin noch mehr stolz darauf, dass Niederösterreich 140 Jahre feiert. Und so können wir insgesamt stolz sein auf das ... (Weitere Zwischen­rufe bei Bundesräten der SPÖ.) Da muss ich euch richtig getroffen haben, wenn ihr euch so aufregt. So ist es! Ich denke, dass das auch so stimmt, und wir lassen das einfach so stehen.

Die heutige Änderung des Katastrophenfondsgesetzes gibt den Feuerwehren Sicher­heit. Ich glaube, das ist gut, weil in der Prioritätenliste unserer Bürger Sicherheit ganz oben steht, und Sicherheit gibt vor allem die Freiwillige Feuerwehr, wobei es in ganz Österreich über 4 861 Feuerwehren, davon 4 527 Freiwillige Feuerwehren gibt. Wir haben ja nur in einigen Landeshauptstädten, nämlich in Wien, Linz, Graz, Klagenfurt, also nicht einmal in jeder Landeshauptstadt, Berufsfeuerwehren. Das sind über 330 000 Personen, Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner, die sich da engagiert einsetzen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) St. Pölten ist zum Beispiel auch eine Landes­hauptstadt, hat aber keine Berufsfeuerwehr. Salzburg hat auch eine Berufsfeuerwehr, ja. Bregenz, glaube ich, hat keine Berufsfeuerwehr. Es ist gut, wenn sich alle so engagiert zu diesem Thema einbringen.

Ich bin deshalb auch so froh darüber, dass sich alle so engagiert dem Thema Feuer­wehr widmen, weil, wie ich meine, alle hier in diesem Raum auch die Arbeit der Frei­willigen Feuerwehren und der Berufsfeuerwehren in dieser Republik schätzen. Und das zeigt auch die einhellige Zustimmung zu diesem Thema.

Ich selbst bin ebenfalls seit mehr als 27 Jahren aktives Mitglied der Freiwilligen Feuer­wehr meiner Heimatgemeinde Pfaffstätten, und ich weiß daher, wie engagiert die Kameraden ihren Dienst versehen, bei uns im Unterabschnitt, im Abschnitt Baden Land, aber auch im Bezirk und darüber hinaus. Gerade – die Kolleginnen und Kollegen haben bereits darauf hingewiesen – die Katastrophen, die Hochwasserschäden der letzten Tage haben wieder eindrucksvoll bewiesen, mit welcher Einsatzfreude und Schlag­kraft unsere Freiwilligen Feuerwehren Minuten nach der Alarmierung vor Ort sind.

Denken wir nur ein paar Jahre zurück an die Katastrophe in Amerika, wo es Tage gedauert hat, bis Einsatzkräfte vor Ort waren! Das ist in unseren Breiten mit unserem Freiwilligen Feuerwehrwesen, wo wir auch länderübergreifend zusammenarbeiten, schlichtweg undenkbar.

Wir haben gestern Abend in meiner Heimatgemeinde zweieinhalb Stunden Einsatz nach einem Unwetter gehabt, und es ist eine Freude, mit den Kameradinnen und Kameraden zusammenzuarbeiten, zu sehen, wie hoch motiviert, mit welcher Einsatz­freude und auch wie top ausgebildet sie den Mitmenschen helfen, auch wenn sie das in der Freizeit tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Feuerwehrwesen ist Länder- und Gemeinde­kompetenz, aber ich glaube, mit dieser Änderung des Katastrophenfondsgesetzes geben wir den Feuerwehren auch Planungssicherheit, die ganz entscheidend ist, und


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ich meine, dass mit den 93 Millionen € bis einschließlich 2011 ein richtiger und guter Schritt gesetzt ist.

Abschließend noch ein Gedanke: Das Freiwillige Feuerwehrwesen in Österreich zeigt auch, wie gut die Bürgergesellschaft funktionieren kann, wie gut es funktionieren kann, wenn sich unsere Mitbürger in ihrem Bereich auch persönlich einbringen.

Ich glaube, dass es noch viele Dinge zu diskutieren gibt, aber eines können wir als Politiker und politisch Tätige in diesem Land auf der Stelle, ab morgen tun, nämlich jenen Unternehmen eine höhere Wertschätzung zuteilwerden lassen, die bereit sind, Freiwillige Feuerwehrleute, Rettungsmänner, Rettungssanitäter in ihrem Unternehmen einzustellen. Das ist etwas, was wir als politisch Tätige auch tun können. Wenn wir erreichen, dass Unternehmer stolz sind, dass sie Freiwillige Feuerwehrleute in ihrem Unternehmen haben, dann wird auch die Bereitschaft erhöht werden, diese einzu­stellen, anstatt Überlegungen anzustellen, diese nicht einzustellen, weil jemand bei der Arbeit im Unternehmen ausfallen könnte. Das ist, glaube ich, auch eine Möglichkeit, neben der wir auch noch viele andere Dinge klären müssen.

