Revolution & Folgen

Parlamentarische Mitbestimmung im Kaiserreich und die politische Verantwortlichkeit des Monarchen und seiner Regierung sollen aber nicht Wirklichkeit werden: Schon kurze Zeit später führt der junge Kaiser Franz Joseph I. das Land wieder mit absoluter Macht.

Das Aufbegehren der Bürger:innen im Jahr 1848 kommt nicht aus heiterem Himmel: Das System des so genannten Vormärz hat bei vielen den Wunsch nach politischen Veränderungen geweckt.

Unterdrückung im Vormärz

Als Vormärz wird die Zeit nach dem Wiener Kongress der Jahre 1814-1815 bezeichnet. Es ist die Zeit "vor" den Revolutionen, die im März 1848 beginnen sollen. Am Wiener Kongress haben die Fürsten Europas nach den Kriegen gegen Napoleon über die Wiederherstellung der politischen Machtverhältnisse in Europa entschieden. Ähnlich wie vor der Zeit der Französischen Revolution sollen Fürsten und Könige mit starker Hand herrschen. Der damalige österreichische Außenminister und spätere Staatskanzler Klemens Wenzel von Metternich nimmt großen Einfluss auf diese Entscheidungen.

In Österreich wird ein absolutistischer Polizeistaat eingeführt. Zensur, Bespitzelung, Konzentration der Macht bei Hof, Einschränkung der Wissenschaften und politische Unterdrückung prägen das alltägliche Leben. In der Wirtschaft kommt es hingegen zu großen Veränderungen: In Österreich sollen die neuen Formen der industriellen Produktion eingeführt werden.

Mitbestimmung durch die Bürger und Völker ist in diesem Weltbild der Restauration hinderlich: Metternich und mit ihm Kaiser Franz I. sowie dessen Nachfolger Ferdinand I. lehnen liberale Ideen von Freiheit und Menschenrechten und Forderungen nach mehr Rechten für die Völker der Monarchie ab. Was sie aber nicht verhindern können, ist, dass viele Menschen Vereine gründen und in den Gemeinden zusammenkommen. Sie diskutieren untereinander, was in anderen Ländern geschieht, und wie sie Politik neu gestalten würden.

Die Märzrevolution

Im Bürgertum wird der Ruf nach Erneuerung des politischen Systems in diesen Jahren immer lauter. Zugleich wächst der Unmut unter den Arbeiter:innen und Handwerker:innen aufgrund der immer schlechteren sozialen Lage – nicht nur in Wien und innerhalb der Grenzen des heutigen Österreichs. Revolutionäre Aufstände breiten sich wie ein Lauffeuer bereits ab Beginn des Jahres 1848 über ganz Europa aus.

Als Ende Februar 1848 die Nachricht von der erfolgreichen Revolution in Frankreich und der Ausrufung der Republik nach Österreich kommt, stachelt das im Habsburgerreich die Unruhe an. Bürger:innen, Studenten und Arbeiter:innen formulieren Petitionen und Aufrufe und stellen Forderungen nach einem Umbau des Staates. Dazu gehören eine geschriebene Verfassung, die Wahl eines Parlaments, die Abschaffung der Zensur und sozialer Missstände.

Am 3. März hält der Anwalt und Journalist Lajos Kossuth im ungarischen Landtag in Preßburg (Poszony/Bratislava) eine Rede, in der er die Umwandlung des Habsburgerreichs in eine konstitutionelle Monarchie fordert. Er verlangt, dass der Kaiser nur mehr das tun dürfe, was ihm eine Verfassung erlaube.

Am 13. März 1848 bricht in Wien die "Märzrevolution" aus: Der Arzt und Schriftsteller Adolf Fischhof verliest die Rede Kossuths im Hof des niederösterreichischen Landtags in der Wiener Herrengasse, während im Landtag die niederösterreichischen Stände zusammenkommen. Das sind die führenden Vertreter des Adels, der Kirche und der Städte in Niederösterreich.

