Anfänge des Parlamentarismus

Nach dem letztendlichen Scheitern der Revolution 1848 folgten in Österreich Jahre der neo-absolutistischen Herrschaft. Erst Jahre später war der Kaiser wieder zu Zugeständnissen an das Volk bereit.

Abkehr von der absoluten Macht

Nach dem verlorenen Krieg gegen Italien 1859 und der folgenden Schuldenkrise stimmte der Kaiser 1860 einer Aufstockung des 1851 eingesetzten Reichsrats zu. Anfänglich hatte er ausschließlich beratende Funktion; ab Juli 1860 war seine Zustimmung in verschiedenen Fragen der Staatsfinanz nötig.

Der Kaiser ging noch weiter und erließ im Oktober desselben Jahres eine Verfassung: das sogenannte Oktoberdiplom. Sie brachte noch keine Wendung zu einem wirklichen Konstitutionalismus, da sie dem Kaiser weiterhin die alleinige Entscheidungs­gewalt in den wichtigsten Staatsgeschäften zusprach. Zudem sollte der Reichsrat nicht gewählt sondern von den Landtagen beschickt werden.

Das Oktoberdiplom scheiterte vor allem am Widerstand der Deutschliberalen sowie der Ungarn, die dagegen mit einem Steuerstreik protestierten. Der Kaiser sah sich also erneut zu Zugeständnissen gezwungen. Er ernannte den Liberalen Anton Ritter von Schmerling zum Staatsminister, der sofort an die Überarbeitung des gerade erst erlassenen Staatsgrundgesetzes ging.

Eine Volksvertretung für die Gesamtmonarchie?

Die erweiterte Fassung des Oktober­diploms wurde am 26. Februar 1861 erlassen und ging als Februar­patent in die Geschichte ein. Diese Version sah ein Zweikammernparlament vor, bestehend aus Abgeordneten- und Herren­haus. Während der Kaiser das Recht hatte, die Mitglieder des Herrenhauses zu ernennen, wurden die Parlamentarier des Abgeordnetenhauses von den Landtagen entsandt. Für die Wahlen zu den Landtagen galt jedoch ein hoher Wahlzensus: Nur circa 12 % der männlichen, volljährigen Bevölkerung war wahlberechtigt.

Das Februarpatent war der letzte Versuch, ein gemeinsames Parlament für die Gesamt­monarchie einschließlich der ungarischen Gebiete zu schaffen. Der "weitere Reichsrat" sollte mit Vertretern Ungarns für die Angelegenheiten des Gesamtreiches zuständig sein, ein "engerer Reichsrat" befasste sich mit den Angelegenheiten Cisleithaniens sowie der aufgewertete ungarische Landtag mit denen Transleithaniens.

Hängen am Vetorecht

Obwohl der Reichsrat des Februarpatents mit Gesetzgebungskompetenzen ausgestattet war, behielt sich der Kaiser ein absolutes Vetorecht gegen Beschlüsse des Parlaments vor.

Auch in Fragen der Außenpolitik und der Heeresangelegenheiten konnte Franz Joseph weiterhin nach seinem Gutdünken agieren. Per Notverordnungsrecht war außerdem die Grundlage für das Regieren ohne Volksvertreter gelegt.

Erste Tagungen im "Schmerlingtheater"

Am 29. April 1861 tagte der "neue" Reichsrat zum ersten Mal. Tagungsort war ein in wenigen Wochen aufgebauter, provisorischer Holzbau am Wiener Schotten­ring. Nach dem damaligen Staatsminister Anton Ritter von Schmerling wurde er als "Schmerlingtheater" bekannt. Aufgrund seiner provisorischen Beschaffenheit bürgerte sich auch der abschätzige Name "Bretterbude" ein.

Die Tagung fand ohne ungarische Abgeordneten statt; auch Lombardo-Venezien und Kroatien boy­kot­tier­ten das Parlament. Die Abgeordneten aus Siebenbürgen zogen erst 1863 in den Vertretungskörper ein, während die tschechischen Abgeordneten ab Ende 1864 der Volksvertretung fernblieben.

Angesichts der chaotischen Zustände entschloss sich der Kaiser bereits im Sommer des Jahres, den ungarischen Landtag aufzulösen. Er verhängte den Ausnahmezustand über Ungarn, um so Druck gegen die "Aufmüpfigen" aufzubauen.