In diesem Sinne: Danke, wir werden gerne zustimmen, und ich schließe mit einem aufrichtigen „Gut Wehr!“. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

15.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.12.58

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolle­genschaft! Die Ausführungen des Kollegen Hensler haben mich jetzt doch noch einmal auf den Plan gerufen. Es geht nicht anders.

Punkt eins: Ich glaube, du hast es falsch verstanden; die anderen haben es, wie ich meine, richtig verstanden. Mir ist es nicht darum gegangen, dass Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehr jetzt plötzlich eine Bezahlung bekommen sollen, sondern darum, dass es sehr wohl das Problem gibt, dass Nachwuchs schwer zu finden ist, weil Betriebe einfach sagen, wenn jemand aufgrund seiner Tätigkeit bei der Feuerwehr fünf Tage im Jahr weg ist, dann suche ich mir einen anderen Mitarbeiter. Darum geht es, und da muss man sich sehr wohl etwas überlegen, wie Betriebe, für die das ja eine Belastung darstellt – die müssen das ja zahlen! – in dieser Hinsicht entlastet werden können. Darum ist es gegangen, und ich glaube, alle haben das so verstanden – außer dir. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Kollege Hensler, du hast dann auch noch gesagt, man könne die Dinge ja nicht planen und es sei alles so unvorhersehbar. Planen wollen wir Naturkatastrophen ohnehin nicht, aber im Prinzip ist vorhersehbar, dass die Gefahr von Hochwassern zunehmend steigt. Und es ist vorhersehbar, dass Flüsse eben mehr Raum brauchen. Es sind immer wieder dieselben Häuser von Überflutungen betroffen. Entweder baut man einen Hochwasserschutz – das funktioniert auch nicht immer so schnell, wie man glaubt –, oder man hat alle paar Jahre das Problem, dass alle Keller unter Wasser stehen. Das ist vorhersehbar!

Jetzt kann eine Gemeinde planen, wie es zum Beispiel bei uns in Korneuburg gemacht wird. Wir bekommen jetzt ein Justizzentrum in Korneuburg, zwar nicht direkt in der Hochwasserzone, aber gleich neben der Autobahn, wo das Grundwasser regelmäßig in die Höhe steigt – und genau dort kommt das Justizzentrum hin, wo sich die Hälfte der Räume im Keller befinden wird. Das ist jetzt von der Planung her ein bisserl


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suboptimal, und in Wirklichkeit ist auch vorhersehbar, dass es da Probleme geben wird. Sie bauen Keller, damit die Gefangenen nicht so leicht flüchten können beim Turnen, oder die Köche und das Küchenpersonal; ich weiß nicht.

Es ist auch vorhersehbar, dass es, wenn man Widmungen in Flussraumnähe macht, einfach möglicherweise in 20 Jahren Probleme geben wird. Und es ist vorhersehbar, dass, wenn man Flussbetten so wie an der Leitha nicht ausbaggert, also verschottern lässt und halt nicht in dem Ausmaß pflegt, wie es notwendig ist, dann, wenn das nächste Hochwasser kommt, das Wasser höher steigt und mehr anrichtet. Das ist alles vorhersehbar.

Deshalb bin ich der Meinung, dass es ganz wichtig ist, jetzt auch die Freiwilligen Feuerwehren mit dieser Änderung zu unterstützen. Aber es ist mindestens genauso wichtig, dass wir die Gelder des Katastrophenfonds sicherstellen und möglicherweise auch noch schauen, dass wir mehr dazubekommen, weil vorhersehbar ist, dass es mehr Katastrophen geben wird. Diesbezüglich gibt es viele Studien.

Ich hoffe, das hast du jetzt richtig verstanden. Ich möchte keine Hochwasser planen. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Schieder. – Bitte.

 


15.16.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ein paar Bemer­kun­gen.

Erstens: Raumordnung und Flächenwidmung, also die Entscheidung, in welcher Fluss­nähe was gebaut werden kann, ist keinesfalls Bundesangelegenheit, sondern Länder- und Gemeindesache, und daher ist diese Fragestellung dort zu behandeln.

Zweitens, wie ja auch in der Debatte erwähnt wurde: Das Feuerwehrwesen ist ja nur zu einem geringen Teil Bundesangelegenheit. Das heißt, ich würde dem Kollegen Bun­desrat aus Kärnten, wenn er diese Forderung wirklich für so richtig und wichtig hält, dringend empfehlen, sie bei seinem Landeshauptmann in Kärnten durchzusetzen, dann kann die Kärntner Landesregierung den Firmen in Kärnten einen Teil des Gehalts der Feuerwehrleute in Kärnten auch refundieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja immerhin auch die Landesregierung, die sich mitunter das Geld für eine Berufs­feuerwehr und dergleichen erspart. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Ebner.)

