Stenographisches Protokoll

615. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 12. Juli 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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615. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 12. Juli 1996

Dauer der Sitzung

Freitag, 12. Juli 1996: 9.06 – 19.58 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird

2. Bundesgesetz über sichere Container (Containersicherheitsgesetz – CSG)

3. Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt

4. Bundesgesetz zur Erfüllung internationaler Seeschiffahrtsübereinkommen (Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG)

5. Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

6. Bericht der Bundesregierung über die Regierungskonferenz 1996; Österreichische Grundsatzpositionen und Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz

7. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Verwaltungsakademiegesetz und die 41. Gehaltsgesetz-Novelle geändert werden

8. Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden

9. Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (AMG-Novelle 1996)

10. Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, hiezu nicht berechtigten Einrichtungen untersagt wird (Ausbildungsvorbehaltsgesetz), erlassen wird

11. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Waldbericht 1994

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Bundesrat
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615. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages und der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 8

Angelobung der Bundesräte Helga Moser, Johann Payer und Ernst Schmid 9

Antrittsansprache des Präsidenten Josef Pfeifer 9

Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung eines Mitglieds des Ausschusses der Regionen 29

Antrag des Bundesrates Dr. Peter Kapral , dem Rechtsausschuß für die Beratung des Antrages 92/A vom 24. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Reichspolizeikostengesetz aufgehoben wird, eine Frist bis zum 23. Juli 1996 zu setzen 30

Ablehnung 145

Personalien

Entschuldigungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 30

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 29

Ausschüsse

Zuweisungen 30

Fragestunde

Wissenschaft, Verkehr und Kunst 13

Irene Crepaz (631/M-BR/96)

Dr. Herbert Schambeck (625/M-BR/96)

Dr. Peter Kapral (637/M-BR/96)

Hedda Kainz (632/M-BR/96)

Engelbert Schaufler (626/M-BR/96)

Gertrude Perl (633/M-BR/96)

Franz Richau (627/M-BR/96)

Dr. Michael Rockenschaub (638/M-BR/96)


Bundesrat
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615. Sitzung / Seite 3

Ernst Winter (634/M-BR/96)

Mag. Gerhard Tusek (628/M-BR/96)

Dr. Michael Ludwig (635/M-BR/96)

Dr. Paul Tremmel (639/M-BR/96)

Josef Rauchenberger (636/M-BR/96)

Peter Rodek (630/M-BR/96)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Dieter Langer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die unendliche Geschichte des Museumsquartiers (1197/J-BR/96)

Begründung: Dr. Peter Kapral 100

Beantwortung: Bundesministerin Elisabeth Gehrer 103

Redner:

Mag. Dieter Langer 106 und 114

Dr. Michael Ludwig 109

Mag. Harald Himmer 110

Dr. Paul Tremmel 112

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird (39 und 191/NR sowie 5201/BR d. B.)

(2) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über sichere Container (Containersicherheitsgesetz – CSG) (146 und 192/NR sowie 5202/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt (174 und 193/NR sowie 5203/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Erfüllung internationaler Seeschiffahrtsübereinkommen (Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG) (175 und 194/NR sowie 5204/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 32

[Antrag, zu (1), (2), (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Kapral 34

Ing. Walter Grasberger 35

Johanna Schicker 38

DDr. Franz Werner Königshofer 39 und 46

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 41

Anton Hüttmayr 41


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615. Sitzung / Seite 4

Jürgen Weiss 44

Gottfried Waldhäusl 44

Engelbert Schaufler 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (1) und (3) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 47

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (2) und (4) keinen Einspruch zu erheben 48

(5) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (209/NR sowie 5205/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Peter Kapral 48

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Harald Himmer 49

Johann Payer 50

Dr. Peter Kapral 51

Mag. Gerhard Tusek 52

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 53

(6) Bericht der Bundesregierung über die Regierungskonferenz 1996; Österreichische Grundsatzpositionen (III-148-BR/96) und Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz (8856/EU XX. GP und 5211/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ilse Giesinger 53

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 54

Albrecht Konečny 58

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 62

Staatssekretär Mag. Karl Schlögl 65

Dr. Reinhard Eugen Bösch 67

Karl Drochter 69

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 72

Irene Crepaz 78

Jürgen Weiss 80

DDr. Franz Werner Königshofer 82

Staatssekretärin Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner 85

Dr. Paul Tremmel 87

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 89

Gemeinsame Beratung über

(7) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzu


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615. Sitzung / Seite 5

lagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Verwaltungsakademiegesetz und die 41. Gehaltsgesetz-Novelle geändert werden (134 und 189/NR sowie 5206/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (155 und 211/NR sowie 5207/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 90

[Antrag, zu (7) keinen Einspruch zu erheben]

und Anton Hüttmayr 92

[Antrag, zu (8) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Paul Tremmel 93

Johann Payer 96

Dr. Günther Hummer 115

Annahme der Anträge der Berichterstatter, zu (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 118

Gemeinsame Beratung über

(9) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (AMG-Novelle 1996) (151 und 202/NR sowie 5208/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, hiezu nicht berechtigten Einrichtungen untersagt wird (Ausbildungsvorbehaltsgesetz), erlassen wird (150 und 203/NR sowie 5209/BR d. B.)

Berichterstatterin: Michaela Rösler 119

[Antrag, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Paul Tremmel 120

Gottfried Jaud 123

Gertrude Perl 125

Alfred Gerstl 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 130


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615. Sitzung / Seite 6

(11) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Waldbericht 1994 (III-144 und 5210/BR d. B.)

Berichterstatter: Ludwig Bieringer 131

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Andreas Eisl 132

Ferdinand Gstöttner 133

Hermann Pramendorfer 136

Engelbert Weilharter 139

Engelbert Schaufler 140

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 143

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 145

Eingebracht wurden

Berichte

8409-9115-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend WTK (Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks GesmbH) (1189/J-BR/96)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Einführung von Chipcards anstelle von Krankenscheinen (1190/J-BR/96)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Einbeziehung privater Krankenanstalten in die Strukturkommissionen und in das Finanzierungssystem nach LKF im Zuge der Spitalsreform (1191/J-BR/96)

der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend legistische und organisatorische Vorarbeiten zur Umsetzung der Ergebnisse des "Spitalsgipfels" vom 29. 3. 1996 (1192/J-BR/96)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Kapral an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Europäische Wirtschafts- und Währungsunion" (1193/J-BR/96)

der Bundesräte Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Ausweitung der bäuerlichen Pensionsversicherung (1194/J-BR/96)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Kapral an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend ausländische Direktinvestitionen (1195/J-BR/96)


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615. Sitzung / Seite 7

der Bundesräte Franz Richau und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Abwälzung des ÖBB-Betriebsabganges im Nahverkehr auf die Länder (1196/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Dieter Langer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die unendliche Geschichte des Museumsquartiers (1197/J-BR/96)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Justiz betreffend Eintragung von Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten in das Grundbuch in Vorarlberg (1198/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Zukunft der Deregulierungs-Kommission im Wirtschaftsministerium (1199/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend kleine und mittlere Unternehmen (1200/J-BR/96)

der Bundesräte Grete Pirchegger und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Versorgungsschwierigkeiten mit Medikamenten für ältere, nicht mobile und auf die Hilfe Dritter angewiesene Personen durch das Apothekengesetz (1201/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen (1091/AB-BR/96 zu 1180/J-BR/96)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1092/AB-BR/96 zu 1181/J-BR/96)


Bundesrat
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615. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Präsident Josef Pfeifer: Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich eröffne die 615. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 614. Sitzung des Bundesrates vom 25. Juni 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Erich Farthofer, Dr. Kurt Kaufmann, Erhard Meier, Mag. Karl Wilfing, Dr. Milan Linzer und Dr. Peter Harring.

Mandatsverzichte und Angelobungen

Präsident Josef Pfeifer: Eingelangt sind Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages und der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"An den Präsidenten des Bundesrates

Der Burgenländische Landtag hat in seiner 1. Sitzung der XVII. Gesetzgebungsperiode am 27. Juni 1996 gemäß Artikel 35 B-VG als Vertreter des Landes im Bundesrat gewählt:

Mitglied: Payer Johann, geb. 11. Jänner 1947, Hauptschuldirektor, 7343 Neutal, Hauptstraße 28, SPÖ

Ersatzmitglied: Hahn Georg, geb. 11. Oktober 1945, Angestellter, 7311 Neckenmarkt, Königsgasse 17, SPÖ

Mitglied: Dr. Linzer Milan, geb. 8. November 1937, Notar, 7400 Oberwart, Anton Brucknergasse 25, ÖVP

Ersatzmitglied: Oswald Heribert, geb. 22. September 1947, Sonderschullehrer, 7471 Rechnitz, Alois Hofergasse 17, ÖVP

Mitglied: Schmid Ernst, geb. 24. August 1949, Postvorstand, 7063 Oggau, Seegasse 118, SPÖ

Ersatzmitglied: Ficker Elisabeth, geb. 28. Juli 1941, Landesbeamtin, 7000 Eisenstadt, Bründlfeldweg 59, SPÖ

Herr Bundesrat Payer Johann hat als erster Vertreter zu gelten.

Mit freundlichen Grüßen

DDr. Erwin Schranz"

"Die Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages Angela Orthner

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Oberösterreichische Landtag hat in seiner Sitzung am 4. Juli 1996 gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Artikel 29 des Oberösterreichischen Landes-Verfassungsgesetzes 1991 eine Nachwahl durchgeführt.

Es wurden gewählt:

 


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615. Sitzung / Seite 9

Als Mitglied:

an 9. Stelle: Helga Moser, geb. 30. 10. 1944, 4020 Linz, Leibnizstraße 17

Als Ersatzmitglied:

an 9. Stelle: Ing. Franz Kroismayr, geb. 20. 10. 1946, 4845 Rutzenmoos, Eck 4

Mit freundlichen Grüßen"

Präsident Josef Pfeifer: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Helga Moser.

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin Helga Markowitsch: Johann Payer.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin Helga Markowitsch: Ernst Schmid.

Bundesrat Ernst Schmid (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Josef Pfeifer: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache des Präsidenten

9.12

Präsident Josef Pfeifer: Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich heute als Erstgereihter des Bundeslandes Kärnten und darüber hinaus als Bürgermeister einer Gemeinde, nämlich der Marktgemeinde Eberndorf, im Herzen des Jauntales, die Ehre habe, den Vorsitz in diesem Hohen Haus turnusmäßig zu übernehmen, so ist es gerade im österreichischen Millenniumsjahr angebracht, auch einige Worte zur Geschichte zu sagen.

In einer Zeit, in der sich das alte Europa wieder neu zu formieren beginnt, in der, wie es der frühere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt unter Bezugnahme auf sein Land so treffend formulierte, "zusammenwächst, was zusammengehört", in dieser Zeit also haben Kärnten und Österreich aufgrund ihrer geopolitischen Lage im Herzen dieses Erdteils einen festen Platz.

Als Kärntner darf ich mit Stolz und ohne Zurückstellung anderer Länder anführen, daß Kärnten das älteste Land Österreichs ist und es schon lange vor der Ostarrichi-Nennung im Jahr 996 zur Staatsbildung gekommen ist. Ich nenne das keltische Königreich Noricum mit dem Zentrum auf dem Magdalensberg, die römische Provinz Noricum mit der Hauptstadt Virunum auf dem Zollfeld, das slawische Fürstentum Karantanien mit dem Zentrum Kamburg und schließlich schon im Jahre 976 das selbständige Herzogtum Kärnten, das bereits 20 Jahre vor der ersten Ostarrichi-Nennung das sechste der damaligen Reichsherzogtümer war. Der Fürstenstein und der Kärntner Herzogstuhl – jedem Österreicher und vielen Besucher Kärntens aus dem europäischen Raum bestens bekannt – gehören zu den bedeutendsten Rechtsdenkmälern dieser Zeit. Erst im Jahre 1335 erwarben die Habsburger Kärnten, nachdem sie schon Ende des 12. Jahrhunderts die Steiermark an sich gebracht hatten, Tirol folgte zirka 30 Jahre später.


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615. Sitzung / Seite 10

Was will ich damit sagen? – Die Geschichte Österreichs und das, was Österreich in den letzten Jahrhunderten bis zu seinem heutigen Ansehen in der Welt vor allem auch auf kulturellem Gebiet erreicht hat, ruhen auf zwei wesentlichen Fundamenten: Das eine ist zweifellos das über 600 Jahre dauernde dynastische Wirken der Habsburger mit ihrer staatsformenden Politik bis hin zum Ausbau der für die große Monarchie konzipierten Reichshauptstadt Wien, wo sich auch heute das politische Zentrum der Republik sowie der Staatsverwaltung befindet.

Seit 1918 haben sich die politischen Verhältnisse geändert: Demokratisch gewählte Abgeordnete bestimmten und bestimmen das Geschick der Ersten und Zweiten Republik, eines Staates, an den – wenn man der geschichtlichen Überlieferung trauen darf – zunächst keiner glauben wollte. Unsere Vorfahren und zuletzt die heutige Generation haben das Gegenteil bewiesen: Österreich war und ist lebensfähig!

Das andere ist aber der Beitrag der Länder zu diesem Österreich, der nicht nur in der Kontinuität ihres Bestehens, unabhängig von den verschiedenen Staatsformen und Wandlungen des Österreich-Begriffs, liegt. Er ist auch – und dies gerade im 20. Jahrhundert unter demokratischen Verhältnissen – durchaus als aktiver Beitrag der Länder zur Entstehung der beiden Republiken zu verstehen.

Wenn ich dabei wiederum auf das südlichste Bundesland der Republik, auf Kärnten, zurückgreife, so deshalb, weil Kärnten sowohl von 1918 bis 1920 als auch 1945 aktiv zur Herstellung beziehungsweise Wiederherstellung der Demokratie in Österreich beigetragen hat. Es waren von 1918 bis 1920 Abwehrkampf und Volksabstimmung, die den von der provisorischen Landesversammlung am 11. November 1918 formulierten Beitritt des Landes Kärnten zu Deutsch-Österreich, wie der junge Staat zunächst hieß, erst möglich machten, und zwar ohne nennenswerte Gebietsverluste, die damals aufgrund der südslawischen Okkupation drohten. In meiner Heimatgemeinde Eberndorf zum Beispiel stimmten damals rund 66 Prozent für einen Verbleib Kärntens bei Österreich und rund 34 Prozent für einen Anschluß an Jugoslawien. Auch viele slowenischsprechende Mitbürger haben zu diesem proösterreichischen Ergebnis beigetragen.

Wir sehen heute unmittelbar vor unserer Haustüre, worum es damals in Wirklichkeit gegangen ist und wohin Intoleranz und Nationalitätenstreit führen. Kärnten hat damals seine demokratische Reife bewiesen und die österreichische Republikgründung wesentlich erleichtert. "Einen großen Sieg des österreichischen Staatsgedankens" nannte es 1920 das Präsidium der Österreichischen Nationalversammlung in seiner Grußadresse.

Hohes Haus! Die Entwicklung eines Landes, einer Region kann niemals getrennt von ihrem Umfeld gesehen werden. Dies trifft besonders auf ein Land wie Österreich zu. Die Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und Wohlstand stand am Anfang jener Europäischen Union, für die sich auch Österreich entschieden hat.

Der europäische Einigungsprozeß ist für mich ein Beispiel dafür, wie man die Idee des Föderalismus im positiven Sinne weiterentwickelt.

In der derzeitigen Struktur der EU sehe ich durchaus positive Ansätze, die den Regionen einen bedeutenden Stellenwert einräumen. Ich möchte dabei nicht nur den neugeschaffenen Ausschuß der Regionen als unmittelbare Vertretung der Kommunen und Regionen nennen, sondern auch die vielfältigen Formen der Regionalförderung, die die teilweise enormen Wohlstandsdifferenzen innerhalb der EU abbauen wollen.

Auch Österreichs Bundesländer können seit dem EU-Beitritt zunehmend an diesem Prozeß teilhaben, auch wenn dies in der Öffentlichkeit leider noch zu wenig Beachtung findet, vielleicht mit Ausnahme des Ziel-1-Gebietes Burgenland.

Unverständlich und abzulehnen sind für mich daher Versuche, dem Föderalismus eine negative Ausprägung geben zu wollen. Eine derartige Politik würde uns keinen Schritt weiterbringen. Beispiele aus unserer unmittelbaren Kärntner Nachbarschaft zeigen, wohin extreme, ja pervertierte Nationalismen und Regionalismen führen. Föderalismus bleibt immer eine schwierige


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615. Sitzung / Seite 11

Gratwanderung zwischen sinnvoller Regionalautonomie und notwendiger Kooperation auf überregionalen Ebenen.

Für die Bundesländer, Bezirke und Gemeinden unseres Landes sehe ich eine enorme Zukunftschance, wenn die vorhandenen EU-Instrumentarien optimal ausgenützt werden. Es hat keinen Sinn, über den verschärften Wettbewerb in einem größeren Markt zu jammern, dem wir uns früher oder später auch ohne EU-Beitritt hätten stellen müssen. Wenn uns auch noch eine Kooperation zwischen benachbarten Regionen unseres Staates gelingt, werden wir aus unserer Teilnahme am großen europäischen Markt enorme Vorteile schöpfen können.

Der Bundesrat als direkter Vermittler der Regionsinteressen muß sich innerhalb des dynamischen europäischen Prozesses anpassen und weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang wäre zu überlegen, den Bundesrat verstärkt in den direkten Bezug zwischen Regionen und EU einzubinden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Erfreulich ist, daß der Nationalrat in seiner gegenwärtigen Sitzungswoche am Dienstag im Zusammenhang mit der Novellierung seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, die Bundesverfassung in die Richtung abzuändern, daß dem EU-Ausschuß des Bundesrates die Kompetenz zukommt, enderledigend – also in Vertretung des Bundesrates selbst – Stellungnahmen zu EU-Vorlagen beschließen zu können.

Diese kleine Korrektur stellt aber für die Arbeitsfähigkeit des Bundesrates einen großen Fortschritt dar. Der Bundesrat ist nunmehr auch in der Lage, rasch und ohne Befassung des Plenums seine politische Auffassung zu EU-Vorhaben in Stellungnahmen umzusetzen.

Gerade dabei soll der Bundesrat ein eigenes Profil entwickeln: Es geht nicht darum, parallel zum Nationalrat dieselben Vorlagen in Verhandlung zu nehmen, sondern davon abweichend Maßnahmen der Europäischen Union auf ihre Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip zu überprüfen. Der Erfolg und das Ansehen der Europäischen Union und die Weiterentwicklungsmöglichkeit der EU im Rahmen der Regierungskonferenz werden insbesondere auch davon abhängen, ob die politischen Vorgaben möglichst bürgernah gestaltet und getroffen werden. Unser klares Bekenntnis zur Europäischen Union beinhaltet die Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips. Alle Entscheidungen sollen auf der politischen Ebene getroffen werden, die für die Entscheidung am sinnvollsten ist. Das können europäische Instanzen sein, aber auch die nationalen Parlamente – Nationalrat, Bundesrat oder Landtage –, aber auch die kommunale Ebene.

Dem Bundesrat kommt daher mit die Beurteilung zu, ob die Entscheidung auf der richtigen Ebene getroffen wird. Gegebenenfalls hat er mit Stellungnahmen darauf hinzuweisen, daß eine "untere Ebene" geeigneter erscheint.

Bei der Behandlung von EU-Vorlagen im Bundesrat ist generell die Arbeit des EU-Ausschusses sehr positiv zu bewerten. Während sich der EU-Hauptausschuß des Nationalrates mehr dem Alltagsgeschäft widmet, hat der EU-Ausschuß des Bundesrates nunmehr über ein Jahr lang die Vorbereitungen Österreichs auf die Regierungskonferenz debattiert. Ich glaube, das ist ein sehr gelungener Zugang zu einem neuen Arbeitsstil im Bundesrat.

Meine Damen und Herren! In meiner Präsidentschaft werde ich alles mögliche versuchen, um die österreichischen Positionen bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union auch im oder mit dem Bundesrat weitestgehend zu unterstützen. Dabei ist mir die Umgestaltung der EU in Richtung einer Sozialunion persönlich besonders wichtig. Aktive Arbeitsmarktpolitik für die Bürgerinnen und Bürger Europas sollte zu einer der vornehmsten Aufgaben der EU werden. Gerade hier muß zwischen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und Maßnahmen zur Hintanhaltung der Steigerung von Arbeitslosenzahlen fair gewichtet werden.

Seit geraumer Zeit – insbesondere im Zusammenhang mit der angespannten Budgetsituation – wird ein geeigneter Konsultationsmechanismus zwischen den Gebietskörperschaften gesucht, mit welchem finanzielle Belastungen durch Bundesgesetze auf Länder und Gemeinden beziehungsweise durch Landesgesetze auf den Bund und die Gemeinden verhindert werden


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615. Sitzung / Seite 12

sollen. Hier könnte und sollte der Bundesrat wichtige Aufgaben übernehmen. (Allgemeiner Beifall.)

In Verbindung damit müßte der Bundesrat ein Image aufbauen, das auch in anderen Angelegenheiten für ihn spricht: Es gilt nämlich, Vertrauen in die politische Kapazität von seiten des Bundes ebenso wie von seiten der Länder zu gewinnen. Ein Bundesrat, in dem Vertreter aller Länder in gemeinsamem Wirken bundesgesetzliche Maßnahmen auf das gesamtheitliche Interesse der Länder überprüfen, gegebenenfalls auch korrigierend eingreifen, ist ein wertvoller Bestandteil, meine Damen und Herren, der Organstruktur unserer Bundesverfassung.

Um dies zu optimieren, sollte jedes Mitglied des Bundesrates regelmäßigen Kontakt mit seinem Landtag pflegen, wofür ich von dieser Stelle aus nicht nur werben möchte, sondern alle Länder auffordere, auch die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen für die Bundesräte zu schaffen, um ihnen im Landtag ein möglichst großes Mitwirkungsrecht einzuräumen. Eine Reihe positiver Beispiele gibt es ja bereits.

Um dies zu optimieren, sollte jedes Mitglied des Bundesrates regelmäßigen Kontakt mit seinem Landtag pflegen, wofür ich von dieser Stelle aus nicht nur werben möchte, sondern alle Länder auffordere, auch die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen für die Bundesräte zu schaffen, um ihnen im Landtag ein möglichst großes Mitwirkungsrecht einzuräumen. Eine Reihe positiver Beispiele gibt es ja bereits.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Rolle eines Präsidenten des Bundesrates ist durch den halbjährlichen Wechsel und die dadurch relativ kurze Amtszeit keine einfache. Jede Präsidentin, jeder Präsident möchte eigene Schwerpunkte setzen, möchte in seiner Amtszeit die Entwicklung des Bundesrates vorantreiben. Ich bin der Überzeugung, daß für das politische Auftreten eines parlamentarischen Organs auch seine internen Spielregeln – also die Geschäftsordnung – von besonderer Bedeutung sind. Ich möchte daher die anderen Fraktionen einladen, in einer Arbeitsgruppe die Geschäftsordnung durchzugehen und zu überlegen, wo neue Schwerpunkte gesetzt werden können, wo modernere Abläufe, die mediengerechter gestaltet sind, gefunden werden können. All dies soll dazu dienen, die Schlagkraft des Bundesrates im politischen Leben und die Präsentation des Bundesrates nach außen zu optimieren. Ich bin überzeugt davon, daß hier eine Vielzahl von innovativen Möglichkeiten realisiert werden kann, was unter dem Strich allen im Bundesrat vertretenen Fraktionen nützen wird.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe versucht, zu einigen Problemen – falls man sie als solche bezeichnen kann, vielleicht wäre es richtiger, von Leitgedanken oder Leitlinien zu sprechen – aus meiner Sicht Stellung zu nehmen.

Als ein weiteres wichtiges Ziel – auch nach meiner sechsmonatigen Präsidentschaft – nenne ich das Näherbringen von Wien und Kärnten. Auch die Beziehung zwischen Österreichs südlichstem Bundesland und den anderen Bundesländern sollte noch lebendiger als bisher gestaltet werden. Die Anliegen Kärntens werde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten beim Bund mit Nachdruck vertreten. Dazu zählen vor allem der Lückenschluß bei der Süd Autobahn, der Ausbau der bahnmäßigen Anbindung an die Zentralräume, eine Betriebsansiedelungsoffensive sowie eine optimale Ausnützung der EU-Fördermöglichkeiten.

Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es auch keinesfalls verabsäumen, meinem Vorgänger, Herrn Präsidenten Johann Payer, aus dem Burgenland, der objektiv, gerecht, kollegial und menschlich die Geschicke der Länderkammer geführt hat, für seine Arbeit recht herzlich zu danken. (Allgemeiner Beifall.)

Abschließend ersuche ich Sie – gemeinsam, trotz verschiedener politischer Standpunkte und trotz mancher Gegensätze –, immer wieder zu versuchen, parlamentarisch tragfähige Brücken zum Wohle unserer Republik zu bauen. Ich werde mich nach bestem Wissen und Gewissen darum bemühen. (Langanhaltender allgemeiner Beifall.)

9.34


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 13

Glückwünsche

Präsident Josef Pfeifer: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Fragestunde gelangen, darf ich eine erfreuliche Mitteilung machen: Eine große Persönlichkeit dieses Hohen Hauses hat heute Geburtstag – Herr Präsident Professor Dr. DDr. h. c. Schambeck. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Präsident! Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen entbiete ich Ihnen zu Ihrem Festtag alles erdenklich Gute, viel Glück und vor allem, Herr Präsident, viel Gesundheit. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich – vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder – darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – soferne mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.35 Uhr – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 631/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

631/M-BR/96

Welche Position wird Österreich im EU-Rat in bezug auf den Vorschlag der EU-Kommission betreffend die geänderte Wegekostenrichtlinie einnehmen?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Frau Bundesrätin! Wir kennen das neue Papier der EU-Kommission bisher nur via Mediennachrichten und nicht im Original. Es ist im übrigen ein Vorschlag und kein Beschluß, weil dieser erst durch den Ministerrat gefaßt werden muß.

Ich sehe aus der derzeitigen Informationslage Fortschritte, aber noch keine Ergebnisse, und daher müssen wir uns das dann ansehen, wenn wir auch die Details kennen. Ich halte es für positiv, möglicherweise aber nicht für ausreichend.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Irene Crepaz: Herr Minister! Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg zur Kostenwahrheit. Österreich hat diese Diskussion sicherlich mitgetragen, und sicherlich haben auch die Tiroler eine Vorreiterrolle in dieser Diskussion übernommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 14

Ich möchte Sie nun fragen: Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Umsetzung dieser Wegekostenrichtlinie – auch wenn wir noch nicht genau wissen, wie sie ausschauen wird – beim Gütertransit ein?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 15

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten:
Frau Bundesrätin! Ich denke, daß es wohl nur zwei Ziele geben kann. Das eine heißt, die in den letzten Jahren erfolgte Verlagerungen von der Schiene auf die Straße wieder auf die Schiene zurückzubringen, und das zweite ist, Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern. Das Ausmaß, das bei diesen beiden Aufgaben a conto dieser neuen Richtlinie erreichbar ist, ist eigentlich erst dann abschätzbar, wenn man die Details kennt, weil wir uns insbesondere beim Güterbereich mit einem Markt konfrontiert sehen, der sehr genau kalkuliert. Daher wird es darum gehen, ob wir mit den neuen Konditionen effektiv so teuer werden, daß das Benützen der Schiene attraktiv geworden ist.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz: Herr Minister! Am meisten umstritten ist die erhöhte Nachtmaut in Tirol. Sind Sie bereit, sich auch für diese unsere Anliegen einzusetzen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 16

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten:
Umstritten ist sie im Sinne davon, daß es sehr viele gibt, die sich dafür einsetzen. Ich weiß schon, wie Sie es meinen, aber ich denke, daß wir die Systeme der Mautregelung genauso wie der Straßenverkehrsabgabe insgesamt nur dann beurteilen können, wenn die neue Wegekostenrichtlinie im Detail vorhanden ist, wenn wir die Reaktionen von Brüssel auf die Mautregelung insgesamt, für die es jetzt auch den österreichischen Rechtfertigungsbrief seitens des Wirtschaftsministeriums gibt, kennen.

Mit Sicherheit haben die Anliegen der Region Primat dabei, und daher bin ich selbstverständlich dafür, daß wir die Anliegen der Region zu vertreten haben. Das ist unbestritten. Ich glaube nur, daß es im Sinne der österreichischen Position unklug wäre, in diesen beiden laufenden Verfahren jetzt vorschnell Meinungen zu dokumentieren, die uns dann zu einem Zeitpunkt entgegengehalten werden, der dafür ungeeignet ist.

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 2. Anfrage, 625/M, an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Professor Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich) , um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mit dem neuen Sommerfahrplan für die ÖBB wurden zirka 10 Prozent aller Zugsverbindungen eingestellt. In diesem Zusammenhang gab es auch Probleme bei der Umstellung auf einen neuen Betreiber der Speisewagen. Trotzdem steigen die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, die der Bund an die Österreichischen Bundesbahnen zu zahlen hat, kontinuierlich an. Diese betrugen im Jahr 1994 7,6 Milliarden Schilling und sollen im Jahr 1996 auf 8 Milliarden Schilling sowie im Jahr 1997 auf 8,3 Milliarden Schilling steigen.

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister:

625/M-BR/96

Warum zahlt der Bund den ÖBB laufend steigende Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen bei gleichzeitig sinkendem Angebot?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Erstens ist es so, daß die angebotenen Verbindungen bei weitem nicht um 10 Prozent zurückgegangen sind. Es sind die angebotenen Zugkilometer um etwa 7 Prozent zurückgegangen. Ich würde schätzen, auf die Verbindungen bezogen macht damit die Zahl des Rückgangs weniger als die Hälfte dessen aus, was Sie gesagt haben.

Im übrigen werden die gemeinwirtschaftlichen Leistungen im nachhinein abgerechnet. Jene, die wir derzeit noch nicht einmal kennen, sondern erahnen, sind die für 1995. Diese werden dann a conto der Aufsichtsratssitzung Ende Juli des Jahres 1996 auch vom Wirtschaftsprüfer bestätigt. Das heißt, über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Jahres 1996 kann ich bestenfalls im Jahr 1997 berichten. Die derzeitigen Fahrplankorrekturen und die vergangenen Abrechnungen finden sich also nicht in einer Bilanz wieder.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister! Wenn man auf der Westbahnstrecke etwa nach Tirol und Vorarlberg fährt, so ist es auf der Strecke zwischen Salzburg und Kufstein nicht möglich, zu telefonieren. Wenn ein Telefon vorhanden ist, wird es abgestellt, obwohl die Bundesrepublik Deutschland und Österreich EU-Mitglieder sind.

Im Hinblick auf die Europäische Integration ist es doch wirklich unverständlich, warum man auf dem Gebiet der europäischen Einigung in zwei Nachbarstaaten nicht telefonieren kann, da doch die Leute ständig hin- und herfahren.

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich bin froh, daß Sie Ihre Frage nicht als Frage formuliert haben, denn ich wüßte keine Antwort darauf. Ich werde mich erkundigen. Ich weiß es nicht. (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich finde es bedauerlich, auch wenn es kein Problem ist, das direkt Sie betrifft!)

Warum man in Deutschland über die Deutsche Postgesellschaft nicht telefonieren kann, ist etwas, was ich infolge der Funktion, die ich hier zu vertreten habe, sowieso nicht beantworten kann, aber ich werde mich trotzdem gerne erkundigen, warum das so ist, und Ihnen dann die Antwort zukommen lassen. (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich habe eine letzte Frage, weil wir alle darüber erstaunt sind!)

Es ist dies aber trotzdem nicht Angelegenheit des österreichischen Bundesrates. Es steht mir vielleicht nicht zu, zu beurteilen, was Angelegenheit des Bundesrates ist, aber was meine Angelegenheit ist, kann ich beurteilen. Meine Angelegenheit ist nicht die Deutsche Post, aber wir werden uns erkundigen.

Präsident Josef Pfeifer: Herr Vizepräsident! Ist damit schon die zweite Zusatzfrage gestellt? (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich habe noch eine zweite Zusatzfrage!) – Bitte.

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Es fällt in die Zuständigkeit des Bundesrates als Länderkammer, Herr Bundesminister – das möchte ich nur ergänzend noch feststellen –, daß man solche Fragen, die den Kontakt mit den Bundesländern betreffen – noch dazu, da heute der EU-Bericht zur Behandlung steht –, aufwirft.

Zweitens: Herr Bundesminister! Warum werden in den Fernzügen die Telefonzellen jetzt zum Großteil abgeschafft und an deren Stelle Handys empfohlen, mit denen man nicht so still und entsprechend vertraulich telefonieren kann, wie das bisher der Fall war? Diese Möglichkeit des Telefonierens aus unseren Zügen wird dadurch beschränkt. Das ereignet sich in der Bundesbahn – unabhängig jetzt von der Strecke Kufstein – Salzburg.

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Nach allen mir vorliegenden Aussagen von Experten ist es so, daß die GSM-Handys wesentlich abhörsicherer sind als jedes Festtelefon, und daher ist, wenn Sie mit "still" meinen, daß Ihnen niemand Dritter zuhört, die Abhörsicherheit der GSM-Handys mit Sicherheit wesentlich höher als bei jedem Festleitungstelefon. (Bundesrat Dr. Schambeck: In der Telefonzelle können Sie allein telefonieren, beim Handy sind Sie mit anderen zusammen!)

Präsident Josef Pfeifer: Herr Präsident, ich bitte Sie, das ist schon die dritte Frage.

Meine Damen und Herren! In Anbetracht dessen, daß Herr Präsident Schambeck heute einen Festtag hat (allgemeine Heiterkeit – Bundesrat Dr. Schambeck: Wobei die Bundesbahn mein Lieblingsthema ist, wie Sie wissen!) , bin ich etwas nachsichtiger, aber für die anderen gilt natürlich schon jene Feststellung, die ich zu Beginn getroffen habe, nämlich daß sich die Zusatzfrage auf die Hauptfrage zu beziehen hat.

Wir kommen zur 3. Anfrage, 637/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien) , sie zu stellen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 17

Bundesrat Dr. Peter Kapral:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage an Sie:

637/M-BR/96

Welche geplanten Investitionen werden aufgrund der von Ihnen zum Zweck der Sicherung des Lehrbetriebes im Wintersemester jüngst angekündigten Umleitung von Investitionsmitteln zum universitären Personalbudget unterbleiben müssen?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 18

Präsident Josef Pfeifer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Unterbleiben werden überhaupt keine müssen, aufgrund der Umschichtung wird es maximal zu Verschiebungen von Investitionen kommen. Wir rechnen aufgrund dieser Nachbesetzungen für das Jahr 1996 aus heutiger Sicht mit einem budgetwirksamen Mehraufwand von etwa 30 bis 40 Millionen Schilling – und das angesichts eines Investitionsbudgets von 1,9 Milliarden Schilling. Das heißt, wenn es hier nur zu geringfügigen Verzögerungen im Dezember kommt, ist der Betrag bereits umschichtbar.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Kapral: Seit einigen Jahren, genau gesagt seit 1916 – in diesem Jahr erfolgte mit allerhöchster Entschließung und tatkräftiger Unterstützung der Industrie der Ankauf der sogenannten Arsenalgründe für Zwecke der Technischen Hochschule, wie es damals noch geheißen hat –, werden Planungsarbeiten für einen Neubau der Maschinenbaufakultät auf diesem Grundstück durchgeführt. Wann werden Mittel für den Beginn der Bauarbeiten zur Verfügung stehen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich kenne derzeit nur eine Planungsarbeit für eine neue Maschinenbaufakultät, und die findet zielgerichtet mit der Absicht statt, damit auf die sogenannte Platte bei der UNO-City zu gehen. Dieses Projekt wird derzeit so kalkuliert, daß wir damit rechnen können, daß in etwa fünf Jahren die erste Budgetwirksamkeit entsteht und daß mit einem Baubeginn innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre zu rechnen ist. Das hängt aber nicht nur von der Technischen Universität ab, sondern auch von der Wirtschaftsuniversität, die dort ebenfalls plant und sich damit in dieses Gesamtkonzept einbinden lassen muß.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Kapral: Gehen Sie jetzt davon aus, daß sowohl die Technische Universität als auch die Wirtschaftsuniversität von dem Angebot der Gemeinde Wien Gebrauch machen, ihre Neubauten beziehungsweise die Gesamtübersiedlung der Wirtschaftsuniversität auf der sogenannten Platte durchzuführen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich weiß nicht, was das bedeutet, wenn ich jetzt sage, "ich gehe davon aus". Ich hoffe, daß es so sein wird, aber mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, denn das hängt davon ab, ob die Verwertung bestehender Grundstücke beziehungsweise Gebäude eine Kalkulation zulassen, die einen nur sehr geringen Bundesbeitrag notwendig macht. Das war sozusagen die Grundbedingung für diese ganze Unternehmung. Das heißt, bei der Wirtschaftsuniversität bedeutet dies ein Vermieten des derzeitigen Gebäudes und bei der Technischen Universität einen Verkauf der Aspanger Gründe.

Präsident Josef Pfeifer: Danke. – Wir kommen zur 4. Anfrage, 632/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich), die Frage zu formulieren.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

632/M-BR/96

Welche Schwerpunkte werden Sie in der Forschungspolitik im Lichte des Sparpaketes setzen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir haben im Rahmen dieses Sparbudgets, dieses Konsolidierungsbudgets 1996 und 1997 einige wenige Bereiche ausdrücklich von Kürzungen, sogar von Stillständen ausnehmen können. Im Wissenschaftsbudget sind das drei Bereiche. Das sind die Studentenheime, das sind die Fachhochschulen, und der dritte Bereich, der Hauptpunkt, auch von der Dimension her der Hauptpunkt, sind die Forschungsförderungsmittel. Das heißt, für die Forschungsförderungsmittel gibt es 1996/97 mit Sicherheit keine Einschränkung, sondern zum Teil sogar deutliche, für den Forschungsförderungsfonds sogar zweistellige Ausweitungen, nämlich prozentuell zweistellige Ausweitungen.

Ich glaube daher, man kann dieses Doppelbudget 1996/1997 durchaus zu Recht als ein offensives Forschungsbudget bezeichnen. Wir werden damit die bisher gesetzten Schwerpunkte fortsetzen können, die von geisteswissenschaftlichen bis zu naturwissenschaftlichen Themen reichen. Wir werden uns allerdings – das ist ein wesentlicher Punkt – sehr zielgerichtet auf das 5. Rahmenprogramm der EU vorzubereiten haben, und – das ist in diesen Tagen auch geschehen – wir werden jene Linie weiter fortsetzen, die bedeutet, daß wir österreichische Forschungsqualitäten und Forschungspersönlichkeiten besonders finanzieren.

So haben wir in diesen Tagen mit einer internationalen Jury den Wittgenstein-Preis an zwei österreichische Wissenschafter vergeben können. Das bedeutet immerhin 30 Millionen Schilling über fünf Jahre. Das ist schon eine beträchtliche Summe, denn gemessen am Forschungsförderungsfondsbudget sind dies allein 3 Prozent dieses Budgets.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Vor dem Hintergrund, daß die Wirtschaft ihre Forschungsaktivitäten mehr und mehr zurücknimmt und vor allem auch internationale Konzerne ihre Forschungsaktivitäten aus Österreich abziehen, kommt gerade der Forschungsförderung aus Ihrem Bereich zusätzliche Bedeutung zu. Sehen Sie hier auch stärkere Kooperationsmöglichkeiten mit der Industrie?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ja unbedingt. Ich habe erst gestern ein Gespräch mit dem Vorstand der VA-Tech gehabt, um ein Beispiel zu nennen, im Rahmen dessen wir sehr konkrete Projekte vereinbart haben, die eine bessere Verbindung zwischen diesem großen österreichischen Unternehmen und den entsprechenden Forschungsinstituten und Universitätsinstituten vergleichbarer Disziplinen zum Inhalt haben.

Wir hatten, wie Sie wissen, erst vor wenigen Tagen ein Gespräch mit den Vertretern der Firma Nycomed, die eine wesentliche Forschungsqualität in Österreich garantiert, leider Gottes jedoch – wie manches andere Unternehmen auch – aufgrund internationaler Konkurrenzsituationen beabsichtigt, diese zu reduzieren. Es wird auch ein wesentliches Ziel der Bundesregierung oder von mir persönlich sein, daß wir bei internationalen Beteiligungen darauf achten, daß die entsprechenden Forschungsanteile hoch sind und die Unternehmungen auf diese Forschungsqualitäten achtgeben, weil wir sie in Österreich schlichtweg brauchen.

Insofern werden wir uns auch im Rahmen der Industriepolitik sehr darum bemühen, daß jene Unternehmungen, die einen überproportionalen Anteil an Forschungsqualität liefern, industriepolitischer Schwerpunkt sind.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Im Sinne Ihrer Antwort würde mich noch interessieren, ob Sie daran denken und vor allem ob es Möglichkeiten gibt, dieses Abwandern der Forschungsaktivitäten durch Multis zu unterbinden, sodaß stärker als bisher gewährleistet ist, daß der Erfolg dieser aufgewendeten Mittel weiterhin in Österreich zur Verfügung steht?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Frau Bundesrätin! Ich glaube, daß man da zwei Fälle unterscheiden muß. Das eine sind Unternehmungen, die aus qualitativen Gründen meinen, daß sie bestimmte Kapazitäten verschieben müssen. Davon profitiert Österreich manchmal, indem wir Dinge deshalb bekommen, weil wir für unsere Qualität bekannt sind, und manchmal sind wir benachteiligt, weil etwas woandershin verschoben wird.

In diesem Bereich können wir uns nur darum bemühen, daß wir in den zentralen Feldern über möglichst hohe innerösterreichische Forschungsqualität verfügen, was dann als Anknüpfungspunkt für entsprechende Ansiedelungen dient.

Der zweite Punkt ist – das ist zum Beispiel bei der Firma Nycomed offensichtlich der Fall –, daß internationale Unternehmungen aufgrund ihrer internen Unternehmungsstrategie aus strategischen, aus Kostengründen Produktions- und/oder Forschungskapazitäten stillegen. In diesem Zusammenhang gibt es, glaube ich, nur einen Weg, und der heißt, daß wir innerösterreichisch – und dazu haben wir doch ausreichend Möglichkeiten; das heißt, ob es ausreichend ist, werden wir sehen, aber wir haben Möglichkeiten dazu – solch einem Unternehmen, das dann selbständig und sozusagen ganz auf sich gestellt dasteht, soweit zu Hilfe kommen müssen, daß es eine autonome Lebensfähigkeit erreicht, weil nur das letztendlich die Unabhängigkeit von internationalen Konzernmüttern herstellt, die auf Dauer solche Arbeitsplätze und solche Qualitätssicherungen möglich macht.

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 5. Anfrage, 626/M. Anfragesteller ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich) . Ich bitte, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Herr Bundesminister! Der zweigleisige Ausbau der S 7 – Preßburger Bahn – beschäftigt die Ostregion seit Jahren, und es hat sich im heurigen Jahr sogar eine parteienübergreifende Interessengemeinschaft mit dem Ziel eines raschen Ausbaues der S 7 gebildet, der ich als Bewohner der Ostregion selbstverständlich angehöre.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 19

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde auch das sogenannte Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz beschlossen, welches eine jährliche Finanzierungszusage für die Eisenbahninfrastruktur in der Höhe von 12 Milliarden Schilling beinhaltet.

Ich frage Sie daher:

626/M-BR/96

Mit welchem Betrag ist der Ausbau der S 7 – Preßburger Bahn – in diesem Jahr im Investitionsprogramm für die Eisenbahninfrastruktur enthalten?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 20

Präsident Josef Pfeifer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im laufenden Jahr, also im Jahr 1996, sind im Rahmen des mittelfristigen Investitionsprogramms der ÖBB für den Ausbau der S 7 149 Millionen Schilling vorgesehen. Es läuft aber derzeit eine Ausschreibung für internationale und nationale private Beteiligungen im Zusammenhang mit dem Ausbau und dem Betrieb einer neuen Preßburger Bahn. Deren Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber das Vorliegen dieser Ausschreibungsergebnisse wird für den eigentlichen Hintergrund Ihrer Frage der entscheidende Punkt sein.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Herr Bundesminister! Trotzdem interessiert es mich: Wie hoch wird der Betrag für den Ausbau in den Folgejahren dotiert werden?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Das kann ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen, denn solange die Ausschreibung nicht abgeschlossen ist, kann ich nicht sagen, welcher Preis dabei herauskommen wird.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Wann, Herr Bundesminister, wird mit der Fertigstellung der S 7 zu rechnen sein? Ich hoffe, daß wenigstens das Teilstück bis zum Flughafen, das der Flughafen, das Tor zur Welt, ja so notwendig braucht, noch in diesem Jahrtausend zweigleisig benutzbar sein wird.

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Auf Basis vorliegender Unterlagen kann ich Ihnen auch diese Frage nicht beantworten, weil sie – genauso wie die erste Frage – von der Ausschreibung abhängt, aber ich kann Ihnen versichern – ich habe selbst bereits an einer Reihe von Gesprächen mit diesem Ziel teilgenommen –, daß insbesondere das Teilstück zum Flughafen verkehrspolitische Priorität höchster Rangordnung hat und von uns auch so gehandhabt wird.

Ich glaube, daß aus vielen Gründen – die haben mit den Beschäftigten am Flughafen zu tun, mit der nach wie vor steigenden Anzahl der Fahrgäste, mit den Engen des Straßennetzes, das zum Flughafen führt, mit Bequemlichkeitserwartungen, die internationalem Standard entsprechen, et cetera – die Strecke Wien – Flughafen – als zuständiger Minister ist man da mit der Wortwahl vorsichtig – nicht zu unseren Ruhmesblättern gehört, wodurch das eine ganz besondere Priorität darstellt.

Wenn in irgendeiner Frage die Befürchtung durchgeklungen ist, daß das nicht mit genügend Schwung verfolgt werde, kann ich Sie beruhigen. Konkrete, zitable Ergebnisse, die auf Basis von Angeboten erfolgen, kann ich allerdings erst dann liefern, wenn es die entsprechenden Angebote gibt. Aber wir sind buchstäblich hinter dem Projekt her.

Präsident Josef Pfeifer: Danke. – Wir kommen zur 6. Anfrage, 633/M. Fragestellerin ist Frau Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien). Ich bitte, die Frage zu stellen.

Bundesrätin Gertrude Perl: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

633/M-BR/96

Wie ist der Stand betreffend Realisierung eines Bundesgesetzes über den Transport von Tieren im Schienenverkehr?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Vorschriften, die den Transport von Tieren auf der Schiene regeln, die ich jetzt nicht alle im Detail vortragen möchte, deren Auflistung ich aber gerne zur Verfügung stelle.

Wir bereiten derzeit im Zuge der EU-Anpassung eine entsprechende Rahmenregelung vor, die alle derzeit bestehenden Regelungen beinhalten wird, und ich denke, daß das eine Angelegenheit der nächsten Monate sein wird.

Präsident Josef Pfeifer: Eine Zusatzfrage wird nicht gewünscht.

Wir kommen zur 7. Anfrage, 627/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten), diese zu stellen.

Bundesrat Franz Richau: Sehr verehrter Herr Bundesminister! Im Ministerialentwurf betreffend das Führerscheingesetz sind sowohl eine zentrale Führerscheinevidenz wie auch die Einführung des sogenannten Punkteführerscheins vorgesehen. Obwohl ich als Exekutivbeamter die Einführung des Punkteführerscheines absolut befürworte, befürchte ich, daß ein großer Verwaltungsaufwand und somit auch finanzieller Aufwand auf beteiligte Gebietskörperschaften zukommen wird.

Daher die Frage:

627/M-BR/96

Mit welchen Gesamtkosten für die komplette Errichtung inklusive Administration rechnen Sie bei der Einführung der zentralen Führerscheinevidenz und des Punkteführerscheins?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Herr Bundesrat! Erstens bedanke ich mich dafür, daß Sie diesem Thema positiv gegenüberstehen, was für viele, aber nicht für alle gilt.

Was die administrativen Kosten und die Einrichtungskosten betrifft, so habe ich auch in den politischen Gesprächen, die wir vor der Begutachtung geführt haben, ganz klar gesagt, daß man, würden diese Extremwerte, die mit etwa 300 Millionen Schilling beziffert werden, auch nur annähernd erreicht werden, das Projekt absagen muß. Es wäre grotesk, wenn wir für eine derartige Einrichtung 300 Millionen Schilling an öffentlichen Geldern aufwenden müßten.

Wir haben in der Zwischenzeit über das Bundesrechenamt – und das wurde auch von den entsprechenden Landesbehörden bestätigt – eine sehr genaue Untersuchung über die Mehrkosten, die durch das zentrale Führerscheinregister verursacht werden, anstellen lassen. In Klammer muß man sagen: Das zentrale Führerscheinregister müssen wir einführen, mit und ohne Punkteführerschein. Der Punkteführerschein wiederum, wenn es dieses Register einmal gibt, verursacht ja nur geringfügige Mehrkosten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 21

Die Werte, die uns jetzt zur Verfügung gestellt wurden, zeigen an, daß dieses zentrale Führerscheinregister weniger als 10 Millionen Schilling kosten wird. Das wird derzeit bei mir im Haus überprüft. Ich habe dieses Papier gelesen und kann sagen, es macht einen plausiblen, professionellen und genauen Eindruck, und ich gehe davon aus, daß eine Überprüfung keine wesentlichen Korrekturen bringen wird. Für dieses Projekt stehen also knapp unter 10 Millionen Schilling zur Verfügung. Mit dieser Summe wird das zentrale Führerscheinregister eingerichtet werden, welches auch die Basis für den Punkteführerschein darstellt. Ergo dessen sind in diesem Betrag auch die Kosten für den Punkteführerschein enthalten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 22

Präsident Josef Pfeifer:
Eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau: Können Sie vorhersagen, ist absehbar, welche Kosten für die Länder dadurch erwachsen könnten?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur sagen: auf jeder Fall keinen wesentlichen. Wir werden das mit den Ländern entsprechend verhandeln. Man darf nicht vergessen, daß es derzeit bereits einige Länder gibt, die bereits ein EDV-unterstütztes System haben. Für diese werden praktisch keine Kosten mehr erwachsen. Und bei den anderen werden sich die Kosten im wesentlichen auf die Anschaffung – verzeihen Sie jetzt die ungenaue Antwort! – von ein paar PCs beschränken. Sehr viel mehr wird nicht notwendig sein.

Ich glaube daher, daß es falsch ist, wenn die Öffentlichkeit von manchen so informiert wird, als ob da ein ungeheurer Aufwand auf uns zukäme. Abgesehen davon ist zu sagen, daß man das zentrale Führerscheinregister auf jeden Fall einrichten muß, denn wir sind das einzige Land innerhalb der EU, das ein solches Register noch nicht hat.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau: Herr Minister! In welcher Relation stehen die Kosten von 10 Millionen, die Sie annehmen, zu der im Promillebereich der insgesamt erfaßten Führerscheine liegenden Anzahl der Fälle von Führerscheinentzug?

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Mir fehlt jetzt die Vergleichsbasis. Meinen Sie jetzt: für jeden Schilling einen Führerschein? – Ich kann Ihnen nur eine mögliche Vergleichszahl nennen: Wir haben eine sehr genaue und sehr vorsichtige Berechnung, die besagt, daß, wenn uns das Einschränken der Unfallstatistik nur um ein Prozent gelingt, das insgesamt eine Kostenersparnis von etwa 350 Millionen Schilling pro Jahr bedeutet. Und gemäß den internationalen Erfahrungen mit dem Punkteführerschein ist mit Sicherheit mehr als das zu erreichen. Daher kann man in jedem Fall davon ausgehen, daß ein Vielfaches der aufgewendeten Kosten aufgrund von Einsparungen durch den Rückgang der Zahl der Unfälle sozusagen zurückfließen wird. Das führt letztendlich – aber zu einer solchen Erörterung fehlt uns jetzt die Zeit und wahrscheinlich die Geduld aller Kollegen hier – zu der Diskussion, wie sozusagen Leben und Gesundheit in Statistiken eingehen und bewertet werden. Es wurde jetzt bewertet. Man fühlt sich aber ein bißerl unwohl, wenn man eine solche Bewertung liest und sagen kann: ein Toter ist gleich 1,4 Millionen Schilling. So gesehen müßte man das abstrakter ausdrücken. Aber die ökonomische Rechnung selbst lautet: 10 gegen 350 Millionen Schilling.

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 8. Anfrage, 638/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich), diese zu stellen.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

638/M-BR/96

Wann werden Sie das bereits von Ihrem Vorgänger versprochene Nahverkehrsreform-Gesetzespaket mit den dazu notwendigen Novellen des ÖBB-Gesetzes und des Kraftfahrliniengesetzes sowie einem neuen Nahverkehrsfinanzierungsgesetz dem Nationalrat vorlegen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Derzeit haben die Nahverkehrsvereinbarungen, die wir mit den einzelnen Ländern abschließen werden, eindeutig Priorität. Wir haben, wie Sie wissen, mit dem Burgenland und Vorarlberg bereits vor längerer Zeit abgeschlossen, mit Niederösterreich wurden die Vereinbarungen vor wenigen Wochen unterschrieben, mit der Steiermark, Kärnten und Wien sind wir in den Abschlußverhandlungen. Ich rechne damit, daß wir auch mit Oberösterreich entsprechend weiterkommen werden. Das hat derzeit Priorität. Für diese Legislaturperiode ist aber dennoch eine umfassende gesetzliche Regelung des Nahverkehrs geplant.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Herr Minister! Sie haben Oberösterreich selbst zum Schluß genannt. Gibt es aus Ihrer Sicht in Oberösterreich ein spezifisches Verhandlungsproblem, das in den anderen Bundesländern nicht auftritt?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Es gibt eines, für das aber Oberösterreich nichts kann. Mit Niederösterreich haben wir schon abgeschlossen, mit den Kärntnern und Steirern wurde schon verhandelt. Landeshauptmann Pühringer wird aber erst am Montag oder Dienstag nächster Woche zu mir kommen, und daher kann ich über den Fortgang der Verhandlungen derzeit noch nicht berichten.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub: Wie schätzen Sie aus Ihrer Sicht jetzt die Chancen ein, daß es mit Oberösterreich zu einer Einigung kommt?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich halte es für unernst, vor dem ersten Wort einer Verhandlung Chancen einzuschätzen. Ich kann nur von den anderen Bundesländern berichten. Mit Niederösterreich ist, wie gesagt, bereits alles abgeschlossen. Und sowohl Wien als auch Kärnten als auch Steiermark machen den Eindruck, als ob uns von Abschlüssen nur wenig trennt, sowohl hinsichtlich inhaltlicher Differenzen als auch hinsichtlich der Zeit. Ich rechne damit, daß wir noch im Sommer die Vereinbarungen mit allen drei Bundesländern entweder abschließen oder de facto abschlußreif vorliegen haben werden. Ob das mit Oberösterreich auch so der Fall sein wird, kann ich Ihnen nächste Woche beantworten. Ich habe mit dem Landeshauptmann noch nicht einen Satz darüber gesprochen, weil er, wie gesagt, erst nächste Woche zu mir kommt.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wir kommen zur 9. Anfrage, 634/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich), diese zu stellen.

Bundesrat Ernst Winter: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

634/M-BR/96

Welche Maßnahmen hat Ihr Ressort im Zusammenhang mit der Verbesserung der Emissions- und Sicherheitsstandards osteuropäischer Fahrzeuge ergriffen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Es gibt diesbezüglich im wesentlichen zwei Möglichkeiten.


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Einerseits können multilaterale Maßnahmen ergriffen werden, und zwar in Koordination mit verschiedenen internationalen Organisationen, denen Österreich angehört. Wir sind auf der Ebene der Europäischen Union, aber auch im Rahmen des Europarates sehr aktiv. Auch im Rahmen der zentraleuropäischen Verkehrsministertagungen verhalten wir uns sehr drängend, daß die entsprechenden internationalen Standards verbessert werden, was auch laufend geschieht.

Die zweite Möglichkeit sind bilaterale Vereinbarungen: Da ist politisch klar festgelegt, daß wir an bestehenden Kontingenten nichts ändern, außer wenn es uns gelingt, für umweltfreundliche und technisch verbesserte LKW sogenannte Prämienkontingente zu vergeben. Das heißt, wir erhöhen Kontingente nur dann, wenn wir damit gleichsam einen überproportionalen Anteil an umweltfreundlichen LKW auslösen, was klar überprüfbar sein muß. – Das ist, glaube ich, in der Praxis, abgesehen von allen internationalen Erklärungen, die wirksamste Methode.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall. – Danke.

Wir kommen zur 10. Anfrage, 628/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich), diese zu stellen.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Herr Bundesminister! Sie haben in der Beantwortung der Anfrage der Kollegin Kainz bereits festgestellt, daß für Sie Forschungspolitik eine wichtige Priorität im Wissenschaftsbereich hat. Dazu meine Frage:

628/M-BR/96

Gibt es eine Gesamtkonzeption der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik für Österreich?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ja. Es gibt einen Expertenentwurf eines Technologiekonzeptes der Bundesregierung. Es hindert mich im Moment allerdings das Wirtschaftsministerium daran, diesen im Ministerrat einzubringen. Ich habe ein Gespräch dazu mit Kollegen Farnleitner vereinbart, und ich nehme an, daß dieses Problem nach diesem Gespräch gelöst sein wird, denn es wäre einigermaßen absurd, wenn wir dieses Problem jetzt nicht lösen könnten. Die Erstellung dieses Konzepts wurde nämlich schon vor drei Jahren unter meinem Vorgänger begonnen. Es konnte dann aber aus irgendwelchen Gründen, die ich jetzt gar nicht bewerten möchte, sozusagen die Öffentlichkeit, und damit auch die Fachöffentlichkeit, nicht erreichen – und im übrigen auch dieses Haus nicht –, weil ich es nicht im Ministerrat einbringen konnte. Ich nehme an, daß wir dieses Problem bald lösen werden, und dann gibt es ein technologiepolitisches Konzept. Das ist ein Expertenpapier und nicht politischer Wille der Gesamtregierung. Das ist aber auch nicht nötig. Ich würde das von meinen Kollegen auch nicht fordern. Aber es ist eine Diskussionsgrundlage, auf deren Basis wir dann wesentlich besser strukturiert weiterkommen können.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Ich entnehme Ihren Worten, daß es bereits einige Diskussionsgrundlagen gibt. Ich möchte und muß jetzt die Frage formulieren: Ist es zutreffend, daß wir Österreicher derzeit das einzige Land der Europäischen Union sind, welches über kein aktuelles Forschungs- und Technologiekonzept verfügt?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Nein, das ist mit Sicherheit nicht zutreffend. Erstens wird es vermutlich andere Länder geben, die in einer ähnlichen Situation sind, und zweitens ist unsere Situation nur in einem absolut formalistischen Punkt damit beschrieben, daß wir kein technologiepolitisches Konzept haben, weil sozusagen das Wirtschaftsministerium das Wissenschaftsministerium daran hindert, dieses im Ministerrat


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einzubringen. Das ist aber für die intellektuelle und wissenschaftliche Arbeit tatsächlich – mit allem Respekt gegenüber diesem Haus – ein sekundärer Punkt.

Für die Technologiepolitik gibt es also sehr wohl ein Konzept, dem sie folgt, und auch sehr klare Linien, nach denen sie gesetzt wird. Wir haben vorher, was Forschungsinstitutionen betrifft, über ein Teilsegment gesprochen. Deswegen, weil ein Ministerium uns an der Einbringung im Ministerrat hindert, sind wir noch lange nicht konzeptlos!

Präsident Josef Pfeifer: Eine zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Für den Technologiebereich nehme ich Ihre Antwort zur Kenntnis.

Wie sieht es aber jetzt im Forschungsbereich aus, Herr Bundesminister? Ist es richtig und entspricht es den Tatsachen, daß das letzte Forschungskonzept noch unter Ihrer Vorvorvorgängerin Dr. Firnberg erstellt wurde und von Minister Busek in einigen Dingen ergänzt wurde?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Bei all meiner Unkenntnis der Details der Geschäftsordnung: Ich glaube, daß ich zu der Arbeit meiner Vorgänger hier nicht zu befragen bin.

Meine eigene Arbeit in diesem Zusammenhang hat zum Ziel, eine sehr klare forschungspolitische Grundlinie zu haben. Das heißt, daß wir erstens die österreichische Wissenschaft so vorbereiten müssen, daß sie maximal an den EU-Programmen teilnehmen kann. Das ist für das 4. Rahmenprogramm auch sehr gut gelungen. Wir haben eine nahezu hundertprozentige Rückflußquote, was buchstäblich niemand – auch die größten Optimisten nicht – geglaubt hätte.

Der zweite Punkt ist, daß wir innerösterreichisch über die Auftragsforschungen eine ganz klare Liste an inhaltlichen Schwerpunktprogrammen haben, die speziell finanziert werden.

Der dritte Punkt besagt, daß wir vorhandene Qualitäten im individuellen Sinn, das heißt vorhandene Forschungspersönlichkeiten stärken wollen, und zwar nach sehr strengen internationalen Begutachtungen. Ich habe vorher darüber berichtet: Der Wittgensteinpreis wurde eben verliehen, und das Startprogramm ist gerade publiziert worden. – Diese Linie wird wesentlicher Träger dieser Politik sein.

Vierter Punkt: Wir sind derzeit dabei, das beschriebene Programm zu ergänzen, um einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung des Transfers des Wissens von der Wissenschaft an die Wirtschaft und des Geldes von der Wirtschaft an die Wissenschaft erstellen zu können.

Präsident Josef Pfeifer: Damit ist diese Anfrage beantwortet.

Wir kommen zur 11. Frage, 635/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Michael Ludwig (SPÖ, Wien), diese zu stellen.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

635/M-BR/96

Wie ist die österreichische Beteiligung am 5. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung der Europäischen Union?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Das 5. Rahmenprogramm ist besonders kritisch zu beurteilen. Wir haben das 4. erlebt, das 5. ist also unser zweites. Es ist, ehrlich gesagt, kritischer zu beurteilen als das 4., insofern, als die Gefahr einer


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Konzentration auf jene Bereiche droht, die nur mehr der europäischen Großindustrie zugänglich sind. Diese Gefahr ist groß. Deshalb konzentriert sich unsere Beteiligung an den Vorbereitungsarbeiten im Moment darauf, erstens einen Konsens mit anderen kleineren europäischen Ländern herzustellen und zweitens diese Programme so zu beeinflussen, daß sie für kleinere Forschungseinheiten und, aus wirtschaftlicher Sicht, für Länder mit einer dichten Struktur von kleineren und mittleren Unternehmungen interessant sind. Ich glaube, daß man ohne Übertreibung sagen kann, daß das gelingen wird. Wir werden in all den Kategorien des Rahmenprogramms über eine ausreichend qualitative Bandbreite verfügen. Ergo dessen werden diese Programme für kleinere und mittlere Unternehmungen und für entsprechende Forschungsinstitutionen diese Programme interessant sein. Es wird nicht die ursprünglich auch von mir befürchtete Konzentration auf die deutsch-französische Großindustrie geben.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Ist auch daran gedacht, verkehrsrelevante Themen anzusprechen? Ich denke zum Beispiel an Transportorganisation im 21. Jahrhundert, an Perspektiven der Verkehrsvermeidung oder – was mich als Wiener Abgeordneter natürlich besonders interessiert – an Verkehrsorganisation in Ballungszentren und Großstädten.

Präsident Josef Pfeifer: Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Die Antwort lautet: ja. Verkehrsfragen bilden sogar einen besonderen Schwerpunkt des 5. Rahmenprogramms. Das, was ich vorher allgemein beschrieben habe, heißt, konkret auf den Verkehr bezogen, daß wir uns sehr dafür eingesetzt haben, daß logistische Fragen, Verkehrsvermeidungsfragen und Fragen der Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger zentrale Anliegen des Rahmenprogramms sein müssen, und nicht nur die Autoindustrie in ihren Kernbereichen. Was die Autoindustrie betrifft, war unser Ziel, daß das Programm insbesondere auch für die kleineren und mittleren Unternehmungen im Bereich der Zulieferindustrie interessant ist und sich nicht nur auf die entsprechenden Großwerke konzentriert.

Das heißt: Das 5. Rahmenprogramm ist sogar in der großen Mehrheit seiner Programmbestandteile verkehrsbezogen. Unser Drängen geht dahin, daß nicht nur in die Technologie der Produktion von Verkehrsmitteln investiert wird, sondern ebenso genau in die Maßnahmen, die Sie beschrieben haben, etwa Verkehrsvermeidung oder Verbesserung logistischer Programme.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 12. Anfrage des Bundesrates Dr. Günther Hummer. – Er ist jedoch nicht hier.

Es wird daher jetzt die 13. Anfrage, 639/M, also die des Herrn Bundesrates Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) , aufgerufen. Ich bitte, diese zu stellen.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich richte meine Frage wie folgt an Sie:

639/M-BR/96

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Ausbildung in sozialen, medizintechnischen und medizinpflegerischen Berufen im Rahmen von Fachhochschul-Studiengängen baldigst zu ermöglichen?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich möchte jetzt nicht unhöflich wirken, wenn ich darauf nur eine sehr kurze Antwort gebe. Die Antwort lautet: Ich werde gar keine Maßnahmen setzen. Es ist nicht unsere Aufgabe, daß wir für medizinische Berufe Fachhochschulen einrichten, wenn es keine entsprechenden Träger gibt. Meiner Information, die, wie ich hoffe, nicht überholt ist, entspricht, daß die Spitalserhalter nach wie vor die Aufnahme von entsprechenden Kräften, die aus Fachhochschulen kommen, verweigern und


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daß es diesbezüglich einen Konsens zwischen den Spitalserhaltern gibt. Ich würde daher auch niemandem empfehlen, zum heutigen Stand in eine solche eventuell einzurichtende Schule zu gehen, wenn es aufgrund der Geschlossenheit aller österreichischen Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz gibt. – Das ist der eine Punkt.

Zweiter Punkt: Das Fachhochschulsystem baut darauf auf, daß private oder öffentliche Trägerorganisationen an den Fachhochschulrat Projekte herantragen, die dann vom Fachhochschulrat qualitativ bewertet werden. Nach meiner Information liegt derzeit ein derartiges Projekt nicht vor, zumindest nicht in einer solchen Entscheidungsreife, daß uns darüber berichtet worden wäre. Im übrigen ist das Angelegenheit des Unterrichtsministeriums aufgrund seiner Zuständigkeit für Sozialakademien und die entsprechenden höheren Schulen. – Aber das hätte ich dieser Antwort vielleicht voranstellen sollen!

Präsident Josef Pfeifer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Aus der kurzen Antwort ist doch eine längere geworden, Herr Bundesminister! Meine zweite Frage lautet: Ist es eine Mystifikation, daß bereits vor mehreren Jahren, exakt vor zwei Jahren, an das zuständige Ministerium, nämlich an Sie, die Anfrage erging – wie in Frage eins dargestellt –, ob Studiengänge einzurichten seien, und Sie mitgeteilt haben, daß Sie dieses Ersuchen einer Erledigung zuführen werden?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Wenn es einen Antrag gegeben hat, dann ist dieser Antrag an den Fachhochschulrat gegangen. Es gab aber mit Sicherheit kein derartiges Projekt, das vom Fachhochschulrat positiv beschieden und von uns nicht finanziert wurde. Da aber keines von uns finanziert wurde, was ich positiv weiß, kann folglich auch keines vom Fachhochschulrat positiv beurteilt worden sein.

Es würde grundsätzlich jeder, der mir einen Brief schreibt und sagt, daß er ein gutes Projekt hat, von mir die Antwort bekommen, daß er dieses Projekt dem Fachhochschulrat vorstellen und insofern auch einer entsprechenden Erledigung zuführen soll. Das heißt: Nicht ich genehmige die Fachhochschulstudiengänge. Das würde nicht nur gegen das Gesetz, sondern sozusagen auch gegen jede Sinnhaftigkeit verstoßen.

