Stenographisches Protokoll

649. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 14. Jänner 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

649. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Jänner 1999

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Jänner 1999: 9.03 – 20.11 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten über die EU-Präsidentschaft

2. Kunstbericht 1997 der Bundesregierung

3. Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997

4. Ozonbericht 1997 der Bundesregierung

5. Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 1998

6. Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich

7. Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Landtagsdirektion von Niederösterreich betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 7

Angelobung des Bundesrates Johann Ledolter 7

Antrittsansprache des Präsidenten Gottfried Jaud 7

Personalien

Krankmeldungen 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 10


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 2

Ausschüsse

Zuweisungen 10

Dringliche Anfragen

der Bundesräte


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 3

DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen (1569/J-BR/99)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen (1570/J-BR/99)

Begründung: DDr. Franz Werner Königshofer 96

Beantwortung: Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 97

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 99


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 4

Redner:

Dr. Paul Tremmel 102 und 118

Leopold Steinbichler 104

Erhard Meier 106

Engelbert Weilharter 108

Ing. Peter Polleruhs 110

DDr. Franz Werner Königshofer (tatsächliche Berichtigung) 114

Mag. John Gudenus 114

Andreas Eisl 117

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 119

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter, Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen 109

Ablehnung 120

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 120

Verhandlungen

(1) Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten über die EU-Präsidentschaft

Bundesminister Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 12

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 17

Debatte:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 21

Albrecht Konecny 24

Dr. Vincenz Liechtenstein 27

Mag. John Gudenus 29

Karl Drochter 32

Dr. Milan Linzer 34

Dr. Paul Tremmel 36

DDr. Franz Werner Königshofer 40

Bundesminister Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 41

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Mißtrauen gegen EU-Kommissare 31

Ablehnung 42

(2) Kunstbericht 1997 der Bundesregierung (III-188/BR und 5866/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 42

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Thomas Ram 42

Wolfgang Hager 44

Alfred Schöls 45

Helena Ramsbacher 46

Mag. John Gudenus 47

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 52

(3) Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997 (III-182/BR und 5862/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 52

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. André d'Aron 53

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 55, 67 und 76

Horst Freiberger 58

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 62

Ulrike Haunschmid 64

Leopold Steinbichler 69

Helena Ramsbacher 71

Engelbert Weilharter 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 77

Gemeinsame Beratung über

(4) Ozonbericht 1997 der Bundesregierung (III-186/BR und 5865/BR d. B.)

(5) Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 1998 (III-187/BR und 5863/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Günther Leichtfried 78

[Antrag, zu (4) und (5) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Monika Mühlwerth 78

Peter Rodek 80

Irene Crepaz 82

Dr. Paul Tremmel 84

Ludwig Bieringer 85

Erhard Meier 87

Mag. John Gudenus 90

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) und (5) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 122

(6) Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (III-184/BR und 5864/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rodek 122

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Ernest Windholz 122

Josef Rauchenberger 125

Franz Richau 127

Mag. John Gudenus 129

Ernst Winter 131

Alfred Schöls 132

Dr. Paul Tremmel 135

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 139

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 147

Entschließungsantrag der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Schlepperei 124

Ablehnung 147

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel 139

Ablehnung 147

(7) Beschluß des Nationalrates vom 16. Dezember 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (415/A und 1541/NR sowie 5861/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 147

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 148


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 5

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen (1569/J-BR/99)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend ausländischer Zugriff auf Wasserressourcen Österreichs (1570/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1409/AB-BR/98 zu 1526/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1410/AB-BR/98 zu 1522/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1411/AB-BR/98 zu 1511/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1412/AB-BR/98 zu 1519/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1413/AB-BR/98 zu 1529/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1414/AB-BR/98 zu 1510/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus und Ulrike Haunschmid (1415/AB-BR/98 zu 1514/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1416/AB-BR/99 zu 1518/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Engelbert Weilharter und Kollegen (1417/AB-BR/99 zu 1513/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1418/AB-BR/99 zu 1528/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1419/AB-BR/99 zu 1517/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1420/AB-BR/99 zu 1546/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1421/AB-BR/99 zu 1547/J-BR/98)


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 6

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1422/AB-BR/99 zu 1532/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1423/AB-BR/99 zu 1531/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1424/AB-BR/99 zu 1533/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1425/AB-BR/99 zu 1539/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1426/AB-BR/99 zu 1535/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1427/AB-BR/99 zu 1534/J-BR/98)


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Gottfried Jaud: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 649. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 648. Sitzung des Bundesrates vom 22. Dezember 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Dr. Manfred Mautner Markhof, Johanna Schicker und Ferdinand Gstöttner.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Michael Ludwig, Mag. Harald Repar und Mag. Michael Strugl.

Angelobung

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt ist ein Schreiben der Landtagsdirektion von Niederösterreich betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Irene Crepaz: "Sehr geehrter Herr Bundesratsdirektor!

Unter Hinweis auf mein Schreiben vom 17. Dezember 1998 betreffend die Mandatsrücklegung des Herrn Bundesrates Dr. Kurt Kaufmann teile ich mit, daß Dr. Kaufmann in Abänderung seiner seinerzeitigen Erklärung nunmehr sein Mandat mit 31.12.1998 zurücklegt.

Ich bitte um Kenntnisnahme und verbleibe mit freundlichen Grüßen."

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesrat Johann Ledolter ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin des Bundesrates Irene Crepaz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe!

Präsident Gottfried Jaud: Ich begrüße Herrn Bundesrat Johann Ledolter recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache

9.06

Präsident Gottfried Jaud: Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident aus Tirol! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich am Beginn meiner Ausführungen eines feststellen: Der Bundesrat braucht für seine geschäftsmäßigen Möglichkeiten keine Aufwertung, von der immer wieder gesprochen wurde. Wir haben derzeit genügend Möglichkeiten und Kompetenzen, für die Länder auf die österreichische Gesetzgebung einzuwirken. Die vorhandenen Möglichkeiten des Bundesrates, an der Gesetzgebung mitzuwirken beziehungsweise korrigierend in die Gesetzgebung einzugreifen, sollten allerdings in Zukunft zum Wohle der Bürger wesentlich stärker genützt werden.


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 8

Damit meine ich nicht, daß der Bundesrat in einer opponierenden oder protestierenden Art gegen die Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sein soll, sondern überall dort, wo die Mehrheit der Bundesräte eine Gesetzesvorlage für nicht gut hält, sollte der Bundesrat auch tatsächlich seine Zustimmung verweigern. In der Praxis, meine sehr verehrten Damen und Herren – Sie wissen ja, wie das ist –, ist es meistens so, daß aus Rücksicht auf die Bundesregierung auch jenen Gesetzen zugestimmt wird, von denen der Bundesrat überzeugt ist, daß sie besser noch einmal an den Nationalrat zurückverwiesen werden und dort neuerlich überarbeitet werden sollten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Wenn der Bundesrat gegen eine Gesetzesvorlage des Nationalrates Einspruch erhebt, so bedeutet das keine Ablehnung, sondern dies soll eine Anregung zur Verbesserung der Gesetzesvorlage sein.

Alle Gesetze haben enorme Auswirkungen auf wirtschaftliche Vorgänge. Sie dürfen deshalb keinesfalls Selbstzweck werden.

Das Ansehen respektive die Arbeitsmöglichkeiten des Bundesrates hängen aber weitgehend von der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landtagen beziehungsweise mit den jeweiligen Landesregierungen ab.

Jede Landesregierung hat einen Stab von Mitarbeitern – mal größer, mal kleiner –, von denen die Bundesgesetze besonders auf ihre Länderverträglichkeit überprüft werden. Wir im Bundesrat haben keine derartige Infrastruktur.

Auf Anregung von Vizepräsident Weiss erhalten wir jetzt wenigstens eine Zusammenfassung – jedenfalls wir von der ÖVP – der Stellungnahmen der Länder zu den einzelnen Gesetzesvorlagen. Bei etwas gutem Willen müßte es doch möglich sein, daß vor jeder Bundesratssitzung in den jeweiligen Bundesländern eine Informationssitzung mit der Arbeitsgruppe der Gesetzesbegutachtung und den Bundesräten stattfindet. Bei dieser Informationssitzung könnten dann nicht nur die Begutachtungsentwürfe, sondern auch die fertigen Nationalratsbeschlüsse beurteilt werden.

Eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und den Landtagen sowie den Landesregierungen wäre in der Zukunft für alle von Vorteil. Ich werde mich in meiner Präsidentschaft besonders diesem Thema widmen und durch Besuche in den Ländern versuchen, eine bessere Kommunikation herbeizuführen. Es liegt auch an den Landtagen und den Landesregierungen, wie sehr der Bundesrat ihre Interessen vertritt. Sie besetzen den Bundesrat mit Personen ihres Vertrauens und haben daher auch die Möglichkeit, über Zustimmung und Ablehnung zu den Gesetzesvorlagen Einfluß zu nehmen.

Wir Bundesräte tragen deshalb eine ganz besonders hohe Verantwortung. Wir haben die Verpflichtung, abzuwägen, was für die österreichische Bevölkerung besser ist: die Wünsche der Länder oder Bundesinteressen zu berücksichtigen, und unser Abstimmungsverhalten danach auszurichten. Es werden auch andere berechtigte Interessen, die an uns Bundesräte herangetragen werden, unser Abstimmungsverhalten beeinflussen. Auch diese Interessen sind zu berücksichtigen.

Zu neuen Vorschlägen aus der Zukunftswerkstatt möchte ich folgendes sagen. (Bundesrätin Haselbach: Die Zukunftswerkstatt hat sich das nicht verdient!) Der Bundesrat ist derzeit die einzige verfassungsmäßige Möglichkeit der Länder, auf die österreichische Bundesgesetzgebung einzuwirken. Er hat durch sein Zustimmungsrecht auch die Möglichkeit, Bundesgesetze, welche in die Länderrechte eingreifen, abzulehnen, was weithin nicht bekannt ist. Wenn irgendwelche Veränderungen durchgeführt werden sollen, dürfen diese bisher zum Teil hart erkämpften Rechte im Interesse der Länder nicht geschmälert werden.

Zur Äußerung, daß in den Landtagen Abgeordnete völlig überflüssig herumsitzen, ist zu sagen, daß es in Tirol, in der ältesten Festlanddemokratie, seit vielen hundert Jahren den Tiroler Landtag gibt. Wie mir der Präsident des Tiroler Landtages gestern mitteilte, gibt es seit 400 Jahren den ordentlichen Tiroler Landtag und seit mehr als 600 Jahren landtagsähnliche Einrichtungen


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 9

in Tirol. Wir werden uns von keinem noch so fähigen Wissenschaftler einreden lassen, daß der Tiroler Landtag überflüssig ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Mir ist klar – und ich bin auch sehr dafür –, daß die Verwaltung auf Bundes- und Länderebene schlanker gestaltet werden muß. Wenn hier jedoch die demokratisch gewählten Vertretungen in Frage gestellt werden, besteht die Gefahr, daß der Einfluß der Bürger auf die Regierungen verlorengeht oder geschwächt wird. Solche Veränderungen sind, wie wir aus leidvoller Erfahrung der Geschichte gelernt haben, abzulehnen oder nur mit äußerster Sorgfalt zu bewerkstelligen.

Ich glaube, auch hier sollten Wissenschaftler einmal den Vergleich anstellen, was die gewählten Volksvertretungen kosten und was die Verwaltung im Staate kostet. Ich erinnere mich übrigens in diesem Zusammenhang auch an die Aussage eines Journalisten, der, kurz zusammengefaßt, über Politiker folgendes sagte: Bei aller Kritik, nach den Politikern kommen die Panzer.

Wir im Parlament bestimmen die Regeln und Rahmenbedingungen für unser Zusammenleben. Österreich befindet sich in einer sehr sensiblen Situation. Die öffentliche Diskussion ist geprägt von der Sorge um hohe Arbeitslosigkeit und um den österreichischen Budgetkurs. Nach meiner Auffassung stehen wir an einem Scheideweg: Die einen wollen durch mehr Regulierung und Gesetze die Probleme lösen, die anderen glauben, daß nur mit einer Deregulierung eine Verbesserung der Situation erreicht wird.

Ich gehöre zu jenen, wie Sie alle wissen, die davon überzeugt sind, daß nur durch den Abbau von Regulierungen, durch den Abbau von Gesetzen, durch die Verminderung von Steuern und Staatsausgaben und durch mehr Eigenständigkeit für die österreichischen Bürger die Probleme der Arbeitslosigkeit und des Budgetdefizits bewältigt werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein ganz typisches Beispiel für die, ich möchte fast sagen, "Regulierungswut" der Bundesregierung ist das Schutzgesetz für über 50jährige Beschäftigte. Wie vorherzusehen war – und das ist hier im Bundesrat auch angesprochen worden –, bewirkt dieses Gesetz nämlich genau das Gegenteil. Wie der Herr Bundeskanzler selbst feststellen mußte, steigt die Arbeitslosigkeit der über 50jährigen, seit dieses Gesetz wirksam ist, besonders stark an. Da hilft es auch nicht, wenn Herr Bundeskanzler Klima mit drohender Gebärde die legislative Peitsche schwingen will. Legislative Zwangsmaßnahmen sind planwirtschaftliche Instrumente, die in keinem wirtschaftlich prosperierenden Lande mehr möglich sind.

Außerdem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Glauben Sie, daß unsere Töchter und Söhne durch solche Drohgebärden Lust zum Selbständigwerden oder zu einer Betriebsübernahme bekommen? – Ich glaube das nicht.

Ein weiteres Beispiel dafür ist das in Bearbeitung stehende Pfuschbekämpfungsgesetz. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen – und davon bin ich überzeugt –, das wird ein Pfuschgesetz. Die Schattenwirtschaft kann durch Regulierungen nicht eingedämmt werden. Der Pfusch entsteht dann, wenn der Bürger die Höhe der Besteuerung nicht mehr akzeptiert. Wenn die Abgabenquote die 40-Prozent-Marke überschreitet, wird es sehr schwierig, die Steuerschraube weiter anzuziehen. Steuerhinterziehung – eine strafbare Handlung – wird zum Volkssport und zum Kavaliersdelikt.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß in solchen Fällen eher mit einer Steuersenkung höhere Steuereinnahmen erzielt werden (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen), weil die Steuerhöhe vom Bürger wieder akzeptiert wird. 1995 ist übrigens der Herr Vizekanzler angetreten, gerade dieses Thema im besonderen hier in diesem Hause zu behandeln.

Das Land Tirol hat gezeigt, wie man auch in der heutigen Zeit mit den vorhandenen Budgetmitteln vernünftig wirtschaften kann. Ich bin deshalb davon überzeugt, daß es zielführend wäre, gemeinsam mit den Ländern Lösungen für die anstehenden Probleme zu erarbeiten.


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 10

Durch unsere Teilnahme am Euro-Markt werden die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in den verschiedenen Staaten besonders transparent. Arbeitsplätze hängen unmittelbar mit der Auftragslage in den diversen Betrieben zusammen. Aufträge werden aber nur an jene Unternehmer erteilt, die bei gleicher Qualität das günstigere Angebot stellen. Das sind nun einmal die Gesetze der Wirtschaft, die Gesetze der freien Wirtschaft. Wenn wir die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft erhalten wollen, werden wir es uns ganz einfach nicht leisten können, eine höhere Mehrwertsteuer, höhere Sozialstandards, höhere Umweltstandards und eine einengende Gewerbeordnung beizubehalten, nur um einige Beispiele zu erwähnen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Schaffen wir hier im Hohen Haus gemeinsam mit den Ländern Rahmenbedingungen, damit in der Zukunft besonders die kleinen und mittleren Unternehmer mehr Luft zum Atmen haben und nicht von Steuern und Bürokratie erdrückt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Mit Pseudoarbeitsplätzen und Zwangsmaßnahmen kann die Arbeitslosigkeit nicht bekämpft werden. Wenn die Rahmenbedingungen für die Betriebe stimmen, wird sich die Arbeitslosigkeit ganz von selbst reduzieren. Wenn Unternehmersein und Wirtschaften wieder Freude machen, werden alle davon profitieren, und unsere Jungen werden gerne neue Betriebe gründen beziehungsweise vorhandene Betriebe übernehmen.

Erlauben Sie mir, zum Schluß kommend, noch Worte zu zitieren, die der unvergessene Landeshauptmann Wallnöfer anläßlich seines Dreißigjahrjubiläums als Bauernbundobmann an seine Funktionäre gerichtet hat. Für mich persönlich, in meiner Tätigkeit, waren sie immer ein Leitspruch:

Obmann und alle Funktionäre! Ich bitte Sie nur um eines: Sie tragen eine ungeheure Verantwortung für die Jetztzeit und für die Zukunft. Tun Sie das Beste, was Sie tun können! Mehr als das Beste tun, kann niemand. Mehr verlange ich auch nicht, aber das müssen Sie tun. Wenn Sie das nicht tun, dann sagen Sie gleich, daß Sie eine Funktion nicht mehr annehmen, daß Sie sie zurücklegen. – Zitatende.

Mit diesem Motto der hohen Verantwortung wünsche ich uns für die Zukunft eine fruchtbringende Arbeit für unser schönes Heimatland Österreich. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

9.21

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt sind 19 Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist der Bericht über die soziale Lage 1997, den ich dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales zugewiesen habe.

Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind Berichte der Bundesregierung und ihrer Mitglieder sowie ein Beschluß des Nationalrates vom 16. Dezember 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird.

Diese Vorlagen wurden den in Betracht kommenden Ausschüssen zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe die obgenannten Vorlagen sowie die Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.


Bundesrat
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Behandlung der Tagesordnung


Bundesrat
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649. Sitzung / Seite 12

Präsident Gottfried Jaud:
Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung unter einem durchzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung

Präsident Gottfried Jaud: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich auf die von der Präsidialkonferenz vom vergangenen Dienstag hinsichtlich der Redezeit getroffene Vereinbarung der Fraktionen hinweisen.

Die Fraktionen haben nunmehr eine freiwillige Redezeitbeschränkung von generell 10 Minuten für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vereinbart. In Hinkunft werden daher auch für die Erstredner nur mehr 10 Minuten zur Verfügung stehen. Auch weiterhin wird eine Minute vor Ablauf der vereinbarten Redezeit das rote Lichtsignal beim Rednerpult blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit dauernd leuchten.

Da es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der vorsitzführende Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner auf den Ablauf der vereinbarten Redezeit hinweisen.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuche ich, bei Beginn der Rede darauf hinzuweisen. – Das wäre im Sinne der Kollegialität, so glaube ich, zielführend.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Gottfried Jaud: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen Österreichs an die Frau Bundesminister für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vorliegt.

Weiters liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen betreffend ausländischer Zugriff auf Wasserressourcen an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte liegt dazu vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der betreffenden Anfragen an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten über die EU-Präsidentschaft

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen zum Punkt 1 der Tagesordnung: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten über die EU-Präsidentschaft.

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluß an seine und die vom Herrn Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Wittmann in Vertretung des Bundeskanzlers abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich darf nun dem Herrn Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel zur Abgabe einer Erklärung das Wort erteilen.

9.27

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zuerst möchte ich dem scheidenden Präsidenten, Alfred Gerstl, Dank sagen und meine Gratulation für den neuen Präsidenten des Bundesrates, Gottfried Jaud, zum Ausdruck bringen.

Da wir, Herr Staatssekretär Wittmann und ich, nun auch vor dem Bundesrat gemeinsam Bilanz über die Ratspräsidentschaft Österreichs ziehen, will ich doch einen Satz dazu sagen: Ich habe genau zugehört, wie der Herr Präsident in seiner Eingangsrede die Bedeutung gewählter Volksvertreter unterstrichen hat, und ich möchte hier ganz eindeutig meine persönliche Zustimmung zu diesem Satz – ich kann jedes Wort unterstreichen – klar zum Ausdruck bringen. Daran soll und darf es gar keinen Zweifel geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Harring. )

Was die Länderrechte betrifft, glaube ich, auch diesem Haus und dieser zweiten wichtigen Kammer des Parlaments versichern zu dürfen, daß gerade ich mich immer für die Stärkung und für die volle Einhaltung und Respektierung der Länderrechte eingesetzt habe und dies durchaus als eine Bereicherung des Bundesstaates Österreich und in keiner Weise als eine Schwächung seiner Substanz und seiner Effizienz ansehe.

Damit komme ich zu dem Thema, das mir eigentlich gestellt ist, und ich möchte es auch gerne und mit Stolz präsentieren.

Wir haben wenige Monate, nachdem wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind – nämlich etwas mehr als 40 Monate, nachdem wir beigetreten sind –, als das erste der drei neu aufgenommenen Länder, Schweden, Finnland und Österreich, die Ratspräsidentschaft übertragen bekommen. Wir haben die Ratspräsidentschaft in einer sehr schwierigen Zeit übernommen.

Ich weiß, daß wir wenige historische Momente feiern konnten. Wir hatten keine großen Gipfeltreffen in dem Sinne, daß zum ersten Mal mit den Asiaten oder mit den Lateinamerikanern geredet wurde, zu feiern, aber wir hatten eine ungeheuer wichtige Arbeit für die Union zu leisten. Wir haben das bereits vorher gewußt. Ich habe das auch bei meiner Antrittsrede und bei meiner Präsentation des Programms sowohl vor dem österreichischen Nationalrat, vor dem Bundesrat als auch vor dem Europäischen Parlament gesagt: Wir haben harte Knochenarbeit zu leisten.

Es muß zwischen den Feierstunden auch jemanden geben, der arbeitet – und das waren die Österreicher. Da wir hart arbeiten können, haben wir auch bewiesen, daß wir eine in der Substanz erfolgreiche Präsidentschaft hinlegen können.

Wir haben uns eine sehr ambitionierte Agenda gesetzt, und wir haben – ich sage das sehr offen und nicht ohne Stolz – fast alle selbstgesteckten Ziele erreichen können; ein, zwei Ziele zwar nicht, auf diese möchte ich aber auch durchaus ehrlich eingehen.


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Das wichtigste Ziel war für uns natürlich die klaglose, sanfte und erfolgreiche Einführung des Euro. Das war ein Thema, das keineswegs so klar gewesen ist. Noch wenige Monate, bevor wir die Ratspräsidentschaft übernommen haben, gab es Zweifel dahin gehend, wie viele Länder es überhaupt sein werden, die am Euro teilnehmen werden. Wird es genug Länder geben, die die Substanz einer solchen europäischen Währung, eines solchen "Eurolandes" darstellen können?

Es gab dann im Mai noch unter britischem Vorsitz den Beschluß, daß elf Länder am Euro teilnehmen dürfen. Sie sehen, meine persönliche Erwartung, daß nämlich noch vor der unmittelbaren Einführung des Euro im Jahre 2002, für den Bürger spürbar, wahrscheinlich fast alle EU-Länder daran teilnehmen werden, nimmt Gestalt an. Die Schweden und die Dänen denken bereits darüber nach, und auch in Großbritannien gibt es eine sehr engagierte Diskussion. Die Griechen ihrerseits versuchen mit allen Mitteln, die Kriterien so rasch wie möglich zu erfüllen. Das heißt, das Projekt läuft, das Projekt hatte nicht nur einen Bilderbuchstart, auch dank der österreichischen Arbeit des Finanzministers, seines Staatssekretärs und natürlich des gesamten Teams, sondern auch die Finanzmärkte haben sehr positiv darauf reagiert.

Als ich zum ersten Mal in Amerika den Euro präsentierte, ist eigentlich eine ziemliche Welle der Skepsis beziehungsweise des Desinteresses auf uns getroffen. Der Euro war nicht wirklich ein Thema. Die großen amerikanischen Analysten, die großen Bankfachleute und die Medienleute waren sehr skeptisch, ob der Euro überhaupt kommen werde, und wenn ja, welche Auswirkungen er haben werde. Ihre Meinung war: Uns Amerikaner betrifft das überhaupt nicht. – Diese Einstellung hat sich total gedreht. Gerade im Dezember vergangenen Jahres, wenige Wochen vor der unmittelbaren Einführung, ist es das zentrale Thema schlechthin geworden, und siehe da, man nimmt Europa plötzlich ernst. Und daß dies so erfolgreich gelungen ist, so meine ich, hat sehr wohl etwas mit der Teamarbeit Österreichs zu tun. Wir haben da eine höchst erfolgreiche Arbeit für die Union geliefert.

Ich möchte zu diesem Team überhaupt folgendes sagen: Wir hatten uns vorgenommen, in den sechs Monaten der österreichischen Ratspräsidentschaft wirklich alle parteipolitischen oder ressortegoistischen Interessen zurückzustellen. Ich meine, daß uns das auch sehr gut gelungen ist. Ich möchte an dieser Stelle wirklich allen Ministerien und natürlich auch den Mitarbeitern meines Hauses, die ja einen großen Teil der Arbeit geleistet haben, ob in Brüssel, in Straßburg oder auch in der Welt, weil sie dort als Diplomaten letztlich Europa, und nicht nur Österreich, vertreten haben, danken. Ich glaube, daß sie wirklich Gewaltiges geleistet und gezeigt haben, daß auch die österreichische Bürokratie, das österreichische – manchmal geschmähte – Berufsbeamtentum zu Höchstleistungen fähig ist, wenn man es fordert und wenn man es auch läßt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der sehr interessant ist, ist folgender: Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die gestern in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" abgedruckte Rede des deutschen Außenministers Fischer zu den Schwerpunkten der deutschen EU-Politik gelesen, die sich wohltuend an die Schwerpunkte, die die Österreicher vor sechs Monaten gesetzt haben, annähern. Da hat es auf deutscher Seite einige Entwicklungen gegeben, die anzuerkennen sind. Aber ein Punkt ist diesbezüglich interessant. Fischer verlangt eine Quasi-Demokratisierung aller Institutionen. – Das finde ich sehr gut, weil Transparenz, Offenheit, Öffnung und Partizipation in einer gut funktionierenden Europäischen Union selbstverständlich sein sollten.