Ich selber komme aus einem Bundesland, das beides hat, eine Berufsfeuerwehr und auch Freiwillige Feuerwehrverbände, die dieses freiwillige Element der Zivilgesell­schaft, der Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft auch sehr gut implementieren. Ich meine, dass heutzutage Feuerwehren nicht nur Löschtrupps sind, sondern auch viel stärker Katastrophenschutzeinrichtungen, aber auch ganz wesentliche Aufgaben im Um­weltschutzbereich haben. Sie nehmen – je nachdem natürlich, wo sie situiert sind – unterschiedlichste Aufgaben wahr, und das sind technisch hoch diffizile, verantwor­tungsvolle und auch für den einzelnen Feuerwehrmann, für die einzelne Feuerwehrfrau unterschiedlich gefährliche Aufgaben.

Wir haben bundesweit 300 000 Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner – ich habe heute gehört, es sind 330 000, das ist gut so –, die bei den Freiwilligen Feuerwehren engagiert sind. Daher halte ich es auch für notwendig, dass mit diesem Gesetz hier jetzt der Rahmen für jene Mittel, die gebraucht werden, aber über die Feuerschutz-


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steuermittel und normalen Katastrophenmittel hinausgehen, auf 93 Millionen € für die Jahre 2009 bis 2011 erhöht wird.

Im Zeitraum 2006 bis 2008, in dem es 90 Millionen € waren, wurden übrigens insge­samt 24,6 Millionen € aus dem Katastrophenfonds zusätzlich in Anspruch genommen, das heißt, es ist auch gut gelungen, den Feuerwehreinheiten einen größeren Rahmen zur Verfügung zu stellen, aber trotzdem die budgetäre Auswirkung in einem kontrol­lierten Ausmaß zu halten.

Lassen Sie mich daher abschließend nun auch an dieser Stelle den Feuerwehren Dank für ihre generelle Arbeit ausdrücken, aber auch für ihre spezielle Arbeit gerade in den letzten Wochen, in denen wir gesehen haben, wie dringend und schnell wir sie auch immer wieder brauchen und welch gute und wichtige Arbeit sie leisten, nicht nur unter dem Deckel der Freiwilligkeit, sondern vor allem auch unter diesem Risiko, unter dem Einsatz ihrer Gesundheit, ihres Lebens. Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft manchmal auseinanderdriftet, ist es wichtig, zu erwähnen, dass es Leute gibt, die bereit sind, sich selbst Risken auszusetzen für andere, damit die Gesellschaft weiter existieren kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte.

 


15.20.07

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Ihre Antwort ist für mich, der die Freiwilligen Feuerwehrmänner seit etwa 30 Jahren begleitet, nicht akzeptabel. Diese Antwort ist von Ihnen ohne das Wissen erfolgt, dass es in anderen Bundesländern ebenfalls schon Regelungen in dieser Form gibt. Dann soll es halt der Landeshauptmann in Kärnten machen! Gerade in einer Situation wie der derzeitigen – in den letzten Wochen hat es ja in den verschiedensten Bundesländern Katastropheneinsätze gegeben, und gerade heute haben wir auch bedauert, dass ein Freiwilliger Feuerwehrmann im Einsatz verstorben ist – diesen Zynismus an den Tag zu legen, Herr Staatssekretär, ich be­daure, das ist eine Art ... (Widerspruch bei der SPÖ. Staatssekretär Mag. Schieder: Das war kein Zynismus! Bundesrat Konecny: Kärnten würde das locker aus den Gewinnen der Alpe-Adria zahlen können!)

Von meiner Seite war das eine Hilfestellung, an die Bundesregierung gerichtet, Sie mögen sich damit auseinandersetzen, weil es wirklich ein Thema ist (Bundesrat Konecny: Ja, das in Kärnten zu lösen ist!), wie Mitbürger in den Betrieben aufge­nommen werden, wie Mitbürger dann weiterhin beschäftigt werden, wenn sie Erfah­rungen im Feuerwehreinsatzbereich haben. (Bundesrat Gruber: Bleib am Boden!)

Noch einmal, Herr Staatssekretär: Lohnfortzahlungen werden von einigen Bundes­län­dern – zum Beispiel Oberösterreich – bereits sehr wohl übernommen. (Rufe bei der SPÖ: Eben! Staatssekretär Mag. Schieder: Die Lohnfortzahlungen ... hab ich ge­sagt! Die Refundierungen!)