Präsident Josef Pfeifer: Eine weitere Frage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Ich bin etwas lästig: Sie haben schon gesagt, daß diese Einrichtung nicht in Ihrem Kompetenzbereich liegt. – Ist auch richtig, daß für die Entwicklungsbereiche, die eben dargestellt wurden, ebenfalls keine finanziellen Mittel in Ihrem Ministerium budgetiert sind?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Ich habe nicht gesagt, daß derartige Fachhochschulen nicht im Kompetenzbereich meines Ministeriums liegen. Die Zuständigkeit für die derzeit vorhandenen Ausbildungsstätten für die von Ihnen angesprochenen Berufe liegt im Unterrichtsministerium. Gäbe es dafür eine Fachhochschule, dann würde diese selbstverständlich zu meinem Ressort gehören, ebenso wie eine entsprechende universitäre Ausbildung, wenn es sie gäbe, zu meinem Ressort gehören würde. Es gibt bis auf ganz wenige Ausnahmen in der Landwirtschaft in Österreich kein System, bei dem die fachliche Ausrichtung der Schule für die politische Zuordnung entscheidend ist. Vielmehr ist der Organisationsgrad dafür auschlaggebend, ob eine Institution dem Unterrichtsministerium oder dem Wissenschaftsministerium zugeordnet wird.

Budgetmittel stehen für die Institution Fachhochschule zur Verfügung und nicht für bestimmte Fachrichtungen. Gäbe es daher einen Konsens mit den Arbeitgebern, einen positiven Bescheid des Fachhochschulrates und einen entsprechenden Träger, dessen Vorhandensein Voraussetzung für den Antrag an den Fachhochschulrat ist, dann würde dieses Projekt finanziell ge


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nauso behandelt werden wie jedes andere positiv beschiedene, nämlich mit unserem Bemühen, es zu finanzieren. Diese drei Vorbedingungen werden jedoch nicht erfüllt. Und ich betone noch einmal: Vor allem gibt es einen – wie ich glaube – nach wie vor geschlossenen Konsens der Arbeitgeber, daß dies für ihren Bereich nicht erwünscht ist. Und ich würde niemandem empfehlen, in eine Schule zu gehen, deren abschließende Qualifikation vom gesamten Arbeitsmarkt abgelehnt wird. Ich nehme aber an, daß, wenn sich die Situation ändert, sehr rasch eine ganze Reihe von entsprechenden Studiengängen geschaffen werden wird.

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 14. und vorletzten Anfrage, 636/M. Herr Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien), ich bitte Sie, Ihre Anfrage zu verlesen.


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Bundesrat Josef Rauchenberger:
Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

636/M-BR/96

Welche Aktionen setzen Sie, um durch die Entwicklung der Telekommunikation und der Informationsgesellschaft die Faktoren Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Standardsicherung positiv zu beeinflussen?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es gibt drei Punkte, die man hier kurz nennen muß: erstens das neue Fernmeldegesetz; zweitens die Tatsache, daß wir an der Weiterentwicklung zusätzlicher Lizenzen im Mobilfunkbereich arbeiten; drittens ist zu erwähnen, daß wir eine ganze Reihe von Pilotprojekten für weitere Anwendungsfelder im Telekommunikationsbereich haben, die auch entsprechende wirtschaftliche Folgen zeigen werden. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Politisch gesehen muß man noch dazu sagen, daß wir derzeit gemeinsam mit den drei Anbietern von Festnetzen, nämlich Post auf der einen Seite, Bahn und EVUs auf der anderen Seite, in Gesprächen darüber sind, wie sich Österreich auf dem internationalen Markt am besten positionieren soll. Dazu gibt es zwei Extremmeinungen. – Die einen sagen: Jeder von den drei Genannten sucht sich möglichst separat einen internationalen Partner. Meine Befürchtung dabei ist, daß wir dann zu einem unbedeutenden Anhängsel eines internationalen Konkurrenzkampfes werden. – Die alternative Strategie lautet: Zumindest zwei der drei Anbieter sollen zu einer Kooperation bewegt werden, um eine starke österreichische Position für eine internationale Beteiligung zu schaffen. Das läuft derzeit, ist aber noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Wie stehen die Verhandlungen für das dritte GSM-Netz?

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Wir bereiten derzeit zwei Dinge parallel vor, für die dann im Endergebnis sozusagen ein geordneter Zieleinlauf nötig sein wird. – Erstens wird eine Regulationsbehörde geschaffen, die es in Österreich nicht gibt und die wir dringend brauchen. Sie muß aufgrund der Ausgliederung der Post und des Zuständigwerdens des Finanzministeriums als Eigentümervertreter der Post im Verkehrsbereich dringend eingerichtet werden. – Zweitens geht es, wie angesprochen, um die dritte Lizenz.

Derzeit bereiten wir beides parallel vor. De facto wäre es günstig, wenn wir eine geordnete Wettbewerbsbehörde hätten, die dann auch dementsprechend Lizenzen ausstellen kann. Ich rechne damit, daß wir im Frühjahr 1997 klare Entscheidungen und auch die entsprechenden Lizenzentscheidungen präsentieren können. Es sind da allerdings einige Vorfragen offen, nämlich welche Form von Lizenzen vergeben werden, nationalweite, regional gestreute oder dergleichen. Daran wird derzeit gearbeitet.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Herr Bundesminister! Rechnen Sie nach der Vergabe dieser dritten Lizenz mit einem echten Wettbewerb, auch hinsichtlich der Kosten?

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Man kann wohl sagen – bei aller Skepsis, und ich teile diese Skepsis –, daß bereits nach der Vergabe der zweiten Lizenz deutliche Kosteneffekte erzielt werden. Im Hinblick auf die Kosten der Mobiltelefone ist dieser Effekt bereits deutlich spürbar. Ich bin froh, daß wir auch einen kundenfreundlichen Konsens im Zusammenhang mit den Mietleitungen erreichen konnten, der weit besser war, als zum Teil in der Öffentlichkeit befürchtet worden war. Aber um zu Ihrer Frage zurückzukehren: Mit Sicherheit kann man in diesem Zusammenhang sagen: Drei ist besser als zwei.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Die 15. und letzte Frage, 630/M, wird Herr Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich) stellen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Peter Rodek: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

630/M-BR/96

Wie gestalten sich die Verhandlungen mit den Personalvertretern über eine Ausgliederung beziehungsweise Zusammenlegung des Bundesforschungs- und -prüfungszentrums Arsenal mit der österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf GesmbH?

VVizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die nach den Ausgliederungsrichtlinien vorgeschriebenen Regelungen über die Personalübernahme wurden bereits im letzten Gesetzentwurf, das heißt im vergangenen Jahr, mit den entsprechenden Personalvertretungen durchbesprochen. Im vorliegenden Entwurf ist davon um kein Jota abgegangen worden. Das heißt: Wir betrachten die Aussprache, die im vergangenen Jahr stattgefunden hat, nach wie vor als gültig, weil es in den zu besprechenden Punkten keinerlei Veränderungen gegeben hat.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek: Herr Bundesminister! Hat das Wissenschaftsministerium externe Gutachten zur Beurteilung von zu erzielenden Kosteneffekten und Effizienzsteigerungen aus möglicherweise vorhandenen Synergieeffekten sowie neu zu erschließenden Marktsegmenten eingeholt?

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Es gibt mehrere Gutachten. Aber es gibt jetzt gleichsam ein Schlußgutachten, das von einem externen Büro eingeholt wurde und im Entwurf vorliegt. Wie man mir sagt, wird es bis Ende August dann gleichsam halböffentlich vorliegen, es wird also für die interessierten Stellen selbstverständlich zugänglich sein. Das heißt: die Antwort ist ja. Es gibt bereits Gutachten, und es wird Ende August ein umfassendes Gutachten geben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek: Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie den Vorschlag, die Zahl der Gesellschafter zu erhöhen – auch wenn dadurch die Bundesmehrheit am Forschungszentrum Seibersdorf verloren ginge –, um einen neuerlichen Impuls für den Technologietransfer zu erreichen?

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Die Zahl der Gesellschafter zu erhöhen ist immer eine wunderbare Sache. Ich meine das jetzt nicht ironisch. Das bedeutet einfach, daß mehr Unternehmungen sozusagen institutionell eingebunden werden. Das wäre schon gut.


Bundesrat
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615. Sitzung / Seite 29

Was ich nicht einsehe, ist, warum der Bund als Mehrheitszahler auftreten soll, um auf der anderen Seite Minderheitseigentümer zu sein. Das entspräche aber der Logik des Systems. Ich meine also, daß sich der Bund gerade in einem System, das nach wirtschaftlichen Kriterien geordnet ist, auch so verhalten soll, wie sich ein Teilnehmer an diesem wirtschaftlichen System eben verhält: Beiträge und Einflüsse sollen in einem einigermaßen einander verwandten Verhältnis belassen werden.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind zwei Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen und ein Schreiben des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung eines Mitglieds des Ausschusses der Regionen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Der Herr Bundespräsident hat am 9. Juli 1996 folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein am 11. und 12. Juli beziehungsweise innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis 20. Juli 1996 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Ministerialrat Dr. Wiesmüller"

"Der Herr Bundespräsident hat am 9. Juli 1996 folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Arbeit und Soziales Franz Hums innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis 14. Juli 1996 die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.

Ministerialrat Dr. Wiesmüller"

Ich verlese nun das Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten.

"Sehr geehrter Herr Präsident! Gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz können wir Ihnen mitteilen, daß der Ministerrat aufgrund eines Vorschlages des Landes Salzburg in seiner Sitzung vom 29. Mai 1996 beschlossen hat, für die Funktion eines Mitglieds des Ausschusses der Regionen Herrn Landeshauptmann Dr. Schausberger zu nominieren.

Mit besten Grüßen

Der Bundeskanzler und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten."

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Das dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner zwei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 30

Eingelangt sind ferner Berichte (8409 bis 9115 EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Mitgliedern des Präsidiums angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 31

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Es liegt mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Kapral, Dr. Riess-Passer, Mag. Langer und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die unendliche Geschichte des Museumsquartiers vor.

Hoher Bundesrat! Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatung darüber sowie über die bereits früher eingelangten zugewiesenen Berichte der Bundesregierung über die Regierungskonferenz 1996, österreichische Grundsatzpositionen, und des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe all diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kapral zur Geschäftsordnung. – Ich erteile es dem Herrn Bundesrat.

10.35

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich stelle im Sinne der Geschäftsordnung den Antrag, dem Rechtsausschuß für die Beratung des Antrags Nummer 92/A vom 24. Mai betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Reichspolizeikostengesetz aufgehoben wird, eine Frist bis zum 23. Juli 1996 zu setzen, und begründe diesen Antrag wie folgt:

Während aufgrund der gesetzlichen Lage – ich gehe auf die juridischen Feinheiten nicht näher ein – die Einnahmen aus der Überprüfung von Kraftfahrzeugen in allen Bundesländern mit der Ausnahme von Wien diesen Ländern zufließen, müssen die in Wien eingehobenen Gebühren an den Bund abgeführt werden und fließen dem Budget zu.

Die Folge davon ist, daß in den Bundesländern die Überprüfung von Kraftfahrzeugen forciert durchgeführt wird, was insbesondere im Hinblick auf die sich oft in einem äußerst bedenklichen Sicherheitszustand befindlichen LKW aus osteuropäischen Ländern sehr wesentlich für die Sicherheit im Straßenverkehr ist, während solche Überprüfungen in Wien nur in sehr beschränktem Ausmaß durchgeführt werden, vor allem auch deswegen, weil die Landesfahrzeugprüfstelle in Wien sich in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bei einem privaten Unternehmen eine sofortige Sperre durch das Arbeitsinspektorat erfolgen würde. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.37

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Sie haben gehört, daß Herr Bundesrat Dr. Kapral einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht hat, wonach dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung über den Antrag 92/A-BR/96 der Bundesräte Dr. Kapral und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Reichspolizeikostengesetz aufgehoben wird, eine Frist bis 23. Juli 1996 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Hoher Bundesrat! Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Wenn dies nicht der Fall ist, gehen wir jetzt in die Tagesordnung ein.

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 7 und 8 sowie 9 und 10 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird (39 und 191/NR sowie 5201/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über sichere Container (Containersicherheitsgesetz – CSG) (146 und 192/NR sowie 5202/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt (174 und 193/NR sowie 5203/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Erfüllung internationaler Seeschiffahrtsübereinkommen (Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG) (175 und 194/NR sowie 5204/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 bis 4, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird,

Bundesgesetz über sichere Container, Containersicherheitsgesetz,

Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt und ein

Bundesgesetz zur Durchführung internationaler Seeschiffahrtsübereinkommen, SeeschiffahrtsErfüllungsgesetz.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 bis 4 hat freundlicherweise Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich ersuche sie höflich um die Berichterstattung.


Bundesrat
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615. Sitzung / Seite 32

Berichterstatterin Hedda Kainz:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Berichterstattung des Wirtschaftsausschusses betreffend die vom Herrn Vorsitzenden angesprochenen Nationalratsbeschlüsse vornehmen.

Ich beginne mit der Berichterstattung über das Hochleistungsstreckengesetz.

Bei der Auslegung des Hochleistungsstreckengesetzes ergaben sich immer wieder Unklarheiten dahin gehend, ob neben den österreichischen Bundesbahnen und der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-Aktiengesellschaft auch Dritte Hochleistungsstrecken errichten können.

Da die budgetäre Situation Österreichs auch die Errichtung und somit auch die Finanzierung von Hochleistungsstrecken durch Dritte notwendig macht, sollte überhaupt kein Zweifel darüber auftauchen, ob diese Dritten aufgrund des Hochleistungsstreckengesetzes überhaupt Hochleistungsstrecken errichten dürfen. Dieses Ziel kann durch eine geringfügige Novellierung des § 7 erster Satz durch die Verankerung Dritter in dieser Bestimmung erreicht werden.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe nun die Berichterstattung über das Containersicherheitsgesetz.

Das für Österreich mit 28. August 1987 in Kraft getretene Internationale Übereinkommen über sichere Container (CSC) enthält in einzelnen Punkten, wie Zuständigkeit für die Prüfung und Zulassung, Durchführung von Kontrollen oder Folgen von Verstößen, nur allgemeine legislatorische Aufträge an die Mitgliedstaaten und ist auf Grund des vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung des CSC gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz gefaßten Beschlusses durch Erlassung eines Bundesgesetzes zu erfüllen.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht eine allgemeine Anwendung und Vollziehbarkeit der Bestimmungen des CSC in Österreich vor.

Weiters ist folgendes beinhaltet:

Anwendung des CSC für den internationalen und nationalen Verkehr (das CSC selbst gilt nur für die internationale Beförderung von Containern);

Prüfung und Begutachtung der Container(typen) durch für diesen Fachbereich akkreditierte oder gleichwertige ausländische Stellen;

Zulassung durch den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst;

Pflichten des Eigentümers und des Beförderers sowie daran anknüpfende Strafbestimmungen, um sicherzustellen, daß nur mängelfreie und, soweit es das Gesetz verlangt, zugelassene und gekennzeichnete Container befördert werden;

Kontrollen je nach Verkehrsträger durch Organe verschiedener Behörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die dabei funktionell für die Bezirksverwaltungsbehörde tätig werden und zu Maßnahmen entsprechend der Gefährlichkeit des Verstoßes ermächtigt sind.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Nun bringe ich den Bericht über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt.

Mit dem Beitritt Österreichs zur EU werden auch die in der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt und die, gestützt auf Artikel 6 und Artikel 10 dieser Verordnung, erlassenen Durchführungsverordnungen der EU über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt für Österreich wirksam (diesbezügliche EU-Rechtsvorschriften sind beigeschlossen). Zur Anwendung dieser EU-Rechtsakte sind in Österreich ergänzende Regelungen erforderlich, die insbesondere die Errichtung eines Abwrack


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fonds, die Festlegung seiner Aufgaben und das Verfahren zur Einhebung der vorgesehenen Beiträge und deren zweckgebundene Verwendung betreffen.

Abgesehen von dem mit der Einrichtung des Abwrackfonds verbundenen Verwaltungsaufwand sind mit dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates keine unmittelbaren finanziellen Mehrbelastungen des Bundes verbunden. Ob Kosten aus der Haftung des Bundes entstehen, kann derzeit nicht vorhergesehen werden; die Verpflichtung zu Leistung von Finanzbeiträgen des Bundes ergibt sich aus unmittelbar verbindlichen EU-Rechtsnormen.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich die Berichterstattung über den Beschluß des Nationalrates zur Erfüllung internationaler Seefahrtsübereinkommen.

Österreich ist in den Jahren 1972 bis 1996 folgenden internationalen Übereinkommen der International-Maritime-Organisation (IMO) beigetreten:

Internationale Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und Protokoll von 1978 zu dem Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See samt Anlage (SOLAS Übereinkommen).

Protokoll von 1978 zu dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe samt dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe mit Protokollen I und II und Anlagen zu dem Protokoll von 1978 und dem Internationalen Übereinkommen von 1973 (MARPOL-Übereinkommen).

Übereinkommen von 1972 über die Internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See samt Anlagen (COLREG-Übereinkommen).

Internationales Freibord-Übereinkommen von 1996 (LOAD LINE-Übereinkommen).

Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen; Beitritt erfolgt noch heuer).

Weiters wurden im Jahr 1994 folgende EU-Richtlinien auf dem Gebiet des Seeschiffahrtsrechtes erlassen:

Richtlinie 94/58/EG des Rates vom 22. November 1994 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten (STCW-Richtlinie) und

Richtlinie 94/57/EG des Rates vom 22. November 1994 über gemeinsame Vorschriften für Schiffahrtsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden (Klassen-Richtlinie).

Die genannten Übereinkommen enthalten zahlreiche Bestimmungen, die noch innerstaatlich zu erfüllen sind. Die Richtlinien sind als solche ebenfalls in innerstaatliches Recht umzusetzen. Größtenteils kann auf den Text des "Erfüllungsgesetzes" zurückgegriffen werden, mit dem das SOLAS 1960-, das COLREG- und das LOAD LINE-Übereinkommen erfüllt werden und in dem einige Bestimmungen der Klassen-Richtlinien vorweggenommen sind.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile es ihm.


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10.47

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es werden unter den Tagesordnungspunkten 1 bis 4 sehr unterschiedliche Rechtsmaterien diskutiert. – Lassen Sie mich vorerst jene Punkte behandeln, die wir als freiheitliche Fraktion ablehnen.

Tagesordnungspunkt 1: Gesetzesbeschluß über eine Änderung des Hochleistungsstreckengesetzes. – Es ist zwar positiv, wenn der Gesetzgeber zu der Ansicht kommt, daß er Unklarheiten, die sich in einer gesetzlichen Regelung eingeschlichen haben, beseitigt. Mir ist in diesem Zusammenhang jedoch zuviel von Unklarheiten die Rede. Es besteht der Verdacht, daß sich dahinter ein Gesinnungswandel in der Richtung verbirgt, daß man zwar ursprünglich der Meinung war, daß die Errichtung von Hochleistungsstrecken nur durch einen Betreiber erfolgen solle, aber heute erkannt hat, daß eine Vielzahl von solchen Errichtungsgesellschaften ganz andere Möglichkeiten – ich möchte jetzt keine Vermutungen äußern, aber irgendwie drängt sich diese Überlegung doch auf – auch der personellen Entwicklung bieten, und daß man nun sozusagen die Schleusen öffnet.

Das Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt stellt in erster Linie den Vollzug von EU-Bestimmungen dar, welche sicherlich aus der Sicht der Europäischen Union gut und richtig sein mögen. Sie berücksichtigen aber nicht im ausreichenden Maß die sehr unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten. Was für den Rhein gilt, muß nicht unbedingt auch für die Donau gelten.

Erst vor wenigen Tagen war zu lesen, daß sich eine Reederei sehr intensiv mit der Frage der vorhandenen Kapazität im Zusammenhang mit der Donauschiffahrt auseinandergesetzt hat und zu dem Schluß gekommen ist, daß es keineswegs einen Überschuß an Kapazitäten im angebotenen Schiffsraum gibt. Jedenfalls ist offensichtlich, daß die Kapazitäten der Donauschiffahrt nicht so dimensioniert sind, daß unbedingt Abwrackschritte vorgenommen werden müßten.

Bekanntlich hat ja die Politik dieser Bundesregierung das Ende der österreichischen Donauschiffahrt herbeigeführt, und Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, waren daran nicht ganz unbeteiligt. Nachdem es sich – aus welchen Gründen auch immer – als unmöglich herausgestellt hatte, die österreichische Personenschiffahrt auf der Donau mit ihrer mehr als hundertjährigen Tradition durch österreichische Unternehmen oder von österreichischer Seite aus weiterzuführen, wurden vor einiger Zeit auch die Totenglocken für die Frachtschiffahrt geläutet.

Anscheinend geht es jetzt bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinien um die Aufbringung der Bestattungskosten. Die verbliebenen Unternehmen, die nur mehr von rein lokaler Bedeutung sind, finanzieren mit ihren Beiträgen die Abwrackung der praktisch verschenkten DDSG und der dortigen Frachtflotte. Diese lokalen Reedereien oder, besser gesagt, diese Frachtkahneigner, müssen damit rechnen, jetzt neben der Entrichtung der vorgesehenen Jahresbeiträge auch Sonderbeiträge bezahlen zu müssen, wenn sie neue Kähne anschaffen, ohne gleichzeitig alte Kähne abzuwracken.

Interessant ist auch noch eine weitere Besonderheit dieses Gesetzesbeschlusses des Nationalrates, nämlich sein rückwirkendes Inkrafttreten. Auch wenn angeblich schon im vergangenen Jahr ohne gesetzliche Basis Beiträge seitens der Schiffeigner und auch Zuschüsse im Sinne dieser Vorschrift an Abwracker geleistet wurden, stellt sich die Frage, welche Nachforderungen noch auf die betroffenen Unternehmen zukommen werden. Darüber hinaus stellt sich natürlich auch die Frage, welche Belastungen der Steuerzahler auf sich nehmen muß. – Jedenfalls entspricht – und das war die bisher herrschende Rechtsauffassung – ein Gesetzesbeschluß, der rückwirkend finanzielle Belastungen für den Normunterworfenen bringt, nicht der österreichischen Rechtsphilosophie.

Offen ist jedenfalls für den Außenstehenden, wer wieviel in den zu bildenden Abwrackfonds beim Bundesministerium für Kunst, Verkehr und Wissenschaft wirklich einzahlen wird. Offen ist auch, ob und in welchem Ausmaß sogenannte Gemeinschaftsmittel, also EU-Mittel, zur Verfü


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gung stehen werden. In der Realität kann man wohl davon ausgehen, daß die auszuzahlenden Mittel in erster Linie der Firma Stinnes zugute kommen werden, die bekanntlich den Frachtschiffteil der DDSG endgültig übernommen hat. – Auch wenn wir aufgrund des EU-Beitrittes verpflichtet sind, die zugrunde liegenden Verordnungen umzusetzen, so stellt sich dennoch die Frage, ob es tatsächlich einer Umsetzung in der Form bedurft hat, wie sie uns heute vorliegt: Diese scheint nämlich geeignet zu sein, österreichischen Interessen zu schaden.

Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich anhand des Beispieles des Containersicherheitsgesetzes einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Es wurde und wird vor allem von seiten der Wirtschaft immer wieder – und zwar meiner Meinung nach zu Recht – die Gesetzesflut in Österreich kritisiert. Dazu ist aber zu bemerken, daß diese Gesetzesflut derzeit eine Folge des EU-Beitritts ist, nämlich der Notwendigkeit, neben der Übernahme des Acquis Communautaire im Beitrittsvertrag eine Vielzahl von EU-Vorschriften in die österreichische Rechtsordnung überzuführen. Dies sollte von den Vertretern der österreichischen Wirtschaft, die meiner Meinung nach zu Recht den EU-Beitritt mit Nachdruck verlangt haben, bei ihrer Kritik berücksichtigt werden.

Ein weiterer Grund für die – unter Anführungszeichen – "Gesetzesflut" ist die zunehmende Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft. Auch der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates über das Containersicherheitsgesetz ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn Vertreter der Wirtschaft bei ihrer Kritik an der Gesetzesflut immer wieder auf den Umfang des Bundesgesetzblattes und dessen hohe Seitenzahl zu sprechen kommen, dann muß auch darauf verwiesen werden, daß im Jahr 1995 der Beitritt Österreichs zum WTO-Abkommen erfolgt ist, der wohl einen erheblichen Beitrag hinsichtlich der Publizierung der einschlägigen Rechtsvorschriften zum Umfang dieses Bundesgesetzblattes geleistet hat. Das sollte bei aller Würdigung der Kritik an sich von den Kritikern berücksichtigt werden.

Die Materie, die sicherlich für die Wirtschaft bedeutend ist, bedarf einer etwas diffizileren Handhabung, als dies manchmal der Fall ist. Man soll sich sehr ernst damit auseinandersetzen und neue Wege einschlagen, wobei ich glaube, daß gerade dieses Containersicherheitsgesetz ein gutes Beispiel ist, anhand dessen man darüber nachdenken sollte, wie man es anders machen kann und machen muß, auch wenn im konkreten Fall durch eine Entschließung des Nationalrates anläßlich der Beschlußfassung über das diesbezügliche internationale Übereinkommen kein anderer Weg mehr einzuschlagen war, als eben einen Gesetzesbeschluß zu fassen.

Was nunmehr unsere Verhaltensweise zu diesen vier Tagesordnungspunkten anbelangt, so darf ich abschließend darauf hinweisen, daß sich meine Fraktion nicht in der Lage sieht, dem Antrag, keinen Einspruch zu den Tagesordnungspunkten 1: Hochleistungsstreckengesetz, und 2: Binnenschiffahrtsstrukturbereinigungsgesetz, zu erheben, beizutreten. Wir werden aber sehr wohl dem Antrag beitreten, keinen Einspruch zu erheben, was die Tagesordnungspunkte 3 und 4, Containersicherheitsgesetz und Seeschiffahrtserfüllungsgesetz, anbelangt. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.00

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort ist weiters Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger gemeldet. Ich erteile es ihm.

11.00

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die zur Beschlußfassung vorliegenden Nationalratsbeschlüsse sind inhaltlich im großen und ganzen Adaptierungen von bisher geltenden Gesetzen. Das Hochleistungsstreckengesetz beispielsweise wird lediglich so abgeändert, daß neben den Österreichischen Bundesbahnen und der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG auch Dritte Bauaufträge bekommen können.

In diesem Zusammenhang ist mir das Statement, das zuvor Herr Dr. Kapral für die FPÖ abgegeben hat, nicht ganz verständlich, da die FPÖ doch immer wieder in der Form agiert, daß sie


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versucht – meiner Meinung nach zumindest öffentlich versucht –, daß mehr Bewerber an Aufträge herankommen können und nicht weniger. Und in diesem Fall wäre es plötzlich anders.

Das Containersicherheitsgesetz birgt eine geringfügige Problematik insofern in sich, als Teile von Kompetenzen von Bezirksverwaltungsbehörden an andere Behörden abgegeben werden sollen.

Ein weiteres Gesetz, das wir heute hier zur Beratung vorliegen haben, sieht die Einrichtung von Abwrackfonds in der Binnenschiffahrt durch ein Bundesgesetz vor.

Das sind meines Erachtens alles Gesetzesänderungen, die inhaltlich nicht wirklich größere Auswirkungen auf die Länder haben werden, soweit wir das zum gegenwärtigen Zeitpunkt abschätzen können.

Die zur Beratung vorliegende Materie gibt mir aber Anlaß, mich als ein regelmäßiger Bahnbenützer mit der aktuellen Situation der Verwendung dieses öffentlichen Verkehrsmittels auseinanderzusetzen.

Positiv – das wurde heute auch schon in der Fragestunde erwähnt – sind, sehr geehrter Herr Bundesminister, insbesondere die Verkehrsgipfel, die in der Vergangenheit mit den Landeshauptleuten – in unserem Fall, als Niederösterreicher gesagt, mit unserem Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll – stattgefunden haben in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesbahnen. Das war besonders wichtig nach den uns allen bekannten Wirren des Sommerfahrplanes, der mit 2. Juni in Kraft getreten ist.

Ein ganz wertvolles Ergebnis dieses Verkehrsgipfels ist der Nahverkehrsvertrag, auch darüber wurde heute schon einige Male bundesländerspezifisch gesprochen. Für Niederösterreich war ganz entscheidend, daß die 26 Nebenbahnen aufgrund dieses Gesprächsergebnisses erhalten bleiben werden. Ich glaube, daß das nach jahre-, ja beinahe jahrzehntelangen Debatten wirklich ein Ergebnis ist, das sich sehen lassen kann. Das Schienennetz in Niederösterreich ist – das wissen vielleicht viele nicht, zumindest hört man es so, wenn man draußen darüber spricht – das dichteste aller Bundesländer. Daher hat das für unser Bundesland eine ganz wesentliche Bedeutung.

Ein weiteres, nicht minder wertvolles Ergebnis ist die geplante Anschaffung von 240 klimatisierten Doppelstockwaggons. Diese sollen in den nächsten vier Jahren die Pendler vor allem bequem und sicher zu den Arbeitsstätten und Arbeitsplätzen – und auch zurück – bringen. Das wird besonders wichtig für entlegene Gebiete, für dünn besiedelte Regionen, wo die Arbeitsmarktsituation bekanntlich meistens rascher negativ durchschlägt als in den Ballungsräumen. Ich erwarte mir, daß mit zunehmender Flexibilisierung, mit einem besseren Ausbau des Schienennetzes auch diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schneller und sicherer ans Ziel kommen können. (Bundesrätin Schicker: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Steiermark!) Ich gehe in der Folge darauf ein und nicht auf die Situation der Steiermark. Sie werden aber dann zum Schluß noch aus einem kurzen Schriftstück in Form eines Leserbriefes einer steirischen Familie, wenn Sie die Geduld haben, die Erkenntnis gewinnen, wie es Steirern geht, die nach Niederösterreich pendeln. Insbesondere beim Schulbesuch kann ich das anschneiden.

Das Land Niederösterreich wird 66 Millionen Schilling an Investitionsbeteiligungen für diese Anschaffungen zur Verfügung stellen und weitere 120 Millionen Schilling zur Sicherung der Verkehrsleistungen der Österreichischen Bundesbahnen beisteuern.

Letztlich wird mit dem Infrastrukturvertrag das Schnellbahnliniennetz erweitert werden. Das ist auch ein besonderes Herzensanliegen, weil beispielsweise die Bevölkerung des Raumes Lilienfeld – St. Pölten – Krems, des sogenannte niederösterreichischen Zentralraumes, mit der Schnellbahn viel flexibler bedient werden kann.

Bei einer kürzlich stattgefundenen Präsentation in St. Pölten, wo das niederösterreichische Landesverkehrskonzept diskutiert wurde, war es für mich sehr positiv, zu erfahren, daß in den letzten fünf Jahren das Mehraufkommen beim Personenverkehrs praktisch fast zur Gänze von


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öffentlichen Verkehrsmitteln übernommen werden konnte. Das ist sicher positiv herauszustreichen, und das muß auch weiterhin das Ziel bleiben, zumindest hinsichtlich der zusätzlichen Quoten im Personenverkehr. Im Frachtverkehr gelingt es nicht, hier hat ja der Herr Bundesminister heute auch schon selbst gesagt, daß es im Frachtenbereich zusätzlicher Anstrengungen bedarf, damit man auch dieses Ziel erreichen kann.

Also summa summarum sind mit diesen Verträgen zwischen Land Niederösterreich, Bund und ÖBB Dinge geschehen, die in Hinkunft sehr positive Auswirkungen haben werden.

Diese Bemühungen mit diesen Investitionsschüben auch aus Ländermitteln nützen aber nichts, wenn die Fahrpläne unzumutbar sind. Und der Sommerfahrplan, der am 2. Juni 1996 in Kraft getreten ist, ist für Pendler und Schüler wirklich unzumutbar. Der Protest war eigentlich erwartbar, und er ist auch gekommen. Im Bezirk Lilienfeld, wo wir eine exorbitant hohe Pendlerquote haben, sind die regionalen Medien voll von Protestnoten, von Protestschreiben hinsichtlich dieses Sommerfahrplanes.

Ich möchte Ihnen jetzt einzelne dieser Auszüge – ich kürze sie –, die Bahnbenützerinnen und Bahnbenützer über die "Niederösterreichischen Nachrichten" erfahren – ich habe hier das Originalexemplar –, zur Kenntnis bringen. In einer Zeitung sind gleich mehrere derartige Statements gegeben. Zum Beispiel:

Überschrift: "Problematische Zugsverbindung." "Ich wohne in Kaumberg und arbeite in Wilhelmsburg. Ich fahre seit vier Jahren mit dem Zug. Ein Problem ist dabei die Verbindung Kaumberg – Hainfeld. Bei einer Fahrzeit von einer Dreiviertelstunde ist eine zusätzliche Verzögerung um eine Stunde" – das muß man sich vorstellen: eine zusätzliche Verzögerung um eine Stunde – "nicht mehr akzeptabel. Somit ist die Bahn gegenüber dem Auto – Fahrzeit 25 Minuten – keine Alternative mehr. Ich würde auch noch gerne weiter mit der Bahn fahren, wenn mir die Möglichkeit geboten würde. Daher mein Appell an die Verantwortlichen, doch Leobersdorf – St. Pölten wieder durchgehend zu fahren", schreibt ein Herr Robert Pflügler aus Kaumberg.

Einige Seiten weiter sind fast zwei volle Seiten mit Leserbriefen, in denen der neue Sommerfahrplan behandelt wird. Wieder einige Auszüge: "Mariazell – Krems in vier Stunden." Damit bin ich bei dem Leserbrief angelangt, den ich vorher angekündigt habe, in dem Eltern von Schülern deutlich machen, daß mit dem neuen Sommerfahrplan die Kinder, die das BORG in Krems besuchen, für 100 Kilometer insgesamt vier Stunden brauchen werden. Ihre Sorge ist – sie bezeichnen das hier auch mit einem sehr harten Wort –, ob nicht die Mariazeller Bahn schon auf der Abschußliste steht, schreiben Christina und Kurt Lasinger aus St. Sebastian bei Mariazell.

Den Schluß – und dann bin ich schon fertig – macht der Titel: "Wegen Fahrplan Umstieg aufs Auto." Das ist natürlich genau das, was wir nicht wollen. Ich hoffe, daß wir da einhelliger Meinung sind. Dieser Leserbrief von Frau Anita Winkler beginnt folgendermaßen:

"Beim neuen Fahrplan wurde nicht viel nachgedacht. Ich bin eine Pendlerin aus Kaumberg, und anstatt den Zug in Hainfeld um ein paar Minuten früher abfahren zu lassen, ist es später geworden. Dadurch kann ich meinen Arbeitsplatz in Hirtenberg nicht mehr rechtzeitig erreichen. Ich bin nun wieder gezwungen, mit dem Auto zu fahren. Wie mir geht es auch zahlreichen anderen Pendlern, denn gerade in der Früh, da im Triestingtal die meisten Fabriken um 6 Uhr Arbeitsbeginn haben, aber mit dem Zug dies nicht zu schaffen ist, fahren viele mit dem Auto. Wenn der Zug, der in Weißenbach um 5.08 Uhr wegfährt, etwas früher in Hainfeld abfahren würde, dann würden die Österreichischen Bundesbahnen sicher mehr Fahrgäste haben. Ich bitte die ÖBB, einmal darüber nachzudenken. – Anita Winkler aus Kaumberg."

Schlußendlich liegt mir hier eine Kopie von zahlreichen Unterschriften aus dem Raum Kaumberg – Hainfeld vor. Wenn Sie gestatten, Herr Bundesminister, möchte ich Ihnen dieses Konvolut zur Verfügung stellen, mit der Bitte, diesen Sommerfahrplan – nachdem Sie ja über die Medien kundgetan haben, daß Sie sich darum bemühen werden – möglichst rasch ändern zu lassen. Ich überreiche Ihnen diese Bürgerinitiative betreffend den neuen ÖBB-Fahrplan für die Strecke Leobersdorf – St. Pölten, damit Sie das, was ich jetzt anhand von Leserbriefen zur Kenntnis gebracht habe, auch in Form einer Unterschriftensammlung zur Verfügung haben. Ich


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möchte Sie bitten, das umzusetzen, was Sie angeschnitten haben. (Der Redner übergibt Bundesminister Dr. Scholten die Listen.)

Zum Schluß noch: Ich glaube nicht, daß ich noch einmal erwähnen muß, daß hier jeder Tag zählt, bis wir einen neuen Fahrplan bekommen. Ich habe erst vorgestern mit einem Lokführer gesprochen und ihn gefragt: Wann wird der abgeänderte neue Sommerfahrplan kommen? Er hat zu mir sehr trocken gesagt: Im Sommer, aber fragen Sie mich bitte nicht, in welchem! – Ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird und bringe die Zustimmung der ÖVP-Fraktion zu den Gesetzesmaterien 1 bis 4 zur Kenntnis. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.14

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile es ihr.

11.14

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht auf die Ausführungen meines Vorredners Kollegen Grasberger eingehen, aber diese Unzukömmlichkeiten bezüglich der Fahrplanumgestaltung haben wir auch in anderen Bundesländern. Die Bundesbahn wird sich jedoch bemühen, einiges wieder ins Lot zu bringen, und ich bin sicher, das wird auch geschehen, vor allem was die Pendler betrifft. Aber mein Zwischenruf hat sich auf etwas anderes bezogen, was ich in meinen Ausführungen noch erwähnen werde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits meine Vorredner, Herr Dr. Kapral und auch Kollege Ing. Grasberger, zum Teil ausgeführt haben, ist diese Änderung des Hochleistungsstreckengesetzes deshalb notwendig geworden, da aus dem bisherigen Gesetzestext nicht klar ersichtlich war, daß Hochleistungsstrecken neben den Österreichischen Bundesbahnen und der HL-AG auch Dritte errichten können. Und es besteht wohl, so glaube ich, kein Zweifel darüber, daß es aufgrund der derzeitigen budgetären Situation außer diesen zwei Gesellschaften auch Dritten ermöglicht werden sollte, Hochleistungsstrecken zu errichten beziehungsweise zu finanzieren. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer .) Herr Kollege Königshofer! Sie waren als erster auf der Rednerliste angeführt, Sie hätten all das ausführen können, wenn Sie das gewollt hätten. Aber Sie werden danach ja noch Gelegenheit haben. – Anlaßfall war aber auch die Gründung der Brenner-Eisenbahngesellschaft.

Vor allem im Hinblick auf den Bau des Semmering-Basistunnels bin ich optimistisch, daß durch diese vorliegende Gesetzesänderung die Realisierung dieses Projektes rascher ermöglicht werden kann. Zurzeit ist man ja bereits dabei, den Sondierstollen zu errichten, und mit der Fertigstellung ist Anfang 1999 zu rechnen. 500 Millionen Schilling werden aus ASFINAG-Mitteln für Planung und Baumaßnahmen aufzuwenden sein: Ich glaube, ein Drittel wurde bis jetzt verbaut. Würde eine Beschlußfassung über den Semmering-Basistunnel bald erfolgen beziehungsweise würden die eingereichten eisenbahnrechtlichen Bewilligungsverfahren ehestmöglich abgeschlossen werden, so könnten in gut sieben Jahren Züge mit über 200 Stundenkilometer zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag verkehren und diese Südbahnstrecke von einer Langsamfahrstrecke zu einer wirklichen Hochgeschwindigkeitsstrecke werden lassen – zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke, die wir auf der Südbahnstrecke, also in der Steiermark und in Kärnten, genauso brauchen wie auf der Westbahnstrecke.

Es ist daher unverantwortlich, unverständlich und auch uneinsehbar, daß sich der Landeshauptmann von Niederösterreich so vehement gegen das Semmering-Projekt ausspricht (Beifall der Bundesrätin Rösler ) beziehungsweise den Bau mit allen Mitteln zu verhindern versucht.

Ich frage mich, und ich frage auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren, ob diese Politik, ob diese Kirchturmpolitik, so meine ich, im Hinblick auf unsere föderalistische Bundesstaatlichkeit, aber auch unter dem Aspekt eines gemeinsamen und offenen Europas noch verantwortbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir Steirer und auch wir Kärntner brauchen diesen Semmering-Basistunnel notwendigst zur Absicherung der Wirtschaftsstandorte im Süden Österreichs.

Aber ich glaube, auch auf Gesamtösterreich bezogen würde ein Nichtausbau des Semmerings zu einer Hochleistungsstrecke bewirken, daß Österreich in Zukunft umfahren werden würde. Wir alle wissen – und auch Sie wissen –, daß eine Nord-Süd-Achse Prag–Wien–Triest und weiter nach Rom geplant ist. Wir wissen aber auch von einer Planung Prag–Bratislava–Budapest und Triest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird aus den von mir genannten Gründen der Änderung des Hochleistungsstreckengesetzes gerne ihre Zustimmung erteilen, ebenso dem Containersicherheitsgesetz, dem Gesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt sowie dem Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.18

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

11.18

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vor über zehn Jahren hatte ich zum ersten Mal eine Bilanz der ASFINAG, der Straßenfinanzierungs-Aktiengesellschaft, in der Hand, und damals konnte man auf der Passivseite der Bilanz Verbindlichkeiten in Höhe von rund 13 Milliarden Schilling feststellen.

Schaut man sich zehn Jahre später die Bilanz derselben Aktiengesellschaft, der ASFINAG, an, so kann man bereits auf der Passivseite Verbindlichkeiten von weit über 90 Milliarden Schilling feststellen. In nur zehn Jahren hat sich die Schuld ... (Bundesrätin Schicker: Es ist aber auch etwas gemacht worden!) Ja, es ist etwas gemacht worden, und es ist gebaut worden. Ich komme schon noch darauf. Das ist der Kern der Sache, Frau Kollegin! Innerhalb weniger Jahre haben sich die Schulden dieser ASFINAG vervielfacht. Der Gesellschafter dieser ASFINAG ist aber die Republik Österreich, und die hat damit auch die Haftung dafür. Und das ist ein klassischer und klarer Fall einer außerbudgetären Finanzierung, die immer wieder und schon sehr oft vom Rechnungshof kritisiert wurde.

Diesen Fehler, möchte ich sagen, oder diese Vorgangsweise hat man nun auch auf die Bahn übertragen mit der Gründung von Sondergesellschaften im Bahnbereich, mit der Hochleistungsstrecken-Aktiengesellschaft, und auch mit der Möglichkeit für andere Gesellschaften, solche Hochleistungsstrecken zu bauen. Konkret geht es einmal um die Brennerbahn GesmbH, denn hier war man sich nicht ganz im klaren darüber, ob diese Gesellschaft überhaupt im Inntal und im Wipptal Planungsarbeiten im Sinne einer Hochleistungsstrecke durchführen dürfte.

Daß es hier zu einer Auslagerung der Budgetschulden kommt, wird ja auch im Ausschußbericht ganz klar ausgesprochen. Da heißt es – ich zitiere –: ... da die budgetäre Situation Österreichs auch die Errichtung und somit auch die Finanzierung von Hochleistungsstrecken durch Dritte notwendig macht. – Ende des Zitates.

Das, meine Damen und Herren, halte ich und das halten wir Freiheitlichen grundsätzlich nicht für eine glückliche Lösung, sondern das halten wir für die Misere an der ganzen Budgetsache überhaupt. Gestern wurde der Staatsschuldenbericht veröffentlicht, und Sie können das in den heutigen Zeitungen verfolgen. Die "Kronen-Zeitung" schreibt: "Staatsschuld seit 1987 verdoppelt. Jeder Österreicher mit 204 000 S belastet." Die "Presse" schreibt: "Die Zinsenlawine überrollt das Budget. Rund 100 Milliarden Schilling sind an Zinsen zu zahlen." Und jetzt macht man noch den Trick und verlagert Schulden außerbudgetär auf solche Gesellschaften, für die aber sehr wohl der Staat, die Republik Österreich, die Haftung trägt.

Damit sind natürlich auch diese Schulden Staatsschulden und den Budgetschulden hinzuzurechnen. So erleichtert man die weitere Schuldenentwicklung, die – wie eben die "Presse"


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schreibt – auf der Zinsenseite die Republik schön langsam überrollt. – Und diese Entwicklung halten wir nicht für gut und günstig.

Neben dieser Hochleistungsstrecken-AG, die ich schon angesprochen habe, ist nun die Brennerbahn der Anlaßfall für diese Gesetzesänderung. Und auch hier ist der 100prozentige Eigentümer die Republik Österreich, obwohl man früher davon gesprochen hat, auch das Land Tirol zu beteiligen, aber leider war das nicht der Fall. Die Gesellschaft wurde von einem Herrn Dipl.-Ing. Brenner gegründet, der 1 Prozent hielt und die Republik Österreich 99 Prozent, und nun hat die Republik Österreich auch das eine Prozent des Herrn Ing. Brenner übernommen.

Das gibt wieder weitere Möglichkeiten für die Ausweitung der außerbudgetären Verschuldungen. Ganz konkret sieht man das jetzt auch bei der Brennerbahn. Der Brennerbahn wurde zugestanden, innerhalb von zwei Jahren einen Rahmen von rund 800 Millionen Schilling für Planungs- und Projektierungsarbeiten zu verbrauchen, obwohl gar keine Gesamtfinanzierung für das Bahnprojekt Unterinntal und Brennerbahn vorliegt. Es geht dabei um die Transversale München – Verona, um diese Bahn-Alpentransversale, und es gibt kein Finanzierungskonzept, meine Damen und Herren! Das ist mit einem Häuslbauer zu vergleichen, der einen sündteuren Architektenplan bestellt, aber gar nicht weiß, ob er in der Lage ist, dieses Haus überhaupt auszufinanzieren und damit zu verwirklichen.

Rund 280 Milliarden Schilling sollen die Kosten für diese Brennerbahn betragen, für diese Transversale München – Verona, und da stellt sich halt einmal die Frage: Wer zahlt denn das letztendlich, damit sich auch die Planungskosten irgendwann einmal amortisieren können? Wer soll diese 280 Milliarden Schilling aufbringen? Sollen das die öffentlichen Haushalte machen? Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht groß daran interessiert, einen weiteren Transitkorridor zu finanzieren. Sie haben ihre verkehrspolitischen Interessen im früheren Osten, in der früheren DDR. Italien wird sicher nicht in der Lage sein, aus dem Budget Finanzmittel aufzubringen, und so wie es in Österreich aussieht, werden wir das auch kaum können. Und Sie werden auch nicht eine Einzelgesellschaft mit derartigen Milliardenschulden belasten können. Wenn Sie es tun, dann halte ich das für ein unvertretbares Wagnis.

Bei der Finanzierung solcher Gesellschaften wird auch von "Public-private partner-ship" gesprochen. Das haben wir auch in diesem Hause schon oft gehört. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei nur um die Verstaatlichung privaten Kapitals.

Das beste Beispiel dieser Privatfinanzierung ist der Ärmelkanaltunnel. Ich habe das hier in dem Haus schon ein paarmal zitiert. Die präliminierten Kosten des Ärmelkanaltunnels waren 4,9 Milliarden Pfund Sterling. Letztendlich hat der gesamte Tunnel über 10 Milliarden Pfund Sterling gekostet. Und die Betriebsgesellschaft ist heute nicht einmal mehr in der Lage, mit den laufenden Einnahmen die Zinsen zu bezahlen, geschweige denn den laufenden Betrieb, die Personalkosten, die Sachkosten und so weiter, von einer Kredittilgung ist überhaupt nicht zu sprechen. Deshalb wurde nun von einem Bankenkonsortium ein Moratorium ausgerufen, um einen Stillstand bei den Zinsenzahlungen zu ermöglichen, damit diese Gesellschaft überhaupt einmal den laufenden Betrieb bezahlen kann. Und die privaten Anteile – denn hier hat man private Kapitalgeber gefunden –, die Anteile dieser privaten Kapitalgeber sind im Wert um über 80 Prozent gefallen.

Und da möchte ich Sie schon fragen, wie Sie jetzt angesichts dieser Situation beim Ärmelkanal für einen Brenner-, für einen Semmeringtunnel private Kapitalgeber finden wollen. Das ist doch die größte Negativpropaganda am europäischen Kapitalmarkt überhaupt, wenn eine Gesellschaft einen derartigen Flop baut, daß der Wert des privaten Kapitals um 80 Prozent verringert wird.

Deshalb, meine Damen und Herren, lehnen wir derartige Finanzierungsauslagerungen, wie sie auch hier wieder geschehen sollen, ab, wie ASFINAG, HL-AG, Brennerbahn und andere – im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit über die Staatsschulden, im Sinne einer Budgetwahrheit und -klarheit.


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Meine Damen und Herren! Wir hielten es für wesentlich vernünftiger, vorhandene beziehungsweise aufzunehmende Mittel konzentriert und damit sparsamer als bisher einzusetzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.26

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Scholten. Ich erteile es ihm.

11.26

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz zu der letzten Wortmeldung Stellung beziehen.

Einerseits jegliche Verschuldung abzulehnen und andererseits mit dem Satz – ich zitiere wörtlich – sie sind dafür, daß man vorhandene Mittel besser einsetzt, zu enden – dazu muß ich sagen, es verbietet mir jegliches Gebot der Höflichkeit, das zu qualifizieren. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Öffentliche Mittel darf man also nicht einsetzen, die Privaten scheitern daran so und so, und dann endet man damit, daß man die vorhandenen Mittel besser einsetzt. Jetzt verraten Sie mir noch, wo die sind. Öffentlich dürfen sie nicht sein, privat dürfen sie nicht sein. Das ist ein Kreislauf, der an einem einzigen Punkt endet, und zwar an der politischen Bewertung, nämlich grundsätzlich jedes offensive Projekt prophylaktisch in einer Art und Weise schlecht zu machen, so, daß es einer sich am Ausmaß der Polarisierung orientierenden Politik dient, der Sache aber überhaupt nicht.

Ich möchte wissen, wo heute am Brenner, bei dem wir mit nahezu 100 Prozent EU-Finanzierung planen (Bundesrat DDr. Königshofer: Ja!) – was heißt "ja", gerade vorher war "nein" –, Planungsgelder vergeudet werden aufgrund von Projekten, die man nicht kalkulieren könnte. Das ist derart abstrus, daß es mir ausschließlich wichtig ist, hier auch zu Protokoll zu geben, daß diese Projekte sehr gut finanziert sind, beim Brenner mit nahezu 100 Prozent aus Mitteln der Europäischen Union. (Bundesrat DDr. Königshofer: Die Planung!) Vielleicht gibt es ein freiheitliches deutsches Haus, das man zuerst baut und dann plant. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wir haben die Ernsthaftigkeit der Debatte längst verlassen, denn sonst hätte man das hier nicht hören müssen, oder? Das ist ja so absurd! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte hier lediglich die Auskunft geben, daß dieses Projekt über die Brenner-AG geplant wird, daß die europäische Beteiligung an diesen Planungskosten nahezu 100 Prozent ist, was sehr erfreulich ist. Das ist weit mehr, als sich die größten Optimisten für dieses Projekt seinerzeit erwartet haben. Nach Abschluß dieser Planung und der entsprechenden Probebohrungen muß man in eine Phase der konkreten Projektgestaltung eintreten, die natürlich bedeutet, daß ein Finanzierungsplan für die Baukosten zu entwickeln ist, der – notwendigerweise – mit den Italienern und den Deutschen zu akkordieren ist, weil das Gesamtprojekt nun einmal diese drei Länder betrifft und daher auch mit den beiden gemeinsam gemacht werden muß.

Es gibt schon eine Alternative dazu, die muß man auch aussprechen, nämlich überhaupt nichts zu tun, und das scheint offensichtlich der Maßstab zu sein, der da vorgeschlagen wird. Den lehne ich ab. Ich denke, daß es wichtig ist, daß wir mit diesem Projekt zügig vorankommen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.30

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Anton Hüttmayr. Ich erteile es ihm.

11.30

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Herr DDr. Königshofer! Ich werde mich bei Ihnen für ein Privatissima für Spinnen von Spagat anmelden. (Bundesrat Dr. Kapral: Privatissimum, wenn schon!)


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Sie haben auf der einen Seite die Staatsverschuldung aufgezeigt und haben zum Staatsschuldendienst Artikel aus der heutigen Presse zitiert, und auf der anderen Seite haben Sie von vorhandenen Mitteln gesprochen. Das ist eine lehrreiche Sache, noch dazu, wenn sie von einem Bankfachmann kommt. Darüber würde ich mich gerne nachher mit Ihnen unterhalten, damit Sie mir das erklären. – Das dazu einleitend.

Es ist zuwenig, wenn die Freiheitlichen hier ans Rednerpult kommen und von vorne bis hinten nur Kritik üben, wenn ihnen aus dem Blickwinkel der Betrachtung nur Kritik einfällt. Sie sagen zwar manches, was aufzuzeigen ist, aber Sie bieten in keiner Weise Lösungsvorschläge an. (Bundesrat Dr. Kapral: Das ist ja lieb, daß Sie das anerkennen, Herr Bundesrat!) Natürlich, die Toleranz ist sehr groß (Bundesrat Dr. Kapral: Die Toleranz ist bei Ihnen überhaupt sehr ausgeprägt!), und wir haben auch in diesem Haus politische Kultur zu üben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Darf ich jetzt fortsetzen? – Danke schön.

Das Hochleistungsstreckengesetz, die Hochleistungsstrecken-AG – und wir wissen es –, dient zur Finanzierung der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen, und es wurde ja von meinen Vorrednern schon gesagt, daß es notwendig ist, hier eine dritte Schiene, eine private Schiene zuzulassen.

Worum es geht, ist letztendlich, daß wir europäische Netze schaffen, daß wir diese Verbindungen schaffen, die notwendig sind, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Und dazu ist es unbedingt notwendig, daß auf der einen Seite, wie gesagt, die großen Linien gefahren werden und auf der anderen Seite die Grundversorgung in den Regionen vorhanden ist, und daß wir mit einem entsprechenden Weitblick, bei dem auch die Ökologie ihren Niederschlag findet, den öffentlichen Verkehr forcieren.

Auf der einen Seite kann das natürlich nur dann gelingen, wenn wir die Bundesbahn in die Situation bringen, daß sie wirtschaftlich arbeiten kann, wie immer das auch funktioniert. Wir reden bei unseren Ansprachen immer vom öffentlichen Verkehr und bekennen uns dazu. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß dieser öffentliche Verkehr etwas kostet. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch die Kombinationen erkennen, die vorhanden sind, die die Zeit mit sich bringt, die vorhanden sind aufgrund der privaten Wirtschaft, der Güterbeförderung, aber auch aufgrund des Personentransportes. Dazu sind Infrastrukturen notwendig, und diese Infrastrukturen sind nicht irgendwann notwendig, sondern sie sind jetzt und heute notwendig. Wir müssen Umschlagplätze schaffen, auf denen die Umladung auf das Containersystem, auf LKW und und und passieren kann, und die Fahrgäste, die Pendler Park-and-ride-Plätze vorfinden können. Und das Wichtige daran ist, daß wir über diese Sache nicht nur reden sollten, sondern daß wir das auch tun sollten.

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel aus meiner Region, aus meinem Bezirk Vöcklabruck bringen. Wir weisen schon seit vielen Jahren immer wieder – ich werde es wahrscheinlich leider noch eine geraume Zeit machen müssen – auf die Notwendigkeit von Park-and-ride-Parkplätzen in Attnang-Puchheim hin. Dort sind sogar die Plätze vorhanden, und die Aufschließung würde sich in einem verträglichen Rahmen, so höre ich aus der ÖBB-internen Rechenabteilung, halten. Wir kommen aber von der Diskussion nicht weg, wir sollten endlich zum Handeln kommen. Dasselbe gilt für den Bahnhof Schörfling, dort sind Maßnahmen vorgeschlagen, die sich sehr kostengünstig für die ÖBB gestalten und eine Verbesserung für die Pendler darstellen würden.

Faktum ist, daß die ÖBB wirtschaftlich agieren muß. Das wurde immer gesagt und wird immer gesagt. Wir haben die ÖBB ausgegliedert. Natürlich müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß Sie, Herr Bundesminister, nicht die Gesamtverantwortung dafür haben, das ist mir schon klar, aber trotzdem haben Sie indirekte und auch direkte Möglichkeiten, darauf einzuwirken. Ich glaube, daß das, was man den Managern als Auftrag gegeben hat, auch ein bißchen schwammig ist. Auf der einen Seite müssen sie auf die Kosten schauen, auf der anderen Seite läßt man dann durch den öffentlichen Druck – auch wir als Politiker – das eine oder andere nicht zu. Das ist, glaube ich, für die Zukunft zu beachten.


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Wir werden auch nicht umhin können – das wurde ja teilweise eingeleitet –, daß man Liegenschaften, die nicht unbedingt notwendig sind für den Bahnbetrieb, dem Markt zuführt. Wiederum ein Beispiel aus dem Salzkammergut: Am Attersee gibt es Liegenschaften, die der Bundesbahn gehören, die für den Betrieb aber in keiner Weise mehr notwendig sind. Diese Liegenschaften könnten durchaus anders genützt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ich weiß aus internen Gesprächen, daß manches eingeleitet wurde. Man muß das – das möchte ich hier ganz dezidiert betonen, weil es in den letzten Tagen einen Anlaßfall gegeben hat – sehr transparent darstellen, damit nicht irgendein Privater kommt und sagt: Ich lege das auf den Tisch, denn ich will unbedingt ein Seegrundstück haben. Das muß sehr transparent geschehen, und da muß die öffentliche Hand das Ihrige beitragen können.

Kurzum: Sie haben zuerst gesagt, Sie sind nicht für alles zuständig. (Bundesminister Dr. Scholten: Für das Telefonieren nicht!) Aber ich sage Ihnen, Herr Minister, wir als Bundesrat sind schon für das zuständig, was die Anliegen der Bundesbahn und die Anliegen der Pendler betreffen. (Bundesminister Dr. Scholten: Natürlich!) Bei der Frage, die Herr Präsident Schambeck gestellt hat, haben Sie gemeint: Ist das eigentlich geschäftsordnungsmäßig zulässig, daß der Bundesrat in dieser Richtung agiert? Noch einmal: Wir hier im Bundesrat sind für diese Dinge da.

Faktum ist, daß es zurzeit anscheinend Reibungsflächen gibt und durchaus Reibungsverluste vorhanden sind. In der einen oder anderen Aussage, die böse formuliert ist, hört man: Weniger Bahn, aber dafür mehr Geld. Da stimmt leider das eine oder andere. Ich glaube, wir sollten nicht noch länger die Sommerfahrpläne strapazieren. Hier ist wahrlich etwas passiert. Sie haben vor einigen Wochen im Nationalrat bei der Debatte gesagt: Diese Mängel sind behoben. – Herr Bundesminister, ich muß Ihnen sagen: Diese Mängel sind nicht behoben! (Bundesminister Dr. Scholten: Ich habe nie gesagt, daß sie behoben sind, sondern daß sie zu beheben sind!) Ich zitiere aus einem Protokoll des Nationalrates. Außerdem habe ich heute in der Früh wieder erlebt, daß der Zug 20 Minuten Verspätung gehabt hat. Ich glaube, wir sollten es auch nicht damit abtun, daß wir sagen: Ist der Rückgang der Einsparung 10 Prozent oder ist er nur 7 Prozent? Das finde ich schlichtweg unpassend.

Faktum ist, daß Qualität notwendig ist, um einen Betrieb wirtschaftlich führen zu können. Zurzeit leidet die Qualität für die Pendler, es gibt überfüllte Waggons. Das mit dem Telefonieren ist sicherlich ein Aspekt, der heute schon zu Recht angezogen wurde, weil es für einen wirtschaftlichen Einsatz notwendig ist.

Faktum ist, daß die Fahrzeiten länger geworden sind – ich spreche hier von der Westbahn –, die Verspätungen aber nicht abgenommen haben. Das heißt, es ist ein Imageverlust passiert. Das ist die gegebene Situation, und dieser Imageverlust wird gar nicht mehr so leicht wettzumachen sein, zumal das Vertrauen natürlich darunter leidet. Man wird wieder teures Geld aufwenden und teure Werbekampagnen machen müssen, um so halbwegs einen Ausgleich finden zu können.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Wir werden das Thema Verkehr und wir werden auch die ÖBB noch oft in Zukunft beraten, es wird uns, so denke ich, ständig begleiten. Ziel all dieser unserer Beratungen muß sein, daß eine Verbesserung passiert, eine Verbesserung für jene, die die Bahnleistung in Anspruch nehmen, für die Pendler, aber auch für jene, die Güter transportieren wollen, die Güter transportieren lassen. All das soll zu einem besseren und herzeigbaren Ergebnis der ÖBB führen.

Ich werde mich dafür einsetzen – das sollten wir alle tun –, daß wir regional Nahverkehrskonzepte entwickeln. Herr Bundesminister! Bei diesem Nahverkehrskonzept wird es nicht damit abgetan sein, daß wir die Länder zum Mitzahlen einladen, aber ihnen die Mitsprache eigentlich vorenthalten. Das wird sich niemand gefallen lassen, sondern man wird versuchen müssen, hier gemeinsam vorzugehen.

Zusammenfassend und abschließend finde ich all diese Gesetze, die unter diesen Punkten diskutiert werden, vor allem das Hochleistungsstreckengesetz, für wichtig und vor allem für richtig. Auch das Containersicherungsgesetz wird uns in eine bessere Lage bringen, wird uns Sicherheit


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beim Transport bringen, wird uns Kosten sparen helfen, da größere Beförderungen möglich sind und und und.

Das eine ist das Reden, das Diskutieren, und das andere ist das Tun. Das heißt, wir müssen danach trachten und daran arbeiten, daß wir all das, was wir für richtig empfinden, auch umsetzen können. Und wir sollten alle darauf einwirken, daß wir diese Irritationen, die sicherlich vorhanden sind, beseitigen und daß wir die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen, die in der Region nicht unbedingt enorme Kosten verursachen, zulassen. Ich rede bewußt nur vom "Zulassen", weil es manche Investitionen gibt, die man sehr kostenneutral gestalten könnte.

In diesem Sinne werden wir von der ÖVP diesen Gesetzen gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.41

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

11.41

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte nur eine ganz kurze Anmerkung zum Containersicherheitsgesetz machen. Es sieht im § 12 Abs. 1 vor, daß für Verwaltungsstrafverfahren in zweiter Instanz die unabhängigen Verwaltungssenate zuständig sein sollen.

Soweit ich das rekonstruieren konnte, war diese Bestimmung im Begutachtungsentwurf noch nicht enthalten, wodurch dann § 51 des Verwaltungsstrafgesetzes subsidiär zur Anwendung gekommen wäre.

Durch die ausdrückliche Regelung im Gesetzestext wird nach meiner Auffassung die Notwendigkeit ausgelöst, nach Artikel 129a B-VG die Zustimmung der Bundesländer einzuholen, wobei ich davon ausgehe, daß sie erteilt wird. Das kann ich jedenfalls für das Land Vorarlberg nach Rücksprache mit dem Landeshauptmann sagen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, weil aus den Materialien nicht hervorgeht, daß diese sich durch die Änderung zwischen Begutachtungsentwurf und Regierungsvorlage ergebende Notwendigkeit bewußt wäre. Wir hatten ja schon in ähnlichen Fällen eine Aufhebung des entsprechenden Bundesgesetzes, weil die Zustimmung nicht eingeholt wurde, und ich möchte bitten, darauf zu achten, daß das in diesem Fall geschieht. (Beifall bei der ÖVP.)

11.43

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

11.43

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Auch ich möchte die Gelegenheit nützen und den heute zu beschließenden Tagesordnungspunkt des Hochleistungsstreckengesetzes zum Anlaß nehmen aus Sicht der Niederösterreicher, aus Sicht der Waldviertler, um die Pendlerproblematik zu beleuchten.

Ich werde in diese Kerbe schlagen, da uns vorher vorgehalten worden ist, wir Freiheitlichen kritisieren, teilweise sogar berechtigt. Wir kritisieren – und auch hier – nicht in unserem Interesse, nicht im Interesse der Opposition, sondern im Interesse der Betroffenen, der betroffenen Pendler, die tagtäglich von ihrer Heimatstätte in die Bundeshauptstadt pendeln und dort ihre Arbeit verrichten. Und hier hat die Politik, die so hochgerühmte Sozialpolitik, die sogenannte Sozialdemokratische Partei, die hinter den Arbeitern steht, aufs ärgste versagt. Und damit möchte ich beginnen:

Die Franz-Josefs-Bahn ist sicherlich eine der bedeutendsten Bahnstrecken für Niederösterreich. Sie war es und wird es auch weiterhin bleiben. Sowohl im Gütertransport als auch im Personentransport hat sie ihren Ursprung gehabt. An Bedeutung hat sie in erster Linie beim Güter


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transport verloren, weil durch den Druck der Zeit und aufgrund dessen, daß die Bahnbeförderungszeit zu lang gewesen ist, eine Verlagerung von der Schiene auf die Straße erfolgt ist.

In unserer Region, im Waldviertel, ist das Problem der Arbeitslosigkeit in letzter Zeit immer größer geworden. Bezirke mit über 15 Prozent Arbeitslosigkeit – ich bitte, das genau zu Kenntnis zu nehmen: 15 Prozent Arbeitslosigkeit – zwingen die Bürger dieser Region zum Pendeln in die Bundeshauptstadt. Es ist leider so, daß in vielen Teilen des Bundeslandes – nicht nur im Waldviertel – der Arbeitsmarkt keineswegs den Anforderungen nachkommt – in einem Bundesland, das sich seiner sogenannten positiven Landespolitik rühmt, die jedoch nur auf dem Papier existiert –, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

Die Hoffnung für die Franz-Josefs-Bahn stammt aus der Statistik, die in der ÖVP-Zeitung steht. Aber ich beziehe mich auf Tatsachen. Kommen Sie ins Waldviertel, in den Bezirk Waidhofen an der Thaya: Dort sind 15 Prozent Arbeitslosigkeit. Im Bezirk Gmünd, wo der Wirtschaftslandesrat beheimatet ist, sind auch 15 Prozent Arbeitslosigkeit. Das ist die Beschäftigungspolitik der ÖVP-Niederösterreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Hoffnung für die Bürger war sicherlich die Elektrifizierung. Die Bürger haben gehofft, daß aufgrund dieser Maßnahme die Bahnverbindung in die Bundeshauptstadt wieder an Bedeutung gewinnt, daß sie schneller zu ihrem Arbeitsplatz kommen und auch moderner und bequemer. Leider Gottes ist die Elektrifizierung nach der Staatsgrenze in Gmünd, wo die Franz-Josefs-Bahn auf tschechisches Gebiet kommt, zu Ende – und Tschechien hat bisher noch nicht reagiert. Das hatte zur Folge, daß viele Züge, Schnellzüge, eingestellt wurden und bereits vor Jahren die Pendler darüber klagten, daß sie keineswegs die Möglichkeit haben, schnell, bequem in die Bundeshauptstadt zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Das hatte zur Folge, daß auch heuer noch um halbfünf Uhr in der Früh in Göpfritz an der Wild die Pendler, die mit dem Zug fuhren, bis in die Bundeshauptstadt stehen mußten.

Ich frage Sie, liebe Kollegen, ob man das heute noch jemand zumuten kann, daß die Züge so überfüllt sind, so voll sind bis auf den letzten Platz, daß niemand – auch keine Frau, teilweise mit Kindern, die um halbacht Uhr, acht Uhr mit der Familie mitreisen – die Möglichkeit eines Sitzplatzes hat.

Darauf hat natürlich weder die Bundespolitik noch die Landespolitik reagiert – in keiner Weise. Wir haben zwar einen Landeshauptmann Erwin Pröll, aber er hat dieses Problem der Pendler in keiner Weise aufgegriffen. – Zeitung liest er, der Erwin Pröll, und dort, wo er abgebildet ist ... (Bundesrat Mag. Langer: Weil er ein Buch fertiglesen muß!) Das ist es: Er muß sein erstes Buch fertiglesen, Karl May. Das ist die Lektüre, mit der sich unser Landeshauptmann bildet.