Fischhof bringt die Forderungen Gewissens-, Lehr- und vor allem Pressefreiheit und die Frage der Gleichberechtigung der Völker im Habsburgerreich nach Wien. Studenten, Bürger und Arbeiter, die sein Publikum bilden, greifen die Forderungen gleich auf und es kommt zu Tumulten. Das Militär versucht, die Demonstration gewaltsam aufzulösen und feuert in die Menge. Fünf Menschen sterben. Das Vorgehen der Staatsgewalt trägt zur Eskalation bei und immer mehr Menschen stellen sich offen gegen die Regierung. Allerdings verlangt kaum jemand ein Ende der Monarchie!

Rücktritt des Staatskanzlers Metternich & Pillersdorfsche Verfassung

Die Aufstände weiten sich daraufhin auf ganz Wien aus. In den Vorstädten plündern Arbeiter:innen und Handwerker:innen Geschäfte, zerstören Maschinen in Fabriken und zünden Steuerämter an. Wiederum sterben zahlreiche Menschen.

Nicht zuletzt wegen der Krawalle in den Vorstädten stimmt die Obrigkeit der Bewaffnung der Bürger und Studenten zu und bewilligt die Aufstellung einer Nationalgarde und der Akademischen Legion. Staatskanzler Metternich legt noch am Abend des 13. März sein Amt nieder und verlässt Wien. Kaiser Ferdinand I. bewilligt Pressefreiheit und verspricht eine Verfassung.

Bereits im April erlässt die kaiserliche Regierung eine Verfassung für die sogenannten cisleithanischen Gebiete der Monarchie – das transleithanische Ungarn hat bereits Anfang des Monats eine eigene Verfassung erhalten. Nach dem damaligen Innenminister Franz von Pillersdorf heißt sie Pillersdorfsche Verfassung.

Ein Wahlrecht wird ausgearbeitet

Die Bürger:innen und Studenten haben keine Möglichkeit, diese Verfassung mitzugestalten. Das führt zu neuen Protesten der Revolutionär:innen. Als die Regierung dann noch eine äußerst restriktive Wahlordnung für das Parlament erlässt, die die Beteiligung auf sehr vermögende Menschen beschränkt, gehen am 15. Mai erneut hunderte Menschen auf die Straße. Sie erzwingen ein (beinahe) allgemeines Männerwahlrecht für einen konstituierenden Reichstag.

Ende Mai einigt man sich auf ein Wahlrecht: Grundsätzlich sollen alle österreichischen Staatsbürger:innen, die älter als 24 Jahre und ihre Rechte frei ausüben können, wahlberechtigt sein. Arbeiter:innen, die Tag- oder Wochenlohn erhalten, Dienstleute und Personen, die von "Wohlthätigkeits-Anstalten" Unterstützung bekommen, sind ausgeschlossen. Frauen können also teilnehmen, sofern sie eigenständig und vermögend sind.

Die Abgeordneten sollen indirekt gewählt werden. Das heißt, in jedem Wahlkreis werden Wahlmänner gewählt , die dann wiederum die Abgeordneten des Wahlkreises wählen. Ein Grund dafür ist, dass die Wahlen in Volksversammlungen stattfinden. Eine persönliche und geheime Wahl ist noch nicht vorgesehen.

Bei den Wahlkreisen wird zwischen (groß-)städtischen und ländlichen Gebieten unterschieden. Die wohlhabenderen Bürger:innen sollen die Chance haben, mehr Abgeordnete wählen zu können.

Das erste gewählte Parlament konstituiert sich

Für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen bleibt nur wenig Zeit. Das führt dazu, dass sich nur sehr wenige Menschen an den Wahlen beteiligen. Dennoch werden auf diese Weise 383 Abgeordnete für den Reichstag gewählt. Am 22. Juli kommen sie zu ihrer ersten Sitzung in der Winterreitschule der Wiener Hofburg zusammen. Diese wird von Erzherzog Johann eröffnet. Daran erinnert eine Gedenktafel, die 1998 zum 150. Jahrestag von den Präsidenten des Nationalrates gestiftet wird.