Es ist daher eine legitime Forderung auch unsererseits (Bundesrat Konecny: Ja, an die Kärntner Landespolitik!), dass sich der Bund auch einmal damit auseinandersetzt (Bundesrat Konecny: Ohne Kompetenz?) und nicht nur die Rechnungshofkritik wegsteckt. Das ist meine klare Feststellung, und dazu stehe ich. (Beifall der Bun­des-


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räte Mitterer und Mühlwerth. Rufe bei der SPÖ: Kärnten ist eh ein Bundesland, oder? – Noch!)

15.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung. (Staatssekretär Mag. Schieder: Das ist kein Zynis­mus! Bundesrat Konecny: Das ist Bundesverfassung! Bundesrat Mag. Ebner: Dann habt ihr nicht zugehört! Bundesrat Konecny: Wir haben zugehört! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich bitte um Ruhe! Werte Kolleginnen und Kollegen, ich würde gerne zur Abstimmung kommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.22.2912. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Internationalen Währungsfonds (158 d.B. und 215 d.B. sowie 8119/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang (148 d.B. und 217 d.B. sowie 8120/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union zur Änderung des Über­einkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hin­sichtlich der Einrichtung eines Aktennachweissystems für Zollzwecke (157 d.B. und 218 d.B. sowie 8121/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den  Punkten 12 bis 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Vladyka. Bitte um die Be­richte.

 


15.23.15

Berichterstatterin Christa Vladyka: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf folgende Berichte des Finanzausschusses bringen:


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Erstens bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Internationalen Währungsfonds.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren darf ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang bringen.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich darf daher ebenfalls sofort zur Antragstellung kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich darf ich noch den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union zur Änderung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Einrichtung eines Aktennach­weissystems für Zollzwecke bringen.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich darf also wieder gleich zur Antragstellung kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.25.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werde kurz auf zwei dieser drei Geset­zes­materien eingehen.

Erstens: Die Änderung des österreichischen Anteils am Internationalen Währungsfonds ist deshalb erforderlich, weil Österreich nicht entsprechend seiner berechneten Quote vertreten ist. Das klingt schwierig, ist es aber nicht. – Ich hoffe, dass die Verhand­lungen in den ersten Reihen nicht meiner Person gewidmet sind, sondern dem Inter­nationalen Währungsfonds. – Ich danke.

Der IMF – oder, auf Deutsch gesagt, IWF – ist eine als Fonds organisierte Einrichtung, in die die Mitgliedsländer entsprechend ihrer weltwirtschaftlichen Stärke sogenannte Quoten einzahlen. Einerseits sind diese Quoten die wichtigsten Finanzquellen des IWF, andererseits bestimmen sie den Zugang der Mitgliedstaaten zu den Krediten.

So wären, um ein Beispiel zu nennen, ohne die Interventionen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank ganze Volkswirtschaften – zum Beispiel jene Litauens, Ungarns, Rumäniens, Polens, Serbiens oder der Ukraine – dem Staatsbank-


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rott zum Opfer gefallen – und das auch mit ganz brutalen Konsequenzen für die österreichischen Bankinstitute, die dort investiert haben.

Es ist deshalb auch undenkbar, den IWF und die Beteiligung Österreichs auch nur im Ent­ferntesten infrage zu stellen, obwohl unser Land vom Währungsfonds zugegebe­nermaßen nicht gerade freundlich behandelt worden ist. Wochenlang war Österreich mit Aussagen konfrontiert, dass unser Finanzsystem wegen des starken Engagements in Mittel- und Osteuropa vor dem Kollaps stehe.

Sowohl die angeblich wackelnde Triple-A-Einstufung beim Rating als auch die Kritik von Nobelpreisträger Paul Krugman haben sich als falsch herausgestellt. Der IWF musste seinen Fehler eingestehen, und sein Chef, Dominique Strauss-Kahn, musste sich im Mai auch offiziell dafür entschuldigen.

Aufgrund grober Rechenfehler durch den IWF wurde der Finanzplatz Österreich schlechter eingestuft; das hat natürlich auch einen entsprechenden Imageschaden für Österreich verursacht.

Es ist deshalb auch zu hoffen, dass nach den Beschlüssen von London der G 20 durch den Ausbau des Stabilitätspaktes jener verpflichtende Rahmen geschaffen werden kann, der die weltweiten Kapitalmärkte in dem notwendigen Umfang reguliert. Da gehört eben auch der Währungsfonds dazu, weil er ein nicht wegzudenkender, wichtiger Partner in diesen Angelegenheiten ist.

Auch wenn wir, zugegeben, budgetäre Probleme haben, diese 3,48 Millionen € werden zudem über die Nationalbank finanziert, und es führt an einer derartigen Rück­versicherung, denke ich, kein Weg vorbei.