Wir Österreicher – das ist, so glaube ich, in keiner Zeitung gestanden und noch wenig bekanntgeworden – haben da eigentlich neue Maßstäbe gesetzt. Wir haben zum Beispiel für die Ratspräsidentschaft eine eigene Homepage entwickelt, die übrigens sehr gut angenommen wurde. Ich darf Ihnen hier und heute sagen: Wir haben bis zur Stunde, seit Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft, fast zweieinhalb Millionen Zugriffe auf diese Homepage gehabt. Das Internet ist eigentlich, wenn Sie so wollen, ein vollkommen neues demokratisches, transparentes Kommunikationssystem, das sich entwickelt hat. Wir konnten damit auch einen Modernisierungsschub für unsere eigene Verwaltung leisten. De facto sind jetzt sämtliche Stäbe und Netzwerke miteinander verbunden. Wir haben de facto eine E-Mail-Vernetzung der gesamten öffentlichen Verwaltung in dieser Zeit durchgebracht und konnten dadurch auch den Nutzen und die Effizienz Österreichs deutlich verbessern.


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Wir haben aber auch den Mut gehabt, uns neue Themen zu suchen. Wir haben die Sichtbarkeit und Visibilität Europas in den Krisenzonen der Welt deutlich erhöht. Ein Stichwort, auf das ich hier noch kurz eingehen möchte, ist der Balkan. Dort ist ein Österreicher, nämlich der österreichische Botschafter Wolfgang Petritsch, die Stimme Europas und der Koordinator schlechthin österreichischer und europäischer Außenpolitik und Friedenssicherung. Glauben Sie mir: All diese Dinge sagen sich am Ende einer Präsidentschaft immer relativ leicht und so sanft dahin; dahinter stehen jedoch oft härteste Arbeit und auch zum Teil wirkliche Gegensätze und Widerstände, die überwunden werden mußten. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, daß das klappen wird.

Es gab große und wichtige Mitgliedsländer, die nicht unbedingt davon begeistert waren, daß diese Aufgabe ausgerechnet von einem Österreicher – die Österreicher haben ja immer eine historisch besondere Rolle in diesem Teil Europas gespielt – übernommen werden sollte. Das ist gelungen, und Botschafter Petritsch erfüllt seine Aufgabe heute so, daß wirklich jeder sagen kann, daß er nicht nur eine gute Wahl war, sondern daß die Österreicher in diesem Teil Europas wirklich etwas beizubringen und einzubringen haben.

Wir haben den Mut gehabt, das Thema Sicherheitspolitik nicht beiseite zu schieben. Man hätte ja auch sagen können: Ein Neutraler braucht sich das gar nicht anzutun, weil er sowieso von innen und außen verdächtigt wird, daß er irgend etwas mißbräuchlich oder falsch anlegen könnte. – Ganz im Gegenteil! Wir sind dieses Thema offensiv angegangen, wir haben eine Grundsatzdiskussion über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur gestartet, und ich meine, daß diese neuen Themen auch bleiben werden. Es fanden das erste Verteidigungsministertreffen, der erste Direktkontakt EU-NATO, EU-WEU, die erste Orientierungsdiskussion auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, der Außenminister und der Verteidigungsminister statt. Das wird bleiben und wird letztlich auch den Diskussionsanstoß für eine neue Ära in Europa geben.

Ich möchte jetzt auf die anderen inhaltlichen Punkte sehr stark eingehen, weil Sie ein Recht darauf haben zu hören, was gelungen und was vielleicht weniger gelungen ist:

Zum Euro als dem großen prioritären Thema habe ich bereits gesprochen. Das Thema Beschäftigung wird Staatssekretär Wittmann übernehmen; das klammere ich jetzt bewußt aus, damit wir keine Dubletten haben.

Das Thema EU-Erweiterung ist für uns Österreicher eine zentrale Frage. Ich sage auch ganz offen – ich will da gar nicht mit meiner Meinung hinter dem Berg halten –, ich halte die Erweiterung nach dem Euro für das strategisch bedeutsamste Projekt für die Europäische Union in den nächsten 10, 15 Jahren. Das ist ungefähr der Zeitraum, über den wir reden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist ein Projekt, das nicht einfach sein wird; das muß natürlich jeder, der für diese Erweiterung eintritt, wissen. Wir wollen ja diese Erweiterung zu einem tatsächlichen Erfolg und nicht zu einem Risiko für die Beitrittskandidatenländer, aber auch nicht für die Unionsländer machen. Das muß ein Erfolg werden. Diese Erweiterung hat längst begonnen.

Ich zitiere wieder Joschka Fischer, der gesagt hat: Eigentlich – meine Worte übrigens – hat die Erweiterung der Union im Herbst 1989 begonnen mit dem Zusammenbruch des Kommunismus, dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Ostöffnung, die jetzt in den Beginn der Beitrittsverhandlungen unter österreichischem Vorsitz eingemündet ist und die in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit allen Kandidaten letztlich zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden soll.

Es muß uns klar sein, daß wir die Beitrittskandidaten mutig darauf vorbereiten und ihnen auch ehrlich sagen müssen, wo ihre Defizite liegen. Daher halte ich nichts davon, daß man hinter dem Berg hält und nicht den Finger auf offene Probleme legt. Man hilft den Kandidaten nicht, indem man sagt, daß alles "klaß" sei, sondern man hilft ihnen dadurch, daß man sagt: Im Bereich Wettbewerbspolitik, Privatisierung, Funktionieren einer Verwaltung, Menschenrechte, Umweltstandards sind noch große Defizite zu bewältigen. Ihr müßt versuchen, eine moderne soziale Marktwirtschaft in diesen Bereichen zu entwickeln, dann seid ihr willkommen.


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Aber es muß sich auch die Union selbst entwickeln und reformieren – Stichwort: mehr Mehrheitsabstimmungen –, damit man de facto in eine Richtung gehen kann, an deren Ziel man auch wirklich effizient entscheiden kann.

Ich bin der Ansicht, daß diese Erweiterung gut läuft. Im Frühjahr wird Malta dazustoßen, was absolut in Ordnung ist. Ich glaube, daß die Deutschen den Prozeß, den wir gestartet haben, gut weiterführen wollen.

Wir haben auch den Schweiz-Vertrag zu Ende gebracht. Da gab es ein sehr gutes Zusammenwirken zwischen dem Verkehrsministerium, dem Landwirtschaftsministerium, dem Sozialministerium und dem Außenministerium. Das war auch der historische Erfolg für die Schweiz selber. Man kann sich heute fast nicht vorstellen, was das für die Schweiz und ihr Selbstbewußtsein bedeutet.

Ich möchte an dieser Stelle dem Schweizer Bundesrat ein aufrichtiges Dankeschön für eine Geste sagen, die nicht selbstverständlich ist und die, so glaube ich, in der Geschichte der Schweiz mit einem ihrer Nachbarländer noch nie Platz gegriffen hat. Am Silvestertag, am 31. Dezember 1998, hat der Schweizer Bundesrat in einer österreichischen Zeitung ein halbseitiges Inserat geschaltet und sich bei Österreich, bei der Bevölkerung, bei der Regierung und bei den Beamten, bedankt, in dem zu lesen stand: "Happy Old Year". Er hat sich herzlich dafür bedankt, wie stark sich Österreich für den erfolgreichen Abschluß dieses Vertrages zwischen der Schweiz und der EU eingesetzt hat.

Ich finde, das ist mehr als eine Geste. Es zeigt, daß sich gerade die Beziehung zwischen der Schweiz und Österreich, Staaten, von denen man manchmal gesagt hat, sie seien Nachbarn, die ein bißchen "Rücken an Rücken zueinander sitzen", geändert hat. Es hat sich völlig gedreht, wir haben zu keinem Zeitpunkt unserer Geschichte ein herzlicheres, offeneres und erfolgreicheres Verhältnis mit der Schweiz gehabt, was zeigt, daß man die Europäische Union sehr wohl auch dazu verwenden kann, österreichische Interessen in einem sehr, sehr positiven Sinn – wie hier – durchzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle der Schweiz danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Drittes Thema, die Agenda: Sie war natürlich ein besonders heikles Dossier unserer Präsidentschaft. Wir wußten, daß wir das gar nicht abschließen können – das war ja auch nicht so gedacht, das soll erst in zehn Wochen, Ende März, passieren –, aber wir wollten die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir nachher wirklich fertig werden können. – Das ist uns gelungen! Von den insgesamt sieben Verhandlungsthemen sind vier sehr weit gediehen, de facto fertig. Ein Thema ist ganz fertig, nämlich die Vorbeitrittsstrategie. Ein zweites Thema, die technischen Verordnungen, sind de facto fertig. Im Bereich der Strukturfonds sind wir sehr weit gekommen, allerdings ist das noch nicht ganz fertig.

Ins Stocken gekommen sind vor allem die Bereiche Landwirtschaft und Finanzen. Allerdings sind auch dort die Fronten zumindest so weit klar, daß jeder weiß, woran er ist. Es werden in der nächsten Zeit, praktisch jede Woche, sogenannte Non-Papers der deutschen Präsidentschaft, aufbauend auf unseren Vorentwürfen, herauskommen und auf drei Ebenen diskutiert werden: von den Freunden der Präsidentschaft – das ist quasi ein Expertengremium –, dann im COREPER – das ist der Ausschuß der ständigen Vertreter –, und dann im allgemeinen Rat mit den Außenministern, wobei jeweils die Experten aus Landwirtschafts- und Finanzministerium oder die Ecofin- und Agrarministerräte "zuliefern" müssen, damit wir beim Europäischen Rat in Brüssel, am 24. und 25. März, wirklich zu einem Abschluß kommen.

Ich bin nicht darüber besorgt, daß es noch immer Schwierigkeiten gibt, daß die Positionen noch immer scheinbar weit auseinander sind. Denn vergessen Sie nicht, daß damit praktisch das Budget für die nächsten sieben Jahre für 400 Millionen Menschen gemacht werden soll, ein Budget mit immerhin 715 Milliarden Euro, also 12 000 Milliarden Schilling, die sorgsam und klug für die nächsten sieben Jahre außer Streit gestellt werden müssen. Daß wir uns in diesem Bereich natürlich auch die Zeit nehmen müssen, um gute Lösungen zu finden, ist klar.


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Für uns muß bedeutsam sein, daß wir unsere Position nicht verschlechtern. Denn das Ausgangsszenario, die ursprünglichen Vorschläge der Kommission, hätte für uns eine deutlich verschlechterte Nettozahlerposition zur Folge gehabt. Unser Ziel muß es sein, daß wir österreichische Interessen in diesem Bereich deutlich akzentuieren.

Beim Thema Umwelt haben wir einen großen Erfolg gefeiert: erstens bleiben unsere Standards erhalten, zweitens werden bei den Beitrittsverhandlungen die Nuklearstandards der Kernkraftwerke zur Bedingung gemacht – einerseits Verbessern, und andererseits dort, wo dies nicht geht, Schließen von Kernkraftwerken –, und drittens wurde im Bereich der Autoabgase ein ganz großer Schritt vorwärts in Richtung Reduzierung gemacht, denn de facto ist das Sechs-Liter-Auto mit der österreichischen Präsidentschaft Wirklichkeit geworden.

Für den Bereich der inneren Sicherheit ist zu sagen, daß Europol leider noch immer nicht ganz auf der Schiene steht. Es wurde zwar die Tätigkeit am 1. Oktober unter unserem Vorsitz aufgenommen, allerdings würde ich mir dringend wünschen, daß unter deutschem Vorsitz weitere Fortschritte erzielt werden. Denn gerade der heikle und fast lebensnotwendige Kampf gegen die Kriminalität im Internet beispielsweise ist Europol derzeit eigentlich verwehrt. Das ist ein Drama, gerade was die Bekämpfung der Kinderpornographie betrifft, ein Thema, das mir sehr, sehr wichtig ist und auch auf internationaler Ebene zum Schwerpunkt gemacht wurde. In diesem Bereich muß man weiterkommen. Ich glaube, daß wir vor allem unter finnischem Vorsitz diesbezüglich einen weiteren großen Schritt tun müssen. Ein spezieller Gipfel in Tampere ist schon in Vorbereitung.

Für den Bereich der Außenpolitik habe ich bereits den Balkan erwähnt. Man hat gerade in den letzten Tagen klar gesehen, wie wichtig dort eine Vermittlungstätigkeit ist. Daß Wolfgang Petritsch gemeinsam mit dem OSZE-Vorsitzenden Vollebaek die Soldaten, die von der UCK als Geiseln genommen worden waren, freibekommen hat, ist ein ermutigendes Zeichen. Ich hoffe, daß auf beiden Seiten, in Belgrad und in Pristina, die Signale verstanden werden, daß wir eine militärische Eskalation nicht dulden werden, sondern mit allen Mitteln eine friedliche, eine verhandelte und eine integrative politische Lösung auf dem Balkan, im Kosovo, wünschen.

In den Nahost-Friedensprozeß hat sich Österreich massiv eingebracht. Ich habe eine große Reise in den Nahen Osten gemacht. Bundeskanzler Klima hatte schon zu einer früheren Zeit, im Frühjahr, eine große Reise gemacht. Wir haben Präsident Arafat zum Gipfel nach Pörtschach gebracht, dabei hat uns auch ein bißchen der Organisator "Zufall" geholfen, da die Verhandlungen in Wye Plantation gerade zu Ende waren. Ich habe auch die Israelis eingeladen; aus den bekannten innenpolitischen Schwierigkeiten war ein Kommen leider nicht möglich. Aber ich möchte betonen, daß sich Österreich in dieser Zeit durch Reisen und Aktivitäten auch in Israel als ein Land bewährt hat, das den Friedensprozeß im Nahen Osten durchaus nicht einseitig, sondern ganzheitlich sieht.

Was Rußland betrifft, habe ich auch Glück gehabt, und zwar insofern, als mein Troika-Besuch im September fast zeitgleich mit nur zwei Tage nach der Wahl Primakows zum russischen Ministerpräsidenten stattfand. Dadurch konnten gerade auch die österreichisch-russischen Beziehungen auf eine ganz neue Ebene gestellt werden. Primakow kam danach in Vertretung von Jelzin zum Gipfel nach Wien. Wir haben während dieser Zeit ein überaus enges Verhältnis mit den Russen aufgebaut, und ich möchte von dieser Stelle aus sagen, daß wir mit diesem großen, für Europa und für Österreich so wichtigen Land eine ganz ausgezeichnete Kooperation entwickeln konnten.

Ähnliches gilt für Amerika. Es gab in unserer Zeit zum ersten Mal einen bilateralen Besuch von Außenministerin Madeleine Albright. An sich hat es uns gewundert, daß seit 1945 nie ein US-Außenminister auf bilateraler Ebene nach Wien gekommen ist. Aber es war offensichtlich so selbstverständlich, daß niemand daran gedacht hat. Diesmal war es der Fall, und ich glaube, daß auch die Kooperation mit den USA gut funktioniert hat.

Insgesamt ist die Bilanz Österreichs für uns gut. Was wir nicht erreicht haben, ist die Besetzung eines hohen Vertreters für die europäische Außenpolitik – das schmerzt mich, denn ich glaube,


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gerade jetzt wäre dies wichtig gewesen – und Frieden im Kosovo. Nur hing letzteres leider, sage ich, nicht nur von der österreichischen Präsidentschaft, sondern natürlich auch vom politischen Willen aller Beteiligten im Kosovo und in Belgrad selber ab.

Aber insgesamt meine ich, daß uns die Präsidentschaft gutgetan hat. Wir haben viel gelernt. Wir haben aber auch viel eingebracht. Es ist eine Zeit, an die jeder von uns gerne denkt, die eine echte Bereicherung war, auch wenn sie anstrengend wie noch nie eine Zeit in unserem Leben war. Für mich persönlich hat es bedeutet: 100 von 180 Tagen im Ausland, 40 Länder, zum Teil mehrfach, besucht, 140 000 Flugkilometer! Es war also eine ungeheure Herausforderung, auch physisch. Aber politisch, glaube ich, hat sich Österreich bewährt und gezeigt, daß gerade ein kleines Land in einer sehr anspruchsvollen Herausforderung bestehen kann. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.48

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Weiters darf ich Herrn Staatssekretär Dr. Wittmann zur Abgabe einer Erklärung das Wort erteilen.

9.49

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Präsident, ich möchte mich zunächst den Gratulationen anschließen und Ihnen als neuer Präsident des Bundesrates alles Gute wünschen!

Der Einschätzung des Herrn Außenministers und Vizekanzlers möchte ich hinzufügen, daß unsere Teamarbeit während dieser sechs Monate wirklich herzeigbar ist und auch von uns so gesehen wird, daß wir, wie ich glaube, in Gemeinsamkeit eine gute Präsidentschaft absolviert haben, daß es eine Arbeitspräsidentschaft war und keine Präsidentschaft mit geschichtlichen Höhepunkten. Aber es war unser erklärtes Ziel und von Beginn der Präsidentschaft an klar, daß wir hier Arbeit zu leisten haben, daß unsere Beamten jene Dossiers, die angestanden sind, aufzuarbeiten und sie so weit zu bringen haben, wie es möglich war. Wir haben diese Aufgabe meiner Überzeugung nach sehr gut erfüllt, unsere Beamten haben eine gute Visitenkarte in Europa abgegeben. Es wird auch international anerkannt, daß wir hervorragende Arbeit geleistet haben.

Als ich das letzte Mal im Bundesrat anwesend war, stand das Treffen der Staats- und Regierungschefs im Oktober in Pörtschach knapp bevor, und es war hier oftmals die Sorge zu hören, daß es vielleicht zu einem Stillstand des Integrationsprozesses kommen werde. Ich glaube, daß sowohl das Treffen in Pörtschach als auch der Gipfel in Wien bestätigt haben, daß genau das Gegenteil der Fall ist: es wurden ganz wesentliche Schritte nach vorne und in die Zukunft weisend geleistet!

Eingehend auf das informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs in Pörtschach möchte ich folgendes ausführen: Ich glaube, daß es gerade in Pörtschach gelungen ist, eine ausführliche Diskussion über die Zukunft Europas zu führen, eine Diskussion, die unabhängig von jenen Zwängen, die formelle Gipfel mit sich bringen, eine freie Debatte über die zukünftige Entwicklung Europas zugelassen hat. In gewisser Hinsicht bedeutete er eine Zäsur, da Europa nun nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen neuen Schwerpunkt, nämlich jenen, die Ängste der Bürger in Europa ernst zu nehmen, hat und die Europäische Union dazu übergegangen ist, sich um diese Ängste und Sorgen der Bürger zu kümmern. Es sind nun einmal die Beschäftigung, die Sicherheit, aber auch die Rolle Europas in der politischen Außenwirkung jene Ängste und Sorgen, die die Bürger besonders treffen, und diese Themen wurden dort aufgegriffen.

Als unmittelbares Ergebnis dieses Treffens wurde eine "Wiener Strategie für Europa" formuliert, die festhält, wo und wie man die Union weiterentwickeln will, und in dieser Deklaration wurden auch die Aufgabenstellungen und Zeitpläne definiert.


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Das war wohl die beste und die pragmatischste Antwort auf die Skepsis, die damals aufgekommen ist, wonach die Integration zum Stillstand gekommen sei! Denn diese hat dadurch einen neuen Schub erfahren und ist einen wesentlichen Schritt vorwärts gekommen, nämlich weg von den rein wirtschaftlichen Themen hin zu jenen Themen, die den einzelnen interessieren. Dazu gehört vor allem die Beschäftigung. Ich halte das für einen besonders wichtigen Prozeß in der Entwicklung Europas.

Was beinhaltet nun diese "Wiener Strategie"? – Ich glaube, daß es sehr konkrete Aufträge darin gibt, nämlich die Förderung von Beschäftigung, Wachstum und Stabilität sowie den Abschluß eines Beschäftigungspaktes. Weiters soll die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und der Steuerpolitik als gemeinsames Anliegen vorangetrieben werden, es soll eine internationale Finanzarchitektur geschaffen und es sollen Infrastrukturinvestitionen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Zum Thema Beschäftigung möchte ich später noch einige Ausführungen machen.

Zur Verbesserung der inneren Sicherheit der Union bietet die in Wien erreichte Annahme des Aktionsplans zum Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts einen sehr ambitionierten Wegweiser. Diese Dynamik soll in diesem Jahr forciert und weiterentwickelt werden, die diesbezüglichen Anstrengungen werden bei einem Sondergipfel zur inneren Sicherheit in Tampere überprüft werden.

Verstärkte europäische Impulse zur Verbesserung der Lebensqualität sind aber auch im Umweltbereich nötig. Der unter österreichischer Präsidentschaft erstmals operationalisierte Prozeß der horizontalen Beachtung des Umwelt- und Nachhaltigkeitsprinzips in den einzelnen Gemeinschaftspolitiken sollte bis Ende dieses Jahres in einer umfassenden Strategie zusammengefaßt werden.

Die Wiener Strategie enthält aber auch klare Vorgaben für die Reform der Politiken und Institutionen, wie sie bereits von Vizekanzler Dr. Schüssel aufgezeigt wurden. Der Zeitplan für die Agenda und die vollständige Umsetzung des Vertrages von Amsterdam wurden bestätigt, die Effizienz der Institutionen wurde in Angriff genommen, ebenso das Thema Betrugsbekämpfung.

Da die Union ihr Engagement nicht nur nach innen richten kann, sondern die Förderung von Stabilität und Wohlstand in Europa und weltweit im Auge haben muß, ist es schließlich essentiell, daß es in Pörtschach und Wien auch gelungen ist, deutliche Signale für die künftige Rolle der Union als "global player" zu setzen, das heißt: Fortschritte im Beitrittsprozeß, effizienter Einsatz der GASP-Instrumente und Perspektiven einer europäischen Sicherheitspolitik.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich nunmehr ein Thema hervorheben, das für die Bürger Österreichs, aber auch Europas, höchste Priorität hat und deshalb beim Europäischen Rat in Wien an erster Stelle diskutiert wurde, wo diesbezüglich auch Fortschritte erzielt werden konnten. Es ist dies die europäische Beschäftigungspolitik. Wir sind in diesem Bereich von einer guten Basis ausgegangen, nämlich dem Prozeß von Luxemburg, der im Jahre 1998 gefestigt und in den entscheidenden Elementen verstärkt werden konnte. Es ist uns gelungen, festzuschreiben, daß die Beschäftigung absolute Priorität in der Europäischen Union hat und daß es neben dem Stabilitätspakt auch einen Beschäftigungspakt geben wird.

In Wien wurde die Umsetzung der Beschäftigungsleitlinien durch die Mitgliedstaaten überprüft, die Ergebnisse waren durchaus positiv. Die Mitgliedstaaten haben ihre Verpflichtung sehr ernst genommen und umfassende Maßnahmenpakete entwickelt. Begünstigt durch eine positive Konjunkturentwicklung stieg daher die Zahl der Beschäftigten in der Union im Jahre 1998 um 1,7 Millionen, die Arbeitslosenrate sank europaweit erstmals seit dem Jahr 1992 unter die 10-Prozent-Marke. Auch das ist ein Erfolg, wenn auch nur einer, der uns zu noch größeren Anstrengungen ermutigen sollte.

Die beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1999 wurden in folgenden Punkten ergänzt: Stärkung der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, Anreize zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit in den Steuer- und Beihilfensystemen, Unterstützung älterer Arbeitnehmer,


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Stärkung des Unternehmergeistes, bessere Nutzung des Beschäftigungspotentials im Dienstleistungssektor, Verwirklichung des lebensbegleitenden Lernens sowie Schaffung einer eigenen Leitlinie für Maßnahmen zugunsten der Integration behinderter Menschen, ethnischer Minderheiten und anderer benachteiligter Menschen in den Arbeitsmarkt.

Darüber hinaus wurden neue Schritte gesetzt. Bis zum Rat in Köln ist ein Beschäftigungspakt zu entwickeln. Die wesentlichen Elemente dieses Paktes sind bereits festgeschrieben:

Erstens: die Einbettung der Beschäftigungspolitik in eine kohärente wirtschaftspolitische Strategie. – Diese umfaßt eine auf Wachstum und Stabilität ausgerichtete makroökonomische Politik, Wirtschaftsreformen, die die Wettbewerbsfähigkeit fördern, und eine umfassende Arbeitsmarktpolitik, die Beschäftigungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit fördert und durch Unterstützung von Unternehmensgründungen auch neue Arbeitsplätze schafft. (Bundesrat Dr. Harring: Sehr schön!) In Anbetracht dessen, daß diese drei Bereiche in den Schlußfolgerungen genannt sind, geht es nicht nur um eine ökonomische Analyse, die besagt, daß diese Bereiche voneinander abhängig sind und alle etwas mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu tun haben, sondern vielmehr um eine politische Aussage, das heißt, um die Festlegung des Zieles, in allen diesen drei Bereichen substantielle Fortschritte zu erzielen.

Zweitens: die Vorgabe zusätzlicher nachprüfbarer Ziele und Fristen durch die Mitgliedstaaten, denn ohne klare Ziele gibt es keine meßbaren Erfolge. Es steht den Mitgliedstaaten aber offen, jene Aktionsbereiche auszuwählen, für die ein besonders hoher Problemdruck im einzelnen Mitgliedstaat besteht.

Drittens erscheint es mir wichtig, daß auch das im Artikel 127 des Amsterdam-Vertrages verankerte "Mainstreaming" der Beschäftigungspolitik – nämlich die Berücksichtigung des Zieles eines hohen Beschäftigungsniveaus bei der Festlegung und der Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und Gemeinschaftsmaßnahmen – rasch operationalisiert werden soll. So wurde die Kommission ersucht, in diesem Frühjahr eine Mitteilung zur Einbeziehung der Beschäftigungsaspekte in die EU-Politik vorzulegen.

Schließlich ist es ein Erfolg des Rates von Wien, daß der Dialog zwischen allen betroffenen Akteuren, insbesondere auch mit den Sozialpartnern, weiter forciert werden soll. Denn Beschäftigungspolitik ist ein komplexes Handlungsfeld, in dem es verschiedene Akteure gibt. Es geht darum, auch diese in ihre Verantwortung zu nehmen.