Der Reichstag soll eine Verfassung für die Monarchie erarbeiten. Das ist von Beginn an sehr schwierig: Überall sonst in Europa wird über die Errichtung von Nationalstaaten diskutiert. Republiken sollen Königreiche und Fürstentümer ablösen. In Österreich ist aber unbestritten, dass der Kaiser Staatsoberhaupt bleiben soll. Eine Mehrheit der Abgeordneten ist dafür, dass das Habsburgerreich auch ein Staat vieler Völker bleiben soll.

Neben der Verfassung werden aber auch andere Vorschläge gemacht. Schon vier Tage nach der ersten Sitzung bringt der junge schlesische Abgeordnete Hans Kudlich den Antrag auf Abschaffung des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses ein. Er legt damit den Grundstein für die "Bauernbefreiung" von Robot und Zehent, die am 7. September 1848 beschlossen wird.

Die Revolution in Ungarn wird niedergeschlagen

In den Ländern, die zur ungarischen Stephanskrone gehören, nehmen die Revolutionen einen anderen Verlauf. Hier werden sie von den ungarischen Adeligen angeführt. Ihr Ziel ist es, Ungarn als selbständiges Königreich wiederzuerrichten. Viele von ihnen wollen auch die Herrschaft der Habsburger beenden. Die ungarische Regierung unter Graf Lajos Batthány stößt viele Reformen an, sie verfolgt aber auch einen nationalistischen Kurs, der zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Kroaten und Serben führt. Schon bald steht eine ungarische einer kroatischen Armee gegenüber. Die Wiener kaiserliche Regierung unterstützt die kroatischen Truppen, da sie die ungarischen Unabhängigkeitsbestrebungen einzudämmen hofft.

Die Straßenkämpfe in Wien brechen wieder aus

Als Anfang Oktober ein Grenadierregiment zur Unterstützung der kroatischen Truppen aus Wien abrücken soll, stacheln radikale Wiener die Soldaten zur Meuterei auf. In der Folge kommt es erneut zu Straßenkämpfen in Wien, diesmal zwischen den Meuterern, Akademischer Legion und Arbeiter:innen auf der einen Seite und Bürgergarden und den regierungstreuen Soldaten auf der anderen. Dabei behalten die Revolutionär:innen die Oberhand, in Folge zieht ein wütender Mob vor das Kriegsministerium und lyncht Kriegsminister Theodor Graf Baillet-Latour. Zudem plündert die Menge das kaiserliche Zeughaus und bewaffnet sich.

Blutiges Ende der Revolution

Die Folgen dieser Oktobertage für die Revolution sind weitreichend: Der Kaiser befiehlt die Schließung des Reichstags in Wien und verlegt diesen in das kleine mährische Städtchen Kremsier/Kroměříž.

Am Ende des Monats erstürmen kaiserliche Truppen die Hauptstadt: Die Kämpfe um Wien dauern fünf Tage. Die Aufständischen unterliegen und mehrere tausend Menschen kommen ums Leben. Damit findet die Revolution in Österreich ein blutiges Ende. Nur wenige Monate später soll auch das revolutionäre Ungarn dieses Schicksal teilen.

Auflösung des Reichstags

Der Reichstag in Kremsier arbeitet dennoch an einer Verfassung und einem Grundrechtskatalog für die Länder der Monarchie mit Ausnahme von Ungarn weiter. Die große Herausforderung ist, eine Organisation für das Reich zu entwerfen, die auf die vielen unterschiedlichen Völker, Sprachen und Religionen Bezug nimmt. Das ist vor allem deshalb schwierig, weil es kaum Gebiete gibt, in denen nur eine Sprache gesprochen wird. Es ist aber auch schwer, weil die Abgeordneten auf keine Vorbilder zurückgreifen können. Sie entwickeln neue Ideen, die das Verständnis von Staat, Recht, Geschichte und Zusammengehörigkeit im Kaiserreich verändern. Manche dieser Ideen haben bis heute große Bedeutung in der Wissenschaft.

Schließlich scheint eine Lösung gefunden: Die deutschen und slawischen Abgeordneten einigen sich auf die Schaffung von politischen Kreisen in den Kronländern, die nach Nationalitäten eingeteilt sind.