Es ist deshalb auch unumgänglich, dass wir die Kapitalerhöhung über die Nationalbank nachvollziehen, sodass der IWF seine Aufgaben entsprechend erfüllen kann; das ist natürlich auch zum Vorteil Österreichs und der globalisierten Welt.

Zweitens noch einen Satz zu diesem sogenannten Aktennachweissystem für Zoll­zwecke. Das sogenannte CIS – das Zollinformationssystem – ist eine Ausschreibungs­datei analog dem Schengener Informationssystem. Mit der Aktennachweisdatei werden wesentliche Verbesserungen im Zollbereich erreicht. Dadurch können Informationen über laufende und abgeschlossene Ermittlungen bereitgestellt werden.

Es gibt Abfragemöglichkeiten unter Wahrnehmung der Datenschutzrechte und -bestim­mungen. Somit können auch konkrete Amtshilfeersuchen und Ermittlungskoor­dinati­onen erfolgen. Ich denke, darüber herrscht, wie im Ausschuss, auch hier im Plenum Konsens.

Meine Fraktion wird den vorliegenden Gesetzen gerne die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Schennach und Konecny.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Kraml. – Bitte.

 


15.30.00

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich nach dem Kollegen Mayer spreche, kann ich mir sehr vieles ersparen, was ich mir auch notiert habe, denn wir Bundesräte können uns ja die Zahlen alle auf einmal merken. (Zwischenrufe des Bundesrates Mayer.)

Ich meine schon, dass der Internationale Währungsfonds auch sehr lange im Zentrum von Kritik gestanden ist, weil er nicht das gebracht hat, was er bringen sollte; vor allem


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deshalb, weil er den Ländern, wenn sie Geld bekommen haben, Vorschriften gemacht hat, die ihnen das Überleben erst wieder nicht ermöglicht haben. Da ist, wie ich meine, ein Umdenken eingetreten und der Währungsfonds handelt jetzt anders. (Bundesrat Konecny: Wenn man einen Sozialisten an die Spitze stellt, ändert sich was!) Wir haben gesehen, dass das zum Beispiel bei Ungarn schon funktioniert hat.

Ich glaube, dass der IWF ganz wichtig ist, weil dieses globale Phänomen, rund um die Welt auf Währungen zu spekulieren, sehr, sehr gefährlich ist und auch nicht aufhören wird. Wir werden da ein europäisches – oder auch ein weltweites – Aufsichtssystem aufziehen müssen, denn sonst wird es immer wieder Fälle geben, dass sich jemand ein Land heraussucht und dessen Währung kaputtspekulieren möchte.

Die beiden anderen Punkte sind Regelungen den Zoll betreffend, die wir auch brauchen, weil es einfach ganz wichtig ist, dass der Staat weiß, was so in den Ländern rundum passiert, und dass man es auch nachvollziehen kann, wenn in einem anderen Land schon Vorfälle bekannt sind beziehungsweise wenn es schon Erhebungen oder Akten gibt. Ich glaube, das sind ganz, ganz wichtige Regelungen. Aus diesem Grunde werden wir allen drei Punkten unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Schennach. – Bitte.

 


15.31.51

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Ich war schon so lange nicht mehr am Rednerpult. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Im Ausschuss hatten wir schon eine recht intensive Diskussion – nicht wahr, Edgar Mayer? – über den Währungsfonds. Diese Institution, eine Bretton Woods-Institution, wurde 1944 gegründet und dann drei Jahre später von der UNO, quasi als Sonderorganisation, übernommen – genauso wie ja auch die Weltbank eine Bretton Woods-Institution war –, und dieser Währungsfonds ist eine ganz wichtige Institution. Aber unter Freunden oder Dinge betreffend, die man gutheißt, bedarf es natürlich auch eines Schusses Kritik. Nur so kommt man weiter.

Es ist schon richtig, was Herr Kollege Konecny zu Protokoll gegeben hat, dass durch die neue Führung des IWF oder IMF ein großer Wandel eingetreten ist. Aufgabe des Internationalen Währungsfonds war es ja immerhin, den Handel mit beziehungsweise den Wettbewerb zwischen Währungen zu verhindern und Währungsbeziehungen zu sichern. Er sollte außerdem bei Zahlungsschwierigkeiten garantieren, dass der Handel und das Wachstum gewährleistet sind, das Überbrücken von Zahlungsschwierigkeiten ermöglichen und Unausgewogenheiten bei Zahlungsbilanzen der Mitglieder verhindern oder abmildern.