Damit sind die entscheidenden Weichenstellungen für eine gemeinsame europäische Beschäftigungspolitik getroffen. Es liegt nun an den Mitgliedstaaten, diese Vorgaben zu nutzen, und ich bin sicher, daß sie dieser Aufgabe gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch kurz auf zwei Bereiche eingehen, die mir persönlich am Herzen liegen und in denen die österreichische EU-Präsidentschaft nachdrückliche Initiativen gesetzt hat. Es sind dies jene Bereiche, für die ich auch in Österreich verantwortlich bin, nämlich Kultur und Sport.

Während des österreichischen Vorsitzes ist es gelungen, im Kulturbereich die Diskussion über das Rahmenprogramm sehr weit voranzutreiben. Ich darf hier mit Stolz behaupten, daß wir eine sehr verkürzte Diskussionsphase gehabt haben. Es war in früheren Zeiten durchaus üblich, für die Festlegung von Rahmenprogrammen zwei Jahre Diskussionszeit zu verwenden. Wir haben es in vier Monaten geschafft, einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln, der letztendlich so weit abgesichert ist, daß er, wenn die Agenda 2000 beschlossen wird, auch mit in Kraft treten kann. Es ist uns auch gelungen, die Finanzierungsbasis beziehungsweise die gesetzliche Basis für die Finanzierung der Fördermittel für 1999 zu sichern. Und zwar ist es uns in einer relativ kurzen Zeit, nämlich in eineinhalb Monaten, gelungen, die Rahmenprogramme in diesen Bereichen zu verlängern.

Ich darf aber insbesondere darauf hinweisen, daß es gerade im Kulturbereich in den letzten zehn Jahren zu einer Entwicklung gekommen ist, die auch für die Beschäftigungspolitik sehr bedeutsam ist. Der Kulturbereich beschäftigt mittlerweile genauso viele Arbeitnehmer wie die ge


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samte Nahrungsmittelindustrie in der Europäischen Union und ist in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen. Ich glaube, daß es wichtig war, daß wir uns auch mit dem Thema Kultur und Beschäftigung während unserer Präsidentschaft auseinandergesetzt haben.

Wir haben Akzente gesetzt, und die deutsche Präsidentschaft wird diese Akzente beziehungsweise diese Schwerpunkte fortsetzen.

Aber ein Durchbruch ist uns darin gelungen, daß es eine Vereinbarung zwischen den Kommissaren der DG 10 und DG 4 gegeben hat, in die erstmals die Kultur als gleichberechtigter Teil der europäischen Politik aufgenommen wurde, und zwar nicht als Unterteil der Wirtschaftspolitik, als nachgeordneter Teil jener Paragraphen oder Artikel, die die Wirtschaftspolitik regeln, sondern als gleichberechtigter Partner im Bereich der Europäischen Union. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Schritt hin zu einer Union der Bürger, weil man damit auch einen Lebensumstand jedes einzelnen europäischen Bürgers aufgegriffen und als gleichberechtigten Teil der Politik betrachtet hat. Das ist eine wesentliche Veränderung, wenn sie auch nur in einem kleinen Teilbereich passiert. Aber ist eine Tendenz ablesbar, das heißt, es wandelt sich die Politik, und zwar vom reinen Wirtschaftsraum Europa hin zu einem Europa der Bürger, in dem die Lebensumstände des einzelnen ernsthaft wahrgenommen und auch berücksichtigt werden.

Ich glaube auch, daß die Kultur im Integrationsprozeß beziehungsweise im Erweiterungsprozeß eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die Kultur war immer die Avantgarde eines fortschrittlichen Prozesses, sie hat immer die Schritte der Politik vorgedacht. Kultur hat niemals an Grenzen haltgemacht und wird auch an den Schengen-Grenzen nicht haltmachen. So werden Kultur und Kunst immer Eisbrecher sein, die gewisse Vorbereitungsarbeiten, Informationsarbeiten leisten werden, damit ein Prozeß, wie ihn der Herr Vizekanzler angesprochen hat und der in dieser Form auch zu unterstützen ist, vorweggenommen, unterstützt werden kann und die informative Aufarbeitung eines derartigen Prozesses erfolgen kann.

Die Vielfalt der Kulturen ist der Reichtum Europas. Wir müssen diese anderen Kulturen akzeptieren, dann werden wir auch einen Erweiterungsprozeß akzeptieren, dann wird der einzelne auch über Informationen verfügen, die ihm die Angst nehmen und ihn befähigen, den anderen und auch das Leben des anderen zu akzeptieren.

Ich glaube, daß wir da eine sehr verantwortungsvolle Position vertreten und sehr interessante Veranstaltungen durchgeführt haben. Wir haben alle Kulturminister eingeladen, an einer Diskussion teilzunehmen. Wir haben das erste Mal das Diskussionsforum in der Europäischen Union für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wir haben alle Linzer eingeladen, an einer Diskussion mit den Kulturministern der Europäischen Union und der Erweiterungsstaaten teilzunehmen. Es wurde davon sehr reichlich Gebrauch gemacht. Auch das ist ein neuer Schritt Österreichs gewesen: die Öffnung hin zum Bürger und die Diskussion mit dem einzelnen, sodaß man sieht, daß nicht Politik im Elfenbeinturm gemacht wird, sondern Politik für den einzelnen, und nicht hinter verschlossenen Türen, sondern transparent. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist uns auch in einem anderen Teilbereich ein großer Erfolg gelungen, nämlich im Bereich des Sports. Im Sport werden wir insbesondere durch die Veränderung der Finanzströme in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu bewältigen haben. Ich glaube, jeder einzelne europäische Bürger ist in irgendeiner Form passiv oder aktiv mit dem Sport verbunden, und es ist auch an der Zeit, daß sich die Europäische Union mit dem Sport auseinandersetzt.

Alle Urteile, die in den letzten Jahren für Aufregung gesorgt und auch beim einzelnen zu einem gewissen Unmut mit der Europäischen Union geführt haben, haben es notwendig erscheinen lassen, sich auch mit diesen Bereichen auseinanderzusetzen. Ich glaube, auch diesbezüglich ist uns einiges gelungen.

Wenn ich schon die Gelegenheit habe, dann möchte ich auch den Bundesrat informieren. Es ist in die Schlußerklärungen aufgenommen worden, daß die Kommission beauftragt wurde, Formen zu finden, wie man zu einer Verankerung des Sports im europäischen Regelwerk kommen könnte. Das heißt, der erste Vorbereitungsschritt ist, darüber nachzudenken, wie man auch


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Sport im Regelwerk der Europäischen Union verankern kann. Eine diesbezügliche Initiative ist von Österreich ausgegangen. Es ist, wie ich meine, notwendig, sich mit dieser sozialpolitischen Aufgabe, die in den nächsten Jahren wesentlich größere Herausforderungen bringen wird als in den vergangenen Jahren, zu beschäftigen. Erzwungene Freizeit – infolge eines Mangels an Beschäftigung – oder unerzwungene Freizeit – infolge von Veränderung der Arbeitszeit – werden eine Herausforderung für den Sportbereich bringen, soziale Komponenten festzulegen, damit die Freizeit sinnvoll genützt werden kann. Diesbezüglich hat meiner Meinung nach Österreich auch einen ganz wesentlichen Schritt gesetzt.

Ich möchte nochmals sagen, es war eine Arbeitspräsidentschaft, ich kann die bereits angeführten Erfolge nur bestätigen. Wir sind in der Agenda 2000 bei der Strukturfondsreform relativ weit gekommen. Wir haben unsere Aufgabe im Agrarbereich erledigt. Selbstverständlich wird das letzte Wort immer über die Finanzierung dieser Tätigkeiten fallen. Wir sind so weit gekommen, daß die verschiedenen Standpunkte beim Gipfel von Wien eingebracht wurden. Diese Festlegung der verschiedenen Standpunkte führt nun einmal dazu, daß man über diese diskutieren kann, und diese Diskussion wird diese Standpunkte zusammenführen.

Aber ich glaube auch, daß es eine ganz große Errungenschaft des Wiener Gipfels war, daß es zu keiner Eskalation der Auseinandersetzung und zu keiner Blockadepolitik gekommen ist, sondern zu einer Festlegung dieser Standpunkte, zu einer Akzeptanz der einzelnen Standpunkte und nicht zu einer Auseinandersetzung beziehungsweise wechselseitigen Blockade. Ich glaube, daß es deswegen wichtig war, diesen Gipfel in dieser Harmonie abzuführen, weil eine Blockadepolitik und eine Auseinandersetzung beim Wiener Gipfel zu einer nicht so klaglosen Geburt des Euro geführt hätten, weil die Verantwortung nach der wechselseitigen Blockade eine andere wäre. Wäre es früher nur eine politische Analyse gewesen, die sich damit auseinandergesetzt hätte, so wäre es danach auch zu einer wirtschaftlichen Analyse und Auseinandersetzung gekommen, und diese wirtschaftliche Betrachtung einer derartigen Blockadepolitik hätte auch die Märkte beeinflußt. Auch das konnte vermieden werden, das ist ein Erfolg der österreichischen Präsidentschaft, das ist auch ein Beitrag zu einer ruhigen und erfolgreichen Einführung des Euro gewesen. Damit haben die europäischen Staaten ihre Verantwortung diesem neuen Gebilde Euroland gegenüber bewiesen und gezeigt, daß sie mit derartigen Situationen umgehen können. Das hat auch das Vertrauen in den Euro gestärkt und gerechtfertigt.

In diesem Sinne kann man sagen, daß es eine von unserer Warte aus erfolgreiche, arbeitsreiche Präsidentschaft war. Ich möchte es nicht verabsäumen, mich auch bei dieser Gelegenheit bei der Beamtenschaft zu bedanken, die hervorragende Arbeit während dieser Präsidentschaft geleistet hat. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.10

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke dem Herrn Staatssekretär für seine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile ihm dieses.

10.10

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Meine Damen und Herren! Ich werde für meinen Beitrag 15 Minuten benötigen.

Herr Präsident! Ich darf Ihnen namens meiner Fraktion zum Inhalt Ihrer Inaugurationsrede herzlich gratulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie war geprägt von parlamentarischem Selbstbewußtsein und Rückgrat. Sie werden angesichts dieser Ihrer Grundhaltung unsere Unterstützung haben.

Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Und nun zu Ihnen beiden. Ich danke Ihnen für die Erklärung zur Präsidentschaft unseres Landes in der Europäischen Union. Das ist jetzt eine Präsidentschaft, die in den kommenden sieben Jahren wieder der Vergangenheit angehören wird, und die Beurteilung, die Sie hier vor uns, vor dem Bundesrat, angestellt haben, gilt es natürlich


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etwas in ihrer Euphorie zu dämpfen. Die Beurteilung Ihrer Präsidentschaft, meine Herren der Regierung, fällt nämlich ausgesprochen zwiespältig aus. Wir Freiheitliche wollen allerdings nicht behaupten, daß während dieses halben Jahres alles falsch gelaufen sei. Es hat ja zugegebenermaßen – Sie sind darauf auch eingegangen, Herr Vizekanzler – seine Tücken, als kleines Land eine solche Präsidentschaft übernehmen zu müssen. Und es ist wohl klar, daß nicht von heute auf morgen der Schwanz mit dem Hund zu wedeln beginnen wird. Es geht uns aber darum, zu beurteilen, was unabhängig von der Größe unseres Landes, von der Durchschlagskraft unserer Politiker und von der Dauer der Mitgliedschaft in der Europäischen Union während dieses halben Jahres hätte geschehen können und was von Ihnen versäumt worden ist.

So kann es auch nicht verwundern, meine Herren von der Regierung, daß es zu Ihrer Präsidentschaft in der Öffentlichkeit zu einem bemerkenswerten Echo in der heimischen und in der internationalen Presse gekommen ist. Es ist hier zu lesen von einer "mageren EU-Präsidentschaft", von einem "Gipfel der Platitüden". Es wird davon gesprochen, daß Sie vollmundig agiert hätten, daß der Gipfel ein flacher war, daß es dabei um neue Worthülsen und keinen Fortschritt gegangen sei.

"Ganze Kraft für halbe Arbeit": "Was vor Wochen als Geist von Pörtschach beschworen wurde", steht hier zu lesen, "ist nichts weiter als Chimäre".

"Auf dem Gipfel der Freundschaft vertrödeln Europas Macher die notwendigen Reformen", lautet eine Überschrift. "Der Katzenjammer nach der EU-Präsidentschaft Österreichs" wird in der Zeitschrift "Gewinn" dann auch noch dokumentiert.

Die internationalen Pressestimmen, meine Herren von der Regierung, waren bei weitem auch nicht freundlicher. Der Berliner "Tagesspiegel" fordert in einem Leitartikel "Schluß mit den Europa-Lügen" und beklagt die langsamen Fortschritte der EU bei wichtigen Themen: "Auch Wien" – stand dort zu lesen – "ist eine Enttäuschung. Der Klub der 15 tingelt durch Europa nach dem Motto: Was wir nicht in diesem Halbjahr schaffen, erledigen wir im nächsten – oder wieder nicht."

Die "Sunday Times" sprach von Wien als dem Gipfeltreffen, das mit den wachsenden Finanzproblemen der Europäischen Union nicht fertig wird. "El Mundo" in Madrid sprach vom Wiener Gipfel, der in die Geschichte eingehen werde als einer jener Momente, in denen der Zug nicht weiterfahren konnte, weil sich die Lokführer nicht einig sind, auf welcher Route sie weiterfahren sollen. Und die italienische Presse kritisierte Ihre Arbeit als Gipfel der Aufschiebungen.

Meine Herren von der Regierung! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wir von der freiheitlichen Opposition wollen ja nicht ungerecht sein. Sie haben sich – und der Herr Vizekanzler ist darauf auch eingegangen – ja redlich bemüht. Sie, Herr Vizekanzler, und auch Ihr Regierungschef waren sich wohl nicht immer ganz einig, wer jetzt wessen Mittagessen fortsetzt. Sie haben sich aber doch während dieses halben Jahres mächtig in Szene gesetzt.

In der Zeitschrift "Gewinn" in der Nummer 1/99 wird das von einem Anonymus treffend skizziert – ich darf zitieren –: "Klima" – wird hier geschrieben – "war scheint’s überall – und dazwischen eröffnete er noch dies und das, mal mit einem lieben Tierchen, mal mit einem treuen Parteifreund. Völlig anders hingegen die Situation für ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel. So ungerecht kann die Politik sein: Er hat während Österreichs EU-Vorsitz hervorragende Arbeit geleistet, ist von Termin zu Termin gejagt, hat geschickt verhandelt" (Beifall bei der ÖVP), "ist seinem Ruf" – es geht noch weiter; die Komplimente gehen noch weiter – "als ,blitzgescheiter Kerl‘ voll gerecht geworden, hat auch seine Belastbarkeit und seine Internationalität eindrucksvoll unter Beweis gestellt – nur" – und das ist der Pferdefuß, Herr Vizekanzler – "in Österreich hat die Öffentlichkeit kaum etwas davon gemerkt.

Während Klima brillierte, wirkte Schüssel stets wie sein Sekretär; nicht wie Österreichs Vizekanzler. ...


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Schlimmer noch: Während er von Termin zu Termin gejettet ist, bröselte ihm seine labile ÖVP in Österreich förmlich unter den Fingern weg." – Was hier sonst noch geschrieben steht, Herr Vizekanzler, ist eine zu große Unverschämtheit. Ich erspare Ihnen die weiteren Zitate.

Volkes Mund aber, Herr Vizekanzler, ist nie ganz falsch. Sie sollten sich mit Ihrem Regierungspartner, mit Ihrem Regierungschef doch einmal zusammensetzen, ein ernstes Wort reden, damit auch Sie etwas mehr im Rahmen dieser europäischen Politik so zum Zuge kommen, wie Sie es eigentlich verdienen würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Applaus bei der ÖVP!

Zum Inhalt, meine Damen und Herren. Beim Wiener Gipfel, dem Höhepunkt Ihrer Präsidentschaft, einigte man sich nicht auf konkrete Inhalte, so wie Sie das hier darzustellen versucht haben, sondern nur auf eine Reihe von Punkten, mit denen sich die nachfolgenden Präsidentschaften der Bundesdeutschen und der Finnen werden beschäftigen müssen. Das wichtigste EU-Projekt, die Agenda 2000, soll beim Gipfel in Brüssel im März behandelt werden. Der Rat in Köln im Juni soll den Beschäftigungspakt überprüfen und ausbauen. In Helsinki im Dezember will man die Wirtschaftspolitik koordinieren. Die Finnen sollen sich noch um die innere Sicherheit und die Umwelt kümmern, die Deutschen um die Menschenrechte. Die Reform der Institutionen soll zwischen Köln und Helsinki aufgeteilt werden. Dort soll sogar die Funktionsweise des Rates verbessert und – man höre und staune – dem Betrug verstärkt der Kampf angesagt werden. Die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik soll in Helsinki überprüft werden, während in Köln Strategien gegenüber Ost- und Südosteuropäern festgelegt werden sollen. Sie, Herr Vizekanzler und Herr Staatssekretär, sind darauf eingegangen. Man wird sich dort außerdem auch mit der Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik befassen, wobei die Osterweiterung im Zentrum stehen soll.

An dieser Liste der Themen für 1999, meine Damen und Herren, die ich Ihnen jetzt in aller Kürze aufgezählt habe, sehen Sie, was 1998 nicht erledigt worden ist. Es geht dabei um die wesentlichen Bereiche und nicht um eine Weiterentwicklung. In diesen wesentlichen Bereichen, meine Herren von der Regierung, lebten Sie in diesem letzten halben Jahr eine Flucht aus der Verantwortung durch Vertagen und Verschieben. Und das, Herr Staatssekretär, haben Sie die Stirn, dann "Wiener Strategie" zu nennen. Ich muß mich wirklich sehr wundern.

Aber ich gebe zu: Neben den Bemühungen zur Erhaltung der Duty-free-Läden haben Sie auch noch den Euro einführen dürfen, weil Sie halt gerade die Präsidentschaft innehatten. Die Einführung des Euro ist in der Tat ein Meilenstein, das sei zugegeben. Dies wird Auswirkungen auf den Markt von in weiterer Folge mehr als 400 Millionen Menschen haben.

Sie sollten sich aber, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, bei diesem Thema nicht zu früh freuen, denn schon die Grundlage für den Start des Euro, nämlich die Konvergenzkriterien, konnten nur durch die Ausnützung von unseriösen Tricks erreicht werden. Wir konnten das hier in der Debatte schon des öfteren erläutern. Und schon werden europaweit in bezug auf Budgetdisziplin die Zügel wieder lockerer gelassen. Die Stabilitätspakte bieten keine ausreichende Garantie dafür, daß der Euro nicht eine weiche Währung wird. Die vorschnell eingeführte Einheitswährung bleibt allem Jubel zum Trotz ein gewagter Poker mit ungewissem Ausgang und enormem Risiko. Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, mußten sich auch in den letzten Tagen schon eine Rüge der Europäischen Kommission gefallen lassen, in der diese sagte, daß die Wiener Budgetstrategie sehr risikoanfällig sei. Und wir können uns hier dieser Beurteilung nur anschließen. Der Herr Staatssekretär ist des langen und breiten darauf eingegangen.

Dieselbe ungelöste Problematik haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch in der Frage der Arbeitslosigkeit. Die Beschäftigungspolitik war eines der Hauptthemen.

Von der Lösung dieser Frage allerdings sind Sie heute weiter entfernt als je zuvor, und zwar nicht nur europaweit, sondern auch auf nationaler Ebene. 11 Prozent durchschnittliche EU-weite Arbeitslosigkeit würden mehr strukturändernde Maßnahmen verdienen als altlinke Rezepte der Geldverschwendung, wie wir sie derzeit aus der Bundesrepublik Deutschland da und dort hören.


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Ein Abbau des Staates, flexible Arbeitsgrundlagen, ausgeglichene Budgets und niedrige Steuern allein können durch die Stimulierung der Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen.

Die Rekordarbeitslosigkeit von knapp 300 000 Personen in Österreich ist ein Beweis dafür. Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Ihre eigenen Experten machen Sie auf Ihre grundlegenden Denkfehler aufmerksam. Der Chef des AMS auf Bundesebene, Herbert Buchinger, hat klar und deutlich erklärt, daß der Herr Bundeskanzler da etwas kurzschlüssig denke – ich zitiere da eine Pressemeldung – und daß es Politikern schwerfalle, die Zusammenhänge auf dem Arbeitsmarkt nachzuvollziehen, sie seien zu sehr saldenfixiert. In dieser Art und Weise korrigiert der Chef des AMS den Regierungschef der SPÖ-dominierten Bundesregierung treffend, wie ich meine, und Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sollten sich das auch etwas mehr zu Herzen nehmen.

Daß sich auch die Strukturen der Europäischen Union, über die Sie während Ihrer EU-Ratspräsidentschaft ja da und dort auch ein wenig diskutiert haben, von Ihrer EU-Ratspräsidentschaft mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, meine Herren von der Regierung, zeigen die heutigen Ereignisse im EU-Parlament. Das EU-Parlament bringt gegen die EU-Kommission einen Mißtrauensantrag ein, weil dort sage und schreibe 56 Milliarden Schilling in diffusen Kanälen der Brüsseler Korruption verschwunden sind. Man darf darauf gespannt sein, ob die Mehrheit im Europäischen Parlament das Richtige zur Stunde tun wird, nämlich diese Kommission abzuwählen.

Meine Damen und Herren! Sie hätten sich während dieses halben Jahres – wenn schon um sonst nichts – doch wenigstens um die Betrügereien in den Institutionen der EU und um ihre Bekämpfung etwas mehr kümmern sollen. Sie sehen an den aktuellen Ereignissen, daß das wirklich lohnend gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie sollten auch – und ich glaube, daß das ein wesentlicher Punkt ist – die deutsche Bundesregierung in diesem einen Punkt unterstützen, wenn sie für die kommende EU-Osterweiterung klare Bedingungen vorgibt, unter anderem was die Neuregelung der Beitragszahlungen betrifft – ein Thema, das wir nicht geringachten sollten und das auch für unser Land von großer Bedeutung ist.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben Ihre EU-Ratspräsidentschaft – ich habe es schon erläutert – mehr oder weniger geschickt als Wahlkampfgeplänkel verwendet. Tatsächlich bewegt – ich resümiere – hat Ihre EU-Ratspräsidentschaft wenig. Sie allein allerdings sind daran nicht schuld, es krankt der EU-Koloß an sich und an seiner Gigantomanie. Wir Freiheitliche wollen eine bürgernahe, realistische und nüchterne Politik mit Hausverstand, ohne Hang zu wahnhaften Visionen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.24

Präsident Gottfried Jaud: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Albrecht Konecny. – Bitte.

10.24

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit einem ÖVP-Arbeitskreis in die innerparteilichen Diskussionen einzulassen, wie sie der Herr Vizekanzler – in diesem Fall muß ich eher sagen der Herr Parteivorsitzende – und der Herr Präsident hier begonnen haben. Ich glaube, daß alle Vorstöße, die ein Weniger an Demokratie in den Ländern, ein Weniger an Demokratie auch im Bund ins Visier nehmen, solche sind, denen wir mit einer gesunden Portion Mißtrauen entgegentreten müssen. Ich glaube, daß auch dort, wo es meinetwegen ein kleines Stückchen demokratische Redundanz gibt, der Bürger und die Bürgerin ein hohes Maß an Verständnis dafür haben, daß in diesem Fall mehr besser ist als weniger, und wir sollten uns vor technokratischen Vereinfachungsmodellen sehr hüten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Da stimme ich zu! – Bundesrat Dr. Königshofer: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?)


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Also Sie sind für ein Minus an Demokratie, heißt das? – Ich habe Sie nicht ganz verstanden, aber das macht nicht wirklich etwas aus.

Ich glaube, wir haben in der Diskussion ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Sie werden später das Wort noch ergreifen, Kollege Tremmel, und zwar, wie ich weiß, mit großer Ausführlichkeit.

Wir haben hier den Bericht über die österreichische EU-Ratspräsidentschaft entgegengenommen, die tatsächlich kein "Erleuchtungserlebnis" war. Alle Vertreter einer seriösen europäischen Politik haben folgendes bemerkt: Ein sechsmonatiges "Erleuchtungserlebnis" für die Europäische Union war weder vorstellbar noch geplant. Was diese Bundesregierung abgeliefert hat, ist der Beweis dafür – der erneute Beweis, muß man im Hinblick auf jene Staaten sagen, die bereits länger EU-Mitglieder sind –, daß eine EU-Präsidentschaft eines kleinen Landes sehr wohl den Prozeß der Weiterentwicklung der Europäischen Union in Gang halten kann, neue Impulse setzen kann, Spezifika einbringen kann und damit neben vierzehn anderen Beiträgen einen Beitrag für diese Gemeinschaft, für diese Union, erbringen kann.

Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft war während einer langen Periode – und das ist noblerweise von den Regierungsmitgliedern nicht erwähnt worden – in ihrer Entscheidungsfähigkeit dadurch beeinträchtigt, daß bei einem wichtigen, nämlich dem deutschen Partner eine politische Richtlinienentscheidung anstand und daß zuerst die dort noch im Amt befindliche Regierung zu weitreichenden Entscheidungen – verständlicherweise, muß man sagen – keine Zustimmung geben konnte und wollte und daß dann die neue Regierung dort – auch das ist verständlich – ein Weilchen gebraucht hat, bis sie ihre eigenständigen Standpunkte entwickelt hat. Diese wichtige Rahmenbedingung muß man als Kulisse, vor der sich unsere EU-Ratspräsidentschaft abgespielt hat, mit ins Bild nehmen, um zu erkennen, daß das, was erreicht wurde, außerordentlich viel ist.

Eine Vielzahl von Stimmen gerade im Europäischen Parlament hat der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft bestätigt – und ich betrachte das als Lob –, daß es eine außerordentlich politische Präsidentschaft war, also keine, die ausschließlich die Verwaltungselemente weitergeführt hat, die nicht sozusagen nur anhand eines längst vorbestimmten Terminplanes Entscheidungen dann, wenn sie angestanden sind, getroffen hat, sondern die sehr wohl inhaltlich akzentuierte Gesichtspunkte in die Union eingebracht hat.