Letztendlich ist es so, daß der Landeshauptmann nicht reagiert hat. Er fährt nicht gerne mit dem Zug, es sei denn, es garantiert dem Landeshauptmann irgend jemand, daß er neben dem Lokführer sitzen darf und der ORF dort ist und ihn schön – mediengeil wie er ja ist – in der Presse bringt. Das, meine Damen und Herren, hätte den Ausschlag dafür gegeben, daß unser Landeshauptmann dieses Problem aufgegriffen hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist jedenfalls so, daß seit zwei Jahren die Pendler unter fast menschenunwürdigen Bedingungen in die Bundeshauptstadt reisen müssen. Eine Katastrophe schlechthin ist entstanden. Fast monatlich hat es eine Änderung bei den Nebenfahrbahnen im Fahrplan gegeben. Das ist alles nachvollziehbar. Unterhalten Sie sich mit den Pendlern, unterhalten Sie sich mit den Leuten, für die Sie eigentlich da sein sollten.

Dann ist der Sommerfahrplan gekommen, heute schon von meinen Kollegen aus Niederösterreich angesprochen, und die Katastrophe war perfekt. Die Dauer der Fahrt hat sich wieder erhöht. Teilweise war es fast unmöglich, einen Anschlußzug zu bekommen.

Es gibt Fälle wie diesen: Da berichtet ein Pendler, er kommt von der Bundeshauptstadt von der Arbeit zurück. Was ist passiert? – Wie jeden zweiten Tag, der Zug ist zu spät gekommen, sein Anschlußzug ist fort – und er hat nicht mehr die Möglichkeit, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel seinen Heimweg anzutreten. Er muß sich ein Taxi rufen. (Bundesrat Payer: Das ist


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übertrieben!) Nein, das ist nicht übertrieben, das ist alles belegbar! (Bundesrat
Konečny: Das ist alles belegbar, was die FPÖ sagt! Bis zum letzten Prozeß belegbar!)

Wenn Sie Ihrer Rolle des sogenannten Politikers nachkommen und den Bürger draußen befragen – er kommt nicht zu Ihnen, das garantiere ich Ihnen, Sie müssen zu dem Bürger gehen, den Pendler fragen, wo der Schuh drückt –, dann werden Sie es erfahren. Natürlich, wenn man nur in einem Glasporzellan-Palast sitzt, dann wird das nicht funktionieren. (Bundesrat Konečny: In was? Glasporzellan! Das sollten Sie sich patentieren lassen!)

Ich möchte jetzt mit dieser Problematik fortsetzen. (Bundesrat Konečny: Mit Ihrer Problematik!) Meine lieben Kollegen! Dieses Thema ist sicherlich so ernst, daß man nicht davon sprechen kann, daß es irgendein Thema oder ein Problem der Freiheitlichen oder meines wäre. Es gibt Tausende von Pendlern, die tagtäglich ... (Bundesrat Konečny: Das ist ein Thema, das es sich verdient, daß es jemand behandelt, der es versteht!) Das sind die Bürger, die Sie einmal vertreten haben und die jetzt scharenweise zu uns überlaufen, weil Sie versagt haben, jämmerlich versagt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich lasse es nicht zu, daß dieses Problem der Pendler aus Niederösterreich hier von den Sozialdemokraten abgewertet wird, die behaupten, das ist mein Problem. Ich stehe zu den Pendlern, und ich stehe zu ihren Problemen, und ich werde es ihnen sagen, daß die Sozialdemokratische Partei nichts mehr für sie übrig hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Ich bezweifle Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Kollege!) Er hat nicht gelogen! (Bundesrat Konečny: Herr Kollege! Sie sind das Problem!) Ja, das glaube ich schon, daß ich für Sie ein Problem bin. Jemand, der hier in diesem Haus die Wahrheit sagt, Tatsachen aufzeigt, die Ihnen nicht in Ihr politisches Programm passen, ist für Sie ein Problem.

Ein weiteres Problem ist die Schließung von Bahnhöfen. Auch hier wird jetzt gleich wieder jeder sagen: Das ist doch schon wieder nicht wahr, er sagt schon wieder die Unwahrheit. – Tatsächlich ist es jedoch so, daß, obwohl behauptet wird, daß die Nebenfahrbahnen erhalten bleiben, zum Beispiel jetzt der Bahnhof der Bezirkshauptstadt Waidhofen an der Thaya vor der Schließung steht. Das, meine Damen und Herren, ist der Anfang vom Ende der Nebenbahnen!

Das Problem Semmering-Basistunnel ist kurz erwähnt worden, und die SPÖ hat hier kritisiert, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich zu diesem Thema beziehungsweise zu diesem Problem nicht in der Art und Weise steht, wie es die Sozialdemokraten gerne hätten. Ich möchte Ihnen daher zum Abschluß eines mitgeben:

Es wird schon nicht so sein, denn soweit ich den Landeshauptmann jetzt kenne – ich kenne ihn schon lange genug –, ist er, wenn es darauf angekommen ist, noch nie zu etwas gestanden. Er ist zum Umfaller des Landes geworden. Und darum glaube ich, daß er auch hier den Bürgern sicherlich nicht helfen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.54

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat DDr. Königshofer. Ich erteile es ihm.

11.54

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Ministers möchte ich schon noch ein paar Dinge klarstellen.

Er hat gemeint, nach meinen Ausführungen könnte er gewisse Dinge intellektuell nicht beurteilen. Ich hätte davon gesprochen, daß man einerseits keine Finanzierungen neuer Art erschließen dürfe und hätte andererseits von verfügbaren Mitteln gesprochen.

Herr Minister! Ich kann schon eine Bilanz lesen, die Aktiv-, Passivseite, ich kann eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung anschauen. Das Budget ist eigentlich auch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, und da sehe ich doch sehr viele Mittel, nämlich die Steuereinnahmen, die


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Ihnen zur Verfügung stehen. Da stehen zum Beispiel auch Einnahmen aus der Mineralölsteuer drinnen, die direkt aus dem Verkehr kommen. Natürlich haben Sie das Problem, daß all diese Einnahmen schon längst verplant sind. Wenn man 100 Milliarden Schilling an Zinsenzahlungen zu leisten hat, steht nichts mehr zur Verfügung.

Aber ich meine eben, in Zeiten, in denen Schulden abgebaut werden sollten, sollte man sich bei der Neuverschuldung beschränken und auf die bestehenden, wenn auch bescheidenen Mittel zurückgreifen. Und ich glaube auch, daß es in einer solchen Zeit notwendig ist, von Großprojekten und Großfinanzierungen Abstand zu nehmen. – Das habe ich damit gemeint, Herr Minister, das wollte ich jetzt noch sagen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Scholten: Aber dann sind Sie gegen den Semmering-Basistunnel!)

11.55

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meldet sich noch jemand zu Wort? – Herr Bundesrat Schaufler. Ich erteile es dem Herrn Bundesrat.

11.55

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! An und für sich richten sich die Worte des Vorvorredners von selbst. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Aber wenn ein Landeshauptmann dieses schönen Bundeslandes Niederösterreich in permanenter Anstrengung alles tut, um die Infrastruktur in Niederösterreich zu verbessern ich denke beispielsweise an seinen Einsatz rund um die S 7 seit Jahren, um in der Ostregion im Zusammenhang mit der Grenzöffnung etwas zu verbessern (Bundesrat Waldhäusl: Er bringt nichts zusammen an Verbesserungen! ), an die Verbesserung der Infrastruktur der neuen Landeshauptstadt St. Pölten, wo die neuen Busse zum Einsatz gekommen sind, und dergleichen mehr ... (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl .)

Herr Bundesrat Waldhäusl! Ich möchte gar nicht sagen "Herr Kollege". Herr Bundesrat Waldhäusl! Ich darf Ihnen eines sagen: Ich spreche Ihnen die Kompetenz, über die Bundesbahn sehr viel zu sagen, ab, aber einer der Ihren in Niederösterreich wird in der nächsten Zeit sehr viel an Kompetenz im Bereich der ÖBB gewinnen können, denn er hat es ja vorgezogen, seinen Führerschein abzugeben. (Bundesrat Waldhäusl: Er hat ihn aber noch!) Er wird also jetzt mehr oder weniger konsumieren dürfen und wird auf die Bahn umsteigen müssen. Und dann endlich werden Sie Kompetenz gewinnen können bei den ÖBB. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse.

Diese Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir stimmen jetzt über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochleistungsstreckengesetz geändert wird, ab.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über sichere Container.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich danke. Hier ist Stimmeneinhelligkeit gegeben.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Erfüllung internationaler Seeschiffahrtsübereinkommen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (209/NR sowie 5205/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Langer übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Da Herr Bundesrat Mag. Langer nicht anwesend ist, bitte ich den Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses, den Bericht zu bringen. – Ich würde die FPÖ sehr herzlich darum bitten, dafür zu sorgen, daß entweder der Vorsitzende des Ausschusses oder Herr Bundesrat Mag. Langer den Bericht bringt. – Herr Bundesrat Dr. Kapral, bitte.

Berichterstatter Dr. Peter Kapral: Die Abgeordneten Dr. Johann Stippel, Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen haben dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 GOG einen Selbständigen Antrag vorgelegt, der eine Novelle zum Studienförderungsgesetz 1992 zum Gegenstand hat.

In der Begründung des Antrages führten die Antragsteller insbesondere aus:

"Nach Befassung des Fachhochschulrates und der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz ist aufgrund der Eigenheiten der Studienbedingungen in Fachhochschul-Studiengängen eine Änderung des § 22a vorgesehen, welche an die Stelle des vorgeschriebenen generellen Notendurchschnittes eine erhöhte Zahl von nachzuweisenden Prüfungen setzt und darüber hinaus auch das allgemein vorgeschriebene Berufspraktikum der Fachhochschul-Studiengänge in die Berücksichtigung des Studiennachweises mit einbezieht.

Entsprechend wurden auch die erforderlichen Regelungen über das Erlöschen des Anspruches auf Studienbeihilfe von Studierenden an Fachhochschul-Studiengängen eingefügt (§ 50 Abs. 5 StudFG). Damit ist die Auszahlung der Studienbeihilfe einzustellen, wenn festgestellt wird, daß ein Studierender entweder ein Berufspraktikum nicht erfolgreich abgeschlossen hat oder das Ausbildungsziel nicht erreichen wird.


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Um aufgrund der knappen Frist bis zum Inkrafttreten des geänderten Gesetzes den derzeit bereits im Studium befindlichen Studierenden an Fachhochschul-Studiengängen zu ermöglichen, ihren Studienerfolg auch noch nach den bisher geltenden Bestimmungen nachzuweisen, ist eine Übergangsbestimmung eingefügt, die für das Studienjahr 1996/97 einen Nachweis des Studienerfolges auch nach den Bestimmungen des § 22a in der bisher geltenden Fassung zuläßt."

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

12.03

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte die Debatte über das Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird, zum Anlaß nehmen, darauf hinzuweisen, daß wir eine durchaus erfreuliche Entwicklung im Fachhochschulbereich zu verzeichnen haben. Es hat bis zum November 1995 bereits 20 anerkannte Studiengänge gegeben, und es ist festzustellen, daß die Akzeptanz dieser Studiengänge sowohl bei den Bildungswilligen als auch bei der Wirtschaft kontinuierlich anhält.

Es ist bemerkenswert, daß das Verhältnis der den technischen Berufsfeldern zuzuordnenden Studiengänge zu den anderen etwa 15 : 5 beträgt. Das entspricht offensichtlich dem Bedarf, das Wissen über neue Technologien schneller in den Wirtschaftsprozeß zu bringen.

An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, Herr Bundesminister, daß ich mir erlaube, einen anderen Standpunkt zu haben als den, den Sie hier vertreten haben: Ich meine, daß ein für das Hohe Haus nicht vorhandenes Technologiekonzept von sekundärer Bedeutung ist. Ich glaube, daß, wenn ein Technologiekonzept den Ministerrat noch nicht passiert hat ... (Bundesminister Dr. Scholten: Das muß das Wirtschaftsministerium zulassen!) Ja! Aber ich anerkenne, daß es erfreulich ist, wenn die geistige Vorleistung vorhanden ist. Aber wenn das Konzept den Ministerrat noch nicht passiert hat und vom Hohen Haus noch nicht behandelt worden ist, dann kann es natürlich auch nicht zu dessen politischer Umsetzung kommen, und somit liegt es politisch nicht vor. (Bundesminister Dr. Scholten: Doch!)

Trotzdem glaube ich, daß wir im Fachhochschulbereich, was die technischen Berufsfelder anlangt, eine sehr positive Entwicklung haben. Man muß aber auch die notwendigen politischen Entscheidungen hinsichtlich weiterer Berufsfelder treffen.

Gerade in den letzten Wochen haben wir sehr oft die Problematik der Arbeitsplätze und die Ansätze, wie wir die Zukunft bewältigen können, diskutiert. Immer wieder wurde vorgebracht, daß bei der Bildung anzusetzen ist. Daher möchte ich darauf hinweisen, daß die Erfahrung mit den Fachhochschulen gezeigt hat, daß eine praxisrelevante Ausbildung, die dem neuesten Stand der Technik entspricht und den neuesten Wissensstand aus unterschiedlichen Gebieten schneller in den Wirtschaftsprozeß bringt, von denen, die eine solche Ausbildung machen wollen, sehr stark angenommen wird.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, daß die Landesregierungen gefordert sind. Wenn man den Fachhochschulbericht liest, so stellt man fest, daß der Fachhochschulrat beklagt, daß Initiativen der Landesregierungen, im Fachhochschulbereich insgesamt konzeptiv vorzugehen, vom Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Erfolg haben. Das heißt, daß einzelne Bundesländer gegenüber dem Fachhochschulrat noch nicht jene Kooperationsbereitschaft haben, die der Sache dienlich wäre.

Betreffend die Änderung des Studienförderungsgesetzes selbst ist festzuhalten, daß § 22a des Studienförderungsgesetzes eine Regelung für den Studienerfolg in den Fachhochschul-Studien


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gängen vorsieht. Es ist nach jedem Ausbildungsjahr ein Studiennachweis durch die Vorlage von Zeugnissen über Prüfungen und Lehrveranstaltungen im Umfang von mindestens 300 Stunden aus Pflicht- und Wahlfächern des vorangegangenen Ausbildungsjahres mit einem Notendurchschnitt von nicht schlechter als 2,5 zu erbringen.

Probleme haben sich insbesondere durch die Anrechnung von Vorstudien an anderen Unterrichtsanstalten, von denen die Benotung nicht übernommen werden konnte, ergeben. Dadurch kam es in vereinzelten Fällen zu sachlich nicht begründbaren Härten für Studierende, die zwar die erforderlichen Leistungen im jeweiligen Ausbildungsjahr auf einem hohen Niveau erbracht haben, aufgrund der Anrechnung von Vorstudien aber nicht in der Lage sind, einen entsprechenden Notendurchschnitt für die Prüfungen, die in der Fachhochschule abgelegt wurden, nachzuweisen. In diesem Bereich schreibt die vorgesehene Änderung anstelle des vorgeschriebenen generellen Notendurchschnitts eine erhöhte Anzahl von nachzuweisenden Prüfungen vor.

Ich glaube, daß das eine sehr sinnvolle Korrektur ist, ebenso wie die Herabsetzung der Altersgrenze. Meine Fraktion wird diesen Änderungen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

12.09

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundlage für die heute zur Beratung vorliegende Novelle zum Studienförderungsgesetz bildet ein Selbständiger Antrag des Wissenschaftsausschusses des Nationalrates. Das Studienförderungsgesetz 1992 sieht seit 1993 eine eigene Regelung für den Studienerfolg in Fachhochschul-Studiengängen vor. Derzeit müssen Studierende an Fachhochschul-Studiengängen ihren Studienerfolg – Kollege Himmer hat das schon gesagt – durch die Vorlage von Zeugnissen über Prüfungen und Lehrveranstaltungen im Umfang von mindestens 300 Stunden nachweisen. Der Notendurchschnitt darf dabei nicht schlechter als 2,5 sein.

Nach zwei Studienjahren – Fachhochschul-Studiengänge gibt es seit dem Studienjahr 1994/95 – läßt sich feststellen, daß die bisherige Regelung nicht ideal ist und es zu sachlich nicht begründbaren Härten für Studierende kommt. Diesen Umständen trägt die heutige Novelle ausgezeichnet Rechnung. An die Stelle des Notendurchschnittes tritt bei Fachhochschul-Studiengängen nun eine erhöhte Zahl von nachzuweisenden Prüfungen. Darüber hinaus soll auch das Berufspraktikum in die Berücksichtigung des Studiennachweises mit einbezogen werden.

Ich glaube, daß man eine richtige und sinnvolle Vorgangsweise gewählt hat, eine Vorgangsweise, die sich durch Praxisnähe auszeichnet. Diese Praxisnähe wird auch dadurch dokumentiert, daß man es aufgrund der knappen Frist bis zum Inkrafttreten des geänderten Gesetzes den bereits derzeit im Studium befindlichen Studierenden ermöglicht, ihren Studienerfolg auch noch nach den bisher geltenden Bestimmungen nachzuweisen. Es ist eine Übergangsbestimmung eingefügt, die den Nachweis des Studienerfolges auch nach der derzeit geltenden Fassung zuläßt.

Nun zum zweiten Schwerpunkt dieser Novelle: Im Zuge der Maßnahmen zum Konsolidierungspaket – sprich: Strukturanpassungsgesetz – wurde auch beschlossen, daß für die Gewährung einer Studienbeihilfe ein Studium nicht wie bisher vor dem 40. Lebensjahr, sondern vor dem vollendeten 30. Lebensjahr begonnen werden muß. Durch die heutige Novelle wird diese Maßnahme entschärft. Die Entschärfung hebt die Altersgrenze zur Gewährung eines Stipendiums auf 35 Lebensjahre an. Diese Regelung gilt für die nächsten zwei Studienjahre. In diesem Zeitraum soll eine Gesamtreform der Stipendienregelung für Studierende des zweiten Bildungsweges beschlossen werden. Dadurch werden viele Studierwillige, die einen Beruf ausüben, in ihrer bereits festgelegten Lebensplanung weniger getroffen werden.

Diese Neuregelung nimmt vor allem für Personen, die erst nach Jahren der Berufstätigkeit studieren wollen, sowie für studierende Frauen mit Kindern die angesprochene Härte. Mit der


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ursprünglichen Lösung hätte man nicht sogenannte Bummelstudenten bestraft, sondern die ohnehin kleine Gruppe von Menschen, die nach längerer Berufstätigkeit ein Studium beginnt.

Mit der heutigen Novellierung wird der Forderung nach lebenslangem, permanentem Lernen besser entsprochen, und dies ist neben dem Sparwillen auch ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung.

Erlauben Sie mir noch eine kurze Anmerkung zu den Kosten. Die durch die schrittweise Absenkung der Altersgrenze auf 30 Jahre bewirkten Einsparungen in der Studienförderung werden mit einer Verzögerung von zwei Jahren voll wirksam. Der gesamte Einsparungseffekt von bis zu 40 Millionen Schilling ist dadurch aber nicht betroffen, er tritt allerdings nicht bereits nach vier, sondern erst nach etwa sechs Jahren zur Gänze ein.

Abschließend möchte ich namens der sozialdemokratischen Fraktion feststellen, daß wir gegen die vorliegende Gesetzesnovelle keinen Einspruch erheben werden. Wir sehen in dieser Vorlage eine sehr vernünftige Sachlösung. Ein Hart-Bleiben um jeden Preis, das hie und da gefordert wurde, hätte einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für das gesamte Bildungssystem bedeutet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Kapral. – Bitte.

12.14

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesbeschluß zur Novellierung des Studienförderungsgesetzes ist für mich ein typisches Beispiel dafür, wie weit wir in diesem Land noch von einer fairen, ordnungsgemäßen Behandlung der Opposition entfernt sind.

Ich darf mich in diesem Zusammenhang an die Worte erinnern, die der seinerzeitige sozialdemokratische – damals noch sozialistische – Klubobmann Sepp Wille anläßlich einer Buchpräsentation gestern gefunden hat, und anmerken, daß wir in beiden Häusern mehr vom Geist eines Sepp Wille brauchen würden, um wieder zu einer einigermaßen vernünftigen Art der Zusammenarbeit in der gegenseitigen Konfrontation zu kommen. Die Opposition soll ja kritisieren, das ist ihre primäre Aufgabe, auch wenn das heute schon von einigen Herren der Regierungsparteien als Mangel dargestellt wurde. Aber sie soll – frei nach der Redewendung – "Salz in den Wunden" der Regierung sein, um diese anzustacheln, es möglicherweise besser zu machen.

Die Änderung der Geschäftsordnung im Nationalrat ist nicht Gegenstand unserer Beratungen. Aber ob es wirklich von echtem Demokratieverständnis zeugt, wenn man Oppositionsrechte weitgehend beschneidet, noch dazu zu einem Zeitpunkt, zu dem die Regierungsparteien gerade noch über die Zweidrittelmehrheit verfügen, sei dahingestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war mir wirklich ein Anliegen, nochmals darauf hinzuweisen. Wie Sie wissen, beschäftigt mich die Stellung der Opposition sehr nachhaltig, und ich hatte schon mehrmals Gelegenheit, hier darauf hinzuweisen, daß ich mir ein bißchen mehr Anlehnung zum Beispiel an englische Verhältnisse vorstellen könnte, wo man der Opposition bei aller Konfrontation ihre Funktion durchaus zugesteht.

Der Beschluß betreffend die Novellierung des Studienförderungsgesetzes wurde von den Freiheitlichen im Ausschuß des Nationalrates abgelehnt. Das ist darauf zurückzuführen, daß die Ausgangsbasis dafür eigentlich zwei Anträge sind, nämlich ein Entschließungsantrag und ein Gesetzesantrag, die von Abgeordneten der Freiheitlichen eingebracht wurden und die natürlich im Ausschuß nicht die Zustimmung der Mehrheit gefunden haben. Es war Ihnen anscheinend nicht möglich, dieser Initiative der Opposition beizutreten und sie zu realisieren. "Aufgreifen" scheint nicht das richtige Wort zu sein, doch man hat unsere Ideen schließlich und endlich doch aufgegriffen, und der vorliegende Gesetzesbeschluß, der natürlich nach außen hin einer koalitionären Initiative entspringen mußte, beinhaltet in der Sache selbst durchaus unsere Anliegen,


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nämlich eine Gleichstellung der Fachhochschulhörer mit den anderen Studenten. (Bundesrat Payer: Wir dürfen in diesem Zusammenhang die Rolle der Arbeiterkammer nicht vergessen!)

Wir treten daher diesem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, hier im Plenum des Bundesrates gerne bei und werden dem Antrag unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Tusek. – Bitte.

12.19

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der zu behandelnde Beschluß des Nationalrates ändert das Studienförderungsgesetz 1992, und zwar dahin gehend – wie auch meine Vorredner bereits ausgeführt haben –, daß auf die Besonderheiten im Bereich der Fachhochschulen Rücksicht genommen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema Fachhochschulen. Dieser neue Sektor in der Bildungslandschaft Österreichs existiert seit zwei Jahren, und ich möchte hier feststellen, daß die Erfahrungen, die in dieser Zeit gemacht wurde, absolut positiv sind. Der Fachhochschulsektor ist vor allem deshalb innovativ und zukunftsorientiert, weil die Lehrgänge bedarfsorientiert sind. Positiv zu erwähnen ist auch die im Vergleich mit den Universitäten äußerst geringe Drop-out-Rate in der Höhe von 18,7 Prozent an den Fachhochschulen.

Derzeit werden österreichweit 20 Studiengänge angeboten, die im letzten Studienjahr von genau 1 756 Hörern absolviert wurden. Im Jahr 2000 werden es nach Schätzungen etwa 10 000 Studierende an Fachhochschulen sein. Im Endausbau, mit dem ich etwa um das Jahr 2005 rechne, können wir etwa 20 000 Studenten erwarten, sodaß der Bereich der Fachhochschulen eine hervorragende Alternative zum Universitätsstudium sein wird.

So positiv diese Entwicklung auch ist, gibt es für mich doch einen Wermutstropfen: Von den zuerst erwähnten 1 756 Studierenden sind nicht weniger als 1 371 männlich – das sind 78 Prozent –, denen nur 385 weibliche Hörerinnen, also 22 Prozent, gegenüberstehen. Wir hörten vorhin von Kollegen Himmer, daß 15 dieser 20 Lehrgänge technisch orientiert sind. Das mag damit zusammenhängen, daß die Frequenz an weiblichen Hörern eher gering ist. Ich glaube, es muß unser aller Anstrengung sein, daß die Fachhochschulen in Zukunft verstärkt auch solche Lehrgänge anbieten, die von Frauen genutzt oder besser genutzt werden. Denn gerade Frauen eine echte Alternative zum Studium an Universitäten zu bieten, ist auch ein wesentliches Ziel der Fachhochschulen.

Heute geht es – ich kann mich sehr kurz fassen, denn meine Vorredner haben das bereits ausgeführt – um entsprechende Anpassungen des Studienförderungsgesetzes an die besondere und spezifische Situation der neuen Bildungseinrichtungen, der Fachhochschulen. Es werden dabei in erster Linie Härtefälle aufgrund der Erfahrungen der letzten beiden Jahre korrigiert. Das Studienförderungsgesetz 1992 sieht als Voraussetzung für den Bezug von Studienbeihilfen die soziale Bedürftigkeit, einen günstigen Studienerfolg und ein gewisses Höchstalter für den Studienbeginn vor. Gerade bei der Feststellung des Studienerfolges gab es aber im Bereich der Fachhochschulen Probleme, da bislang die bei der universitären Ausbildung geforderten Notendurchschnitte generell für den Nachweis des günstigen Studienerfolges ausschlaggebend waren. Aufgrund der erhöhten Zahlen von Prüfungen bei Fachhochschullehrgängen und aufgrund des vorgeschriebenen Berufspraktikums ist es daher besser und günstiger, gerade diese fachspezifischen Voraussetzungen für die Ermittlung eines guten Studienerfolges heranzuziehen.

Ebenso kommt es gerade bei diesen Lehrgängen häufig zu einem verspäteten Eintrittsalter in das Studium, hauptsächlich dadurch bedingt, daß viele Absolventen der Fachhochschulen eine Reifeprüfung an AHS oder BHS für Berufstätige absolviert oder eine Studienberechtigungs


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prüfung, meist neben dem Beruf, abgelegt haben. Daher ist die vor kurzem im Zuge der Strukturanpassungsgesetze erfolgte Herabsetzung des Höchstalters von 40 auf 30 Jahre eine besondere Härte gerade für diese Personengruppe an Fachhochschulen.

Ich halte es für günstig, daß man – vorläufig begrenzt auf zwei Jahre – einen Kompromiß versucht und das Höchsteintrittsalter auf 35 Jahre korrigiert. Nach diesen zwei Jahren wird man dann entsprechende Erfahrungen haben und überprüfen müssen, ob es sinnvoll ist, dieses Alter als Grenze zu belassen oder die Herabsetzung generell auf 30 Jahre festzusetzen.

Weil diese Novelle des Studienförderungsgesetzes vor allem Härtefälle korrigiert und für die Studierenden einige Verbesserungen bringt, kann ich gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht, wie ich sehe, auch nicht das Wort.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die Regierungskonferenz 1996; Österreichische Grundsatzpositionen (III-148-BR/96) und

Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz (8856/EU XX. GP und 5211/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bericht der Bundesregierung über die Regierungskonferenz 1996; Österreichische Grundsatzpositionen, und Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Ilse Giesinger übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

Berichterstatterin Ilse Giesinger: Die Bundesregierung hat dem Parlament ein Papier vorgelegt, das die von Österreich bei der EU-Regierungskonferenz in Turin vertretenen Grundsatzpositionen enthält. "Die Union muß in jenen Politikbereichen wirksam agieren können, für die auf europäischer Ebene bessere, umfassendere und breiter legitimierte Lösungen zu erzielen sind als auf mitgliedstaatlicher Ebene", heißt es darin einleitend. Da sich das Projekt der EU an diesem Subsidiaritätsgedanken orientiert, hat Österreich bereits bei seinem Beitritt ein starkes Interesse an einer weiteren Verstärkung der gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit bekundet, weshalb der vorliegende Bericht daher die zentralen Herausforderungen der Konferenz aus österreichischer Sicht auflistet.

Zunächst könne durch mehr Demokratie und Bürgernähe, durch eine Weiterentwicklung der regionalen Dimension des Integrationsprozesses, durch konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzipes und den Ausbau des Grundrechtsschutzes die Kluft zwischen den Bürgern und


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den Institutionen verkleinert werden. Die Legitimation und Transparenz der Unionspolitik wäre insbesondere durch Vereinfachung der Gesetzgebungsverfahren, durch ein besseres Zusammenwirken von Rat und Europäischem Parlament sowie durch die verstärkte Rückkoppelung zu den nationalen Parlamenten zu erhöhen.

Weiters müsse die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das zentrale Anliegen der EU sein. Durch die Stärkung der beschäftigungspolitischen Zielbestimmung im EU-Vertrag, die Einführung eines Überwachungsverfahrens und durch die systematische Berücksichtigung des Beschäftigungsaspektes in allen Politikbereichen müssen die Voraussetzungen für eine wirksamere und koordinierte Aktion der Union in diesem Bereich geschaffen werden.

Da ein besserer Umweltschutz vorrangiges Anliegen der EU-Bürger ist, muß die ökologische Ausrichtung der Gemeinschaftspolitik bei der Regierungskonferenz dynamisch weiterentwickelt und auch die Möglichkeiten zur Einführung beziehungsweise Beibehaltung höherer Umweltstandards besser abgesichert werden.

Ziel der Regierungskonferenz sollte außerdem eine umfassende Weiterentwicklung der Strukturen der staatenübergreifenden Zusammenarbeit betreffend Migrations- und Asylfragen, Kriminalität, Drogenmißbrauch und Terrorismus sein, um die Sicherheit der Bürger auf europäischer Ebene ausreichend gewährleisten zu können.

In der Zeit seit dem Inkrafttreten des EU-Vertrages ist offenkundig geworden, daß das vorhandene Instrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht ausreicht, den Herausforderungen im Sinne eines umfassenden Sicherheitsbegriffes zu begegnen. Die Verbesserung der Entscheidungseffizienz und Durchführung von GASP-Beschlüssen gehören daher zu den vorrangigen Aufgaben der Regierungskonferenz. Wichtig sind für Österreich auch Fortschritte in der Verwirklichung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, insbesondere durch Erhöhung der Handlungsfähigkeit in den Bereichen Konfliktverhütung, Krisenmanagement, friedenserhaltende Maßnahmen, Katastrophenhilfe und humanitäre Aktionen.

Die Erweiterung der Union kann wesentlich zur Absicherung der Stabilität in Mittel- und Osteuropa beitragen und sowohl den Beitrittsstaaten als auch den heutigen Mitgliedsländern erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen. Um jedoch sicherzustellen, daß auch eine erweiterte Union handlungs- und entwicklungsfähig bleibt, ist eine Reform der Institutionen erforderlich.

Schließlich wird die doppelte Herausforderung von Erweiterung und Vertiefung die Notwendigkeit von Arrangements differenzierter Integration erhöhen. Auch Staaten, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Entwicklungsstandes noch nicht in der Lage sind, an den höchstentwickelten Formen der Integration wie etwa der Währungsunion teilzunehmen, dürfen vom Integrationsprozeß nicht ausgeschlossen werden.

Die EU-Vorlage 8856/EU XX. GP über den Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat betreffend den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz, welcher einen Gesamtüberblick über die bisherigen Arbeiten der Regierungskonferenz geben soll, zwecks einer ersten Bewertung der politischen Hauptfragen, die in der nächsten Phase der Konferenz im Mittelpunkt stehen werden, wurde gemäß Artikel 23e Abs. 6 B-VG mit dem Bericht III-148-BR/96 mitverhandelt.

Der EU-Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Riess-Passer. Ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.

12.34

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der Bericht über den Stand der Regierungskonferenz, den wir heute hier debattieren, bringt, wie der Herr Vizekanzler vor wenigen Tagen im EU-Aus


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schuß des Bundesrates bereits festgestellt hat, wenig Neues, da die intensiven Verhandlungen über die einzelnen Punkte erst beginnen, der Abschluß dieser Verhandlungen noch in weiter Ferne liegt und da auch darüber, was letztendlich das Ergebnis dieser Konferenz sein soll, völlig entgegengesetzte Vorstellungen bestehen.

Recht treffend hat jedenfalls ein hoher Beamter Ihres Ministeriums, Frau Staatssekretärin, und zwar Peter Hohenfellner, festgestellt, daß es sich um eine defensive Konferenz handelt, bei der es darum gehen wird, den Besitzstand zu verteidigen. Die logische Frage, die sich daran anschließt, ist: Um welchen Besitzstand geht es denn eigentlich? – Die Antwort ist relativ einfach, wenn man sich vor Augen führt, wer die Protagonisten dieser Konferenz sind und wie es um die Beteiligung der Parlamente, der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments, mit einem Wort: um die Beteiligung der Bürger Europas, bei der Konferenz bestellt ist, was sie eigentlich mitzureden und mitzuentscheiden haben: nämlich überhaupt nichts.

"Transparenz" heißt das Kapitel III in dem uns vorliegenden Bericht. Die Funktionsweise der Union muß dem Bürger nähergebracht und verständlich gemacht werden, steht hier, allerdings – das ist der entscheidende Haken daran; ich zitiere wörtlich – unter Beachtung der erforderlichen Vertraulichkeit bestimmter Tätigkeiten der Union. – Es wäre also für die Bürger dieser Union sehr interessant, zu wissen, welche Tätigkeiten denn so vertraulich sind, daß man sie davon ausschließen muß. Es klingt zwar edel, wenn man das Wort "Transparenz" als Grundsatz in den Vertrag aufnimmt, wie ernst das jedoch in der Praxis zu nehmen ist, sehen wir etwa am Beispiel des vielzitierten Grundsatzes der Subsidiarität, der zwar in allen Sonntagsreden im Munde geführt, aber niemals angewandt wird.

Ebenso ist in diesem Bericht gleich im nächsten Kapitel betreffend die Beschäftigung wörtlich davon die Rede, daß mit einem abstrakten Regelwerk ohne tatsächliche Auswirkungen unbegründete Erwartungen in der Öffentlichkeit geweckt werden.

Das ist genauso entlarvend wie die Feststellung des Berichtes, daß die Rolle der nationalen Parlamente nur insoweit überhaupt in Betracht kommt, als dadurch der Entscheidungsprozeß der Union nicht beeinträchtigt oder erschwert werden darf, heißt es da.

Da ist man schon angenehm überrascht, wenn es den nationalen Parlamenten möglich sein soll, sich, wie es heißt, kollektiv zu jeweils sehr genau festgelegten Bereichen und innerhalb geeigneter Frist zu äußern. – Es ist wirklich eine tolle Sache, daß den nationalen Parlamenten wenigstens kein Redeverbot erteilt wird. Wir können uns, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, wirklich glücklich schätzen, daß uns in jeweils sehr genau festgelegten Bereichen kurz einmal der Maulkorb abgenommen wird. Mit Demokratie, mit Bürgermitbestimmung und den Rechten des Souveräns, also des Volkes, hat das beim besten Willen nichts mehr zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Information und Mitbestimmung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sind Rechte und keine Gnade, oder, um es mit den Worten des schwedischen EU-Ministers Mats Hellström zu sagen: Wir müssen die Mauern des Schweigens niederreißen. – Die Entscheidungsträger in der EU werden lernen müssen, daß sie nicht über der Demokratie stehen und nicht weiterhin immun sein können gegen die Sanktionen des demokratischen Systems. Wenn sich die Regierungskonferenz in Lippenbekenntnissen zu Demokratie, Transparenz und Bürgernähe erschöpft, ohne echte Reformen zu setzen, dann werden Sie auch nicht mit der Zustimmung der Bürger zu diesem Projekt rechnen können.

Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang wird die Regelung zwischen Einstimmigkeits- und Mehrstimmigkeitsprinzip sein. Wenn am Ende der Regierungskonferenz steht, daß in Zukunft mehr als 90 Prozent aller Entscheidungen auf EU-Ebene als Mehrheitsentscheidungen erfolgen sollen, dann bedeutet das nichts anderes als die völlige Ausschaltung der nationalen Parlamente. – Das ist eine ganz entscheidende Frage, und ich bin schon sehr gespannt, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wie Sie das den Österreichern und Österreicherinnen erklären werden.


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Auf jeden Fall macht man es sich ein bißchen zu leicht, wenn man, so wie der Herr Vizekanzler im EU-Ausschuß des Bundesrates vor wenigen Tagen, die Frage der Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzipes zum Beispiel in der Frage der Ressourcen als – wie er wörtlich gesagt hat – "toten Hund" abtut. Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa nur auf die EU-Kommissionsmitteilungen vom 4. März dieses Jahres, in denen sehr wohl von der globalen Bewirtschaftung von Einzugsgebieten, Oberflächenwasser und Grundwasser die Rede ist. Ich erinnere Sie auch an den Beschluß des Europaparlamentes, mit dem auch mit den Stimmen der Europaabgeordneten von SPÖ und ÖVP die Umleitung europäischer Wasserreserven nach Nordafrika beschlossen wurde. Und ich erinnere Sie an Artikel 130s des Beitrittsvertrages, aufgrund dessen Österreich sehr wohl zu Wasserlieferungen verpflichtet werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie können versichert sein, daß die Österreicher sehr genau beobachten werden, wie ernst Sie es mit der Vertretung ihrer Interessen in dieser und anderen Fragen nehmen. Ganz egal, wie viele Millionen Sie in die nächste EU-Propagandakampagne stecken, noch dazu aus Steuermitteln: Sie werden jetzt, nach dem Beitritt, nicht mehr an Ihren Worten, sondern an Ihren Taten gemessen werden. Ein zweites Mal werden Sie mit einer – ich zitiere den von Ihnen so hochverehrten Kommissär Fischler – solchen "Waschmittelreklame" nicht mehr durchkommen!

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einmal kurz zurückzublenden, um sich zu erinnern, was man denn den Österreichern vor dem Beitritt alles versprochen hat. Da hat es geheißen: mehr Arbeitsplätze, niedrigere Preise, 1000 S monatliche Ersparnis pro Haushalt, eine schöne runde Summe, hat Frau Ederer den Österreichern versprochen. Das ist eine ganz pikante Sache angesichts der Tatsache, daß heute quer durch Europa Politiker auf die Einhaltung ihrer Wahlversprechen geklagt werden, und zwar erfolgreich. – Ich fürchte, das wird eine ziemlich teure Sache für Frau Ederer werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Hüttmayr. )

Es wird kein Ansteigen des Transitverkehrs geben, hat es geheißen. Die Beibehaltung der österreichischen Standards im Umweltschutz und im Tierschutz sind gesichert, hat man uns gesagt, und es wurde uns prophezeit, daß sich Betriebe scharenweise in Österreich ansiedeln und so Arbeitsplätze geschaffen werden. – Wie das in der Praxis aussieht, können Sie in den letzten Tagen am Beispiel Semperit verfolgen, bei dem genau das Gegenteil passiert ist. (Bundesrat Hüttmayr: Es gibt auch viele positive Beispiele!)

Wenn Ihnen dann gar nichts mehr anderes einfällt, dann kommt immer das Argument: Wenn wir nicht beigetreten wären, dann wäre alles noch viel schlimmer geworden! (Zwischenrufe der Bundesräte Bieringer und Hüttmayr. ) Das stimmt eben nicht, Herr Kollege Hüttmayr! Das zeigt, wie schlecht Sie informiert sind. Ich werde Ihnen das anhand einiger Beispiele und Fakten beweisen.

Es hat 1994 ein Land gegeben, das sich bei der Volksabstimmung entschlossen hat, der EU nicht beizutreten, nämlich Norwegen. Ich kann mich auch noch sehr gut an die hämischen und mitleidigen Kommentare erinnern. Man hat den Norwegern die wirtschaftliche Verödung und die politische Katastrophe prophezeit: Zinsen und Arbeitslosigkeit werden steigen, die Exporte und der Kurs der Krone werden dramatisch sinken, hat es ziemlich oberlehrerhaft von Ihrer Seite geheißen. Wenn Sie sich die Ergebnisse in Norwegen jetzt anschauen, können Sie feststellen, daß es sich genau umgekehrt verhält. Und die besondere Pikanterie daran ist: Norwegen erfüllt im Unterschied zu Österreich die Kriterien für die Europäische Währungsunion mühelos. (Bundesrat Hüttmayr: Dank der Ölquellen!)

Damit Sie sehen, daß das kein Einzelfall ist, Herr Kollege Hüttmayr, schauen wir uns auch noch die Situation in der Schweiz an. Auch der Schweiz hat man Düsteres vorausgesagt. Trotz ihres Neins zum EWR ist die Schweiz jedoch zum wettbewerbsfähigsten Land Europas aufgerückt, während Österreich seit 1994 von Platz sieben auf Platz dreizehn abgerutscht ist. Die Schweiz hat eine positive Leistungsbilanz, während sich das österreichische Leistungsbilanzdefizit – ich zitiere hier die Bundeswirtschaftskammer, dieser werden Sie wohl Glauben schenken und nicht annehmen, daß ich etwas erfinde – in dieser Zeit verdoppelt hat. Überdies hat die Schweiz allein


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im Jahr 1995 einen Rückgang von Firmeninsolvenzen von sage und schreibe 10 Prozent zu verzeichnen. – Das müssen Sie den Österreichern einmal angesichts der Rekord-Pleitewelle, im Zuge welcher allein jeden Tag eine Baufirma in Konkurs geht, erklären!

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Sie haben alles versprochen und nichts gehalten! Damit Sie sehen, daß das keine böse Unterstellung der Opposition ist, zitiere ich aus der Schweizer Zeitung "Weltwoche", die sehr renommiert ist und in der es wörtlich heißt: "Die Hauptverantwortung trägt zweifellos die Wiener SPÖ-ÖVP-Koalition. Sie hat Österreich weitgehend unvorbereitet nach Europa geführt und anschließend im Regen stehenlassen. Gleich zweimal handelte sie schlicht fahrlässig, um das mindeste zu sagen. Vor dem EU-Referendum redeten Vranitzky & Co. begeistert vom angeblich freudenreichen Haus Europa. Aus Angst vor der Angst ihrer Landsleute kurbelten sie hemmungslos an sämtlichen Armen der Propagandaorgel, versprachen das Blaue vom Unionshimmel herab und weckten praktisch unerfüllbare Erwartungen. Die ursprünglich durchaus EU-willigen Österreicher schlitterten führungslos ins Vereinte Europa, denkbar schlecht vorbereitet, mit naiven Vorstellungen im Kopf, ohne Nachbetreuung und ohne ausreichende flankierende Maßnahmen seitens der Regierung." – Soweit die "Weltwoche" Zürich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So, wie Sie begonnen haben, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, so machen Sie auch weiter! Österreich hat sich im ersten Jahr der Mitgliedschaft mit seinen weniger als 5 Prozent Mitbestimmungsanteil praktisch nirgends durchgesetzt. Ob bei der Frage der Umweltstandards, bei der Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel, bei den Tiertransporten, in der Frage der EU-weiten Öko-Steuer, in der Frage der Ausmaße der durch Österreich brausenden LKWs, bei den Abgaswerten für Kleinmotorräder oder bei der Entwicklungshilfe – überall wurde Österreich überstimmt.

Nicht umsonst hat daher Ihr Parteifreund, der Generalsekretär der Österreichischen Industriellenvereinigung Ceska, an die Adresse der Bundesregierung festgestellt: "Wir sitzen schweigend und gelähmt in Brüssel."

Es ist sehr beeindruckend, wenn uns der Herr Vizekanzler etwa im EU-Ausschuß lebhaft schildert, wie er mit Lamberto, Helmut, Jacques, Anita und den anderen Großen der Welt auf du und du ist. Noch beeindruckender wäre es allerdings, wenn diese freundschaftlichen Beziehungen dazu genützt würden, sich auch für österreichische Interessen einzusetzen und im Interesse unseres Landes auch etwas durchzusetzen, insbesondere jetzt bei der Regierungskonferenz, etwa in Fragen der inneren wie der äußeren Sicherheit, der Kriminalitätsbekämpfung und vor allem des Drogenhandels, aber auch in Fragen der Bekämpfung der gigantischen Subventionsbetrügereien, die jährlich einen Milliardenschaden verursachen.

Der Herr Vizekanzler hat im Ausschuß so nett darauf hingewiesen, daß es eine fabelhafte Überwachung der Anbauflächen aus dem Weltraum per Satellit gibt, weil das anders gar nicht mehr kontrollierbar ist. Glauben Sie nicht, Frau Staatssekretärin, meine Damen und Herren, daß Sie hier das Pferd beim Schwanz aufzäumen? Glauben Sie nicht, daß die Frage eigentlich lauten müßte: Ist ein System der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Subventionspolitik, das eine solche Absurdität überhaupt notwendig macht, nicht in allerhöchstem Maße reformbedürftig? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Glauben Sie nicht, daß man Agrarpolitik von vornherein so gestalten müßte, daß man ohne Weltraumpolizei auskommt? Glauben Sie nicht, Frau Staatssekretärin, daß Ihr Parteifreund, der bayrische Ministerpräsident Stoiber, recht hat, wenn er sagt, daß die Agrarpolitik teilweise regionalisiert werden muß und die einzelnen Mitgliedsländer entsprechend ihren Möglichkeiten selbst Einkommensbeihilfen geben sollten? (Bundesrat Hüttmayr: Wer sind denn Ihre Parteifreunde im Ausland?)

Das können Sie Ihren Bauern im Bauernbund gerne erklären, sie werden Ihnen andere Geschichten erzählen! Herr Kollege Hüttmayr! Besuchen Sie einmal ein paar bäuerliche Betriebe, und sprechen Sie mit den Leuten über die Probleme, die sie haben. Dann werden Sie sehen, wie es in der Praxis ausschaut! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf des Bun


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desrates Hüttmayr. ) Sie brauchen nicht so nervös zu sein, Herr Kollege! (Bundesrat Hüttmayr: Ich bin nicht nervös, Sie sind nervös!) Ich weiß schon, für den 13. Oktober gibt es für Sie keine erfreulichen Aussichten! Aber Sie werden nicht darum herumkommen, den Österreichern und Österreicherinnen Rechenschaft abzulegen über das, was Sie ihnen versprochen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Meine Damen und Herren! Mir geht es im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz um eine sehr grundsätzliche Frage, nämlich um die Frage der Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten. Es geht um die Frage der Subsidiarität, also darum, daß es Aufgabe der Union ist, sich auf jene Bereiche zu konzentrieren, die ein gemeinschaftliches Handeln erforderlich machen. Es ist aber ganz sicher nicht Aufgabe der Union, durch Zigtausende zentralistische Superreglementierungen tief in alle Lebenssachverhalte der Bürger einzugreifen, ohne daß es eine demokratische Willensbildung, geschweige denn eine politische Verantwortlichkeit gibt. Anonymus entscheidet, und die Bürger haben gefälligst zu kuschen, denn nur dann sind sie auch in ihren Augen gute Europäer. – Da darf man schon einmal die Frage stellen: Wer ist denn eigentlich ein guter Europäer? – Jemand, der Fehlentwicklungen in den einzelnen Bereichen immer weiterlaufen läßt? – Ganz sicher nicht! Auch Ihr Drang zum bewußten Mißverständnis, Herr Kollege Bieringer, wird uns sicher nicht daran hindern, daß wir als richtig erkannte Dinge auch aussprechen!

Meine Damen und Herren! Europa ist mehr als eine Rindfleischgemeinschaft. Europa kann man nicht beschließen, sondern es muß wachsen und von seinen Bürgern getragen sein. In diesem Sinne sollte das Ergebnis der Regierungsverhandlungen eine Botschaft sein, die das genaue Gegenteil von Maastricht ist.

Machen wir weniger Europa, weil dann mehr Europa herauskommt, hat einmal jemand gesagt, dem es offensichtlich auch darum geht, das Ziel zu verwirklichen, das uns eigentlich allen ein gemeinsames Anliegen sein sollte, nämlich die Schaffung einer dauerhaften europäischen Friedensgemeinschaft. Das ist ein Ziel, von dem Sie sich aber auf dem Weg, den Sie beschreiten, zunehmend weiter entfernen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

12.48

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jenes Europa, zu dem wir jetzt seit eineinhalb Jahren gehören, beginnt – es ist wichtig, daß wir in dieser Phase als Mitglied mitwirken können – eine Neudefinition seiner Strukturen, seiner Aufgaben, des Zusammenwirkens zwischen Union und Mitgliedstaaten.

Ich glaube – das ist der eigentliche Anlaß unserer Diskussion –, daß sich bei der Regierungskonferenz, bei der in einem sicherlich langwierigen und nicht einfachen Prozeß versucht wird, tatsächlich über Maastricht hinauszukommen, eine gute Gelegenheit bietet, österreichische Standpunkte einzubringen, österreichische Standpunkte energisch zu vertreten und überall dort, wo wir meinen, zum Gesamten etwas Entscheidendes beitragen zu können, auch an der Neugestaltung des Gesichts der Union mitzuwirken.

Wie gesagt: Es ist gut, daß Österreich als Mitgliedstaat, der in gleichberechtigter Art und Weise an der Zukunftsgestaltung teilnehmen kann, dort am Tisch der Regierungskonferenz sitzt. Anhand der Grundlagen der österreichischen Standpunkte, über die hier im wesentlichen zu sprechen ist, wird deutlich, wie sehr wir österreichische Interessen, österreichische Erfahrungen – von welchen wir einiges an die Union weitergeben können – und österreichische Zukunftsvorstellungen einzubringen willens sind. So gesehen ist es natürlich falsch, wenn so getan wird, als ob diese eineinhalb Jahre versäumte eineinhalb Jahre im Hinblick auf die Vertretung österreichischer Interessen gewesen wären, ganz im Gegenteil.


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Ich verstehe natürlich, daß man auf europäische Institutionen, auch wenn man in ihnen selbst vertreten war wie Frau Kollegin Riess-Passer, böse ist, wenn sie politische Standpunkte vertreten, die einem selbst nicht zusagen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Haben Sie ein negatives Wort von mir über die EU gehört?) Frau Kollegin! Sie hatten Ihre Wortmeldung, jetzt ist meine an der Reihe! Das Europäische Parlament hat eben mit großer Mehrheit festgestellt, daß die Herrschaften Le Pen und Haider Vertreter eines Rassismus sind, die man in der politischen Landschaft ausgrenzen sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Dr. Tremmel. ) Herr Kollege! Sie haben leider keine Ahnung! (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich habe sehr wohl eine Ahnung!) Die Legende, daß dort immer nur 100 abstimmen, ist falsch. Es hat bei dieser Abstimmung 560 Stimmen gegeben, von denen 300 dafür waren. Lassen Sie sich das vielleicht von Ihrer Frau Kollegin erklären! (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ich bin sehr beeindruckt!) Ich bin überzeugt, daß demokratische Beschlüsse Sie nicht beeindrucken können! Das brauchen Sie gar nicht so laut auszusprechen! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dürfen wir uns in Ihrer Demokratie auch äußern?)

Wenn also ein Parlament einen solchen Beschluß faßt, was zu seinen guten Rechten gehört, dann mag Sie das stören und das Parlament in Ihren Augen abwerten. Wenn die Europäische Union Politikansätze verfolgt, die nicht mit den Ihren übereinstimmen, dann mag das aus Ihrer Sicht kritikwürdig sein. Dagegen ist im Prinzip auch nichts einzuwenden. Der Dialog darüber, ob Politikansätze in der Union richtig sind, ist durchaus legitim. Ich verwahre mich nur dagegen, daß eine höchst subjektive und durchaus isolierte Wahrnehmung für die Realität ausgegeben wird.

Nur ein Beispiel: Wir sind – das war natürlich eine Provokation – eineinhalb Jahre lang mit einem Standpunkt der Union in bezug auf die Wegekosten im Straßenverkehr konfrontiert gewesen, der unserer Meinung und den Interessen unseres Landes tatsächlich diametral zuwidergelaufen ist. Dieser geht – wenn ich das so sagen darf – auf ein traditionelles Erbe einer anderen Verkehrspolitik zurück, als wir sie in Österreich betreiben wollen. Durchaus selbstkritisch – aber nicht für meine Partei, sondern für die Politik in unserem Land – ist festzustellen: Wir sind auch nicht seit 1949 auf dem Trip, dem Straßenverkehr klare ökologische Bedingungen aufzuerlegen. Aber wir haben dazugelernt, schneller als andere Mitgliedstaaten und die Europäische Union selbst.

Sie wissen so gut wie ich, daß wir eineinhalb Jahre lang mühsam und auf vielen Ebenen unsere Standpunkte vertreten, unsere Erfahrungen und unsere Politik eingebracht haben, was letztlich dazu geführt hat, daß die Kommission jetzt im Begriff ist, ihre diesbezüglichen Politikansätze zu ändern. Damit ist noch nicht allzuviel erreicht, und es wird nicht ganz einfach sein, diesen neuen Politikansatz im Rat durchzusetzen. Ich gehe davon aus, daß es möglich sein wird, ihn letztlich im Parlament durchzusetzen, aber der stete Tropfen, den nicht Sie, sondern wir in Brüssel fallen ließen, hat dazu geführt, daß es zu einem Umdenken gekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Ich räume sofort ein, daß es eine Vielzahl weiterer Bereiche gibt, in denen es notwendig ist, diesen Prozeß des Einbringens österreichischer Standpunkte fortzusetzen, wo wir einen solchen Erfolg wie bei Neil Kinnock, der diesem Ansatz auch persönlich sehr nahegestanden ist, noch nicht erreicht haben.

Spricht dies gegen unsere Mitarbeit? Spricht es gegen das Einbringen österreichischer Ansätze, wenn diese von den anderen nicht gleich beim erstenmal, wenn wir sie vorbringen, als Erleuchtung angenommen werden? – Ich meine, das ist nicht der Fall! Ich meine nämlich, daß ein solches Verständnis kein sehr demokratisches wäre. Natürlich ringen in Anbetracht der Gegebenheiten Interessen miteinander: nationale Interessen, auch weltanschauliche Interessen, verschiedene Politikansätze. Wir haben einen, wie ich glaube, berechtigten und in vielen Fälle fruchtbaren Standpunkt einzubringen, und das werden und wollen wir tun. Aber die Tatsache, daß das in dem einen oder anderen Fall länger dauert, als wir es uns vielleicht erhofft haben, ist kein Argument dagegen, es ständig erneut zu probieren: Der österreichischen Politik, der Regierungspolitik, den Vertretern in den verschiedenen Räten, den Vertretern in der Ständigen Vertretung in Brüssel, den Parlamentariern und allen, die von uns beteiligt sind, sollen Ermutigung und Unterstützung dort gegeben werden, wo sie diesen Umdenkprozeß in zentralen Bereichen vorantreiben können.


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Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: Wir – die Kollegen von der Österreichischen Volkspartei und die Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei – haben in unseren Fraktionen im Europäischen Parlament erfolgreich dafür geworben, daß es vor drei Wochen eine Anfrage und eine Anfragebeantwortung gegeben hat, um einen neuen Impuls bei der Verwirklichung der tatsächlich höheren Umweltwerte, die die neu beigetretenen Staaten eingebracht haben, in der Gesamtunion zu erreichen.

Es gehört eben zur parlamentarischen Realität, daß diese beiden politischen Gruppierungen sich um das Stattfinden dieser Auseinandersetzung und die sehr positive Beantwortung durch die Kommissarin gekümmert haben: Sie – und auch die Liberalen – haben dort den österreichischen Standpunkt in Wortmeldungen vertreten und eine Resolution des Parlaments erarbeitet, in der ausdrücklich gefordert wird, daß die höheren schwedisch-finnisch-österreichischen Grenzwerte für die gesamte Union verbindlich werden sollen. Es gehört aber ebenso zur parlamentarischen Realität von Brüssel, daß es die Vertreter der Freiheitlichen nicht für notwendig gehalten haben, in der Debatte österreichische Standpunkte zu vertreten, und daß es der Vertreter der Grünen nicht einmal für notwendig gehalten hat, hinzukommen und für diese Resolution zu stimmen. – Das ist eben die Realität der Europapolitik, daß sie die einen betreiben und die anderen von der Seite hineinkeppeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Da das Thema der Ordnungsrufe in der letzten Zeit ein verhältnismäßig aktuelles geworden ist, will ich den bekannten österreichischen Spruch darüber, was ein Kiebitz zu tun hat, nicht wörtlich zitieren, aber die Kolleginnen und Kollegen können den Satz vervollständigen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Sehen Sie, wir haben eine Menge Erfreuliches zu feiern! Das Lachen wird uns nicht vergehen! (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. )

Frau Kollegin! Sie haben in Brüssel tatsächlich keinen bleibenden Eindruck zugunsten Österreichs hinterlassen. Wir hingegen haben ein paar Akzente setzen können, und wir müssen daran arbeiten, diese Akzente zu vertiefen. Daß dabei in wechselseitiger Richtung durchaus auch Ermunterung und Nachhilfe erforderlich sind, ist schon richtig. Das gilt für die Politik, das gilt aber auch für die Interessenvertretungen und für die einzelnen Unternehmen.

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel: Ich habe mir letzte Woche die Liste jener Agrarprodukte und Lebensmittel geben lassen, für die eine bestimmte Bezeichnung geschützt ist und solcherart sichergestellt wird, daß nicht ein anderes Land oder Produzenten in einem anderen Land diese Produkte auf den europäischen Markt bringen können. Ich sage Ihnen ehrlich, daß ich ziemlich entsetzt war, daß so wenige österreichische Produkte auf dieser Liste sind. Ich glaube, es waren der Tiroler Graukäse, der Marchfeldspargel, die Wachauer Marillen und irgendein Viertes, das mir jetzt nicht einfällt. (Zwischenrufe.) Ja, das steirische Kernöl, das ist das vierte. Daß dieses Land sehr viel mehr typische Produkte hat, die zu schützen sinnvoll wäre, wissen wir alle, und die Unternehmen sind herzlich einzuladen, über ihre Interessenvertreter und über die Öffentlichkeit diese Möglichkeit zu nützen.

Es ist richtig, daß Österreich in manchen Räten nicht immer hochrangig genug vertreten war und daher der eine oder andere Standpunkt vielleicht nicht so effektiv durchgesetzt werden konnte. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Woran liegt das?) Frau Kollegin! Wir versuchen hier, eine Aussprache zu führen und uns nicht gegenseitig anzuschreien. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer .) Frau Kollegin! Ich habe Ihnen in aller Ruhe gesagt, daß Ihre Vertreter in einer wichtigen Debatte nicht das Wort ergriffen haben. Die Schlüsse, die Sie, die österreichische Öffentlichkeit oder sonst jemand daraus ziehen, sind eine eigene Sache. Ich verhehle aber auch nicht, daß ich mit der Mitarbeit mancher Regierungsmitglieder im Rat nicht ganz glücklich bin. Wir wollen jedoch eine Aussprache führen und uns nicht gegenseitig anschreien.

Die österreichische Impulsgebung verdient es, nach eineinhalb Jahren kritisch betrachtet zu werden. Ich habe einige Erfolge angeführt; ich weiß, daß wir in anderen Bereichen nicht so weit gekommen sind, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber eines – das, glaube ich, muß man Ihrer Bilanz schon entgegenhalten – ist zweifellos erreicht worden: Es hat dieses Land überall dort, wo die entsprechenden österreichischen Institutionen die Möglichkeiten der gemeinsamen


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Union offen und offensiv angenommen haben, tatsächlich herausholen können, was herauszuholen war.

Es ist keine Frage, daß das Burgenland, das Ziel-1-Gebiet ist, in der Lage war, jene Förderungsmöglichkeiten, die ihm zustehen, optimal zu beanspruchen. Wir haben diese Möglichkeiten im Bereich der Arbeitsmarktverwaltung optimal beansprucht, wir haben sie im Zusammenhang mit bestimmten Spezialprogrammen von seiten des Landes Wien in hohem Maße beanspruchen können, wir haben eine sehr gute Inanspruchnahme der Möglichkeiten beispielsweise seitens des Innenministeriums.

Ich kann diese Liste noch lange fortsetzen, aber sie würde nicht alle österreichischen Institutionen umfassen – ich sage das noch einmal –, und dem einen oder dem anderen muß man schon sagen, daß mehr Information über die Möglichkeiten, mehr Engagement bei der Durchsetzung durchaus sinnvoll sind. Aber die Bilanz, die wir in diesen eineinhalb Jahren für unser Land erreicht haben, ist zweifellos positiv.

Man kann es sich nicht so einfach machen und den größten europäischen Erdölproduzenten als Beweis dafür anführen, daß ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wo ist der?) Norwegen, Frau Kollegin! Bitte nicht so primitiv! Sie haben also Norwegen als Beispiel dafür angeführt, wie gut man mit einem Nein fahren kann. Nun ist aber bedauerlicherweise der Neusiedler See nicht die Nordsee. Wenn wir diese Leistungsbilanz, die ein erdölexportierendes Land hat, in Österreich zustande bringen könnten, dann würden wir uns in mancher Hinsicht – nicht nur in dieser einen – sehr viel leichter tun.

Sie haben (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie ist es mit der Schweiz?) – darauf komme ich gerade – eine etwas eigenartig erratische Zitierweise über den Zustand der Schweizer Wirtschaft verwendet. Wenn Sie sich ein bißchen die Schweizer Wirtschaftsstatistik ansehen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Die Schweiz hat auch kein Erdöl!) , wenn Sie sich ein bißchen den OECD-Bericht ansehen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das habe ich getan!) , dann werden Sie feststellen, daß sich die schweizerische Wirtschaft überall dort, wo sie produziert, tatsächlich in einer sehr ernsten Strukturkrise befindet. Daß allerdings die Schweiz als ein in 90 Jahren bewährtes Dienstleistungszentrum in einer Zeit relativer ökonomischer Instabilität einen gewissen Konkurrenzvorteil hat – im Zufluß von Mitteln beispielsweise –, das ist unbestritten. Aber dort, wo es um die produzierende Wirtschaft geht – genau das stellt der OECD-Bericht fest –, ist sie in einer ernsten Strukturkrise. Sie wissen so gut wie ich, daß eine Reihe dieser Betriebe – durchaus zum Vorteil unseres Landes im Westen – Standorte im Bereich der Europäischen Union begründet hat, weil der Standort Schweiz für Wirtschaftsbeziehungen in der Union beziehungsweise im EWR eben nicht mehr optimal ist.

Daher ist die Bilanz dieser eineinhalb Jahre, wenn wir die Ausgangspositionen vergleichen, besser als die Bilanzen jener Staaten, die damals zu dem einen oder zu dem anderen – das ist ja nicht dasselbe – nein gesagt haben. Es wird sicherlich so sein, daß es Anpassungsschwierigkeiten gibt – diese haben wir alle erlebt, diese haben wir alle einzugrenzen versucht, und wir haben versucht, jenen, die betroffen sind, zu helfen, und das nicht ohne Erfolg –, aber die gesamtwirtschaftliche Bilanz dieses Landes, die gesamtgeistige Bilanz dieses Landes aufgrund unserer Mitgliedschaft ist positiv.

Lassen Sie mich noch ein wenig auf die Frage eingehen, die Sie nicht zentral in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt haben. Natürlich ist in einem solchen Staatenverband auch die Frage einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu stellen, und es ist keine Frage, daß diese Themen bei der Regierungskonferenz breiten Raum einnehmen. Dabei ist eines klar, nämlich daß die Institute und Instrumente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht zu vergemeinschaften, sondern weiterhin zwischen den Staaten zu vereinbaren sind, weil ganz offensichtlich niemand zu einer solchen Abgabe von Autonomierechten bereit ist.

Ebenso unbestritten ist, daß zwischen den 15 Mitgliedstaaten ein Ausmaß an Zusammenarbeit, Kooperation und Abstimmung erreicht werden muß, wie es die Union bisher nicht geschafft hat. Große weltpolitische oder zumindest regionalpolitische Erschütterungen wie jene in Jugoslawien


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waren nicht zuletzt davon mitbestimmt, daß es den Mitgliedsländern der Europäischen Union nicht gelungen ist, einen Standpunkt zu finden und diesen einheitlich zu vertreten.

Eine gemeinsame Außenpolitik bedarf der Infrastruktur, und die Europäische Union wird ihr Informationsnetz, ihre Außenvertretung verbessern müssen, wird Planungsinstrumente schaffen müssen, um nicht abhängig zu sein von 15 oder vor allem von den wichtigen dieser 15 Außenministerien.

Aber es bleibt eine gemeinsame Politik von Staaten, und daher sind alle Überlegungen, aus der EU zugleich auch eine Militärmacht zu schaffen, ein Denkmodell in die falsche Richtung. Wir sollten aus unserer Perspektive eine Diskussion, die gar nicht geführt wird, und eine Situation, die noch lange nicht geklärt ist, nicht vorschnell als Entscheidungsgrundlage nehmen. Gerade jetzt, da ein neutraler Staat den Vorsitz in der Union führt, ein Staat, der diese Neutralität sehr betont, nämlich Irland, ist es ziemlich merkwürdig, davon zu sprechen, daß Neutralität – unsere – keinen Sinn mehr habe.

Was wir brauchen, ist sicherlich die Bereitschaft, solidarisch Aktionen der Union mitzutragen, über die sich die Mitgliedstaaten – wir eingeschlossen – verständigen können. Falsch ist es mit Sicherheit, der Union außer ihrer bisherigen Struktur eine zweite verpassen zu wollen, die nun bedeuten würde, daß es sich um ein waffenstarrendes Bündnis handelt. Für diesen unseren Standpunkt gibt es mehr Verständnis, mehr Sympathie und mehr Unterstützung in der Union, als uns manche Zeitungskommentatoren glauben machen wollen.

Ich glaube, daß die Diskussion über das, was unserem Land auf diesem Gebiet guttut, erst dann sinnvoll geführt werden kann, wenn sich die sicherheitspolitischen Strukturen in Europa ein wenig klären und wenn vor allem die entscheidende Frage geklärt werden kann, in welchem Verhältnis Rußland zu diesen Strukturen steht. Jedwedes Militärbündnis, das bis vor die Tore Rußlands geht, aber dieses nicht einbezieht, bedeutet ein Weniger, nicht ein Mehr an Sicherheit für Europa. Wir sollten uns hüten, jetzt das Erbe, und zwar das ziemlich zerfallene Erbe, des kalten Krieges antreten zu wollen und so zu tun, als hätten wir gewissermaßen historisch etwas nachzuholen.

Es gibt in Europa unterschiedliche sicherheitspolitische Erfahrungen. Wir haben aus österreichischer Sicht durchaus zuzugeben, daß sich etwa die Bewohner der Beneluxstaaten in den letzten 40 Jahren in ihrer sicherheitspolitischen Konfiguration – das war die NATO – sehr sicher und wohl gefühlt haben; unsere sicherheitspolitische Erfahrung ist eine ganz andere. Keines der beiden Konzepte ist als solches falsch, und unseres ist nicht mehr oder nicht weniger historisch überholt als das andere. Gemeinsam eine neue europäische Konzeption zu entwickeln, ist eine faszinierende Aufgabe. Ich sage ehrlich, das ist eine Aufgabe, von der ich nicht annehme, daß sie diese Regierungskonferenz zu leisten imstande ist. Daran mitzuarbeiten, ist eine doppelt faszinierende Aufgabe. – Und das gilt für alle Bereiche, um das am Schluß nochmals zu sagen.

Niemand erklärt die Europäische Union für das Idealgebilde, auch wir nicht, aber die Möglichkeit, in jener Struktur, die das Gesicht Europas bestimmt, aktiv und gestaltend mitarbeiten zu können, ist eine Chance, die eben nur dem Mitglied offensteht. Diese Möglichkeit haben wir, und diese Möglichkeit sollen wir nützen, und dort, wo es bisher nicht ausreichend geschehen ist, verstärkt, aber immer – das ist bisher geschehen, und das wird in Zukunft geschehen – im Interesse dieses Landes und seiner Menschen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mautner Markhof. – Bitte sehr.

13.15

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine heutigen Ausführungen widme ich ebenfalls der EU-Regierungskonferenz 1996, wobei es heute nicht nur um österreichische Grundsatzpositionen geht, sondern auch um den derzeitigen Stand der Beratungen der Regierungskonferenz, die voraussichtlich bis Mitte beziehungsweise Frühherbst 1997 dauern wird.