Aber der IMF ist in den letzten Jahrzehnten natürlich auch außerhalb von Krisenzeiten dazu übergegangen, langfristige Kreditfinanzierungen zu machen, und die hatten es natürlich in sich. Die waren mit enormen Strukturanpassungen – so heißt dieses schöne Wort zu einem hässlichen Vorgang, der nämlich meistens extreme soziale Eingriffe in eine Gesellschaft zur Folge gehabt hat – verbunden.

Da, muss man sagen, hat Strauss-Kahn das Ruder wahrlich herumgerissen, und sowohl – sage ich jetzt einmal als Grüner – hinsichtlich Nachhaltigkeit und Ökologie, als auch bezüglich sozialer Kriterien haben wir nun ganz andere Vorgaben. Wir werden sehen, wie sich dieser Internationale Währungsfonds auch als Solidaritätsinstrument bewähren wird – deshalb sind wir ja auch alle dabei; wir, das sind 184 Staaten, die derzeit Mitglieder des Internationalen Währungsfonds sind.


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Der Grund, warum wir die Erhöhung dieser Sonderziehungsrechte brauchen, ist der, dass die Stabilität in sich und die Verteilung, die Dotierungen untereinander nicht mehr gestimmt haben. Man muss bedenken, dass die G 8 – also acht Staaten – alleine über 45 Prozent der Sonderziehungsrechte haben und wahrhaft mächtige, kräftige Wirt­schaften – die unter anderem derzeit mithelfen, dass wir unsere Konjunktur- und Wirtschaftskrise bewältigen, wie zum Beispiel China oder ein wirtschaftlich gesehen wahrhaft starkes Land wie die Türkei, aber auch ein Land wie Mexiko, das immer wieder Krisen hat, aber trotzdem ein wirtschaftlich relativ starkes Land ist – komplett unterdotiert waren. Die wurden – wobei immer noch in Erinnerung zu halten ist, die acht Länder haben 45 Prozent – jetzt 2006 um 1,8 Prozent erhöht.

Aber ich sage es Ihnen gleich, diese Sonderziehungsrechte – und wir werden darüber wieder zu diskutieren haben – bleiben nicht. Der Internationale Währungsfonds hat jenen Staaten jetzt massiv geholfen, die Edgar Mayer angeführt hat und über die wir im Ausschuss gesprochen haben, und natürlich bedarf es jetzt einer weiteren Einzahlung in dieses Solidaritäts- und Ausgleichsinstrument, um Stabilität zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Österreich einen Anteil hat, der seiner volkswirtschaftlichen Stärke entspricht. Diese Sonderziehungsrechte sind ja immer ein Produkt; diese Quote wird aus dem Bruttoinlandsprodukt, dem Außenhandel und den Währungsreserven berechnet. Deshalb war diese Erhöhung der Quote um 241,6 Millionen Sonder­ziehungs­rechte, die eine Minderung des geschäftlichen Ergebnisses der OeNB um 3,5 Millionen € nach sich zieht , entsprechend notwendig und richtig, und deshalb sagen wir Ja zu diesem gemeinsamen Solidarinstrument eines weltweiten Ausgleichs. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mitterer. – Bitte.

 


15.37.03

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Wir vom BZÖ sind normalerweise immer hell­hörig, wenn es darum geht, Erhöhungen von Beiträgen zu beschließen; vor allem dann, wenn diese internationalen Charakter haben. Ich erinnere auch an unsere stän­dige Kritik an den zu hohen Beiträge an die EU, wo wir als Nettozahler ganz vorne angesiedelt sind.

In diesem Fall ist die Situation allerdings anders gelagert, denn eine Erhöhung der Quote von derzeit 0,88 auf 0,89 Prozent ist äußerst gering. Sie wird zwar dazu beitragen, dass die Oesterreichische Nationalbank ihr Geschäftsergebnis um 3,48 Mil­lionen € nach unten revidieren wird müssen. Aber in Anbetracht der Wichtigkeit des Internationalen Währungsfonds für die Sicherung der österreichischen Exportwirt­schaft – und wir sind stolz darauf, dass wir gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren enorm zugelegt haben – ist diese Erhöhung auch notwendig, und daher wird das BZÖ diesem Gesetz auch die Zustimmung geben. Dies gilt übrigens auch für die beiden anderen Materien, die den Zoll betreffen. (Beifall der Bundesräte Mag. Ebner und Schennach sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Ertl. – Bitte.

 


15.38.33

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt sind


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wir gespannt, ob wir hier auch das Gleiche hören!) Mit diesem Abkommen zwischen der Republik Österreich und Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen wird der Schmuggel zwischen den beiden Staaten eingedämmt – zumindest wird versucht, den Schmuggel zu verhindern.