In der Verfassung sehen die Volksvertreter u. a. Volkssouveränität vor und gestehen dem Kaiser nur ein aufschiebendes Vetorecht bei Gesetzesbeschlüssen zu. Diese beiden Punkte sind dem im Dezember 1848 auf den Thron gekommenen Franz Joseph ein Dorn im Auge. Er lässt den Reichstag noch vor der Beschlussfassung des Verfassungsentwurfs am 7. März 1849 auflösen. Die Reformideen des Reichtags können nicht umgesetzt werden und vor allem die Nationalitätenkonflikte sollen bis zum Ende der Monarchie andauern.

Oktroyierte März-Verfassung

Schon drei Tage zuvor, am 4. März 1849, hat Franz Joseph eine "Reichsverfassung für das Kaisertum Österreich" erlassen. Da sie ohne das Zutun von Volksvertretern entstehen und "von oben" verordnet ist, wird sie als "Oktroyierte März-Verfassung" bezeichnet (oktroyieren = aufdrängen oder aufnötigen). Sie soll für das gesamte Habsburgerreich gelten, also auch für die Länder der ungarischen Krone, und sieht vor, dem Kaiser die führende Rolle im Gesetzgebungsverfahren zu geben.

Für das Reich soll der Monarch gemeinsam mit einem Reichstag, für die Angelegenheiten der Kronländer gemeinsam mit den Landtagen die Gesetzgebung ausüben. Zudem sieht die Verfassung ein absolutes Vetorecht des Monarchen vor.

Aber diese oktroyierte Verfassung wird de facto nicht umgesetzt: Der Reichstag wird nicht gewählt und die Gesetzgebungsgewalt bleibt auf den Kaiser konzentriert. Einzig ein Reichsrat wird eingerichtet, der den Kaiser beraten soll. Seine Mitglieder werden vom Kaiser ernannt.

1851 hebt Franz Joseph mit dem so genannten Silvesterpatent die Verfassung wieder auf und läutet die Ära des Neo-Absolutismus ein – der Traum der 1848er-Revolutionär:innen von liberalen Prinzipien, Grundrechten und Mitbestimmung ist vorerst gescheitert.

Keine Zukunft für den Neo-Absolutismus

In den folgenden zehn Jahren bleibt das Volk von jedweder Mitbestimmung ausgeschlossen. Nach außen kann der Eindruck entstehen, als habe es die Ereignisse von 1848 nie gegeben. Sogar die Zensur wird wieder eingeführt. Aber dennoch wird in vielen Bereichen des Staats auf die Revolution reagiert: Universitäten werden neu organisiert, Reformen der Verwaltung und des Gerichtswesens werden in Angriff genommen.

In dieser Zeit zeigen sich aber zahlreiche innen- und außenpolitische Probleme, die der junge Kaiser Franz Joseph teilweise selbst verschuldet hat: Vertreter – oft Adelige oder einflussreiche Personen – der verschiedenen Völker fordern Sprachenrechte und mehr Möglichkeiten, die Anliegen ihrer Sprachgruppe oder ihres Landes selbst regeln zu können. Vor allem die Ungarn und Tschechen wehren sich gegen den zentralistisch geführten Einheitsstaat. In den Gebieten des heutigen Österreichs, Sloweniens und der Tschechischen Republik wird der Deutschnationalismus immer stärker.

Österreich isoliert sich in seiner Außenpolitik immer mehr, die alten Bündnisse mit Russland und Preußen werden brüchig. Die Habsburgermonarchie verabsäumt es, neue Allianzen mit den Westmächten England und Frankreich zu schmieden. 1859 kommt es zu einem Krieg mit Sardinien-Piemont und Frankreich. Österreich verliert die entscheidende Schlacht von Solferino am 24. Juni, was zum Verlust eines Großteils der italienischen Besitztümer der Habsburger führt. Das Kaiserreich stürzt in eine Schuldenkrise. Diese Umstände zwingen Kaiser Franz Joseph zu Reformen.