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Meine Damen und Herren! Es ist klar, daß man sich von dieser Regierungskonferenz keine spektakulären Headlines über bereits zustande gekommene Reformschritte erwarten darf, schließlich handelt es sich dabei um eine Arbeitskonferenz, die sich sehr detailliert mit unterschiedlichsten Aspekten zu befassen hat, sei es nun auf dem Gebiet der Institutionenreform, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder beim Kapitel Bürgernähe und Transparenz der Union, um nur einige zu nennen.

Bevor ich mich nun den einzelnen Themenkreisen der Regierungskonferenz zuwende, möchte ich positiv vermerken, daß innerhalb der EU-Mitglieder über die mittelfristigen EU-Erweiterungen prinzipielle Einigkeit besteht. So wurde auch beim jüngsten Europäischen Rat in Florenz wieder auf die Wichtigkeit hingewiesen, nach Ende der Regierungskonferenz die Vorbereitungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit den assoziierten mittel- und osteuropäischen Staaten, zu denen auch Slowenien zählt, in Gang zu setzen.

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich auch schon zu einem der wesentlichen Bereiche der EU-Regierungskonferenz, nämlich zum Thema Institutionen. Im vorliegenden Bericht des Vorsitzenden über den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz wird unter anderem festgehalten, daß bei einer Begrenzung der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments eine Zahl von zirka 700 Abgeordneten in Betracht gezogen werden könnte, wobei bei der Sitzverteilung dem Bevölkerungsverhältnis Rechnung zu tragen sei und zugleich eine hinreichende Vertretung der Mitgliedstaaten mit geringerer Bevölkerungszahl sicherzustellen sei.

Was den Rat und die damit verbundenen Themen – qualifizierte Mehrheit und Einstimmigkeit – betrifft, zieht der Vorsitzende aus den bisherigen Debatten den Schluß, daß die erweiterte Anwendung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit als Mittel zur Steigerung der Effizienz des Entscheidungsprozesses in einer erweiterten Union angesehen wird, allerdings wird auch nahezu allgemein anerkannt, daß für bestimmte politisch brisante Bereiche weiterhin die Einstimmigkeitsregel gelten müsse. Als Schwelle für die qualifizierte Mehrheit sollte – so die weitgehend vertretene Auffassung – das derzeitige Niveau, also 62 von 87 Stimmen, beibehalten werden.

In bezug auf eine etwaige Anpassung der derzeitigen Gewichtung gibt es jedoch innerhalb der EU-Mitglieder unterschiedliche Auffassungen. So plädieren einige Delegationen dafür, daß die derzeitige Gewichtung beizubehalten und bei Erweiterung einfach zu extrapolieren sei. Untermauert wird dieser Standpunkt dadurch, daß beim Entscheidungsmodus des Rates der Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten nicht unbeachtet bleiben dürfe.

Andere Delegationen wiederum halten es für erforderlich, daß sich die Entscheidungen, die die Union trifft, auf einen signifikanten Teil der Bevölkerung stützen, und dies könnte dadurch erreicht werden, indem entweder die derzeitige Gewichtung im Sinne einer genauen Entsprechung zwischen Stimmenzahl und Bevölkerungszahl geändert wird oder ein System mit doppelter Mehrheit – also Stimmenzahl und Bevölkerungszahl – eingeführt wird. – Österreich, meine Damen und Herren, setzt sich naturgemäß dafür ein, daß die starke Stellung der kleineren und mittleren Staaten im EU-Prozeß erhalten bleibt.

Bevor ich mich zu diesen Fragen näher äußere, möchte ich in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt ansprechen, nämlich die Rolle der nationalen Parlamente im europäischen Integrationsprozeß. Generell wird anerkannt, daß ein Ausbau dieser Rolle komplementär zur Rolle des Europäischen Parlaments erfolgen müßte, dessen Befugnisse nicht – auch nicht indirekt – berührt werden dürfen. Wenngleich ich mir bewußt bin, daß es gegen die nun folgenden Überlegungen gewisse Vorbehalte gibt, so möchte ich dennoch folgendes bemerken:

Wenn ich nun all diese soeben genannten Aspekte zusammenfasse und wenn ich davon ausgehe, daß bei einer EU-Erweiterung eine zahlenmäßige Begrenzung der Kommission unausweichlich sein wird, dann muß ich sagen, ich bin der Meinung, daß ein Zweikammernsystem für die Union nahezu auf der Hand liegt. Warum, meine Damen und Herren, soll man das Rad neu erfinden, wenn es bereits durchaus bewährte Beispiele gibt? – Meiner Ansicht nach würde ein System, in dem die eine Kammer proportional die jeweilige Bevölkerungsgröße und die andere Kammer gleichberechtigt – gleichberechtigt! – die Mitgliedstaaten repräsentiert, durchaus Sinn


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machen. Wir hören gewisse Signale aus Frankreich, daß man auch dort gewisse Überlegungen in dieser Richtung anstellt, was ich sehr erfreulich finde.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich mich einem anderen Thema, einem außerordentlich wichtigen Kapitel zuwenden, nämlich der Sicherheitspolitik. Ich bin davon überzeugt, daß in puncto Sicherheitsfragen den Österreicherinnen und Österreichern noch viel stärker ins Bewußtsein gerückt werden muß, daß die Umstände, die nach dem Zweiten Weltkrieg 50 Jahre lang Gültigkeit besaßen, heute doch andere sind. Es ist auch kein Zufall, daß die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten massiv an einer Teilnahme an einem europäischen Sicherheitssystem interessiert sind. Auf die Schaffung eines solchen hat mein Vorredner soeben hingewiesen.

Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt für das europäische Einigungswerk war die Absicht, diesen Kontinent zu einem Kontinent des Friedens zu machen, und es gilt in erster Linie, an diesem großen Friedenswerk zu arbeiten. Nicht nur die Tragödie am Balkan hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes europäisches Sicherheitssystem wäre. Sosehr ich persönlich den Vereinigten Staaten von Amerika verbunden bin, so stelle ich dennoch die Frage in den Raum, ob es für Europa nicht ein gewisses Armutszeugnis darstellt, daß im ehemaligen Jugoslawien erst durch das Auftreten der USA Friedensbemühungen in Gang gesetzt werden konnten.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit einem entstehenden europäischen Sicherheitssystem, an dem Österreich größtes Interesse haben muß, möchte ich außerdem vehement darauf hinweisen, daß Österreich sicherlich nicht die Rolle eines Trittbrettfahrers einnehmen können wird.

Aber nun zu einem anderen Themenkreis. Zweifellos ist die Arbeitslosigkeit eines der gravierendsten Probleme, mit dem viele EU-Mitgliedstaaten – und damit auch die Union – konfrontiert sind. Mancherorts wird die Ansicht vertreten, die budgetären Maßnahmen im Vorfeld der geplanten Währungsunion – wobei die Sanierung der Staatsfinanzen natürlich auch ohne WWU notwendig geworden ist – hätten negative Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte. Dazu möchte ich zwei Bemerkungen machen:

Erstens: Die Währungsunion ist der große Schritt, der den Gemeinsamen Markt erst wirklich zu einem solchen macht. Auch wenn es mir sonst eher fernliegt, Prognosen abzugeben, so muß ich sagen, ich bin davon überzeugt, daß mehr EU-Staaten von Anfang an dabei sein werden, als man heute vielleicht vermuten würde. Ich gehe selbstverständlich auch davon aus, daß Österreich schon bei der ersten Runde – bei der ersten Euro-Runde, wenn ich es so bezeichnen darf – dabeisein wird.

Was die sogenannten Sparpakete – derartiges gibt es nicht nur in Österreich – betrifft, so kann nicht oft genug betont und hervorgehoben werden, daß diese unabhängig von der geplanten Währungsunion notwendig geworden sind. Kein Staat kann es sich auf Dauer leisten, wesentlich mehr Geld auszugeben, als er einnimmt beziehungsweise als ihm zur Verfügung steht. Da geht es einem Staat nicht anders als jedem Privathaushalt und jedem Unternehmen. Je länger man über seine Verhältnisse gelebt hat, desto unerfreulicher ist die Rechnung, die schließlich präsentiert wird.

Die zweite Bemerkung gilt dem Thema Arbeitslosigkeit: Wir müssen leider immer öfter feststellen, daß selbst ein real wachsendes Bruttoinlandsprodukt nicht mehr zur Vollbeschäftigung führt. Dies ist ein Phänomen, das in Zukunft wesentlich stärker einer eigenen Betrachtung unterzogen werden muß.

Meine Damen und Herren! Wir müssen davon ausgehen, daß die produzierende Wirtschaft in Zukunft mit noch weniger Beschäftigten eine noch höhere Produktivität erreichen wird. Das liegt nicht nur an den Lohnkosten, sondern liegt vor allem daran, daß die produzierende Wirtschaft aufgrund neuer Technologien heute ganz anders dasteht als in der Vergangenheit. Deshalb meine ich, wir müssen ehebaldigst überlegen, welche Maßnahmen zu setzen sind, um aus Arbeitslosen aus dem produzierenden Sektor Beschäftigte im Dienstleistungssektor zu machen. – Eine neue Technikfeindlichkeit kann aber dabei keineswegs auch nur ein Lösungsansatz sein.


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Es ist unabdingbar, Alternativen zu überlegen, um die Arbeitslosen aufzufangen, denn hiebei handelt es sich nicht nur um ein finanzielles Problem, sondern auch um Entwicklungen, die tief in psychologische Bereiche hineingehen und die massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben können.

Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist zwar in erster Linie Aufgabe der einzelnen EU-Mitgliedstaaten, aber auf europäischer Ebene sollte alles Erdenkliche unternommen werden, um jene Rahmenbedingungen zu vervollständigen beziehungsweise zu schaffen, die sich positiv auf die Arbeitsmärkte auswirken. Die Währungsunion wird dabei sicherlich ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich noch einige Worte zu den im Oktober stattfindenden Europawahlen in Österreich sagen. Es liegt an uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, an uns Mandataren, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu verdeutlichen, daß ihre Stimmabgabe bei den Europawahlen genauso wichtig ist wie bei allen anderen Wahlen in diesem Land. Der EU wird von manchen Kritikern der Vorwurf mangelnder Demokratie gemacht. Ich kann in diesem Zusammenhang nur an alle Wahlberechtigten appellieren: Machen Sie von Ihrem wichtigsten demokratischen Recht Gebrauch und gehen Sie zur Wahl, denn raunzen – wenn ich es auf gut wienerisch formulieren darf – hat noch nie eine Änderung herbeigeführt! (Beifall bei der ÖVP.) Gefragt ist vielmehr die aktive Teilnahme an den Entscheidungsprozessen, und die Stimmabgabe bei einer Wahl zählt zweifellos dazu. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Schlögl. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.

13.25

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Mitglieder des Bundesrates! Die heutige Debatte bietet mir die Gelegenheit, kurz Revue passieren zu lassen, was die österreichische Bundesregierung als Vorbereitung für diese Regierungskonferenz bisher erarbeitet hat.

Ich glaube, daß die Regierungskonferenz für uns sehr wichtig ist. Österreich ist aus den unterschiedlichsten Gründen Mitglied der Europäischen Union geworden. Einer der Gründe, wieso wir der Europäischen Union beigetreten sind, war die Tatsache, daß wir ohnehin in vielen politischen, in vielen wirtschaftlichen und in vielen sozialen Fragen direkt von den Entwicklungen innerhalb der 14 anderen europäischen Staaten abhängig sind. Da war es für uns logisch und konsequent, zu sagen, für unser Land ist es besser, von innen mitzubestimmen, mitzugestalten und zu verändern, als von außen zuzusehen, wie sich dieses gemeinsame Europa weiterentwickelt.

Die Regierungskonferenz, die bis Mitte des nächsten Jahres stattfinden soll, hat die Aufgabe, dieses Europa neu zu gestalten und zu verändern. Daher ist es so wichtig und notwendig, daß sich Österreich als eines der drei neu beigetretenen Länder sehr aktiv daran beteiligt und seine Vorstellungen, seine Ideen für die Weiterentwicklung dieses gemeinsamen Europas einbringt. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung und auch das österreichische Parlament haben sich sehr ausführlich darüber unterhalten, mit welchen Grundsatzpositionen, mit welchen Meinungen, mit welchen Veränderungsvorschlägen wir in diese Regierungskonferenz hineingehen sollen. Es sind dies nicht nur Meinungen der österreichischen Bundesregierung, sondern das ist auch eine Meinung, die in enger Kooperation und in enger Zusammenarbeit mit den neun Bundesländern erarbeitet worden ist.

Ich möchte Sie ganz kurz über den aktuellen Stand der Verhandlungen informieren. Die italienische Präsidentschaft, die vor einigen Tagen geendet hat, hat eine sehr wichtige Vorbereitungsphase für diese Europäische Regierungskonferenz gehabt, und beim letzten Europäischen Rat in Florenz wurde ein erster Zwischenbericht vorgelegt, der von den Staats- und Regierungs


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chefs auch einstimmig gebilligt worden ist, damit war auch gleichzeitig ein Etappenplan für den Abschluß der Regierungskonferenz verbunden. Bei der Regierungskonferenz in Dublin im Dezember dieses Jahres soll ein erster Textentwurf von den Regierungs- und Staatschefs verabschiedet werden, und die niederländische Präsidentschaft hofft, Mitte 1997 die Regierungskonferenz endgültig abschließen und neue Verträge beschließen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat sich bisher in der Regierungskonferenz vor allem in drei Themenbereichen sehr stark eingebracht. Diese drei Themenkreise waren Fragen der Beschäftigungspolitik, Fragen der Umweltpolitik und Fragen der Gleichbehandlung. Ich glaube – das haben meine Vorredner bereits ausgeführt –, die Frage der Beschäftigungspolitik ist wahrlich die herausragendste und die forderndste politische Frage, die diese 15 europäischen Staaten in den nächsten Monaten und Jahren zu bewältigen haben. Wenn man bedenkt, daß wir in Europa derzeit 19 Millionen Arbeitslose haben, wenn man bedenkt, daß das ein Prozentsatz von über 11 Prozent ist, daß das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit, nämlich über 22 Prozent, Spanien ist, so sieht man, daß Beschäftigungspolitik in diesem gemeinsamen Europa bei weitem keine nationale Frage sein darf, sondern daß das eine internationale Frage ist, eine Frage, die die 15 Staaten gemeinsam angeht und gemeinsam beschäftigt.

Ich glaube – das muß man auch sehr deutlich sagen –, es geht nicht darum, daß nun ein neues Deficit spending durchgeführt wird, es geht nicht darum, daß ein neues Maastricht-Kriterium, nämlich die Beschäftigungspolitik, gefunden wird, sondern es geht darum, daß diese 15 Staaten sehr kontrolliert, sehr bedacht und sehr überlegt gemeinsam nationale Beschäftigungsprogramme entwickeln. Aber diese 15 Staaten müssen über diesen nationalen Beschäftigungsprogrammen auch ein gemeinsames übernationales Beschäftigungsprogramm entwickeln. Ich meine, daß wir in manchen Bereichen – gerade auf Initiative der österreichischen Bundesregierung und unseres Bundeskanzlers Dr. Franz Vranitzky – eine Reihe von Impulsen gesetzt haben. Beschäftigungspolitik ist in der Europäischen Union kein zweitrangiges Thema mehr, sondern ist ein vorrangiges Thema, und ich bin der Ansicht, daß gerade Österreich hiezu sehr viel beigetragen hat.

Ein zweiter Problemkreis, der sehr wichtig ist, ist die Frage des Umweltschutzes. Dieser ist nicht nur deshalb so wichtig, weil das eine Überlebensfrage für die Menschheit geworden ist, sondern auch deswegen, weil Österreich zu den wenigen Ländern gehört, die sehr hohe Umweltstandards haben. Wir haben Umweltstandards, die in vielen Fragen weit über die Mindeststandards der anderen europäischen Staaten hinausgehen. Unsere Aufgabe – das steht auch im EU-Vertrag Österreichs – ist es nun, bis 1999 auszuverhandeln, ob Österreich zukünftig diese hohen Umweltstandards beibehalten kann oder sie in dem einen oder anderen Bereich zurückgehen. Die Antwort für uns Abgeordnete, für uns Regierungsmitglieder kann natürlich nur sein, daß wir alle anderen europäischen Staaten an die Standards Österreichs heranführen wollen.

Es gibt einige Länder, die in der Vergangenheit große Ressentiments gezeigt haben, aber ich orte einen sehr starken Umdenkprozeß. Ich denke dabei etwa daran, daß gegenwärtig der deutsche Staatssekretär für EU-Fragen, Hoyer, in Österreich ist. Er hat gestern ein Gespräch mit dem Bundeskanzler geführt und dabei sehr deutlich zugesagt, daß er Österreich in den Fragen des Umweltschutzes im Rahmen der Regierungskonferenz mit ganzer Kraft unterstützen wird.

Zum Umweltschutz gehören nicht nur die eigentlichen Fragen der Umwelt, sondern auch Fragen des Verkehrs, Fragen der Wegekostenrichtlinie, wozu meiner Meinung nach der zuständige Kommissär Neil Kinnock jetzt eine Reihe von richtungsweisenden Impulsen gesetzt hat. Es gehören die Fragen der Landwirtschaft und auch die Fragen der Transeuropäischen Netze dazu. Die TENs haben nicht nur die Aufgabe, über die Staatengrenzen hinaus beschäftigungspolitische Impulse zu setzen, sondern sind meiner Meinung nach für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und für einen gemeinsamen, koordinierten Umweltschutz sehr wichtig und notwendig.


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Auch im Bereich der Justiz und des Inneren vertritt Österreich einen sehr ambitionierten Ansatz: Wir wollen im Bereiche der Visa, des Asyls, der Kontrolle der Außengrenzen, der Migration, der organisierten Kriminalität und der Bekämpfung von Drogenhandel gemeinsam vorgehen. Österreich setzt sich deshalb für eine Verankerung der Grundrechte im EU-Vertrag ein, sei es durch den Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskommission oder durch einen eigenen Grundrechtskatalog im Vertrag.

Insbesondere, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen auch die umfassende Gleichstellung von Frauen mit der Möglichkeit einer positiven Diskriminierung und eine Stärkung der Rechte der Behinderten im Unionsvertrag sichergestellt werden.

Ein Schwerpunkt unserer Anliegen bei dieser Regierungskonferenz wird es auch sein, die Anliegen der Länder, der neun Bundesländer, beispielsweise ein Klagerecht für den Ausschuß der Regionen im Falle einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips, in die Regierungskonferenz einzubringen. Ich muß aber – das soll man, glaube ich, bei dieser Gelegenheit auch sehr offen sagen – bemerken, daß unsere Vorschläge und unsere Anmerkungen innerhalb der Regierungskonferenz bisher nur in relativ geringem Maße auf fruchtbaren Boden gefallen sind und daß auch andere Mitgliedstaaten, die föderalistisch organisiert und strukturiert sind, hiefür sehr wenig Verständnis zeigen. Ich glaube, daß es notwendig sein wird, diese Anliegen der Bundesländer mit großer Kraft auch in Zukunft zu vertreten. Hier müssen wir als kleines Land Stärke und Selbstbewußtsein beweisen und zeigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß es bei den institutionellen Fragen wichtig ist, Marksteine zu setzen, Pflöcke einzuschlagen, vor allem deswegen, weil es nicht nur einer Stärkung des Europaparlaments bedarf, sondern weil ich glaube, daß es notwendig ist, daß auch die Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union vereinfacht werden. Gerade die vergangene Diskussion rund um den BSE-Konflikt und die Boykottpolitik Englands beweisen, daß wir von dem Prinzip der Einstimmigkeit schrittweise abrücken müssen. Ich glaube, es gibt einige wenige wesentliche Frage, bei denen es notwendig ist, daß alle 15 Mitgliedstaaten mitstimmen und zustimmen müssen, ansonsten bekenne ich mich dazu, daß wir das Mehrstimmigkeitsprinzip haben. Nur mit dem Mehrstimmigkeitsprinzip wird man innerhalb der Europäischen Union in Zukunft eine positive, eine konstruktive Politik erreichen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das waren einige wenige Punkte meinerseits zu den Themen der Regierungskonferenz. Ich glaube, daß es für den Erfolg dieser Konferenz entscheidend sein wird, daß es gelingt, auf die Fragen, die dem Bürger und der Bürgerin Europas am Herzen liegen, konkrete Antworten zu geben und auch Lösungsansätze zu erarbeiten. Ich bin optimistisch, daß uns das gerade im Bereich der Beschäftigungspolitik, in Fragen der Politik der Umwelt, der inneren Sicherheit und der Grundrechte gelingen wird. Nur dann, wenn wir eine Politik machen, die herzeigbar ist, die konkrete Lösungsansätze bietet, die handlungsfähig ist, die etwas verändert, wird der gemeinsame Gedanke an ein gemeinsames Europa auch erfolgreich sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.36

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

13.36

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die verschiedensten Motive erwähnt, die für den Beitritt zur Europäischen Union gesprochen haben. Das Hauptmotiv der SPÖ, diesen Beitritt durchzuführen, hat uns Ihr Genosse Konečny schon kurz davor verdeutlicht: Das Hauptziel der SPÖ, der EU beizutreten, muß es gewesen sein, auf europäischer Ebene einen billigen Verbündeten zu bekommen, um die Opposition im eigenen Lande zu bekämpfen, der man mit einer unzureichenden Regierungspolitik nicht mehr Herr wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten, anstatt auf europäischer Ebene polemische Anträge über das EU-Parlament zu provozieren, lieber eine ordentliche Sachpolitik betreiben – auch im Bereich der Beschäftigungspoli


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tik, da gebe ich Ihnen recht, Herr Staatssekretär; aber Sie sollten nicht dem Irrtum verfallen, daß Sie die Arbeitsplatzprobleme Österreichs einfach auf die EU-Ebene transportieren können und daß man Ihnen dort diese Probleme abnehmen wird.

Auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, schwindeln sich die Sprecher der beiden Regierungsparteien immer über das Thema hinweg. Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn werden 1999 NATO-Mitglieder sein. Damit ist nach den Beschlüssen der NATO-Tagungen von Berlin und Brüssel das künftige europäische Sicherheitskonzept des Bündnisses einstweilen fertiggestellt, aber ohne Republik Österreich. Und obgleich der Verteidigungsminister – ich nehme an, er gehört dieser Bundesregierung noch an – klar festgestellt hat, daß die WEU nicht isoliert von der NATO gesehen werden könne, werden aus dieser richtigen Analyse nicht die notwendigen Schlüsse gezogen. Die SPÖ verhindert eine zukunftsweisende Politik, und die ÖVP setzt sich in dieser Frage nicht durch.

In der Außen- und Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, bietet diese Bundesregierung nach wie vor ein Bild der Uneinigkeit und der Unsicherheit. Die Bürger fragen sich zu Recht, wozu wir der Europäischen Union beigetreten sind: Nur um den Beitrag Jahr für Jahr zu bezahlen, oder auch um die Zusammenarbeitsmöglichkeiten der Gemeinschaft in wichtigen Bereichen zu nutzen? – Denn warum die Bundesregierung gerade in jenem Bereich, in dem unsere Republik die größten Defizite hat, nämlich in der Sicherheitspolitik, nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte zu setzen, ist unverständlich.

Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, ist nicht Verteidigungspolitik und Militär alleine, aber in letzter Konsequenz eben auch und in der allerletzten Konsequenz ausschließlich. Wir Freiheitlichen haben schon vor der EU-Volksabstimmung 1994 gefordert, daß die Entwicklung und Herausbildung eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems erforderlich sei und daß die NATO und die WEU den einzigen Weg dazu darstellen.

Mit dem Vertrag von Maastricht – Sie scheinen das zu vergessen, meine Damen und Herren der Regierungsparteien – wurde auch ein Kapitel über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt, und zwar mit dem Ziel der Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten in all ihren Formen. Der Artikel J.4 besagt unter anderem: Die GASP – die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längerer Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen können muß. Die Union ersucht die Westeuropäische Union, die integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union ist, die Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, auszuarbeiten und durchzuführen.

Außerdem hat Österreich im Beitrittsvertrag eine gemeinsame Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik abgegeben, worin die EU und Österreich übereinkommen, daß mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrages, auch die Bestimmungen der GASP des Vertrages und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernommen werden.

Tatsachen, meine Damen und Herren, sind: Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zerfall des Ostblocks werden völlig neue Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik gestellt. Die Gefahr von regionalen Konflikten, die eine Bedrohung für Österreich bedeuten könnten, ist rapide gestiegen. Die GASP ist, wie am Beispiel des Balkankonfliktes deutlich wurde, völlig unzureichend gerüstet, um die anstehenden Probleme zu lösen.

Die Neutralität hat in der Vergangenheit sicherlich einen großen Beitrag für die österreichische Sicherheit und Unabhängigkeit geleistet, aber glücklicherweise mußte der Wahrheitsbeweis, nämlich der wirkliche Schutz im Aggressionsfall, nie angetreten werden. Eine ernstgenommene Neutralität würde bedeuten, daß wir in Friedenszeiten eine konsequente Neutralitätspolitik gegenüber allen potentiellen Konfliktparteien beachten müßten, was die völlige Isolation Österreichs im Rahmen der EU und in der internationalen Staatengemeinschaft zur Folge hätte. Auch wären die Kosten für eine alleinige und isolierte Landesverteidigung kaum abschätz- und bewältigbar.


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Bisher hat Österreich seine Landesverteidigung stets vernachlässigt und regelrecht ausgehungert: Österreich liegt mit etwas mehr als 0,8 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt bei den Verteidigungsausgaben hinter Luxemburg an letzter Stelle in Europa. Der Beobachterstatus bei der WEU und die zögerliche Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden bringen keine zusätzliche Sicherheit für Österreich. Mit lediglichem Beobachterstatus sind wir weder in die Planungsarbeiten eingebunden, noch können wir mitbestimmen: Wir sind Mitglied dritter Klasse. – Ich zitiere hier den Außenminister dieser Republik, Dr. Wolfgang Schüssel.

Alle künftigen Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen in Europa werden nur innerhalb der NATO oder zumindest gemeinsam mit der NATO entwickelt werden können. Ein Beitritt zur NATO ist ein wesentlicher Faktor zur bestmöglichen Gewährleistung der zukünftigen österreichischen Sicherheit. Das heißt, nur eine Vollmitgliedschaft in NATO und WEU gewährleistet im Ernstfall den Schutz durch die Staatengemeinschaft.

Fast alle ehemaligen Ostblockstaaten wollen derzeit in die NATO; ich habe sie vorhin schon zitiert. Die NATO ist ein wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen Sicherheit in Europa und wird es auch weiterhin sein. Also keine WEU-Mitgliedschaft ohne gleichzeitige NATO-Zugehörigkeit!

Dem Argument der SPÖ – auch Sie, Herr Staatssekretär, haben das heute wieder gebracht –, Sicherheit umfassend und nicht auf den militärischen Aspekt beschränkt zu sehen, wird bereits Rechnung getragen. Die soziale und die wirtschaftliche Sicherheit – Sie haben es als ein Hauptziel unserer Politik beschrieben, und ich stimme Ihnen dabei zu – wird im Rahmen der EU und all ihrer Möglichkeiten bereits betrieben. Die Zusammenarbeit im Bereich von Justiz und Inneres ist eine eigene Säule des EU-Vertrages. Damit versuchen wir, die Migration, Drogen, internationale Kriminalität und alle Probleme, die damit im Zusammenhang stehen, zu bekämpfen.

Die kooperative Sicherheit in Europa wird durch die OSZE und die internationale, globale Sicherheit durch die UNO festgelegt. Bei all diesen Systemen ist Österreich Mitglied und arbeitet bereits jetzt vollberechtigt mit. Nicht abgedeckt ist der militärische Aspekt, und dieser Aspekt ist nur lösbar, wenn sich Österreich zu einem konsequenten Schritt durchringt.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen fordern Sie auf, einen Beitritt zur NATO und zur WEU mit all seinen Konsequenzen zu betreiben und am Aufbau einer starken europäischen Sicherheitsordnung mitzuwirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile dieses.

13.45

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Den Unterschied zwischen den beiden Regierungsparteien und der Freiheitlichen Partei in der EU-Politik hat uns Herr Dr. Bösch jetzt sehr klar und deutlich vor Augen geführt. Es hat immer nur geheißen: NATO-Beitritt! Wann? Wie? NATO-Beitritt und wieder NATO-Beitritt! – Die Schwerpunkte der jetzigen Regierung, der SPÖ-Regierung, sind: Beschäftigungspolitik, Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik. (Bundesrat Dr. Tremmel: 300 000 Arbeitslose!) Ich weiß schon, Herr Kollege Tremmel, daß Ihnen das sehr unangenehm ist (Bundesrat Dr. Tremmel: Leider Gottes! Mir ist das unangenehm! Das kann ich Ihnen sagen!) , aber wenn Sie sich die Rede Ihres Kollegen anhören, werden Sie tausendmal "NATO-Beitritt" hören, aber kein einziges Mal Vollbeschäftigung, kein einziges Wort über die Sozialpolitik. Es ist aber auch nicht notwendig, denn ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Langer . Bundesrat Eisl: Sie sind ja auch bei der Arbeitsplatzbeschaffung gescheitert, nicht nur bei der NATO!)

Sehr geehrter Herr Kollege Eisl und Kollege Langer! Ich habe mir Ihr Wirtschaftsblatt vom vergangenen Monat angeschaut, darin haben Sie sehr ausführlich über Brüssel berichtet. Die Berichterstattung hat sich allerdings in einem Bild vom Grand Place erschöpft. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wollen Sie nicht in die NATO, Herr Drochter? Sagen Sie das!)


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Lieber Herr Kollege! Ich habe vorerst einmal die Aufgabe, mich der sozialen Perspektive der Europäischen Union und insbesondere jener Österreichs zu widmen. Daher glaube ich, wenn es 1996 schon zu einer Revision des Unionsvertrages kommen wird, müssen auch die sozialen Grundrechte in diesen Vertrag aufgenommen werden.

Die Freiheitlichen und andere werden sich sicherlich die Frage stellen, warum soziale Grundrechte in den EU-Vertrag aufgenommen werden sollen. Ich kann Ihnen versichern, es gibt eine Reihe guter Gründe, weshalb es notwendig und auch sinnvoll und wünschenswert ist, daß die sozialen Grundrechte im EU-Vertrag verankert werden, und ich erlaube mir, Ihnen eine Reihe von Zielen bekanntzugeben:

Es geht um die Schaffung einer echten Strategie für die soziale Union, denn nur rechtlich bindende soziale Grundrechte bilden einen Anker einer sozialen Union, die sich auf das Rahmenkonzept, auf die beiden Wege, nämlich auf Gesetzgebung und auf Tarifverhandlungen, begründen kann. Verbindliche Grundrechte sind eine unverzichtbare Voraussetzung, um das Engagement der Mitgliedstaaten für die Vollendung der sozialen Dimension in Europa zu gewährleisten. Die Einbeziehung der sozialen Grundrechte in den Vertrag dient vor allem dem Ziel, auch die allgemeinen Fragen der Subsidiarität zu klären.

Nun einige Grundrechte, die nach unserer und auch nach meiner Ansicht in den EU-Vertrag aufgenommen werden müssen:

Erstens: Die in der Gemeinschafts-Charta für Arbeitnehmerrechte von 1989 enthaltenen Grundgesetze sollen als verfassungsmäßige Bestimmungen in den Vertrag aufgenommen werden.

Zweitens ist es unverzichtbar, daß die Europäische Union die transnationalen Rechte auf Zusammenschluß zum Zwecke von Tarifverhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen anerkennt.

Drittens: Die EU soll als Trägerin von humanistischen Werten in der Europäischen Menschenrechtskommission wirken und die Möglichkeit erhalten, Chancengleichheit und Gleichbehandlung zu gewährleisten, um sich dadurch der Diskriminierung widersetzen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der europäischen Staatsbürgerschaft leisten zu können.

Zu begrüßen und anzuerkennen ist auch das aus den Berichten zu entnehmende große Bemühen des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky und der weiteren Regierungsdelegation, was den besonderen Einsatz für die Beschäftigungssituation in Österreich betrifft. Zu meinem Bedauern wird das Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Europa von den anderen Regierungen trotz derzeit über 18 Millionen Arbeitslosen anscheinend bewußt verdrängt und in seiner gesellschaftspolitischen Auswirkung bei weitem unterschätzt. Daher haben wir Österreicher bei der Regierungskonferenz 1996 weiterhin die Verpflichtung, verstärkten Druck zu machen, um zu einem europäischen Beschäftigungspakt zu kommen. Der Beschäftigungspakt soll auf dem allseits bekannten Weißbuch von Delors aufbauen, aber auch die Umsetzung der darin vorgesehenen Maßnahmen beschleunigen.

Es ist auch an der Zeit und angebracht, eine strenge Überprüfung der bisher gesetzten, aber nicht ausreichenden Aktivitäten und Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation vorzunehmen. Es gilt vor allem zu prüfen, wieweit die Verantwortlichen in der EU oder auch die nationalen Regierungen ihre übernommenen Verpflichtungen im Sinne einer stärkeren Beschäftigung bisher erfüllt haben. So hat zum Beispiel die überzogene Stabilitätspolitik in Europa zu einer großen Nachfragelücke geführt und somit auch das Ansteigen der Arbeitslosigkeit ausgelöst.

Das große wirtschaftliche Gefälle in Europa und die offenen Grenzen setzen eine noch stärker koordinierte Konjunkturpolitik voraus, da sonst ein großer Teil der öffentlichen Aufgaben ins Ausland abwandert, vor allem dann, wenn die Preise und die Zinsentwicklung in den Nachbarländern sehr unterschiedlich verläuft. Selbst strukturpolitische Aktionsprogramme, die es gibt – das ist nicht zu bestreiten –, hätten sicherlich mehr Erfolg, würden sie besser als bisher auf der europäischen Ebene koordiniert.


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Um das Ziel Vollbeschäftigung in Europa wieder zu erreichen, gilt es vor allem, die politisch Verantwortlichen in Europa – den Rat, das Parlament, aber auch den Ausschuß der Regionen, die Kommission und die nationalen Regierungen – noch mehr als bisher zu mobilisieren, um die hohe Arbeitslosigkeit in Europa gemeinsam abzubauen.

Der Beschäftigungspakt, den ich eingangs erwähnt habe, soll weder ein neues Weißbuch noch ein auf europäischer Ebene ausgehandelter Gesetzestext werden. Es sollen damit auch nicht die Ziele der Wirtschafts- und Währungsunion verändert werden, und es ist nicht daran gedacht, die Gemeinschaftsausgaben zu erhöhen. Es sollen vielmehr raschest die Vorschläge der Kommission zur Umschichtung von Ausgaben innerhalb der Haushalte für wachstums- und beschäftigungsintensivere Bereiche umgesetzt werden, wie zum Beispiel für transnationale Verkehrsnetze, wie das die ehemalige Bundesrätin und jetzige Europaparlamentarierin, Kollegin Schierhuber, vor wenigen Tagen gemacht hat.

Liebe Kollegen! Ich möchte aber auch auf das Argument der Kollegin Dr. Riess-Passer eingehen, die im Vorbeigehen eine Anmerkung zu Semperit, zu Conti in Traiskirchen gemacht hat und das mit der Europäischen Union in Verbindung bringen wollte. Ich glaube, daß das ein ganz billiger und falscher Versuch gewesen ist und den F-Darstellungen entspricht. Das hat ihr sicherlich ihr Parteivorsitzender oder ihr Führer Haider erzählt, der am Mittwoch auf ein Sprüngerl bei der Portierloge der Firma Semperit-Conti in Traiskirchen vorbeigeschaut und dort versucht hat, sich ein blaues Federl für seinen Hut abzuholen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie haben sicherlich keine Fehler begangen! Sie haben die Leute nur verraten!)

Dieser Versuch ist leider mißlungen, lieber Herr Kollege! Es ist für uns unerträglich, und es ist für uns eine Provokation, wie sich dieses deutsches Multiunternehmen Conti seit Monaten im Werk Traiskirchen gebärdet. Es führt uns vor Augen, daß es stimmt, daß Kapital nicht die geringste Moral und kein Gewissen hat. Es führt uns vor Augen, daß sich gierig ungehemmtes Profitstreben über bestehende Verträge und über gemachte Zusagen hinwegsetzt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist nicht mehr so, wie es bisher landläufig üblich gewesen ist, daß Multis nur dann so reagieren würden, wenn keine Gewinne oder Erträge mehr gemacht werden. Nein! Auch dann, wenn einem Multi ein Betrieb fast geschenkt wird, wenn er vom Staat Subventionen in Milliardenhöhe erhält, wenn er Tausende hochmotivierte, qualifizierte und produktivste Arbeiter und Angestellte als Mitarbeiter in einem Betrieb vorfindet, in dem die Grenzen der Flexibilität seit Jahren voll ausgeschöpft wurden – Vierschichtbetrieb, Samstagarbeit und Sonntagarbeit –, ist das alles nicht genug, meine Damen und Herren! Mit dem Ertrag von Hunderten Millionen Schilling aus pünktlich und reichlich bezahlten Dividenden kauft man einen neuen Standort – nur 200 Kilometer von Traiskirchen entfernt.

Ein Jahr davor verlagert man, vielmehr stiehlt man – entgegen allen Abmachungen und Vereinbarungen – die Entwicklungsabteilung. Das in Österreich noch entwickelte neue Produkt darf nicht mehr in Traiskirchen produziert werden.

Und das ist noch nicht alles! Man mutet den Arbeitnehmern von Semperit in Traiskirchen auch noch zu – trotz Erarbeitung eines Sparpaketes in der Höhe von 370 Millionen Schilling –, daß sie die Maschinen, die durch ihren Fleiß und aus Subventionsmitteln des Staates angeschafft worden sind, noch selbst abmontieren und zum Abtransport an den neuen Standort verladen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So kann es nicht weitergehen! Es ist an der Zeit, sich mit den Arbeitnehmern in Traiskirchen und mit der Bevölkerung in dieser Region zu solidarisieren.

Es gibt Bemühungen der Bundesregierung und des Niederösterreichischen Landtages, hier etwas im Interesse der Menschen zu unternehmen und sehr konsequente Verhandlungen zu führen. Sollte es kein Einlenken geben, kein gesicherter Weiterbestand möglich sein, so sind neben den Maßnahmen der Belegschaft auch Maßnahmen der Konsumenten – bei einem 50prozentigen Marktanteil von Conti beim Reifenverkauf in Österreich wäre das sicherlich wirksam – von der Politik zu unterstützen.


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Aber auch die EU wird sich im Rahmen ihrer Instrumente mit dieser Situation auseinandersetzen müssen, ebenso unsere Verantwortlichen in der Regierung, wie sie es bisher schon gezeigt haben, aber auch unsere EU-Rechtsgelehrten, die Vertragsverhandler und die Damen und Herren des Wirtschafts- und Außenministeriums. Aber auch die mit unserem Vertrauen ausgestatteten Beamten des Bundes und des Landes Niederösterreich in der Brüsseler Mission haben mit einer konsequenten Hartnäckigkeit und mit aller Härte die österreichischen Interessen durchzusetzen. Sie können sicherlich mit unserer Unterstützung rechnen.

Robert Schuman, der hier allgemein bekannte große Europäer, meinte einmal: Handeln ist besser als Resignieren! Weiters: Das Warten auf ideale Voraussetzungen ist nur eine billige Ausrede für Untätige. – Zu den Untätigen gehört diese SPÖ-ÖVP-Bundesregierung sicherlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Herbert Schambeck. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.00

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist mehr als ein Zufall, es ist geradezu eine Fügung, daß wir uns gerade im Jahr 1996 – der Herr Präsident hat in seiner beachtens- und dankenswerten Antrittsrede schon auf die Bedeutung des Millenniums Österreichs hingewiesen – mit der europäischen Verpflichtung Österreichs beschäftigen können.

Als wir im Jahr 1946 ein ähnliches Jubiläum unserer Heimat Österreich feiern konnten, gedachten wir damals, ein Jahr nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, dankbar der Erreichung unserer Selbständigkeit. – Jetzt, 1996, gedenken wir gemeinsam, wenn auch von verschiedenen Standpunkten aus, unserer Verpflichtung in Europa und der Welt, und das vier Jahre vor der Zeitenwende des Jahres 2000.

Es ist dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten wirklich zu danken, daß wir laufend in der besten Weise über den Stand der Regierungskonferenz und der Bemühungen Österreichs, seinen Verpflichtungen in der EU nachzukommen, informiert werden. Das verlangt einen zusätzlichen Einsatz bei einer bescheidenen Ausstattung des Personals. Denn auch das Außenministerium muß die Situation im Zeitalter des Sparpakets berücksichtigen. Ich möchte daher namens meiner Fraktion den zuständigen Damen und Herren des Außenministeriums, an der Spitze Vizekanzler Dr. Schüssel und Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner, Dank sagen für das, was hier ständig geleistet wird, meine Damen und Herren, was keine Selbstverständlichkeit ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Auch das notwendige Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt zeigt, wie es möglich ist, in einem Miteinander in Österreich einer internationalen Verpflichtung Genüge zu tun. Wir haben heute Herrn Staatssekretär Mag. Schlögl – ich darf mit Freude sagen: unseren Alt-Bundesratskollegen – reden gehört. Ich möchte in diesem Zusammenhang die wirklich fundierten Papiere erwähnen, die wir bekommen haben. Dazu muß ich sagen: Man bekommt so viel, daß man an sich nichts anderes zu tun hätte, als Europapapiere zu lesen! Aber man muß bedenken, wieviel Gehirnschmalz dahintersteckt, und ich möchte auch darauf verweisen, wieviel persönliches Engagement es seit Jahren auf diesem Gebiet von Spitzenpolitikern und Spitzenbeamten gibt. Ich freue mich sehr, daß ich das in Anwesenheit des zuständigen Sektionsleiters des Außenministeriums, des Herrn Botschafters Dr. Wolte, sagen darf, der schon als österreichischer Botschafter bei der EG und jetzt als zuständiger Sektionsleiter den Weg Österreichs nach Brüssel und in Brüssel mitbestimmt hat. Ich versichere ihn unserer respektvollen Hochachtung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir wollen auch nicht zur Tagesordnung übergehen, meine sehr Verehrten, in einer Zeit, in der so viel über den öffentlichen Dienst geschrieben wird, ohne auch darauf hinzuweisen, was von ganz hervorragenden, auch jüngeren Leuten im Außenministerium an Informationsleistungen erbracht wird. Ich verweise auf das glänzende Europa-Buch, das der Leiter des Völkerrechtsbüros, mein ehemaliger Innsbrucker Mitarbeiter, Herr Botschafter Dr. Cede und Herr Dr.


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Thun-Hohenstein herausgegeben haben. Herr Dr. Thun-Hohenstein hat kürzlich außerdem eine glänzende Publikation, sowohl was den Inhalt als auch was die Form betrifft, veröffentlicht, gerade rechtzeitig auch zur Vorbereitung auf die europapolitische Entscheidung bei den Wahlen zum Europaparlament im Oktober. – Dafür möchte ich Dank und Anerkennung aussprechen!

Meine Damen und Herren! Es ist auch höchst beachtenswert, was sowohl der wissenschaftliche Nachwuchs als auch arrivierte Professoren des öffentlichen Rechts zum Verhältnis des österreichischen Verfassungsrecht im allgemeinen und des Föderalismus im besonderen zur Europawahl einbringen. Ich möchte als einen von vielen, weil seine Leistungen höchst beachtenswert sind, den Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg, Herrn Universitätsprofessor Dr. Schäffer, hier nennen und die Länderkammer auch auf seinen Beitrag über das Länderbeteiligungsverfahren und die Mitwirkung der Landtage, in einer der letzten Nummern der deutschen Zeitschrift für öffentliche Verwaltung erschienen, verweisen. Der Artikel ist höchst lesenswert! Darin ist erstmalig blendend dargestellt, wie die Landtage und die Landesregierungen zusammenwirken und Bund und Länder ihren europäischen Verpflichtungen nachkommen.

Meine sehr Verehrten! Nur in einem Miteinander wird es möglich sein, daß wir Schritt und Tritt in Europa mitvollziehen können. Ich möchte die Freiheitliche Partei, die hier als Oppositionspartei – das ergibt sich aus ihrer Funktion – auch einen anderen Standpunkt einnimmt als die beiden Regierungsparteien, daran erinnern, daß Sie in der Geschichte der sogenannten Zweiten Republik nicht die letzten sind, die für das europapolitische Engagement Österreichs eingetreten sind. Ich möchte Sie nur erinnern an Ihren ehemaligen Klubobmann und späteren Botschafter und jetzt leider schon verewigten Dr. Gredler. Ich erinnere Sie an viele Aktionen, die Ihre früheren Parteirepräsentanten – wenngleich Sie deren Namen, wie in diesem Fall, heute nicht gerne hören: ich meine Herrn Klubobmann Peter – betreffend Teilnahme Österreichs auf dem Weg zum integrierten Europa gesetzt haben.

Wir haben bei der Abstimmung mit über 67 Prozent "Ja"-Stimmen eine überwältigende Mehrheit bekommen. Das sage ich auch mit großem Respekt vor Bundesländern, die Schwierigkeiten hatten, etwa mit dem Transit und Ausländergrundverkehr, wie das großartige Bundesland Tirol: Ich meine, eine Zustimmung von 57 Prozent war dort eine ganz großartige Leistung! Wir hätten uns das vor dem Wahltag nicht einmal für ganz Österreich erwartet. Daher sollten wir der Bevölkerung Dank sagen und zur Kenntnis nehmen – das möchte ich der Oppositionspartei sagen –, wie viele Leute in Österreich sich der europapolitischen Verantwortung bewußt sind. Wir sollten uns deswegen auch bemühen, weil die Wahl im Oktober gleichsam eine Visitenkarte vor der Welt ist, und zwar nicht allein der Regierungsverantwortlichen und der Regierungsparteien, sondern der gesamten Republik Österreich, daß wir eine entsprechende Wahlbeteiligung zustande bringen.

Meine sehr Verehrten! Ich bin mir dessen bewußt, daß sich Österreich weder über- noch unterschätzen soll. Meine Herren Vorredner haben schon alle treffend auf verschiedene Zahlen über die Situation der Wirtschafts- und Sozialentwicklung hingewiesen, und ich bin Herrn Bundesrat Drochter als meinem unmittelbaren Vorredner sehr dankbar, daß er auch auf die soziale Dimension der Europäischen Integration hingewiesen hat. Meine Damen und Herren! Wir sollten einander jedoch nicht krankjammern. Glauben Sie mir: Wir werden in Europa keinen Stich machen, wenn wir statt einer Leistungs- eine Neidgesellschaft sind, meine sehr Verehrten! Das richte ich auch an viele außerhalb des Hauses. Denn man sieht, womit man sich in der öffentlichen Meinungsbildung gerade in diesen Tagen beschäftigt.

Erlauben Sie mir, einen zu nennen, der leider Gottes heute nicht mehr lebt, der einer der großen wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Journalisten Österreichs gewesen ist und unvergeßlich bleiben wird, nämlich Horst Knapp. Horst Knapp, meine sehr Verehrten, hat 1995 in einer Publikation: "Reden über Österreich – Die Zweite Republik – eine Erfolgsstory" veröffentlicht. Horst Knapp war kein Politiker der Regierungsparteien, er war ein Mann, dem man Sachlichkeit und Objektivität unabhängig von parteipolitischen Unterschieden bescheinigen kann. Lassen Sie mich mit Zustimmung des Herrn Präsidenten Horst Knapp zitieren, eine Persönlichkeit, die es verdient, nach ihrem Ableben mit Dank und Anerkennung genannt zu werden.


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Horst Knapp schrieb damals im Hinblick auf Österreich: Der Nabel macht nur ein Siebzehntausendstel der Oberfläche des menschlichen Körpers aus. Dagegen befindet sich innerhalb der Grenzpfähle immerhin ein Siebzehnhundertstel der festen Erdoberfläche, und von den 5,5 Milliarden Bewohnern dieses Planeten genoß 1994 jeder Sechshundertachtzigste in Österreich Heimat- und Gastrecht. Im Weltexport wurde 1993 jeder neunzigste Dollar von Österreich verdient, und von den Goldreserven sämtlicher Staaten der Welt befand sich 1992 jede Siebenundvierzigste Unze in den Tresoren der Oesterreichischen Nationalbank.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, etwas auf konkrete Zahlen eingehen, weil meine Vorredner das, kontrastierend, auch getan haben. Betrachten wir die finanzielle und wirtschaftliche Situation unseres Landes aktualisiert und komplettiert im Detail und insgesamt, so kann vergleichsweise festgestellt werden, daß die Oesterreichische Nationalbank 1955 Goldreserven im Wert von 1,7 Milliarden Schilling und Ende 1995, also Ende des vergangenen Jahres, von 22,5 Milliarden Schilling hatte. – Dafür brauchen wir uns nicht zu genieren!

Die Devisenreserven, Hoher Bundesrat, stiegen zwischen 1955 und 1995 von rund 7,5 Milliarden Schilling auf 179 Milliarden Schilling. Im März 1996 konnte bei den Devisenreserven sogar ein Rekordstand von 197 Milliarden Schilling festgestellt werden. Dafür brauchen wir uns wirklich nicht zu genieren!

Das Volkseinkommen belief sich im Jahre 1995 auf 1 749 Milliarden Schilling. Ein EU-weiter Vergleich des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner zeigt, Hoher Bundesrat, daß Österreich nach Luxemburg, Dänemark und Deutschland sogar den vierthöchsten Wert aufweist. Was die Ersparnisse betrifft, so verfügten die Österreicher Ende 1995 über Spareinlagen im Ausmaß von 1 500 Milliarden Schilling. Diese Spareinlagen wurden auf 25 807 000 Sparkonten gehalten. Das Geldvermögen der Österreicher betrug Ende 1995 insgesamt 3 766 Milliarden Schilling. Damit könnte im Jahre 1996 der magische Wert von 4 000 Milliarden Schilling erreicht oder sogar überschritten werden. – Ich möchte die Zahlen in den Raum stellen, damit wir das zur Kenntnis nehmen können.

In bezug auf die Arbeitslosigkeit konnte festgestellt werden, daß diese im März 1996 durchschnittlich 3,9 Prozent betrug. Damit verfügt Österreich, weltweit gesehen, über eine der niedrigsten Arbeitslosenraten. Denn der EU-Durchschnitt, Hoher Bundesrat, betrug im Jahre 1995 11,2 Prozent. Allerdings möchte ich dazu sagen, daß die jeweilige Situation jeden Arbeitslosen selbstverständlich 100prozentig trifft, das ist gar keine Frage. Es liegt daher in der Verantwortung von Politikern, sich in einem Miteinander um die Sicherung der Arbeitsplätze zu bemühen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ebenso besteht die Verpflichtung für alle Juristen – ich bin sehr dankbar, daß Staatssekretär Mag. Schlögl auch darauf hingewiesen hat –, mit dem wirtschaftlichen und dem sozialen Teil der europäischen Integrationsbemühungen auch den rechtlichen zu verbinden: Ich meine den Schutz der Menschenrechte. – Erlauben Sie mir – das ist jetzt keine Geste der Anpassung, sondern der Übereinstimmung –, daß ich nach Herrn Bundesrat Drochter sage: Es kann keinen Grundrechtskatalog im 20. Jahrhundert geben, der nicht auch soziale Grundrechte beinhaltet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bin schon in einem Alter, in dem ich sozusagen "nachlesbar" bin. Ich habe als neuernannter Professor der Innsbrucker Universität am 22. Dezember 1966 meine damalige Antrittsvorlesung dem Thema gewidmet: "Bild und Recht des Menschen in der europäischen Sozialcharta". Diese ist bei Dunker & Humblodt später im Rahmen eines Buches über Grundrechte und Sozialordnung erschienen. – Meine Damen und Herren! Es wird darauf ankommen, daß man die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und liberalen Grundrechte in entsprechender Rechtsform einbringt, sodaß sie nicht aneinander reiben, sondern sich miteinander ergänzen.

Ich bin sehr dankbar dafür, daß unter der Kanzlerschaft von Dr. Josef Klaus und in der Fortsetzung auch unter Bundeskanzler Dr. Kreisky eine Grundrechtereformkommission viele Jahre hindurch hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Respekt den Namen des früheren Sektionschefs und späteren Präsidenten des Verwaltungsgerichts


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hofes Dr. Edwin Loebenstein nennen. Es ist auch erfreulich, daß man im Nationalrat bereits erste Schritte in Richtung der Schaffung eines neuen Grundrechtskatalogs gegangen ist, wobei ich hoffe, daß wir bald zu einer umfassenden Verabschiedung kommen können.

Meine sehr Verehrten! Es ist für uns im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft Österreichs bei der EU natürlich von größter Wichtigkeit, daß wir uns hier im Bundesrat auch intensiv mit den Institutionenfragen beschäftigen. Wir würden unsere Kompetenz als Länderkammer in der Bundesgesetzgebung verschweigen, wenn wir auf die Notwendigkeiten des Föderalen und Regionalen in der Europäischen Integration verzichteten.

Ich bin Herrn Vizekanzler Dr. Schüssel, ebenso wie Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner sehr dankbar, welche uns voriges Mal in einer beeindruckenden Leistung nicht utopistisch, sondern realistisch dargestellt hat, welches Verständnis die anderen EU-Staaten für unsere föderalen und regionalen Anliegen haben. Und auch Herr Staatssekretär Mag. Schlögl hat darauf hingewiesen, wo wir mit Verständnis rechnen können und wo nicht.

Ich selbst habe 1992 in der Zeit meiner damaligen Präsidentschaft im Bundesrat eine Initiative betreffend eine Enquete über Föderalismus und Regionalismus im integrierten Europa ergriffen, und wir haben eine diesbezügliche Enquete abgehalten, an welcher die Senatspräsidenten und die Präsidenten der Länderkammerstaaten Europas teilgenommen haben. – Es ist leider eine Tatsache, daß von den EU-Mitgliedern nur Deutschland und Österreich angestammte Föderalstaaten mit einer entsprechenden Tradition sind, wobei die Bundesrepublik Deutschland aus einem Staatenbund dazu wurde und wir aus einem dezentralisierten Einheitsstaat. Wir leiden heute noch darunter, daß die Kompetenzverteilung Österreichs vor 1918 – damals handelte es sich in Österreich um einen dezentralisierten Einheitsstaat – heute noch die Grundlage der Kelsenschen Kompetenzverteilung ist. Ein Teil der Beamtenschaft und auch einige nicht ganz einsichtige Politiker klammen sich noch immer krampfhaft an dieser veralterten Kompetenzverteilung an.

Ich bin der Landeshauptmännerkonferenz sehr dankbar. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den verewigten unvergeßlichen, europapolitisch bedeutenden Landeshauptmann Dr. Haslauer wieder nennen. Ich möchte auch dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg, Dr. Purtscher, einem Vorausdenker europäischer Dimension, danken, daß auch im Einvernehmen mit dem Herrn Landeshauptmann von Burgenland, Stix, in der Ausführung des Perchtoldsdorfer Abkommens wesentliche Schritte gesetzt wurden. In Verbindung damit möchte ich auch den damaligen Föderalismusminister, unseren Bundesratskollegen Jürgen Weiss, nennen. Meine sehr Verehrten! Wir haben die Verpflichtung, das, worüber wir uns geeinigt haben, auch konkret einzubringen!

Meine Damen und Herren! Wenn auch nicht alle Verständnis für die Abmachungen bei den Konferenzen in Rom, Florenz und Turin zeigen, darf ich Ihnen sagen: Es wäre begrüßenswert, wenn das Subsidiaritätsprinzip um einen Hinweis auf die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften ergänzt werden könnte. Es soll einen weiteren Anstoß zur Erstellung eines sachbezogenen Kompetenzkatalogs unter Zugrundelegung des Subsidiaritätsprinzips geben, in dem die Aufgaben und die Kompetenzen der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten einschließlich der regionalen und lokalen Körperschaften verdeutlicht werden. Der Ausschuß der Regionen, meine sehr Verehrten, den wir nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen wollen, soll noch vermehrt herangezogen werden können. Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes Geschick, daß alle österreichischen Bundesländer durch die Landeshauptleute in diesem Regionalausschuß vertreten sein können, ebenso wie auch durch den Städte- und Gemeindebund, den wir auch in der Verfassung verankert haben, was damals gar nicht so leicht zu machen war. Ich möchte auch dem Herrn Bundesminister außer Dienst Jürgen Weiss für sein Verständnis bei dieser Wegweisung Dank sagen.

Meine Damen und Herren! Es wäre wertvoll, wenn der Ausschuß der Regionen in die Vorabkontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips eingebunden werden und für den Fall der Verletzung dieses Prinzips ein Anfechtungsrecht beim Europäischen Gerichtshof erhalten könnte. Es wäre auch wichtig, die Kompetenzen des Regionalausschusses auf weitere Politik


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bereiche auszuweiten. Ich könnte noch viele weitere Vorschläge hier unterbreiten und mich dabei mit vielen auf regionaler und föderaler Ebene eins wissen.

Ich möchte allerdings in diesem Augenblick auch nicht verschweigen, daß ich – wie Herr Staatssekretär Schlögl bereits gesagt hat – leider realistisch zur Kenntnis nehmen muß, daß nicht alle daran interessiert sind, daß der parlamentarische und demokratische Gehalt der EU erweitert wird. – Ich glaube, daß jene Möglichkeiten, die wir auch im Länderbeteiligungsverfahren, im Miteinander von Bundes- und Landesorganen, eröffnet haben, von größter Wichtigkeit sind. Ich nenne etwa die Verantwortung des Landeshauptmanns gegenüber dem Landtag und die Stellung der Landtagspräsidenten im Zusammenhang mit den EU-Kompetenzen. Der Herr Präsident hat heute auch schon treffend darauf hingewiesen, was die Geschäftsordnungsreform des Nationalrates für den Bundesrat bringt. Wir begrüßen all das selbstverständlich, es ist aber noch immer nicht ganz ausreichend. Wir nehmen es, wie gesagt, zur Kenntnis, wir sind ja schon bescheiden geworden.

Es hat hier ein neues Verfassungs- und ein neues Amts- und Funktionsverständnis Platz gegriffen. Meine Damen und Herren! Es wäre begrüßenswert, würde man auch nach dem Jubiläum des Bundes-Verfassungsgesetzes 1995 und dem heurigen Jubiläumsjahr nicht vergessen, daß es für das Europa-, Verfassungs- und Staatsbewußtsein Österreichs wichtig wäre, wenn es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes käme, damit das österreichische Verfassungsrecht in seiner Geschlossenheit noch deutlicher wird.

Meine Damen und Herren! Wir sind auch sehr dankbar für die Bemühungen des Nationalrats und der Bundesregierung und für die Initiativen der Landeshauptleute und der Landtagspräsidenten, mit deren Hilfe Möglichkeiten im Rahmen des Länderbeteiligungsverfahrens im Hinblick auf die Stellung der Bundesregierung in europapolitischen Angelegenheiten geschaffen wurden. Ich verweise auch auf die demokratische Legitimation der Ratsmitglieder, durch die eine Parlamentsorientiertheit eröffnet wurde, wie es sie kaum in einem anderen Staat in Europa gibt. Es ist wirklich sehr wertvoll, Hoher Bundesrat, daß auch ein Spitzenvertreter der Landesregierung an den Konferenzen teilnehmen kann.

Daher bin ich dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Martin Purtscher sehr dankbar dafür, daß er am 17. Juni 1996 bei der Konferenz in Rom die Notwendigkeit betont hat, daß die Kluft zwischen den Bürgern und der EU durch eine volle Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips verringert wird, wobei regionale und kommunale Ebenen verstärkt einbezogen werden sollten. Ich bin auch Herrn Vizekanzler Dr. Schüssel und Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner sehr dankbar, daß sie sich in ständigem Einvernehmen auch mit den zuständigen Vertretern der Länder dafür einsetzen, daß das föderale und regionale Prinzip zum Tragen kommen kann und zum Tragen kommt.

Meine Damen und Herren! Zu welchen Ergebnissen die Turiner Konferenz auch immer führen wird: Man wird sich um eine größere Übersichtlichkeit und eine Verringerung der Verfahren bemühen müssen. Das ist von größter Wichtigkeit. Es wird begrüßenswert sein, wenn die Kompetenzen des Europaparlaments erweitert werden, wobei ich Ihnen sagen möchte: Wenn es im Zusammenhang mit der Wahl des Präsidenten der Kommission auch der Zustimmung des Europaparlaments bedarf, ist das noch nicht der größte Erfolg. Denn es kommt auch in diesem Bereich auf die Kompetenzen an. Es gilt das gleiche wie für die Bestellung der Bundesräte: Ob sie durch Volkswahl bestellt werden – da haben sie das Glück, ihre Namen auf den Litfaßsäulen wiederzufinden – oder ob sie von den Landtagen entsandt werden, beides ist beachtenswert, entscheidend sind jedoch die Kompetenzen, meine sehr Verehrten! Dasselbe gilt auch für das Europaparlament.

Nach jahrzehntelangen Erfahrungen im Bundesrat habe ich bisweilen den Eindruck, daß es uns Bundesräten besser geht als den Parlamentariern im Europaparlament, wenngleich diese beim Budget ein Mitwirkungsrecht haben und wir nicht. Hingegen gibt es hier eine Reihe anderer Kontrollmöglichkeiten, von denen das Europaparlament noch weit entfernt ist. Ich möchte allerdings allen Europaparlamentariern, auch Frau Kollegin Crepaz, die heute unter uns weilt, und Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, herzlich für das Engagement danken, das sie selbst immer wieder


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im europäischen Bereich einbringen. Das ist nicht immer ganz leicht, das möchte ich ehrlich sagen, Frau Kollegin, wenn ich nur etwa an die Föhnlage und die Flüge von und nach Innsbruck denke, meine Stärke liegt bei Flugzeugen im Aussteigen und nicht im Einsteigen.

Ich glaube, Engagement wird auch in Zukunft notwendig sein. Denn man beschäftigt sich unentwegt damit, was die Mandatare für Österreich alles leisten, wenn sie nicht gerade in Zipfelzell ein Band durchschneiden, sondern im Ausland etwa einen Einsatz zur Arbeitsplatzsicherung erbringen.

Meine sehr Verehrten! Wir werden in Zukunft auch bei den Europakonferenzen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die EU nicht vergleichbar ist mit einem normalen demokratischen Verfassungsstaat. Es gibt bei der EU eine Exekutivlastigkeit und eine andere Form der demokratischen Legitimation. Ich möchte nicht von Demokratiedefizit sprechen. Aber es handelt sich um eine andere Form der demokratischen Legitimation. Die Ratsmitglieder sind demokratisch legitimiert von den nationalen Parlamenten. Wir müssen, meine sehr Verehrten, zur Kenntnis nehmen, daß es sich hierbei um ein Gebilde im internationalen Recht sui generis handelt, und man möge sich nach dem Subsidiaritätsprinzip immer vor Augen halten, daß wir von der EU nicht das verlangen können, was wir im eigenen Staat nicht zu leisten imstande sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe bisweilen den Eindruck, daß manche in der Europapolitik nach dem Motto "Haltet den Dieb" vorgehen möchten oder etwas verlangen, was sie selbst ohne Mentalreservation im Inland nicht bereit zu tun sind. Ich bin daher Herrn Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und meinem Freund, dem früheren Landeshauptmann von Niederösterreich, Siegfried Ludwig, ohne dessen Ja ich nicht hier stehen würde – ich versichere Sie meines Mitgefühls –, dankbar, daß sie 1992 das Perchtoldsdorfer Abkommen unterzeichneten.

Meine Damen und Herren! Für die Sozialdemokratische Partei Österreichs bedeutet es einen Sprung über den eigenen Schatten. Wir müssen uns nur bemühen, meine Damen und Herren, daß das, was damals an Bundesstaats- und Bundesratsreform vereinbart wurde, endlich durchgeführt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

In anerkennenswerter Weise wurden nach der letzten Nationalratswahl auch bereits Ergebnisse eingebracht. Ich möchte den jetzigen Klubobmann Dr. Kostelka nennen, der zu dieser Zeit Staatssekretär war, wobei ich zugebe, daß er sich in seiner damaligen Rolle als Staatssekretär mehr dafür engagiert hat als jetzt als Klubobmann. Sie sehen, Herr Staatssekretär Mag. Schlögl, daß ich diesbezüglich Realist bin! Aber wenn man all das seit 1969 erlebt, ist man auch für Brotkrumen schon dankbar, bevor man verreckt, meine Damen und Herren!

Ich freue mich sehr, daß diese Regierungsvorlage zur Verfassungs- und Bundesstaatsreform eingebracht wurde. Und erlauben Sie mir zu sagen: Man soll nie Verfassungsänderungen vornehmen und außenpolitische Maßnahmen treffen im Hinblick auf augenblickliche Mehrheitsverhältnisse! Denn diese können sich ändern! Wir haben zum Glück eine dynamische Demokratie auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene. Außerdem, meine sehr Verehrten, kann man nur das gemeinsam vertreten, was man gemeinsam erarbeitet hat. Darum lade ich auch die Freiheitliche Partei ein, das zu bedenken, was der Herr Präsident heute dankenswerterweise auch schon in seiner Rede in bezug auf die Geschäftsordnungsreform des Bundesrates gesagt hat. Meine Damen und Herren! Solange es Menschen gibt, wird es immer Reformen geben. Es gibt Leute, die ihre Wohnung nach ihrer Eheschließung beglückt einrichten und nach einigen Jahren feststellen, daß sie eigentlich die Bilder anders aufhängen und die Möbel anders positionieren wollen. Arg ist natürlich, wenn sie entdecken, daß sie einen anderen will und er will eine andere. Das wäre arg! Aber wenn man der Meinung ist, daß man miteinander weiter marschieren will – und das ist doch unsere Absicht! –, dann sollte man sich auch gemeinsam darum bemühen! Daher sollten wir uns bemühen, in die Geschäftsordnung auch die europapolitische Konsequenz einzubringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin, beginnend mit dem Vorarlberger Landtag, meinem Freund, dem Präsidenten und Bürgermeister Dipl.-Vw. Gasser sehr dankbar, daß er in föderalen Fragen auch ein Vordenker ist.


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Wenn alle Landtagspräsidenten und alle Landeshauptleute mit den föderalistisch denkenden Mitgliedern der Bundesregierung und den Damen und Herren Staatssekretären – Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner kommt aus Salzburg – zusammenarbeiten, dann werden wir, wie ich glaube, einen konstruktiven Beitrag leisten können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen sagen: Es gibt viele, die für eine Europäische Integration nicht allein wegen der lachenden Engel von Reims, der Sainte Chapelle in Paris oder des Hradschin in Prag gewesen sind. Ich gebe aber zu, es ist eine Freude, daß man anstelle von Leningrad jetzt St. Petersburg sagen kann. Ich hoffe nur, daß die Leute in St. Petersburg auch etwas zu essen, zu trinken und zu wohnen haben und glücklich sind. Meine sehr Verehrten! Es ist schön, daß wir frei zur Basilius-Kathedrale in Moskau gehen können und nicht jeder Lenin aufsuchen muß, sondern nur derjenige, der das will. Meine sehr Verehrten! Wir können und sollen dieses Europa gemeinsam gestalten. Dafür sind auch Henri Spaak von eurer Seite, Robert Schuman, Josef Bech – nicht mit hartem "P", sondern mit weichem "B" geschrieben – eingetreten. Dafür waren auch Konrad Adenauer oder Alcide de Gasperi, der hier im alten österreichischen Reichsrat gesessen ist. Ich habe Fanfarni und Andreotti früher, wenn auch getrennt, hier auf ihre Plätze geführt.