Es sind als Ergebnisse, vor welchen lange verhandelt wurde, die Einführung des Euro, die Ingangsetzung des langwierigen und natürlich auch nicht an einem Punkt festzumachenden EU-Erweiterungsprozesses, die Fortschritte, die im Bereich der Kunst erreicht werden konnten, aber auch natürlich der Schweiz-Vertrag, die Fortschritte, die im Bereich des Verkehrs erreicht werden konnten, die Fortschritte, die im Bereich der europäischen Forschung erzielt werden konnten, und die verstärkte Dimension – es ist eigentlich eine neue Dimension – einer besser koordinierten Sozial- und auch Beschäftigungspolitik zu nennen.

Ich glaube, daß da doch ein Mißverständnis vorliegt, dem auch der Herr Präsident unterliegt. Es ist schon richtig, daß man Pferde nur zur Tränke führen kann, saufen müssen sie dann selbst. Aber die Tränke muß da sein, und Wasser muß in ihr sein. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Niemand gibt sich der Illusion hin, daß staatliche oder Unionspolitik per se Beschäftigung, konkrete einzelne Arbeitsplätze schaffen kann. Aber "Wasserstellen" einzurichten, Strukturen zu schaffen und dafür zu sorgen, daß die wirtschaftlichen Pferderln dorthin gehen oder hingehen können, das ist politische Aufgabe im nationalen und im europäischen Raum. Ich betrachte es als einen der ganz entscheidenden Erfolge österreichischer Intervention in der Europäischen Union, und zwar nicht nur innerhalb der letzten sechs Monate, daß Beschäftigungspolitik zu einem Thema gemeinschaftlicher Anstrengung geworden ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist ja nicht wahr, daß diese Initiativen nicht greifen. Es ist darauf hingewiesen worden, daß es aus der Konvergenz nationaler und gemeinschaftlicher Bemühungen sehr wohl möglich war, im


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Gesamtmaßstab der Union eine Reduzierung der Arbeitslosenprozentsätze zu erreichen. Ich gebe zu, daß das noch immer in unzureichendem Maße geschehen ist, aber ich meine, daß man es als Anfang bezeichnen kann. Doch das, was immerhin geschehen ist, soll man nicht wegdiskutieren wollen.

Wir haben auch im österreichischen Rahmen – und auch da liegt ein vermutlich gewolltes Mißverständnis vor – natürlich einen Prozeß, bei dem wir auf der einen Seite, was höchst bedauerlich ist, ein Wachstum der Arbeitslosenzahlen haben, aber auf der anderen Seite gleichzeitig ein Wachstum der Beschäftigtenzahl. Zwischen diesen beiden Bereichen besteht natürlich eine Wechselbeziehung. Es ist eine Tatsache, daß sehr viele Menschen in Beschäftigung gekommen sind. Wenn Sie sich die Unterlagen genauer anschauen, dann können Sie sehen, daß die Bewegungsgeschwindigkeit eine viel größere geworden ist: Wir haben noch nie so viele Menschen in Beschäftigung vermittelt wie im Dezember des Vorjahres. Allerdings sind auch noch nie so viele Menschen neu in die Arbeitslosigkeit gekommen. Da sind die Prozesse rascher geworden; ein positiv wertendes Vokabel will ich da gar nicht finden. Daher ist das auch eine Sogwirkung für den Arbeitsmarkt: Wenn Menschen Beschäftigung finden, dann treten auch andere, die bisher keine Arbeit gesucht haben, in den Arbeitsmarkt ein. Da ist ein dynamischer Prozeß in Gang gekommen. Die Zahl der sich anbietenden Menschen, auch österreichischer Staatsbürger ... (Bundesrat Dr. Königshofer: 300 000 bieten sich in Österreich an!)

Ja, aber es sind mehr Arbeitskräfte – und Sie brauchen nur das Gesamtvolumen zu betrachten! –, als sich bloß aus der Geburtenrate und aus der Zuwanderung ergäbe, weil Menschen wieder auf den Arbeitsmarkt drängen. Das ist durchaus etwas, was wir begrüßen. Da gibt es zahlreiche Maßnahmen, die Effekte haben. Wenn man die Voraussetzungen dafür schafft, daß Frauen, die eines Kindes wegen zu Hause geblieben sind, aufgrund eines vorhandenen Kindergartenplatzes wieder an Beschäftigung denken können, dann wächst das Volumen. (Bundesrat Dr. Königshofer: Die Katze beißt sich in den Schwanz!)

Meinen Sie damit, daß wir dafür sorgen sollen, daß diese Frauen daheim bleiben? Wo beißt sich da die Katze in den Schwanz? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Königshofer. ) – Nein! Wenn wir den Menschen Chancen geben wollen, dann müssen wir dafür die Voraussetzungen schaffen, und zwar, wenn Sie so wollen, sowohl am einen Ende als auch am anderen Ende. Ich würde das nicht als "Schwanz" bezeichnen, sondern da geht es um menschliche Schicksale, da geht es um Lebenschancen, und dafür müssen wir vorsorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Bösch hat unter Beweis gestellt, daß er vielsprachig Zeitungen lesen kann. Ich habe mir auch eine solche Kollektion, allerdings in anderer Richtung – es hat viele Kommentare gegeben –, mitgenommen, aber das Lichtlein, von der Frau Präsidentin schon zum Blinken gebracht, hält mich davon ab, diese Fotokopien in gleicher Weise vorzulesen.

Natürlich ist das internationale und nationale Echo auf unsere EU-Ratspräsidentschaft ein unterschiedliches, je nach den Erwartungen, je nach dem politischen Standort, aber ich glaube, daß wir mit gutem Gewissen sagen können, daß wir in den sechs Monaten unserer EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich etwas weitergebracht haben, und zwar in einer partnerschaftlichen Haltung der Bundesregierung, des Bundesrates und des Nationalrates, weil wir natürlich – und da dürfen wir uns selber ein wenig rühmen – in diesem halben Jahr mit unserer Bereitschaft, Sitzungen umzustellen, Tagesordnungen zu ändern, auf die Nichtanwesenheit eines Regierungsmitglieds Rücksicht zu nehmen, auch etwas zu den Arbeitsbedingungen unserer EU-Ratspräsidentschaft beigetragen haben. Ich reklamiere damit nicht, daß wir auch noch einen Dank erhalten sollen, aber gesagt soll es werden.

Ich glaube, daß auch die Reaktion in der Bevölkerung uns gezeigt hat, daß es ein angemessenes Maß an zurückhaltendem Stolz über diese erfolgreiche Bewährungsprobe gibt – keine Euphorie, keine überschwengliche Begeisterung, aber die Befriedigung darüber, daß unser Land durch seine Regierungsvertreter dieser Aufgabe gerecht geworden ist.


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Die Entwicklung der Europäischen Union ist mit diesen sechs Monaten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nicht zu Ende gegangen, die Entwicklung der Europäischen Union hat auch nicht vor sechs Monaten begonnen. Es ist zugegebenermaßen eine nicht so leicht in unserem politischen Denken unterzubringende Tatsache, daß es wirklich ein endloser Stafettenlauf ist, in dem man nach heutigen Regelungen nach siebeneinhalb Jahren dann wieder drankommt.

Ich halte das für ein besonders harmonisierendes und versöhnendes Prinzip, und wenn das Projekt Europa eines der Harmonisierung und der Versöhnung ist, dann haben wir unseren angemessenen Beitrag geleistet, dann können wir von denjenigen EU-Ländern, die in den nächsten Halbjahren die Präsidentschaft im EU-Rat innehaben werden, ein gleiches verlangen, und dann können wir uns darauf vorbereiten, diesen Prozeß in einem weiteren Mal – dann werden die meisten von uns nicht mehr daran beteiligt sein – wieder ein Stückchen weiterzutreiben.

Ich halte für das Faszinierende und wirklich Entscheidende dieses europäischen Prozesses gerade das graduelle Wachstum, das ständige Weiterwachsen. Das ist – und da werde ich doch ein wenig pathetisch – das Prinzip der Natur, die auch nicht eruptiv wächst, sondern langsam, kontinuierlich, aber stabil. Man kann sagen, daß es doch kein so schlechtes Prinzip sein dürfte, wenn wir uns anschauen, wie im großen und ganzen die Natur relativ viel, was ihr angetan wird, übersteht. Wenn das das Wachstumsprinzip der Europäischen Union ist, dann können wir auch da auf eine solide Entwicklung hoffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.38

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, daß der heute hier vorliegende Bericht ein sehr wesentliches Dokument der Erfolge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist, die wir 40 Monate nach unserem EU-Beitritt innegehabt haben. Es wurde sicherlich Großartiges geleistet. Dafür möchte ich Dank sagen der Regierung, den Beamten, vor allem jenen im Außenministerium, aber auch jenen in den anderen Ministerien, allen öffentlichen Stellen und auch Gesamtösterreich.

Selbstverständlich: Österreich, vor allem Wien, war durch Jahrhunderte immer wieder Zentrum für viele Völker und Nationen. Es ist also da Geschichte passiert. Die letzten sechs Monate sind sicher nicht vergleichbar mit dem Wiener Kongreß, der etliche Jahrzehnte Frieden in Europa im vorigen Jahrhundert gebracht hat.

Ich sehe das Ganze positiv. Österreich ist heute in Europa. Es ist ein kleines Land, aber es hat eine große Erfahrung und eine große Geschichte in diesem Bereich.

Ich darf dazu folgendes sagen: Der große österreichische Dichter Grillparzer hat einmal gesagt: "Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält." – Gemeint war, daß da viele Völker und Nationen in Frieden und Freiheit zusammenleben konnten. Wir haben damit zweifelsohne dieses Europa in kleinem Ausmaß in Mitteleuropa vorgelebt gehabt. Vielleicht waren wir am Anfang dieses Jahrhunderts zu modern, und deswegen sind die Mißverständnisse hinsichtlich des Nationalismus entstanden, die dann zu zwei Weltkriegen auf unserem Kontinent geführt haben.

Wir gehen aber jetzt in ein Europa des Friedens und der Freiheit hinein. Dieses Europa brauchen wir. Denn wir sehen ja auch – das wurde heute schon öfters erwähnt – am Balkan, im Kosovo, wo der Herr Vizekanzler große Verdienste errungen hat, um dort zumindest wieder einen Frieden herzustellen, daß selbstverständlich auch heute noch große Gefahren vorhanden sind, die es zu vermeiden gilt. Es ist im westlichen Europa sicherlich nicht mehr denkbar, daß dort die Nationen gegeneinander Krieg führen – aber das war. Heute, am Ende dieses Jahrhunderts, in dem wir zwei Weltkriege gehabt haben, in dem man in diesem Europa in einer teilweise ganz harten Form aufeinander losgegangen ist, gehen wir in ein neues Jahrhundert, ja in ein


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neues Jahrtausend, und es soll dies ein Jahrhundert beziehungsweise ein Jahrtausend des Friedens und der Freiheit eines geeinten Europas sein.

Wenn wir den Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen hernehmen: De Gaulle, Adenauer, Degasperi – Degasperi saß als Abgeordneter von Trient hier im selben Haus bis zum Ende Österreich-Ungarns – oder auch Schuman, sie alle haben begonnen, dieses Europa zueinander zu bringen. Ich glaube, daß wir diesbezüglich wieder eine große Aufgabe haben. Ich darf auch noch erwähnen, daß es nach dem Ersten Weltkrieg auch ein Österreicher, nämlich Richard Coudenhove-Kalergi, war, der die Idee eines vereinten Europas in die Waagschale gelegt hat. Leider konnte er zu diesem Zeitpunkt kein geeintes Europa zustande bringen, was uns den Zweiten Weltkrieg erspart hätte.

Wien liegt geographisch und historisch in der Mitte Europas. Wenn nicht der Eiserne Vorhang Jahrzehnte hindurch Europa zweigeteilt hätte, hätte Wien sicherlich in der europäischen Frage eine noch wesentlich größere Rolle gespielt.

Wir haben heute – das wurde auch schon erwähnt – "50 Jahre allgemeine Menschenrechte". Das ist sehr, sehr wesentlich. Aber wir müssen als Europäer auch dafür kämpfen; wir sehen das im Moment noch am Balkan. Auch das ist ein Teil Europas.

Ich glaube, eine sehr wesentliche Sache war, daß es gelungen ist, den Euro einzuführen, daß der Euro jetzt zum Tragen kommt, daß wir eine gemeinsame europäische Währung haben, damit aber auch längerfristig eine gemeinsame europäische Wirtschaft und ein gemeinsames Wirtschaftsverständnis.

Was sicherlich auch in diesem Bereich sehr angesagt ist, sind die innere und die äußere Sicherheit. Wir brauchen in Europa, wie wir wissen, die innere Sicherheit. Es wurde von der Europol gesprochen; diese muß koordiniert sein. Diesbezüglich ist auch etliches in den letzten Monaten vorangebracht worden. Selbstverständlich gilt gleiches auch für die äußere Sicherheit. Es wurde heute hier die WEU erwähnt – eine sehr wesentliche Sache. Ich halte es auch für sehr notwendig, daß wir alle im europäischen Raum in die NATO gehen und damit eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik auch nach außen hin betreiben. Sehr bedeutsam in dieser Europäischen Gemeinschaft ist natürlich auch, daß wir längerfristig eine gemeinsame europäische Außenpolitik brauchen, eine Außenpolitik über unseren Kontinent hinaus, um unsere Interessen zu wahren.

Ob wir die Wirtschaft, die Stabilität, die Beschäftigung, das Wachstum hernehmen – all das ist heute nur mehr im Großraum lösbar. Es wurde über die Osterweiterung gesprochen, eine sehr wesentliche Sache, für die gerade wir Österreicher durch Jahrhunderte ein großes Verständnis gehabt haben, das aber nicht Vergangenheit ist, sondern Gegenwart und auch Zukunft sein muß. Daß man heute Bereiche wie Verkehr, Energie, aber auch Bildung, Wissenschaft und Kultur nur im Großraum Europa, im geeinten Europa wirklich bewerkstelligen kann, ist auch klar. Wenn wir die USA als ein Beispiel hernehmen: Auch die USA haben Jahrzehnte gebraucht, bis alle diese verschiedenen Bereiche so zusammengewachsen waren, wie das heute der Fall ist. Ich glaube, daß die USA historisch gesehen ein gutes Beispiel für uns alle sind, um zu sehen, was dann daraus wurde.

Wir Europäer haben denselben Weg beschritten. Wir müssen ihn mit aller Freude und mit aller Energie gehen. Ich glaube, daß vor allem in den letzten sechs Monaten von österreichischer Seite her mit gutem Beispiel vorangegangen wurde. Denn gerade in Westeuropa merkt man nämlich eines: daß dort, was die Osterweiterung anbelangt, weniger Verständnis vorhanden ist als bei uns. Bei uns ist das historisch gewachsen: geographische Nähe, menschliches Verständnis. Deswegen ist zweifelsohne die Rolle Österreichs eine sehr wichtige. Es ist gerade der Herr Vizekanzler und Außenminister in Brüssel und in der europaweiten Presse sehr beachtet worden, was die gesamten Initiativen in Richtung Osterweiterung, in Richtung Frieden und Freiheit in Europa anbelangt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Payer. )

Ich halte das für eine sehr wesentliche Sache, die auch unserem Vaterland, unserem Österreich im Zentrum Europas sehr geholfen hat, wobei wir auch darauf hoffen können, daß sich dieses


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Europa dahin gehend erweitert, daß wir auch geographisch in diesem Europa ohne Grenzen wieder mit Zentrum sind. – Ich danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

10.47

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Das Thema hat zum Teil erfreuliche, zum Teil nicht ganz so erfreuliche Aspekte. Zum Erfreulichen zuerst: Die Beamtenschaft hat hervorragend gearbeitet. Als zweites – das hat der Herr Staatssekretär erwähnt –: Unsere Schifahrer haben in dieser Zeit Siege um Siege nach Hause, nach Österreich, gebracht und tun das hoffentlich auch weiterhin. Ich freue mich wirklich darüber.

Zum dritten Erfreulichen: Die informelle Informelle Konferenz der Verteidigungsminister war von Erfolg gekrönt, weil sie ein Überraschungselement in sich barg und außerdem dazu beitrug, die europäische Sicherheitspolitik und Außenpolitik zu formieren. Dies war notwendig. Und das ist bei dieser Konferenz geglückt. Das volle Lob gilt dem Herrn Verteidigungsminister, daß er das zustande gebracht hat. Das war eine der 37 großen Konferenzen, die stattgefunden haben. Sie wird leider Gottes, weil es eben eine informelle Informelle Konferenz war, nicht im Bericht der Europäischen Kommission angeführt. Dort sind nur 36 Konferenzen angeführt worden.

Alle anderen Konferenzen waren informell. Und man kann nicht behaupten, daß Hungerleider am Werke waren, Herr Bundesminister, die harte Knochenarbeit geleistet haben. Ich will nicht behaupten, es war, um einen französischen Filmtitel zu zitieren: "Das große Fressen", das war es wahrscheinlich auch nicht, aber gut geschmaust auf Regimentskosten haben sie allemal. (Bundesrat Payer: Das sind kleinkrämerische Aussagen!)

Es war eine Konferenz der Signale. Es war eine Konferenz der Informalität. Es war eine Konferenz der Bürgernähe, und es war eine Konferenz der Beschäftigung. Jawohl, der Beschäftigung! Die Beamten, der Sicherheitsdienst, wurden besonders stark eingesetzt.

Der Herr Bundesminister erwähnte den großen Quantensprung, der anläßlich dieser Konferenz stattgefunden habe. Ich möchte Sie daran erinnern, ohne mich selbst als großartigen Physiker auszuweisen, daß in der Mikrophysik und in der Atomenergie das Wort "Quante" die kleinstmögliche Menge bedeutet, die man bestimmen kann. Wenn Sie sich damit begnügen, eine kleinstmögliche Menge damit ausgedrückt zu haben, dann stimmen wir Ihnen zu. Es schmeichelt Ihrer Bescheidenheit, Herr Bundesminister, daß Sie das als Quantensprung bezeichnet haben. Sollten Sie etwas anderes gemeint haben – das wäre immerhin möglich gewesen.

Es war Ihnen ja auch möglich, ein nettes Büchlein mit humorvollen Sprüchen, "Eurospeak", herauszugeben. Das finde ich auch ganz nett, denn Humor gehört bei solch einer Tätigkeit dazu. Das meine ich nicht sarkastisch. Ich finde, Ihre zeichnerischen Qualitäten sind hervorragend. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir solch ein Büchlein einmal widmen könnten, Herr Bundesminister!

Erstaunlich war, daß die Frau Staatssekretärin diesbezüglich mit dem Zitat zitiert wird: Guat is gangen, nix is gschehn! Jawohl, das paßt ein bißchen zum physikalischen Quantensprung: Es ist nicht viel geschehen!

Daß der Herr Staatssekretär hier sitzt, stimmt mich ein bißchen traurig, denn der Herr Staatssekretär hat ja beim Europäischen Rat nicht unbedingt eine protokollmäßige Funktion. Dort muß sich der Herr Bundeskanzler selbst mit seinen Amtskollegen treffen. Es irritiert mich daher ein wenig, wenn sich der Herr Bundeskanzler hier von jemandem vertreten läßt, der an dieser Konferenz ohne Status war – aber wahrscheinlich dabeigewesen ist, sonst könnte er nicht so informativ berichten. Trotzdem: Hier beim Bericht über die Konferenz gehört der Herr Bundeskanzler her und nicht dessen Vertreter, der bei der Konferenz protokollarisch keine Funktion hatte.


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Der deutsche Außenminister Fischer wurde hier schon erwähnt. Er hat sich, glaube ich, durchaus günstig in unserem Sinne geäußert, daß man das nicht überhapsen soll mit der Osterweiterung. Er wurde aus diesem Grund ja auch von unserem Bundespräsidenten bereits getadelt. Ich glaube, es ist nicht gut, jemanden zu tadeln, der den realistischen Blick für die Zukunft hat und nicht dazu beiträgt, dem Publikum immer wieder Sand in die Augen zu streuen.

Es kommt noch hinzu: Es war eine Konferenz der Bürgernähe, meine Herren Regierungsmitglieder. – Wie drückt sich Bürgernähe aus? Wer wurde vor wem geschützt in Pörtschach und Wien? Wurden die Konferenzteilnehmer vor den ach so aggressiven Österreichern geschützt, daß die Innere Stadt, das imperiale Wien in einer Art und Weise abgesperrt war, wie das einst zu Kaisers nicht üblich gewesen war, wenn sich die Leute zu Konferenzen, wie etwa dem Wiener Kongreß, getroffen haben? Fürchteten sich die Konferenzteilnehmer? Was war der Anlaß ihrer Furcht, Herr Bundesminister, Herr Staatssekretär?

Oder mußten sich die Österreicher vor den Konferenzteilnehmern fürchten und wurden vor diesen geschützt? (Bundesrat Payer: Für so primitiv habe ich Sie nicht gehalten!) – Das wäre ja auch eine Möglichkeit. Das ist ein Gedanke, den ich immer schon hatte: Schützt die Bürger vor den Regierungsmitgliedern! Das ist ein wahrer Gedanke, vielleicht trifft er den Kern der Sache; es wäre gut, das vielleicht doch klarzustellen. Denn eine Konferenz der Bürgernähe braucht nicht ein solches Aufgebot an Sicherheitskräften: im Wörthersee die Froschmänner, wo die Fische in der Kälte nicht mehr schwimmen wollen, und hier in Wien die ganze Innere Stadt abgesperrt, sodaß der Fremdenverkehr zum Erliegen kommt! (Bundesrat Meier: Wehe, wenn etwas passiert wäre!)

Wenn das aber dazu beitragen sollte, den Ministern und deren Anhang und den vielen Journalisten zu signalisieren, wie gut wir eine Konferenz organisieren können, dann möchte ich Ihnen sagen: Das ist sicherlich geglückt, aber die Bürgernähe blieb dabei auf der Strecke!

Sie haben einige Punkte angesprochen beziehungsweise nicht angesprochen. Es scheint mir doch etwas bedenklich, Herr Bundesminister, wenn Sie beziehungsweise der Herr Bundeskanzler folgende Meinung vertreten, die Ihr ehemaliger Justizminister Klecatsky in der "KRONE" zu Recht kritisierte: Zu fragen wäre dazu noch, was sich unsere beiden österreichischen Staatsmänner, die als EU-Vertreter bei ihrem verunglückten Besuch in Washington ihr Verständnis für das grenzenlos zynische US-Kriegsverbrechen geäußert haben, eigentlich gedacht haben. – Gemeint ist die Bombardierung im Irak. Was haben Sie sich da gedacht? Wer gab Ihnen den Auftrag, Verständnis für Bombardieren zu äußern? – Ich habe überhaupt kein Verständnis für Bombardieren, meine Herren Regierungsmitglieder! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Insbesondere habe ich kein Verständnis dafür, wenn man auf jemanden einschlägt, der sowieso am Boden liegt und bestenfalls frech den Mund aufmacht – wie ein kleines Kind, das seinen Eltern immer noch etwas nachsagt, da hilft das ganze Watschen nichts! – Lassen Sie das bleiben, das macht einen miserablen Eindruck!

Aber Sie hätten durchaus die Resolution 242 einklagen können, wonach Israel den besetzten Teil Jerusalems endlich einmal herausgeben soll. Diese Resolution ist doch schon seit geraumer Zeit vorhanden.

Ebenfalls eine unglückliche Äußerung gemacht hat der Herr Bundeskanzler anläßlich des Republiktages am 11. Dezember, indem er meinte, der Mensch sei ein wertvoller Rohstoff. – Ja, ein wertvoller Rohstoff ist der Mensch nur für den, der eine rein materialistische Auffassung des Menschen hat. Das kann man wirklich nicht behaupten, daß wir eine solche haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hat dafür Semmeln an Bedürftige ausgegeben, die er bei "Billa" gekauft hat und nicht bei der notleidenden Greißlerfrau um die Ecke. Das wäre durchaus vernünftiger gewesen.

Wenn wir die gesamte Konferenz betrachten, dann erkennen wir, daß sie eine Konferenz der nicht erledigten Aufgaben war. Wir haben aber die Problematik, daß die Kommission in starken Verruf geraten ist und daß zu dieser "Leistung" der Kommission beziehungsweise der Kommissare von Ihrer Seite kein Wort gefallen ist und vermutlich auch von Ihrer Seite – ich meine


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beide Regierungsparteien – die österreichischen Parlamentarier in Brüssel genötigt oder angehalten werden, sich nicht gegen diese Kommission auszusprechen. Denn wie es hier im Hause üblich ist, daß die Regierungsvertreter, die Parlamentarier, die den Regierungs
parteien nahestehen, Partner der Regierung sind, wie Konecny zu sagen pflegt, scheint es ja auch in Brüssel so zu sein, daß die dortigen sogenannten Parlamentarier Freunde der Kommissare sind. Das wünsche ich mir nicht! Parlamentarier haben stets auf der Hut zu sein und der Regierung und den Kommissaren auf die Füße zu steigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aus diesem Grund, meine Herren, haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, der folgendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend Mißtrauen gegen EU-Kommissare

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemäß Art. N EU-Vertrag einen Vorschlag auf Änderung der Verträge zu unterbreiten, der vorsieht, daß dem Europäischen Parlament die Kompetenz eingeräumt wird, die Amtsenthebung jedes einzelnen Mitglieds der Kommission, welches die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat, beim EuGH zu beantragen."

*****

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Vorkommnisse betrachten und wenn wir diese Art von Vorkommnissen kritisch beurteilen, so kann ich nur sagen: Diese Europäische Union soll sich hüten, eine Osterweiterung vorzunehmen, bevor sie nicht ihren eigenen Stall in Ordnung gebracht hat. Sie soll sich hüten, falsche Hoffnungen zu wecken. Das ist das, was ich vorhin sagte. Lord Dahrendorf hat der Kommission vorgeworfen, daß sie ständig falsche Hoffnungen in den Bürgern der aufnahmebereiten und von uns auch zur Aufnahme vorgesehenen Staaten geweckt hat. Diese Hoffnungen dürfen wir nicht in der Form wecken, daß wir sagen, im Jahr 2002 wird es soweit sein, oder daß wir überhaupt einen Termin setzen. Frühestens 2006, meinte Dahrendorf, käme für die einzelnen Länder die Aufnahme in Betracht.

