Seit Jahrzehnten besteht eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen der für Sicherheitsaufgaben zuständigen Abteilung der Parlamentsdirektion und den vor Ort tätigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (= Polizei). Diese Kooperation im Bereich der Innensicherung des Hohen Hauses insbesondere bei Sitzungen und Veranstaltungen wurde im April 2021 in einem zwischen dem Präsidenten des NR und dem Bundesminister für Inneres abgeschlossenen Verwaltungsübereinkommen näher geregelt.
Darin wird festgelegt, in welcher Weise die Polizei den Präsidenten und Präsidentinnen des NR und des BR, Ausschussvorsitzende und die mit Sicherheitsaufgaben betrauten Parlamentsbediensteten bei der Erfüllung ihrer Sicherheitsaufgaben unterstützen, konkret etwa durch Präsenz bei öffentlichen Plenar- und Ausschusssitzungen, bei öffentlichen Veranstaltungen und Enqueten sowie durch Hilfeleistung bei der sich aus dem Hausrecht ergebenden Aufgaben (z. B. Zutrittskontrollen). Mit dem Verwaltungsübereinkommen werden aber explizit keine neuen Aufgaben und Befugnisse der Polizei geschaffen; deren gesetzliche Aufgaben und Befugnisse bleiben davon unberührt. Daneben werden im Übereinkommen organisatorische Aspekte, wie die Anzahl und Auswahl der vor Ort tätigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Informations- und Datenaustausch, geregelt.
Von besonderer Bedeutung ist die Z 2 der Hausordnung, wonach die/der Präsident:in des NR Organe der öffentlichen Sicherheit um Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung ersuchen kann. Dabei handelt es sich jedoch um ein bloßes Ersuchen, dem die Sicherheitsbehörden nach eigenem Ermessen gemäß ihren gesetzlichen Aufgaben und Befugnissen folgen können. Eine Weisungsbefugnis der Präsidentin/des Präsidenten des NR besteht nicht. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind organisatorisch und funktional dem BMI zugeordnet. Für eine Weisungsunterstellung unter den Präsidenten/die Präsidentin des NR wäre eine ausdrückliche Verfassungsnorm erforderlich.
Polizeiliches Einschreiten im Parlamentsbereich kann – abgesehen von bloßen Unterstützungsleistungen nach dem Verwaltungsübereinkommen – nur erfolgen, soweit dies aufgrund gesetzlicher Regelungen, insbesondere nach dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und dem Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG), zulässig ist.
Kriminalpolizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung (StPO) (z. B. die Sicherstellung von Gegenständen) können grundsätzlich auch in den Parlamentsgebäuden vorgenommen werden, wobei die Einholung einer Zustimmung des Präsidenten/der Präsidentin des NR für eine konkrete Ermittlungsmaßnahme erforderlich sein kann. Sofern sich solche Ermittlungsmaßnahmen gegen Abgeordnete als Beschuldigte richten, sind die Regelungen über die parlamentarische Immunität (Art. 57 B-VG) zu beachten. Als Zeugen oder Zeuginnen können Abgeordnete jedoch von Ermittlungsmaßnahmen betroffen sein.