Meine sehr Verehrten! Es ist ein großes Anliegen, daß wir diesen Weg gemeinsam beschreiten können. Ich würde Sie daher alle bitten – auch die Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei –, sich in Hinblick auf die Verantwortung für dieses Europathema so wenig polemisch wie möglich zu verhalten, sondern sachlich. Denn der einzelne Mensch soll mit Europa die Freude haben, die Beethoven in der Neunten Symphonie, die er in meiner Heimatstadt in Baden komponierte, beschrieben hat – ohne mein Zutun, denn ich war damals noch nicht einmal eine Ahnung –: "Freude, schöner Götterfunken". Wäre es nicht schön, wenn diese Europahymne: "Freude, schöner Götterfunken", eine Freude beschriebe, die in Österreich jeden Mann und jede Frau zwischen Neusiedler See und Bodensee begleitet, damit wir freudig und nicht ängstlich der europäischen Entwicklung entgegengehen. – Daher: Alles Engagement für das integrierte Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.30

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz. – Ich erteile es ihr.

14.30

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich nicht sehr einfach, nach den erschöpfenden Ausführungen des Vizepräsidenten zum selben Thema das Wort zu ergreifen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber ja!)

Wenn wir heute über den Stand der Beratungen der europäischen Regierungskonferenz debattieren, dann sollten wir nicht vergessen, daß wir deshalb darüber debattieren, weil Österreich der EU beigetreten ist. Nur wegen des Beitritts zur Europäischen Union sitzt die Republik Österreich als gleichberechtigter Partner am europäischen Verhandlungstisch. Und nur wegen unseres Beitritts zur EU können wir die europäische Zukunft direkt mitbestimmen und mitgestalten. Das ist eine Chance, um die man uns auch in vielen Nachbarstaaten beneidet, sicherlich auch in der Schweiz, die heute schon des öfteren zitiert wurde, etwa von meinem Vorredner, Kollegen Schambeck.

Ich fliege von Brüssel immer über Zürich und lese in der Swissair oft auch die renommierte "Zürcher Zeitung". Einmal las ich darin einen Beitrag darüber, daß die Schweiz seit dem Beitritt Österreichs und dem Nichtbeitritt der Schweiz zum EWR bereits 50 000 Arbeitsplätze verloren und zur Schaffung von 200 000 Arbeitsplätzen in der EU beigetragen hat. Ich weiß, daß es in der Schweiz heute bereits mehr als 50 Prozent Zustimmung für den Beitritt gäbe. Viele Schweizer bereuen es bereits, daß sie nicht zumindest Mitglieder des EWR sind.

Ich glaube, wir müssen unsere Chancen nützen und auch unsere Standpunkte selbstbewußt in die Beratungen einbringen. Wir müssen aber auch ein offenes Ohr für die Anliegen unserer europäischen Partner haben. Denn nur so können wir vernünftige, tragfähige und auch zu


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kunftsorientierte Kompromisse erreichen, die uns dem Ziel einer effizienteren, ausbaufähigeren und sozial gerechteren Europäischen Union näherbringen.

Betrachtet man den vorliegenden Bericht des Vorsitzes über den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz, so fällt auf, daß die 15 Mitgliedstaaten in wesentlichen Punkten noch weit von einer Einigung entfernt sind. Manchmal ist es enttäuschend, wenn zentralen Anliegen und Notwendigkeiten mehr oder weniger ausgewichen wird.

Das gilt vor allem für die Beschäftigungspolitik. Es wird zwar festgestellt, daß das derzeitige Ausmaß an Arbeitslosigkeit eines der gravierendsten Probleme sei, mit denen die Union und die Mitgliedstaaten zurzeit konfrontiert sind. Doch schon im nächsten Satz wird die Aufgabe der Lösungssuche den Mitgliedsstaaten und den Unternehmen zugeschoben.

Weiters wird betont, daß sich Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene nicht auf den Zeitplan und die Kriterien der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion auswirken dürfen. – Ich habe das Gefühl, daß sich die Europäische Union selbst die Hände binden will, und zwar gerade in einem Bereich, der sich wie kein anderer dazu eignet, das Vertrauen der Unionsbürger in die Europäische Union zu stärken und wiederherzustellen.

Eine europäische Beschäftigungspolitik ist zu wichtig und das Problem der Arbeitslosigkeit ist zu drängend, als daß man die Lösungssuche in diesem Bereich nur den Mitgliedsstaaten und den Unternehmen überlassen dürfte. Subsidiarität darf nicht als Ausrede herangezogen werden. Die triste Beschäftigungslage in weiten Teilen der Union verlangt mehr Entschlossenheit. Ich hoffe, die österreichischen Vertreter bringen diese Entschlossenheit in die Verhandlungen und Beratungen ein. Wir brauchen ein ehrgeiziges Konzept, um den Erwartungen der Öffentlichkeit gerecht zu werden. Im Vertrag muß klar festgeschrieben werden, daß das Problem auf allen Ebenen, auch auf der Gemeinschaftsebene, angegangen werden muß. Wir müssen das Sozialprotokoll in den Vertrag aufnehmen. Vollbeschäftigung und hoher sozialer Schutz müssen als Ziele der Gemeinschaft definiert werden. Und es muß klar werden, daß die Beschäftigungspolitik ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Wirtschaftspolitik ist. Dafür setzen wir Sozialdemokraten uns ein. Von den konservativen und liberalen Europapolitikern hört man in dieser Richtung leider nur sehr wenig. Sie scheinen das Problem Arbeitslosigkeit am liebsten zu verdrängen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sozialdemokratische Frauenpolitikerin und als Mitglied des Ausschusses für die Rechte der Frau im Europäischen Parlament erwarte ich mir von der Regierungskonferenz 1996 in bezug auf die europäische Gleichstellungspolitik die Festschreibung der Gleichstellung in den europäischen Grundverträgen. Die Gleichbehandlung von Mann und Frau darf sich nicht wie bisher nur auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit beschränken. Damit wird die Gleichbehandlung zum Beispiel bei Beförderungen noch lange nicht gewährleistet.

Noch etwas möchte ich auch an dieser Stelle klar sagen: Es genügt nicht, nur das Sozialprotokoll der Europäischen Union etwas nachzubessern, wenn es dann in einem Mitgliedstaat keine Anwendung findet. Um der Gleichbehandlung in der Gemeinschaft zum Durchbruch zu verhelfen, bedarf es der Festschreibung in den Grundverträgen und klarer Vorgaben an die Mitgliedsstaaten in Form von Richtlinien. Der derzeitige Stand der Beratungen in diesem Bereich ist von diesem Ziel noch weit entfernt.

Abschließend möchte ich noch zu drei Punkten kurz Stellung nehmen.

Erstens: Die Beratungen des Rates, des entscheidenden Gremiums in der Europäischen Union, müssen mehr Öffentlichkeit haben. Im Europäischen Parlament werden sämtliche Plenarsitzungen und Ausschußsitzungen und auch viele Besprechungen öffentlich abgehalten. Ähnliches sollte für den Rat gelten, denn es geht nicht an, daß wesentliche Entscheidungen für die Gemeinschaft hinter verschlossenen Türen fallen. Es ist untragbar, daß für die Unionsbürger nicht nachvollziehbar ist, wie die Entscheidungsfindung abläuft. Nur durch mehr Öffentlichkeit ist eine demokratische Kontrolle des Rates möglich.


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Zweitens: Prinzipiell bin ich für die Ausdehnung des Prinzips der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit. Schon jetzt wirkt in der Gemeinschaft der Fünfzehn das Prinzip der Einstimmigkeit in wichtigen Fragen oft als Hemmschuh. In einer erweiterten Union wird Einstimmigkeit noch viel schwerer zu erreichen sein, allerdings muß man auch sehen, daß die Einstimmigkeit in vielen Fällen auch eine Schutzfunktion beinhaltet, vor allem in Fragen von nationalem Interesse. Wenn jetzt laut dem Bericht über den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz die Ausdehnung der Entscheidungsfindung durch qualifizierte Mehrheit auf bestimmte Aspekte der Umweltpolitik erörtert wird, ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn darunter jedoch etwa auch die Bewirtschaftung von Wasserressourcen fallen soll, wie in dem Bericht angedeutet wird, so möchte ich doch zur Vorsicht mahnen. Seit einiger Zeit wird unter anderem auch in Tirol das Gerücht verbreitet, die EU wolle die heimischen alpinen Wasserressourcen anzapfen und nach Spanien umleiten. Ich konterte bis jetzt in solchen Fragen immer mit dem Argument, daß, wenn dafür Einstimmigkeit erforderlich ist, gegen unseren Willen nichts entschieden werden kann. Wenn in diesem Bereich jedoch die Einstimmigkeit aufgegeben wird, dann kann – zu Recht – der Eindruck entstehen, daß etwas gegen unseren Willen beschlossen werden könnte. – Wobei ich noch anfügen möchte: Ich habe nichts gegen den Verkauf von überschüssigen Wasserressourcen. Ich halte das im Sinne der Solidarität für notwendig und auch wirtschaftlich für durchaus sinnvoll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme jetzt zu meinem letzten Punkt. Mehr und mehr werden analog zur Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft aus Staatsbürgern Unionsbürger. Ich begrüße daher die Bestrebungen, an die Unionsbürgerschaft mehr Rechte zu binden, selbstverständlich zusätzlich zu den jetzt schon geltenden staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten. Denn ich bin der festen Überzeugung, daß die Zukunft nicht den Engländern, Deutschen oder Franzosen, sondern uns Europäern gehört. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.39

Präsident Josef Pfeifer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.39

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Der Herr Präsident hat in seiner dankenswerten Antrittsrede schon darauf hingewiesen, daß der Nationalrat in den letzten Tagen eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes beschlossen hat, mit der für den Bundesrat die Möglichkeit geschaffen wird, daß sein EU-Ausschuß Angelegenheiten der Europäischen Integration abschließend, das heißt ohne nachfolgende Berichterstattungs- und Vorlagepflicht, an das Plenum erledigen kann. Das ist ein ganz wesentlicher Beitrag dazu, die Arbeit dieses Gremiums wirkungsvoller zu machen. – Es ist allerdings eine bezeichnende Stilfrage, daß der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses im Nationalrat mit keinem einzigen Satz darauf eingeht, daß dieser Änderung ein einstimmiger Gesetzesantrag des Bundesrates zugrunde lag.

Wir hatten am Dienstag im EU-Ausschuß des Bundesrates Gelegenheit, in sehr ausführlicher Weise mit dem Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten die anstehenden Fragen im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz zu besprechen. Ich möchte mich daher in diesem Zusammenhang kurz halten und nur auf zwei Dinge eingehen.

Wir haben dort festgehalten, daß der Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat über den Stand der Beratungen der Regierungskonferenz vom 12. Juni 1996 die Anliegen der Länder, aber auch des Bundesrates selbst, nur in Spurenelementen wiedergibt. Wir sind uns darüber einig gewesen, daß man es bei diesem Resümee nicht bewenden lassen kann, sondern daß diese Anliegen nach wie vor Teil der Verhandlungsmasse aus österreichischer Sicht sein müssen. Wir alle sind Realisten genug, daß wir wissen, welche anderen Interessen von Mitgliedstaaten in der Europäischen Union auch eingebracht werden, aber es wäre sicherlich verfehlt, in diesem Punkt von vornherein klein beizugeben.

Zweitens: In der Diskussion wurde schon mehrfach die Frage angesprochen, inwieweit die Europäische Union Maßnahmen im Bereich der Raumordnung, der Bodennutzung, der Bewirtschaf


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tung der Wasserressourcen oder der Energieversorgung treffen kann. Das sind Bereiche, die bisher nur einstimmig geregelt werden können. Der Bericht über die Regierungskonferenz drückt allerdings aus, daß eine diesbezügliche Änderung nach wie vor zur Diskussion stehe. Der Herr Außenminister hat dann im EU-Ausschuß den sehr plastischen Vergleich gebracht, daß es sich hierbei offenbar um einen toten Hund handle, und dies aus guten Gründen, entsprechend seinen Schilderungen der Verhandlungssituation. Ich bin nur, ganz offen gesagt, etwas irritiert darüber, mit welcher Behendigkeit dieser tote Hund von einem Papier der Europäischen Union zum nächsten hüpft. Ich glaube daher, in diesem Punkt ist eine gewisse Wachsamkeit angebracht.

Wir haben im Bundesrat vor der Erlassung des sogenannten Begleit-B-VG des Jahres 1994, mit dem die innerstaatlichen Entscheidungsabläufe bei der Teilnahme an der Europäischen Union festgelegt wurden, in einer Entschließung gemeinsam festgehalten, daß wir gegenüber dem Nationalrat eine entsprechende Berücksichtigung in diesen Entscheidungsabläufen finden wollen. Für die Länder war bereits im Jahre 1992 im Rahmen einer B-VG-Novelle das sogenannte Länderbeteiligungsverfahren geschaffen worden, das dann durch rechtliche Vereinbarungen präzisiert wurde. Das war damals ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg Österreichs in den EWR und später in die EU.

Es ist nun nach einer doch schon längeren Zeit der Mitgliedschaft und der Anwendung dieser Beteiligungsverfahren sicherlich zweckmäßig, ein bißchen Bilanz zu ziehen, wie sich das bewährt hat und wo künftig mit Verbesserungsmöglichkeiten angesetzt werden könnte. – Es sind in der Tat aus Sicht des Bundesrates selbst und aus Sicht der Länder im Zusammenhang mit der außerordentlich starken Stellung des Nationalrates, die er sich gesichert hat, noch einige Fragen offen. Ich nenne nur ein paar Beispiele.

Das Informations- und Stellungnahmerecht der Länder ist auf jene Fälle beschränkt, die ihren selbständigen Wirkungsbereich berühren oder sonst für sie von Interesse sein könnten. Das Mitwirkungsrecht des Nationalrats hingegen ist inhaltlich unbeschränkt und schließt somit auch ausschließliche Landesangelegenheiten mit ein. Hier besteht also ein Ungleichgewicht der Informations- und Mitwirkungsmöglichkeit.

Zweitens: Wenn ein Regierungsmitglied von einer bindenden Stellungnahme des Nationalrates aus zwingenden außen- oder integrationspolitischen Gründen abweichen will, hat sich der Nationalrat neuerlich damit zu befassen. Das ist sinnvoll. Demgegenüber ist aufgrund der Stellungnahme der Länder oder des Bundesrates eine solche neuerliche Befassung nicht vorgesehen. Das ist ein zweites Ungleichgewicht zu unseren Ungunsten, das wir feststellen müssen.

Schließlich kann der Nationalrat, wenn das EU-Vorhaben eine Änderung des Bundes-Verfassungsrechts, also beispielsweise einen Eingriff in Länderzuständigkeiten, bedeuten würde, einer Abweichung von seiner Stellungnahme widersprechen und sie somit faktisch unmöglich machen. Das Regierungsmitglied ist dann strikt an die Vorgaben des Nationalrates gebunden. Den Ländern und dem Bundesrat hingegen kommt ein solches Widerspruchsrecht nicht einmal in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich zu. – Das halte ich ebenfalls für unausgewogen.

Weiters: Wenn der Nationalrat eine bindende Stellungnahme abgegeben hat, muß ihm das Regierungsmitglied nach der Abstimmung in der Europäischen Union Bericht erstatten. Eine solche allgemeine Berichterstattungspflicht gegenüber den Ländern und dem Bundesrat besteht nicht. Sie entsteht nur dann, wenn von einer bindenden Stellungnahme abgewichen wurde. Eine solche Möglichkeit bestünde für den Bundesrat also nur in außerordentlich seltenen Fällen.

Hinsichtlich der Leitlinien zur Regierungskonferenz hat das Bundeskanzleramt, abweichend von dem in diesem Fall länderfreundlicheren Außenministerium, die für die Länder nachteilige Auffassung vertreten, daß es sich dabei um kein dem Beteiligungsverfahren unterliegendes Vorhaben der EU, sondern lediglich um interne Vorarbeiten österreichischerseits für ein solches Vorhaben handle. Die Landeshauptmännerkonferenz mußte daraufhin ausdrücklich an die Notwendigkeit erinnern, daß wesentliche Vorhaben im Rahmen der EU zweckmäßigerweise gemeinsam getragen werden sollen. Ich räume ein, daß aufgrund der Demarche der Landes


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hauptmänner die Zusammenarbeit wesentlich verbessert wurde und die ursprünglich reservierte Haltung des Bundeskanzleramtes zurückgenommen wurde.

Die Länder haben auch erfahren, daß bei der Zusammenstellung von Verhandlungsdelegationen zu auch die Länder betreffenden EU-Vorhaben versucht wurde, sie teilweise mit dem Hinweis auszubooten, daß bei Übermittlung sämtlicher Informationen und bei Einrichtung einer innerstaatlichen Koordinationsgruppe die Notwendigkeit zur Beteiligung an Verhandlungsdelegationen nicht mehr zum Tragen komme. – Das ist natürlich eine völlige Verkennung der Verfassungsrechtslage und auch der 15a-Vereinbarungen, in denen die Rechte der Länder ausdrücklich festgehalten wurden. Wir haben in Hinblick darauf ein bißchen den Eindruck, daß dieser Rückgriff auf den den Länder zustehenden Sitz besonders immer dann einsetzt, wenn sich zwei Ministerien nicht darauf einigen können, wer in Brüssel den österreichischen Sitz einnehmen soll. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Kommt so etwas denn überhaupt vor?) Warum nicht?

Damit möchte ich schon zum Schluß kommen: Es wird daher davon auszugehen sein, daß die Länder bei den über die Regierungsvorlage hinaus notwendigen weiteren verfassungspolitischen Schritten auch auf die in Punkt 6 der politischen Vereinbarung von Perchtoldsdorf enthaltenen Zusage zurückkommen werden, daß die Mitwirkung der Länder an der Europäischen Integration nach Maßgabe künftiger Entwicklungen ausgebaut werden soll. Eine solche internationale Entwicklung ist durchaus festzustellen. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihr Länderbeteiligungsverfahren in einer für die Länder sehr vorteilhaften Weise inzwischen stark ausgebaut, und auch Belgien hat ein Modell der Beteiligung der Regionen und der autonomen Gemeinschaften entwickelt, das weit über das in Österreich den Ländern möglich Gemachte hinausgeht. Es ist also eine internationale Entwicklung durchaus zugunsten der kleineren Gemeinschaften eingetreten, die man in Österreich nachvollziehen sollte.

Ich persönlich halte eine solche Nachbesserung des Länderbeteiligungsverfahrens und auch der Einbindung des Bundesrates selbst vor allem angesichts der auch in Länderzuständigkeiten hineinreichenden, an sich wünschenswerten starken Stellung des Nationalrates für unerläßlich, gerade wenn wir von einer Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft reden. In Anbetracht der Europawahl sollten wir, glaube ich, den Ländern und Gemeinden und auch uns selbst den Eindruck vermitteln, daß wir uns nach wie vor intensiv, um Max Frisch abzuwandeln, "in unsere eigenen Angelegenheiten mischen" können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.48

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr DDr. Franz Werner Königshofer. – Bitte.

14.48

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich möchte bei der Debatte über diesen Bericht doch noch auf einige Punkte eingehen, über die meine Vorredner ebenfalls schon gesprochen haben.

Zuerst zum Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention: Wenn man nachliest, was in diesem Bericht abgehandelt wird, dann muß man sagen, das ist einigermaßen dürftig. – Ich darf zitieren: Die politischen und rechtlichen Auswirkungen eines Beitritts der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention sind noch eingehend zu prüfen.

Weiters ist hier zu lesen: Im Falle eines Beitritts zur Europäischen Menschenrechtskonvention würde die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte durch die Organe der Europäischen Union durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sichergestellt." – Ende des Zitats.

Ich frage mich, warum eine Regierungskonferenz in dieser für die Menschenrechte in Europa so wichtigen Frage derart zögerlich vorgeht, daß gleichsam nur gefaselt wird. Soweit mir bekannt ist, sind doch die europäischen Mitgliedstaaten in überwiegender Mehrzahl, wenn nicht alle, dieser Europäischen Menschenrechtskonvention bereits beigetreten. Warum ziert sich die Union selbst davor, dieser Konvention zum Schutze der Menschenrechte beizutreten? – Ich frage mich


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wirklich, was sie daran hindert. Oder macht man das ganz bewußt, weil man die Rechtsakte der Union einer Überprüfung durch diesen Gerichtshof entziehen will?

Herr Kollege Penz! Sie schütteln den Kopf: Fragen Sie doch Ihren Vorsitzenden und Außenminister, ob Österreich nicht in dieser Frage vielleicht eine Vorreiterrolle spielen könnte! Wir haben genügend großartige Juristen auch in diesem Hause, die man im Rahmen der EU in dieser Sache wirken und tätig werden lassen könnte.

Das zweite, meine Damen und Herren, was ich ebenfalls eher dürftig finde, ist das Kapitel Beschäftigung. Gerade die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion werden sich das, was in diesem Kapitel ausgeführt wird, angeschaut haben. – Da findet man Platitüden, über die man nur den Kopf schütteln kann. Ich darf von Seite 11 zitieren: Beschäftigung; Ausgangspunkt: Der Vorsitz hat festgestellt, daß über folgende Punkte breiter Konsens besteht:

Erstens: Die Arbeitslosigkeit ist eines der gravierendsten Probleme, mit denen die Union und die Mitgliedsstaaten zurzeit konfrontiert sind. – Nona! Das wissen die Arbeiter in Traiskirchen und die Bauarbeiter auf den Maculan-Baustellen auch.

Zweitens: Es ist insbesondere Sache der Mitgliedstaaten und der Unternehmen, nach Lösungen zu suchen. – Ich muß Ihnen jetzt etwas sagen, meine Damen und Herren! Ein Bruno Kreisky hätte sich mit derartigen Plattheiten auf internationaler Ebene nicht abspeisen lassen!

Dann steht weiter bei Punkt drei: Maßnahmen, die gegebenenfalls auf Gemeinschaftsebene in Betracht gezogen werden könnten, dürfen sich nicht auf den Zeitplan und die Kriterien für die Währungs- und Wirtschaftsunion auswirken. – Es wird doch immer wieder davon gesprochen, daß ein neues Konvergenzkriterium aufgenommen werden soll, ein Beschäftigungskriterium beziehungsweise ein Sozialkriterium, weil die Beschäftigungspolitik in den Staaten der Europäischen Union schräg hängt. Da frage ich Sie: Könnten Sie, wenn Sie im Inland so für ein neues Kriterium plädieren, sich mit diesen Aussagen in der Union wirklich durchsetzen?

Viertens: Im Rahmen der Regierungskonferenz dürfen operationelle Maßnahmen, wie sie vom Europäischen Rat in Florenz angegangen werden, nicht zur Sprache gebracht werden, sondern lediglich institutionelle oder Verfahrensbestimmungen, die in den Vertrag aufgenommen werden könnten. – Ich interpretiere das so, daß man operationelle Maßnahmen, also tatsächliche Maßnahmen, um der Arbeitslosigkeit in Europa entgegenzuwirken, nicht in den Vertrag aufnehmen darf, sondern nur institutionelle oder Verfahrensbestimmungen. Mit diesen institutionellen oder Verfahrensbestimmungen, meine Damen und Herren, werden Sie allerdings die Arbeitslosigkeit in Europa, aber auch in Österreich, etwa in Traiskirchen, nicht bekämpfen können! Da muß man schon echte Maßnahmen vorschlagen und versuchen, diese auf europäischer Ebene umzusetzen!

Meine Damen und Herren! Die Grundverfassung der EU besteht aus den vier Grundfreiheiten: Freiheit der Person, Freiheit des Güter- und Warenverkehrs, Freiheit der Dienstleistungen und Freiheit des Kapitals. Diese vier Grundfreiheiten – so stellt es sich leider nun immer deutlicher heraus – dienen im wesentlichen den Großbetrieben und den multinationalen Konzernen. Diese können diese Grundfreiheiten am ehesten ausnützen – siehe Conti –, und sie nützen sie zu einem rücksichtslosen und ruinösen Wettbewerb, wobei nahezu alle Mittel im Match gegeneinander recht und zulässig sind.

Meine Damen und Herren! Woher kommt denn die große Insolvenzwelle in Europa? – Tausende kleine und auch manche große Betriebe gehen heute zugrunde! Woher kommen die hohen Arbeitslosenzahlen in Europa und auch in Österreich? Wer nimmt die größten Freisetzungen bei Betrieben vor? – Es handelt sich nicht um den kleinen Handwerksbetrieb, denn er kann gar nicht Hunderte Menschen entlassen, sondern es sind die großen wie Semperit und andere. Wer macht die größten Subventionsbetrügereien in dieser Union? Was ist in Bremen mit 500 Millionen D-Mark bei Vulkan passiert, die in Wismar und in anderen Ostwerften investiert werden sollten? – Man hat sie genommen, um Finanzlöcher im Westen zu stopfen! – Damit hat man nicht nur die Westwerft, sondern auch die voll Hoffnung nach Westen schauenden Ostwerften in Gefahr gebracht. Was ist mit dem Bauernsterben in ganz Europa? Steckt da


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nicht die Agrarindustrie dahinter? – Die Schildlausdebatte war eine Harmlosigkeit gegen das, was wir heute mit BSE und Rinderwahn erleben!

Meine Damen und Herren! Das ist die reale Entwicklung in der Europäischen Union! Diese Entwicklung schafft vor allem Abhängigkeiten. Tag für Tag werden mehr und neue Abhängigkeiten geschaffen. Das wollen wir Freiheitlichen nicht, und deshalb werden wir uns die Dinge etwas kritischer anschauen!

Jetzt noch zur WWU, der Währungs- und Wirtschaftsunion. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Bericht. Aus den Kapiteln Beschäftigung und Transparenz wurde schon zitiert. Jetzt stellt sich die Frage: Wer wird bei dieser Währungs- und Wirtschaftsunion mitmachen? – Da geht es um die Erfüllung der sogenannten Maastrichter oder Konvergenzkriterien. Ich habe schon vor zwei Jahren, im Mai 1994, hier in diesem Hause davon gesprochen, daß ich befürchte, daß diese Konvergenzkriterien aufgeweicht, geändert, reduziert werden könnten, um so den Ländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, den Zugang zu einer gemeinsamen europäischen Währung zu ermöglichen. Damals sind von Ihnen Zwischenrufe gekommen, etwa: Woher haben Sie diese Szenarien, Herr Kollege? – Ich habe mir das in den Protokollen wieder angesehen. Jetzt stehen wir vor der Frage: Wie sieht es mit den Konvergenzkriterien aus?

Jetzt zur Gretchenfrage: Wer macht bei der gemeinsamen Währung, beim Euro, mit? – Wenn wir die Konvergenzkriterien zur Gänze aufweichen, könnten alle 15 Staaten der Europäischen Union mittun. Aber dann wird eines passieren, meine Damen und Herren, dann wird ein permanenter Zuschußbedarf von Nord- nach Südeuropa geschaffen werden. Oder diese Euro-Währung wird mit der Zeit eine Weichwährung werden, und wir werden alle Nachteile einer weichen Währung, so wie sie bisher Frankreich, Italien oder Spanien hatten, zu spüren bekommen.

Oder man läßt, wie jetzt geplant ist, nur einige wenige ausgesuchte Staaten, die die Konvergenzkriterien zumindest annähernd erfüllen, an diesem Euro-Block teilnehmen. Das muß auf alle Fälle Deutschland sein, das könnte Frankreich sein, das werden Dänemark, Holland, Österreich und Irland sein. Aber auch diesfalls muß man sich der Konsequenzen bewußt sein. Eine solche Lösung ermöglicht den nicht teilnehmenden Ländern, weiterhin eine selbständige Währungspolitik zu betreiben. Die Italiener, Spanier und so weiter werden ihre handelspolitischen Vorteile durch Abwertungen weiterhin nützen. Es werden so Probleme für beide geschaffen werden. Vor allem aber werden die Inflation und die Zinsen in den nicht teilhabenden Staaten steigen, das heißt, die Staatsschuld wird in diesen Ländern noch weiter wachsen, und es wird eine Auseinanderentwicklung zwischen Euro-Block und nicht am Euro teilhabenden Ländern geben.

Abschließend sei noch auf die eher geringen Vorteile hingewiesen, die eine einheitliche Währung bringen wird. Auch diese werden wieder hauptsächlich den Großbetrieben und multinationalen Unternehmungen zugute kommen. Die Nachteile der Einführung dieser Währung werden vor allem die Banken und Sparkassen treffen, weil sie sowohl die Ertragsausfälle beim Geldwechselgeschäft, bei den Kurssicherungsgeschäften, als auch die horrenden Umstellungskosten auf dieses neue System tragen müssen.

Meine Damen und Herren! Dazu kommt noch: Für österreichische Anleihen, die ebenfalls auf den Euro umgestellt werden, werden die Banken, die solche Anleihen halten, erhebliche Wertberichtigungen in Milliardenhöhe bilden müssen. Wenn eine Francs-Anleihe, die mit 7,5 Prozent verzinst ist, und eine österreichische Anleihe, die nur mit 6,5 Prozent verzinst ist, auf Euro umgestellt werden, dann wird die niedrig verzinste Anleihe unweigerlich einen Kursverlust erleiden, und das wird zu Wertberichtigungserfordernissen führen.

Meine Damen und Herren! Ich kann nur auf das hinweisen, was ich schon vor zwei Jahren gesagt habe: Ich hoffe, daß bei Einführung einer einheitlichen Währung die Konvergenzkriterien, die nicht aus Jux und Tollerei aufgestellt wurden, auch eingehalten werden. Wenn man diese aufweicht und sich darüber hinwegsetzt, dann wird, so glaube ich, Europa einmal eine währungspolitische Überraschung erleben, von der sich unsere Wirtschaftsbetriebe nur mehr schwer erholen werden. Dann wird es eines Tages soweit kommen, daß wir Österreicher unserem Schilling wieder einmal nachtrauern werden. Soweit soll es nicht kommen, und deshalb


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möchte ich hoffen – es ist auch ein Regierungsmitglied da –, daß Österreich sehr wohl auf die Einhaltung der für die Währungsstabilität so wichtigen Konvergenzkriterien bestehen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Josef Pfeifer: Am Wort ist Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner.

15.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen Bundesrätinnen! Es gibt keine Alternative zu einem EU-Beitritt und zu einer EU-Mitgliedschaft. Ich glaube, davon müssen wir endlich ausgehen. Wo wären wir denn heute, wenn wir draußen geblieben wären?

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Riess-Passer! Sie haben hier ein paarmal die Schweiz angesprochen. Gerade die Schweiz ist für mich ein sehr gutes Beispiel, Ihnen zu zeigen, daß es keineswegs so gut geht. Alle, die wir ein bißchen Ahnung von der Wirtschaft haben, wissen, daß es in der Wirtschaft immer lange dauert, bis sich bestimmte Dinge durchsetzen und umsetzen. Die Schweiz hat heute durch die EU-Ablehnung zwei ganz große Probleme. Einerseits leidet zum Beispiel die mittelständische Wirtschaft unter dem starken Franken und dem beschränkten Zugang zum Binnenmarkt, andererseits hat die Schweiz heute größte Schwierigkeiten, bilateral das zu erreichen, was wir, Gott sei Dank, längst erreicht haben.

Ich weiß das sehr gut, ich hatte gerade erst Staatssekretär Blankart bei mir zu Gast, und Sie haben die Schweiz noch nie so gesehen wie heute. Früher haben wir auf die Schweiz geschaut, heute schaut die Schweiz auf Österreich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das gilt für den Alpentransit, und das gilt für viele andere Fragen.

Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Sie brauchen diese Dinge nur nachzulesen, dann sehen Sie, daß das keine Polemik ist, sondern einfach die reine Wahrheit. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer .) Darf ich weiterreden?

Eine besonders positive EU-Bilanz hat das Land Vorarlberg gezogen, während die Schweiz zum erstenmal Abwanderungen von ausländischen Investoren hatte – das ist etwas, was vorher in der Schweiz unvorstellbar war. In 18 Monaten kam es zu 85 Neuansiedlungen von Unternehmen in Vorarlberg, worunter sich 35 Schweizer Unternehmen befinden. Und das, glaube ich, spricht allein schon Bände. Das westlichste Bundesland Österreichs ist jetzt nämlich schon für Schweizer Firmen wegen der geographischen Nähe, wegen der fehlenden Sprachbarrieren, der niedrigen Arbeits- und Lohnkosten und des hohen Ausbildungsniveaus natürlich enorm wichtig.

Außerdem ist es das erstemal, daß ich höre, daß sich Schweizer Staatsbürger bewußt – vor allem junge Schweizer Staatsbürger, und das läßt auch aufhorchen – zusätzlich um die österreichische Staatsbürgerschaft bemühen, damit sie EU-Bürger sind. – Also in der Beziehung haben Sie keinesfalls recht.

Ich habe mir auch die Kosten eines Nichtbeitrittes für Österreich angeschaut. Laut einer IHS-Studie aus dem Vorjahr wäre bei einem Nichtbeitritt Österreichs zur EU ein Wachstumsverlust bis zum Jahr 2000 von 3,4 Prozent zu beklagen gewesen. Dieser Verlust wäre einer Verflachung des Wirtschaftspfades um über 20 Prozent nahegekommen. Das hätte natürlich auch gravierende Einbußen auf dem Arbeitsmarkt gehabt. Man nimmt an – so diese Studie –, ein Nichtbeitritt hätte 66 000 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2000 verschlungen und die Arbeitslosenquote um zusätzlich 1,4 Prozent erhöht.

Die Preise, sehr geehrte Frau Bundesrätin, wären zusätzlich um 1,8 Prozent bis zum Jahr 2000 gestiegen, und die heimischen Löhne wären durch die ungünstigere Arbeitsmarktlage gedämpft worden. Zusammen mit der Inflationsbeschleunigung hätte sich daraus eine Kürzung der Reallöhne um 2,5 Prozent ergeben. Das wollte ich schon gesagt haben.


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Außerdem haben Sie erwähnt, daß durch den EU-Beitritt Österreichs Arbeitsplätze verlorengingen. Natürlich gibt es einen Konkurrenzkampf, aber das ist ja selbstverständlich. In jeder Marktwirtschaft gibt es einen Konkurrenzkampf, bei dem natürlich Schwächere manchmal – leider – auf der Strecke bleiben.

Aber vergleichen Sie das mit den großen Investitionen, die in Österreich seit dem Beitritt geschaffen wurden. Ich darf Ihnen vorlesen: Opel Austria 7,5 Milliarden Schilling, Standort Wien, KNP Leykam Papier 6,5 Milliarden Schilling in Graz, BMW Austria 3,9 Milliarden Schilling in Steyr, Siemens Electronic 3,5 Milliarden in Villach, Lenzing Chemie 1,5 Milliarden in Heiligenkreuz, Hoffmann-La Roche – ganz bewußt will ich das vorlesen – 1,5 Milliarden in Linz, Biochemie Sandoz 1,5 Milliarden in Kundl, Zellstoff Pöls Papier 1,3 Milliarden in Pöls, Kaindl Spanplatten 1 Milliarde. Insgesamt, sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, sind das Investitionen im Ausmaß von 28,2 Milliarden Schilling. Das kann sich auch auf dem Wirtschaftssektor sehen lassen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Rufe und Gegenrufe der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Ing. Penz .) Bitte, darf ich weiterreden? – Danke.

Außerdem – jetzt ganz abgesehen von den reinen Arbeitslosen- und Wirtschaftsdaten –: Die Regierungskonferenz ist die Chance für uns, der Europäischen Union, aber auch uns allen mehr Handlungsfähigkeit einzuräumen. Und Österreich beteiligt sich – ganz im Gegensatz zu dem, was hier gesagt wurde – sehr wohl aktiv und initiativ und hat sehr viele Positionen eingebracht. Ich höre, Staatssekretär Schlögl hat bereits die Themen Beschäftigung und Umwelt angesprochen, die ich natürlich sonst selbstverständlich hier ausgeführt hätte, ich will aber nicht noch einmal dasselbe sagen.

Es war gerade jetzt Staatsminister Hoyer aus der Bundesrepublik hier, und es war vor einigen Wochen auch der französische Europaminister Barnier hier. Es bietet sich die Chance, jetzt mitbestimmen zu können. Das, was Österreich jetzt in der internationalen Politik, und zwar in jeder Art von Politik, auch im Bereich der GASP, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich auf bestimmte Auslandsmärkte angesprochen, machen kann, konnte es vorher nicht tun. Ich muß sagen: Staatsminister Hoyer hat mir gerade jetzt bei der kurzen Tischrede, die er gehalten hat, versichert, daß er findet, daß sich Österreich bereits so gut in die Europäische Union eingefügt hat, daß man das Gefühl hat, Österreich sei eigentlich seit dem Beginn dabei.

Ich nehme dieses Kompliment nicht als Kompliment, sondern durchaus als einen Tatsachenbericht an. Natürlich mußten wir einiges dazulernen, das ist bei einem Newcomer klar, aber ich glaube, wir haben enorm viele Positionen einbringen können, auch Positionen, die hier zum Teil angesprochen wurden. Denn etwa Transparenz oder Subsidiarität sind Dinge, die gerade von uns Österreichern eingebracht werden, und zwar wesentlich mehr als von vielen anderen Staaten.

Wenn man sagt, daß wir nicht überall sofort durchdringen, dann braucht man nur zu sehen: Wir sind heute eine Gemeinschaft von 15 und nicht allein, aber nur als Gemeinschaft von 15 können wir dann auch gegenüber anderen Staaten auftreten. Nur so können wir gegenüber Asien, gegenüber Lateinamerika, gegenüber Amerika bestehen.

Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Man muß die Welt heute global sehen. Man kann nicht mehr glauben, daß man sich praktisch vor den eigenen Grenzen verschließen kann. In bezug auf die Insel der Seligen ist es ja nicht mehr so. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was Transparenz und Bürgernähe betrifft, so möchte ich sagen, daß gerade Österreich – zusammen mit einigen anderen, die eben auch föderalistisch ausgerichtet sind – natürlich diese Prinzipien, auch das Prinzip der Subsidiarität, eingebracht hat. Aber natürlich bedarf es diesbezüglich einer großen Überzeugungsarbeit, und natürlich ist es verständlich, daß zentralistisch organisierte Staaten vor einem Verlust ihrer Macht Angst haben.

Aber gerade wir können wesentlich mehr tun. Stellen Sie sich vor, alle anderen würden bestimmen, wie Europa heute aussieht. Im Endeffekt müßten wir, das nicht sehr große Österreich – ich sage nie klein, ist sage immer, es ist ein mittlerer Staat –, der Mittelstaat Österreich, alle diese Dinge nachvollziehen. Seien wir doch glücklich, daß wir mitbestimmen können!


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Ich glaube, wir haben in diesen 18 Monaten, seit wir dabei sind, enorm viel gelernt, vor allem auch gelernt, diese Allianzen langsam hinter den Kulissen zu bilden, die man eben bilden muß, um tatsächlich echte Chancen zur Verwirklichung unserer Positionen zu haben.

Zur Subsidiarität darf ich dasselbe sagen: Österreich hat bei der Regierungskonferenz Positionen eingebracht, die durchaus gewisse Chancen auf Umsetzung haben. Es war bis jetzt erst ein Zwischenbericht. Sie haben selbst am Anfang zitiert, daß der Herr Vizekanzler im Ausschuß gesagt hat, daß jetzt natürlich erst eine Auflistung der verschiedenen Positionen der einzelnen Staaten gegeben ist. Man ist in die echte Verhandlungsphase noch gar nicht eingetreten. Jetzt wird man sehen, was im Abtausch der verschiedenen Positionen möglich ist. Das ist natürlich ein Verhandlungsprozeß, und da heißt es: "give and take". Aber Gott sei Dank sind wir dabei. Seien wir froh! Jeder, der weiß, wie wichtig es ist, jetzt dabeizusein, um auch für die Zukunft die Weichen zu stellen, kann das nur begrüßen.

Es ist auch eine Chance für uns, hinsichtlich der mittel- und osteuropäischen Staaten dabeizusein. Sie haben jetzt bei dem "Davoser Treffen" in Salzburg gesehen, wie sehr der Blickpunkt auf Österreich gerichtet ist. Wir haben eine ungemein große Chance. Die hätten wir nie gehabt, wenn wir nicht auch Mitglied der Europäischen Union gewesen wären.

Aus meiner eigenen Erfahrung darf ich Ihnen sagen – ich reise sehr viel in der Welt herum, weil ich versuche, Österreichs Politik, aber auch Österreichs Wirtschaft sowohl bilateral als auch multilateral zu vernetzen, was wir in der Vergangenheit, weil wir eben nicht Mitglied der Europäischen Union waren und weil wir die Welt nicht so global gesehen haben, vielleicht nicht getan haben –: Wir werden nur ernstgenommen, weil wir Mitglied der Europäischen Union sind. Das möchte ich hier zum Ausdruck bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.14

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Tremmel.

15.14

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ihre Ausführungen in Ehren, ich glaube Ihnen teilweise auch, allerdings – wenn ich die heutigen Gazetten durchblättere – titelt eine maßgebliche Bundesländer-Zeitung auf Seite 2, weil Sie hier das positive Bild Österreichs anläßlich des EU-Beitrittes hervorheben: "Schulden steigen weiter". Und dann heißt es noch: "Staat mit 197 000 S pro Österreicher verschuldet." Rechnet man die Länder- und die Kommunalschulden dazu, so ist die Verschuldung pro Kopf gar 204 000 S. – Und der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Universitätsprofessor Helmut Frisch, empfiehlt zur Schönung und zur möglichen Verbesserung unserer Konvergenzkriterien einige Ausgliederungen. Jedenfalls sagt er aber: "Nur so könne Österreich die mit den Konvergenzkriterien von Maastricht geforderte Trendumkehr bei der öffentlichen Verschuldung erreichen."

Was heißt das, meine Damen und Herren und sehr geehrte Frau Staatssekretärin? Daß die Finanzlage, die Lage unseres Staates Österreich als Ergebnis des EU-Beitrittes wesentlich schlechter geworden ist.

Einige haben Vergleiche gebracht. Herr Kollege Konečny hat gesagt, daß die Bilanz Österreichs besser ist als jene von Staaten, die damals nicht beigetreten sind. Wenn ich aber die norwegischen Konvergenzkriterien hernehme, dann muß ich sagen, wir müssen lange sparen, bis wir dorthin kommen, daß wir diese Zahlen erreichen. Von der Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, im Vergleich zwischen Österreich und Norwegen möchte ich gar nicht sprechen.

Die Wahrheit ist, daß das Ergebnis der österreichischen EU-Beitrittsverhandlungen langsam, aber leider Gottes trotzdem, hervorkommt. Versprochen wurde uns, daß die Regierung hart und kompromißlos verhandelt und das Maximum erreicht. Versprochen wurde uns, daß Österreich als EU-Mitglied im Umweltbereich seine hohen Standards behalten kann. Versprochen wurde uns, daß Österreich als EU-Mitglied den Transitverkehr weiter reduzieren kann. Versprochen wurde uns, daß Österreich als EU-Mitglied alle genmanipulierten Lebensmittel kennzeichnen


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kann. Versprochen wurde uns die Aufrechterhaltung der Anonymität der Sparbücher, versprochen wurde uns am 25. 5. 1994 durch Bundeskanzler Vranitzky, daß der Standort der österreichischen Zuckerindustrie gesichert ist. Versprochen wurde uns, daß der EU-Beitritt 70 000 Arbeitsplätze mehr bringt. Versprochen wurde uns – Kollege Bösch hat das schon trefflich ausgeführt –, daß wir durch den Beitritt zur EU mehr Sicherheit bekommen werden. Versprochen wurde uns, daß die österreichischen Wasserressourcen – es ist heute schon ein paarmal darüber gesprochen worden – völlig unangetastet bleiben und daß im Europäischen Parlament darüber überhaupt nicht mehr gesprochen wird.

Aber was ist dabei herausgekommen, was ist die heutige Bilanz? (Bundesrat Konečny: Genau das!) Sie werden gleich hören, Herr Kollege Konečny, was herausgekommen ist.

Österreich muß künftig die niedrigeren Umweltstandards innerhalb der EU akzeptieren. Österreich muß die Öko-Punkte, die nicht verbraucht wurden, an Brüssel zurückgeben. Der Transitverkehr nimmt aufgrund des falschen Berechnungsmodus weiter zu. Österreich wird in der Frage der Kennzeichnung der genmanipulierten Lebensmittel im EU-Rat überstimmt, und in der Folge findet die Forderung nach einer umfassenden Kennzeichnungspflicht keine Mehrheit im Europäischen Parlament. – Anmerkung, Randanmerkung: Verwunderlich ist vor allem, daß die ÖVP-Abgeordneten zum Europäischen Parlament gegen eine rigorose Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel stimmten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Justizminister Michalek tritt vehement für die Abschaffung der Anonymität ein. Der Standort der Zuckerindustrie in Gmünd ist durch Verlegung des Standortes der Firma Agrana gefährdet. Im Februar dieses Jahres hatten wir die höchste Arbeitslosigkeit seit Beginn dieser Zweiten Republik, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament beschließt – die Damen und Herren, die dort tätig sind, müssen das wissen – in Straßburg eine Entschließung zu den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und den Ländern des Mittelmeerraumes, in der es wörtlich heißt: "... und ist der Überzeugung, daß in naher Zukunft das nachhaltige Management und die Ausnutzung der Wasserressourcen auf regionaler Ebene sowie die Heranführung und der Transport von Wasser von den nordeuropäischen Ländern mit zuviel Wasser zu den Mittelmeerländern, die dringend Wasser brauchen, gefördert werden müssen." – Das ist der Beschluß!

Oder es heißt – das erwähne ich auch noch, weil es heute in der Debatte angesprochen wurde –: "Die EU hat die Mitfinanzierung des Brenner-Basistunnels zugesichert." – So Finanzminister Klima am 12. 4. 1994. Neil Kinnock sagt zu dieser Forderung – wörtliches Zitat –: "Jeder, der glaubt, die EU finanziert den Brennertunnel, ist ein Narr." – Brüssel, Jänner 1995.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Herr Professor Schambeck hat sicherlich mit innerer Überzeugung von "Freude, schöner Götterfunken" gesprochen. Verbreiten Sie diese Freude einmal bei sich selbst! Sorgen Sie dafür, daß das, was Sie sich selbst vorgenommen haben, zumindest – wie es Kollege Weiss in Fragen des Föderalismus sehr richtig gesagt hat – in Spurenelementen wirksam wird! Bauen Sie bitte nicht irgendwo einen Gegner gegen ein gemeinsames Europa auf! Sorgen Sie selbst dafür, daß die Leute daran glauben, indem Sie sich im Europäischen Parlament und in den europäischen Institutionen richtig verhalten.

Merken Sie denn nicht, meine Damen und Herren, daß Kritik – etwa bei Kollegin Crepaz oder bei Kollegen Drochter oder bei Kollegen Weiss – herausgekommen ist, daß sich die Länder um die Probleme, die uns bewegen, nämlich die Arbeitslosigkeit, eigentlich kaum oder überhaupt nicht kümmern?

Das ist das Problem! Wir sagen immer sehr stolz, wir werden ernstgenommen. Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorgangsweise werden wir eben nicht ernstgenommen! Wir alle – vor allem der österreichische Steuerzahler – büßen es, indem die Verschuldung in unserem Staat weiter steigt, indem Werte, die uns gehören, die unserem Staat gehören, nach Europa hinauswandern und wir nichts dafür bekommen, meine Herren! (Bundesrat Prähauser: Wenn wir uns


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laufend madig machen, werden wir wahrlich nicht ernstgenommen!) Das ist die Realität, wenn Sie Ihr Verhalten nicht ändern werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.22

Präsident Josef Pfeifer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die vorliegenden Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit so beschlossen.

Der Antrag auf Kenntnisnahme der Berichte ist somit angenommen .

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Verwaltungsakademiegesetz und die 41. Gehaltsgesetz-Novelle geändert werden (134 und 189/NR sowie 5206/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (155 und 211/NR sowie 5207/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Verwaltungsakademiegesetz und die 41. Gehaltsgesetz-Novelle geändert werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Die Berichterstattung über den Punkt 7 hat Herr Bundesrat Karl Pischl übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.


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Berichterstatter Karl Pischl:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu den genannten Rechtsbereichen, wie sie vom Herrn Präsidenten gerade vorgetragen wurden.

Beamte und Vertragsbedienstete haben unter ähnlichen Voraussetzungen, wie sie im Familienlastenausgleichsgesetz für den Bezug der Familienbeihilfe normiert sind, Anspruch auf eine Kinderzulage von monatlich 200 S für jedes Kind.

Trotz der weitgehenden Gleichartigkeit der Anspruchsvoraussetzungen für die Kinderzulage und die Familienbeihilfe bestehen einige Unterschiede, die in den meisten Fällen ein völlig eigenständiges Ermittlungsverfahren notwendig machen.

Diese Unterschiede haben bisher in den meisten Fällen gesonderte – und oft sehr aufwendige – Ermittlungsverfahren hinsichtlich der studienmäßigen und berufsausbildungsmäßigen Voraussetzungen, aber auch hinsichtlich der unterschiedlichen Einkommensgrenzen notwendig gemacht.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates bringt nun eine grundsätzliche Anbindung des Anspruch auf Kinderzulage an den Anspruch auf Familienbeihilfe für das betreffende Kind. Der Anspruch auf Kinderzulage soll auch dann bestehen, wenn nicht der Bedienstete selbst, sondern eine andere Person Anspruch auf diese Familienbeihilfe hat (zum Beispiel der andere Elternteil, der nicht Bundesbediensteter ist).

Die Änderung soll mit 1. September 1996 wirksam werden, also mit dem Tag, an dem die im Strukturanpassungsgesetz 1996 vorgesehenen Änderungen zum Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe frühestens in Kraft treten.

Für einen zweijährigen Übergangszeitraum wird auch noch der Bezug der Kinderzulage möglich sein, wenn bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des Familienlastenausgleichsgesetzes das Einkommen des Kindes oder seines Ehegatten zwar die Einkommensgrenze des Familienlastenausgleichsgesetzes von monatlich 3 600 S, nicht aber den Betrag von monatlich 5 098 S übersteigt.

Die mit der Umstellung verbundene erhebliche Vereinfachung des bisher sehr aufwendigen Ermittlungsverfahrens wird hingegen zu einem Personal-Minderbedarf führen und damit einen substantiellen Beitrag zur Verwaltungsreform und zu dem in den Erläuterungen zum Strukturanpassungsgesetz 1996 dargestellten Sparziel einer Planstellenreduktion im öffentlichen Dienst leisten.

Ein wesentlicher Teil des Artikels VII betrifft die Neustrukturierung der Vertragsassistentenlaufbahn. Die Struktur der Gruppe der Vertragsassistenten hat sich in der letzten Zeit völlig geändert. Dies geht auf folgende Faktoren zurück:

Durch den EWR-Beitritt wurde EWR-Staatsangehörigen der Zugang zum Dienstverhältnis als Universitäts(Hochschul)assistent unter den gleichen Voraussetzungen wie Österreichern eröffnet.

Die Neuaufnahme von "Drittmittelassistenten" erfolgt ausschließlich im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit der einzelnen Universitäts(Hochschul)einrichtungen.

Zu Vertragsassistenten werden somit nur mehr Ersatzkräfte, Ausländer aus anderen als EWR-Ländern und Personen in Teilbeschäftigung (darunter vorwiegend Frauen) bestellt. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1993, G 134/92-7, die Obergrenze für die Gesamtverwendungsdauer des Vertragsassistenten (vier Jahre) als verfassungswidrig mit der Begründung aufgehoben, daß sich die ausnahmslose Begrenzung der Gesamtverwendungsdauer aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten überwiegend zum Nachteil von Vertragsassistentinnen auswirke. Durch das aufhebende Erkenntnis ist eine Weiterbestellung


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von Vertragsassistenten im Wege von Zweijahresverträgen ohne zeitliche Obergrenze wieder möglich geworden. Dadurch können sich jedoch wiederum soziale Probleme ergeben.

Diese Situation gibt Anlaß zu einer Neustrukturierung der Vertragsassistentenlaufbahn. Eine Beschäftigung über eine bestimmte Verwendungsdauer hinaus soll an eine Qualifikation geknüpft werden, wie sie anläßlich der Umwandlung eines zeitlich begrenzten Dienstverhältnisses als Universitäts(Hochschul)assistent in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit vorgesehen ist. Bei Erfüllung der den Definitivstellungserfordernissen im Dienstrecht der Universitäts(Hochschul)assistenten entsprechenden Voraussetzungen soll auch die Verlängerung des Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit möglich sein.

Darüber hinaus sieht der vorliegende Beschluß folgende Regelungen vor:

1. Berücksichtigung der Richtlinie über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in den Bestimmungen über die Diplomanerkennung,

2. Berücksichtigung der Änderung des AVG durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 471/1995 im Verfahren vor der Berufungskommission und im Disziplinarverfahren,

3. kleinere Änderungen der durch das Besoldungsreform-Gesetz 1994, BGBl. Nr. 550, und nachfolgende Novellen getroffenen Neuregelungen,

4. einheitliche Anwendbarkeit des für den ausländischen Dienstort maßgebenden ausländischen Rechts bei Sur-place-Verwendungen,

5. Entfall einer Ausnahme vom Kettenvertragsverbot, die durch Änderungen im Stellenplan überholt ist,

6. Klarstellung, daß Vertragsbedienstete mit Dienstort im Ausland bezüglich der Aufwandsentschädigungen während des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz den Beamtinnen gleichgestellt sind,

7. Ausdehnung der Abschlagsregelung bei Frühpensionierung auf Hinterbliebene von vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten,

8. Vermeidung einer Erhöhung des Karenzurlaubsgeldes für Beamte für das Jahr 1997 analog der für das das Karenzurlaubsgeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vorgesehenen Regelung,

9. besoldungsrechtliche Sanktionen für die Nichteinhaltung der Meldepflicht nach dem KUG analog den Bestimmungen über die Kinderzulage,

10. Anpassung der Ernennungserfordernisse für Beamte, die bei der Schiffahrtspolizei verwendet werden, an geänderte Rechtsvorschriften,

11. Anpassung des erforderlichen Mindestzeitraumes der Dienstleistung für die Leistungsfeststellung an verkürzte Beurteilungszeiträume,

12. Ausschreibungspflicht für Funktionen, die zumindest denen der Funktionsgruppe 5 der Verwendungsgruppe A 1 gleichwertig sind, in der "Wiener Zeitung" auch dann, wenn diese Funktionen nachgeordneten Dienststellen angehören,

13. öffentliche Ausschreibungspflicht für Arbeitsplätze nur dann, wenn nach einer bundesinternen Interessentensuche keine geeigneten Bewerber für die Besetzung gefunden werden können,

14. Beseitigung der zahlenmäßigen Beschränkung der Bewerber bei der Führung des Informationsgespräches,

15. Anpassungen von Richtverwendungen in der Anlage 1 zum BDG 1979,


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16. Abstellen des Anspruchs auf Urlaubsentschädigung von Vertragsbediensteten sowie von Bediensteten der Österreichischen Bundesforste auf die Dauer des Dienstverhältnisses,

17. Schaffung einer Meldepflicht für durch Dritte herbeigeführte Schadensereignisse bei Dienstnehmern als Voraussetzung für den Dienstgeber, einen allfälligen Ersatzanspruch gegen den Schädiger geltend machen zu können,

18. Anpassungen an Bezeichnungen im Bereich des Post- und Fernmeldewesens, die sich aufgrund der Umwandlung der Post- und Telegraphenverwaltung in die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft geändert haben,

19. Anpassung der Verordnungsermächtigungen im Bereich des Post- und Fernmeldewesens an die Änderungen der Ressortzuständigkeiten, die durch die jüngste Novelle zum Bundesministeriengesetz bewirkt worden sind,

20. Entfall der im Strukturanpassungsgesetz 1996 für den Mehrleistungsanteil von Zulagen und Fixgehältern vorgesehenen Änderungen im Bereich der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft mit Rücksicht auf deren Ausgliederung sowie Klarstellung, daß die Emeritierungsbezüge von Universitäts(Hochschul)professoren, die vor dem 1. Juni 1996 emeritiert worden sind, von den Maßnahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 nicht betroffen sind,

21. Änderungen einiger Richtverwendungen im Exekutivdienst, im Post- und Fernmeldewesen und im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten,

22. Erreichung des Sparzieles im Hochschulbereich bei Modifizierung der Konsolidierungsmaßnahmen,

23. Bereinigung von Unstimmigkeiten bei der Abgeltung von Supplierstunden von Pflichtschullehrern und beim Vorrückungsstichtag.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates enthält darüber hinaus Zitierungsanpassungen, die durch Änderungen von Rechtsvorschriften notwendig geworden sind, und Berichtigungen von redaktionellen Versehen.

Der Ausschuß für Verfassung und Förderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident, für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Die Berichterstattung über den Punkt 8 hat Herr Bundesrat Anton Hüttmayr übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Anton Hüttmayr: Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Der gegenständliche Beschluß sieht insbesondere folgende Regelungen vor:

Das Dienstverhältnis wird auf Antrag des Landeslehrers erst nach einer Dienstzeit von sechs Jahren im provisorischen Dienstverhältnis definitiv.

Die Entlassung wegen mangelnden Arbeitserfolges kann ausgesprochen werden, wenn über den Landeslehrer zweimal aufeinanderfolgend die Feststellung getroffen worden ist, daß er den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat.

Eine "negative" Leistungsfeststellung ist nur möglich, wenn eine zweimalige nachweisliche Ermahnung erfolgt ist. Weiters kommt es zu einer Verkürzung des Beurteilungszeitraumes für


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eine neuerliche Leistungsfeststellung, wenn bereits eine "negative" Leistungsfeststellung vorliegt.

Weiters sind bestimmte Fristverkürzungen vorgesehen, um Verfahrensabläufe in bezug auf das Leistungsfeststellungsverfahren zu straffen.

Bei der Bestellung von Lehrern und Leitern sollen die Länder die Möglichkeit erhalten, für den Bereich des jeweiligen Bundeslandes die näheren Bestimmungen über das Verfahren und die Auswahlkriterien von Bewerbern durch Landesgesetzgebung festzulegen. Auch die Festlegung zusätzlicher Auswahlkriterien soll möglich sein.

Schließlich enthält der Gesetzesbeschluß sonstige dienstrechtliche Anpassungen an das Beamten-Dienstrechtsgesetz, die nicht in Zusammenhang mit der Besoldungsreform stehen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke auch für diese Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm. – Bevor Herr Bundesrat Dr. Tremmel das Wort ergreift, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, daß ich um 16 Uhr die Debatte für die dringliche Anfrage unterbreche. (Bundesrat Ing. Penz: Er braucht ja nur zwei Minuten!) Nicht nur er, sondern überhaupt. Und wenn es sich ausgeht, umso besser. – Bitte.

15.38

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die materiellen Inhalte der Punkte 7 und 8 unserer Tagesordnung eingehe, gestatten Sie, daß ich in den Beamtenbereich ausschweife oder extemporiere. Zwei Punkte geben mir Anlaß, das zu tun: erstens eine Mitteilung, die im Präsidium erfolgte, und zweitens eine Erwähnung, die Sie, Herr Präsident, in Ihrer Antrittsrede machten.

Ich darf der Protokollführung, Herrn Proksch – es ist an und für sich nicht üblich –, und auch der nicht anwesenden Frau Häusler ein besonderes Dankeschön aussprechen. Warum tue ich das, meine Damen und Herren? – Der Grund ist, weil die Dame und der Herr das besonders gewissenhaft und vor allem trefflich und gut machen und weil mir ein Aktenvermerk folgenden Inhalts zugegangen ist:

"Für die Erstellung des Protokolls der Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 1996 wurden zwei Stenographen, Frau Häusler und Herr Proksch, bestellt. Dies entspricht der in der Vergangenheit geübten Praxis bei gleichzeitigem Stattfinden der Sitzungen des Bundesrates und des Nationalrates. Ein zusätzlicher Einsatz externer Stenographen ist nicht möglich, da derzeit nur die beiden genannten externen Stenographen zur Verfügung stehen." Üblicherweise – hier darf ich extemporieren und nicht mehr aus dem Aktenvermerk vorlesen – ist es so, daß sich die Herrschaften, und zwar mehr als zwei, stündlich hier ablösen.

Warum das geschieht, darf ich auch noch zitieren. Das hat durchaus Bezug auf die heutige Sitzung und auf die Wortmeldungen betreffend Föderalismus, die hier erfolgten.

"Da am 12. Juli" – ich fahre wieder fort in der Zitierung dieses Aktenvermerks – "die vorhandenen externen Schreibkräfte für das Protokoll der Nationalratssitzung eingesetzt sind und es so geregelt war und ist, daß die Erstellung des Protokolls der Nationalratssitzung vorrangig zu erfolgen hat, werden die externen Schreibkräfte am 15. Juli mit der Erstellung des Rohmanuskripts beginnen."


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Meine Damen und Herren! Mich stört an und für sich der Begriff "vorrangig". Es kann der Nationalrat auf der einen Seite nicht mit den Vertretern der Bundesländer, mit der Bundesländerkammer andererseits in ihrer Wirksamkeit verglichen werden. Deswegen sind solche Begriffe in Zukunft zu unterlassen.

Herr Präsident! Ich richte das höfliche Ersuchen an Sie, das an die geeigneten Bereiche weiterzuleiten, an den Herrn Parlamentspräsidenten, aber auch an die Oppositionsparteien – man hört, einige haben besonders gute Beziehungen zu Herrn Präsidenten Fischer –, damit dies dort deponiert wird und der Einsatz von Schreibkräften sichergestellt ist. Ansonsten, meine Damen und Herren, sind diese Worte, die wir immer wieder über den Föderalismus sprechen, reine Lippenbekenntnisse. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Hinweis, Herr Präsident, auf Ihre Wortmeldung hat sich darauf bezogen, daß Sie von Föderalismus negativer Ausprägung gesprochen haben. Ich glaube, das ist in der Praxis eine negative Ausprägung, daß der Bundesrat einfach nicht mehr ernstgenommen wird.

Andererseits – ich habe Ihren Worten wirklich mit Interesse gelauscht – hat mich verwundert, daß Sie von einer Einrichtung lobend und gut gesprochen haben, nämlich vom Konsultationsgremium oder vom Konsultationsmechanismus. Wenn das in dieser Form eingerichtet wird, meine Damen und Herren, dann geht das wirklich an das Eingemachte des Bundesrates, dann geht es an die Substanz der Bundesverfassungsartikel 33 und 34. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger .) Ich höre schon ein bißchen schlecht! Machen Sie den Zwischenruf lauter! (Bundesrat Rauchenberger: Es geht mir nicht um die Geschäftsordnung, sondern um die Dienstordnung!)

Meine Damen und Herren! Dann ist die Existenz des Bundesrates gefährdet. In diesem Konsultationsmechanismus ist etwa die Abwicklung von Staatsverträgen mit den Bundesländern, Artikel 15a, genannt. Das soll schlicht und einfach durch den Vorschlag eines natürlich gewählten Landeshauptmannes, aber eben nur Landeshauptmannes, der noch nicht einmal hier war, verfassungsmäßig ausradiert, verändert werden.

Meine Damen und Herren! So kann es nicht gehen, und es hängt von Ihnen ab, ob Sie dieser Aushöhlung des Bundesrates weiter das Wort reden. Bei kleinen Dingen, etwa beim Stenogramm, beginnt es. Wenn wir nicht eindeutige Schritte setzen, dann geht das Stückchen für Stückchen so weiter.

Wir Freiheitlichen waren ehrlich. Wir haben gesagt: Wenn das in diesem Haus so weitergeht, dann ist es gescheiter, wir lösen den Bundesrat auf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der seinerzeitige Präsident Strutzenberger hat gesagt: Ihr werdet euch doch nicht selbst in die Luft sprengen. – Das sind Folgesprengungen, was hier vor sich geht, die wir nach außen hin unwidersprochen zur Kenntnis nehmen.

Kollege Weiss hat heute eindrucksvoll aufgezeigt, wie die Länderkompetenz im Bereich der EU umgangen wird. Blutig haben es die Länder gespürt, daß wir bei der EU-Finanzierung mitbezahlt haben. Die Staatsverschuldung ist dadurch von 1,2 Billionen auf 1,36 Billionen Schilling gestiegen, weil sich die Länder und Gemeinden zusätzlich verschulden mußten. Allein in der Steiermark sind es 4 Milliarden Schilling. (Bundesrat Payer: Reden Sie zu dem Punkt, zu dem Sie reden sollen!) Das betrifft alles die Beamten, und ich werde gleich dazu kommen, warum das auch die Beamten betrifft.

Ich komme jetzt zu diesem Gesetz. Ich werde es Ihnen ersparen, diesen Titel, den der Herr Berichterstatter sehr exakt vorgelesen hat, nämlich angefangen beim Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 bis zu letzten Zeile, 41. Gehaltsgesetz-Novelle, zu wiederholen, aber ich werde Ihnen dafür etwas aus dem "Handbuch der Rechtssetzungstechnik" vorlesen. Diese Norm hat sich der Bund selbst gegeben.

Darin heißt es – um gleich beim Gesetz zu bleiben und in medias res zu gehen –: Der Titel eines Bundesgesetzes oder einer Verordnung soll kurz und einprägsam den Inhalt angeben. Er hat die


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Normenkategorie – Bundesverfassungsgesetz, Bundesgesetz, Verordnung, Kundmachung, Entschließung – sowie den Gegenstand anzugeben. Außer bei Gesetzen ist auch das erlassende Organ anzuführen. Zitate von Geschäftszahlen oder von Bundesgesetzblattnummern in Titeln sind zu unterlassen. Zahlwörter oder sonstige Bezeichnungen vor der Angabe der Normenkategorie sind ebenfalls zu unterlassen. Erforderlichenfalls sind diese im Kurztitel anzuführen. – Meine Damen und Herren! Das zum Langtitel dieses Gesetzes.

Zum Gesetz selbst: Es werden hier sicherlich wichtige Materien geregelt. Aber habe ich mich verlesen oder habe ich damals, nämlich am 25. 4. 1996, nicht aufgepaßt, als wir das Strukturanpassungsgesetz – im Volksmund "Teuerungspaket" genannt – diskutiert haben? – Das waren nämlich artähnliche Materien – hoffentlich verwechsle ich jetzt nicht die Vorlagen –, die zur Debatte gestanden sind.

Meine Damen und Herren! Ich frage mich angesichts dessen, daß ich dieses "Handbuch der Rechtssetzungtechnik" zitiert habe, warum innerhalb von zwei Monaten wieder eine Novellierung notwendig ist. Hat man etwas vergessen, was man den Beamten noch zusätzlich aufbürden will? Reichen die 16 Milliarden noch nicht, die er mühevoll bezahlt? – Es hat durchaus ordentliche, bescheidene Beamte gegeben, die gesagt haben: Wir leisten unseren Beitrag. – Aber was mich verwundert, meine Damen und Herren, ist, daß nach nicht einmal zwei Monaten genau die gleiche Materie wieder zur Debatte steht. Und draußen wird verkündet: Wir müssen diese Gesetzesflut eindämmen!

Ich darf Ihnen zur Gesetzesflut zwei Zahlen nennen: 1946 hatten wir im Jahresganzen 474 Seiten Gesetzblätter, 1995 hatten wir 9 518 Seiten Gesetzblätter!

Meine Damen und Herren! Daraus ersehen Sie – ich muß hier ein bißchen für die Beamten sprechen, die das ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer .) Du bist ein hervorragender Rechner, Ludwig, aber die Gesetzblätter kannst du nicht "waschen".

Jedenfalls sind es nicht die Beamten, die diese Flut verursacht haben, die aber immer wieder zum Handkuß kommen. Darum geht es, und das muß man auch einmal aussprechen, meine Damen und Herren! Der Normengeber, der Gesetzgeber ist sich nicht im klaren darüber, wann, wo, wie er etwas beschließt. Ich will gar nicht das ABGB zitieren, aber denken Sie nach, wie lange das erprobt wurde: fast 40 Jahre! Bei uns hält eine Novellierung nicht einmal 40 Tage! Das ist eigentlich das Erschütternde. Wir müssen uns selbst bei den Ohren und beim Schopf fassen, denn sonst sind wir allein schon aus diesem Grund bei der Bevölkerung völlig unglaubwürdig.