Interessant ist auch, dass in der Erläuterung zu diesem Staatsvertrag zu lesen ist, dass vor dem Hintergrund wachsenden wirtschaftlichen Austausches zwischen Israel und der Europäischen Union Österreich mit Israel ein Abkommen vereinbart, das die Amts­hilfe in Zollsachen umfassend regelt. Die Erhebung von Abgaben im grenzüber­schreitenden Verkehr soll verbessert und der Schmuggel von Waren, insbesondere von Drogen, entschiedener bekämpft werden. Vorwiegend geht es aber um die Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Was Drogenschmuggel mit einer Mehrwertsteuer­rückerstattung zu tun hat, weiß ich nicht, und ich konnte es auch nicht aus den Erläu­terungen herauslesen.

Denken Sie an die Mehrwertsteuerrückvergütungen! Das Exportland erstattet die Mehr­wertsteuer zurück, und das Importland erfährt vom Import nichts, weil die Gegenstände in das Land geschmuggelt werden. Ich erinnere nur an den Millionenschmuggel mit Golddukaten, der in Österreich erst aufgefallen ist, als für mehr Golddukaten, als in Österreich produziert worden sind, die Mehrwertsteuer rückerstattet worden ist. Erst dann ist aufgefallen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.

Das gegenständliche Abkommen muss in beiderseitigem Interesse sein, um Schmug­gel zu verhindern. Es muss einen gegenseitigen raschen Informationsaustausch geben. Die Verständigung muss erfolgen, bevor der Tourist, der Reisende mit der Ware im anderen Staat angekommen ist. (Bundesrat Schennach: Telefonieren!) Eine Rückmeldung wäre wünschenswert, ob die die Ware exportierende Person diese im Ankunftsland tatsächlich bei den Zollverwaltungsbehörden deklariert hat.

In Österreich ist es aber leider immer wieder zu Problemen gekommen, weil eine die Ware exportierende Person häufig zwei Staatsbürgerschaften besitzt und bei der Ausfuhr den für den Export günstigeren Reisepass – nämlich den ausländischen Reisepass – vorgezeigt hat.

Die Ware – meist Schmuckstücke – muss dem Zollbeamten bei der Ausreise vorge­zeigt werden. Dieser bestätigt die Ausfuhr, und die exportierende Person erhält – zum Beispiel auf dem Flughafen – die Mehrwertsteuer sofort rückerstattet. Das Ankunfts­land ist aber über die Rückerstattung der Mehrwertsteuer durch Österreich aufgrund des bisher geltenden Gesetzes oft in Unkenntnis geblieben. Nach dieser Änderung wird das nicht mehr der Fall sein. Israelische und österreichische Zollverwaltungs­behörden tauschen die Daten gegenseitig aus.

Ist die Person jedoch Österreicher oder hat die Person einen Wohnsitz in Österreich, kann sie die Mehrwertsteuer bei der Ausreise nicht mit dem Touristenformular – dem U-34-Formular – geltend machen.

Es ist begrüßenswert, dass es endlich dieses Abkommen gibt, damit der Missbrauch bei der Mehrwertsteuerrückerstattung verhindert wird.

Wünschenswert wäre eine Anhebung des Warenwertes bei der Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Angebracht wäre eine Mehrwertsteuerrückerstattung erst ab einem Warenwert von mindestens 2 000 € (Bundesrat Ing. Einwallner: Nein, das glaub’ ich nicht! – Bundesrat Schennach: Das ist aber gegen die kleinen Leute!) – und längst angebracht sind Rückvergütungen nur für Touristen aus jenen Staaten, von denen auch österreichische Touristen eine Mehrwertsteuerrückvergütung bekommen.


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Was den IWF betrifft, sind wir gegen diese Erhöhung (Bundesrat Mag. Klug: Aha, ja, ja!), weil wir gegen die Politik des Internationalen Währungsfonds sind. (Bundesrat Konecny: Kurz und bündig! – Bundesrat Gruber: Eine klare Aussage!)

15.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Schie­der. – Bitte.

 


15.43.47

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrte Damen und Herren! Nur ein paar kurze Erwähnungen: Ich glaube, dass die Erhöhung der Sonderziehungsrechte an sich gerade für ein kleines, exportorientiertes Land wie Österreich sehr sinnvoll ist. – Das ist in der Debatte größtenteils ebenso beurteilt worden, daher dazu keine weiteren Bemerkungen meinerseits.

Ich wollte noch zwei Punkte bezüglich des Aufgehens der Zinsenspreads oder CDS-Spreads ansprechen, also jenes Aufschlags, den Österreich bei einer Verschuldung – im Gegensatz zu Deutschland zum Beispiel – wahrzunehmen hat. Entstanden ist das in Wahrheit aufgrund einer falsch geführten Diskussion über unser sogenanntes East-Exposure, das Engagement österreichischer Finanzdienstleister, Banken und Ver­sicherungen im osteuropäischen Raum.