Und noch etwas: Wie kann man daran denken, ein Land wie Zypern, das geteilt ist, in dem seit 30 Jahren österreichische Soldaten stehen, ein Land wie die Türkei, welches einen Bürgerkrieg hat, überhaupt einzuladen, an dieser Konferenz hier in Wien teilzunehmen? – Demirel ist hierher gekommen und hat gesagt, er kenne kein Kurdenproblem. Herr Außenminister, da muß einem ja die Schamröte ins Gesicht steigen! Dieses Kurdenproblem ist schon ein innereuropäisches Problem geworden. Wie kann da ein Staatsmann unwidersprochen sagen, es sei kein Problem? – Das ist ein europäisches Problem, solche Probleme nicht mit Worten auszusprechen, die sie verdienen. Hier werden Staaten aufgefordert, die überhaupt keine Charakteristika aufweisen, nach Europa eintreten zu dürfen, weil ihnen jedwede demokratische Legitimation fehlt. – Übrigens wie Tschechien oder Slowenien ebenfalls! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seien Sie vorsichtig, meine Damen und Herren, im Hoffnungmachen, nur weil Sie nicht den Mut haben, nein zu sagen – was man durchaus auch mit netten Worten sagen kann. Seien Sie vorsichtig mit den Leuten, auch mit den österreichischen Steuerzahlern! Hier spielt die Musik. Wir wollen nicht ständig ausgenommen werden für eine Regierung, die dann das Geld nach Europa abliefert für Programme, die unüberprüfbar sind. Hier wird gearbeitet. Nicht nur Sie leisten Knochenarbeit, wir leisten auch Arbeit. Wir müssen uns aus fast verborgenen Quellen darüber informieren, was sich da tut. Und dann wird versucht, einer unfähigen Kommission das Überleben zu ermöglichen, nur weil heuer die Euro-Wahlen stattfinden. So geht das nicht! Wir wollen Klarheit, wir wollen eine saubere Europäische Union, wenn wir sie schon haben müssen, aber nicht eine des Vertuschens und des Absenkens der Probleme bei Pörtschach und im Wörther


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see und bei der Wiener Konferenz, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Mißtrauen gegen EU-Kommissare ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

11.00

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Die FPÖ kann die Präsidentschaft der österreichischen Bundesregierung, die sie zum ersten Mal durchgeführt hat, noch so ins schiefe Licht stellen, verunglimpfen, das wird nichts daran ändern, daß wir den Wiener Gipfel als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung empfinden und auch nachvollziehen können, der in der Folge sicherlich zu einer wirkungsvolleren Politik in Europa führen wird. Das zeigte sich auch schon beim informellen Gipfel in Pörtschach, bei dem bereits sehr deutliche Signale in Richtung mehr Beschäftigung, mehr Sicherheit und in Richtung einer künftigen stärkeren außenpolitischen Rolle Europas gesetzt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Alle Unkenrufe, alle Prophezeiungen, die auch von Ihnen gekommen sind, daß der Wiener Gipfel in Streit und Hader der Mitgliedsländer enden werde, sind nicht eingetroffen. Eher das Gegenteil war der Fall: Der Gipfel verlief trotz vieler Probleme in voller Harmonie, es war kein bürokratischer Gipfel, sondern vor allem ein sehr politischer. Es wurde auch gemeint, daß beim Wiener Gipfel unter den Mitgliedsländern die Gefahr der Renationalisierung bestünde. Ich glaube jedoch, daß es unter unserer Präsidentschaft gelungen ist, dies abzuwenden.

Nun einige Anmerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Gudenus: Er hat sich im besonderen über die Sicherheitsvorschriften mokiert, die es bei diesem Gipfel gab. Ich glaube, daß sie in Wien nicht anders gewesen sind als bei anderen europäischen oder weltweiten Gipfeln. (Bundesrat Mag. Gudenus: Dann soll man es nicht als bürgernahe verkaufen!) Ich möchte Sie aber auffordern, sehr geschätzter Herr Kollege Gudenus: Nehmen Sie sich einmal die Mühe und zählen Sie die Bodyguards, die vor, hinter oder neben Ihrem Parteivorsitzenden sind, wenn er in der Öffentlichkeit oder bei eigenen Parteiveranstaltungen auftritt (Bundesrat Rauchenberger: Er hat ja viel mehr Gegner!), und stellen Sie dann diese Zahl in Relation zu den Sicherheitsmaßnahmen beim Wiener Gipfel! (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist aber ein lausiger Vergleich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich gehe davon aus, daß die Bodyguards Ihren Parteivorsitzenden Haider vor den Österreicherinnen und Österreichern schützen, und ich kann Ihnen versichern, daß ihnen das in den letzten Jahren sehr gut gelungen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich hoffe, daß sie auch weiterhin Ihre Arbeit gut machen (Bundesrat Mag. Gudenus: Sagen Sie mir etwas von Bürgernähe, Herr Kollege!), dann werden Sie nämlich weiterhin – und Sie besonders, Herr Kollege Gudenus – Ihre Rolle hier im Bundesrat spielen können. Daß die FPÖ insgesamt keine Freude mit der Entwicklung der Europäischen Union oder der Einführung des Euro hat, kann ich verstehen. Sie haben sich vor Jahren verschätzt, Sie haben eine falsche politische Einschätzung in Ihrer Partei vorgenommen. Ich weiß nicht, ob das alle Verantwortungsträger in der FPÖ gemacht haben oder ob Sie nur dem Diktat des Parteivorsitzenden folgen mußten. (Bundesrat Mag. Gudenus: Es ist noch nicht aller Tage Abend!) Hätten wir diesen Weg beschritten, hätten Sie die Macht und den Einfluß in Österreich gehabt, diesen Weg zu beschreiten (Bundesrat Dr. Tremmel: Hätten wir heute weniger Arbeitslose!), wären wir als Österreicher heute isoliert, wären wir zurückgereiht, könnten wir uns mit vielen anderen heute anstellen, um in die EU aufgenommen zu werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wie die Schweiz!)

Sie haben sich genauso verschätzt bei der Einführung des Euro. Das ist nur die jüngste Fehleinschätzung, die ich Ihnen hier präsentieren darf. Darüber nachzudenken, welche wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Folgen das für unser Land gehabt hätte, überlasse ich Ihnen.


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Ich kann Ihnen nur sagen, daß Ihre Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Europäischen Union und der österreichischen Mitgliedschaft für die österreichische Politik, für die österreichische Bevölkerung sehr gefährlich gewesen sind. Sie hätten mit Ihrer Politik die Zukunftschancen unserer Jugend auf ein minimales Maß reduziert und hätten mit großer Sicherheit die soziale Sicherheit der älteren Menschen gefährdet. (Bundesrat Dr. Tremmel: Vielleicht hätten sie heute einen Arbeitsplatz!)

Nun noch eine Anmerkung zu der sogenannten EU-Rüge zur Budgetkonsolidierung in Österreich: Wir haben als Sozialdemokraten immer gesagt, daß die Stabilität ein wichtiger Faktor unserer Politik, ein wichtiger Faktor der Wirtschaftspolitik ist und daß es auch in der Europäischen Union so sein sollte. Wir haben aber, was Stabilität betrifft, nie die Funktion eines Musterschülers in der Europäischen Union angestrebt, sondern es ist uns immer darum gegangen, mehr Mittel in die Beschäftigungsmöglichkeiten und in mehr Qualifikation unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stecken.

Ich bin davon überzeugt, daß wir nach wie vor die notwendigen Voraussetzungen zur Stabilität in die Europäische Union einbringen werden, aber wir werden nicht darauf verzichten – Gott sei Dank waren der Pörtschacher und der Wiener Gipfel von dieser Dimension am stärksten beeinflußt –, uns der Beschäftigung in Europa im besonderen anzunehmen. Wenn auch die Arbeitslosenstatistik mit Ende des vergangenen Jahres nicht sehr positiv oder erfreulich gewesen ist, ist doch hier anzumerken ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Seit 40 Jahren sind Sie in der Regierung, und noch immer sind Sie nicht fähig, die Beschäftigung zu sichern!)

Schauen Sie, aufgrund Ihrer beruflichen Qualifikation können Sie sich gar nicht vorstellen, was Qualifikation heißt oder was es heißt, der Gefahr ausgesetzt zu sein, den Arbeitsplatz zu verlieren. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß über 700 000 Österreicherinnen und Österreicher während eines Jahres den Arbeitsplatz wechseln. Gott sei Dank – das ist sehr erfreulich, das zeigt die Flexibilität der Arbeitnehmer und auch die Flexibilität der Wirtschaft – kommt der Großteil der Kolleginnen und Kollegen wieder unter.

Mit Ende des Jahres hatten wir zirka 280 000 Arbeitslose. Das waren um knapp 1 500 Arbeitslose mehr als im vergangenen Jahr. Wir dürfen aber, wenn wir fair zueinander sind, nicht übersehen, daß wir 3 077 000 Beschäftigte gehabt haben und daß das zumindest um 25 000 Beschäftigte mehr gewesen sind (Bundesrat Dr. Tremmel: 22 000, bitte!) als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Würde man jene jungen Frauen und Burschen, die ein aufrechtes Dienstverhältnis haben, sich aber im Karenzurlaub befinden oder ihren Präsenzdienst ableisten, dazuzählen, wären es über 30 000.

Ich möchte nur noch die eine oder andere Anmerkung dazu machen. Das sind die Realitäten. Wir sind bemüht, wir ruhen uns nicht auf den Lorbeeren aus (Bundesrat Mag. Gudenus: Seit 40 Jahren sind Sie in der Regierung! Tun Sie doch etwas für die Arbeitslosen! Machen Sie die Wirtschaft frei!), wir bringen täglich konstruktive Beiträge – die mir bei Ihnen, Kollege Gudenus, und Ihrer Partei abgehen –, damit wir die Beschäftigung in Österreich verbessern beziehungsweise sichern.

Ich möchte nur zwei Ministerinnen erwähnen, die heute meiner Meinung nach etwas "unterbelichtet" gewesen sind, und darf hier ein Treffen, ein erstes gemeinsames Treffen in der Europäischen Union erwähnen, das in Innsbruck stattgefunden hat und zu dem die Frau Ministerin für Arbeit und Gesundheit und die Frauenministerin eingeladen haben. Da ist es vor allem um Frauenangelegenheiten gegangen: um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um die Chancengleichheit der Frauen, um partnerschaftliche Teilung der unbezahlten Versorgungsarbeit. Bei diesem Treffen hat sich Frau Bundesministerin Prammer eines ganz wichtigen Themas, und zwar nicht eines nationalen, sondern eines internationalen Themas angenommen, nämlich des Themas Frauenhandel und Gewalt gegen die Frauen. Auch das, so glaube ich, war ein ganz wichtiges Thema, und es ist gelungen, zu einer Vernetzung zwischen den europäischen Behörden und den NGOs zu kommen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich erwähnen, daß – ich darf das wiederholen, ohne blauäugig zu sein – Österreich eine solide und gute Arbeit geleistet hat. Wir gehen davon aus, daß die lange andauernden Widerstände dagegen, der Beschäftigung in den nächsten Jahren Vorrang einzuräumen und die Wirtschaftspolitiken in Europa zu koordinieren, vorüber sind. Jetzt geht es darum, daß es uns gelingt, den Worten und den Voraussagen auch Taten folgen zu lassen. Es geht darum, die Arbeitslosigkeit, von der in Europa 17 Millionen Frauen und Männer betroffen sind (Bundesrat Dr. Tremmel: 18 Millionen!)  – oder 18 Millionen; mir ist jede Million, mir ist jeder einzelne zu viel –, abzubauen.

Eine wichtige Voraussetzung hiefür ist sicherlich die weitere Qualifizierung, sind Bildungsanstrengungen schon in den Pflichtschulen. Wir müssen aber auch aufpassen, daß wir nicht im überwiegenden Maße atypische Arbeitsplätze bekommen. Ich meine damit die Scheinselbständigkeit und befristete Jobs. Unser Ziel sollte es sein, Jobs zu schaffen, von denen man auch leben kann. Deshalb bin ich darüber erfreut, daß die Europäische Union im Vergleich zum Herbst oder Winter des Jahres 1997/1998 in bezug auf Beschäftigung eigentlich viel sensibler geworden ist.

Ich möchte hier nur in Erinnerung rufen: Am 20. November des Jahres 1997 beim Luxemburger Gipfel veranstalteten der Europäische Gewerkschaftsbund mit seinen nationalen Bünden und die Branchengewerkschaften in Luxemburg eine sehr eindrucksvolle Demonstration. 50 000 Kolleginnen und Kollegen haben vor dem Luxemburger Gipfel demonstriert, um darauf aufmerksam zu machen, daß wir sehr wohl für den Euro, für einen stabilen Euro sind, aber daß das nicht auf Kosten der Beschäftigung gehen kann. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sind deshalb weniger Arbeitslose, weil sie dort demonstriert haben?) Diese Zeit, Herr Kollege Gudenus, ist vorbei. Machen Sie sich weiterhin Sorgen – das ist Ihr Geschäft – um die Sicherheit Ihres Parteivorsitzenden! (Bundesrat Mag. Gudenus: Machen Sie sich Sorgen um die Arbeitslosen! Sorgen Sie für eine Beschäftigung für die Arbeitslosen!)

Die nächsten Stationen des europäischen Zuges sind auch von Kollegen Bösch schon erwähnt worden. Es gibt diesen europäischen Zug – dem möchte ich mich anschließen –, und der muß gehen in Richtung – das ist auch schon sehr klar vom Herrn Vizekanzler und vom Herrn Staatssekretär gesagt worden – Reform der europäischen Institutionen, Aufnahme neuer Mitglieder, gleiche beziehungsweise bessere Verteilung der Lasten und in Richtung einer von den Bürgern akzeptierten Außen- und Sicherheitspolitik.

An uns Österreicherinnen und Österreichern und an den politischen Verantwortungsträgern liegt es nun, diese Aufgaben – von unserer Warte aus, in unserem Sinne, im Sinne der Bevölkerung Österreichs – für eine bessere Zukunft zu unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Linzer. – Bitte.

11.16

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich denke, daß unsere Präsidentschaft, eingebettet zwischen den Präsidentschaften von England und Deutschland, sicherlich eine Präsidentschaft war, von der man nicht irgendwelche spektakulären oder gipfelspektakulären Ereignisse erwarten konnte. Dazu war die Zeit nicht reif, dazu war die Zeit nicht gekommen; mag es vielleicht auch daran gelegen sein, daß im Vorfeld Großbritannien einfach in dieser Hinsicht die Vorbereitungshandlungen, Vorgespräche, Vorverhandlungen, die für einen Gipfel eben immer notwendig sind, nicht voranbringen konnte. Aber alles in allem – das wurde schon allgemein erwähnt, und das ist letztlich auch die Meinung in den europäischen Institutionen, in den einzelnen Mitgliedsländern oder von jenen, die tatsächlich autorisiert sind, Regierungserklärungen abzugeben – wurde Österreich beglückwünscht, wurde Österreich Dank, Anerkennung und Respekt gezollt.

Diejenigen, die sich die Mühe gemacht haben – Kollege Konecny hat das schon angedeutet –, auch die Diskussion über die österreichische Präsidentschaft im Europäischen Parlament mitzu


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verfolgen, konnten feststellen, daß fast ausnahmslos eine positive Beurteilung erfolgte beziehungsweise respektvoll anerkannt worden ist, daß die österreichische Präsidentschaft versucht hat, zwar eine in mühevoller Knochenarbeit zu bewältigende Arbeitspräsidentschaft zu schaffen, es aber nicht gescheut hat, alle Themen, die notwendig sind, damit die Union tatsächlich von der seinerzeitigen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer allumfassenden politischen Union wird, aufzugreifen.

Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Vorwürfe der Freiheitlichen Partei eingehen, die mir hinsichtlich ihres Kurses an einer Weggabelung angelangt zu sein scheint. Ich erinnere mich an einen Film aus den sechziger Jahren mit dem Titel "Fluß ohne Wiederkehr". Den Weg, den die Freiheitliche Partei heute in der Frage der Europäischen Union beschreitet, würde ich als einen Weg der Wiederkehr zu den Anfängen beschreiben. Es gab doch seinerzeit unter Obmann Haider ein bedingungsloses Ja zur Union, ohne Wenn und Aber, ohne EFTA (Bundesrat Dr. Böhm: Vor Maastricht!), aber später dann, als wir drauf und dran waren, der Union beizutreten, gab es diese großen Antikampagnen. Als wir dann beigetreten waren, hat sich das durch eine entsprechende Polemik noch wesentlich verstärkt. Heute kann man feststellen – auch aus der Rede des Kollegen Bösch konnte man das heraushören –, daß schon noch eine gewisse Skepsis vorhanden ist, aber es gibt durchaus auch Bejahung und Vorträge darüber, was man hätte besser machen können. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Man hört auch nichts mehr von Renationalisierung oder davon, daß die Union reversibel zu machen ist. Es ist erfreulich, daß diese Einsicht bei der Freiheitlichen Partei Platz greift. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Auf die Polemik von Ihnen, Herr Kollege, gehe ich gar nicht ein, denn es ist eine Tatsache: Jemand, der sich im politischen beziehungsweise im diplomatischen Umgang, was die Gästebewirtung angeht, bei dem Problem aufhält, ob die Gänseleber kalt oder warm serviert wird oder ob es überhaupt opportun war, eine Gänseleber zu servieren, Herr Kollege, versteht nicht nur nichts von Gästebewirtung, sondern offenbar auch nichts von diplomatischen Usancen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Ich habe nichts von Gänseleber gesagt!) Herr Kollege! Die Lautstärke, mit der Sie das vorgetragen haben, war auch ein Zeichen dafür, wie schwach Ihre Argumente waren. Ihre Lautstärke ließ sogar auf einen besonderen Notstand hinsichtlich Ihrer Argumente schließen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Hätten Sie geschwiegen, wären Sie ein Philosoph!)

Meine Damen und Herren! Ich kann die Ergebnisse, die hier erläutert worden sind, nur begrüßen. Natürlich ist unser Hauptproblem – daran besteht kein Zweifel, das ist auch nicht zu leugnen – die Beschäftigung. Wir haben erreicht, daß es zu einer Koordination der Beschäftigungspolitiken gekommen ist. Vor zwei, drei Jahren hat es allgemein geheißen, Beschäftigungspolitik sei eine nationale Sache. Nunmehr bekennt sich die Europäische Union zu Recht und mit einem deutlichen Ja zu dieser Beschäftigungspolitik. Wir haben auch erreicht, daß die Leitlinien von Luxemburg festgeschrieben und deutlich interpretiert worden sind. Mittlerweile ist es dankenswerterweise auch zu einer Senkung der Arbeitslosenzahlen in der Union um etwa 1,5 Millionen gekommen.

Besonders bedeutsam ist für mich die außenpolitische Entwicklung. Dankenswerterweise hat Herr Vizekanzler und Ratsvorsitzender Schüssel wirklich alles Menschenmögliche unternommen. Er hat sich selbst nicht geschont, ist 90 000 Kilometer durch alle Welt getingelt, und er hat tatsächlich die Effizienz der Union in der ganzen Welt verstärkt. Wir sind ihm dankbar, vor allem wir, die wir im Osten unseres Landes leben, daß er sich besonders in der Frage Jugoslawien, in der Frage Kosovo engagiert hat.

Ich selbst war vor einem Jahr bei den Wahlen von Jugoslawien Wahlbeobachter in Belgrad. Aufgrund meiner Kenntnis der serbokroatischen Sprache konnte ich damals die Problematik mit allen Teilen, mit allen ideologischen Gruppen in Belgrad diskutieren. Ich hatte auch Gelegenheit, mit dem nunmehr tätigen Botschafter Petritsch einen Gedankenaustausch zu pflegen, und ich habe dort gesehen, welch hervorragender Mann dort vor Ort für Österreich arbeitet, habe aber auch die besonderen Schwierigkeiten gesehen, die dort durch Nationalismen, die historisch bedingt sind, entstehen.


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Ich bin dafür dankbar, Herr Vizekanzler, daß auch die Menschenrechtsfrage – Kollege Liechtenstein hat es schon angedeutet – zum Thema gemacht worden ist, gerade im Jahr von "50 Jahren Menschenrechte". Als ich im Europäischen Parlament tätig war, haben wir uns im Innenausschuß und auch im Plenum immer wieder damit beschäftigt. Wir haben gesehen, daß es weltweit – das ist allgemein bekannt – immer wieder die viel zu häufig vorkommenden Menschenrechtsverletzungen sind, die Krisenherde entstehen lassen. Es soll nunmehr – das ist das Ergebnis – jedes Jahr ein Menschenrechtsbericht dem Parlament vorgelegt werden. Das ist etwas, das ich außerordentlich begrüße.

In bezug auf den Bereich innere Sicherheit würde ich mich freuen, wenn Europol auch operativen Charakter bekäme. Ich weiß, das ist eine offensive Haltung, und ich weiß aus meiner damaligen Tätigkeit im Parlament, daß vor allem England diesbezüglich Vorbehalte hat – von wegen Einschränkung der Souveränität, Einschränkung nationaler Rechte, Strafrecht, Strafprozeßrecht. Aber es erfordert die Art und Weise, wie die Kriminalität, vor allem auch aus dem Osten, zu uns herüberschwappt, daß Europol unbedingt operative Befugnisse bekommen sollte.

Meine Damen und Herren! Was die Osterweiterung betrifft, ist schon gesagt worden, daß das eine besondere, eine zentrale Frage ist, und wir dürfen sie nicht allein im wirtschaftlichen Bereich diskutieren, sondern es geht wirklich um Freiheit und Frieden, und uns Österreichern geht es vor allem auch um Umweltthemen.

Ich habe sehr oft Gelegenheit gehabt, vor allem mit den angrenzenden Nachbarn in Ungarn zu sprechen. Natürlich haben wir Österreicher heute noch gewisse Bedenken, daß die Erweiterung zu früh käme, andererseits hat auch jenseits der Grenze die ungarische Bevölkerung gewisse Vorbehalte, daß der Westen sie mit seiner Technologie, mit all den Wirtschaftsmechanismen überrollt. Hier ist es völlig verfehlt, Ängste zu schüren, sondern gegenseitige Hilfestellung, partnerschaftliche Zusammenarbeit, gegenseitige Information sind angesagt. Die Europäische Union hat großzügige Programme, mittels derer die Nachteile, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, aufgeholt werden sollen.

Wir müssen aber, gerade wenn wir von Bürgernähe sprechen, unseren Bürgern auch die entsprechende Information geben und sie zu überzeugen versuchen, daß es ein friedliches Europa in Zukunft nur dann geben kann, wenn wir versuchen, unsere Nachbarländer in die Union zu integrieren.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die österreichische Präsidentschaft sehr wohl auch der Europäischen Union ein positiveres Profil gegeben hat. Ich möchte noch einmal unsere entscheidenden Beiträge im internationalen Krisenmanagement betonen, im Kosovo und in Albanien, und ich möchte besonders unserem österreichischen Außenminister dafür danken, daß er eine seriöse, bestimmende Stimme der EU in der gesamten Welt gewesen ist. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.28

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister für Äußeres! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Geschätzter Vorredner! Ich würde Sie um eine Richtigstellung ersuchen: Sie haben von einer Reduktion der Arbeitslosenzahl von 1,5 Millionen gesprochen. Mich würde interessieren, wo das eingetreten ist: Ist das in der Europäischen Union eingetreten, ist das in den USA eingetreten? – In Österreich kann das ganz sicher nicht eingetreten sein. Ich würde Sie also um die entsprechende Aufklärung ersuchen.

Meines Wissens hat sich leider Gottes – da gehe ich mit Kollegen Drochter konform – die Zahl der Arbeitslosen in der Europäischen Union seit dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg – von da an haben wir begonnen zu messen – erhöht und liegt jetzt bei rund 18 Millionen. Mich würde interessieren, woher Sie diese Zahl haben. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Sie müssen das verglei


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chen mit den Zahlen der Beschäftigten!) – Na ja, auch das stimmt nicht ganz, Herr Außenminister!

Darüber hinaus hätte ich mir mehr Euphorie von den Vorrednern erwartet, wenn dieser "gloriose" EU-Vorsitz wirklich so vorteilhaft für Österreich gewesen wäre. Da wäre Ihnen der Pressedienst dienlich gewesen, meine Damen und Herren – ich würde bitten, Herr Außenminister, daß in Zukunft der Pressedienst, der bereits hinausgegangen ist, den Rednern zur Verfügung steht –, denn da ist bezüglich Demokratisierung und Bürgernähe unter anderem von der Zurverfügungstellung einer eigenen Homepage die Rede. – Na ja, wenn da ein paar tausend oder von mir aus ein paar Millionen Internet-Nützer – "User", so glaube ich, heißt das neudeutsche Wort – hineinschauen können, ist das noch keine Beteiligung am demokratischen Prozeß.

Österreich hat – bitte, das ist einer der größten Kritikpunkte von uns an der Vorsitzführung Österreichs – als Vorsitzender die Kontrolle in der EU nicht wahrgenommen, sonst hätte es nicht zu diesen skandalösen Vorkommnissen kommen können.

56 Milliarden Schilling sind dort in schwarze Kanäle, in dubiose oder in mafiose Kanäle versickert! Dazu hätte es nicht kommen dürfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Gott sei Dank ist das Europäische Parlament nicht so saumselig gewesen wie der EU-Vorsitzende, und es ergreift jetzt entsprechende Maßnahmen. Das ist ein Zeichen demokratischer Reife, und dieses Europäische Parlament würde mehr Rechte benötigen – wenn man hier schon von Demokratisierung spricht. Dieses Parlament würde etwa direkt den Bericht des EUSTAT, des Europäischen Statistischen Zentralamtes, oder des Europäischen Rechnungshofes benötigen. Bei uns sind solche Berichte selbstverständliche demokratische Usance.