Zur Materie selbst: Ich habe gesagt, diese Dinge sind teilweise zu regeln, teilweise sind sie überhaupt nicht zu regeln, zum Beispiel die Objektivierung im Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz. Die objektive Vergabe von Leiterstellen, die objektive Vergabe von Dienststellen ist doch ein verfassungsmäßiges Gebot! Das brauche ich doch nicht zu normieren! Das ist ein Einbekenntnis der eigenen Schwäche. Hat man es vorher unobjektiv gemacht, weil man jetzt diese Richtlinie gibt, endlich einmal objektiv vorzugehen? – Doch nur das kann der Schluß daraus sein. Ein Stuß kommt manchmal heraus, und ich muß mich wirklich darüber ärgern!

Das ist auch der Grund, warum wir diesen Materien nicht die Zustimmung geben. Es regnete in den vergangenen Wochen wieder Vorschläge zu Reformen im öffentlichen Dienst: Abschaffung der Pragmatisierung, Verschärfung des Disziplinarrechtes, vier Jahre arbeiten, ein Jahr nicht arbeiten, vier Tage anstatt fünf Tage arbeiten und so weiter. Es gab eine Unzahl von Vorschlägen für Reformen im öffentlichen Dienst. – In der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, ist aber nichts außer einem falschen Bild vom öffentlichen Dienst übriggeblieben. Die Tausenden und Abertausenden fleißigen Beamten sind bekleckert worden!

Herr Staatssekretär! Wissen Sie, was diese Reform und diese Novellierungen, die hier vorliegen, sind? – Sie sind ein Leerlauf mit Vollgas! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.51


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Präsident Josef Pfeifer:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Payer. Ich bitte ihn, zu sprechen.

15.51

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, meine Wortmeldung sehr sachlich durchzuführen, und ich werde mich auf den Punkt 8 der Tagesordnung konzentrieren. Die Berichterstattung des Kollegen Pischl war so umfangreich, daß ich dazu wirklich nichts sagen möchte. Ich möchte mich mit dem Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird, beschäftigen.

Ich sehe dieses Gesetz unter dem Motto "Schule ist eine Funktion, eine Aufgabe der Gesellschaft". Diesem Ausspruch, den ein ehemaliger Unterrichtsminister, nämlich mein "Landsmann" Dr. Fred Sinowatz, geprägt hat, wird durch die vorliegende Novellierung verstärkt Rechnung getragen.

Es geht unter anderem um eine Neuregelung bezüglich der Bestellung von Lehrern und Schulleitern. Da bin ich anderer Meinung als Kollege Tremmel. Ich glaube schon, daß man diese Bestellung auch gesetzlich regeln muß. Diese Neuregelung hat das Ziel, das Auswahlverfahren objektiver und transparenter, vor allem transparenter, zu gestalten. Darüber hinaus erhalten die Länder die Möglichkeit, durch Landesgesetze die Auswahlkriterien näher festzusetzen und so zusätzliche Objektivierungsbestimmungen zu erlassen.

Meine Damen und Herren! Schulleiterbestellungen sind immer wieder Diskussionspunkte. Die Objektivität der verschiedenen Gremien wird angezweifelt, manchmal auch meinerseits. Man versucht, mit dem Vorwurf der Parteibuchwirtschaft politisches Kleingeld zu machen.

Ich möchte dem allen aber folgendes entgegenhalten: Wenn Schule eine Funktion der Gesellschaft ist, dann hat diese Gesellschaft das Recht und die Pflicht, leitende Positionen im Schulbereich demokratisch zu vergeben. Trotz mancher Unkenrufe glaube ich, daß sich alle neun Bundesländer bemühen, die Postenvergabe transparent und demokratisch durchzuführen.

So gibt es zum Beispiel im meinem Bundesland, im Burgenland, seit zirka fünf Jahren bei Leiterbestellungen ein verpflichtendes Hearing für jeden Bewerber, für jede Bewerberin. Die Kommission setzt sich je nach Schultyp aus Experten, aus Eltern, aus Lehrern, aus Kulturschaffenden und aus Verwaltungsexperten zusammen. Jedes Kommissionsmitglied erstellt ein Bewertungsprotokoll, und die Kommission als Gesamtheit gibt eine schriftliche Empfehlung an die Mitglieder der Bezirksschulräte und der Landesschulräte ab.

Nach fünfjähriger Erfahrung mit diesem Objektivierungsmodell kann ich feststellen, daß dieser angesprochenen Empfehlung jedesmal Folge geleistet wurde und kein einziges Mal politische Streitigkeiten daraus entstanden sind. Es gab auch keine negativen Berichterstattungen in den Medien. Dieser große Konsens wirkte sich auch positiv auf die Schule und auf das Klima in der Schule aus. Gerade in der Schule braucht man Ruhe und Kontinuität.

In der kommenden Woche wird der wiedergewählte Landeshauptmann des Burgenlandes, Karl Stix, in seiner Regierungserklärung die permanente Weiterentwicklung dieses bis jetzt ausgezeichnet funktionierenden Objektivierungsmodells ansprechen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die heutige Gesetzesnovelle gibt nun allen Ländern die Möglichkeit, eigene Objektivierungsbestimmungen einzuführen. Ich meine damit nicht, daß unser Modell das beste ist, aber die einzelnen Länder könnten sich voneinander etwas abschauen, man braucht das Rad nicht immer wieder neu zu erfinden.

Ich glaube, daß diese Novelle ein gesetzlicher Schritt ist, der notwendig war, ein Schritt in Richtung größerer Objektivierung und Transparenz. Neu ist auch, daß Schulleiter künftig zunächst für einen Zeitraum von vier Jahren bestellt werden. Voraussetzungen für eine definitive


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Bestellung sind die Bewährung als Direktor und die erfolgreiche Teilnahme an einem Schulmanagementkurs.

Für sehr positiv halte ich auch, daß dem Schulforum beziehungsweise dem Schulgemeinschaftsausschuß das Recht eingeräumt wird, binnen drei Wochen ab Erhalt der Bewerbungen eine begründete schriftliche Stellungnahme abzugeben. Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren, an den eingangs zitierten Satz, daß Schule eine Funktion der Gesellschaft ist, und ich glaube, daß durch die stärkere Beteiligung der Elternvertreter ein wichtiger Demokratisierungsschub erfolgt.

Für wichtig halte ich auch, daß mit dieser Novelle keine Ausweitung der zentralen Verwaltung erfolgt, sondern eine Dezentralisierung, die wir uns als Bundesräte immer wieder wünschen. Diese Dezentralisierung trägt dem föderalistischen Prinzip in einem hohen Ausmaß Rechnung.

Meine Damen und Herren! Vielleicht noch ein Wort zu den Kosten, da es gleich 16 Uhr ist. Mehrkosten, die aus all diesen Novellen, in diesen beiden Tagesordnungspunkten entstehen, müssen im budgetierten Personalaufwand Deckung finden. Die Personalbewirtschaftung wird entsprechend zu steuern sein.

Zusammenfassend erlaube ich mir namens meiner Fraktion festzustellen, daß wir bei den Tagesordnungspunkten 7 und 8 gegen die Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch erheben werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche jetzt unsere Verhandlungen über die Tagesordnung, und zwar unterbreche ich, bis die Frau Bundesministerin hier ist. Das wird in wenigen Minuten der Fall sein.

Daher unterbreche ich die Sitzung, bis die Frau Bundesministerin da ist und ich die dringliche Anfrage zum Aufruf bringen kann.

(Die Verhandlungen werden um 15.59 Uhr unterbrochen und um 16.01 Uhr wiederaufgenommen .)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Dieter Langer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die unendliche Geschichte des Museumsquartiers (1197/J-BR/96)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage 1197/J-BR/96 der Bundesräte Dr. Kapral, Dr. Riess-Passer, Mag. Langer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die unendliche Geschichte des Museumsquartiers.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Sowohl die Planungen für das Museums-Quartier schreiten fort, als auch die Diskussion innerhalb der Stadt Wien. (...) Die budgetären Vorbereitungen selbst sind getroffen, also es schreitet zügig voran", so der damalige Bundesminister für Wissenschaft Dr. Erhard Busek im Morgenjournal des Hörfunks vom 16. Juni 1992. Mittlerweile sind mehr als vier Jahre vergangen und außer dreistelligen Millionenbeträgen, die aus Steuergeldern aufgewendet wurden, gibt es keinerlei sichtbare Zeichen oder Ergebnisse betreffend das geplante Museumsquartier.


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Im Jahr 1990 wurde eine Museumsquartiergesellschaft, an der der Bund zu 75 Prozent und die Gemeinde Wien zu 25 Prozent beteiligt sind, gegründet.

Gemäß BGBl. 372/1990 bezieht sich der Unternehmensgegenstand der Museumsquartier-Errichtungs- und BetriebsgesmbH auf die Planung, Bau, Erhaltung, Liegenschaftsverwaltung und Betriebsführung des auf dem Areal der ehemaligen Hofstallungen zu errichtenden Museumsquartiers.

Die Erfolgsbilanz der bisherigen Tätigkeit läßt jedoch berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Effizienz dieser Gesellschaft insofern aufkommen, als bekannt ist, daß man bisher auf der einen Seite über das Planungsstadium noch nicht hinausgekommen ist, auf der anderen Seite aber bereits mehr als 500 Millionen Schilling für das Museumsquartier ausgegeben wurden.

Die Verwirklichung des Projekts Museumsquartier wurde einerseits durch mangelnde Entscheidungsfähigkeit der Verantwortlichen der am Syndikatsvertrag beteiligten Bundesministerien sowie der Stadt Wien erheblich verzögert, andererseits war die auf politischer Ebene verfolgte Verknüpfung der Sachentscheidungen betreffend die Errichtung einer Kunst- und Veranstaltungshalle und den Erwerb der "Sammlung Leopold" dem raschen Fortgang der Entwicklung nicht unbedingt dienlich.

Eines der Hauptprobleme dieses unrühmlichen Kapitels der österreichischen Kulturpolitik liegt in der Tatsache, daß "in der ersten Phase des Architektenwettbewerbs für eine Revitalisierung und teilweise Neubebauung des Areals der ehemaligen Hofstallungen die Angaben betreffend die Erhaltungswürdigkeit mit den Ausführungen des Bundesdenkmalamtes lediglich sinngemäß und nur lückenhaft übereinstimmten", wie auch der Rechnungshof in seinem Wahrnehmungsbericht über die Museumsquartier-Errichtungs- und BetriebsgesmbH beanstandete.

Dies führte dazu, daß bei den sich bewerbenden Architekten der Eindruck entstehen konnte, daß das betreffende Areal mehr oder weniger ohne Beachtung denkmalschutzrechtlicher Vorschriften gestaltet werden könnte.

Die ursprünglichen und grundsätzlichen Auffassungen des Bundesdenkmalamtes waren seit 1984 bekannt und wurden mehrmals präzisiert. Dennoch wurde ihnen bei den weiteren Projektplanungen nicht die nötige Beachtung geschenkt, was das bereits unter anderem von Bundesminister a. D. Dr. Erhard Busek angekündigte "zügige Fortschreiten des Projektes" bis zum Stillstand einbremste.

Die jüngsten Medienberichte spiegeln nur zu gut wieder, daß man in Sachen "Museumsquartier" weiterhin am Stand tritt, wenn der Präsident des Bundesdenkmalamtes Dr. Sailer in Zusammenhang mit der dreißig Seiten umfassenden Stellungnahme betreffend das jüngste Projekt "Ortner & Wehdorn" via APA 214 vom 5. Juli 1996 verlauten läßt, daß "das Nutzungskonzept der wesentliche Ansatzpunkt für die gesamte Architekturausformung sei und bei eben dieser Nutzungsfrage für die Sachverständigen der Denkmalbehörde allzu viele Fragen offengelassen wurden."

Die Zeitung "Die Presse" zitiert Herrn Dr. Sailer in ihrer Ausgabe vom 6. Juli 1996 dazu wie folgt: "Der Teufel sitzt im Detail. Uns geht es vor allem um die historische Bausubstanz und deren Nutzung im Verhältnis zu den Neubauten. Den Fischer-von-Erlach-Trakt als Depot zu nutzen – da stellen sich mir die Haare auf."

Ein Abschluß dieser steuergelderverschlingenden Museums-Odyssee ist demnach offenbar ferner denn je.

Aus diesem Grund richten die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten folgende

dringliche Anfrage:

1. Wie ist der aktuelle Stand betreffend die Errichtung des Museumsquartiers?


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2. Wie oft wurde der Syndikatsvertrag seit seinem Abschluß geändert?

3. Wer trägt laut Syndikatsvertrag jeweils welche Kosten?

4. Halten Sie es für vertretbar, daß hohe Beamte des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten noch immer im Aufsichtsrat der Museumsquartiers-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft sitzen, obwohl der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht auf die Problematik derartiger Doppelfunktionen bereits hingewiesen hat?

5. Welche Kosten sind dem Bund im Zuge der Planung für die Errichtung des Museumsquartiers bisher entstanden?

6. Ab welchem Zeitpunkt wurden denkmalschutzrechtliche Aspekte in die Planungen tatsächlich einbezogen?

7. Gibt es Projekte, die rein aus Gründen der Verletzung des Denkmalschutzes ausgeschieden wurden?

8. Welche sind die genauen Kritikpunkte und Bedenken des Bundesdenkmalamtes zu den aktuellen Plänen für die Errichtung des Museumsquartiers?

9. In welcher Form wird es möglich sein, die genannten Bedenken auszuräumen?

10. Das jüngste Projekt "Ortner & Wehdorn" sieht unter anderem den Abriß denkmalgeschützter Bauwerke vor. Halten Sie dennoch dieses Projekt mit den Bestimmungen des Bundesdenkmalschutzgesetzes für vereinbar?

11. Bis zu welchem Zeitpunkt halten Sie einen Abschluß der Planungsphase beziehungsweise den Beginn der Errichtung des Museumsquartiers für möglich?

12. Eine Reihe von Beispielen in westeuropäischen Städten beweisen, daß es möglich ist, historische Bausubstanz für museale Zwecke zu nutzen. Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang der Louvre sowie das Musée d’Orsay in Paris oder die Villa Hermosa Thyssen-Sammlung und die Reigna Sofia in Madrid angeführt.

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß auch bei der Verwirklichung des Museumsquartiers in Wien vorrangig die historische Bausubstanz für museale Zwecke genutzt wird?

13. Wie weit berechtigt die von Dr. Sailer verfaßte Stellungnahme zu der Annahme, daß das Bundesdenkmalamt dem Projekt "Ortner & Wehdorn" seine Zustimmung erteilen wird?

14. Gibt es bereits Kostenschätzungen betreffend die Realisierung des Projektes "Ortner & Wehdorn"?

Wenn ja, in welcher Höhe liegen diese Kosten?

15. Wann gedenken Sie, die Öffentlichkeit über das jüngste Projekt umfassend zu informieren?

16. Inwieweit wurden Bedenken der Bürgerinitiativen "Messepalast Hofstall-Ensemble" in die Planungen einbezogen?

17. Erachten Sie es als gerechtfertigt, daß für eine Studie, mit dem Ziel die argumentative Kampfkraft der Geschäftsführung der Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft zu stärken, ein Honorar in der Höhe von rund 1 Million Schilling überwiesen wurde?

18. In wessen Eigentum steht die von der Republik Österreich angekaufte "Sammlung Leopold"?

19. Wo befinden sich die Werke derzeit?

20. Wann ist geplant, die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?


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21. Wo soll die Sammlung nach dem derzeitigen Stand der Dinge untergebracht werden?

22. Wer verwaltet die Sammlung zurzeit, und welche Kosten sind damit verbunden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 GO-BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Kapral als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

16.03

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige dringliche Anfrage der Freiheitlichen im Bundesrat wird sicherlich nicht der letzte Akt in der unendlichen Geschichte des Museumsquartiers sein. Es ist vielmehr damit zu rechnen – davon bin ich restlos überzeugt –, daß noch viel Wasser die Donau hinunterfließen wird. Ihr Optimismus in Ehren, sehr geehrte Frau Bundesministerin: Ich teile ihn nicht! Glauben Sie wirklich, daß Mitte 1997 mit dem Bau begonnen werden kann? – Ich glaube es jedenfalls nicht! Das aufzuhellen wird Aufgabe der heutigen Diskussion sein.

Lassen Sie mich einen kurzen Blick zurück auf diese unendliche Geschichte des Museumsquartiers werfen: In der Ausschreibung, der ersten Phase des Wettbewerbs, wurde noch ausdrücklich auf die Tatsache des Denkmalschutzes verwiesen. In der zweiten Wettbewerbsphase wird jedoch schon, unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des damals zuständigen Bundesministers für Wissenschaft und Kunst Dr. Busek ein deutliches Abgehen von den zwingenden Vorschriften des Denkmalschutzes erkennbar. Nach meiner laienhaften Sicht und mit meinem wahrscheinlich sehr gering ausgeprägten juristischen Sachverstand war ich bisher der Meinung, daß auch Minister an die Einhaltung der Gesetze dieser Republik gebunden sind. Es hat sich aber damals bereits gezeigt, daß der zweite Partner in der Museumsquartier-Gesellschaft, die 1990 mit eigenem Bundesgesetz gegründet wurde, nämlich die Stadt Wien, eine eigene Ansicht hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Denkmalschutzes vertritt, die im Gegensatz zu der steht, die damals von Bundesseite vertreten wurde, obwohl natürlich für die Bundesseite die Einhaltung eines Bundesgesetzes noch zwingender sein müßte, wenn man diese Abstufung überhaupt treffen darf.

Ich erspare es mir, auf die verschiedenen Gutachten im einzelnen einzugehen, die im weiteren Verlauf der Projektierungsphase an die Öffentlichkeit gelangt sind. Ich setze mich auch nicht im Detail mit den einzelnen Projekten selbst auseinander.

Etwas möchte ich aber doch feststellen: Das Gutachten, das von Herrn Professor Raschauer erstellt wurde, läßt sich nicht so einfach vom Tisch wischen, vor allem was seinen Inhalt und seine Aussagen anlangt. Bei der Person von Professor Raschauer handelt es sich um einen erfahrenen Juristen, einen Kenner der einschlägigen Bestimmungen, dessen Meinung – ich unterstreiche: dessen Meinung! – beziehungsweise dessen Rechtsansicht nicht so einfach abgetan werden kann. Sicher handelt es sich um ein Privatgutachten, nicht um ein Fakultätsgutachten oder ein Gutachten, das von einer öffentlichen Stelle in Auftrag gegeben wurde. Aber es handelt sich nicht um die Privatmeinung irgendeines Herrn Raschauer, sondern um die Meinung eines ordentlichen Universitätsprofessors. – In diesem Gutachten – deswegen wollte man es gerne irgendwie wegwischen – wird dem Denkmalschutz jener Stellenwert beigemessen, der ihm im übrigen auch in unserer Rechtsordnung eingeräumt wird.

Ich komme nun auf die aktuelle Situation zu sprechen. Sie wird dadurch charakterisiert, daß vor wenigen Tagen in einer eher unüblichen Vorgangsweise ein längeres Schreiben des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes in der Öffentlichkeit bekannt wurde. In weiterer Folge hat Herr Präsident Sailer diesen Brief noch gegenüber den Medien kommentiert. Damit kam es in der


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Causa "die unendliche Geschichte des Museumsquartiers" zu einer neuen und, wie mir scheint, beachtenswerten Wendung. – Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns in Ihrer folgenden Stellungnahme auch Ihren Standpunkt zu diesem Schreiben des Herrn Präsidenten des Bundesdenkmalamtes wissen lassen könnten!

In diesem Schreiben werden – erfreulicherweise in aller Klarheit – die Planungsmängel aufgezeigt, die trotz der langen Zeitspanne, die für diese Planung bisher zur Verfügung stand, anscheinend immer noch vorhanden sind. Ich darf daran erinnern, daß 1990 der Gesetzesbeschluß zur Errichtung der Museumsquartier GesmbH in beiden Häusern beschlossen wurde. Dieser Gesetzesbeschluß ist inhaltlich leider sehr unbefriedigend und in Wirklichkeit widersprüchlich. Er wird nicht nur von mir, sondern auch von anderen Experten als eigentlich nicht vollziehbar angesehen. Wir schreiben jetzt immerhin das sechste Jahr nach 1990, es zeigt sich jedoch bei genauer Prüfung der bisherigen Projektierungsarbeiten, daß nach wie vor sehr erhebliche Fragen offen sind: Es gibt Mängel und Dinge, die überhaupt nicht oder in falscher Richtung behandelt wurden.

Wenn ich jetzt das Datum der ersten Ausschreibung des Ideenwettbewerbs für das Museumsquartier nenne, dann wird offensichtlich, daß die Bezeichnung "unendliche Geschichte" sehr wohl ihre Berechtigung hat. Die erste Ausschreibung fand schon um die Jahreswende 1986/87 statt, und das liegt immerhin zehn Jahre zurück! – Aber vielleicht gilt gerade für dieses sicherlich in verschiedenster Beziehung sehr heikle Projekt das Sprichwort: Gut Ding braucht Weil’. Es ist allerdings sehr zu hoffen, daß nunmehr die Weichen in jene Richtung gestellt sind, daß erwartet werden kann, daß, nachdem Chancen bisher eher vertan wurden, letzten Endes doch noch etwas Positives zu erreichen sein wird.

Ich möchte mich jetzt ein bißchen mit dem Schreiben des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes auseinandersetzen. Vor allem möchte ich auf einen Umstand besonders hinweisen, den Präsident Sailer an die Spitze seiner Ausführungen gesetzt hat. Man fragt sich nämlich, von welchen Voraussetzungen man bei den bisherigen Projektierungs- und Planungsarbeiten ausgegangen ist, wenn der Präsident des Bundesdenkmalamtes kritisiert, daß es an einem Nutzungskonzept zumindest für den Altbestand mangle. Diese Bauten stammen von einem nicht ganz unbekannten Architekten, dessen Bedeutung für Wien nicht nur in den sogenannten Hofreitstallungen zum Ausdruck kommt, sondern auch in einer Reihe von anderen Baulichkeiten, auf die diese Stadt mit Recht stolz ist. Die Errichtung der zur Diskussion stehenden Gebäude geht nämlich auf die Pläne und die Planung von Fischer von Erlach zurück.

Jeder private Erwerber eines alten Objektes fragt sich wahrscheinlich zuerst, wie er den Altbestand nutzen kann, welche Nutzung er diesen Räumlichkeiten zueignet. Erst dann wird er sich überlegen, ob und wie er allfällige Zubauten realisieren soll. – Beim Projekt Museumsquartier hat man jedoch anscheinend diesen sich logischerweise anbietenden Weg nicht beschritten.

Ein weiterer und – wie mir scheint – gravierender Einwand in der Stellungnahme des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes ist in der Kritik zu sehen, daß es an einem musealen Konzept für diesen Komplex nach wie vor mangelt. Er spricht dann, indem er sich mit den einzelnen Projekten für die bestehende Substanz auseinandersetzt, davon, daß er sich eigentlich von den Planern, zum Beispiel was die Frage der Reithalle anlangt, mehr Phantasie erwartet hätte. Seiner Meinung nach werden überhaupt in der gesamten Architekturausformung allzu viele Fragen offengelassen. So blieb etwa die Frage, ob und wie Räumlichkeiten für ein Kindermuseum bereitgestellt werden sollen, oder nach konkreten Nutzungskonzepten für Werkstatt- oder Sanitärbereich unbeantwortet. Die Tatsachen, daß eine Raumfolge im Fischer-von-Erlach-Bau mit "Depots" gekennzeichnet ist oder Raumflächen in der Größe einer Sechszimmerwohnung als "Sozialräume" bezeichnet werden, sind laut Sailer "aufklärungsbedürftig".

Der Präsident des Bundesdenkmalamtes sagt dazu – wörtlich zitiert –: "Wir wollen das konkret haben, das museale Konzept muß erklärt werden, rein funktional und betriebsablaufmäßig." – Ich glaube, in diesem ganz knappen, kurzen Satz konzentriert sich die Kritik. Allein diese Aus


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sage zeigt, welche Mängel an sich in der bisherigen Projektierungs- und Planungsphase aufgetreten sind.

Es gibt darüber hinaus natürlich auch Meinungsdifferenzen, was allfällige Neu- und Zubauten anlangt. Auch in dieser Hinsicht spart der Präsident des Bundesdenkmalamtes nicht mit Deutlichkeit, wenn er sagt: ",Es muß ein harmonisches Gesamtbild ergeben.‘ Daß also in der Fassadengestaltung der eine Neubau hell und der andere dunkel erscheinen soll, ,das geht nicht.‘" – Diese Fassadengestaltung ist ein Aspekt.

Darüber hinaus ist auch erwähnenswert, daß man bei diesen Neubauten von einer sehr umstrittenen Umwidmung des Flächenwidmungsplanes ausgeht und eine Schrägstellung dieser Neubauten vorsieht. Das wäre gar nicht notwendig, man könnte auch zu den ursprünglichen Annahmen zurückkehren. – Aber ich gebe zu: Das ist nicht Bundessache, sondern ist Sache des Bundeslandes Wien und wird sicherlich die dortigen Gremien noch weiter beschäftigen.

Die Kritik an der bisherigen Planungsarbeit gipfelt – ich darf das vereinfachend für das Schreiben des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes so bezeichnen – in der Forderung, daß das gesamte Projekt ein harmonisches Gesamtbild ergeben müsse. Wenn ich mich noch an die Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei in diesem Raum wenden darf ... (Bundesrat Bieringer : Das dürfen Sie immer!) Ich danke vielmals, Herr Bundesrat Bieringer! Ich hätte mir das auch ohne Ihre gütige Erlaubnis gestattet! – Ich wäre dankbar, wenn jemand von Ihnen in weiterer Folge auf die zumindest mir widersprüchlich erscheinende Äußerung Ihres Wiener Obmannes Dr. Görg zum Brief des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes eingehen könnte. – Ich zitiere wieder aus einer APA-Aussendung: "Aber wenn das eine positive Stellungnahme ist, dann sind gemäß unseren früheren Aussagen unsere grundsätzlichen Bedenken ausgeräumt." – So Herr Dr. Görg. Gleichzeitig – darin sehe ich eben den Widerspruch – bekräftigt Herr Dr. Görg jedoch seine Ansicht, daß es sich um ein schlechtes Projekt handle: "Durch Herumschnipseln ist es nicht aufregender geworden." – So seine Meinung laut APA.

Ich glaube, daß es nach Kenntnisnahme dessen, was Bundesdenkmalamtpräsident Sailer in diesem von mir mehrmals erwähnten Brief sagt, durchaus richtig ist, wenn man überlegt, ob es nicht besser ist, wenn man in der ganzen Causa Museumsquartier quasi wieder bei Stunde Null beginnt.

Lassen Sie mich auf noch einen Punkt verweisen: Die allerjüngste Idee stammt vom Wiener Planungsstadtrat Hannes Swoboda und ist gestern bekanntgeworden, weil dieser bei einer Veranstaltung des Tourismusverbandes darauf zu sprechen gekommen ist. Hier heißt es: Mit der vom Planungsstadtrat Hannes Swoboda postulierten Forderung nach einer neuen Ausstellungshalle gleich neben dem Austria Center wollen die Stadtpolitiker einen zusätzlichen Anreiz schaffen, um trotz des wachsenden internationalen Wettbewerbs große internationale Veranstaltungen in die Bundeshauptstadt zu bekommen.

Das ist etwas, was wir Freiheitlichen bei der Diskussion in der Stadt Wien schon des öfteren verlangt haben: daß auch diese neue Fläche, diese berühmte Platte, nicht nur baulicher Akzente, sondern auch inhaltlicher bedarf und daß es notwendig ist, auch einen kulturellen Schwerpunkt jenseits der Donau zu setzen. Es bleibt jetzt nur wieder einmal die Frage im Raum: Ausstellungshalle im Messepalast? Ausstellungshalle der Stadt Wien als Ihr Projekt? Ausstellungshalle nach Idee des Herrn Stadtrat Swoboda jenseits der Donau? – Es werden der Widersprüche leider nicht weniger, sondern mehr.

Ich glaube, daß die von freiheitlicher Seite des öfteren, insbesondere auch vom Wiener Obmann Dr. Pawkowicz geäußerte Forderung nach einem Neubeginn sozusagen bei der Stunde Null, durch das erwähnte Schreiben des Bundesdenkmalamtes nunmehr einen ganz anderen Gehalt bekommen hat. Die Unterstellung, daß es sich nur um die übliche Vorgangsweise der Opposition handle, die jedes Projekt von vornherein einmal ablehnt, weil sie überhaupt gegen alles Neue ist, wird damit entkräftet, denn die Einwände decken sich. Und bei den Einwänden, die vom Bundesdenkmalamt hinsichtlich der bisher vorliegenden Projektierungsergebnisse gekommen sind, handelt es sich doch sicherlich um rein sachlich begründete Einwände!


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In diesem Sinn, Frau Bundesministerin, sind wir auf Ihre Stellungnahme zu den Fragen, die wir uns heute im Rahmen dieser dringlichen Anfrage an Sie zu stellen erlaubt haben, sehr gespannt. – Ich danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

16.20

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst eine Feststellung: Das Museumsquartier wird irrtümlicherweise immer als bauliches Problem gesehen. – "Museumsquartier" ist jedoch ein Kulturbegriff. "Museumsquartier" bedeutet Aktivitäten und Veranstaltungen. Daß dieses Museumsquartier bereits lebt und existiert, sehen wir an den vielen Veranstaltungen, die in dem alten Messegelände jährlich angeboten werden. Allerdings sind die baulichen Voraussetzungen derzeit denkbar schlecht.

Sie haben die "unendliche Geschichte" angesprochen. Ich meine, daß eine unendliche Geschichte nicht besser wird, wenn sie zur Stunde Null zurückgedreht wird. Dadurch wird sie nämlich noch "unendlicher". Deshalb habe ich zu Beginn meiner Amtszeit gemeinsam mit meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine Durchsetzungsstrategie entwickelt.

Es ist die Frage im Raum gestanden: Sollen wir jetzt in die Detailplanung gehen und dann das normale Verfahren beim Bundesdenkmalamt laufen lassen, oder sollen wir zuerst ein Vorprojekt einreichen und vom Bundesdenkmalamt begutachten lassen? – Nachdem wir nicht die Kosten einer Detailplanung in völliger Ungewißheit, ob wir die Zustimmung vom Bundesdenkmalamt überhaupt bekommen, auf uns nehmen wollten, ist der Entschluß gefallen, dem Bundesdenkmalamt das Vorprojekt zu einer Vorbegutachtung und einer ersten Stellungnahme vorzulegen, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen möchte, daß bereits von meinem Vorgänger das Bundesdenkmalamt in diesem Fall weisungsfrei gestellt wurde.

Dieses Vorprojekt wurde also erarbeitet und dem Bundesdenkmalamt zur Stellungnahme vorgelegt. Diese Stellungnahme ist weder positiv noch negativ, und sie enthält auch nicht die Anregung, zur Stunde Null zurückzukehren. Diese Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes wirft vielmehr wichtige Fragen auf, die bis zur Einreichung der Detailplanung noch abzuklären sind. Diese Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes ist also als Hilfestellung für die Erarbeitung der Detailplanung zu betrachten!

Das Bundesdenkmalamt kann sich vorstellen, daß die Neubauten in diesem Areal untergebracht werden können, wenn die verschiedenen Voraussetzungen und Auflagen noch erfüllt werden. Das Bundesdenkmalamt verlangt eine Vertiefung der Nutzungskonzeption. Das ist selbstverständlich ein wichtiger Hinweis, dem wir nachkommen werden, wobei ich ganz klar feststelle, daß es für die großen, wichtigen Teile natürlich genaue Nutzungskonzepte gibt. Die wichtigen Teile sind das Leopold-Museum, das Museum Moderner Kunst und die Kunsthalle der Stadt Wien. Dafür besteht unbestritten neuer Raumbedarf, darüber muß man gar nicht reden. Man kann ja nicht das Museum Leopold weiß Gott wohin an den Stadtrand von Wien drängen. Das ist völlig unmöglich! Es gibt auch eine Verpflichtung des Bundes, dieses Museum zu bauen.

Die Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes wird von der Museumsquartier-Gesellschaft folgendermaßen bearbeitet: Es werden zuerst einige Irrtümer aufgeklärt, die sich aus der Betrachtung des Planes ergeben. Sie haben vom Fischer-von-Erlach-Trakt gesprochen, in dem angeblich Depoträume und Sozialräume sein sollen. Sie haben gesagt, daß das keine gescheite Nutzung ist. Meine Damen und Herren! Wenn man einen großen neuen Bau in Angriff nimmt, dann muß man zwischenzeitlich die Depoträume für die Stiftung Leopold und die Sozialräume für die Leute, die dort arbeiten, irgendwo unterbringen!

Wir werden also diesen Irrtum aufklären und klarstellen, daß die Nachnutzung natürlich in einer Gesamtkonzeption enthalten ist. Diese Gesamtkonzeption gibt es auch schon. Es müssen die


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Kunstwerke von Wotruba untergebracht werden, und es ist geplant, einen Bereich zu errichten, in dem wichtige Skulpturen aus der österreichischen Kunstgeschichte ausgestellt werden.

Weiters werden verschiedene Nutzungskonzepte für weitere umliegende Räumlichkeiten vom Bundesdenkmalamt verlangt. Das Bundesdenkmalamt hat uns jedoch prinzipiell eine Hilfestellung für die Ausarbeitung der Detailplanung gegeben: Ein erster Schritt wird die Aufklärung der Irrtümer sein, die sich aufgrund der Planunterlagen ergeben – das wird in den nächsten vier Wochen erarbeitet –, der zweite Schritt wird die Beantwortung und die Berücksichtigung der Fragen der Detailplanung sein. Diese Detailplanung wird bis zum Herbst 1996 abgeschlossen werden.

Nun zu den einzelnen Fragen.

Zur Frage 1: Diese Frage betreffend den aktuellen Stand der Errichtung des Museumsquartiers habe ich in meinen Vorbemerkungen bereits beantwortet.

Zur Frage 2: Dieser Syndikatsvertrag wurde einmal, und zwar im August 1995, geändert. Damals gab es eine neue Arbeitsteilung zwischen dem Bund und der Stadt Wien: Der Bund wird zwei Museumsbauten errichten, und Wien wird die Kunsthalle und das Architekturzentrum errichten.

Zur Frage 3: Die Stadt Wien hat sich im Syndikatsvertrag zur Übernahme der Herstellungs- und Betriebskosten für die Kunst- und Veranstaltungshalle sowie das Architekturzentrum verpflichtet. Die sonstigen Kosten für die Realisierung und den Betrieb trägt der jeweilige Besteller. Die Museumsquartier-Gesellschaft errichtet im Auftrag verschiedener Besteller Gebäude: Der eine Besteller ist die Stadt Wien, der andere Besteller wird sicher der Bund sein: für das Museum Moderner Kunst, für das Leopold-Museum, für die Skulpturenausstellung. Es ist aber auch ein großer Bereich für Drittnutzungen vorgesehen.

Zur Frage 4: Der Bund ist Mehrheitseigentümer mit 75 Prozent, die Stadt Wien hält 25 Prozent. Ich meine, daß es selbstverständlich ist, daß derjenige, der Eigentümer ist, auch im Aufsichtsrat vertreten sein muß.

Zur Frage 5: Welche Kosten sind dem Bund im Zuge der Planung für die Errichtung des Museumsquartiers entstanden? – Bis zum heutigen Tag sind es 91,9 Millionen Schilling. Diese 91,9 Millionen Schilling wurden zum größten Teil für die Planungsarbeiten aufgewendet. Die Gesamtaufwendungen des Bundes für das Museumsquartier betrugen bisher 509 Millionen Schilling – ich habe das bei einer früheren Anfrage hier im Bundesrat schon einmal erwähnt –: 370 Millionen Schilling für die Absiedlung, 91,9 Millionen Schilling Planungskosten, die geringsten Kosten verursacht die Verwaltung der Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft.

Zur Frage 6: Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, ist die erste Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes bereits 1984 erfolgt. Ich halte es an und für sich nicht für richtig, daß eine Behörde, die später eine Begutachtung abgeben muß, bereits in eine Jury eingebunden wird. Deswegen wurde das Bundesdenkmalamt erst jetzt, wo das Vorprojekt vorliegt, damit befaßt.

Zur Frage 7: Dazu kann ich nur sagen: Ich bin nicht Mitglied der Jury gewesen, aber meines Wissens ist dem Juryprotokoll nicht Näheres dazu zu entnehmen.

Zur Frage 8: Das habe ich bereits erwähnt: Das Bundesdenkmalamt muß die öffentlichen Interessen und die Denkmalschutzinteressen gegeneinander abwägen. Wenn öffentliche Interessen überwiegen, können auch denkmalgeschützte Gebäude vom Denkmalschutz befreit werden. Dieses öffentliche Interesse ist noch verstärkt von uns zu dokumentieren.

Zur Frage 9: Es wird – wie bereits erwähnt – in vier Wochen die erste Stellungnahme zur Aufklärung der Irrtümer geben. Bis in den Herbst hinein wird die Vorlage der Detailplanung erfolgen.


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Zur Frage 10: Sie meinen wahrscheinlich die Teilabbrüche der sogenannten Spangen. Ich meine, das ist eine Materie, die das Bundesdenkmalamt in seiner Kompetenz zu beurteilen hat.

Zur Frage 11: Ich meine, daß im Herbst die Detailplanung vorliegt und daß dann die behördlichen Verfahren zügig abgewickelt werden, sodaß eventuell die behördlichen Bewilligungen bis Frühjahr 1997 vorliegen können.

Zur Frage 12: Dazu muß man einfach feststellen, daß für eine wertvolle Sammlung, wie es die Stiftung Leopold ist, klimatisch und funktional optimale Räumlichkeiten nötig sind, damit diese wertvollen Bilder keinen Schaden erleiden. Außerdem müssen die Räumlichkeiten aus museumsorganisatorischen Gründen auch für den Aufbau eines Museums geeignet sein. Das war in dem Altbestand nicht gegeben, wie auch Fachleute bestätigen.

Zur Frage 13: Ich kann dazu nur sagen, daß wir uns bemühen werden, die Vorschläge zu berücksichtigen. Ich gehe davon aus, daß aufgrund der Planung, die von uns vorgelegt wird, ein positiver Bescheid möglich ist.

Zur Frage 14: Selbstverständlich gibt es Kostenschätzungen, wie es bei uns für alles sehr gute Planungen gibt. Die Kosten werden auf insgesamt 2 Milliarden Schilling geschätzt; davon beläuft sich der Bundesanteil auf 1,4 Milliarden Schilling.

Zur Frage 15: Wer täglich Zeitung liest, hat umfassende Informationen. Es gibt auch kein "jüngstes Projekt". Es gibt ein Projekt, das von uns bereits mehrfach vorgestellt wurde. Es finden laufend Informationen statt.

Zur Frage 16: Diese Bedenken wurden ernsthaft behandelt. Es gab etliche Hearings, und es wurde schließlich die Meinung der Fachleute in der Planung festgehalten. Ich mische mich prinzipiell nicht in Planungen von Fachleuten ein.

Zur Frage 17: Ich gebe zu, daß der Begriff "argumentative Kampfkraft" sicher nicht sehr glücklich gewählt ist. Nach meiner Information – ich kann Ihnen das nur so sagen, wie ich informiert worden bin – handelt es sich in Wirklichkeit um eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Gerade das wird von Ihnen ja in hohem Ausmaß gefordert.

Zur Frage 18: Die "Sammlung Leopold" steht im Eigentum der Leopold-Museum-Privatstiftung.

Zur Frage 19: Die Werke befinden sich, soweit sie nicht bei Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt werden, in einem eigens dafür adaptierten Hochsicherheitsdepot des Fischer-von-Erlach-Traktes. Dafür wurden auch etliche Millionen Schilling von den Gesamtkosten aufgewendet.

Zur Frage 20: Dann, wenn wir die unendliche Geschichte beenden können, nämlich so schnell als möglich. Teile davon werden bereits jetzt bei Ausstellungen gezeigt. Ständig kann die Sammlung natürlich erst nach der Errichtung des neuen Museumsgebäudes gezeigt werden.

Zur Frage 21: Im neuen Leopold-Museum.

Zur Frage 22: Die Leopold-Museum-Privatstiftung wird durch einen achtköpfigen Vorstand verwaltet. Die damit verbundenen Kosten betragen im Geschäftsjahr 1996/97 für Personal- und Sachaufwand 19 Millionen Schilling, wobei 8 Millionen Schilling allein für die Versicherung dieser ungeheuren Kunstschätze im Wert von 7 Milliarden Schilling anfallen und ein großer Teil dieses Betrages für Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten verwendet werden müssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend feststellen, daß nach meiner Meinung dieses Museumsquartier, wie es jetzt geplant ist, eine akzeptable und gute Lösung darstellt. Ich meine, daß das auch eine attraktive Bereicherung des gesamten Museumsbereiches in der Innenstadt wird, und ich meine, daß sich an und für sich jeder Wiener Abgeordnete darüber freuen sollte, daß der Bund mit einer derartigen Vehemenz an der Verwirklichung eines so wichtigen kulturellen Projektes für Wien arbeitet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.34


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache aber darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Langer. Ich erteile es ihm.

16.35

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Sie haben zu Beginn Ihrer Beantwortung gesagt und es offenbar bedauert, daß man das Museumsquartier immer nur als bauliches Problem betrachtet. Doch wenn man sich die Entwicklung und die Geschichte des Museumsquartieres ansieht, dann kann man sagen: Es war immer ein bauliches Problem und ging nicht um die Nutzung, denn dafür gab es Vorschläge, und es wurden auch Teile des bestehenden Gebäudes genutzt.

Wenn ich mir die Geschichte des Museumsquartieres ansehe, dann kann ich eigentlich keine Bemühungen der Bundesregierung oder der verantwortlichen Politiker entdecken, dieses Projekt entsprechend voranzutreiben. Die Geschichte des Museumsquartiers ist nicht nur eine unendliche, sondern auch eine unendlich traurige Geschichte, ein eklatantes Beispiel für die Kombination von Unfähigkeit und Untätigkeit: Fehleinschätzung folgt auf Fehleinschätzung. Fehler reiht sich an Fehler. Aber kassiert wird in diesem Dunstkreis fleißig. An dieser Entwicklung kann auch die Stellungnahme des Präsidenten des Bundesdenkmalamtes, Dr. Sailer, nichts ändern. Es bleiben, wie wir heute gehört haben, allzu viele wesentliche Fragen offen.

Nicht nur Dr. Sailer stellen sich die Haare auf, als er in seinem Interview mit der "Presse" am 6. Juli 1996 sagte: "Den Fischer-von-Erlach-Trakt als Depot zu nutzen – da stellen sich mir die Haare auf." – Auch dem Leser des Rechnungshofberichtes – darauf werden wir noch eingehend zu sprechen kommen – stellen sich die Haare über das auf, was hier geschehen ist. Und es nützt auch nichts, Frau Bundesministerin, wenn Sie nun gewollten Optimismus versprühen, wenn Frau Stadträtin Dr. Pasterk mit der Schaufel bei Fuß dasteht oder der Noch-Stadtrat Swoboda sogar Gewehr bei Fuß, um die Dinge voranzutreiben, wobei er deren Fortgang dann vielleicht aus Brüssel wohlwollend betrachten wird.

Sie werden auf diese Art und Weise ein vermurkstes Projekt nicht retten. Ich behaupte, daß es jetzt, nach nunmehr zehn Jahren, vermurkst ist. Frau Bundesministerin! Machen Sie Schluß mit dem jahrelangen Krampf! Wir sagen: Beginnen Sie neu, ohne Fehleinschätzungen und ohne Fehler! Denn der Vertrauensvorschuß in die Lösungskompetenz bezüglich Museumsquartier ist bei uns und in der Öffentlichkeit verspielt.

Es ist meines Erachtens nach nicht das Sprichwort anzuwenden: Gut Ding braucht Weile, sondern es trifft eher das Sprichwort zu: Wo einmal der Hund drin ist, kommt nix Gscheites mehr raus. (Bundesrat Wöllert: Wie bei der FPÖ.) – Der erste Fehler wurde bereits 1986 begangen: Es wurde damals die Gelegenheit nicht genutzt, aus dem bestehenden Vertrag mit der Wiener Messe auszusteigen. Das hat später insgesamt 370 Millionen gekostet. Man hat damals zwar schon gewußt, daß man die Räumlichkeiten oder das Areal brauchen wird, aber man hat nicht rechtzeitig und vorausschauend genug reagiert.

Was dann geschieht – man muß sich das wohl sukzessiv ansehen –, sind Beispiele von Ziel- und Orientierungslosigkeit, aber auch von Instinktlosigkeit. Der zweite Fehler unterläuft im November 1986: Im Text der Ausschreibung des Architektenwettbewerbes ist der Denkmalschutz nicht richtig beachtet; bei der Ausschreibung wurde die Meinung des Denkmalamtes nicht umgesetzt.

1990 – so lange hat es gedauert – gab es dann ein Siegerprojekt. Und dann folgte der dritte Fehler beziehungsweise eine Fehleinschätzung: Man hat nicht damit gerechnet, daß es der Bevölkerung nicht gefallen wird, daß durch eine mutwillige Architektur die eigene Geschichte


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Wiens zerstört wird. Ortner selbst hat erklärt, daß es ihm darum gegangen ist, imperiale Strukturen zu zerstören. Da erhebt sich wirklich die Frage, was an einem Kubus und an einem Turm – so sah das ja damals aus – architektonisch so wertvoll ist, daß man historisches Kulturgut dafür zerstört. Was ist an zwei Kobeln – denn das bleibt letztlich über – architektonisch so wertvoll, daß man Kulturgut zerstört? – Wie dem auch sei: Busek wollte sich damals ein Denkmal setzen, und wir Freiheitlichen hoffen, daß dieses Projekt derselben Vergessenheit anheimfällt, in der sich Busek jetzt befindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man hat nicht mit dem Widerstand der Bevölkerung gerechnet! – Es werden jetzt auch interessanterweise in einer rot-röteren Koalition in Wien die Mitglieder einer Bürgerbewegung, die sich zum Widerstand gegen diese Vorgangsweise installiert haben, von einer Koalition aus SPÖ und Grünen – interessanterweise, denn sonst sind diese doch für jede Bürgerbeteiligung und Bürgerbewegung zu haben! –, plötzlich als "Ewiggestrige", "Sumperer" und "Hinterwäldler" bezeichnet.

Aber es ist nicht nur die Bevölkerung, die Widerstand ... (Bundesrat Ing. Penz: Was bedeutet denn das: "Sumperer"?) Sie fragen am besten die Kollegen von der Sozialdemokratie, was sie damit meinen: Ich habe das jedenfalls so vernommen. – Aber auch Experten haben Proteste eingelegt. Die politisch Verantwortlichen waren sich offenbar selbst nicht sicher. Denn die notwendige Umwidmung ließ ewig lang auf sich warten. Es ist dann plötzlich auch im Wiener Gemeinderat der Wunsch entstanden, etwas lang Versäumtes nachholen zu müssen, nämlich – nicht erst jetzt, Frau Bundesministerin, sondern schon im Oktober 1992! – eine Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes einzuholen.

Nichtsdestotrotz waren schon 1991 die Verträge geschlossen worden, und es wurde munter geplant und umgeplant und manchmal auch nicht geplant, und es wurde nichts umgesetzt. Jedenfalls wurde aber Geld ausgegeben: 59 Millionen für die Planung und 21,5 Millionen an Verwaltungskosten – so steht es im Rechnungshofbericht.

Inzwischen mehren sich die Kritiken an diesem Projekt. Im Mai 1993 kam Kritik aus einem internationalen Kunsthistorikerkomitee: 180 Experten wehrten sich vehement gegen die Zerstörung eines geschlossenen Ensembles. – Aber der interessanteste Kritiker war wohl Unversitätsprofessor Wehdorn. Er hatte in seiner Analyse zuerst festgestellt, als er noch zu den Kritikern zählte, daß die historische Bausubstanz revitalisierbar und als Museum nutzbar zu machen wäre. Als Mitglied des Fachbeirates für Stadtplanung hatte er Bedenken gegen das Ortner-Projekt geäußert und Visualisierung gefordert. Seit er jedoch auch in den Olymp der Verdiener an diesem Museumsquartier aufgestiegen ist, hört man nichts mehr von seinen Bedenken. – Wie gesagt: Aus Kubus und Turm wurden Kobel und Kobel, aus Ortner und Ortner wurde "Ortner & Wehdorn". Es ist aber um nichts besser geworden, man braucht nur noch mehr Geld für die Umplanungen.

Es läßt sich eben im Umfeld dieser Museumsquartier-Gesellschaft überhaupt leicht verdienen; dazu ein paar Auszüge aus dem Rechnungshofbericht wie folgt: Erstens: Ankauf des Hauses Breite Gasse 4, um einen Zugang vom 7. Bezirk zum Areal zu schaffen. Dieses Haus wurde jetzt abgerissen, und es wurde, glaube ich, sogar der Zugang unter Beteiligung der maßgeblichen Politiker eröffnet. – Aus dieser Geschichte ist zu sehen, wie teuer letztlich dieses Haus oder dieser Zugang gekommen ist. Es gab im Jahr 1989 ein Anbot um 10 Millionen. Das war zu teuer, weil in einem Gutachten festgestellt wurde, daß der Verkehrswert höchstens 4,8 Millionen Schilling beträgt. Dann hat man interessanterweise den Auftrag an eine Grundstücksverwertungsgesellschaft – eine Tochter der Ersten Österreichischen – gegeben, und diese hat dann das Grundstück und das Haus gekauft: um 5,4 Millionen für den Grund- und Gebäudewert plus 3,6 Millionen für nicht vorhandene Planungsleistungen. Auf Nachfrage des Rechnungshofes hat es geheißen: Das erklärt sich aus steuerlichen Gründen, weil die Verkäuferin das so wollte. Das heißt: Das Ganze hat dann im Dezember 1990 9 Millionen gekosten, und im Jänner 1992 hat es die Museumsquartier-Gesellschaft um 10,9 Millionen erworben. – Dazwischen liegen aber etliche Millionen, und man hätte das eigentlich auch günstiger haben können!

Zweitens: Nach dem Jahr 1990 dient sich ein Herr Mag. Steiner für Beratungstätigkeiten an, um ein Medienforum zu schaffen. Frau Ministerin! Sie haben es genannt. Das hätte offenbar eine


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begleitende Öffentlichkeitsarbeit sein sollen. Wie gesagt, es hat sich um eine "Verstärkung der argumentativen Kampfkraft" gehandelt. Die Abwicklung jedoch war auch etwas dilettantisch, denn die Vereinbarung war mündlich. Mag. Steiner bezieht für seine Tätigkeit 1 Million Schilling. Laut Aussage der Museumsquartier-Gesellschaft und nach dem Bericht des Rechnungshofes ist das, was er geliefert hat, zum Teil zu spät gekommen beziehungsweise war nicht brauchbar. Es wurde jedenfalls dieser Aufwendung von 1 Million Schilling keine brauchbare Gegenleistung gegenübergestellt.

Drittens: Eine Firma CIP-Complet hat 760 000 S für ein Nutzerkonzept erhalten. In dieses Nutzerkonzept war sogar einer der Geschäftsführer der Museumsquartier-Gesellschaft mit eingebunden: Man muß sich einmal vorstellen, daß der Geschäftsführer an den 760 000 S auch mitnascht! Dann stellt der Rechnungshof fest, daß auch in diesem Fall keine wirklich brauchbare Gegenleistung herausgekommen ist.

Das sind aber sicher nur Lappalien in dem ganzen Umfeld. Denn das Ganze hat bisher schon eine halbe Milliarde oder mehr gekostet, wobei der größte Brocken die Ablöse an die Wiener Messen war. Ich habe schon erwähnt, daß man es bereits 1986 verabsäumt hat, das kostengünstig zu erledigen. Der Grund dafür war, daß zwei verschiedene Ministerien Interesse daran hatten und das Bundesministerium für Bauten und Technik damals eben den Wünschen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung – wie es damals, glaube ich, geheißen hat – nicht gefolgt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!)

Es gab Ablöseverhandlungen und -forderungen und ein Hin und ein Wider. Man hat sich dann auf den Betrag von 370 Millionen geeinigt. Interessant ist aber, daß man nach objektiven Kriterien suchte, wie denn dieses unbeschränkte Mietrecht der Wiener Messen zu bewerten sei. Man kam dann auf eine ganz interessante Variante – warum das offenbar so ablief, überlasse ich jetzt Ihrer Phantasie –: Als Grundlage für die Ablöseverhandlung wurde der Bauzeitwert von 220 Millionen genommen, wobei es sich um den Bauzeitwert eines Gebäudes handelt, an dem die Wiener Messen nicht Eigentümer, sondern nur Mieter waren. Hinzugerechnet wurde der Wert eines Ersatzgrundstückes, wobei sich dann im nachhinein der Wert des Ersatzgrundstückes erhöht hat, damit man auf 370 Millionen kommt. – Das ist wirklich das Ungewöhnlichste, was ich je gehört habe: Man löst dem Mieter einer Baulichkeit den Bauwert des nicht ihm gehörenden Gebäudes ab!

Die Wiener Messen haben das Gebäude dann für ein Jahr um 9,6 Millionen gemietet. Der Rechnungshof hat festgestellt: Auf Basis dieser Jahresmiete hätte der Ablösewert nur 104 Millionen statt 370 Millionen betragen. Meine Damen und Herren! Mit diesem Deal über 370 Millionen Schilling haben sich die hoch verschuldeten Wiener Messen aber nicht wirklich saniert. Es hat sich nur die Optik gebessert: Denn statt 1 Milliarde Schulden haben sie jetzt eben nur 600 Millionen Schilling Schulden. Den Steuerzahler hat das allerdings 370 Millionen Schilling gekostet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die dilettantische und Hunderte Millionen verschlingende, unendlich traurige Geschichte des Museumsquartiers muß endlich ein Ende haben! Geschehen ist bisher praktisch nichts, kassiert haben jedoch viele, von Architekten und Beratern angefangen bis zu Geschäftsführern und der Wiener Messe. Die Beträge summieren sich auf über eine halbe Milliarde Schilling.

Entscheidungsunfähigkeit oder Entscheidungsunlust der Verantwortlichen und die Mißachtung von Denkmalschutz, Expertenmeinungen und Bürgerwillen machen den Eindruck der geldvernichtenden Dilettantengroteske komplett. – Es wird Zeit, daß man sich auf das kulturelle Erbe Wiens besinnt, das kulturzerstörerische Projekt in der vorliegenden Form abbricht, neu beginnt und ein Museumsquartier unter sanfter Revitalisierung der Hofstallungen Fischer von Erlachs schafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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16.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Ludwig. – Bitte.

16.52

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Wissen Sie, was Dialektik ist? (Bundesrat Dr. Kapral. Sie werden es uns erklären!) – Wenn man gegen jede Modernisierung im Museumsquartier ist (Beifall bei der SPÖ) und gleichzeitig in einer dringlichen Anfrage die Pyramide im Louvre als ein Beispiel dafür anführt, wie man es gerne in Wien hätte!

Ich bekenne mich auch zur Modernisierung im Louvre. (Bundesrat Dr. Kapral : Der Louvre als solcher ist aber stehengeblieben!) Man muß allerdings ganz eindeutig sagen: Die Bausubstanz ist mit dieser Renovierung im Louvre ganz deutlich verändert worden, und auch der Gesamteindruck ist ganz deutlich verändert worden. Wenn Sie dieses Beispiel als positives Vorbild für das Wiener Museumsquartier anführen, dann freut mich das! Es entspricht jedoch nicht Ihrer Argumentation! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. )

Alle Vorschläge, die im Änderungskonzept des Museumsquartiers vorgekommen sind, die Sie jetzt auch kritisiert haben, hätten ebenfalls die historische Bausubstanz nicht verändert und verändern sie auch nicht. Sie haben jedoch abschätzig von "Glaskuben" und ähnlichem gesprochen. – Dies wäre aber mit dem heutigen Erscheinungsbild des Louvre in Paris durchaus vergleichbar! (Bundesrat Dr. Kapral: Das entspringt jetzt Ihrer Phantasie!)

Wenn Sie in Ihrer Dringlichen zum Beispiel eine Reigna Sofia in Madrid ansprechen, dann muß ich sagen, ich kann mir nur vorstellen, daß Sie noch nicht dort waren! Denn in der Reigna Sofia in Madrid ist der gesamte Baubereich entkernt. Da gibt es nicht einmal mehr eine Türschnalle, die aus der historischen Zeit stammt – und es sind Außenlifte angebracht, die natürlich das gesamte Erscheinungsbild völlig beeinträchtigen. – Das nenne ich Dialektik, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, in einer dringlichen Anfrage so etwas als Beispiel anzuführen und dann ganz anders zu argumentieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das Museumsquartier ist ein Jahrhundertprojekt. Das wurde von der Frau Bundesministerin auch schon erwähnt. Daher ist es durchaus verständlich, daß über dieses Projekt diskutiert wurde und daß auch kontroversielle Meinungen ausgetauscht werden. Das ist auch gut so. Und ich glaube, es ist auch gut, daß in den vergangenen Jahren die kritischen Einwände, die von seiten der Architekten, Kulturhistoriker und Kulturkritiker, aber auch von der Bevölkerung gekommen sind, ernstgenommen und auch in verschiedenen Varianten mitberücksichtigt wurden.

Ganz wesentlich für die Meinungsfindung der Projektgruppe war auch die Visualisierung, die im Museumsquartier stattgefunden hat und die gegen den Widerstand der Freiheitlichen Partei in Wien durchgeführt wurde. Es haben alle Beteiligten bei dieser Visualisierung neue Erkenntnisse geschöpft, und es war sehr gut, daß dieser Meinungsbildungsprozeß stattfinden konnte.

Herr Bundesrat Langer! (Bundesrat Mag. Langer: Hier!) Wenn Sie hier argumentieren, daß das Museumsquartier aus Ihrer Sicht ein rein bauliches Problem darstellt, so kann ich sagen: In Anbetracht Ihrer Argumentation habe auch ich diesen Eindruck gewonnen: Sie bestand aus einer Auflistung von Zahlen, und man hat in Ihrer Argumentation sehr wenig davon gehört, was Sie sich unter einer sinnvollen Nutzung vorstellen. Man hat sehr wenig über Kultur herausgehört. Es waren zwar sehr viele Zahlen, aber der kulturelle Zugang war nicht ganz klar erkennbar.

Man kann nämlich auf der anderen Seite, wenn man sich die Praxis des bereits bestehenden Museumsquartieres ansieht, erkennen, daß es dort bereits eine Reihe von sehr gut gehenden Einrichtungen gibt. Ich denke jetzt nur an das Architekturzentrum Wien oder auch an das neu entstehende Kindermuseum. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Land Wien hat sich immer zu diesem Projekt bekannt und hat in dem von Ihnen angesprochenen Syndikatsvertrag die Verpflichtung übernommen, die Herstellungs- und Betriebskosten der Veranstaltungs- und Kunsthalle sowie des Architekturzentrums Wiens zu übernehmen und zu tragen. Das Land Wien und – wie ich glaube – auch der Bund legen sehr wohl großen Wert auf die Nutzung der historischen Bausubstanz für museale Zwecke. Dennoch ist,


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trotz aller sinnhaften Einbeziehung der historischen Räumlichkeiten, besonders auf die Erhaltung der Kunstsammlungen zu achten. Denn auch das Museumsgut hat Denkmalcharakter. Das bedeutet aber, daß insbesondere für die Sammlungen des Museums für Moderne Kunst und des Leopold-Museums entsprechende klimatische Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Deshalb sind nicht nur neue Bauten zu errichten, sondern diese müssen auch nach den neuesten klimatechnischen Erkenntnissen eingerichtet werden.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß es im Fischer-von-Erlach-Trakt auch Wohnungen gibt, die erhalten bleiben sollen, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen soll die Durchmischung der Nutzung gesichert werden, und zum zweiten – Herr Bundesrat Langer, Sie werden das sicher noch besser wissen als ich! – gibt es bestehende Mietverträge mit den Bewohnern im Museumsquartier, die ebenfalls zu berücksichtigen sind.

Besonders wichtig scheint mir aber die Überlegung zu sein, daß Museen heute, in der Gegenwart, nicht nur Stätten sind, in denen ein Bild neben das andere gehängt wird. Es geht vielmehr vor allem darum, nach pädagogischen, didaktischen und auch volksbildnerischen Überlegungen neue Zielgruppen zur Kunst zu führen, sie auch aktiv anzusprechen und miteinzubeziehen. Ich denke jetzt nicht nur an Kinder und Jugendliche, die im Kindermuseum einen neuen, sehr zentralen und wichtigen Standort finden sollen, sondern auch an jene Zielgruppen in der Bevölkerung, die bis jetzt den Zugang zu unseren Museen nicht im entsprechenden Ausmaß gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ.)

All das bedeutet aber natürlich auch, daß mehr Flächen notwendig sind, als in den historischen Räumlichkeiten vorhanden sind. Insbesondere für das Museum Leopold und das Museum Moderner Kunst sind weitere größere Flächen, die nur durch Neubauten geschaffen werden können, notwendig.

Ich möchte abschließend noch auf eine Fehlmeinung von Ihnen, Herr Dr. Kapral, hinweisen und eine Korrektur anbringen: Herr Stadtrat Dr. Hannes Swoboda hat eine Ausstellungshalle auf der Platte nicht als Alternative zur Ausstellungshalle im Museumsquartier vorgeschlagen, sondern als eine Ergänzung zum Konferenzzentrum und auch als eine weitere Möglichkeit, weitere Konferenzen nach Wien zu bekommen. Sie wissen, Wien ist nach Paris bereits der bedeutendste Standort für internationale Konferenzen, und wir könnten noch weitere wichtige, bedeutende Konferenzen nach Wien bekommen, wenn wir über derartige Ausstellungsflächen in unmittelbarer Nähe des Konferenzzentrums verfügen. – Das wollte ich nur noch erläuternd anfügen. (Bundesrat Dr. Kapral : Für mich bleibt aber trotzdem die Frage offen, ob es sinnvoll ist, zwei Ausstellungshallen zu machen!)

Ich meine, daß das Museumsquartier ein ganz wichtiges Kultur- und Kommunikationszentrum der Zukunft werden sollte, das nicht nur Kunst konserviert, sondern vor allem Kunst lebendig darstellt. Die Menschen sollen sich eingeladen fühlen, Kunst in unserer Stadt zu genießen, und auch Bewohner anderer Bundesländer sollen in unsere Bundeshauptstadt kommen, um sich diese bedeutenden Sammlungen anzusehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Himmer. – Bitte.

17.00

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich habe auch ein paar Anmerkungen zu machen. Liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei! Sie beginnen Ihre Ausführungen mit der Zitierung des Bundesministers Busek aus dem Jahr 1992 und titeln Ihre Anfrage als "unendliche Geschichte". Sie haben meiner Meinung nach dabei aber einen noch viel größeren Skandal übersehen, denn diese unendliche Geschichte geht dramatischerweise gar nicht nur bis in das Jahr 1992 zurück, sondern bis in das Jahr 1713, als Johann Bernhard Fischer von Erlach von Kaiser Karl VI. den Auftrag bekommen hat, diese Hofstallungen zu bauen, die dann sein Sohn, Josef Emanuel Fischer, 1723 leicht verändert fertiggestellt hat. Ich möchte weiters darauf hinweisen,


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daß diese Hofstallungen bereits im Jahr 1921 für die Internationale Wiener Messe genutzt worden sind, was, wie man den Geschichtsbüchern entnehmen kann, ein großer Erfolg war.

Es ist bereits 1979 die Idee entstanden, das nie fertiggestellte Kaiserforum durch eine repräsentative museale Nutzung der Hofstallungen zu vollenden, und der damalige Generaldirektor der Messe AG, Alfred Hintschig, hat sich bereit erklärt, eine Absiedlung durchzuführen.

Ich möchte auch daran erinnern, daß die Architektengemeinschaft Glück/Czernin einmal eine Freizeitlandschaft vorgeschlagen hat und der damalige Kulturstadtrat Helmut Zilk von einem österreichischen "Centre Pompidou" gesprochen hat. Man hat dann diesen Vorschlag allerdings wieder verworfen, als man sich darüber klar geworden ist, daß sich hinter dieser Idee nur der Plan einer innerstädtischen Shopping-City versteckt hat.

Dann hat sich zugegebenermaßen bereits 1983 Wissenschaftsminister Heinz Fischer für den Architektenwettbewerb ausgesprochen, und im Jahr 1984 hat es Probleme damit gegeben, daß die Messe AG doch nicht ausziehen wollte. Es ist tatsächlich richtig – wie auch der Herr Bundesrat Kapral gesagt hat –, daß dann 1986 die Ausschreibung eines zweistufigen Wettbewerbs begonnen hat.

Ich überspringe wieder einige Teile in der Geschichte und komme zum Jahr 1989, in dem Wissenschaftsminister Busek und Wirtschaftsminister Schüssel bekanntgegeben haben, daß sie einen Konsens mit der Messe AG gefunden haben. 1989 ist dann vom damaligen Bundesminister Busek zum ersten Mal auch der Begriff "Museumsquartier" genannt worden, und er hat das damals deswegen gesagt, weil es ihm darum gegangen ist, klarzumachen, daß es sich dabei auch um eine kulturelle Manifestation der Republik handeln soll, das heißt, daß es dabei – wie auch die Frau Bundesministerin heute bereits ausgeführt hat – nicht nur um das Gebäude geht.

Meine Damen und Herren! Natürlich ist es bei kulturellen Projekten so, daß das nicht im Einklang passiert, daß hier eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorstellungen, Meinungen, Visionen und Geschmacksrichtungen aufeinandertreffen. Deswegen war es überhaupt nicht abstrus oder verwunderlich, daß auch Bürgerinitiativen entstanden sind. Ich erinnere daran, daß es zum Beispiel eine Bürgerinitiative gegeben hat, die dann dem Bundesminister Busek die goldene Spitzhacke überreicht hat. So etwas soll in einer Demokratie möglich sein, genauso wie es möglich sein muß, daß in Vertretung des Ministers Dr. Bogner derselben Bürgerinitiative als Geschenk die goldenen Scheuklappen überreicht hat. Das war im Jahr 1991. Das ist sicherlich auch Bestandteil einer Kulturdiskussion. Desgleichen sind die vielen Bürgerversammlungen, die es im 7. Bezirk gegeben hat, auch nur Ausdruck einer lebendigen Demokratie, in der über unterschiedlichen Geschmack, über unterschiedliche Bezüge zur Geschichte diskutiert werden kann, diskutiert werden darf und diskutiert werden muß.

1992 ist der Antrag auf die Flächenwidmung nicht, wie vorgesehen, in der letzten Gemeinderatssitzung vor dem Sommer erfolgt, und dann hat es diese Kampagne gegeben, die auch von der "Kronen-Zeitung" mitgetragen worden ist.

Natürlich hat es aufgrund dieser Diskussionen, die hier ausgelöst worden sind, auch Veränderungen gegeben. Es wäre nicht richtig, würde man heute sagen, es ist immer so weitergemacht worden, völlig unabhängig davon, in welche Richtung die Diskussion gelaufen ist. Ein Ergebnis der lebendigen Diskussion rund um dieses Projekt war zum Beispiel, daß der Informations- und Leseturm proportional um 10 Meter niedriger geplant worden ist und daß auch das Volumen des Museums Moderner Kunst um 20 Prozent zurückgenommen worden ist.

In der jüngsten Geschichte ist es dann so gewesen, daß im Jahr 1994 die Privatstiftung "Museum Leopold" errichtet wurde. Im Jänner 1995 wurde Professor Wehdorn in dieses Projekt eingebunden, und darauf möchte ich deshalb Bezug nehmen, weil es der Vorredner von den Freiheitlichen als besonderen Kritikpunkt angebracht hat. Herr Bundesrat Langer, Sie werfen Professor Wehdorn vor, daß er, weil er in dieses Projekt eingebunden ist, jetzt sozusagen weniger kritisch sei. Da muß ich Ihnen sagen, ich weiß nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.