Erster Fehler bei der Betrachtung war, dass man über dem großen Teich, also in US-Amerika, vom „Ostblock“ gesprochen hat, während man hier schon sehr genau erkannt hat, dass es verschiedene Staaten sind und nicht ein Block, der als Gesamtes zu betrachten ist. Wir haben natürlich – von Mitgliedsländern der Europäischen Union, die sogar den Euro haben, über Mitgliedsländer, die den Euro nicht haben, bis hin zu Staaten, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind – unterschiedlichste Streu­ungen und natürlich auch unterschiedlichste Risken sowie ausgeliehene Kredite, von Industriehaftungen über Privatkredite, mit Wechselkursrisiko und ohne Wechsel­kursrisiko – also ein sehr unterschiedliches, diversifiziertes Bild. Das war Punkt eins: einmal klarzumachen, dass es da unterschiedliche Bilder gibt.

Punkt zwei ist, klarzumachen, dass es kein Österreich-spezifisches Problem war, son­dern ein europäisches Stabilitätsproblem. Es sind nicht nur österreichische Banken vor Ort, sondern auch italienische, deutsche, spanische, französische Institute. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

Österreich ist zum Glück ein erfolgreiches Land. Erfolg heißt bei einem kleinen Land auch, dass das Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt immer ein anderes ist als zum Beispiel in Deutschland. Aber auch kleine Länder sollen erfolgreich sein dürfen bei ihrem Engagement, und daher war es notwendig, die internationalen Finanz­institu­tionen – Weltwährungsfonds, Weltbank, Entwicklungsbank, Investitionsbank und wie sie alle heißen – einmal zusammenzubringen, um ihnen das Problem vor Augen zu führen, es ihnen bewusst zu machen und sicherzustellen, dass die jeweils passenden Institutionen, Mittel und Maßnahmen zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht. Man muss auch sagen, dass sich Osteuropa und der Balkan in diesem Zusam­men­hang mitunter stabiler dargestellt haben als so manches nordeuropäische Land. (De­monstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.)

Inzwischen ist es so, dass der Zinsenspread wieder zurückgegangen ist und wesent­lich knapper beieinander liegt. Es war nicht der Rechenfehler des Internationalen Währungsfonds, der ihn auseinandergetrieben hat; der Rechenfehler passierte im April, und zu diesem Zeitpunkt war schon längst wieder ein Zusammengehen bemerk­bar. Nichtsdestotrotz ist das eine extrem peinliche Geschichte, weil sich der Inter­nationale Währungsfonds natürlich nicht verrechnen sollte.


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 119

Dominique Strauss-Kahn als Chef des Internationalen Währungsfonds hat sich im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Tagung der Oesterreichischen Nationalbank sowohl in dem Gespräch mit Finanzminister Josef Pröll als auch in einem Gespräch, das er mit mir vor Ort geführt hat, als auch gegenüber der österreichischen Öffentlichkeit ent­schuldigt. Das ist auch gut so, denn wer sich verrechnet, der soll sich auch entschuldigen. Das ist auch kein großes Problem.

So viel zu dieser Frage. Ich glaube, dass es uns inzwischen gelungen ist, durch ein koordiniertes Engagement wieder Stabilität auf den Märkten einziehen zu lassen.

Des Weiteren haben ein, zwei BundesrätInnen auch erwähnt, was an Aufsicht auf internationaler und europäischer Ebene notwendig ist – sowohl für Banken als auch für Versicherungen als natürlich auch für Börsen und Wertpapierderivate. Ich möchte jetzt nicht den Rahmen der Diskussion sprengen, aber ich glaube, dass es gerade für eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich notwendig ist, zu schauen, dass es gute, inter­nationale Standards an Transparenz, Information und auch an Kontrolle samt Strafen gibt, weil das unsere finanzwirtschaftliche Sicherheit erhöhen würde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Schennach, Dönmez und Mitterer.)

15.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Erhöhung der Quote Österreichs beim Internationalen Währungsfonds.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2009 betreffend Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union zur Änderung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Einrichtung eines Aktennachweissystems für Zollzwecke.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 120

Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.50.01 Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 14 Anfragen, 2691/J-BR/09 bis 2704/J-BR/09, eingebracht wurden.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, der 10. Juli 2009, 13 Uhr in Aussicht genom­men.

Auf die Tagesordnung dieser Sitzung kommt der Beschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, und das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, geändert werden, den der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird.

Die Ausschussvorberatung ist für Freitag, den 10. Juli 2009, 12 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

15.50.43Schluss der Sitzung: 15.51 Uhr

 

 

 

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