Heute regieren dort die Kommissare – wie die Worte das im schlechten Sinne ausdrücken –, und sie lehnen eigentlich jede Rechenschaft ab, eine direkte Rechenschaft, wie sie in parlamentarischen Bereichen üblich ist. Das ist die erste Aufgabe, bei der Sie wirklich versagt haben.

Ich sage andererseits, es ist durchaus eine bemühte Vorsitzführung gewesen. Allerdings haben Sie – das hat Kollege Gudenus bereits zum Ausdruck gebracht – diese und jene Themenbereiche zu vollmundig dargetan. Was die Beschäftigungspolitik angeht, so wurde der Gipfel in Luxemburg als großer Erfolg der Gewerkschaft gefeiert. Ganze Flugzeugladungen von Gewerkschaftern sind dort hingeflogen und haben gesagt: Wir werden dieses Problem hier lösen!

Es wurde ein bißchen mit den Zahlen geschwindelt: Wie schaut dieses Problem bei uns in Österreich aus? – 1991: 224 365 Arbeitslose; 1992: 251 157 Arbeitslose; 1993: 269 017 Arbeitslose; 1994: 251 513 Arbeitslose; 1995: 297 198 Arbeitslose; 1996: 260 993 Arbeitslose; 1997: 269 347 Arbeitslose; 1998: 270 835 Arbeitslose.

Meine Damen und Herren! Es ist uns allen bewußt, daß die Arbeitslosigkeit aller Menschen und vor allem junger Menschen das größte soziale Unrecht ist. Der Gipfel von Luxemburg und das sogenannte Beschäftigen mit der Beschäftigungspolitik hat nur negative Folgen für Österreich. Bitte, das kann doch kein Erfolg sein! Ich würde in mich gehen und würde fragen, ob das, was Kohl seinerzeit gesagt hat – weil Sie gesagt haben, das ist eine europäische Idee, das gemeinsam zu lösen; ja, wenn man es gemeinsam löst –, richtig ist. Warum hat Kohl seinerzeit gesagt, das muß man ein bißchen renationalisieren? – Wir haben uns an diese Parameter gehalten, und heute sind wir so weit, daß wir die höchste Durchschnittsarbeitslosigkeit seit 50 Jahren haben. Das kann doch kein Erfolg sein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Drochter: Aber Sie müssen auch die Beschäftigtenzahlen nennen!)

Ja, das sage ich Ihnen! Herr Kollege Drochter! (Bundesrat Drochter: Im Jahre 1998 über 3 Millionen!) Weil Sie schon dazwischenrufen, muß ich Sie auch korrigieren, denn Sie haben das nämlich auch falsch gesagt: Nicht 25 000 beträgt die Zunahme, sondern 22 000, knapp 0,7 Prozent. Die letzte Zahl haben Sie dann richtig zitiert: 3 077 000. Also bitte, seien Sie auch hier bei den Zahlen vorsichtig. Wenn Sie recht hätten, wäre ich sehr froh, aber Sie haben leider nicht recht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Ich muß mich jetzt ein bißchen beeilen, weil ich heute hier noch ein Sonderthema ansprechen


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möchte. Herr Kollege Drochter! Sie haben gesagt, wir leiden unter Fehleinschätzungen, und jetzt durfte ich Ihnen unsere "Fehleinschätzung" in diesem Bereich bekanntgeben.

Zur Währungsunion. – Ich gestehe durchaus zu, Herr Außenminister, wir alle sind froh, daß dieser Start einigermaßen gelungen ist. Aber wir müssen auch sagen: Daß die Europäische Zentralbank geordnet ist, das verdanken wir den Nettozahlern. – Ich brauche heute ein bißchen länger, Frau Präsidentin! – Die Deutschen haben schon gesagt, was auch wir richtigerweise immer gesagt haben. Schröder hat gesagt, man kann nicht jedes Problem immer nur mit deutschem Geld lösen. Beim deutschen Geld waren natürlich auch die Österreicher dabei.

Im Zusammenhang mit der Währungsunion möchte ich Sie an Ihren seinerzeitigen Vorsitzenden Vranitzky erinnern, der gesagt hat: Der Schilling muß erhalten bleiben! Was ist mit diesem Versprechen? Ist das solch ein Versprechen wie auch die zwei Pensionistenbriefe? – Wahrscheinlich. Es wird nämlich nicht eingehalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nächstes Problem. Sie haben seinerzeit, Herr Dr. Linzer, so groß über die Regionalförderung gesprochen, was hier alles passieren wird, und Sie werden das Bjerregaard sagen. Na, sie hat das auf zwei Förderungsbereiche zusammengestutzt – weg ist ein Großteil! –, und das ist noch nicht sicher, Herr Kollege, auch das ist noch offen.

Nächster Punkt: Umwelt. – Hier wird jetzt groß dargetan, was uns seinerzeit auch Frau Brigitte Tausender – pardon: Ederer – gesagt hat, nämlich, wir dürfen unsere Umweltstandards erhalten. Ich habe es ein bißchen anders in Erinnerung. Von uns wurde darauf gedrängt, daß wir unsere höheren Umweltstandards behalten können – wir werden es heute noch am Bereich Wasser erläutern – und daß die anderen diese endlich auch einmal annehmen sollen. Wir dürfen sie behalten.

Zum Bereich Verkehr nur ein Schlagwort: Brenner-Basistunnel. Der Verkehrskommissär hat seinerzeit, ein paar Tage, nachdem der heutige Herr Bundeskanzler und damalige Verkehrsminister gemeint hat, eine Mitfinanzierung der EU wird möglich sein, gesagt: Jeder, der das glaubt, ist ein Narr. Also: Was haben wir bekommen beim Brenner-Basistunnel – außer einer Klage? – Nichts haben wir bekommen, meine Damen und Herren! Das sind die freiheitlichen Zweifel, Herr Kollege Drochter!

Oder der Bereich Landwirtschaft. – 30 000 Betriebe sind eingegangen, das Einkommen hat sich um ein Drittel reduziert. Haben Sie noch das Versprechen im Ohr, als Ihr Herr Vizekanzler gesagt hat: 30 000 Arbeitsplätze plus!? – Oder nein, er hat sogar 80 000 gesagt. Herr Vranitzky hat gesagt: 30 000 Arbeitsplätze. Jetzt haben wir die größte Durchschnittsarbeitslosigkeit seit 50 Jahren! – Da stimmt doch etwas nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Äußere Sicherheit. – Ich will Ihnen gar nicht mehr vorhalten, was diesbezüglich seinerzeit Jacques Santer gesagt hat. Aber zur inneren Sicherheit, weil Sie so sicher sind. (Der Redner hält eine Zeitung in die Höhe.) Bitte schauen Sie sich das Schlagwort an: Armeen von Verbrechern bedrohen Westeuropa. – Das ist mit Zahlen belegt. Das ist das echte Problem, und das haben Sie überhaupt nicht gelöst!

Ein Bereich liegt mir persönlich sehr am Herzen, Herr Vizekanzler, und hier haben Sie mir freundlicherweise eine schriftliche Anfragebeantwortung zukommen lassen. Ich hätte beantragen können, daß diese Anfragebeantwortung heute hier mündlich behandelt wird, aber ich unterlasse das, da Sie ja hier sitzen, und ich darf diesbezüglich einige Punkte dartun.

Es handelt sich um die Beneš-Dekrete und AVNOJ-Gesetze. Der Kernpunkt meiner Anfrage war der, ob die Behebung dieser Gesetze, die völkerrechtswidrig sind, als Conditio sine qua non dafür gehandhabt wird, daß Österreich dem Beitritt dieser Staaten zustimmt oder nicht.

Weiters ist es in diesem Fall darum gegangen, ob das Rechtsbestand der einzelnen Gesetzesbereiche von Slowenien und Tschechien ist. Bei Tschechien ist das völlig unbestritten, dort ist es Rechtsbestand. Bezüglich Slowenien wurde unter anderem von Ihnen, Herr Außenminister, ein Gutachten des Völkerrechtlers Zemanek zitiert, aber Sie haben unter Hinweis auf Artikel 20


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Abs. 3 der Bundesverfassung gesagt, Sie seien zur Amtsverschwiegenheit verhalten und könnten den genauen Tenor nicht bekanntgeben.

Herr Vizekanzler! Ich darf Ihnen zu diesem Bereich zwei Bescheide der Republik Slowenien zitieren. Einer stammt – das darf ich sagen – vom 5. März 1997, und der zweite aus einem ähnlichen Zeitraum, auch aus dem Jahr 1997. Ich kann Ihnen die Unterlagen gerne zur Verfügung stellen, aber ich glaube, Sie kennen sie; es geht um die Frage eines Liegenschaftskaufes beziehungsweise um eine Denationalisierung.

In der Begründung des Urteils wird auf Seite 2 unter anderem festgehalten, die Liegenschaften der Gesellschaft Emona seien tatsächlich durch einen rechtskräftigen, aufgrund des AVNOJ-Beschlusses aus dem Jahr 1944 ausgestellten Bescheid der Bezirksbeschlagnahmungskommission soundso, Zahl soundso, verstaatlicht worden.

Das heißt, daß diese Gesetze Rechtsbestand der Republik Slowenien sind! Es kommt ja nicht von ungefähr, daß unter anderem etwa Kroatien vor eineinhalb Jahren genau diese AVNOJ-Beschlüsse aus seinem Rechtsgut entfernt hat. Bitte tragen Sie dafür Sorge, Herr Vizekanzler, daß es zumindest zu einer späten Rechenschaft über die Opfer kommt, über die Greueltaten, die dort passiert sind! Ich erinnere etwa an den Benediktiner-Abt Neipperg, der unter furchtbaren Umständen verstorben ist, an die Tatsache, daß Menschen angezündet wurden, daß Kinder in Jauchegruben getötet wurden, daß ein ganzes Volk in Form eines einmaligen Genozids beinahe ausgerottet wurde! Es geht einfach nicht an – das ist der wahre Knackpunkt! –, daß all das nur in bilateralen Verhandlungen besprochen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

Die Kopenhagener Verträge, auch der Vertrag von Amsterdam, der sich in Ratifizierung befindet, und der alte Vertrag sehen die Beachtung der Menschenrechte sehr wohl vor. Diese Frage kann nur international gehandhabt werden.

Die Überheblichkeit, die da an den Tag gelegt wird, ist wirklich einmalig, wenn etwa Katja Boos, die Botschafterin, sagt: "Derzeit haben wir an Österreich keine Gebietsansprüche." – Ich erinnere nur etwa an den Marburger Blutsonntag! 1918 gab es in Marburg noch 80 Prozent Deutsche, in Cilli ebenso. De facto ist dort ein Gebietsraub passiert, und zwar durch Major Meister, Wachtmeister Meister, der die deutsche Demonstration in Marburg damals niederschießen ließ! Und diese Greuel haben sich fortgesetzt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und auch noch danach.

Es ist notwendig – und zwar nicht nur, weil wir unseren Toten verpflichtet sind, sondern auch, weil wir historisch dazu verpflichtet sind und weil wir die Schutzmacht dieser Menschen sind –, daß wir dafür sorgen, daß diese menschenverachtenden Gesetze beseitigt werden! Sollte das nicht geschehen, dann ist unter dem entsprechenden Druck Österreichs die Zustimmung im Rat zum Beitritt dieser beiden Länder nicht zu geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wie schwierig das Ganze ist, zeigt das Kulturabkommen. All das ist an und für sich hier im Haus bereits bekannt. Zwei Jahre hat es gedauert, bis es zustande kam. Ein anderer Staat, der noch nicht in die angenehme Lage kommt, in die Europäische Union aufgenommen zu werden, nämlich Kroatien, hat diese Gesetze beseitigt. In Tschechien – Sie, Herr Vizekanzler, haben das in Ihrer parlamentarischen Beantwortung im Nationalrat auch gesagt – beginnt ein Umdenken, aber auch dort wären diese Gesetze zu beseitigen! Wir können nicht immer nur die "charming boys" spielen und sagen: Nein, nein, das Thema vermögensrechtliche Ansprüche lassen wir fallen! – Bitte bedenken wir: Hier sind alle Opfer gleich zu behandeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind Millionen Menschen umgebracht worden, und das kann man, bitte, einfach nicht gutheißen! Ich bitte Sie sehr, Herr Vizekanzler, darauf zu dringen, nicht nur in bilateralen Verhandlungen darüber zu sprechen, sondern auch darauf, daß man, sollten diese Verhandlungen nichts fruchten, ein Nein zum Beitritt dieser Staaten sagt, wenn diese menschenverachtenden Gesetze nicht behoben werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.46


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Mag. Gudenus: Vielleicht der Herr Bundesminister? Es wäre interessant, was der Herr Bundesminister zu diesem Thema sagt!)  – Bitte, Herr Dr. Königshofer.

11.46

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Besprechung unserer EU-Präsidentschaft nicht ohne die Kritik daran vorübergehen lassen, daß Sie, Herr Außenminister – der Sie ja auch damals sozusagen Außenminister der EU waren –, den Luftangriff amerikanischer und britischer Streitkräfte auf den Irak gegen Ende Dezember beinahe vorbehaltlos unterstützt haben.

Meine Damen und Herren! Es ist eben die Frage, welche Art der Politik man betreibt: eine Politik, die auf die Menschenrechte Bezug nimmt, eine Politik der Menschlichkeit, oder eine Politik der wirtschaftlichen Interessen eines anderen Kontinents, eines anderen Staates.

Dazu möchte ich nur kurz aus einem Leserbrief zitieren, den eine Frau Mag. Wilhelmine Ransmayr und ein Dr. med. Herbert Ransmayr aus Bischofshofen in der "Kronen Zeitung" veröffentlicht haben. Darin schreiben die beiden unter dem Titel "Hinterhältige Methoden" – ich zitiere –:

"Wir kennen den Irak, wir hatten das Glück, dort auch unter großzügiger Förderung der offiziellen Stellen archäologisch zu arbeiten. Wir haben die liebenswürdigen und hilfsbereiten Menschen auch in ihrer Not kennengelernt. Wir empfinden es als ungeheuerlich, wenn eine Weltmacht, die bisher als einzige Massenvernichtungsmittel gegen Frauen und Kinder eingesetzt hat, sich vom Irak bedroht fühlt, obwohl es der UNO auch nach achtjähriger Suche nicht gelungen ist, solche Waffen nachzuweisen. Indien, Israel, Rußland und andere besitzen Atombomben, ohne daß die USA sich bedroht fühlen. Es ist eine bodenlose Dummheit oder Frechheit, wenn man Raketen mitten in eine Großstadt schießt, als ob dort Vernichtungswaffen erzeugt würden, und dann erklärt, die Angriffe richten sich nicht gegen das irakische Volk, sondern ausschließlich gegen Saddam Hussein. Mit allen Methoden, auch den hinterhältigsten Methoden der Geheimdienste" – das werde ich Ihnen gleich erläutern, Herr Minister – "ist es nicht gelungen, im Irak eine Opposition aufzubauen. Ist es die Moral der Demokratie, wenn man zur Entlastung eines meineidigen Präsidenten unschuldige Personen mit Bomben belegt? Zu dieser, jedem Völkerrecht Hohn sprechenden Doppelmoral der selbsternannten Weltpolizisten können wir nur sagen: Pfui, pfui, pfui." – Ende des Zitats.

Nun – das ist das Peinliche an der ganzen Sache – stellt sich im nachhinein heraus, daß die USA tatsächlich mit den UNO-Beobachtern Spione in den Irak gesandt haben. Als Saddam Hussein das unterbunden hat, nachdem diese Beobachter tatsächlich acht Jahre lang nichts gefunden haben, haben sich die Amerikaner dazu entschlossen, zusammen mit den Engländern den Irak zu bombardieren.

Sie haben die Bomben auf die Zivilbevölkerung geworfen, während Saddam Hussein im Bunker saß. Die Bevölkerung dort – das möchte ich besonders betonen – ist zweifach gestraft! Sie muß einerseits unter dem totalitären Regime des Saddam Hussein leben, und auf der anderen Seite muß sie es sich noch gefallen lassen, daß ihnen die Amerikaner Bomben auf den Kopf werfen. Das kritisiere ich auch an Ihrer Haltung, Herr Vizekanzler: daß Sie sozusagen als Außenminister der EU diese Vorgangsweise mitgetragen haben – genauso wie man einen Tony Blair kritisieren muß, der unter dem Christbaum stehend den Angriff kurz vor Weihnachten gutgeheißen und unterstützt hat.

Meine Damen und Herren! Es stellt sich auch die Frage nach den wirtschaftlichen Interessen. Ist es für Europa wirklich sinnvoll, in dieser Frage mit den Amerikanern mitzugehen, denen es ja nur darum geht, das irakische Öl im Boden zu halten, weil – das müssen Sie sich vorstellen! – der Preis für das Barrel Öl von 30, 25, 20, 10 inzwischen auf 9 Dollar gefallen ist? – Wenn das irakische Öl auch noch auf den Markt käme, dann wäre der Ölpreis noch viel niedriger, was uns


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Europäern allerdings helfen, die Amerikaner als Ölproduzenten aber konkurrenzieren würde. –Eine solche Politik tragen Sie mit, Herr Vizekanzler! Ich muß Ihnen sagen, diese Politik kann nicht im Interesse der EU und auch nicht im Interesse Österreichs sein! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

11.50

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich finde einfach, lieber Herr Bundesrat, das kann man einfach nicht so stehenlassen. Ich habe gar nicht vorgehabt, auf dieses Detail einzugehen, aber es ist einfach abenteuerlich, was Sie hier für eine Räubersgeschichte erzählt haben, wonach quasi Saddam Hussein das Opfer der Welt ist! (Bundesrat Dr. Böhm: Niemand hat das gesagt! – Weiterer Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Ich habe es hier nicht für möglich gehalten ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Das hat er nicht gesagt!) Bitte, das war sehr klar heraushörbar. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben Sie herausgehört!)

Ich war zu dem Zeitpunkt, als die ersten Flugzeuge der Amerikaner schon unterwegs waren, Ende November, im Nahen Osten unterwegs. Ich habe dort mit allen geredet, ob mit Assad, dem Präsidenten von Syrien, oder mit Mubarak in Ägypten. Das Psychobild des Saddam Hussein will ich hier, weil es zu Protokoll geht, gar nicht beschreiben. Ich habe null Sympathie für diesen Herrn. Null!

Der Leserbrief ist gar kein Thema. Natürlich ist das irakische Volk freundlich, wie vermutlich alle Völker im arabischen Raum. Die Menschen können für diese Führung überhaupt nichts!

Sie haben das Ölprogramm erwähnt. – Zu glauben, daß die Amerikaner deswegen bombardieren, damit das irakische Öl im Boden bleibt, ist absurd! Eine solche Geschichte ist wirklich absurd.

Ich muß Ihnen sagen, wie das tatsächlich war. Ich war dort vor Ort. Im November hat Saddam Hussein im allerletzten Augenblick das Einlenken gegenüber der UNO erklärt. Er hat erklärt, er werde ab jetzt alles einhalten, was er vorher nicht gemacht hat. – Und dann hat er wieder sein Wort gebrochen, wie so oft vorher, und die Behauptung ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Auf welcher Rechtsgrundlage?)  – Hören Sie mir zu! Sie haben gesagt, die Inspektoren haben nichts gefunden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Welche Rechtsgrundlage hat er gebrochen?)

Aber bitte, Herr Bundesrat! Die Inspektoren sind dort jahrelang unterwegs gewesen. Sie haben 39 000 schwere Waffen entdeckt und zerstört. Sie haben Raketensprengköpfe entdeckt und zerstört. Sie haben 7 000 schwerste Giftmittel entdeckt und zerstört, wobei wir wissen, daß der Diktator Saddam Hussein nicht gezögert hat, diese im Norden Iraks gegen die Kurden einzusetzen.

Wenn Sie schon Frauen und Kinder erwähnen, dann muß ich Sie fragen: Haben Sie je die Opfer gesehen, die mit verbrannten Gesichtern und aufgeplatzten Gliedmaßen dort gefunden worden sind? – Dieser Diktator hat nicht gezögert, dieses Giftgas gegen die Kurden einzusetzen! Und Sie stellen sich hier her und kritisieren mich für meine angebliche Sympathie! – Ich habe keine Sympathie, sondern ich habe Verständnis für die Notwendigkeit geäußert, am Ende eines langen Prozesses, wenn sich ein Diktator völlig weigert, mit den Vereinten Nationen zu kooperieren, Waffen einzusetzen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Welche Rechtsgrundlage hat er verletzt?)

Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht: Ich bin genauso wie jeder andere hier im Raum der Meinung, Waffen oder Bomben sollten das allerletzte Mittel sein. Man kann darüber streiten, ob es ein besonderes Zeichen von gutem Geschmack ist, einen solchen Bombenangriff gerade vor einem Weihnachtsbaum zu verkünden. – Das akzeptiere ich, darüber können wir reden. Aber


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bitte: Ich habe keine Sympathie für Saddam Hussein (Bundesrat Dr. Böhm: Die haben wir auch nicht!), aber jede mit dem irakischen Volk! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP.)

11.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesrat Mag. Gudenus: Welche Rechtsgrundlage hat er gebrochen? Das fällt Ihnen nämlich nicht ein! – Bundesrat Dr. Linzer: Gudenus versteht es noch immer nicht!)  – Aber er wünscht offensichtlich nicht das Wort. (Bundesrat Konecny: Er nimmt es sich einfach!)

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Mißtrauen gegen EU-Kommissare vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Mißtrauen gegen EU-Kommissare ist daher abgelehnt.

2. Punkt

Kunstbericht 1997 der Bundesregierung (III-188/BR und 5866/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: der Kunstbericht 1997 der Bundesregierung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Vindl übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend den Kunstbericht 1997 der Bundesregierung liegt Ihnen schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Jänner 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

11.56

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kunstbericht 1997 gibt uns in übersichtlicher Art und Weise einen Überblick über die Kunstförderungen des Bundes. – Soweit zum Positiven.

Er gibt aber auch einen Überblick über die Förderpolitik und die Verwendung von Steuergeldern dieser Bundesregierung. Auch beim Kunstbericht 1997 gewinnt man wieder den Eindruck, daß Förderungen in diesem Land in erster Linie an politisch korrekte Freunde der Bundesregierung vergeben werden. Anders ist es nicht erklärbar, daß zum Beispiel der bekannte Autor Peter Turrini ein Werksstipendium in der Höhe von 125 000 S erhalten hat, das in keiner Relation zu Stipendien anderer Künstler steht.

Auch die zahlreichen Förderungen für Frau Elfriede Jelinek dürften in die Kategorie "politischer Freundschaftsdienst" – oder sollte man besser sagen: "Solidarität unter Parteifreunden"? – fallen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Gerade bei diesen politisch motivierten Förderungen ist die Höhe in Relation zu anderen, weniger geförderten Künstlern oftmals nicht gerechtfertigt. Es stellt sich hier schon die Frage, inwieweit persönliche und politische Kontakte und Naheverhältnisse für den Erhalt und die Höhe einer Förderung maßgeblich sind.

Es stellt sich aber auch die Frage, welche Kriterien über die Förderungswürdigkeit eines Künstlers und seiner Werke entscheiden. Für uns Freiheitlichen sind zum Beispiel die Förderungen für Hermann Nitsch völlig unverständlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Immer wenn dieser mit seinen mehr als umstrittenen Werken und seinem alle Gesetze der Moral und des Anstands verletzenden Sechstagespiel in Prinzendorf in den Medien vertreten war, hörte man von Vertretern dieser Regierung, Nitsch werde ohnehin nicht mit Steuergeldern gefördert.

Nitsch selbst argumentiert stets, solche Unterstützung nicht nötig zu haben. Anscheinend hat er sie aber doch nötig, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurden doch 1996 Förderungen in Höhe von 100 000 S und 1997 Förderungen in Höhe von 100 000 und 30 000 S für Nitsch-Ausstellungen vergeben. – Aber wahrscheinlich wollte Nitsch diese Förderungen gar nicht, sondern er mußte "mit Gewalt" – wahrscheinlich beim Sommerfest des Bundeskanzlers! – dazu überredet werden.

Auch wenn manche das nicht gerne hören: Für uns Freiheitlichen gibt es Grenzen. (Bundesrat Prähauser: Nein, das habe ich noch nicht gehört! Bei Ihrer Bescheidenheit!)  – Jetzt hören Sie es, Herr Kollege! – Es gibt Grenzen bei der Unterstützung der Kunst durch Steuergelder, nämlich dann, wenn Gewalt verherrlicht wird und die Moral und der Schutz von Lebewesen mit Füßen getreten werden.

Meine Damen und Herren! Wir haben schon mehrmals zum Beispiel im Zusammenhang mit den Diskussionen über Gewalt an Kindern aufgezeigt, daß manche geförderten Künstler diese und andere abscheuliche Taten in ihren Werken verharmlosen, wenn nicht sogar verherrlichen. Ich halte hier noch einmal klar und deutlich fest, daß wir Freiheitlichen uns gegen jede Verwendung eines Steuerschillings für solche Künstler und Werke wehren und auch in Zukunft dagegen auftreten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Schaufler. ) Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, und auch Sie, Herr Kollege Schaufler, sind wir für eine Zustimmung zu diesem Kunstbericht nicht zu haben.