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Sie kritisieren immer wieder, daß Sie oder daß Bürger nicht eingebunden sind – je nachdem, als wessen Sprecher Sie sich gerade fühlen (Bundesrat Mag. Langer: Zu Recht!) –, und dann kritisieren Sie einen Architekten, der auch kritisch zu diesem Projekt gestanden ist und dann in dieses Projekt eingebunden worden ist. (Bundesrat Dr. Kapral: Ganz so ist es nicht!) Das ist doch genau das, was Sie immer fordern, nämlich daß auch die Kritiker ihre Stimme haben dürfen und daß auch die Kritiker in die Projekte eingebunden werden. Wenn sie dann eingebunden sind, dann sind sie solche, die das Ganze offensichtlich nur wegen des Geldes gemacht haben.

Sie sind übrigens im Rahmen Ihrer Funktion auch immer wieder eingebunden, und deswegen erleben wir auch solche lustigen Stunden wie gerade die jetzige. (Bundesrat Mag. Langer: Es freut mich, daß es Ihnen gefällt!) Auch Sie werden für Ihre originellen oder unoriginelleren Kommentare genauso entlohnt wie andere Bundesräte, die sich ernsthaftere Gedanken machen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Kapral: Eine große Hochachtung vor dem Forum hier dürften Sie nicht haben!)

Es ist auch meine Meinung, daß es falsch ist, das Museumsquartier immer wieder auf ein bauliches Problem zu reduzieren. Das Museumsquartier bietet die große Chance, in einer für die Republik und auch in einer für die Stadt würdigen Form den großen Themenbogen von der Kunst um die Jahrhundertwende bis hin zur modernen Kunst zu schaffen. Daß sich dieses Projekt nun schon über eine längere Zeit hinzieht, ist unbestritten, ich möchte auch gar nicht bestreiten, daß es hier die eine oder andere Ineffizienz gegeben hat.

Ihr Vorschlag aber, jetzt an den Punkt Null zurückzukehren, ändert überhaupt nichts an der Komplexität dieses Projektes, dessen Geschichte sich über viele Jahrhunderte – welcher Betrachtungszeitraum auch immer für Sie momentan interessant ist – erstreckt. Es ändert null an der Interessenvielfalt, die bei solch einem Projekt zu berücksichtigen ist. Das ist auch der Grund, warum die Wiener Volkspartei das Bundesdenkmalamt einbezogen haben wollte. Das heißt aber keineswegs, daß jedes Mitglieder der Wiener Volkspartei dann den Geschmack hat, den das Bundesdenkmalamt im Zusammenhang mit seiner Stellungnahme zum Ausdruck bringt, aber irgendwo muß man in der Demokratie in Prozesse hineinkommen, daß man zu Lösungen hinkommt. Der unoriginellste Vorschlag ist, wieder von vorne zu beginnen.

Ich erlaube mir, Hoher Bundesrat, das Gedankenexperiment zu machen, zum Zeitpunkt Null zurückzukehren, und die Freiheitlichen in diese Überlegungen einzubinden. Sie, Herr Bundesrat Langer, als Freund der Kulturszene, als Kunstexperte, als jahrelanger konstruktiver Mitgestalter derartiger Fragestellungen (Bundesrat Dr. Kapral: Danke!) – ich habe eine starke Phantasie, aber ich sage Ihnen, diese Gedanken zu haben oder diese Vorstellung zu hegen, übersteigt mein Assoziationsvermögen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Es fehlt Ihnen vieles!)

Deswegen meine ich, daß wir sehr gut beraten sind, nicht zum Punkt Null zurückzukehren, sondern in einer würdigen Form, die der Kultur dieses Landes entspricht und die den Schätzen, die diese Republik hat, gerecht wird, dieses Projekt zu Ende zu bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Dr. Tremmel, bitte.

17.11

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Die Dialektik, die hier ins Spiel gebracht wurde, ruft mich. Ich weiß nicht, was daran Dialektik sein soll, wenn Passagen des Rechnungshofberichtes zitiert wurden, geschätzter Herr Vorredner oder geschätzter Herr Dr. Ludwig! Es ist auch nicht Dialektik, wenn man das seinerzeit umgebaute Schulungsheim der Wiener Wirtschaftskammer hernimmt. Das ist eine gelungene Verbindung von alt und neu; es ist noch viel Stein dabei. (Bundesrat Mag. Himmer: Das stammt nicht vom Vorredner! Das war Dr. Ludwig!) Ja, ich sage es in diese Richtung; da ist das Argument gebracht worden, dorthin gilt es. Das ist unter der Ära Sallinger und Helbich


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geschehen, deswegen auch die vielen Steine. Ich kann die Dialektik nur sehr schwer entdecken. (Bundesrat Dr. Schambeck: Was haben Sie gegen Helbich? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Er war ein sehr guter Wirtschaftskämmerer. Ich habe gerade das von ihm mitentwickelte und mitfinanzierte Bauwerk hier gelobt, Herr Professor! Bitte um Beachtung dafür. (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich danke Ihnen dafür, nicht aber für die sonstigen Ausführungen!) – Danke sehr.

Jetzt zum letzten Redner, der meinte, es sei unoriginell, zum Nullpunkt zurückzukehren. Ich zitiere Ihnen, Herr Mag. Himmer, was der Rechnungshof auf Seite 93 festgestellt hat; Sie können es dann nachlesen. (Bundesrat Mag. Himmer: Sehr unoriginell!) Ich weiß nicht, ob das unoriginell ist. Oder haben Sie gemeint, daß ein sehr genauer, dezidiert erstellter Bericht unoriginell – unpräzise haben Sie nicht gesagt, aber es ist so herausgekommen, oder völlig unmöglich – ist.

Zusammenfassend empfiehlt der Rechnungshof zum Museumsquartier:

(1) Seitens der Betreiber des Projektes Museumsquartier wären umgehend klare Entscheidungen über die weitere Vorgangsweise zu treffen. – Was heißt das? – Endlich einmal sind wirklich Entscheidungen zu treffen. Das schreibt der Rechnungshof. Das braucht man an und für sich gar nicht zu kommentieren.

(2) Für den Fall der Realisierung des gegenwärtigen Projektes sollten die notwendigen, für die behördlichen Verfahren erforderlichen Unterlagen vorbereitet sowie neue Investitionspläne erstellt werden.

(3) Im Falle der Entscheidung für ein neues Projekt sollten umgehend Vereinbarungen über die weiteren Verwendungen der Baulichkeiten getroffen werden.

Ich weiß nicht, hat der Rechnungshof nur Teilinformationen oder Fehlinformationen, daß er das hineinschreibt? – Ich glaube es nicht. Er hat es sehr genau angeschaut und konnte einfach die hier angedeuteten Schritte nicht entdecken.

(4) Die Fragen des Denkmalschutzes sollten entsprechend beachtet werden. – Weil die Frau Ministerin das in ihrer Beantwortung unter anderem auch gesagt hat, darf ich folgendes feststellen, was der Rechnungshof bemängelt hat:

Der Rechnungshof bemängelte, daß mit dem Auftragnehmer keine schriftliche Vereinbarung mit genau definierten Leistungsinhalten und Entgeltregelungen getroffen worden war. – Aber das Geld ist geflossen. – Die Leistungen des Beraters waren weiters zum Teil verspätet erbracht worden und überdies von nur geringem Wert für das Projekt. – So der Rechnungshof.

Die Entgegnung: Die Geschäftsführung gab dem Rechnungshof – bitte hören Sie jetzt zu! – inhaltlich recht, wies jedoch darauf hin, daß sie sich durch die Verpflichtung dieses Beraters im damaligen schwierigen politischen Umfeld eine Verstärkung ihrer argumentativen Kampfkraft erwartet hätte.

Das letztere, Frau Ministerin, mit der argumentativen Kampfkraft haben Sie ja zugegeben. Als kleiner Bundesrat, hinter dem Semmering im fernen Bundesland Steiermark angesiedelt, packt mich der pure Neid – vielleicht nicht viel Neid, aber ein bißchen schon, würde ich sagen –, wenn ich höre, wie großzügig die Mittel des Bundes fließen, und die anderen Landeshauptstädte, die kulturell auch nicht ohne sind – Salzburg, auch Graz –, gehen leer aus. Wir mußten das Trigon-Haus einstellen, weil wir vom Bund überhaupt keine Unterstützung bekommen haben.

Sie haben gesagt, das Museumsquartier sei nicht nur von der baulichen Seite her zu werten, sondern das ist ein großer Veranstaltungsbereich, in dem sich ein vielfältiges kulturelles Leben abwickelt. Das stimmt, Frau Bundesministerin! Es sind Veranstaltungen traditioneller Art, es sind moderne Bands dabei.


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Das haben wir in der Steiermark übrigens auch. Wir haben auf dem Ö-Ring Bon Jovi gehabt, und wir haben vergeblich – nicht deswegen – beim Bund um 120 Millionen Schilling angesucht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber wir werden sie auch so zusammenbringen, das sage ich Ihnen, denn wir werden einen Investitionsstoß setzen, nächstes Jahr ein Formel-1-Rennen haben und in Kürze das hereinbringen, was Sie uns zwar versprochen haben, aber nicht geben. Gestatten Sie, daß die kleinen Neidgefühle doch ein bißchen ausbrechen, daß, weil am Ort des Geschehens angesiedelt, die Bundeshauptstadt Wien sehr viele Mittel lukriert, die Bundesländer aber eigentlich meistens durch die Finger schauen. Auch das – zwar nur ein kleiner Nebenaspekt – sei hier erwähnt.

Im übrigen, meine Damen und Herren: Niemand von uns hat gesagt, daß wir beim Nullpunkt beginnen wollen, sondern wir haben direkt zitiert, teilweise sogar wörtlich, was im Rechnungshofbericht enthalten ist, und ich nehme an, daß Sie genauso bemühte Demokraten sind, wie ich das bin, und daß Sie diesen Rechnungshofbericht akzeptieren werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Mag. Langer. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihnen 20 Minuten Redezeit zur Verfügung gestanden sind, 16 Minuten davon haben Sie verbraucht. Nach 4 Minuten wird daher das rote Licht leuchten.

17.16

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! So lange wird es nicht dauern.

Ich möchte nur ins rechte Licht rücken, was unser Kollege Dr. Ludwig über die Visualisierung gesagt hat. (Bundesrat Drochter: Ein Volltreffer!) Wenn Sie das als Volltreffer bezeichnen, dann ist das ein Volltreffer ins Gesicht der Demokratie, nämlich ein Faustschlag gewesen.

Diese Visualisierung war eine Geheimaktion, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit und unter Ausschluß der Opposition stattgefunden hat, weil die Mitglieder des Kulturausschusses im Gemeinderat von dieser Visualisierung nicht verständigt worden waren. (Bundesrat Rauchenberger: Aber die Öffentlichkeit!) Was ist denn eine Visualisierung? – Da macht man etwas sichtbar (Bundesrat Rauchenberger: Herr Kollege! Radio hören Sie auch nicht!) , aber nicht wie hier auf 100 Minuten mit Kränen und Latten irgendwie – Kollege Rauchenberger, stör mich nicht bei meinen Ausführungen; du kannst dich nachher zu Wort melden, Herr Kollege (lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ) –, sondern mit einem Gerüst und auf Dauer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht nur, daß die Mitglieder des Kulturausschusses nicht eingeladen waren, sie wurden sogar mit Gewalt entfernt, als sie sich Zutritt verschaffen wollten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist ein Faustschlag, ein sozialdemokratischer Faustschlag gegen die Demokratie in diesem Lande! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir nehmen nun die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf und setzen fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Hummer. Ich erteile es ihm.

17.19

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gegenstand, zu dem ich jetzt das Wort ergreifen darf, ist keineswegs so traurig wie angeblich die Frage des Neubaus im Bereich des Museumsquartiers, aber ist auch eine uralte Frage, die hier aufzugreifen wäre. Es geht nämlich um das Beamten-Dienstrecht.

Die uns hier vorliegende Novelle bringt Vereinfachungen und ist gewiß in der praktizierenden Verwaltung von Vorteil. Einer ausführlichen Erörterung bedarf sie – so scheint es mir wenigstens – nicht. Aber ich habe eine Eigenschaft, die man den Beamten sehr oft nachsagt, ich bin nämlich ängstlich. Ich könnte mir vorstellen, jetzt kommt der Sommer, die Medien sind auf Suche, und da könnte es doch passieren, daß es in einem Bundesministerium – ich nenne es fiktiv – für Hals, Nasen, Ohren einen Sektionsleiter gibt, der eine Leistungszulage bezieht, die ihm nicht zugestanden wäre, weil er nicht so viel leistet, als er leisten kann und will. Es könnte auch passieren, daß ein "Wirklicher Amtsrat" in Gänserndorf eine Erschwerniszulage bekommt, und die Erschwernis läßt sich nicht feststellen, oder daß sich bei irgendeinem Diner, vielleicht einem politischen Diner, ein "Wirklicher Amtsrat" zerstreuterweise statt der Brieftasche das silberne Besteck einsteckt.

Dann kämen die Klubobmänner hier im Parlament überein, daß sofort das gesamte Beamten-Dienstrecht novelliert gehört und daß man innerhalb von drei Wochen, damit der Skandal aus der Welt geschafft ist, eine vorzügliche Lösung finden muß. Man käme dann vielleicht vom Urlaub zurück – Sigi Dohr ist leider nicht erreichbar –, und man müßte feststellen, daß es nicht mehr so viele Beamte gibt – was überhaupt etwas Furchtbares ist: die vielen Beamten in den Parlamenten! –, sondern nur mehr Jobhopper, die, nach modernsten Grundsätzen in den USA geschult, sich vom alten Beamten-Dienstrecht völlig verabschiedet haben – zum Nutzen und Frommen der Republik. (Beifall des Bundesrates Dr. Schambeck .)

Es gibt natürlich immer so trübe Denker wie mich, die sich denken: Vielleicht ist es doch nicht ganz so. Vielleicht steckt in diesem Beamten-Dienstrecht, das man reformieren soll, darf und muß, doch ein gutes Stück, das bedenkens-, erhaltens- und erwägenswert ist.

Das ist die Krankheit unserer Zeit, daß wir zu diesem Nachdenken darüber, was sich wohl ein Gesetzgeber in früheren Jahrzehnten gedacht haben mag, nicht mehr finden. Das spürt man so deutlich etwa in der von mir heute nicht zu erwähnenden und nicht zu diskutierenden Reform der Politikerbezüge, was am 25. Juli ohnedies im Übermaß angesprochen werden wird.

Der ursprüngliche Gedanke des Bezügegesetzes war es nämlich einstmals, daß es sich wirklich jedermann leisten kann – zeitlich, finanziell, in seiner Berufsstellung –, einem Parlament anzugehören. Das war die Grundüberlegung, und das wäre das, was zu meistern wäre (Beifall des Bundesrates Dr. Tremmel ) und wo sich dann so manches wie von selbst so regulieren würde, daß die Volksvertretung eben dann – wie ideal gedacht! – auch eine Volks vertretung ist.

Meine verehrten Damen und Herren! Nach diesen, wie ich hoffe, aufwühlenden Worten in dieser späten Stunde, darf ich behaupten, daß die Treue zum Staat das ausmacht, was ein Beamter ist. Das war schon im absolutistischen Staat, im Staat der Monarchie so, es war aber auch das Idealbild des Beamten, wie es in der Französischen Revolution vorgezeichnet wurde: ein Beamter, der den Grundsatz von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in seiner Amtstätigkeit verwirklicht.

Die Historiker streiten darüber, was wohl den Untergang der Ersten Republik und den Untergang der Weimarer Republik so beschleunigt haben mag und wo die Wurzeln gelegen waren, und es waren derer viele, aber eines ist sicher: Die Tatsache, daß die Beamten jener Zeit ihr Herz nicht der Republik und der Demokratie geschenkt hatten, sondern dem alten Kaiserstaat verhaftet waren und noch keine neue geistige Heimat in diesem Staat gefunden hatten, hat bestimmt entscheidend dazu beigetragen.

Man wird mir entgegnen, daß das Verhältnis von Treue und Solidarität durchaus auch im arbeitsrechtlichen Verhältnis des Angestellten, des Arbeiters, zu seinem Dienstgeber vorhanden


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sein muß, und die gesamte arbeitsrechtliche Rechtsprechung zielt auf die Obsorgepflicht des Dienstgebers und auf die Treuepflicht und auch Solidarität und Loyalität des Dienstnehmers ab, solange das Verhältnis ungekündigt ist. Aber es ist doch etwas anderes beim Beamten, der ein Mitträger des Regierungsgewalt ist – dessen muß man sich bewußt sein –, der Inhaber staatlicher Macht ist, abgeleitet aus unserem Konzept der Verfassung, aus der Volkssouveränität selbst. Denn Politik, politische Macht, wird nicht nur, wie man gelegentlich meint, etwa von Regierungen und Parlamenten gemacht, wird nicht nur von autonomen Körperschaften, Gemeinderäten, Trägern der Sozialversicherung und sonstigen Selbstverwaltungskörpern und Interessenvertretungen gemacht, sondern Politik wird vorerst und zunächst von Beamten gemacht. Das muß man mit bedenken, wenn man eine Reform des Beamtenrechts ernsthaft ins Auge faßt.

Der Begriff des Bürokraten, den man dem Beamten gerne entgegenschleudert, hat seine geistige Wurzel durchaus auch in der Französischen Revolution, in der modernen Massengesellschaft: Die Vorstellung, daß der Beamte eben nicht nur nach Weisung einer Obrigkeit zu handeln hat, sondern daß oberste Regel seines Tuns und Handelns des Vollziehens des Gesetzes eben in der Gleichbehandlung besteht. Gerade diese Gleichbehandlung der vorsprechenden Parteien, jene Gleichbehandlung der Einschreiter, die vor Behörden, Gerichten, Ämtern erscheinen, macht eigentlich den modernen Beamten aus oder sollte ihn ausmachen.

Aber Gleichheit erfordert Ordnung, Gleichbehandlung erfordert, daß ein strenges Verfahren eingehalten wird, daß Willkür ausgeschlossen ist und daß derjenige, der als Beamter handelt, verantwortlich ist und seine Verantwortlichkeiten klar umschrieben sind.

Die Bürokratie ist also eine Arbeitsordnung der Massengesellschaft unserer Zeit – übrigens auch der Massenproduktion, nicht nur dem Staate eigen –, es ist ein System der Gleichbehandlung, wie die Staatswissenschaftler wissen, das da heißt, Gleiches gleich und Ungleiches verschieden zu behandeln. Bürokratie heißt, moderne Arbeitstechniken nach festliegenden Regeln zu realisieren, und pointiert könnte man sagen: Wer Bürokratismus vorwirft, stellt die Gleichbehandlung – zumindest theoretisch – in Frage.

Warum werden die Beamten so gerne von den Medien attackiert? – In Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs, in Zeiten prosperierender Wirtschaft wird der Beamte gerne ein bißchen belächelt, und in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, wenn die Arbeitsplätze gefährdet sind, wird er beneidet und angefeindet. Das sei als eigene Erfahrung in den Raum gestellt.

Es wurde einmal gesagt, der Bürokratismus ist eine Tugend mit Lastern, eine Tugend mit Lastern, die nicht nur bei Behörden, sondern auch in Unternehmungen, Banken, in der Versicherungswirtschaft und in vielen modernen Großunternehmen vorzufinden ist. Man sagt der Bürokratie nach, sie wäre schwerfällig, selbstgenügsam und öffentlichkeitsscheu, und ein Verstärkereffekt bei den Beamten im Bereich der hoheitlichen Verwaltung ist zweifellos ihre Weisungsgebundenheit im Bereich der gesamten Verwaltung, ihre ausformulierte Verantwortlichkeit, ihre spezielle strafrechtliche Verantwortlichkeit, ihre zivilrechtliche Verantwortlichkeit insbesondere im Bereich des Amtshaftungsrechtes oder des Organhaftpflichtrechtes und zuletzt auch im Bereich der disziplinären Verantwortlichkeit. Und die besondere Bindung an Gesetz, Verordnung, Weisungen und Erlässe der Vorgesetzten, dieses Handeln ohne Ansehen der Person, erschwert die Tätigkeit des Beamten.

Auch die Pflicht, öffentlich Rechenschaft abzulegen – ich erinnere etwa an das moderne Auskunftsgesetz –, die offenliegenden Gehälter – auch das sei hier einmal gesagt: nur beim Beamten ist alles bis zum letzten so ganz erfaßbar, sage ich sehr vorsichtig, und ich höre mit diesem Thema gleich wieder auf – sind eine Beschwernis für den Beamten. Es ist kein Wunder, wenn die Beamtenschaft meistens mit solchen Untugenden reagiert, daß man alles wortwörtlich nimmt, daß man immer vorsichtig ist, daß man Deckung sucht, daß die Formenstrenge überhandnimmt, daß eine gewisse Entscheidungsscheu und Ängstlichkeit auftritt und damit verbunden auch eine gewisse Empfindlichkeit gegen Kritik.

Denn der Beamte – das muß man wissen, und das wird auch im Staat von morgen nicht anders sein –, trägt die Bürde des Eingriffs in die private Sphäre. Jedermann ruft nach der Ordnung –


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das wissen wir – und befürwortet die Einschränkung der Freiheit zugunsten der Ordnung, solange sie ihn nicht persönlich trifft. Das ist nun einmal so. Jeder Eingriff des Staates wird als unsympathisch, wird als Eindringen empfunden.

Früher war der Beamte nach der Dienstpragmatik noch zusätzlich zur Wahrung des Standesansehens verpflichtet, das hieß, sein Privatleben war dem Dienstgeber keineswegs gleichgültig, sondern man legte ihm nahe, wenn er etwas setzte, wovon man glaubte, es wäre mit dem Standesansehen nicht vereinbar, er solle den Dienst quittieren. Aber immer noch verlangt man heute, daß der Beamte in seinem gesamten Leben alles zu meiden hat, was seine Unbefangenheit, seine Objektivität in Zweifel setzen könnte. Und das ist eine sehr weitgehende Forderung, wenn Sie Ihr Leben durchdenken.

Daß der Beamte auf seine freie Meinungsäußerung, auf die man sich in der Demokratie so gerne beruft, in weiten Teilen verzichten muß – denken wir etwa an das Amtsgeheimnis –, ist uns selbstverständlich. Das müssen wir aber vom Beamten erwarten können und dürfen wir auch erwarten.

Wenn deshalb eine Reform des Beamten-Dienstrechtes ins Auge gefaßt wird – was sicherlich heransteht, was bedacht werden muß, was vorbereitet werden muß –, dann wird man sich zunächst – was jetzt schon geschieht – überlegen müssen: Wieweit muß der Bereich des öffentlichen Dienstes überhaupt reichen? – Frage Nummer eins. Frage Nummer zwei betreffend Privatisierung: Was können Private besser tun? – Es ist auch die Frage zu stellen: Wo ist die Grenze der Hoheitsverwaltung? Wieweit können vielleicht sogar Private Aufgaben der Hoheitsverwaltung übernehmen? – Ich könnte als Beispiel nennen, daß in Oberösterreich die Interessentenbeiträge nach dem Tourismusgesetz von einer privaten Stelle, die von der Landesregierung beauftragt ist, quasi behördlich vereinnahmt werden und auch deren Eingang vollstreckt wird.

Wir dürfen an die Verbesserung der Ausbildung denken, wobei zu sagen ist, daß in diesem Bereich unheimlich viel geschieht und schon geschehen ist. Wer sich immer noch Beamte mit Ärmelschonern an einer Underwood, Baujahr 1924, vorstellt, der möge in unsere Büros kommen, wo man – leider möchte ich als älterer Beamter sagen – am Computer nolens volens nicht mehr vorbeikommt und wo wir Gott sei Dank auf dem letzten Stand der Technik sind und in diesen Bereichen – davon bin ich überzeugt – durchaus mit der Privatwirtschaft gleichgezogen haben.

Es ist die Grenze der Hoheitsverwaltung zu überdenken. Es ist zu überdenken – was auch geschieht –, Führungsfunktionen auf Zeit zu vergeben. Es ist zu bedenken, wieweit Definitivstellungen heute noch Platz finden können. Aber bei all dem darf nicht übersehen werden, daß wir auch den Beamten brauchen, der nach Gesetz und seiner Überzeugung die Gesetze vollzieht, was immer zu einem guten Teil – um einen alten Juristenstreit ins Gespräch zu bringen – auch heißen muß, daß er Recht schöpft. Was vor allem in den ersten Instanzen bei den Bezirksgerichten, bei den Bezirkshauptmannschaften, bei den Bundespolizeibehörden, bei den Finanzämtern und bei den sonstigen Behörden erster Instanz an Recht geschöpft wird, geht weit über das hinaus, was man sich theoretisch vorstellen kann. So ist es aber, und so muß es sein.

So muß jede Reform diese Grundüberlegungen des unabhängigen Beamten, der zwar seine Beweglichkeit unter Beweis stellen muß, der mit beiden Beinen fest in unserer Zeit stehen muß, im Auge behalten, aber jene Treue, jenes lupenreine Bekenntnis zur Demokratie und die tiefe Verwurzelung im Rechtsstaat darf bei keiner Novellierung in irgendeiner Weise direkt oder indirekt in Frage gestellt werden.

Es ist eben letztlich immer so, daß es darauf ankommt, daß der Gesetzgeber ein klares Bekenntnis zum Parlamentarismus und zum Rechtsstaat, zum Bundesstaat ablegt. Nur so kann eine Reform des Beamten-Dienstrechtes und auch eine Reform der Parlamente, die auch in vielen Bereichen wünschenswert ist, wirklich gelingen.

In diesem Sinne ersuche ich, dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates zuzustimmen und keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.36


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse, die getrennt durchzuführen ist.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Verwaltungsakademiegesetz und die 41. Gehaltsgesetz-Novelle geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (AMG-Novelle 1996) (151 und 202/NR sowie 5208/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, hiezu nicht berechtigten Einrichtungen untersagt wird (Ausbildungsvorbehaltsgesetz), erlassen wird (150 und 203/NR sowie 5209/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird,


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ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesen geregelt sind, hiezu nicht berechtigten Einrichtungen untersagt wird (Ausbildungsvorbehaltsgesetz), erlassen werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 9 und 10 hat Frau Bundesrätin Michaela Rösler übernommen. Ich darf sie bitten, den Bericht zu bringen.

Berichterstatterin Michaela Rösler: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses bezüglich Arzneimittelgesetz.

Gegenstand des vorliegenden Beschlusses ist es, das auf einer Weiterentwicklung der ursprünglichen EU-Gemeinschaftszulassungsverfahren beruhende Future System im österreichischen Arzneimittelrechtssystem zu etablieren.

Der im Rahmen des Future Systems verwirklichte, sich gegenüber bisherigen Genehmigungsverfahren auf Gemeinschaftsebene insbesondere durch seine Bindungswirkung auszeichnende Regelungskomplex bezieht sich auf den Gesamtbereich der Produktevaluierung und -überwachung. Er schafft mit dem Aufbau zentraler gemeinschaftsrechtlicher Entscheidungsstrukturen wesentliche Ansatzpunkte für einen "freieren" Arzneimittelverkehr im Europäischen Binnenmarkt.

Die Etablierung des Future Systems aufgrund des über nationale Ansätze hinausgehenden Regelungszusammenhangs erfordert Bestimmungen, die die praktische Anwendbarkeit im innerstaatlichen Bereich sichern.

Weitere Bestimmungen des gegenständlichen Beschlusses zielen darauf ab, das für radioaktive Arzneimittel vorgesehene System von Sondervorschriften der EU-Radiopharmakarichtlinie (89/343/EWG) anzupassen und besondere Kontrollpflichten im Zusammenhang mit der Einfuhr von Arzneispezialitäten aus dem EU-Ausland vorzusehen.

Daneben wird unter anderem der Arzneimittelbegriff durch Erweiterung des Ausnahmekatalogs des § 1 Abs. 3 gegenüber dem Bereich der Tierkosmetika sowie den in der Komplementärmedizin verwendeten Stoffen und Zubereitungen abgegrenzt. Die Zulassungsbefreiung für bestimmte Tierarzneimittel wird erweitert.

Über die Erweiterung der Bezugsmöglichkeiten des hausapothekenführenden Arztes im Hinblick auf das EU-Ausland hinaus bildet die Übernahme einiger Bestimmungen von zwei Richtlinien betreffend immunologische Tierarzneimittel beziehungsweise Erreger von Tierkrankheiten in das österreichische Tierseuchengesetz einen weiteren Schwerpunkt.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Nun bringe ich noch den Bericht des Gesundheitsausschusses im Zusammenhang mit dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz.

Artikel I des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthält unter anderem folgende Änderungen im Bereich des Ärztegesetzes 1984:

Durch die Ärztegesetz-Novelle BGBl. Nr. 100/1994 wurde die Facharztprüfung als Ausbildungserfordernis für jene Turnusärzte und Turnusärztinnen eingeführt, die ihre Ausbildung im Hauptfach nach dem 31. Dezember 1996 beginnen.

Aus verfahrenstechnischen Gründen wird eine Änderung dahin gehend vorgeschlagen, für das Ausbildungserfordernis der Facharztprüfung nicht auf den Ausbildungsbeginn im Hauptfach, sondern auf den Beginn der Facharztausbildung abzustimmen.

Nach geltendem Recht kann die Anerkennung einer Krankenanstalt als Ausbildungsstätte für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin auch bei Fehlen entsprechender Abteilungen be


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ziehungsweise Organisationseinheiten in den sogenannten "kleinen Fächern" erfolgen, sofern die Ausbildung durch Konsiliarfachärzte sichergestellt ist. Dabei muß es sich um Konsiliarfachärzte handeln, die zugleich auch eine Lehrpraxis führen. Die Ausbildung hat sowohl in der Krankenanstalt als auch in der Lehrpraxis der Konsiliarärzte zu erfolgen.

Diese Bestimmung verursacht in der Praxis Schwierigkeiten, da Konsiliarärzte oft keine Lehrpraxis führen.

Die vorgeschlagene Lösung, wonach die Ausbildung auch in Lehrpraxen erfolgen kann, deren Inhaber nicht zugleich auch Konsiliarius ist, soll Ausbildungsengpässen entgegenwirken, andererseits jedoch auch die Ausbildungsqualität sicherstellen.

Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz (Artikel II) untersagt jedes Anbieten oder Vermitteln von Ausbildungen zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, anderen als den dafür gesetzlich vorgesehen Ausbildungseinrichtungen.

Ziel dieses Gesetzesvorhabens ist es, den verschiedenen, insbesondere aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Institutionen, die sich in zunehmenden Maße nunmehr auch in Österreich etablieren und hier "Heilpraktikerausbildungen" intensiv bewerben und anbieten, entgegenzutreten.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zum Wort gemeldet ist Herr Dr. Tremmel. – Bitte.

17.47

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Oberflächlich betrachtet könnte es sich bei diesem Gesetz um ein Anpassungsgesetz an den EU-Bereich handeln. Wenn man sich den Bericht des Gesundheitsausschusses durchsieht, dann sieht man, daß es neue Rechtsvorschriften bezüglich Arzneimittel, Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimedizin und über technologisch hochwertige Arzneimittel gibt. Es wird von einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln gesprochen. Ein freierer Arzneimittelverkehr scheint als Zielbereich hier auf. Es wird hier auch über den Summary of products characteristics – auf gut deutsch: Beipackzettel – gesprochen. Mein Englisch ist ein bißchen steirisch gefärbt. Ich bitte um Verständnis. (Bundesministerin Dr. Krammer: Hat aber faszinierend geklungen!) Das ist es ja eben.

Weiters handelt es sich darum, daß das nationale Arzneimittelrecht dem EU-Recht angepaßt werden sollte. Dann gibt es auch Sonderbestimmungen für radioaktive Arzneimittel. – Ich mache das deswegen so genau, weil ich vorhin, als ich über eine andere Materie sprach, gerügt worden bin, daß ich gar nicht auf den Kern hingekommen sei. Das lasse ich mir nicht mehr nachsagen, und deswegen zähle ich die einzelnen Punkte hier auf. – Dann geht es noch um die hausapothekenführenden Ärzte, die die Möglichkeit haben, ihre Apotheke durch Einkäufe auch im Ausland zu füllen – was besonders devisenfördernd ist –, und darum, daß der Handel mit Krankheitserregern strengeren Regeln unterliegt.

Wie ich eingangs ausführte, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Bundesministerin, scheint es eine Materie zu sein, die regelnswert ist. Wenn Sie in die Regierungsvorlage Einsicht nehmen – im Ausschußbericht selbst finden Sie das nicht –, wenn Sie sich hier näher einlesen, dann stoßen Sie auf gewisse Punkte, bezüglich derer zumindest wir Freiheitlichen haben möchten, daß Vorsicht waltet.


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Unter anderem ist das § 2 Abs. 7. Hier handelt es sich um das sogenannte dezentrale Genehmigungsverfahren. Das ist ein Verfahren, das auf dem Prinzip der Anerkennung einer vom erstgenehmigenden EU-Mitgliedstaat erteilten nationalen Zulassung beruht. Das heißt, daß das Medikament, das einmal in einem EU-Land, in einem Mitgliedsland der EU zugelassen wird, bindend nun vom Arzneimittelhersteller auch in allen anderen EU-Ländern vertrieben werden kann. Voraussetzung ist dann die zentrale Genehmigung; ich werde aber noch darauf zu sprechen kommen.

Das funktioniert dann folgendermaßen: Der Pharmaunternehmer hat eine Bewilligung in einem EU-Land. Wie er die bekommt, das wissen wir in Österreich nicht, das steht auch nicht zur Debatte, aber ich erinnere daran, daß es bei verschiedenen Medikamenten um sehr hohe Beträge geht. Dem Vernehmen nach reisen so manche Ärzte in manche Länder und preisen Medikamente an – dabei geht es um Milliardenbeträge –, und dann ist die Zulassung gegeben, auch wenn das in Portugal, Italien oder sonst irgendwo geschieht.

Ich persönlich gehe davon aus – ich kenne das auch aus anderen Bereichen –, daß das bei uns in Österreich bisher sehr streng gehandhabt wurde. Das Arzneimittelbuch hat eine besondere Wertigkeit. Diese besondere Wertigkeit möchten wir eigentlich in diesen sehr sensiblen und manchmal auch den vitalen Bereich bedrohenden Dingen mit größter Vorsicht gehandhabt haben, so wie das auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Lebensmittel beim Codex Alimentarius Austriacus war – leider Gottes "war". Wir haben das schmerzvoll in verschiedenen Bereichen der Lebensmittel festgestellt, wenn nun etwa Zusatzstoffe hineinkommen sind.

Meine Damen und Herren! Ich möchte bezüglich der Medikamente keine Gespenster an die Wand malen, aber ich erinnere nur daran, was bereits vor 20 Jahren bei einem sehr leichtsinnigen Medikamentengebrauch passiert ist. Ich nenne nur das Schlagwort Contergan. Deswegen wäre es mir sehr recht, wenn ein strengerer Kontrollmechanismus Platz greifen würde.

Ich brauche aus diesem Bereich heraus den genmanipulierten Mais nicht mehr zu erwähnen. Das Beispiel kennen Sie aus aktueller Berichterstattung.

Ich glaube, daß durch dieses dezentrale Genehmigungsverfahren eine massive Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit österreichischer Staatsbürger möglich erscheinen könnte, wenn Österreich keine Möglichkeit einer Verhinderung oder eines Einwandes hat.

Ist dieses dezentrale Genehmigungsverfahren – das ich natürlich sehr schwarz-weiß geschildert habe – abgeschlossen, dann kommt es zum zentralen Genehmigungsverfahren in Brüssel.

Wenn argumentiert wird, das Ganze dauert sehr lange, so stimmt das. Ja, das dauert schon sehr lange; das ist auch eine große bürokratische Hürde, die überwunden werden muß, aber materielle Schranken sind nicht mehr eingebaut. Sobald die dezentrale Genehmigung da ist, erfolgt die Genehmigung direkt auch durch die Europäische Arzneimittelagentur und wird dann vom hiezu berufenen Ausschuß de facto bestätigt.

Dagegen, meine Damen und Herren, gibt es keine Einwendungsmöglichkeit für die Länder. Das ist für alle Länder in der EU bindend. Daß es ein bißchen länger dauert, bewirken die Bürokratie oder die entsprechenden formalen Vorschriften.

Ich weise nochmals darauf hin, daß dieses dezentrale Genehmigungsverfahren für mich große Risken aufweist, weil der Standard, den wir in Österreich haben, de facto – wie es in anderen Bereichen bereits passiert ist – wieder herabgedrückt wird. Das ist für uns einer der ganz erheblichen Einwände.

Dann gibt es auch noch andere Einwendungen. Wir haben im Nationalrat einen entsprechenden Abänderungsantrag eingebracht, der leider nicht die Mehrheit gefunden hat. Ich sage deswegen leider, weil ich fürchte – andererseits auch hoffe –, daß es nochmals zu einer Novellierung dieses Gesetzes kommen wird.


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Wir haben unter anderem verlangt, daß eine Rechtsvorschrift ausnahmsweise so erstellt wird, daß bereits der Titel klar erkennen läßt, worum es geht. Es sind zwar mehrere Rechtsvorschriften geändert worden. Ich habe schon vorhin gesagt, oberflächlich könnte man meinen, das ist eine durchaus unterstützenswerte Novellierung. Man muß sich bis zum Kern durcharbeiten, und dieser Kern sollte auch aus materiellen Gründen – die formalen Gründe habe ich bei einem anderen Debattengegenstand erwähnt – präzise erkennbar sein.

Es ist also § 2 Abs. 7, der geändert werden sollte. Die Begründung: Dieser Antrag dient als Klarstellung in zweierlei Hinsicht. Maßgeblich sollte der Stand der Wissenschaft bei uns sein. Die gleich hohe Arzneimittelqualität, wie sie im österreichischen Arzneimittelbuch vorgeschrieben ist, sollte nach wie vor gegeben sein.

Das waren an und für sich die Haupteinwände zu dieser Vorlage, und ich darf gleich zum anschließenden Debattenpunkt kommen, der unter einem mitbehandelt wird, nämlich das Ärztegesetz, das die Ausbildung zum Inhalt hat und auch noch andere Rechtsvorschriften beinhaltet, so etwa das Ausbildungserfordernis für Turnusärzte.

Diese Bestimmung verursacht in der Praxis Schwierigkeiten, da die Konsiliarärzte oft keine Lehrpraxis führen, so heißt es in der Argumentation. Diese Lehrpraxis läßt man jetzt weg. Wir haben dazu ein etwas anderes Modell.

Als weiteren wichtigen Punkt geht es noch um den Bereich der sogenannten Heilpraktikerausbildung.

Zunächst zu den Lehrpraxen: Es ist zurzeit so, daß mit dieser Novelle kleinen Spitälern die Möglichkeit gegeben wird, Ausbildungsstätte zu sein – unter der Voraussetzung, daß auch Fächer, die sie nicht beinhalten, in diesen Spitälern tätige Konsiliarärzte oder solche Konsiliarärzte, die eine zusätzliche Lehrpraxis haben, unterrichten.

Wir meinen nun, daß für all diese Fächer, welche die Ärzte in ihrer Ausbildung außerhalb des Spitals machen können, das Anstellungsverhältnis des Arztes im Spital aufrecht bleiben sollte. So gibt man den einzelnen Bereichen die Möglichkeit, Ausbildungen vorzunehmen, und man kann das gesamte Angebot der Ausbildungsmöglichkeiten erfassen und tatsächlich die Bereiche vermehren. Das scheint mir sehr wichtig zu sein.

Ich weiß nicht, ob System darin liegt, daß man das ein wenig beschränkt hat. Ich komme gleich zum nächsten Punkt, das ist das sogenannte Gruppenpraxengesetz. Durch eine verfassungsrechtliche Bestimmung wurde das Verbot des Betreibens von Gruppenpraxen behoben. Die Aufhebung dieses Verbotes tritt mit 1. April 1997 in Kraft.

Die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung, wie sie im Gesetz vorgesehen ist, sollte mit 1. Jänner nächsten Jahres in Kraft treten. Was stört mich an diesem Bereich? – Ich habe Hinweise aus dem Grazer Bereich – Kollege Gerstl wird das auch bestätigen –, daß die privaten Krankenhausbetreiber große Sorge haben, ob die Finanzierung dieser privaten Krankenhäuser mittels der gegebenen Gebühren, also des Pflegegebührenersatzes, auch in Zukunft erfolgen kann.

Sie werden fragen, was das jetzt mit den sogenannten Gruppenpraxen zu tun hat. Ich meine schon, daß das etwas damit zu tun hat, weil es auch dort möglicherweise – etwa in einem privaten Grazer Spital gibt es eine Ausbildungsmöglichkeit für Nuklearmedizin – zu Schwierigkeiten kommt, diese Krankenanstalten aber mit dazu beitragen, daß das Niveau der Krankenvorsorge, der Krankenfürsorge, das in Österreich ein sehr hohes ist, bestehen bleibt.

Derzeit, meine Damen und Herren, ist im vorliegenden Gesetzentwurf – gestatten Sie, daß ich diesen Sprung mache und diese Verbindung herstelle – bezüglich leistungsorientierter Krankenanstaltenfinanzierung festgeschrieben, daß die bisherigen Gebühren der gesetzlichen Krankenversicherung eines Bundeslandes an die jeweiligen Länderfonds zu leisten sind und daß nur jene Krankenanstalten aus den Länderfonds Gelder erhalten werden, die bisher Gelder aus dem KRAZAF bezogen haben.


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Was heißt das, meine Damen und Herren? – Das heißt nichts anderes, als daß die privaten Krankenanstalten eigentlich durch den Rost fallen. Ich habe das letzte Mal bereits hier an die Frau Bundesminister appelliert, diesen Entwurf zu überdenken, weil das eine mit dem anderen – vor allem hinsichtlich des wichtigsten Punktes für die Krankenfürsorge und -obsorge – ganz intensiv zusammenhängt. – Das ist der zweite Punkt, den wir beachtet haben möchten.

Ein anderer Bereich – ich gebe durchaus zu, daß diesbezüglich bei uns eine geteilte Meinung herrscht – betrifft die Frage der Heilpraktiker. Ich muß dabei auch auf eine Seite hinweisen, die sich gerade kürzlich in der Presse fand. Die Paracelsusschule, vertreten durch einen ehemals sehr  bekannten  Abgeordneten,  schreibt,  sie möchte  ihr  Recht durchgesetzt haben. Wenn ich in die Vergangenheit  blicke, so  kann  ich  nur sagen,  natürlich  soll  die  Krankenfürsorge  und -obsorge auch dadurch gesichert sein, daß diese durch geschulte, geprüfte und studierte Leute vorgenommen wird. Aber es gibt auch gewisse Bereiche, die man, ohne daß man ein Studium absolviert, durchführen kann.

Ich brauche da gar nicht – oder vielleicht sollte ich es doch – in die ferne Vergangenheit zurückgreifen. Damals sind etwa die Merseburger Zaubersprüche, die Heilsprüche waren, angewendet worden. Ben zi beno, bluad zi bluadi, so si gelinida sin!, hieß es seinerzeit, und schon damals sind eigentlich aus dem tiefen Wissen um die Pflanzen und um die Umwelt Heilpraktiker entstanden. Und das alles sollte in diesem Bereich nicht ausgeschlossen sein. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Diese Heilpraktiker oder diejenigen, die sie vertreten, sagen jedoch, diese Gesetzesvorlage sei ein untauglicher Versuch, und sie werden alles daransetzen, daß dieser untaugliche Versuch zu Fall kommt. Auch das ist in dieser letztgenannten Novellierung nicht entsprechend bedacht.

Zu den vorhin genannten Punkten, meine Damen und Herren, haben wir Abänderungsanträge eingebracht. Wir glauben, daß das sehr wichtig ist. Wir fürchten einerseits – ich habe das schon ausgeführt –, daß es wieder zu einer Novellierung kommt, andererseits hoffen wir es, weil wir natürlich die freie Arztwahl, das Wohl des Patienten, die Finanzierung unserer Krankenanstalten und die Ausbildung unserer Ärzte ganz oben angesiedelt haben möchten.

Aus diesem Grund ist es uns leider nicht möglich, diesen beiden Vorlagen die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

18.00

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Heilpraktiker werden oft als "Kurpfuscher" betitelt. Diese Bezeichnung mag da oder dort sicherlich ihre Berechtigung haben.

Nach meiner Auffassung sollten allerdings – in diesem Punkt bin ich einer Meinung mit meinem Kollegen Tremmel – Heilpraktiker in Österreich auch eine Möglichkeit haben, ihren Beruf auszuüben. Ich glaube nicht, daß mit dem Verbot von Heilpraktikerpraxen das Problem gelöst werden kann. Denn überall dort, wo es Verbote gibt, die von den Menschen nicht eingesehen werden, wird genau das Gegenteil dessen erreicht, was der Gesetzgeber will. Es entsteht ein schwarzer Markt mit überhöhten Preisen. Menschen, die gerne zu einem Heilpraktiker gehen, lassen sich das vom Gesetzgeber nicht verbieten.

Bei uns in Tirol fahren sehr viele Menschen in das benachbarte Bayern. Und ich habe gehört, daß auch von Vorarlberg viele Menschen in die Schweiz fahren, um einen Heilpraktiker aufzusuchen. In Bayern gibt es eine Heilpraktikerausbildung mit Prüfung und Abschluß. Wer die Berechtigung zur Ausübung als Heilpraktiker erlangt hat, kann ganz offiziell eine Heilpraktikerpraxis eröffnen. Auf diese Weise fließen viele Millionen Schilling von Österreich ins benachbarte Ausland.


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Man darf nicht verbieten, Frau Ministerin, sondern muß nach Möglichkeiten suchen, wie auch bei uns in Österreich ausgebildete Mediziner und Heilpraktiker nebeneinander Platz finden könnten. – Die Kostensteigerung auf dem Gesundheitssektor kommt nicht nur durch die besseren und teuren medizinischen Möglichkeiten zustande, sondern teilweise auch durch eine Überreglementierung.

Ich erinnere mich noch gut an die Schließung der Geburtenstation in Brixlegg. Diese Geburtenstation war natürlich den Betreibern der Krankenhäuser und den Frauenärzten ein Dorn im Auge. Und ich bin überzeugt davon, daß sie nicht in erster Linie deshalb geschlossen werden mußte, weil nach den Vorschriften ständig ein Frauenarzt für die Geburtenstation Dienst machen mußte. Dort kostete – ich werde das immer wieder sagen, denn ich habe mich selbst damit befaßt – eine Geburt mit allem Drum und Dran, mit Hebamme, Arzt, einigen Tagen Aufenthalt mit bestem Service und allem, was man sich wünschen kann, weniger als ein Tagsatz im AKH in Wien, meine Damen und Herren!

Die leeren Kassen der Krankenversicherungen und die ausufernden Gesundheitskosten verlangen einschneidende Maßnahmen auf dem Gesundheitssektor. Mit der Anhebung der Rezeptgebühr und der Einführung einer Krankenscheingebühr wird diese Problematik nur prolongiert, aber nicht gelöst werden können. Besonders die antiquierte Krankenscheinmethode sollte noch in diesem Jahr, sehr verehrte Frau Ministerin – bis Ende des Jahres wäre Zeit –, einer besseren Lösung zugeführt werden. Denn es ist nicht Aufgabe der Unternehmer, ellenlange Formulare für die Krankenscheine auszufüllen und diese auszugeben. Und wie das mit dem Inkasso von 50 S funktionieren soll, ist nach meiner Auffassung auch noch nicht ganz klar. Ich weiß jedenfalls nicht, wie das funktionieren soll.

Frau Ministerin! Ich weiß, daß die Sozialversicherungen nicht Ihr Ressort betreffen. Ich bin aber überzeugt, daß Sie innerhalb der Bundesregierung mit Ihrem Temperament und mit Ihrem Engagement ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Deshalb möchte ich auf zwei Probleme hinweisen, die mir besonders wichtig zu sein scheinen.

Seit eineinhalb Jahren sind wir nun Mitglied der Europäischen Union. Für die Bevölkerung ist es völlig unverständlich, daß Medikamente im benachbarten Bayern und im benachbarten Italien – für uns Tiroler ist es ja nur ein Katzensprung nach Bayern oder nach Italien – wesentlich billiger sind als in Österreich. Auf diesem Sektor müßte nach meiner Auffassung ein bedeutendes Einsparungspotential liegen.

Wenn aber das neue Medizinproduktengesetz auch nur annähernd in der Form, wie es derzeit vorliegt, beschlossen wird, so wird dieses eher noch zu einer nicht unerheblichen Verteuerung der Medikamente bei uns in Österreich führen. Nach Auskunft der Kammer wären allein im zuständigen Ministerium 23 Beamte mehr notwendig, um dieses Gesetz zu vollziehen. In den Betrieben in Österreich, die von diesem Gesetz berührt werden, sind außerdem mindestens 2 000 Verwaltungsangestellte mehr notwendig. Angesichts der Schaffung solcher Gesetze brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir als Politiker in der Bevölkerung völlig unglaubwürdig werden. Auf der einen Seite sprechen wir vom Sparprogramm, von der Einsparung von Beamten, und gleichzeitig produzieren wir Gesetze, die mehr Beamte erfordern und außerdem für die Wirtschaft eine gewaltige Belastung darstellen. Jetzt ist der Entwurf dieses Medizinproduktengesetzes zurückgezogen worden. Wie ich erfahren habe, haben Sie das veranlaßt. (Bundesministerin Dr. Krammer: Die Gründe dafür sind aber andere!) Ich fordere Sie also auf, Frau Ministerin, dafür zu sorgen, daß der Entwurf dieses Medizinproduktengesetzes dem Ministerrat erst dann zur Beschlußfassung vorgelegt wird, wenn dadurch nicht ein Beamter und auch nicht ein Verwaltungsangestellter mehr notwendig sind. Denn man muß danach trachten, mehr Einsparungen zu erzielen!

Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß unser Gesundheitswesen ohne Eigenverantwortung des Patienten nicht funktionieren kann. Diese Eigenverantwortung kann durch Gesetze einerseits ausgeschaltet oder geschwächt, andererseits aber gestärkt werden. Und gerade die medizinische Vorsorge kann nur bei ausgeprägter Eigenverantwortung richtig funktionieren. Wir wissen aber auch, daß bei der Benützung all


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unserer ausgezeichneten Gesundheitseinrichtungen viel Mißbrauch betrieben wird. – Es muß ja nicht soweit kommen wie in der Türkei, daß man die Wäsche selbst ins Spital mitnehmen muß und daß man, wenn man nicht von den eigenen Verwandten im Spital gepflegt wird, dort keine Pflege hat. Natürlich ist es nicht immer bequem. Es wird deshalb von den Verantwortlichen nicht unbedingt befürwortet, daß eine Eigenbeteiligung bei der Benützung unseres Gesundheitswesens vorgeschrieben beziehungsweise eingeführt wird.

Frau Ministerin! Drängen Sie darauf, daß für alle, denen es finanziell zumutbar ist, ein Selbstbehalt beim Gesundheitssystem eingeführt wird! Jeder ist für seine Gesundheit in erster Linie selbst zuständig. In der Eigenverantwortung für die Gesundheit hat jeder auch alles zu tun, um diese Gesundheit zu erhalten. Vielfach herrscht derzeit die Einstellung vor: Ich belaste meinen Körper bis an die Grenzen des Möglichen und lasse die Schäden dann vom Arzt reparieren. Gerade die vielen gefährlichen Sportarten zeigen diesen Trend. Nur mit einem Selbstbehalt kann nach meiner Auffassung unser Gesundheitssystem wiederum in einen vernünftigen finanziellen Rahmen gebracht werden.

Natürlich gehören dazu auch – davon haben wir hier schon sehr oft gesprochen – die leistungsbezogene Krankenhausabrechnung sowie eine sparsame Gebarung der Krankenversicherungen. Im Vorblatt der Arzneimittelgesetz-Novelle steht, daß durch das vorliegende Gesetz dem Bund keine zusätzlichen Kosten entstehen. Ein zusätzlicher Personalbedarf kann durch Nutzung gesamteuropäischer Ressourcen ausgeglichen werden. – Mich stört dabei, Frau Ministerin, das Wort "kann". Es wäre besser, wenn anstelle von "kann" das Wort "muß" stünde. Dann wäre eine echte Verpflichtung zur Nutzung gesamteuropäischer Ressourcen beinhaltet.

Es liegt also an Ihnen, Frau Ministerin, darauf zu achten und alle Vorkehrungen zu treffen, daß durch die beiden Gesetzesnovellen dem Bund keine wie immer gearteten Mehrkosten entstehen. Unter diesen Voraussetzungen stimmen wir von der ÖVP-Fraktion diesen Gesetzesvorlagen gerne zu. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.11

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bundesrätin Gertrude Perl. Ich erteile es ihr.

18.11

Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir haben uns heute mit sehr wichtigen Gesetzesänderungen, nämlich mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes, des Ärztegesetzes und des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes, zu beschäftigen beziehungsweise eine Beschlußfassung darüber vorzunehmen.

Vorerst zum Arzneimittelgesetz: Wir haben schon gehört, daß mit der Änderung dieses Bundesgesetzes das EU-Gemeinschaftszulassungsverfahren im österreichischen Recht verankert und ein freierer Arzneimittelverkehr im Europäischen Binnenmarkt ermöglicht werden sollen. Im vorliegenden Gesetz wird auf die Gleichstellung der Arzneibücher im Europäischen Wirtschaftsraum, auf die Abgrenzung und Einengung des Arzneimittelbegriffes sowie auf die Anwendung radioaktiver Substanzen eingegangen.

Sehr wichtig, auch im Hinblick auf die Vorfälle in der letzten Zeit, sind in dieser Novelle die Schwerpunkte zum Tierseuchengesetz: Zur Umgestaltung der bisherigen Bewilligungspflicht wird eine verbesserte Kontrolle in diesem Bereich festgeschrieben.

Ein für mich sehr wesentlicher Punkt ist aber auch die Verbesserung der nationalen und internationalen Arzneimittelüberwachung. Dazu ist die Einrichtung von nationalen Arzneimittelüberwachungssystemen erforderlich. Jeder pharmazeutische Unternehmer muß ständig eine für die Arzneimittelüberwachung verantwortliche qualifizierte Person zur Verfügung stellen. Die Meldepflichtverordnung erstreckt sich auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Arzneimittelmißbrauch sowie Qualitätsmängel. Meldungen müssen sowohl national als auch international erfolgen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Große Verbesserungen sind im gegenständlichen Gesetz vorgesehen, und es wurden auch Sicherheitsregelungen miteinbezogen. Unter anderem sind diese Verbesserungen auch durch unseren EU-Beitritt notwendig geworden. Ich habe nur einiges Wesentliches angeführt. Diese Änderung des Arzneimittelgesetzes ist jedoch unbedingt positiv zu bewerten, da für die Gesundheit des Menschen – um diesen geht es hier ja –, wenn Arzneimittel angewendet werden müssen, kein Gesetz und keine Bestimmung zu umfangreich sein kann. Der Nutzen für die Menschheit steht dabei im Vordergrund.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun möchte ich zum Ärztegesetz und zum Ausbildungsvorbehaltsgesetz überleiten. Es ist unbedingt zu begrüßen, daß nunmehr klar im Gesetz festgelegt ist, wann ein Arzt beziehungsweise eine Ärztin die Facharztprüfung ablegen muß, nämlich nicht bei Ausbildungsbeginn im Hauptfach, sondern bei Beginn der Facharztausbildung. Die sogenannten "kleinen Fächer", das sind die Fächer Neurologie und Psychiatrie, aber auch die Allgemeinmedizin, wurden in die Turnusausbildung aufgenommen. Auch das ist ein sehr positiver Faktor.

Es wurde schon angeführt, daß nach geltendem Recht eine Krankenanstalt bisher nur dann Ausbildungsstätte zum Arzt für Allgemeinmedizin sein konnte, wenn bei Fehlen entsprechender Abteilungen die Ausbildung in den sogenannten "kleinen" Fächern durch Konsiliarfachärzte, die Lehrpraxen führen, erfolgte. Die Praxis zeigte aber, daß Konsiliarärzte oft keine Lehrpraxen führen. Die nunmehr vorgeschlagene Lösung, wonach die Ausbildung auch in Lehrpraxen erfolgen kann, deren Inhaber nicht zugleich Konsilarius ist, soll Ausbildungsengpässen entgegenwirken. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir alle wissen um die langen Wartelisten bei der Turnusausbildung. Und auch die Ausbildungsqualität wird dadurch sichergestellt.

Des weiteren wird in der Vorlage auch eine notwendige Änderung der Struktur der Ärztekammern in Aussicht gestellt. Es sollen einzelne Bestimmungen im Bereich des Disziplinarrechtes adaptiert werden.

Ein sehr wichtiges Kapitel, sehr geehrte Damen und Herren, ist meiner Meinung nach Artikel 2, der die Ausübung und Ausbildung für medizinische Berufe regelt, und dem Heilpraktikantentum eine Absage erteilt. Letzteres erfolgt zu Recht. Denn leider haben sich in letzter Zeit von Deutschland kommend auch in Österreich Schulen für Heilpraktiker angesiedelt, die hohe Kursbeiträge verlangen und ihre Teilnehmer, die auf keinen Fall mit ausreichendem Wissen ausgestattet sind, dann auf die Menschheit im wahrsten Sinn des Wortes "loslassen". Für solche Ausbildungsmethoden haben wir in Österreich keinen Bedarf. Unsere umfassend ausgebildeten Mediziner sind in der Lage, eine umfassende Betreuung der Patienten, von der Diagnose bis zur Therapie, vorzunehmen, wobei durchaus auch seriöse, komplementäre Methoden in eine Therapie einfließen können. Für den nicht ausreichend ausgebildeten Heilpraktiker hingegen sehe ich keinen Bedarf bei uns in Österreich.

Das Heilpraktikertum mit im Schnellsiederkursverfahren erworbenen Fähigkeiten ist unnötig und noch dazu für den Menschen sehr gefährlich. Eine Diagnose zu stellen ohne ärztliche Ausbildung und Kenntnisse, kann ich mir nicht gut vorstellen, und wer keine Diagnose erstellen kann, dem spreche ich auch die Fähigkeit ab, eine richtige Therapie festzusetzen. Zu einer Krankheit kommt oft eine weitere hinzu, und eine solche Situation ist sicher nur von Fachleuten zu bewältigen. Den leichtgläubigen Kranken kostet es neben viel Geld vielleicht auch das Leben, und das ist ein zu hoher Preis! Von den Kosten für den Staat durch – unter Anführungszeichen – "verpfuschte" Kranke möchte ich nicht sprechen.

Die Gesetzesvorlage regelt auch diesen angesprochenen Bereich ausreichend. Es ist dadurch sichergestellt, daß das hohe Niveau der österreichischen Gesundheitsvorsorge im Interesse der Patienten und Patientinnen erhalten bleibt. Sie enthält ein entschiedenes Nein zu den geschilderten mangelhaft ausgebildeten Heilpraktikern. Es ist noch zu überlegen, ob nicht auch selbsternannte Diätassistenten zu diesem Bereich zu zählen wären.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gesundheit ist unser größtes Gut. Man weiß dies meistens erst dann, wenn man sie verloren hat und von einer Krankheit heimgesucht wird. Nestroy hat einmal gesagt, daß es zwar viele Krankheiten, aber leider nur eine Gesundheit gibt.


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Es war immer Anliegen von uns Sozialdemokraten, für ein bestmögliches Gesundheitssystem zu sorgen. Daher sagt die sozialdemokratische Fraktion ja zu den Bundesgesetzen, mit denen das Arzneimittelgesetz sowie das Ärztegesetz abgeändert werden. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.19

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Alfred Gerstl. Ich erteile es ihm.

18.19

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Nichtbeeinspruchung der vorliegenden Gesetzesvorlagen, mit denen unter anderem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz über die Ausbildung ärztlicher Tätigkeit vom Nationalrat am 28. Juni 1996 beschlossen wurde, muß ich leider auch die Mitverantwortung für die damit verbundene ungeklärte Frage der Quantitäts- anstelle von Qualitätssteigerung für das Gesundheitswesen mittragen.

Ich bin der Meinung, daß sich der Gesetzgeber endlich zu einer anderen Prioritätenreihung im Gesundheitswesen entschließen sollte. So wäre zum Beispiel die Effizienz der Krankenversicherungen dadurch zu steigern, daß man ihnen die Konkurrenz um die Versicherungsnehmer ermöglicht.

Des weiteren stelle ich mir vor, daß es doch viel effizienter wäre, ärztliche Leistungen außerhalb der Versicherungsgebäude zu erbringen, welche jetzt in kartellrechtlich sehr bedenklicher Art in den Pflichtversicherungsanstalten erbracht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darüber hinaus könnte eine jährliche Einsparung in Milliardenhöhe durch die Einführung einer Gesundheits-Chipkarte anstelle des Krankenscheins erreicht werden. – "Im Herbst 1995 hat sich in Österreich eine Arge Gesundheit konstituiert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Initiativen zur Effizienzsteigerung im Gesundheitsbereich zu setzen. Der Qualitätsgewinn einer kostenbewußten Gesundheitsorganisation soll allen betroffenen Gruppen, Patienten, Versicherungen, Gesundheitsorganisationen und Ärzten zugute kommen.

Die Arge Gesundheit setzt sich zusammen aus Wissenschaftlern sowie Experten aus der Gesundheitswirtschaft und der Kommunikationsbranche. Sie ist bewußt interdisziplinär, um ganzzeitlichen Lösungsmodellen in der Gesundheitsproblematik eine Chance zu geben.

Unter anderen Aktivitäten der Arge, zum Beispiel im Bereich der Gesundheitspublizistik und der Vorsorgemanagements, sind in diesem Zusammenhang die Vorbereitungsarbeiten zur Einführung von Chipkarten für Patienten von besonders dringlichem Interesse.

In den von der Arge durchgeführten Experimentenhearings konnte erhärtet werden, daß durch eine österreichweite Einführung einer Chipcard für Patienten mindestens die jährlichen Kostensteigerungsbeträge von zirka 20 Milliarden Schilling – zuletzt von zirka 360 Milliarden auf 340 Milliarden – eingespart werden könnten."

Letzteres ist der Text einer Anfrage von mir an das Gesundheitsministerium. Ich habe das nicht aus der Luft gegriffen, sondern habe, wie in allen Dingen immer wieder, versucht, meine Wortmeldung durch Untersuchungen zu untermauern. Sie wurden untermauert vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Das möchte ich in den Raum stellen.

Ebenso ist noch immer die Bereinigung der bis 1. 1. 1997 vorgesehenen Ungleichbehandlung der öffentlichen und privaten Krankenanstalten bei der Umsatzsteuer offen. Oder will man wirklich den Gesundheitsbereich der privaten Spitäler eliminieren? – Dann soll man es offen aussprechen! Das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz sieht auf der Grundlage einer Einigung eine leistungsbezogene Kostenverrechnung anstelle des KRAZAF derzeit vor. Daher hat sofort eine Bereinigung in Richtung Gleichbehandlung öffentlicher und privater Krankenanstalten zu erfolgen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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So hat in dankenswerter Weise der Präsident der Beamtengewerkschaft, Dohr, aufgezeigt, daß Ausschaltungsbestrebungen des privaten Krankenhausbereiches im Gange sind, was zu einer unkontrollierbaren Kostenexplosion und gleichzeitig auch zu einer Absenkung des medizinischen Standards des österreichischen Gesundheitswesens führen würde. Dies machte uns die überwunden geglaubte Ideologie vor nicht allzu langer Zeit in vielen Staaten im Osten Europas augenscheinlich. Welchem Gesundheitswesen die breite Bevölkerung in diesen Ländern ausgeliefert war, wissen wir. Deshalb wollen wir diesen Weg nicht gehen!

Ich danke daher der wachsamen österreichischen Presse, die diese Gefahr aufgezeigt hat, und hoffe, daß die Bevölkerung rechtzeitig erkennt, daß ein Anschlag auf die privaten Krankenanstalten ein Anschlag auf die Qualität des österreichischen Gesundheitswesens und die persönliche Freiheit jedes einzelnen Bürgers ist.

Ich möchte Ihnen den gegenwärtigen Stand, aber auch die Zukunftsaussichten darlegen: Der Kostenersatz seitens der gesetzlichen Krankenversicherungsträger bei stationärer Behandlung wird als "Pflegegebührenersatz" – PGE – bezeichnet und als Schillingbetrag je Aufenthaltstag bemessen. Dieser Pflegegebührenersatz ist für alle Krankenanstalten eines Bundeslandes gleich hoch und betrug 1994 zwischen 1 140 S und 1 384 S pro Tag je nach Bundesland. Damit konnten jedoch nur, ebenfalls je nach Bundesland, zwischen 21,5 Prozent und 52,1 Prozent der jeweiligen amtlichen Pflegegebühr in der allgemeinen Gebührenklasse eines öffentlichen Krankenhauses abgedeckt werden. Der daraus entstehende Betriebsabgang der öffentlichen und gemeinnützigen Krankenanstalten wird zum Teil durch Zahlungen des Krankenanstaltenzusammenarbeitsfonds, zum Teil durch Budgetmittel der ehemals zuständigen Gebietskörperschaft und durch den Träger selbst, zum Beispiel Orden, abgedeckt.

Die privaten, nicht gemeinnützigen Krankenanstalten erhalten keinerlei Zuschüsse von Bund, Land und Gemeinde oder vom KRAZAF; sie erhalten ihre Kostenerstattung einerseits durch die gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Form des Pflegegebührenersatzes, andererseits durch direkte Zahlungen des Patienten oder durch eine vom Patienten abgeschlossene private Krankenzusatzversicherung. Aufgrund der günstigeren Tarifgestaltung der privaten Krankenanstalten beträgt der Deckungsgrad des Pflegegebührenersatzes mehr als 50 Prozent bezogen auf die tägliche Pflegegebühr einer privaten Krankenanstalt, zum Beispiel in der Steiermark.

Welche Motive veranlassen einen Patienten, eine private Krankenanstalt anstelle der Sonderklasse eines öffentlichen Krankenhauses aufzusuchen? – Erstens sicherlich die freie Arztwahl, das heißt, der Patient begibt sich mit dem Arzt seiner Wahl und seines Vertrauens in Behandlung. Gerade diese Kontinuität der prästationären, stationären und poststationären ärztlichen Betreuung in einer Hand ist die Grundlage für die hohe Akzeptanz dieses Systems beim Patienten. Darüber hinaus ergeben sich beträchtliche Ersparnisse sowohl im zeitlichen Ablauf als auch bei den erforderlichen diagnostischen Maßnahmen; es kommt selten zu Doppeluntersuchungen.

Zweitens ist der Unterbringungsstandard in den österreichischen Privatkrankenanstalten traditionell hoch. Die Zufriedenheit der Patienten mit der pflegerischen Betreuung hält jedem, auch internationalem Vergleich stand.

Drittens kann auf die persönlichen und terminlichen Wünsche eines Patienten besser eingegangen werden.

Und nicht zuletzt werden in den österreichischen Privatkrankenhäusern in großer Zahl Behandlungen durchgeführt, für die im öffentlichen Bereich keine oder nur sehr begrenzte Kapazität oft mit entsprechend langen und dadurch eventuell sogar lebensbedrohenden Wartezeiten angeboten werden.

Was ändert sich ab 1. 1. 1997? – Mit der Neuregelung der österreichischen Krankenanstaltenfinanzierung ab 1. 1. 1997 soll nun dieser privatwirtschaftliche Sektor der Gesundheitsversorgung in seiner Funktion behindert, wenn nicht sogar ausgelöscht werden. Im vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung einer sogenannten leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung, LKF, ist festgeschrieben, daß die bisherigen Pflegegebührensätze der gesetzlichen


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Krankenversicherung eines Bundeslandes an den jeweiligen Länderfonds zu leisten sind und daß nur jene Krankenanstalten aus dem Länderfonds Gelder erhalten, die bisher Gelder des KRAZAF bezogen haben. Damit sind alle privaten Krankenanstalten von einem wesentlichen Teil ihrer laufenden Einnahmen abgeschnitten.

Es kann wohl nicht angenommen werden, daß diese Regelung nur "irrtümlich" passiert ist. Vielmehr kann man dahinter sehr wohl gewisse weltanschauliche Zielsetzungen vermuten, was in der sozial-marktwirtschaftlich orientierten Welt entsprechende Reaktionen auslösen wird.

