Aufgaben

Von der Regierungsbildung über die Einberufung des Nationalrats bis hin zum Erlassen von Notverordnungen: Die Aufgaben der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten.

Regierungsbildung als zentrale Aufgabe

Seit der Verfassungsreform von 1929 kann der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin die Bundesregierung ernennen. Die Bundesregierung muss sich aber auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen können, um ihre Vorhaben leichter durchzubringen und nicht gleich wieder per Misstrauensvotum gestürzt werden zu können.

In der Praxis ist es daher üblich, dass der/die Bundespräsident:in nach einer Nationalratswahl den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Zur Ernennung des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin braucht der/die Bundespräsident:in keine Vorschläge. Die übrigen Regierungsmitglieder ernennt er/sie auf Vorschlag des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin. Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin kann die Regierung oder nur den/die Bundeskanzler:in entlassen, wenn er/sie das für richtig hält. Einzelne Regierungsmitglieder kann er/sie jedoch nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin entlassen.

Es kommt selten vor, dass der/die Bundespräsident:in bei der Ernennung von Minister:innen nicht dem Vorschlag des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin folgt. Einmal, im Jahr 2000, hat ein Bundespräsident zwei Minister abgelehnt: Thomas Klestil sprach sich gegen Hilmar Kabas als Verteidigungsminister und gegen Thomas Prinzhorn als Infrastrukturminister aus.

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin ernennt außerdem Richter:innen sowie Beamte und Beamtinnen. 

Entschließungen

Wenn der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin als oberstes Organ der Verwaltung tätig wird, kann er/sie Bescheide und Verordnungen erlassen; Letztere werden als "Entschließungen" (oder "allgemeine Entschließungen") bezeichnet.

Wie so eine Entschließung aussieht, zeigt zum Bespiel die Entschließung des Bundespräsidenten über die Schaffung von Berufstiteln.

Auflösung des Nationalrats

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin kann den Nationalrat – auf Vorschlag der Bundesregierung – auflösen; allerdings darf er/sie dies nur einmal aus dem gleichen Anlass tun. Er/Sie ebnet damit in politischen Krisensituationen den Weg zu Neuwahlen. Der neu gewählte Nationalrat muss in einem solchen Fall spätestens am 100. Tag nach der Auflösung zusammentreten.

Eine Auflösung des Nationalrats durch den Bundespräsidenten kam bisher nur einmal vor: 1930 begegnete Bundespräsident Wilhelm Miklas damit auf Bitte der Regierung einem drohenden Misstrauensvotum gegenüber der von ihm bestellten Minderheitsregierung.

Auflösung von Landtagen

Der/Die Bundespräsident:in kann auf Antrag der Bundesregierung jeden Landtag auflösen, darf dies allerdings nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen. Zu einer solchen Auflösung bedarf es der Zustimmung des Bundesrats bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. An der Abstimmung dürfen die Vertreter:innen des Landes, dessen Landtag aufgelöst werden soll, nicht teilnehmen.

Einberufung des Nationalrats

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin beruft den Nationalrat regelmäßig zu dessen Tagungen ein: jährlich zu einer ordentlichen Tagung sowie zu außerordentlichen Tagungen dann, wenn es die Bundesregierung, ein Drittel der Abgeordneten des Nationalrates oder der Bundesrat verlangt.

Diese Einberufung geschieht schriftlich in Form einer Entschließung des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin.

Beurkundung der Bundesgesetze

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin beurkundet "das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze" vor deren Kundmachung. Diese Formulierung gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen über die Rolle des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin, denn was heißt "verfassungsmäßig"? Geht es nur um die formelle Einhaltung der Regeln des Gesetzgebungsverfahrens, oder kann der/die Bundespräsident:in hier auch inhaltliche Bedenken geltend machen?

Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort: Der Bundespräsident bzw. der Bundespräsidentin hat kein Recht auf Ablehnung aus politischen Gründen – also kein Vetorecht, wie es etwa der/die US-Präsident:in hat. Die Prüfungsbefugnis ist eine rein rechtliche und bezieht sich in erster Linie auf das Verfahren der Gesetzgebung. Wenn dem Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsident:in aber grobe Verfassungswidrigkeiten auffallen, wird er/sie die Beurkundung verweigern.

Der Verfassungsgerichtshof dagegen prüft Gesetze in einem sehr umfangreichen Verfahren, manchmal länger als ein Jahr. Er nimmt dabei eine genaue Kontrolle des Gesetzesinhalts vor.

Mit Stand 2022 haben zwei Bundespräsidenten die Beurkundung eines Gesetzesbeschlusses verweigert:

  • 2008 geschah das wegen einer rückwirkenden Strafbestimmung in einer Novelle zur Gewerbeordnung: So etwas verbietet die Verfassung.
  • 2020 erfolgte die Verweigerung, weil ein (angenommener) Abänderungsantrag im Nationalrat nicht von der erforderlichen Zahl von Abgeordneten unterstützt war.

Anordnung von Volksabstimmungen

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin kann aus drei Gründen eine Volksabstimmung über ein Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz anordnen:

  • wenn der Nationalrat das beschließt;
  • aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens von Abgeordneten oder Mitgliedern des Bundesrats;
  • oder aufgrund einer Gesamtänderung der Bundesverfassung.

Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin darf selbst nicht über die Abhaltung einer Volksabstimmung entscheiden.

Notverordnungen

In Ausnahmesituationen, etwa bei Naturkatastrophen oder Krieg, hat der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin besondere Rechte: Unter genau geregelten Umständen kann er/sie mit Notverordnungen Gesetze ändern und Maßnahmen anordnen. Außerdem kann er/sie den Sitz oberster Organe an einen anderen Ort verlegen.

Kann der Nationalrat nicht zusammentreten – beispielsweise in Katastrophenfällen –, so kann der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin auf Vorschlag der Bundesregierung gesetzesändernde Verordnungen – sogenannte Notverordnungen – erlassen. Eine solche Verordnung ist dem Nationalrat vorzulegen, sobald das möglich ist. Dieser muss entweder ein entsprechendes Gesetz beschließen oder veranlassen, dass die Verordnung außer Kraft gesetzt wird.

Bundespräsident:in und Bundesrat

Der/Die Bundespräsident:in bestimmt nach jeder Volkszählung aufgrund der erhobenen Bürger:innenzahl, wie viele Vertreter:innen jedes Bundesland in den Bundesrat entsendet. Dies geschieht in Form einer Entschließung des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht wird.