Bei genauer Betrachtung dieses Kunstberichtes zeigen sich aber noch weitere Ungereimtheiten und Fragen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

So ist zum Beispiel das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in der Kategorie "Literarischer Verein" vorzufinden. 1996 wurden an diesen Verein 350 000 S, 1997 175 000 S an Literaturförderung vergeben. (Bundesrat Dr. Böhm: Für Science Fiction! – Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist gerechtfertigt, denn sie schreiben Märchen!) "Sie schreiben Märchen", sagt Herr Kollege Königshofer. Dem kann ich leider nicht widersprechen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

In diesem Fall des Dokumentationsarchives, meine Damen und Herren, auch du, Herr Kollege Schöls ... (Bundesrat Schöls: ... dem Kollegen Königshofer! Das ist gelebte Solidarität!) Kollege Schöls! Im Gegensatz zu der Situation in deiner Partei gibt es bei uns Solidarität, und wir helfen einander gegenseitig. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall. – Bundesrat Schöls: Gratzer weiß sie zu schätzen! – Weitere Zwischenrufe.) Kollege Schöls! Das hängt vielleicht damit zusammen, daß wir nicht so wie ihr in Bünden, sondern im Gesamtbild der Partei denken. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Herr Kollege aus dem schönen Oberösterreich! Ich kann dir nur eines sagen, lieber Leo: Wir haben uns von solchen Leuten getrennt. Bei euch gibt es einen immer noch aktiven EU-Parlamentarier, in dessen Fall es auch Probleme gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber um bei der Kunst zu bleiben: Auch in diesem Fall – wir sind damit wieder beim Dokumentationsarchiv – muß man den Eindruck gewinnen, daß diese Förderungen für die politische und weniger für die künstlerische Arbeit vergeben werden. Es ist nicht zu akzeptieren – hier sollten auch die Kollegen von der ÖVP zuhören und vielleicht einmal mitdenken –, daß eindeutig poli


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tische Vereinigungen auf Kosten der Kunst finanziell unterstützt werden, besonders wenn diese Vereine oft als Vorfeldorganisationen politischer Vereine – bei denen auch die Abgeordneten der Volkspartei nicht immer gut wegkommen – tätig sind und sich in die politische Diskussion einmischen.

Im Kunstbericht 1997 wird auch dem Ankauf von Kunstwerken große Bedeutung beigemessen. An den dort dokumentierten Ankäufen fällt auf, daß sie zu den verschiedensten Kaufpreisen erfolgt sind. Hier besteht unbedingt Erklärungsbedarf über die Motive und Kriterien von Ankäufen und Preisen. Selbstverständlich besteht dabei auch Erklärungsbedarf über die Förderungswürdigkeit mancher Künstler, zum Beispiel des Künstlers Cornelius Kolig aus Kärnten. (Heiterkeit bei Bundesrat Konecny. )

Ein Schwerpunkt des Kunstberichts 1997 ist die Förderung der Filmindustrie. Auch in diesem Fall wäre zu klären, nach welchen Kriterien die zahlreich vergebenen Mittel verteilt wurden, inwieweit die geförderten Projekte erfolgreich fertiggestellt worden sind und welche sich als Faß ohne Boden erwiesen haben.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend darf ich feststellen, daß der vorliegende Bericht für uns Freiheitliche aus den verschiedenen genannten Gründen nicht akzeptabel ist. Für mich persönlich kann ich sagen, daß Kunstberichte der Regierung, solange sie Künstler wie Nitsch und Kolig als förderungswürdig darstellen, sicherlich nicht meine Zustimmung finden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. – Bitte.

12.04

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In allen Bereichen des öffentlichen Haushaltes ist aus der Sicht der Betroffenen immer zuwenig Geld vorhanden, und die verfügbaren Mittel werden aus der Sicht der Betroffenen immer falsch eingesetzt. Jeder wüßte eine sinnvollere Verwendung, eine effizientere Geldverteilung oder andere Investitionen, die der Gesellschaft mehr bringen. Ganz besonders gilt dies für die öffentliche Kunstförderung.

Jeder halbwegs gebildete Mensch legt zwar Wert darauf, in ein kulturelles gesellschaftliches Umfeld eingebunden zu sein, und bezeugt auch gerne sein Kunstverständnis und seinen feinsinnigen Zugang zu künstlerischen Äußerungen. Nur wird ebensogern mit selbstgerechtem Verständnis versucht, zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, gewisse künstlerische Tätigkeiten mit öffentlichem Geld zu fördern.

"Das ist ja keine Kunst", so lautet der Standardsatz, den man in unterschiedlichen Kreisen sehr massiv entgegengesetzt bekommt, wenn man ein Plädoyer für öffentliche Kunstförderung hält. Diese sehr schlichte Formulierung wird nur zu gerne von populistischen Medien und Parteienvertretern aufgenommen. Kunst hat eine sinnlich und geistig erfahrbare Interpretation der Welt zu sein, und sie hat sich kritisch mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. "Das ist ja keine Kunst, das entspricht nicht dem gesunden Empfinden, das ist entartet" – sehr schnell und sehr leicht kommen diese Sätze daher, und die Aussagen steigern sich, werden heftiger und immer irrationaler. So leicht hingesprochen sie sind, so entlarvend sind sie auch.

Die kritische Auseinandersetzung, die Gegenentwürfe zum jetzigen gesellschaftlichen Zustand werden nicht als Diskussionsbeitrag verstanden, sondern als massiver Angriff gegen das vertraute, gehegte und ängstlich behütete, tief ins Persönliche reichende Wertesystem, und sie bleiben schlicht unverstanden. Alles, was man nicht versteht, was man nicht einordnen kann, macht Angst.

Ich verstehe jeden künstlerisch Tätigen, der die Förderungspolitik der öffentlichen Hand kritisiert, der massiv gegen öffentliche Entscheidungen in seinem ureigenen Bereich auftritt, der darüber klagt, daß zuwenig Geld vorhanden ist – wenngleich die Zahlen des Kunstberichtes eine ambitionierte Förderungspolitik widerspiegeln. Ich verstehe jedoch nicht jene politisch Tätigen,


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die die Förderungspolitik der Regierung kritisieren und sich auf der anderen Seite bei jeder Gelegenheit gegen die künstlerische Freiheit stellen und mit Haßtiraden auf Kunstschaffende losgehen. Namen von Künstlern zu nennen, die sich bereits mit Schmutz überschütten lassen mußten, erübrigt sich, denn so ziemlich jeder Künstler von Format – egal, in welcher Sparte tätig – mußte sich schon besudeln lassen. Diejenigen, die sich so über "Fäkalkunst" alterieren, greifen tief hinein in die braune Brühe, um ehrbare Menschen anzupatzen. Da ist ihnen nichts zu dreckig.

Der Staat hat nicht zu werten, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir wollen nicht, daß Künstler – wie in grauen Vorzeiten – von Fürsten und Bischöfen abhängig sind und an deren Höfen jene Kunst produzieren, die von den Herrschenden als Kunst definiert wird. Kunst ist, was der Fürst bestimmt, und alles andere gehört nicht dazu – hält sich der Künstler nicht daran, dann soll der Künstler eben verhungern! Das Kunstverständnis der Sozialdemokraten ist das nicht. Wir wollen nicht nur den Zugang breiter Bevölkerungsschichten zu kulturellen Errungenschaften ermöglichen, sondern auch innovativen, experimentellen, nicht etablierten künstlerischen Ausdrucksformen Freiräume der Entfaltung bieten. Das ist auch ein wesentlicher Gradmesser demokratischer Bewußtseinsbildung.

Zeitgenössische Kunst – das gestehe ich offen – liegt oft quer zum Alltagsverständnis ihrer Zeit und wird nicht nur gegen den Markt, sondern oft auch in bewußter Verletzung gesellschaftlicher Tabus produziert. Die Aufgabe der Kulturpolitik ist es daher, nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen für das künstlerische Schaffen zu garantieren, sondern auch ein Klima zu schaffen, in dem die Förderungen vielmehr als Einlösung einer Verpflichtung des Staates verstanden werden.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Kunstbericht drückt nur in Zahlen die erfolgreiche Kulturpolitik des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Staatssekretärs aus. Daß sie mit ihrer Politik aber völlig richtig liegen, beweisen so richtig deutlich erst die Polemiken gegen sie. Meine Fraktion wird dem Kunstbericht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm das Wort.

12.08

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Kunstbericht für das Jahr 1997: Das möchte ich bewußt hervorstreichen – nicht deswegen, weil ich mich als Niederösterreicher, der jetzt in der Landeshauptstadt tätig ist, freue, daß der für Kultur und Kunst zuständige Staatssekretär jetzt gelegentlich auch schon in unserer Landeshauptstadt gesehen wird, sondern weil ich damit sagen möchte, daß der Versuch, die Kultur zur Chefsache zu machen und einen durchaus kompetenten Staatssekretär einzusetzen, nicht jene Wege gegangen ist, die manche Kritiker vorgezeichnet haben. Daher möchte ich Ihnen, Herr Staatssekretär, recht herzlich für die Akzente danken, die Sie in der Kulturpolitik setzen.

Ich möchte es nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, daß Kunst- und Kulturpolitik nicht nur Sache des Bundes ist, sondern daß vor allem in den Ländern sehr viel an solcher Politik gemacht wird. Es muß uns bewußt sein, daß die Förderung von Kunst und Kultur nicht nur ein gesellschaftspolitisches Anliegen, sondern auch ein wichtiger sozial- und wirtschaftspolitischer Faktor ist. Das zentrale Thema einer Kulturpolitik muß die Schaffung von förderungspolitischen und kulturadministrativen Rahmenbedingungen sein, die ein breites, innovatives und vielfältiges kulturelles und künstlerisches Angebot ermöglichen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders jene Initiativen erwähnen, die in den Ländern gesetzt werden, vor allem von jenen Künstlerinnen und Künstlern, die man gemeinhin als Laien darstellt und die wir uns aus der Kulturlandschaft – zumindest aus der niederösterreichischen – nicht mehr wegdenken können. Wir haben heute den Bürgermeister von Reichenau an der Rax als neuen Bundesrat angelobt, und ich muß sagen, daß die Sommerspiele in Niederösterreich –


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ob es das Open Air Festival in Gars ist, oder wo auch immer wir unseren kulturellen Theatersommer haben – die Vielfalt der Menschen und der Gesellschaft zeigen.

Es ist nach meinem Dafürhalten die Aufgabe der Kunstpolitik und der Förderungspolitik, hier gezielt anzusetzen. Nicht, um Kollegen Ram recht zu geben, sondern weil ich selbstverständlich auch der Meinung bin, daß nicht jeder, der wegen seines Verhaltens Minderjährigen gegenüber eingesperrt war, für sich in Anspruch nehmen kann, daß er einmal jene positive Berühmtheit erlangt, die ein Egon Schiele in unserem Land erreicht hat, möchte ich darauf hinweisen, daß es sehr wichtig ist, die Förderung hier gezielt und verantwortungsbewußt anzusetzen.

Ich möchte zum Schluß meines Debattenbeitrages einen Punkt ansprechen, der mir besonders wichtig ist und der seit einem entsprechenden Ministerratsbeschluß des Jahres 1985 besonders große Bedeutung hat, nämlich die Frage Kunst und Bau. Seit diesem Ministerratsbeschluß des Jahres 1985 wird über das ressortzuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten und über die Bundesbaudirektion darauf eingewirkt, daß 1 Prozent des Netto-Hochbauaufwandes für Kunst am Bau verwendet wird und daß über diese Möglichkeit das künstlerische Schaffen unserer jungen Künstler auch der breiten Bevölkerung in den meisten Fällen vor Ort dargestellt wird.

Was mich als überzeugter Föderalist und Niederösterreicher freut, ist der Umstand, daß Niederösterreich, Salzburg und die Steiermark diese Vergaben nicht mehr über den Fachbeirat des Bundes durchführen, sondern daß es in diesen drei Bundesländern dafür bereits eigene Landesgremien gibt, sodaß man die Bedürfnisse des jeweiligen Landes noch stärker berücksichtigen kann. Das ist einer der Gründe – wenngleich nicht der einzige – dafür, daß meine Fraktion dem vorliegenden Kunstbericht des Jahres 1997 die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher das Wort. – Bitte.

12.13

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung haben wir den Kunstbericht 1997 stehen. Zuerst dachte ich, daß wir jenen für 1996 debattieren, und bin jetzt geradezu erleichtert, weil wir hier bereits den Kunstbericht 1997 behandeln. Es ist allerdings auch dieser Bericht ein inzwischen schon zwei Jahre alter Bericht. Ich denke, normalerweise könnten wir uns das fast ersparen – auch Ihnen, Herr Staatssekretär! Es ist einfach eine lange Zeit, um die das später debattiert wird.

Was hat sich in der Kulturpolitik seit dem Abgang des Herrn Kunstministers Scholten geändert? – Die Kultur wurde zur Chefsache erklärt. Diese Chefsache ist aber nach Meinung nicht nur der Freiheitlichen, sondern auch vieler Menschen quer durch das gesamte Parteienspektrum kläglich gescheitert. Das Experiment des Bundeskanzlers, die Kultursache im Sinne der Vertiefung, der Verstaatlichung zur Chefsache zu erklären, ist wirklich gescheitert.

Man sagt, die Bevölkerung sei nicht reif, in die direkte Demokratie einzutreten, was die Kunstfragen anlangt. Dazu meine ich, daß es eine Despektierlichkeit gegenüber der Bevölkerung ist, zu sagen, daß darüber nur eine Elite – gleichgültig, ob es eine tatsächliche, wahrhaftige Elite oder nur eine Pseudo-Elite ist – allein zu befinden habe, daß es dem Steuerzahler völlig egal zu sein habe, wofür seine Steuermillionen zur Verfügung gestellt werden, und daß Kunst nicht zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden dürfe. Es sei ein Diskussionsverbot zu erlassen, die Bevölkerung solle einfach nicht mitreden dürfen. Der stereotype Satz von Frau Pasterk lautete: Kunst ist unser Ideologieressort, über das man bestimmte Dinge transportieren kann.

Vielleicht sollten wir hier auf eine Besonderheit der vergangenen Monate eingehen, nämlich auf die Grenzen der Kunst. Einer meiner Vorredner, Bundesrat Ram, hat schon die Mysterienspiele des Herrn Nitsch in Prinzendorf zur Sprache gebracht. Sicherlich gestehe ich Herrn Nitsch einen Stellenwert im Aktionismus zu, jedoch kann es nicht sein, daß im Sinne der angeblich


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grenzenlosen Freiheit von Kunst und Kultur der Tierschutz mißbraucht wird, nur weil hier die Kunst einen Freibrief erhält.

Weiters sagt Herrn Nitsch in einem "Falter"-Interview, das mich persönlich sehr schockiert hat, daß auch Verbrechen Kunst sein könne. Letztlich führt er sogar aus, daß auch Mord Kunst sein könne. Davor wollen wir wirklich mehr als nur warnen! Herr Nitsch hat in weiteren Interviews während seines Mysterienspieles folgendes zu Papier gegeben: Er würde all das nur inszenieren und diese Art der Mysterienspiele nur veranstalten, um bewußt zu provozieren, damit sein Marktwert steigt. Ich meine, er hat aus Marktsicht wahrscheinlich recht, aber er darf sich dann nicht darüber wundern, daß seine Art der Kunst einer Würdigung unterzogen wird.

Die Kunst ist frei – das ist Bestandteil der Grundrechte, aber im Wesen eines Gesamtgefüges von Grundrechten. Die Kunst darf sich nicht auf Kosten anderer Grundrechte eigene Grundrechte anmaßen, und diese anderen Grundrechte dürfen nicht zugunsten der Kunst ausgehöhlt werden.

Die Förderung eines Otto Mühl, im Museum für angewandte Kunst seine Häfenbilder ausstellen zu dürfen, fällt übrigens in ein der ÖVP unterstelltes Ressort, jenes der Frau Ministerin Gehrer. Ein Herr Mühl ist sicherlich nicht mit einem Herrn Nitsch gleichzusetzen, dies wäre direkt eine Frechheit gegenüber Herrn Nitsch. Denn immerhin ist Herr Mühl wegen Sittlichkeitsdelikten gegenüber Kindern zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die er auch verbüßt hat. Ich möchte es Herrn Nitsch nicht antun, ihn hier mit Herrn Mühl gleichzusetzen.

Für nicht so berühmte Künstler, die finanziell anhängig sind, ist es selbstverständlich nicht so einfach. Diese Künstler haben zwei Möglichkeiten: Entweder werden sie nicht gefördert und verdienen kaum etwas, oder sie unterwerfen sich dem Förderungsdiktat, indem sie maßgeschneiderte Projekte vorlegen, wie sie von den zuständigen Herrschaften, die das Geld zu vergeben haben, gewünscht werden. Um zu überleben, passen sich also viele Künstler dem Subventionsmonopol an – und deshalb gibt es sie, die Staatskünstler.

Unsere Fraktion wird diesem Bericht die Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

12.18

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben vor uns einen Bericht liegen, der gut abgefaßt und übersichtlich ist, der Einblicke in die Subventionierung, die Ausstattung und die Behandlung der Kunst in Österreich gewährt.

Was in diesem Bericht nicht aufscheint – das würde mich eigentlich auch sehr interessieren –, ist, wie viele Personen in Österreich künstlerisch tätig sind, ohne durch einen Zuschuß, eine Würdigung oder eine Subvention ausgestattet worden zu sein. Es ist eine große Zahl von Personen, die in den Genuß staatlicher Förderungsmittel geraten. Aber wie groß ist die Zahl derjenigen, die nicht in den Genuß staatlicher Förderungsmittel gelangen?

Ich wundere mich oft darüber, und jeder von uns kennt den einen oder anderen. Jeder weiß von einem Künstler, den er kennt und der nicht bekannt ist. Vielleicht ist er sogar bekannt, aber er bekommt keine Förderungen. Warum ist es so? Wie werden diese Auswahlkriterien getroffen? – "Die Kommission", heißt es dann immer. Bitte, die Kommission: Wir leben in Europa, und das Europa der Kommissare verhindert natürlich nicht, daß wir auch eine Kommission dazu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Bei euch heißt das Schiedsgericht!)


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Wenn man einige Zeitungen aus den letzten Monaten durchliest und -blättert, fällt einem gerade zu den Themen Kunst, Kultur und so weiter auf, daß zum Beispiel der Filmschauspieler Herbert Fux die österreichische Filmförderung ein "Fiasko" nennt.

Er weist darauf hin, daß der österreichische Film nie die Möglichkeit hat, auf dem österreichischen Markt zu bestehen, er muß für den deutschsprachig europäischen Markt gemacht werden. Er schließt eigentlich daraus, daß viele Filme nur deshalb, weil sie einer staatlichen Kommission gefallen haben, eine Förderung bekommen, und andere, die das Pech haben, dieser Kommission nicht zu gefallen, keine erhalten.

Das mag seine Sicht der Dinge sein, aber auch ein gewisser Josef Smolle hat sich zu diesem Thema geäußert. – Ich nehme an, den Herren aus der Beamtenschaft sind diese Titel beziehungsweise diese Artikel wenn schon nicht präsent, so doch durchaus bekannt, sie werden diese durchgelesen haben. Er äußert sich dahin gehend, daß sich nicht immer wieder unberufene Münder zur Kunst äußern sollten. Der selbsternannte Kunstexperte ist kein Experte. – Ja, dann könnte man, wenn man diese Äußerungen auch auf die Filmförderung anwendet, um nur eine herauszugreifen, sagen, über Atomkraftwerke dürfen nur Atomphysiker sprechen, über die Kinderpornographie nur Päderasten und über die Todesstrafe nur Scharfrichter. So einfach kann es bei der Kunst nicht sein.

Da der Staat, das Volk, wir als Vertreter des Volkes, über diese Dinge urteilen sollen, muß man auch Kritik an etwas üben können, was man nicht gelernt hat. Als Betrachter, als Bürger, als angeblich – man redet immer davon – mündiger Bürger muß es möglich sein, sich dazu zu äußern.

Die Freiheit der Kunst, so schreibt Frau Professorin Marion Elias, Assistentin an der Akademie, die Ihnen von der linken Hälfte durchaus geläufig ist, meint, dem Künstler die Möglichkeit, als Gegenteil von Verbot, nicht als finanzielles Füllhorn verstanden, zu geben – ich gebe zu, die wenigsten bekommen so viel, daß man sagen kann, das Füllhorn habe sich über sie ergossen, aber immerhin ermöglicht es, ein paar Monate weiter zu leben und zu wirken –, innerhalb der gesetzlichen Normen seine Intentionen nach seinem Können und Belieben umzusetzen.

Die Freiheit des Betrachters liegt in der Kritik, mit der er dem Kunstwerk begegnen kann, also in der Zustimmung, Ablehnung und Negierung. Das muß möglich sein, ohne daß jene, die glauben, ständig die Freiheit der Kunst in den Mund nehmen zu müssen, sagen können, er habe nichts verstanden. Es ist nämlich ein übles Mißverständnis, anzunehmen, die Kunst sei frei, die Kritik an der Kunst hingegen verboten oder vielleicht sogar verfassungswidrig.

Was an dieser ganzen Kunstszene vielleicht noch interessant ist, beschreibt Ulrich Weinzierl in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 18. August 1998 im Rahmen eines langen Artikels, den ich jetzt aus verschiedenen Gründen nicht zitieren möchte. Die Beamten werden schon verstehen, warum ich ihn aus verschiedenen Gründen nicht zitiere, aber ich zitiere den Schluß: ... daß der österreichische sozialdemokratische Bundeskanzler bei seinem Amtsantritt die Kunst bekanntlich zur Chefsache erklärt hat. "Denn Kunstkanzler Klima hält sich völlig bedeckt. Ist das taktische Verstummen Einsicht? Bei einer Festrede hatte Klima die Kunst als ,Labor‘ bezeichnet und wollte dieses Labor dafür loben, daß es ,ständig neue Experimente‘ hervorbringe. Eine Freudsche Fehlleistung verwandelte ihm die Experimente in ,Extremente‘" – Ihnen ist das vielleicht auch bekannt –, "also die höchst unbekömmliche Mischung aus ,extrem‘ und ,Exkrement". So mag der Rest in der Tat am besten Schweigen sein." – So schließt Ulrich Weinzierl.

Ein Teil der Kunst, die hier gewürdigt wird, hängt mit dieser Freudschen Fehlleistung des Herrn Bundeskanzlers zusammen. Es werden Dinge gewürdigt werden, bei denen man fragt: Ist das tatsächlich Kunst? – Auch der von vielen und auch von mir sehr geschätzte Nenning findet diese Kunst der Nackerten – so ähnlich heißt es in der heutigen "Kronen Zeitung" – zum Grausen. Er war vorgestern abend in einer Sendung zu sehen, bei der Künstler, die auch in unserem Kunstbericht erwähnt sind und auch gefördert werden, gewürdigt werden, und hat gesagt, da treten nur lauter Nackerte auf. (Bundesrat Prähauser: Auch er selbst ist nackt mit einem Hirschgeweih aufgetreten!) – Ja, das ist lange Zeit her. Die Kunst der Hirsche ist auch etwas Schönes. Der


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röhrende Hirsch – das sage ich Ihnen – hat durchaus seine Bedeutung. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. )

Diese Kunst, die da vielfach gefördert wird, ist eine, von der ein Teil des österreichischen Publikums – ich hoffe, es ist der Großteil des Publikums – erstaunt darüber ist, daß sie gefördert wird.

Persönlich bin ich erstaunt über die Förderung, die unter dem Titel "Literarische Vereine, Veranstaltungen, Projekte" aufscheint, für das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Es hat durchaus Sinn, gewisse Förderungen auszusprechen, aber daß das gerade im Kunstbericht aufscheint, erscheint mir deshalb witzig, weil – ich glaube, es hat gerade im Kunstbericht seine Berechtigung – über das Dokumentationsarchiv folgende Textstellen durchaus als Wertungsurteil genannt werden dürfen:

",Unter seiner Leitung wurde ... die gesinnungsterroristische Kampagne gegen das angebliche "Umfeld" des Rechtsextremismus wiederbelebt‘, ,Das DÖW ... schafft dabei ein Klima des Gesinnungs- und Meinungsterrors‘, , .... konnte wiederum nur im Wege gewaltiger Geschichtsfälschungen und -verdrehungen erfolgen‘."

Ich glaube, daß solche Zitate in den Bereich Literatur fallen. Literatur erhebt nicht den Anspruch auf Wahrheit. Das tut das Dokumentationsarchiv auch nicht, weil es die Förderung nicht nur bekommt, sondern auch annimmt. (Bundesrat Dr. Böhm: In Anspruch schon!)

Oder: ",So wurde vom DÖW mit einem unsauberen, jede objektive Geschichtsschreibung verhöhnenden Trick ..., ,Das besondere an der Studie ist ihre pseudowissenschaftliche Aufmachung‘" – Das ist der Grund, aus dem es das Geld bekommen hat, nämlich weil es pseudowissenschaftlich und nicht wissenschaftlich ist.

Dann etwas ganz Besonderes: Kunst hat eine Schwäche für gewisse Geisteshaltungen. Hier heißt es: ", ... dieser kommunistischen Tarnorganisation ...‘ ,Bei uns darf es (das DÖW) als eine Art Privatstasi‘" gelten. ",Gebe es wie in der Bundesrepublik Deutschland etwas ähnliches wie den "Verfassungsschutzbericht", das DÖW würde sich dort unter den linksextremen Organisationen wohl an erster Stelle finden‘."

Ich will jetzt nicht behaupten, daß das Grund dafür ist, daß es eine Förderung bekommt. Es ist wahrscheinlich doch Dichtung und Wahrheit oder so ähnlich.

",Unter seiner Leitung wird die linksextreme Subversion der Kulturbereiche unserer Gesellschaft fortgesetzt ...‘" – Ist das ein Grund, daß er eine Subvention bekommen soll, nur weil er subversiv tätig ist? ", ... mit dieser polypenartigen Institution, ihren Gründern, Leitern und Mitarbeitern‘ ,Mit ihrem Gemisch aus Lüge, Fälschung und Denunziation läßt sie jene Sümpfe entstehen‘", die da gefördert werden, könnte man vielleicht meinen.

Der Privatkläger wurde verurteilt, der Angeklagte wurde freigesprochen, der diese Zitate in einem Artikel gebracht hat. Ich glaube, dieses DÖW sollte in Zukunft wirklich nur noch seine Förderung vom Kunstbereich bekommen und nicht mehr von anderen Ministerien, von dort bekommt es auch noch sehr viel Förderung – leider! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann. Ich erteile es ihm.