Bisher erhielten rund 155 Krankenhäuser in Österreich Zuschüsse aus dem KRAZAF. Demgegenüber haben knapp 170 Krankenanstalten keine KRAZAF-Gelder bezogen. In Betten ausgedrückt heißt das, es werden rund 59 000 Betten vom KRAZAF bezuschußt, 21 000 Betten hingegen ohne KRAZAF-Gelder betrieben. Das heißt aber auch, daß in Zukunft mehr als ein Viertel aller in Österreich normierten Krankenhausbetten ohne gesicherten Finanzierungsweg dem Zufall oder dem Wohlwollen eines politischen oder sonstigen Entscheidungsträgers ausgeliefert sein werden.

Für die Kunden der privaten Krankenversicherungen stellt sich ebenfalls die Frage, weshalb ihnen die Möglichkeit der freien Arzt- und Anstaltswahl entzogen werden soll. Immerhin sind bis zu 20 Prozent der Bevölkerung eines Bundeslandes Mitglieder einer privaten Krankenzusatzversicherung für Krankenhauskosten. Zählt man die Versicherten der Krankenhaustaggeldtarife hinzu, erhöht sich dieser Anteil auf bis zu 50 Prozent der Bevölkerung eines Bundeslandes. – Dieser große Personenkreis wird durch die derzeit getroffenen Regelungen eindeutig und erheblich benachteiligt!

Die neue als leistungsorientiert bezeichnete Finanzierungsweise ist keineswegs eine solche. Vielmehr wurde den gesetzlichen Krankenversicherungen der Weg geebnet, sich aus ihrem eigentlichen Tätigkeitsfeld, nämlich dem der Versicherung und des Risikoausgleichs, zu entfernen und sich als Inkassostelle zu sehen.

Darüber hinaus wurden die Zahlungen der Krankenversicherung für Krankenhausbehandlung auf dem Stand des Jahres 1994 eingefroren. Ein sich praktisch zwangsläufig ergebender finanzieller Mehrbedarf muß aus anderen Budgettöpfen ausgeglichen werden. Das für das Funktionieren einer leistungsorientierten Abrechnung unabdingbare Grundprinzip: eine Leistung, ein Preis, und das in ganz Österreich, wurde durch die neuen Ländertöpfe unterlaufen. Damit ist jede Kostenkontrolle und jede vernünftige Planung oder Steuerung von vornherein unmöglich geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Obwohl in Deutschland ein effizientes System mit leistungsorientierter Bezahlung – eine Leistung, ein Preis – als Vorbild vorhanden wäre, will man in Österreich wieder einmal das Rad neu erfinden und hat schon jetzt 1 450 verschiedene LKF-Leistungen beschrieben, wogegen in Deutschland nur 160 Sonderentgelte-Pauschalien und 40 Fall-Pauschalien ausreichen. – Als zusammenfassende Beurteilung des LKF in der derzeitigen Form bleibt nur zu sagen: weder Leistung, noch Orientierung.

Bezeichnenderweise werden auch alle privaten Krankenanstalten in die Vorgaben des "österreichischen Krankenanstaltenplanes", kurz ÖKAP genannt, miteinbezogen, obwohl seitens der öffentlichen Hand keinerlei Gelder zur Errichtung oder zum Betrieb zur Verfügung gestellt wurden oder werden. Die im ÖKAP für das Jahr 2005 genannten Reduktionen der Bettenkapazitäten bei den privaten Krankenanstalten wären ein direkter Eingriff in bestehende Besitzrechte und dementsprechend verfassungsrechtlich zumindest äußerst bedenklich. Es ist unschwer vorstellbar, daß man dieses Rechtsproblem zu umgehen versucht, indem man den privaten Krankenanstalten einen Teil ihrer Finanzierungsgrundlage entzieht.

Welche Maßnahmen können die Zukunft der privaten Krankenanstalten sicherstellen? – Die privaten Krankenanstalten sind aufgrund ihres hohen medizinisch-technischen und personellen Ausstattungsgrades in der Lage, den größten Teil der in öffentlichen Krankenanstalten angebotenen Leistungen zumindest qualitativ gleichwertig zu erfüllen. Nur wenige Teilbereiche, etwa die Versorgung Schwerverletzter, die Transplantationsmedizin oder Herzchirurgie waren bisher


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einzelnen Spitzeninstitutionen vorbehalten. Das von einzelnen Politikern und anderen gerne verwendete Argument, daß die privaten Krankenanstalten nur die leichten und damit billigen Fälle behandeln würden, ist anhand einer Leistungsstatistik – die ich jedem vorlegen und anhand welcher ich sofort das Gegenteil beweisen kann – leicht zu entkräften und stammt aus der Mottenkiste. Wenn nun eine bestimmte Leistung, zum Beispiel eine Operation, in einer privaten Krankenanstalt erbracht wird, ist es wohl nur recht und billig, daß der für die Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus vorgesehene Betrag auch der Privatanstalt ausbezahlt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere daher für die privaten Krankenanstalten das Recht, bei Erbringung einer bestimmten Leistung auch den dafür vorgesehenen Schillingbetrag in gleicher Höhe wie ein öffentliches Krankenhaus erstattet zu bekommen. Dies wäre die analoge Fortsetzung der bisherigen Praxis – in leichter Form – der Bezahlung des täglichen Pflegegebührenersatzes. Im Gegensatz zur öffentlichen Krankenanstalt können und müssen mit diesen Geldern auch die erforderlichen Investitionen finanziert werden, was ein weiterer Beweis für die Wirtschaftlichkeit der privaten Krankenanstalten ist. Diese erhalten zum Beispiel für die zweite Klasse samt allen Gebühren zirka 3 500 S täglich, müssen aber auch ihre Investitionen tätigen und ihren ganzen Apparat aufrechterhalten. Vergleichen Sie das mit den öffentlichen Krankenhäusern: Dort kostet das Liegen in der dritten Klasse, obwohl das in der Steiermark sehr billig ist, 5 500 S!

Hinzu kommt bei den privaten Krankenanstalten noch das Prinzip der freien Arztwahl und auch der freien Anstaltswahl. Diese Prinzipien müssen gestärkt werden und dürfen nicht einer politisch motivierten Erfolgsmeldung wie der Abschaffung des KRAZAF geopfert werden. Die Sicherung dieses Patientenrechtes sollte ein vordringliches Anliegen darstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es in meiner bisherigen Tätigkeit als Bundesrat vermieden, Ideen, die unter Zielsetzungen einzureihen sind, im offenen Hause zur Sprache zu bringen. Vielmehr habe ich diese Ideen durch Ministeranfragen umzusetzen versucht, meistens natürlich vergeblich, wie zum Beispiel bei der energetisch-thermischen Verwertung von Müll, die natürlich jetzt kommt, allerdings 20 Jahre später. Ich werde sie noch erleben. Ich habe auch zum Beispiel das Recycling von Autoreifen, das es etwa zum Beispiel auch in Korea gibt, nicht nur in Amerika, in England oder Frankreich, oder die Beimischung von Äthanol zum Benzin, um die Bauern zu retten und der Umwelt zu helfen, denn Äthanol, aus Mais gewonnen, senkt die Schadstoffe bei 10prozentigem Zusatz um 15 Prozent, und vieles mehr zur Sprache gebracht. Ich kann mich gar nicht erinnern. Ich kann mich aber erinnern, daß seinerzeit einmal, als ich die flächendeckende Tollwutimpfung forderte, meine Ministeranfrage abgelehnt wurde. Man hat die flächendeckende Tollwutimpfung jedoch später eingeführt, und seither ist Österreich tollwutfrei.

Meine heutige Wortmeldung im offenen Haus wurde jedoch notwendig, da ich meine Vermutung aufzeigen mußte, nach welcher das österreichische Gesundheitswesen in eine Richtung gedrängt wird, die nicht nur im Widerspruch zu den Grundsätzen einer demokratischen, freien Gesellschaftsordnung, sondern auch zu dem in EU-Mitgliedsstaaten gesicherten Patientenrecht steht. (Beifall bei ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.40

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird, AMG-Novelle 1996.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Hoher Bundesrat! Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert und ein Bundesgesetz, mit dem die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, hiezu nicht berechtigten Einrichtungen untersagt wird (Ausbildungsvorbehaltsgesetz), erlassen wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

11. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Waldbericht 1994 (III-144 und 5210/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Waldbericht 1994.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ludwig Bieringer übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Ludwig Bieringer: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der österreichische Waldbericht 1994 gibt Aufschluß über den Waldzustand, die wirtschaftliche Lage der Forstwirtschaft, die Wildbach- und Lawinenverbauung, die Forstorganisation, die internationalen Agenden der österreichischen Forstwirtschaft sowie die Beeinträchtigung des Waldes durch Wild und Weidevieh.

Weiters weist der Waldbericht wie in den Vorjahren auf den immer noch kritischen Zustand der Forstwirtschaft und des österreichischen Waldes hin. Als prekär ist die Situation im Schutzwald anzusehen. Schäden durch Wild und Weidevieh sowie zunehmende touristische Aktivitäten in diesen sensiblen Waldregionen lassen die Bemühungen zur Sanierung dieser Wälder trotz des damit verbundenen hohen finanziellen Einsatzes hinfällig erscheinen. Der wissenschaftliche Nachweis, daß die Luftverschmutzung einen wesentlichen Anteil an der Verursachung der neuartigen Waldschäden hat, ist ausreichend erbracht. Maßnahmen zur Verhinderung dieser Schäden werden durchgeführt.

Der von der österreichischen Forstwirtschaft eingeschlagene Weg naturnaher Waldwirtschaft muß konsequent weiter verfolgt werden. Der Aufbau ungleichaltriger, artenreicher und standortgerechter Waldbestände unter Ausnützung der natürlichen Verjüngung und anderer dynamischer Prozesse des Ökosystems erhöht die ökologische Stabilität, was in Hinblick auf die Abwehr von Schadeneinflüssen und die Anpassungsfähigkeit an eventuell sich ändernden Klimabedingungen von größter Wichtigkeit ist. Zugleich verschafft eine größere Baumartenvielfalt den Forstbetrieben eine breitere Produktpalette und größere wirtschaftliche Flexibilität.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Juli 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile es ihm.


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18.45

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Waldbericht 1994 kann keinesfalls als aktuell angesehen werden. Eine frühere Behandlung – so haben uns die Experten im Ausschuß mitgeteilt – war nicht von ihnen aus unmöglich, sondern eine solche war von seiten des Präsidiums des Bundesrates nie auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Damit ist eine genaue Standortbestimmung für den Waldzustand nicht möglich. Dies hat zur Folge, daß zwar Zahlen in großem Ausmaß vorhanden sind, welche sich jedoch kaum verändert haben in den abgelaufenen zwei Jahren. Die wirtschaftliche Situation hat sich hingegen wesentlich verschlechtert. Aufgrund der bestehenden Liberalisierung des Holzmarktes wurden Importe aus den östlichen Ländern weiterhin genehmigt. Dazu kam auch noch die Öffnung der Europäischen Union, deren Mitglieder dadurch natürlich auch ein leichteres Importfeld gefunden haben. So konnte nicht verhindert werden, daß es einen weiteren Preisverfall gegeben hat. (Bundesrat Ing. Penz: Holz ist aber liberalisiert!) Herr Kollege Penz! In den Jahren 1985 bis 1990 hat sich der Holzpreis laut Bericht um 20 Prozent erhöht. In den Jahren 1990 bis 1994 sind die 20 Prozent an Erhöhung leider wieder verlorengegangen. Laut Bericht wurden im Jahre 1994 trotz Preisrückgangs immerhin noch 14,36 Millionen Festmeter Rundholz ohne Rinde aus den österreichischen Wäldern entnommen. Das sind plus 12 Prozent gemessen am Durchschnitt der vorangegangenen zehn Jahre.

Die Waldfläche Österreichs beträgt derzeit 3,88 Millionen Hektar, das sind 46,5 Prozent des gesamten Bundesgebietes. Somit ist Österreich eines der reichsten Waldländer Europas. Von dieser Gesamtfläche sind 78,5 Prozent Wirtschaftswald, 19,1 Prozent sind Schutzwald mit einer wichtigen Funktion. Immerhin haben wir bundesweit noch einen jährlichen Zuwachs an Waldfläche von 2 000 Hektar. Aus dem Ertragshochwald werden jährlich zirka 20 Millionen Festmeter genützt, das sind 63 Prozent des gesamten Jahreszuwachses. Der Rundholzexport nahm in den Jahren 1994 um 444 000 Tonnen – das sind plus 12,5 Prozent – zu.

Der Import hingegen nahm im selben Wirtschaftsjahr um 727 000 Tonnen – das sind 14,4 Prozent – zu. Das ist ein Marktverlust für die österreichische Forstwirtschaft von 283 000 Tonnen oder 2 Prozent. Besonders aus den Ostländern wurde laut Bericht um zwei Drittel mehr importiert. Weiters stieg der Schnittholzimport gegenüber 1993 um 24 Prozent, also um nahezu ein Viertel, auf 988 000 Kubikmeter. Davon entfallen auf die Bundesrepublik Deutschland 171 000 Kubikmeter und auf die osteuropäischen Länder 519 000 Kubikmeter. Der Wert der Schnittholzeinfuhr betrug im Berichtsjahr 2,75 Milliarden Schilling.

Obwohl Holz als umweltfreundlicher Nachwuchsrohstoff und Energieträger gilt, ist mittelfristig im Hinblick auf die Mengenangebote auf dem Weltmarkt real mit keinem gravierendem Absatz zu rechnen. Somit sind auch keine Preissteigerungen zu erwarten. Im Wettbewerb hat der Rohstoff Holz eine günstige Ökobilanz. Daher ist aus volkswirtschaftlichen Gründen der Wettbewerb mit den anderen Baustoffen wie Stahl, Beton, Aluminium oder fossilen Energieträgern aufzunehmen.

Nicht vergessen dürfen wir auf die Erholungsfunktion des Waldes. Es kann jedoch nicht wie im Forstgesetz 1975 die gesetzliche Öffnung des Waldes zum Nulltarif erfolgen. Es kann auch nicht so vor sich gehen, wie kürzlich, als ohne Absprache mit den betroffenen Servitutsberechtigten die Freigabe der Bundesforste erfolgte, indem die Bundeswirtschaftskammer die Kosten übernahm, um so den Fremdenverkehrsglauben zu unterstützen. Auch die Erholung suchenden Spaziergänger haben Anspruch auf ihre Erholungsflächen. Mit dieser Vorgangsweise sind wir daher nicht einverstanden.

Weiters sollte ursprünglich der Katastrophenfonds gänzlich aufgelöst werden. Derweil wurde er um 15 Prozent gekürzt. Das ist eine Kürzung, die in Hinblick auf den Schutzwald und die Pflegemaßnahmen desselben große Fragen aufwirft. Aber auch die weitere Wildbach- und Lawinenverbauung könnte mit dieser Kürzung in Frage gestellt werden.


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Das sind Sparmaßnahmen am falschen Platz. Eine Katastrophe könnte nämlich das Zigfache kosten, und es könnte auch die dort wohnende Bevölkerung in Bedrängnis gebracht werden. Ich denke nur an die Fläche Ramingstein, betreffend welche man sich erst in den letzten Tagen im Fernsehen mit Sorge geäußert hat.

Aus diesem Bericht ist zu ersehen, daß viele Punkte der Vision nach vorne fehlen. Deswegen wird die freiheitliche Bundesratsfraktion diesem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.52

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

18.52

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der heute vorliegende Waldbericht 1994 gibt uns viele Informationen und auch eine recht gute Übersicht über die aktuellen Fragen der österreichischen Forstwirtschaft. Der Bericht – auch das soll man sagen – ist wieder sehr gut gemacht worden. Er ist in einer Art und Weise zusammengestellt, daß auch diejenigen, die nicht so spezialisiert sind, wertvolle Daten zur Hand haben. Besonders betonen möchte ich – und auch dafür möchte ich mich bedanken –, daß dieser Waldbericht 1994 auch von der Gestaltung und vor allem von den Berichten her übersichtlich, interessant, gut verständlich geschrieben und gestaltet ist.

Wenn Kollege Eisl die verspätete Vorlage etwas kritisiert hat, so darf ich annehmen, daß das nicht so heiß gegessen wird. Denn ich nehme stark an, daß der Herr Bundesminister und seine Mitarbeiter schon bei der Vorlage des Rohkonzeptes ihre Arbeit begonnen haben und nicht erst jetzt, wenn bei uns im Bundesrat berichtet wird. Ich richte jedenfalls ein Danke an alle Damen und Herren, die im Ministerium und auch an allen anderen Stellen daran mitgearbeitet haben und für diesen Bericht verantwortlich sind.

Ich möchte ein paar Details erwähnen, zunächst zur Waldinventur: Die seit 1961 auf mathematischen und statistischen Grundlagen durchgeführten Erhebungen geben uns Auskunft über die wesentlichen Merkmale der Struktur und der Entwicklung des österreichischen Waldes. Die Ergebnisse der vorangegangenen Auswertungsperioden weisen einerseits zunehmende Waldflächen, Holzvorräte und Zuwächse auf, andererseits treffen sie die Feststellung, daß die Bestandesschädigungen vor allem beim Schutzwald besorgniserregend sind.

Ich möchte zum Schutzwald bemerken, daß es in Österreich nach dem Waldbericht zirka 4 Millionen Hektar Wald gibt, davon sind ungefähr 161 000 Hektar Schutzwald, der zu einem großen Teil überaltert und geschädigt ist. In diesem Lichte erhält das im Sinne der Alpenkonvention unter österreichischer Federführung erarbeitete Bergwaldprotokoll eine besondere Bedeutung. Ziel ist die Erhaltung, Stärkung und Wiederherstellung der Waldfunktionen, insbesondere natürlich auch der Schutzfunktionen durch Verbesserung der Widerstandskraft und der Waldökosysteme. Dabei ist die Reduktion der Luftverschmutzung, der Schalenwildbestände, der Waldweide und Erholungsnutzung erforderlich. Die bisherigen Bemühungen und Anstrengungen des Bundes, bei denen man auch um grenzübergreifende Lösungsansätze bemüht war und die inzwischen ausgearbeiteten Konzepte und Detailplanungen der Bundesländer miteinbezogen hat, kann man als durchaus positiv einstufen.

Was die Waldschadenbeobachtung anlangt, so zeigen die Untersuchungen, daß sowohl der Zustand der Waldböden, der Baumkronen, auch was die Auswirkungen der Luftverschmutzung anlangt, nicht befriedigend sind. Sehr ernst ist die Lage in der ehemaligen DDR, in der CSSR und auch in Polen.

Die bisher in Österreich gesetzten Maßnahmen gegen das Waldsterben können durchaus als meßbarer Erfolg bezeichnet werden. Katalysatorregelung, Reduktion der Schwefelemissionen, Entstickungs- und Entstaubungsanlagen, Schutzwaldprogramm, Waldverbesserungsmaßnahmen haben zwar da und dort zu heißen Diskussionen, aber letzten Endes doch zum Erfolg


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geführt. – Die Gesundheit unserer Wälder aufmerksam beachten und überprüfen, Gefährdungen früh erkennen und so rasch als möglich handeln, muß unser Anliegen sein.

Im Zusammenhang mit der Holzzertifizierung sei bemerkt, daß die Bemühungen Früchte tragen. Man könnte sogar darauf hinweisen, daß die österreichische Forstwirtschaft im Gegensatz zu vielen anderen Ländern recht gut und verantwortungsbewußt arbeitet, was auch Anerkennung findet. Mit dem 1993 beschlossenen Bundesgesetz zur Schaffung eines Gütezeichens für Holz und Holzprodukte aus nachhaltiger Nutzung sind verbesserte Möglichkeiten geschaffen worden. Der Holzbeirat hat als wichtige Aufgabe die Festlegung der Kriterien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu vertreten. Die bisherigen Erfahrungen mit dem sogenannten Holzgütezeichen sind gut. Die nun vorhandenen Informationen sind ein Beitrag für eine verantwortungsvolle Kaufentscheidung und ein Beitrag zur Verstärkung des Umweltbewußtseins der Konsumentinnen und Konsumenten.

Im Forstbetrieb hatte der Schadholzanfall im Jahre 1990 letzten Endes zur Folge, daß es zu einem Preisrückgang kam. 1994 war wieder eine leichte Verbesserung zu verspüren.

In diesem Jahr ging der Stand des Forstpersonals weiter zurück. Logische Folge daraus: Immer größere Flächen müssen von weniger Förstern und von weniger Helfern betreut werden. Das ist bei den Bundesforsten und auch im privaten Bereich zu spüren. Es taucht allerdings auch die Befürchtung auf, daß es dadurch zu einer Verringerung der Qualität kommen könnte. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Themenbereich Beeinträchtigungen des Waldes durch Wild und Weidevieh sagen. Bis 1990 wurde der Stand der Verbißsituation bei freistehenden Jungwüchsen durch die Forstinventur erarbeitet. Ab 1992 wurde die Verjüngungserhebung neu strukturiert. Jetzt gibt es erstmals Aufschlüsse über künstliche und natürliche Verjüngung. Der Vergleich 1992 bis 1994 der vorläufigen Ergebnisse ist sehr aussagekräftig. Die Daten der Bezirksforstinspektionen stimmen weitgehendst mit den Ergebnissen der Waldinventur überein. Der Bericht ist entsprechend dem Wunsch des Nationalratsausschusses vom 15. März 1995 um die Daten über die Beeinträchtigung des Waldes durch Weidevieh und Wild aus den Bundesländern ergänzt worden. Natürlich gäbe es in diesem Zusammenhang interessante Details aus den Bundesländern und Bezirken, aber die Einzelheiten würden zu weit führen.

Ich möchte daher nur noch eine Bemerkung anschließen: Ich finde es wichtig und auch zielführend, daß die Daten aus den Bezirksforstinspektionen einfließen und erwarte mir davon auch wertvolle Aufschlüsse für die zukünftig erforderlichen Maßnahmen.

Als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses möchte ich heute noch ein Thema behandeln, das für viele von Bedeutung ist. In meinem Bezirk ist Mountainbiking derzeit noch nicht aktuell. Man sollte sich aber rechtzeitig mit solchen Dingen auseinandersetzen. Sowohl die Situation der Landwirtschaft als auch die der österreichischen Tourismuswirtschaft sind von einer großen Umstrukturierung geprägt, mit dem Ziel, diese Wirtschaftszweige im Hinblick auf eine erfolgreichere wirtschaftliche Zukunft zu modernisieren.

Ich möchte Ihnen zum angekündigten Thema folgendes sagen: Es geht um die künftige Regelung für Mountainbiking zur Zufriedenheit aller Partner. Eine bessere Zusammenarbeit von Waldbesitzern, ob im privaten oder öffentlichen Bereich, ist Voraussetzung, wobei es noch einige Arbeit zu tun gibt und noch einige Klärungen herbeizuführen sind. Warum ist das wichtig? – Der Boom im Mountainbikebereich ist zweifellos ungebrochen. Eine vom Fessel-Institut durchgeführte Umfrage ergab, daß 12 Prozent aller Österreicher ein Mountainbike besitzen und 5 Prozent beabsichtigen, ein solches zu kaufen. In Österreich werden jährlich zirka 500 000 Fahrräder verkauft. Ein besonderes Anliegen ist mir dieses Thema auch deshalb, da dieser Sport gerade bei den Jugendlichen immer beliebter wird und daher darüber gesprochen werden muß.

Das Abweichen von traditionellen Sportarten bringt auch eine Verlagerung der Aktivitäten von den Sportstätten in die Natur mit sich, und dadurch entstehen gesellschaftliche Konfliktpotentiale, die von der Politik zu lösen sein werden und zum Teil regional bereits auch erfolgreich gelöst worden sind. Ein immer wieder aufgeworfenes Problem ist dabei die sogenannte Weger


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halterhaftung, welche den Waldbesitzern zumeist als Argumentationsgrundlage dient, um Mountainbiking auf Forststraßen nicht zuzulassen.

Jedenfalls kann ich sagen, daß ich aus zahlreichen Gesprächen weiß, daß die Meinungen der Forstleiter zum Thema Radfahren auf Forststraßen nach wie vor sehr unterschiedlich sind. (Zwischenruf.) Es ist aber auch so, daß immer mehr Bürgermeister, Sportverbände und Tourismusexperten die Marktchance erkennen und sich für das Radfahren im Wald unter bestimmten Auflagen aussprechen. Ich gebe zu, daß auch ich Bedenken habe, daß man mit dem Fahrrad im Wald herumfährt. Aber man muß darüber reden.

Um die Haftungsfrage auf Forstwegen und beim Bergradeln zu lösen, müssen sich Forstbesitzer, Gemeinden und Tourismusvertreter an einen Tisch setzen. Es geht darum, ein Modell zu entwerfen und umzusetzen, welches Rechtsunsicherheit vermeidet und Rechtsfolgen klar definiert.

Wie sieht nun die Situation derzeit aus? Ich versuche, das anhand der Österreichischen Bundesforste an einem Beispiel darzulegen. Die Österreichischen Bundesforste haben ein eigenes Forstwegenetz für Mountainbiker in der Länge von annähernd 1 000 Kilometer ausgewiesen und in Richtlinien die wirtschaftlichen Bedingungen hiefür festgelegt. Auf Grundlage dieser Richtlinien werden Verhandlungen mit Gemeinden, Tourismusvereinen und anderen Institutionen geführt.

Ich möchte als Beispiel auch solch ein Übereinkommen kurz streifen, das mit den Bundesforsten geschlossen worden ist.

Als erstes möchte ich einen mit dem Land Oberösterreich abgeschlossenen Vertrag hervorheben, mit dem 300 Kilometer Forststraßen im landschaftlich attraktiven Salzkammergut für Radler freigegeben werden konnten. Entgelt: 3,70 S netto pro Laufmeter und Saison. Ebenfalls im Jahre 1995 wurde ein Übereinkommen mit dem Land Oberösterreich für eine Wegstrecke von 30 Kilometern im Reichraminger Hintergebirge geschlossen. Entgelt: zirka 5 S netto pro Laufmeter und Saison.

Das aktuellste Übereinkommen wurde mit dem Fremdenverkehrsregionalverband Lungau geschlossen, das noch in diesem Monat für eine Wegstrecke von zirka 30 Kilometern in Kraft treten wird. Entgelt: 3,20 S netto pro Laufmeter und Saison.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Abkommen von regionaler Bedeutung mit verschiedenen Gemeinden und Verbänden für Wegstrecken mit einer Länge von 20 Kilometern.

Weiters stehen Konzepte in Verhandlung wie im Bundesland Salzburg, im Bundesland Tirol und im Wienerwald.

Natürlich muß man mit großer Vorsicht vorgehen, denn es ist schon so, daß der Wald seine Bedeutung auch behalten soll. Auf dieser Gesprächsebene müßte es aber möglich sein, eine gemeinsame Lösung zu finden. Es müßte möglich sein, entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen den Grundbesitzern, den radsportinteressierten Verbänden, den Sportvereinen, den Organisationen, den Gemeinden und den Tourismusverbänden zu finden, in denen die speziellen Ansprüche, die lokalen Gegebenheiten und Haftungsfragen bedarfsgerecht gelöst werden.

Ich darf am Schluß nochmals für den wirklich gelungenen Waldbericht 1994 herzlich danken und darf Ihnen mitteilen, daß die sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte den Waldbericht 1994 zur Kenntnis nehmen werden. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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19.04

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hermann Pramendorfer. Ich erteile es.

19.04

Bundesrat Hermann Pramendorfer (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir vom Wald in Österreich sprechen, muß uns bewußt sein, daß wir damit über die grüne Hälfte Österreichs reden, denn, wie schon ausgeführt, knapp 50 Prozent der gesamten Fläche des Staatsgebietes sind bewaldet. Das ist ein hoher Anteil, und er wird alljährlich noch mehr. Es gibt viele Grenzertragsböden, die sicherlich auch im Hinblick auf den Beitritt zur EU noch weiter aufgeforstet werden, obwohl es manche Gemeinden gibt, die sich gegen eine weitere Aufforstung wehren. Dort, wo der Waldanteil schon 80 Prozent oder gar mehr beträgt, ist es verständlich, daß Stimmen laut werden, daß eine weitere Bewaldung nicht mehr sinnvoll und nicht mehr wünschenswert ist, um das Gebiet auch als Siedlungsgebiet zu erhalten.

Es wird auch keine Frage sein: Neuaufforstungen werden ausschließlich an den Waldrändern vollzogen, und es ist auch sinnvoll, daß sie dort vollzogen werden, wo seinerzeit der Wald gerodet und zurückgedrängt wurde, wenn auf diesen Flächen die Wiederbewaldung einsetzt.

Die topographische Situation und Gegebenheit Österreichs verlangt von unseren Wäldern neben der wirtschaftlichen Funktion eine absolute Schutzfunktion. Besonders in den Gebirgstälern ist die Schutzfunktion des Waldes ausschlaggebend.

Die wirtschaftliche Situation und wirtschaftliche Funktion wurden vom Kollegen Eisl schon erörtert, und er hat gemeint, daß der Waldbericht zu spät käme und der wirtschaftlichen Situation nicht mehr Rechnung trage.

Die Forstwirtschaft denkt in langen Zeiträumen. Auch in der Entwicklung der Holzpreise gibt es keine Phasen, die Monate dauern; es gibt Phasen, die Jahre dauern.

Es hat so geklungen, als ob auch der EU-Beitritt Schuld daran hätte, daß die Holzpreise niedrig sind. Ich glaube, es wurde vom Kollegen Eisl vergessen oder bewußt nicht gesagt, daß sich die Nachwirkungen der verheerenden Stürme, die im Spätwinter 1990 über ganz Mitteleuropa drübergingen, besonders auch auf den Holzpreis ausgewirkt haben, denn ein zweieinhalbfacher Anfall von Schadholz des Einschlags pro Jahr kann nicht ohne Folgen auf den Holzmarkt bleiben.

Außerdem trafen uns einige währungspolitische Turbulenzen, wie die Abwertung der Schwedenkrone, die Abwertung der Lira. Italien ist für uns das erste Exportland. Schweden hat durch die Abwertung bis in den mitteldeutschen Raum mit seinem Schnittholz Fuß fassen können. Auch die Finnen haben auf den deutschen, auf den mitteldeutschen Raum gedrückt, weil sie ihr Absatzgebiet in Richtung Osten, weil sie viel an Marktanteil seit der Öffnung, seit der Wende, seit der sicherlich schlechteren wirtschaftlichen Lage in der ehemaligen UdSSR verloren haben.

Man hört jetzt Gott sei Dank, daß mit großer Sicherheit anzunehmen ist, daß sich die Preise stabilisieren werden und sich mit der kommenden Einschlagsperiode die Preise wahrscheinlich wieder etwas erholen werden.

Unsere Wälder unterliegen auch Einflüssen, die wir nicht beeinflussen können. Die rasante Entwicklung der Industrialisierung in den letzten 100 Jahren hat dem Wald geschadet. Gott sei Dank sind jetzt die Auswirkungen der strengen Umweltverordnungen, Emissionsschutzverordnungen schon spürbar. Wir dürfen für uns in Österreich in Anspruch nehmen, daß wir gerade hier auch eine Vorbildfunktion haben. Aber gegen eine Fernverfrachtung aus dem Ausland können wir uns begreiflicherweise schlecht wehren. Die Politik der hohen Schornsteine, wie man sie im besonderen in der Nachkriegszeit und auch vorher schon betrieben hat, hat unseren Wäldern ebenfalls sehr geschadet.

Der Wald liefert uns den Rohstoff Holz, dem wir in vielen Bereichen keine richtige und ebenbürtige Alternative entgegensetzen können.

Über den Einschlag wurde schon berichtet. Er steigt zwar mengenmäßig an, ich kann Sie aber beruhigen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie einmal hören sollten, daß unser


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Wald überschlägert wird. Wir nutzen nur zwei Drittel des Zuwachses. Ein Drittel wächst jährlich an Vorratsfestmetern dazu.

60 Prozent unserer Schnittholzproduktion gehen in den Export und brachten im Berichtsjahr 1994 15 Milliarden Schilling Erlös. Die Abnehmerländer sind Italien, Deutschland, die Schweiz und in geringerem Maße die Levante-Länder.

Die Aussage im Waldbericht, weniger Kahlschläge, der Trend geht zur Einzelstammnutzung, ist für uns alle ein Kriterium dieses Waldberichtes, das uns mit Freude erfüllen kann. Die Forstwirtschaft nimmt zwar mit der Einzelstammnutzung wesentlich höhere Erntekosten in Kauf, aber die Kahlschläge wären andererseits für unsere Natur und Umwelt wesentlich schlechter. Hier muß der Forstwirtschaft ein besonderes Lob ausgesprochen werden.

Etwas, was im Waldbericht auch angezogen ist, ist die sogenannte Zertifizierung. – Ein heißes und ein heikles Thema, denn alles, was zertifiziert ist, hat in der Regel beim Käufer den Vorzug. Gerade die Holzzertifizierung, die weltweit betrieben wird – von Kanada, von den Skandinaviern –, ist für unsere Bestände, für unsere Besitzstruktur kein leichtes Spiel. Abgesehen von den Kosten wird es schwierig sein, eine einzelbetriebliche Zertifizierung vorzunehmen, oder es gelingt, regional zu zertifizieren oder gar österreichweit mit einem Gütesiegel die Zertifizierung zu sichern, aus der hervorgeht, daß das geschlägerte Holz aus der nachhaltigen Nutzung stammt.

Interessant ist ja, wer es betreibt. Auf der einen Seite sind es ökologische Interessen – verständlich –, Umweltorganisationen – ich möchte sie gar nicht nennen – betreiben das aus ökologischen Gründen. Auf der anderen Seite gibt es auch wirtschaftliche Überlegungen. Es ist nicht von ungefähr, wenn große deutsche Verlagshäuser an ihre Papierlieferanten herantreten und von ihnen ein Zertifikat über das von ihnen gekaufte Holz, aus dem dann das Papier gemacht wird, verlangen.

Die Kriterien für eine Zertifizierung sind in Ausarbeitung. Es bleibt zu hoffen, daß es uns mit einer pauschalen Zertifizierung, mit einem Zertifikat, das eine gewisse Aussagekraft hat, gelingt, die Abnehmer, alle, die es verlangen, zu überzeugen.

Die Einzelzertifizierung kann ich mir insbesondere im Kleinwald nicht vorstellen, noch dazu, da die Hälfte des österreichischen Waldes in Händen von Waldbesitzern mit einem Besitz von unter 200 Hektar ist. Die Hälfte ist in bäuerlichem oder im Kleinwaldbesitz.

Eigentlich bräuchten wir keine Zertifizierung, wenn wir das österreichische Forstgesetz in Anwendung bringen könnten, auf das man sich stützen könnte, denn das österreichische Forstgesetz garantiert in allen Fällen eine nachhaltige Nutzung. Und seit 200 Jahren wird eigentlich in Österreich nachhaltig gewirtschaftet.

Ein Beispiel nur: Als im vorigen Jahrhundert im Salzkammergut die Salzgewinnung ausgeweitet wurde und man für die Beheizung der Sudpfannen die Wälder im Salzkammergut überschlägert hat, hat das Kaiserhaus damals gesagt: So geht es nicht mehr weiter. Es wurden auch aus diesem Grund – nicht ausschließlich, aber auch aus diesem Grund – damals die Gruben im Hausruck aufgefahren. Es wurden aus Böhmen Bergleute geholt, die den Österreichern den Abbau zeigten und lehrten, damit die Wälder im Salzkammergut wieder geschont werden konnten.

Wie lange nachhaltig gewirtschaftet werden kann, hängt mit der Frage zusammen: Wie lange wird uns die fossile Energie, werden uns die fossilen Energieträger zu dem heutigen Preis zur Verfügung stehen? Werden wir es uns immer leisten können, das teure Öl, das heute kostbare billige Öl, für die Raumheizung zu benutzen oder werden wir es nicht einmal für wichtigere Dinge brauchen? Das ist die Frage.

Vielleicht wird dann zu diesem Zeitpunkt auch der Biomasse mehr als bisher zum Durchbruch verholfen. Heute spielt die Biomasse noch keine besondere Rolle, so leid es uns als Waldbesitzer tut. Vielleicht muß man dann zu diesem Zeitpunkt auch sehr darauf achten, daß die Nachhaltigkeit hinsichtlich der Nutzung in unseren Wäldern erhalten bleibt.


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Der Wald ist ein Ökosystem, eine Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren. Und wie es halt ist, hat auch der Mensch in diese Sphäre eingegriffen. Der Mensch hat Tierarten, die jagdlich von besonderem Interesse waren, forciert, hat deren natürliche Feinde zurückgedrängt oder ausgerottet und so das natürliche Verhältnis aus dem Gleichgewicht gebracht.

Jetzt bin ich eigentlich bei einem Thema, das hinsichtlich der Nachhaltigkeit auch im Waldbericht einen breiten Raum einnimmt. Und ich sage auch aus Überzeugung, daß es so nicht weitergehen kann. Ein Appell an alle Jäger auch hier im Hause, das Ihre dazu zu tun, daß die Schalenwildbestände zurückgehen. Es muß mehr abgeschossen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Fug und Recht kann man sagen, daß in vielen Revieren – nicht überall, aber in vielen Revieren – der Schalenwildbestand nicht dem natürlichen Äsungsangebot angepaßt ist. Die Auswirkungen sind Schäden in der Landwirtschaft, aber von denen reden wir gar nicht mehr, die haben wir längst vergessen – außer bei einigen Spezialkulturen, das möchte ich nicht verschweigen. Aber die Schäden, die Verbiß- und Fegeschäden, in den Wäldern werden zunehmend zum Problem.

Das ist allerdings nicht neu, denn schon aus dem ausgehenden vorigen Jahrhundert, also aus der Zeit vor genau 100 Jahren, gibt es ein Protokoll des damaligen Reichsrates. Bei einer Sitzung hier in diesem Hause hat ein Osttiroler Abgeordneter – Frau Kollegin Lukasser! ein Osttiroler Abgeordneter – gegen die überhöhten Wildbestände opponiert und ist dagegen aufgetreten.

In vielen Beständen kann man heute aufgrund der Zusammensetzung der Baumartenmischung auf hohe oder weniger hohe Wilddichte schließen. Gegenwärtig leiden die Tanne und einige Laubholzarten unter zu starkem Verbiß. Dies führt zu einer Entmischung und damit hin zu Monokulturen.

Viele Waldbesitzer – das getraue ich mich zu sagen – erkennen den Schaden des Verbisses nicht zur Gänze.

Noch etwas in dem Zusammenhang, das uns nachdenklich stimmen muß: Namhafte Experten sind der Meinung, daß durch das Wegäsen der Naturverjüngung die Abflußverhältnisse nach starkem Regen dermaßen verändert werden, daß sich die Bäche – ob Wildbäche oder auch Bäche im flacheren Land – durch die Abflußgeschwindigkeit übermäßig eintiefen. – Das stammt nicht von mir. Ich habe eine Aussage eines Fachmannes von der Wildbach- und Lawinenverbauung vorerst nicht verstanden, als er meinte: Da oben beginnt es. Und er meinte damit: auf den Höhen des Hausrucks. Erst im Gespräch haben wir dann festgestellt, worauf er hinauswollte.

Der Waldbericht gibt Antwort auf die Fragen der Wildsituation in den einzelnen Bundesländern. Aufgrund des § 16 des Forstgesetzes ist der Herr Minister verpflichtet, dem Hause hier Bericht zu erstatten. Ich stehe auch nicht an, dem Waldbericht 1994 meine Anerkennung zu zollen und insbesondere dem Ministerium, dem Herrn Minister mit seinen Mitarbeitern, dafür zu danken. Er ist wirklich eine Fundgrube, ein Nachschlagewerk von besonderem Wert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Eine kurze Darstellung noch, wie wir meinen, daß wir in Oberösterreich dieses Wald-Wild-Problem zumindest ein wenig mildern oder beiseite schaffen können.

Es gab bei uns immer eine Wildbestandsaufnahme per 1. April. Der Rehwildbestand mußte angegeben werden, und nach dem richtete sich der Abschuß.

Ich nehme das auch ein wenig für mich in Anspruch, daß ich schon vor Jahren gemeint habe, dieses Wildzählung ist nicht effizient genug, das sind Hausnummern. Man müßte sich in allen Revieren nach der Verbißsituation richten.

So wurden jetzt in Oberösterreich – nicht auf meine Anregung allein, das wäre verfehlt – Zeiger- und Weiserflächen angelegt. Zeigerflächen wurden eingezäunt, kleine Flächen. Dort sieht man


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dann nach einigen Jahren, was die Natur an Naturverjüngung standortgerecht, autochthon hervorbringen würde. Und die Weiserflächen sollen uns Aufschluß darüber geben, was ohne Zaun verbissen oder nicht verbissen wird. Ich hoffe sehr, daß uns diese Methode in der Abschußplanerstellung weiterbringen wird.

Wir alle müssen uns bemühen, Belastungen für das Öko-System Wald hintanzuhalten. Es wurde schon vom neuen Sport, vom Mountainbiking im Wald gesprochen. Es kommt das Reiten hinzu. Schifahren haben wir längst. Es ist alles richtig und gut. Aber wir müssen auch bedenken, daß die Eigentumsverhältnisse zu wahren sind und besonders beim Radfahren die Frage der Haftung geklärt sein muß. Denn auf den Forststraßen, auf den Forstwegen kann die Straßenverkehrsordnung keine Anwendung finden. Das sind Betriebsflächen, die im Eigentum stehen. Noch dazu ist unser Waldbesitz strukturell so aufgesplittert, daß es in manchen Revieren gar nicht möglich sein wird, mit jedem Grundbesitzer eine Vereinbarung abzuschließen. Die Bundesforste sind mit gutem Beispiel vorangegangen. Dort geht es klarerweise auch leichter, weil mit einem zu verhandeln ist.

Abschließend sage ich: Wir können getrost sein, denn ich bin der festen Überzeugung, daß sich der österreichische Wald – ganz gleich, in welcher Besitzkategorie er ist – in guten Händen befindet.

Meine Fraktion wird dem Waldbericht die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.26

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster am Wort ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter.

19.26

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß für die Herstellung dieses Berichtes österreichisches Holz oder Holz aus den österreichischen Wäldern verwendet wurde.

Meine Damen und Herren! Der Bericht selbst stellt in 90 Tabellen auf 120 Berichtseiten eine beachtliche Leistung dar. Sollte dies aber die Ursache dafür sein, daß der Waldbericht 1994 erst heute dem Plenum zur Begutachtung vorgelegt wird, dann wäre es sicherlich vernünftiger, wenn dieser Bericht um 50 Prozent seines Umfanges gekürzt worden wäre. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Denn der Inhalt dieses Berichtes, meine Kollegen von der Österreichischen Volkspartei, diese 90 Tabellen auf 120 Seiten sind nicht mehr aktuell; sie sind eine nostalgische Rückschau auf das Jahr 1994.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Grund liegt darin, daß man von seiten der Regierungsparteien gar nicht gewillt ist, dem Plenum einen aktuellen Waldbericht zuzuleiten, denn in diesem Bericht sind einige kritische Bemerkungen zu unserem Wald enthalten. Die Waldflächen sind im Steigen begriffen. Demgegenüber stehen gleichzeitig Exporteinbußen, demgegenüber gibt es Probleme bei der Bewirtschaftung der Wälder im Bereich des Schadholzes.

Meine Damen und Herren! Die Ursache, daß dieser Bericht erst so spät zur Beratung vorgelegt wird, liegt wahrscheinlich darin, daß die Regierung zu den Problemen der Forstwirte keine Antwort hat. Der Preisverfall wird dargestellt – es gibt keine wirksamen Aktionen von seiten der Regierung, um eine Preisstabilität zu erreichen. Es wird im Bericht nur darauf hingewiesen, daß die Rezession am Holzmarkt im Preisbereich aus den Jahren 1991, 1992 und 1993 überwunden ist.

Meine Damen und Herren! Das ist eigentlich, in kurzen Zügen gesagt, die Situation der Forstwirtschaft. Ich hätte mir erwartet, daß in einem Waldbericht Lösungen, Alternativen, Perspektiven enthalten sind, daß Antworten gegeben werden auf Fragen zu den Absatzmärkten, daß der Bericht Antworten gibt zur Aufarbeitung des Schadholzes und zur Bewirtschaftung. Ich hätte mir erwartet, daß der Waldbericht aktuelle Aussagen zur Nutzung des Waldes gibt. Es wurde ja heute schon angesprochen. (Bundesrat Ing. Penz: Herr Kollege, Sie haben nicht zugehört!) Der Waldbericht ist antiquiert, Herr Kollege! Wir leben im Jahre 1996. Wenn es Ihnen entgangen ist, darf ich es Ihnen von dieser Stelle aus sagen: Der Bericht ist aus dem Jahre 1994, daher nicht mehr aktuell.


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Meine Damen und Herren! Ich hätte mir erwartet, daß dieser Bericht zu aktuellen Problemen und Themen der Wald- und Forstwirte eine Aussage trifft: im Hinblick auf das Waldradfahren oder Mountainbiking. Es wurde heute angesprochen.

Meine Damen und Herren! Man braucht nur aus dem Bericht eine Facette herauszunehmen: den Bereich der Verbißschäden. Es wird in diesem Bericht dargelegt, daß Verbißschäden bei künstlich verjüngten Flächen 79 Prozent ausmachen und bei Naturverjüngungsflächen 84 Prozent.

Was heißt das, meine Damen und Herren? – Daß es unserem ressortverantwortlichen Minister nicht gelungen ist, die Jagd und die Forstwirtschaft zu koordinieren. Die Schäden bestätigen dies, und der Bericht legt Zeugnis darüber ab, daß dieses Einvernehmen nicht vorhanden ist.

Meine Damen und Herren! Es wurde angesprochen, daß der Bericht alt, antiquiert ist. Er zeigt keine Perspektiven auf. Nur die Hoffnung, daß für die Herstellung dieses Berichtes österreichisches Papier verwendet wurde, das ist für meine Fraktion zu wenig. Daher werden wir diesem Bericht unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.31

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster am Wort ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler.

19.31

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Ich darf mit einer Vorbemerkung beginnen. All jenen, die meinen, der Waldbericht 1994 sei zu spät vorgelegt, möchte ich schon ins Stammbuch schreiben, daß man bei der nachhaltigen Nutzung insgesamt, wenn man über Wald diskutiert, in Generationen zu denken hat. Das Entscheidende ist, daß ein Bericht umfangreich und informativ ist. Und ich darf feststellen: Er ist informativ. Daher darf ich ein Dankeschön an das Ministerium und die dortigen Mitarbeiter zum Ausdruck bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Vorerst doch noch einmal einige grundsätzliche Feststellungen. Österreich kann sich wirklich glücklich schätzen, zu den waldreichsten Ländern Europas zu gehören. Ich betone nochmals die 46 Prozent der Landesfläche – das sind 3,9 Millionen Hektar –, die mit Wald bestockt sind. Das heißt: Rein rechnerisch entfallen auf jeden Einwohner ein halbes Hektar Wald oder 426 Waldbäume.

Interessant ist dabei auch, daß die Waldfläche im Durchschnitt der letzten Jahre um 2 000 Hektar jährlich zunimmt. Darüber können wir Österreicher insgesamt glücklich sein, nicht nur die Forstbesitzer, denn Wald ist für viele ein besonderer Flecken Erde. Wenn ich sage, ich gehe in den Wald, dann ist das für mich so, daß ich eine Stätte betrete, wo ich Geruhsamkeit und Erholung vorfinde, wo ich aber auch schweigsam und nachdenklich werde. Wald ist für mich ein besonderer Flecken Erde.

So könnten wir insgesamt zur Auffassung gelangen, daß es bei dieser Wertschätzung, die nicht nur ich habe, sondern viele andere Menschen auch, dem Wald eigentlich gut gehen müßte und kaum Probleme vorhanden sein können. Dennoch gibt es viele Sorgen.

Dieser unser Wald ist nicht so gesund, wie er sein sollte. Er hat viele Belastungen, Beeinträchtigungen auszustehen. Es gibt einerseits unbeeinflußbare Fakten wie Windwurf, Schneedruck und daraus folgende Borkenkäferkalamitäten. Aber das ist nicht alles. Selbst bei der in Österreich seit vielen Jahrzehnten geübten nachhaltigen Nutzung des Waldes gibt es immer wieder eine Reihe von Menschen, die Probleme schaffen, die dann nicht gerne verantwortet werden. Diesen möchte ich mich zuwenden.

Vorerst aber noch ein paar Zahlen, die schon genannt wurden, nur der Vollständigkeit halber: 972 Millionen Kubikmeter Holz sind zu verzeichnen, jährlich wachsen 31,4 Millionen Kubikmeter zu, und etwa 20 Millionen Kubikmeter werden geschlägert. Diese jährliche Holzerntemenge entspricht damit nicht einmal 2 Prozent unseres Holzvorrates, würde aber dennoch, auf Eisenbahnwaggons geladen, eine Waggonlänge von Paris bis Moskau ergeben.


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Ich sage noch einmal: Alle schätzen den Wald, und dennoch gibt es Probleme durch Belastungen seitens der Industrie, durch Abgase der Haushalte und vieles mehr. Immer wieder findet man auch Mißbrauch durch wilde Müllablagerungen; das ist mir völlig unverständlich.

Eine Beeinträchtigung, der ich mich zuwenden möchte, ist gerade in dem Bereich, in dem der Wald Schwierigkeiten hat, zu überleben, im Kampfzonenbereich zwischen Wirtschaftswald und Schutzwald, die sogenannte Waldweide. Rund 10 Prozent der österreichischen Waldfläche, also etwa 395 000 Hektar, werden derzeit von Vieh beweidet. Dadurch kommt es zu einem Verbiß der Forstpflanzen und auch zu Trittschäden an Wurzeln und Boden. Das wirkt sich im ökologisch sensiblen Schutzwaldbereich besonders gravierend aus. Hier sind die Österreichischen Bundesforste – wie auch in anderen Bereichen – Schrittmacher, um dieses Problem zu lösen.

Waldweide ist eine historisch gewachsene Nutzungsform, deren Ablöse nur unter Wahrung der Rechte der Bauern und Viehbesitzer angestrebt werden kann. In diesen Bereichen können bereits Teilerfolge verzeichnet werden.

Natürlich möchte ich mich auch zum Thema Wald – Wild, Wild – Wald nicht verschweigen. Ich möchte aber meine Anmerkungen ganz klar unter den Titel stellen, daß der Wald nicht nur eine Erholungsfunktion zu erfüllen hat und einen Schutz für Ressourcen wie Wasser und gute Luft und ähnliches darstellt, sondern der Wald ist auch Heimat der Tiere, der Fauna, und muß es auch bleiben können. Doch ist in diesem Bereich mit Augenmaß zu handeln. Ich glaube, daß ich in der Frage mit meinem Kollegen und Freund Pramendorfer einer Meinung bin: Augenmaß ist notwendig. Es aus der rein einäugigen Sicht eines Jägers oder aus der rein einäugigen Sicht eines Holz-, Forstmannes zu betrachten, wäre falsch.

Verbißschäden sind in manchen Bereichen hoch, aber nicht nur aufgrund überhöhter Wildpopulationen, sondern auch – das muß einmal ganz klar gesagt werden – aufgrund der Einschränkungen der Lebensräume der im Wald lebenden Tiere.

Ein Beispiel: Wenn heute Rehe oder Rotwild auf der einen Seite des Berges ihren Einstand haben und das Gebiet durch eine Schipiste durchtrennt wird, dann kann das Wild seinen natürlichen, seit Jahrhunderten, Jahrtausenden gewohnten Wechsel nicht annehmen und ist gezwungen, im Einstand zu bleiben. Dort kommt es dann zu erhöhten Verbiß- und auch zu Schälschäden.

Wir müssen uns klar werden, daß es auch Bereiche geben muß, die vom Menschen unbeeinträchtigt bleiben. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es bereits 42 Sportarten gibt, die im Lebensraum der Wildtiere ausgeübt werden. Wer schon einmal erlebt hat, mit welcher Panik beispielsweise Gamsen abspringen, wenn ein Paragleiter über sie hinwegschwebt, der muß doch auch darüber nachdenken, ob es Sinn macht, daß das Vergnügen eines einzelnen zur Gefährdung einer Tierart führt. Ich habe mir auch von Förstern berichten lassen, daß Gamsen in schneereichen Wintern durch diverse Sportarten in tief verschneite Gräben einspringen, in den Lockerschnee, dort hineinflüchten und nicht mehr durch eigene Kraft herauskönnen. Das kann nicht Sinn einer Sportausübung sein. Ich stehe aber dazu, daß der Wald als Erholungsraum den Menschen dienen soll und muß.

Der Mensch muß aber auch diesen Raum, diesen Erholungsraum, mit Überlegung nutzen. Am vieldiskutierten Beispiel der Öffnung des Waldes für Radfahrer möchte ich aufzeigen, daß eine generelle Freigabe unserem schon nicht mehr ganz gesunden Wald nur noch mehr Schaden zufügen würde.

Tatsache ist, daß der Wald kein Sportplatz sein und werden kann. Tatsache ist auch, daß Grundeigentum nicht ohne finanziellen Beitrag genutzt werden wird können.

Erst am Dienstag ist eine meines Erachtens zu wenig beachtete Meldung über den Rundfunk gekommen. Die Österreichischen Bundesforste haben die Öffentlichkeit mit einer guten Überlegung konfrontiert: Ein Teil der Forststraßen wird in Übereinkunft mit dem Handelsministerium für Mountainbiking freigegeben. Mit dem Handelsministerium konnte auch abgeklärt werden, daß die Haftungsfragen in Ordnung gebracht wurden und eventuelle Haftungen nicht mehr am


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Grundbesitzer, am Waldbesitzer hängenbleiben, sondern daß über eine Versicherung vorgesorgt ist.

Ich glaube, daß Österreichs Grundeigentümer und Waldeigentümer durchaus in der Lage sind, attraktive Routen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten anzubieten und gleichzeitig die Bedürfnisse der Erholungssuchenden, der Sportsuchenden und der Natur zu berücksichtigen.

Als Lösung bietet sich in diesem Bereich geradezu an, eine kontrollierte Öffnung eines Radwegenetzes vorzunehmen. Bei der Erstellung eines solchen Netzes ist jedoch auf Eigentümerinteressen, auf Wildruhezonen, auf Waldbiotope und Jungwaldbestände Rücksicht zu nehmen. Eine unentgeltliche Zurverfügungstellung, eine De-facto-Zwangsenteignung der Waldeigentümer wäre meines Erachtens unvertretbar.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß schon im Jahre 1993 dem Nationalrat eine Petition mit 135 000 Unterschriften überreicht wurde, in der dieses Problem behandelt wurde und in der angeregt wird, privatrechtliche Nutzungsvereinbarungen zwischen Radfahrern und Grundeigentümern vorzunehmen.

Die Situation für den Wald, verehrte Damen, geschätzte Herren, ist durch Luftverschmutzung, verstärkte Nutzung der Menschen durch Tourismus, Sport, aber auch durch Wild und Vieh nicht gerade zum besten. Der Wald braucht also Betreuung.

Da darf ich doch die Frage stellen: Wie schaut es denn mit der Betreuung aus? – Wir haben in Österreich wohl eine ganz besonders gute Ausbildung der Angestellten als Förster, aber auch der Arbeiter als Forstfacharbeiter. Im Bereich der Ausbildung zum Förster ist die Situation schwierig geworden. Der Wald braucht wohl viele Betreuer, kann jedoch aus den reinen Erträgnisses des Holzeinschlages die notwendige Anzahl an Beschäftigten nicht mehr finanzieren. Daher werden Arbeitsplätze wegrationalisiert. Das führt dazu, daß im Vergleich zu 1993 auf 1994 die Anzahl der Forstarbeiter um rund 7 Prozent zurückgegangen ist. Das ist bedenklich.

Im Bereich der Förster ist es so, daß junge Menschen nach der fünfjährigen Ausbildung an einer Höheren Lehranstalt für Forstwirtschaft zwei Jahre Berufspraxis bräuchten, um ihre Staatsprüfung ablegen zu können. Ich bin damit täglich konfrontiert. Ich höre die Hilferufe um einen sogenannten Adjunktenplatz. Es ist jedoch kaum ein Forstbetrieb in der Lage, diese zusätzlichen Kosten zu tragen.

Wir haben in sozialpartnerschaftlicher Manier mehrmals, die Interessenvertretungen und die Forstbesitzerverbände, versucht, doch über das Arbeitsmarktservice einen Zuschuß zu erreichen, damit diese jungen, idealistisch eingestellten Menschen ihre Berufsausbildung abschließen können. Das ist bedauerlicherweise bis jetzt nicht gelungen. Wir brauchen aber gut ausgebildete Forstleute in allen Bereichen – nicht nur im Wald –, gilt es ja auch, ein Umdenken in der Gesellschaft, wie im Wald, wie mit Wald umzugehen ist, herbeizuführen.

Daß die Ausbildung unserer Forstfacharbeiter eine exzellente ist, kann ich anhand der österreichischen Erfolge bei Weltmeisterschaften der Forstarbeiter nachweisen. Mannschaftsgold in Rumänien, Gold und Bronze in Einzelbewerben wurden errungen.

Mich freut es persönlich sehr, daß es Absicht ist, die schon Realität gewinnt, daß 1998 die Weltmeisterschaft der Forstfacharbeiter in Österreich, in Oberösterreich, stattfinden kann. Das wird ein Schaufenster für Österreichs Wald- und Holzwirtschaft und auch für die Holzindustrie werden.

Wenn ich schon die Holzindustrie anspreche, dann darf ich doch klar erklären, daß Holz ein besonderer Baustoff ist, in Österreich aber in mancher Bauordnung nicht so berücksichtigt ist, wie das eigentlich sein sollte. Als Niederösterreicher bin ich stolz, daß bei der Novellierung der Bauordnung diesem Aspekt besondere Beachtung geschenkt wurde. Meines Wissens ist das auch in Oberösterreich so.


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Für uns alle kann es also nur ein Ziel geben: Österreichs Wälder zu erhalten, zu schützen, damit sie als Erholungsraum, als Sauerstoffspender, als Luftverbesserer, als Trinkwasserreservoir gesund erhalten bleiben.

Da möchte ich doch auch den 214 000 Waldeigentümern für ihre Leistungen danken, denn sie sind es mit den Unselbständigen in diesem Bereich, die Naturnähe als Wirtschaftsprinzip haben, das Denken in Generationen als Grundsatz haben und sich grundsätzlich für die Wälder einsetzen, beginnend mit der Waldverjüngung über die Waldpflege bis hin zur Holzernte – unter dauerhaften Sicherstellungen aller Waldwirkungen.

Dies erfordert aber auch, aus der Waldnutzung Erträge erwirtschaften zu können. Die reine Holznutzung allein bringt den Besitzern heute nicht mehr die notwendigen Erträge. Daher kann es nur so sein, daß jedwede Nutzung auch zu einer Gegenleistung der Gesellschaft, der Nutzer, führen muß. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.46

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. Ich erteile dieses.

19.46

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich vorerst namens der Mitarbeiter des Hauses für die lobenden Worte zum Waldbericht bedanken. Es ist gute Arbeit geleistet worden. Es wird auch selbstverständlich der kommende Waldbericht mit der notwendigen Sorgfalt und Detailkenntnis vorbereitet.

Diese Diskussion, die wir heute hier zum Waldbericht haben, zeigt, wie wichtig es ist, daß wir immer wieder die Frage der Funktionen des Waldes und der Bedeutung des Waldes auch in der Öffentlichkeit darstellen. Und ich bitte um diese gemeinsame Unterstützung auch seitens der Politik, weil wir bei vielen Debatten – ich komme auf zwei Fragestellungen zu sprechen – die Bedeutung des Waldes in seinen vielfältigen Funktionen als Grundlage von Entscheidungen heranziehen müssen.

Zur Frage Mountainbiking darf ich Ihnen auch meine sehr persönliche Position erläutern. Wenn wir davon ausgehen, daß die Funktionen des Waldes in besonderer Weise entscheidend sind für ein Land wie Österreich, nämlich die Schutzfunktion, die Erholungsfunktion und die ökonomische Funktion des Waldes, dann ist wohl klar, daß wir ein zusätzliches Nutzungsinteresse, das seitens des Tourismus, seitens der Freizeitwirtschaft gegeben ist, sehr wohl vor dem Hintergrund der Funktionen des Waldes sehen und entscheiden müssen, welche der Funktionen uns die wichtigere ist.

Ich bin daher ganz eindeutig und klar gegen eine Öffnung des Waldes, gegen eine Änderung des Forstgesetzes aus diesem Titel heraus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil ich aber weiß, daß es Ansprüche gibt, müssen wir vernünftige Regelungen finden. Ich bin Herrn Bundesrat Gstöttner für diese Position, die er vertritt, sehr dankbar, weil ich sie für vernünftig halte. Ich habe daher die Bundesforste angewiesen, im vergangenen Jahr diese Projekte in den Regionen vorzubereiten, und ich weiß, daß das sehr gut funktioniert. Warum? – Weil die Frage nur dann gut funktionieren kann, wenn sie erstens regional aufbereitet wird von den Forstbesitzern, von den Fremdenverkehrsverbänden, von der Tourismuswirtschaft, was immer, und zweitens, wenn es auf freiwilliger Basis funktioniert, weil genau dann der Nutzungsabgleich vorgenommen werden kann mit den Interessen an den Funktionen des Waldes.

Voriges Jahr war ich im Frühjahr bei den Tourismusverbänden und Bürgermeistern im Salzkammergut. Dort war das ein heftiges Thema. Und seit wir die Übereinkunft zwischen Bundesforsten und Land Oberösterreich zustande gebracht haben – ich war heuer auch wieder dort –, herrscht hohe Befriedigung über die Regelung. Sie funktioniert, ohne daß wir ins Gesetz eingreifen.


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Auch das ist eine politische Überlegung von mir: Es ist nicht bei jedem Problem sofort der Ruf nach dem Gesetzgeber angebracht, sondern es gibt sehr wohl private Initiative, und es gibt sehr wohl die Möglichkeit privater Vereinbarungen, meine Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Daher habe ich auch in Absprache mit Kollegen Farnleitner dieses Modell – das jetzt Realität wird – zwischen den Bundesforsten und der Fremdenverkehrswirtschaft, auch unter Einbeziehung von Privaten, massiv unterstützt, und ich bin Kollegen Farnleitner auch sehr dankbar, daß wir diesen nächsten Schritt gehen können, einen vernünftigen Schritt, der es ermöglicht, die Frage der Schutzfunktionen des Waldes und auch wichtige Fragen wie etwa die der Eigentumsrechte in vernünftiger Weise auf privatwirtschaftlicher, regionaler Ebene zu lösen.

Zweite Fragestellung, die auch in der Diskussion war: Zustand des Waldes. Natürlich ist der Zustand des Waldes nicht so, daß Entwarnung gegeben werden kann.

Herr Bundesrat Weilharter! Wissen Sie, auch wenn die Bundesregierung oder ich Interesse daran hätte, etwas zu beschönigen, dann wäre das nicht von der Frage der Behandlung des Berichtes abhängig, sondern vom Inhalt des Berichtes. Und der Bericht ist so erstellt, daß er selbstverständlich auch die kritischen Bereiche sehr kritisch anspricht, weil es in unserer gemeinsamen Verantwortung liegt, auch diese Offenheit zu haben.

Aber – auch ganz klar gesagt – der Zustand des Waldes kann positiv beeinflußt werden, meine Damen und Herren, wenn die Forstwirtschaft richtig reagiert, und das tut sie – das geht hervor etwa durch den Anteil der Mischwälder, der im Steigen begriffen ist –, wenn wir im Bereich der Gesetzgebung richtig reagieren, etwa in der Umweltgesetzgebung. – Auch hier zeigt sich, daß etwa der SO2-Ausstoß und damit die Belastung aus österreichischen Quellen zurückgegangen ist. Wir müssen auch auf internationaler Ebene tätig sein, weil sich klar zeigt, daß etwa viele Probleme im Waldzustand aus Verfrachtungen herrühren, und wir haben selbstverständlich auch Probleme zu lösen, die heute ebenfalls in der Diskussion angesprochen worden sind, die sensibel sind, wie etwa Wald – Weide. Es gibt etwa im Bundesforstebereich konkrete Projekte, die umgesetzt werden, die sehr gut funktionieren.

Zur Frage Wald – Wild. Man hat schon in der Debatte gesehen, daß es da nicht leicht ist, eine einstimmige Position zu finden, würde ich einmal sagen. Es gibt – ich sage das auch sehr offen, Sie wissen das ja – wenig Bereiche, die so emotional besetzt sind wie die Frage Jagd und die Frage Wald. Ich tu mir insofern etwas leicht, weil ich an sich von meiner Herkunft her ein begeisterter Jäger wäre, weil ich selbst Waldbesitzer bin, den Jagdschein aber nie machen konnte, und daher weiß ich auch um die Emotionalität dieses Themas.

Die entscheidende Frage für mich ist auch hier, meine Damen und Herren: Wir haben im Zweifelsfall eine Prioritätenreihung vorzunehmen, und im Zweifelsfall heißt die Prioritätenreihung für mich Schutz des Waldes. Diese Prioritätenreihung, meine Damen und Herren, kann – auch ganz klar gesagt – der Gesetzgeber zwar grundlegen, aber sie muß auf regionaler Ebene funktionieren. Und das ist für mich die entscheidende Frage. Daher halte ich auch diese Berichte nach § 16 Forstgesetz für sehr interessant (Beifall bei der ÖVP) , weil sich zeigt, daß wir die Fragen Waldverwüstung, Wald-Wild-Problematik dort vernünftig in den Griff bekommen, wo es ein vernünftiges Miteinander auf regionaler Ebene zwischen Jagdbeteiligten und Forstbesitzern gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bitte Sie daher, auch das zu unterstützen und nicht wegen jeden – zugegeben manchmal kritischen – regionalen Problems sofort wieder den Ruf nach dem Gesetzgeber laut werden zu lassen, wie es dort oder da passiert. Vernunft ist angesagt, Vernunft, die hier klar Prioritäten setzt.

Letzte Bemerkung dazu: Die wirtschaftliche Situation ist nicht zu trennen von der Schutzfunktion und von den anderen Funktionen des Waldes. Das muß auch klar gesagt werden. Und es sind aus meiner Sicht eine Reihe von Anregungen drinnen, die etwa die Markt-Bauordnung, die Markt-Biomasse, die Frage Steuerorientierungssystem, Steuerrecht betreffen.


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615. Sitzung / Seite 145

Zum Außenhandel nur einen Satz. Interessanterweise wird bei der Diskussion des Waldberichtes der Zuwachs des Importes dargestellt, der Zuwachs des Exportes aber nicht. Ich würde bitten, wenn man die Debatten über den Außenhandel führt, immer beide Seiten der Medaille zu sehen, weil nämlich der Export sehr stark zugenommen hat.

Es ist interessant, daß gegen die Liberalisierung oder gegen einen liberalisierten Markt von jener Seite Kritik kommt, die eigentlich sonst immer sehr liberal ist in der Marktwirtschaft. Ich halte daher fest:

Erstens: Auch in Zukunft wird der Holzmarkt ein liberalisierter Markt sein.

Zweitens: Die wirtschaftliche Situation der Forstwirtschaft hängt auch von der Frage Währung oder von der Frage Baukonjunktur ab.

Und drittens: Unsere Bemühung muß dahin gehen, daß wir die Möglichkeiten der Europäischen Union pro Forstwirtschaft und pro Waldwirtschaft nutzen. Die haben wir. Und es wird unsere große Aufgabe sein, daß wir unsere österreichische Position in die europäische Forstpolitik ganz massiv einbringen – im eigenen Interesse dieses Landes, das ohne seine grüne Lunge nicht leben kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.56

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Herrn Berichterstatter ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen aber noch nach Erledigung der Tagesordnung zu einer Abstimmung.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates Dr. Kapral gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Rechtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 92/A eine Frist bis zum 23. Juli 1996 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit .

Der Antrag ist somit abgelehnt .

Meine Damen und Herren! Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 13 Anfragen – 1189/J bis 1201/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 25. Juli 1996, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
615. Sitzung / Seite 146

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 23. Juli 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 19.58 Uhr