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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die genannten Diskussionsbeiträge eingehen und gleich beim Schlußredner beginnen. Ich kann Ihnen versichern, wenn Sie mich auffordern, daß das Dokumentationsarchiv weiterhin die Förderung bekommen soll, daß ich dieser Aufforderung nachkommen werde. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich glaube auch, daß hier einige Klarstellungen zu erfolgen haben. Zunächst einmal glaube ich, daß der Aufbau des Kunstberichtes etwas erläutert werden muß. Wir haben versucht – es ist besonders wichtig, das auch im Bundesrat zu erwähnen –, nicht nur die Bundesförderung, sondern auch die einzelnen Länderförderungen darzustellen, also das, was die Länder, was die Kommunen im Bereich der Kunstförderung leisten. Wir haben auch versucht, einen neuen Weg zu gehen, um darzustellen, was an Frauenförderung innerhalb der Kunst erbracht wird. Wir haben versucht, diesen Kunstbericht auch international kompatibel zu machen, sodaß man über Zahlen sprechen kann, die auch im internationalen Vergleich gesehen werden können. (Bundesrat Mag. Gudenus: Dichtung und Wahrheit!)

Ich glaube auch, daß es notwendig ist, darauf hinzuweisen, daß wir bei Antritt meiner Tätigkeit damit begonnen haben, eine Zuordnung der Förderung vorzunehmen, und zwar gemessen am jeweiligen Level, der in unserer Verfassung vorgegeben ist. So muß es gewisse Kunstförderungsmechanismen auf kommunaler Ebene geben, es muß eine gewisse Anforderung an die Kunstförderung auf Länderebene geben, und dann kommt der Bund. Jetzt bin ich schon bei einem dieser Themen, die hier angeklungen sind.

Wir wollen nicht alles fördern, sondern Aufgabe des Bundes ist es, Künstler von überregionaler Bedeutung oder Künstler, von denen wir annehmen, daß sie durch die Qualität ihrer Werke überregionale Bedeutung erreichen werden, zu fördern. Wenn das auf Länderebene geschieht, dann soll das eine regionale Präsenz auf Länderebene oder eine regionale Qualitätsebene haben, und wenn das auf Kommunalebene passiert, dann muß auch dort eine Zuordnung stattfinden. – Noch einmal eine ganz klare Klarstellung: Wir wollen nicht alle fördern.

Wie erfolgt jetzt die Auswahl unserer geförderten Personen beziehungsweise Künstler? – Zunächst einmal gibt es in jedem Bereich einen Beirat, der mit hochqualifizierten Personen besetzt ist, die im Kunstgeschehen tätig sind, die sich permanent mit diesem Kunstbereich auseinandersetzen und die anerkannte Fachleute sind. Sie setzen sich zu einem Gremium zusammen und wählen Kunstwerke nach ihrem fachmännischen Urteil aus. Letztendlich kommt es zur Förderung der uns vorgeschlagenen Künstler beziehungsweise zum Ankauf jener Kunstwerke, die dieser Beirat vorschlägt.

Ich glaube, diese Vorgangsweise ist erstens einmal transparent und zweitens eine Vorgangsweise, bei der gerade die Politik keinen Einfluß auf die Förderung der Mittel ausübt, sondern sich das fachmännische Urteil von Fachleuten holt, um möglichst objektive Kriterien einzuhalten. Unser Kunstverständnis oder unser Demokratieverständnis geht davon aus, daß es gerade nicht Aufgabe der Politik ist, einige Künstler von der Kunstförderung auszuschließen, sondern es ist Aufgabe, den Kunstbegriff so weit zu fassen, daß die größtmögliche Freiheit, die gesetzliche Lage, das heißt die gesellschaftlichen Regeln, die wir in Gesetzen definieren, dem Künstler ermöglicht werden und wir ihm diesen möglichst breiten Freiraum auch zu gewährleisten haben. Das heißt, nicht der Politiker darf diesen Freiraum einschränken, niemand anderer sollte diesen Freiraum einschränken, und schon gar nicht eine politische Gruppierung.

Ich glaube auch nicht, daß es ein Kriterium ist, wenn sich der Künstler Kolig mit der FPÖ anlegt, daß er deswegen nicht gefördert werden darf, obwohl er ein anerkannter Künstler ist und international auch als Künstler durchaus seinen Stellenwert hat, auch in Österreich. Es darf daher kein Ausschlußkriterium sein, wenn man sich mit der FPÖ anlegt, daß man deswegen keine Förderung bekommt.

Zur Förderung des Hermann Nitsch: Ich ersuche, den Kunstbericht so zu lesen, wie er zu lesen ist. Sie werden keine Förderung für Hermann Nitsch finden, sondern es wurde das Museum für Moderne Kunst in Passau gefördert. Es wurden die Gmundner Festwochen gefördert, es wurde das AKZ in London, das eine Galerie ist, gefördert. Es wurde keine Förderung an den Künstler direkt gegeben, sondern es handelt sich um Beiträge zu Katalogen, die im internationalen Kunstaustausch durchaus üblich sind. Ich kann Ihnen versichern, auf der internationalen Ebene ist der Künstler Nitsch eines unserer Aushängeschilder und ein gern gesehener Aussteller in den verschiedensten Galerien beziehungsweise Ausstellungen. Es kommt aber zu keiner direkten Förderung des Künstlers Nitsch.


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Es kann aber auch nicht so sein, daß man in Österreich ein Klima erzeugt, daß durch die Emotionalisierung des sogenannten – unter Anführungszeichen – "gesunden Volksempfindens" Künstler an ihrer Berufsausübung gehindert werden. Wenn wir diesen Gedanken nämlich weiterspinnen, dann können wir jeden anderen Österreicher, wenn er sich innerhalb der Gesetze bewegt, über die Emotionalisierung des "gesunden Volksempfindens" vom Arbeitsprozeß ausschließen. Das darf nicht passieren. Es ist Aufgabe der Politik, diesen Freiraum zu gewährleisten, diesen Freiraum zu sichern – auch jenen, die an das Limit dieses Freiraumes gehen. Wir müssen diesen Künstlern jenen gesetzlichen Schutz geben, der auch anderen österreichischen Staatsbürgern, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen, zu geben ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine völlige Fehlinterpretation unserer Kunstauffassung hat Frau Bundesrätin Ramsbacher vorgenommen. Sie hat gesagt, Kunst dürfe nicht zur öffentlichen Debatte werden. Gerade das Gegenteil muß der Fall sein. Es muß zur öffentlichen Debatte kommen, wir fördern diese öffentliche Debatte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das tun wir auch!) Wir selbst haben das Weißbuch in Angriff genommen, wir selbst haben eine möglichst breite Diskussion über die Kunst herbeigeführt. Wir wollen diese Diskussion, sie muß an jeder Stelle (Bundesrat Mag. Gudenus: ... Wir lassen uns nicht hindern!), in jedem Gremium und auf jeder Ebene stattfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde auch die österreichische Filmförderung angesprochen. Die österreichische Filmförderung sei nicht effizient, der österreichische Film könne auf dem österreichischen Markt nicht reüssieren und nicht erfolgreich sein. Ich darf Ihnen nur das letzte Beispiel, "Hinterholz 8", nennen. Das ist ein auf dem österreichischen Markt äußerst erfolgreicher Film. Er ist für den österreichischen Markt, von österreichischen Künstlern und mit ganz besonderem österreichischen Akzent.

Ich darf Ihnen auch ganz kurz unsere Veränderung in der Filmförderung darlegen. Wir haben gerade die Filmförderung dahin gehend geändert, daß wir der Referenzfilmförderung einen ganz besonderen Stellenwert eingeräumt haben. Die Referenzfilmförderung bedeutet nichts anderes, als daß sich ein um eine Filmförderung Ansuchender dafür zu entscheiden hat, ob er einen künstlerischen oder einen kommerziellen Film machen will. Dann wird er je nach seinem Erfolg im künstlerischem Bereich, das heißt Teilnahme an Festivals in bestimmten Bereichen und Kategorieren, oder nach seinem Erfolg an der Kinokasse gemessen. Wenn er in diesen Bereichen erfolgreich ist, dann erhält er eine automatische Förderung für den nächsten Film. Das heißt, es ist genau das Gegenteil von dem der Fall, was Sie gesagt haben. Wir versuchen, den erfolgreichen Produzenten beziehungsweise die erfolgreichen Filmschaffenden mehr zu unterstützen als jene, die nicht so erfolgreich sind. Das ist eine dieser Maßnahmen.

Ich darf aber darauf hinweisen, daß wir auch im Jahre 1998 die Filmförderung strukturell um 20 Prozent erhöht haben. Darüber hinaus haben wir dem österreichischen Film einen Betrag in der Höhe von 100 Millionen zur Verfügung gestellt, um den Engpaß, der aufgrund der Auftragslage in den verschiedenen Medienbereichen entstanden ist, etwas abzudecken beziehungsweise abzufangen und um dem österreichischen Film auch weiterhin eine Überlebenschance beziehungsweise den Filmschaffenden auch weiterhin die Möglichkeit zu bieten, ihre Filme zu machen.

Ich glaube auch, daß wir sehr gut beraten sind, unsere wohl international anerkanntesten Künstler im Bereich der Literatur, Turrini und Jelinek, mit Auftragswerken zu bedenken. Die österreichischen Künstler müssen weiterhin gepflegt werden, sodaß auch weiterhin Theaterstücke an die Theater kommen, die von österreichischen Künstlern sind. Ich glaube, das ist eine Vorgangsweise, die jedes Land an seine international reputiertesten Künstler anwendet, also daß diese tatsächlich mit Auftragswerken versorgt werden, um auch zu Werken zu kommen, die dann selbstverständlich in den reproduzierenden Kunstbereichen, nämlich im Theater, verwendet werden können. Das ist international üblich, und wir werden uns von dieser üblichen Form der Förderung nicht verabschieden, sondern werden sie auch in Zukunft durchführen.


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Herrn Bundesrat Schöls möchte ich folgendes sagen: Ich bin nicht nur gesichtet worden in St. Pölten, sondern ich bin auch sehr froh, daß ein Teil des Geldes für die Landeshauptstadt für einen Kulturbezirk verwendet wurde. Dort ist auch im Bereich der Architektur einiges passiert. Ich bin auch überzeugt davon, daß man in anderen Bereichen, wie beispielsweise im Tanz, in St. Pölten einen Weg suchen wird, der durchaus zu begrüßen und zu befürworten ist. – Ich habe ein völlig friktionsfreies Verhältnis zu den niederösterreichischen Künstlern. Im Gegenteil, ich habe mich immer für die Kunstförderung in Niederösterreich eingesetzt, so wie ich das auch für alle anderen Künstler in Österreich machen werde.

Eines ist klar: Man darf den Freiraum der Kunst nicht einschränken, denn der Freiraum, den wir als gesellschaftspolitische Verantwortliche der Kunst einräumen, ist jene Freiheit, die wir dieser Gesellschaft geben. Daher wird der Künstler diesen Freiraum immer ausnützen. Er hat die Aufgabe, diesen Freiraum auszureizen und soweit auszudehnen wie nur möglich. Damit haben auch die anderen Teilnehmer dieser Gesellschaft die Chance, einen weiteren Begriff der Freiheit zu erwerben, als er ursprünglich war. Wenn man den Begriff der Freiheit und den Freiraum der Gesellschaft der letzten 100 bis 150 Jahre betrachtet, dann wird man daraufkommen, daß sich dieser stetig weiterentwickelt hat und immer weiter ausgedehnt wurde zum Wohle des einzelnen und zur Teilnahme des einzelnen an der demokratischen Gesellschaft. Es waren immer Künstler, die versucht haben, so weiterzudenken wie der einzelne selbst. Diesen Freiraum zu gewährleisten, bedeutet, die Freiheit dieser Gesellschaft auch zu sichern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist angenommen .

3. Punkt

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997 (III-182/BR und 5862/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf daher nur die Verlesung des Beschlußantrages vornehmen.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Jänner 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag , den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet hat sich als erster Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile es ihm.

12.42

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die nationale und internationale Entwicklung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft läßt folgenden Ablauf beim Anbieten und bei der Abwicklung von Touristikleistungen erkennen: Zwischen Anbietern und Touristikkunden findet vermehrt eine vollständig durchorganisierte Kette von anbietenden Dienstleistern nach Gewährleistung eines einzigen Ansprechpartners statt. Ausgehend von entsprechenden Marktanalysen wird nach Schnürung von Angebotspaketen das Konsumbedürfnis beim Kunden geweckt.

Dies bedarf natürlich einer segmentorientierten Bewerbung, der PR, der medialen Aufbereitung von Destinationen, Destinationsmanagements, direkter Kommunikation mit den Kunden – im wesentlichen durch persönliche Kontakte –, dann der Herstellung von Voraussetzungen für den Abschluß des Reisevertrages, der Beratung, der Darstellung unterschiedlicher Reiseangebote, den Konsumbedürfnissen genau angepaßt, des tatsächlichen Vertragsabschlusses und des Anbietens von Zusatzleistungen wie Storno oder Rücktrittskostenversicherung.

Dann ist zu gewährleisten, daß das Mobilitätsbedürfnis bestmöglich erfüllt wird. – Diesbezüglich besteht zumindest entsprechend der Wirtschaft in Österreich eine Präferenz in Richtung Förderung und Einbindung von Verkehrsunternehmen. – Die Unterbringung und Verpflegung stellen einen wesentlichen Bestandteil dieses Angebotes gegenüber dem Touristikkunden dar. Dabei geht der Trend in Richtung Flexibilität des Angebotes, Erlebnis, Nischenprodukte.

Anschließend ist zu gewährleisten, daß vor Ort eine bestmögliche Betreuung stattfindet und der Rücktransport der Kunden sowie die Gewährleistung einer entsprechenden Kundenbindung bestmöglich erfolgen.

Der Trend geht daher in Richtung Zusammenführung dieser Leistungskette der einzelnen Leistungen, die ich vorher ausgeführt habe, und zwar dahin gehend, daß für diese Leistungskette gegenüber dem Kunden ein Ansprechpartner auftritt. Das ist im wesentlichen die Tätigkeit der privatwirtschaftlich organisierten Reisebüros in Österreich, die das für in- und ausländische Destinationen professionell durchführen.

Der vorliegende Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft geht auf diese Leistungskette, nämlich auf die Zusammenführung dieser Leistungen, die für die Gewinnung eines Kunden und für die Gestaltung seines Urlaubes entscheidend sind, nicht ein. Tatsächlich widmet der 81seitige Bericht den Reisebüros nur acht Zeilen.

Laut diesem Bericht sollen primär die von der öffentlichen Hand finanzierten Institutionen in der Tourismuswirtschaft gefördert werden, und diese nehmen in diesem Bericht einen ziemlich großen Umfang ein. Privatwirtschaftliche Organisationen haben in diesem Bericht keine entsprechende Wertigkeit, obwohl gerade die privatwirtschaftlichen Institutionen die Träger der Tourismuswirtschaft sind.

Sie, Herr Bundesminister, sind unserer Ansicht nach dafür verantwortlich, daß in diesem Bericht eine Förderung dieser privatwirtschaftlichen Institutionen erfolgt und für diese Institutionen auch bestmöglich – das ist eine Kompetenz der Bundesverfassung – die gewerberechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.

Was ist in der Vergangenheit tatsächlich passiert? – Es gab in den letzten Jahren eine deutliche Verschlechterung der Situation der Reisebüros; es wurde die Reisebürosicherungsverordnung eingeführt, und dadurch kam es zu einem enormen Verwaltungsmehraufwand der Reisebüros. Wir vertreten daher die Ansicht: Wenn schon eine entsprechende Reisebürosicherungsverordnung einzuführen ist, dann soll sie für die Reisebüros ganz einfach, einfach abwickelbar und möglichst kostengünstig sein.

Dann gab es die Margenbesteuerung, die zusätzliche Besteuerung von Pauschalreisen, deren komplizierte Berechnung die Reisebüros mit weiteren Kosten belastet hat. Die Reisebüros er


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warten sich natürlich noch immer entsprechende Impulse, und zwar Impulse des Wirtschaftsministeriums gegenüber dem Finanzministerium, dahin gehend, daß eine einfache Abwicklung dieser Steuer möglich ist.

Weiters gibt es die komplizierte Regelung im Zusammenhang mit den allgemeinen Reisebedingungen, welche absolut unlesbar geworden sind und für deren Kenntnis inzwischen ein Fachstudium erforderlich ist, deren Kenntnis allerdings per Verordnung – Verordnung betreffend Ausübungsvorschriften für das Reisebürogewerbe – vorgesehen ist.

Die Ausstattungsrichtlinien für die Reisebüros verursachen auch laufend hohe Kosten. Dafür sind Sie zuständig, und Sie sind dafür zuständig, die Reisebüros, die die Leistungskette, die die Angebotskette anbieten, bestmöglich zu unterstützen.

Was die Außenstellen der ÖW anlangt, wäre es sicherlich auch möglich gewesen, dies, genauso wie es heute die Airlines mittels entsprechender Kooperationen tun, durch private Kooperationen, durch Kooperationen des Reisebürogewerbes, des Gastgewerbes oder des Beförderungsgewerbes herzustellen und auch die entsprechenden ausländischen Kontakte von Reisebüros – ich möchte noch später darauf eingehen – zu nutzen.

Dann gibt es noch die Frage der Erfüllung des Mobilitätsbedürfnisses der Touristen. Der Verkehrsbereich ist ex definitione der Touristiklehre auch Bestandteil des Wirtschaftszweiges Tourismus. Dabei entsteht der Eindruck, daß Sie die Instrumentarien der EU betreffend Förderungen zum Beispiel für den autofreien Tourismus in Regionen und deren Vernetzung mit dem Hotelgewerbe zuwenig nutzen. Diesbezüglich erfolgt unserer Ansicht nach ein zu geringes Lobbying bei der EU, aber auch betreffend die Frage, Österreich als eines der schönsten Touristikländer der Welt in Szene zu setzen. Wir hätten im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs nämlich schon erwartet, daß Sie für dieses Land und seine touristischen Möglichkeiten stärker eintreten und dies auch medial stärker herausstreichen.

Somit stellt der vorliegende Bericht lediglich eine punktuelle Aufnahme von Touristikbereichen ohne Gesamtschau dar. Er läßt auch nicht erkennen, welche Schwerpunkte Ihr Ressort für eine Verbesserung der Situation der Gesamtanbieter und Retailer plant. Dieser Bericht läßt uns auch befürchten, daß eine weitere Verschlechterung durch zusätzliche behördliche Auflagen gegenüber den Reisebüros und auch gegenüber dem Gastgewerbe jedenfalls nicht auszuschließen ist. Dieser Verschlechterung der Wettbewerbssituation der Reisebüros kann auch nicht durch eine entsprechende zusätzliche elektronische Vernetzung von Buchungsmöglichkeiten beziehungsweise durch eine Internetanbindung entgegengetreten werden.

Wie mir berichtet wurde, ist in den USA bereits ein Internet-Reisebüro in Konkurs gegangen, und zwar ganz einfach aus dem Grund, daß die überwiegende Anzahl der Kunden einen persönlichen Kontakt zum Reisepartner haben will und sich bei der Buchung per Internet die Frage stellt, inwieweit die angegebene Kreditkartennummer von einem Dritten mißbräuchlich verwendet werden kann.

Das stellt nunmehr den Zusammenhang zu dem kürzlich in der "Presse" erschienenen Artikel dar. Hier stellten Sie – ich zitiere die "Presse" – die Frage: Wozu brauchen wir noch Reisebüros? – Hier wird von Ihnen der ganzen Branche ein jähes Ende prophezeit: "Wozu noch Reisebüros, meinte Farnleitner provokant." – Zitatende.

Dazu gibt es aufgrund Ihres Artikels ein Schreiben des Österreichischen Reisebüroverbandes vom 13. Jänner 1999. Darin schreibt der Präsident des Reisebüroverbandes: "Es scheint Ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen, wieviel die mit Incoming beschäftigten Reisebüros für das österreichisches Incoming-Geschäft investieren und wieviel sie zur Wertschöpfung der österreichischen Hotellerie beitragen." – Weiter unten steht: "Sie vergessen auch, daß in Deutschland, der Schweiz und Holland Reisebüros für Österreichs Incoming Großes leisten, und glauben in Ihrer nach meiner Meinung Unwissenheit, daß die Hoteliers zum Beispiel eine TUI, eine Neckermann, eine ITS, eine Kuoni und so weiter und so weiter – Sie werden es nicht glauben, aber auch das sind nur Reisebüros – ersetzen können. Die genannten Unternehmen werden sich


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über Ihre Aussagen sehr freuen und Ihre Intentionen nach Griechenland, Spanien und der Türkei richten, wo Minister Reisebüros ihrem Wert entsprechend hoch schätzen."

Anschließend schreibt der Präsident: "Ich fordere Sie auf, Ihre Aussagen sofort zu widerrufen oder Ihre Position als Minister und damit Vertreter der Gewerbetreibenden unserer Branche zur Verfügung zu stellen! Sie gefährden Tausende Arbeitsplätze."

Es ist uns natürlich ein großes Anliegen, daß die Reisebüros ihr wirtschaftliches Ansehen in diesem Staat bewahren. Auch wenn es sich um eine Fehlmeldung der "Presse" handelt, wäre es äußerst angebracht, daß im Bundesrat seitens des Wirtschaftsministers zum Ausdruck gebracht wird, daß ein hohes Interesse an diesem Branchenzweig vorliegt.

Zuletzt eine Zusammenfassung zum Tourismusbericht: Es werden unserer Ansicht nach somit lediglich punktuell Aktivitäten ohne Gesamtschau dargestellt, die privatwirtschaftlichen Veranstalter von Reisen außer acht gelassen, die privatwirtschaftlich organisierten Retailer nicht gefördert, auf die bestmögliche Erfüllung der Beförderungsbedürfnisse durch die Nutzung der bestehenden Strukturen bei den Verkehrsträgern und Verkehrsunternehmen nicht eingegangen und öffentlichen Institutionen gegenüber den privaten Organisationen und Betrieben eine Präferenz zugeordnet. Dieser Bericht ist unserer Ansicht nach lediglich reagierend und nicht offensiv angelegt und streicht auch die Stärken unseres Landes nicht heraus.

Aus diesen Gründen müssen wir als Fraktion der freiheitlichen Bundesräte gegen diesen Bericht stimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

12.54

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Man muß in Österreich kein Prophet sein, um zu wissen, daß die Zeitungsartikel von gestern die Redemanuskripte von morgen in den Hohen Häusern dieses Landes sind.

Ich habe gestern mit Herrn Hrabac telefoniert, ich habe gestern Aussendungen gemacht. Lassen Sie mich am Beginn eine Anekdote darüber erzählen, wie in Österreich Politik entsteht.

Es ist seit Monaten im Gespräch der Reisebürounternehmer untereinander eine der größten Sorgen, daß sich immer mehr Reiseveranstalter und Hoteliers, Spitzenhoteliers, fragen: Wozu brauche ich Reisebüros, wenn wir direkt linken, denn wir wollen uns Provision ersparen? – Ich habe in meinem Vortrag vor einigen hundert Hoteliers der Hoteliervereinigung nichts anderes getan, als genau diesen Satz, so wie ich ihn hier sage, zu zitieren.

Daraus machen zwei Redakteure, einer vom "WirtschaftsBlatt" und einer von der "Presse", diese Schlagzeile. Im Text wird das dann ein bißchen korrigiert, und darauf fällt alles herein – eine aufgeregte Schar von Funktionären, die sonst jeden Tag den Weg zu mir findet, auch Herr Hrabac. Statt mich anzurufen und zu fragen: Herr Minister, was hast du als unser Sachwalter gesagt?, enteilen mir alle mit Rücktrittsdrohungen wie Herr Reitinger-Laska und sind aufgeregt.

Wenn das Politik in Österreich ist, dann muß ich sagen: Wir sind ein aufgeregter Hühnerhaufen! Wer denn, wenn nicht der Wirtschaftsminister, ist bisher als Verteidiger der Reisebüros aufgetreten? – Ich verteidige die Reisebürovorschriften, wir haben uns mit Herrn Hrabac und mit allen anderen Herren zusammengesetzt und die Reisebürosicherung so einfach wie möglich gemacht und auch Entwürfe der Verordnungen abgeändert. – Jetzt plötzlich sehe ich mich in die Lage versetzt, daß der einzige, der den Sektor verteidigt, noch von den eigenen Leuten angepfiffen wird! – Herr Bundesrat! Ich bitte Sie, fallen Sie darauf nicht hinein!


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Ich habe das allen signalisiert: Ich bin über diese Art des Politikstils entsetzt – entsetzt! Lassen Sie mich Zahlen nennen: Wir hatten im letzten Jahr das beste Tourismus-Jahr der österreichischen Geschichte. (Beifall bei der ÖVP.)

Statt daß sich der Sektor endlich freut, sind Sie froh darüber, daß Sie wieder ein Problem haben, über das Sie polemisieren können. Das ist der Punkt! Ich möchte das sagen: Wenn sich viele unserer Touristiker den Kunden gegenüber so benehmen wie in der Öffentlichkeit, dann wundert es mich nicht, daß manche Leute keine Kunden haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als ich diesen Job übernommen habe, hatten wir über Jahre einen Rückgang der berühmten Zahl der Nächtigungen, die ich nicht mehr zitieren möchte – ich habe sie jetzt zum letzten Mal verwendet –, aber auch die Umsätze haben stagniert. Wir hatten sicher jetzt das beste Umsatzjahr in der Geschichte, und zwar bei fast keiner Inflation, und daher bringt das auch real etwas.

Ich habe vor der Hoteliervereinigung gesagt: Hören Sie im Augenblick mit zu vielen Jubelmeldungen auf! Ich juble erst, wenn ich auch Ertragsziffern in den Hotels und Gaststätten sehe. Ich möchte, daß wir endlich den Bereich der Freizeitwirtschaft von manchen Kategorien der Gastronomie, die als Sonderprobleme zu bezeichnen sind, Umsatzrückgänge und ähnliche Dinge mehr, trennen. Denn da gibt es segmentelle Probleme.

Ich möchte nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen, aber doch sagen, ich habe gerade die Verordnung über die Qualifikationssicherung im Reisebürogewerbe zur Begutachtung ausgeschickt. Da muß ich eine neue Verordnung machen, weil wir langsam ein Problem der Inländerdiskriminierung bekommen. Jemand, der in der EU Praxis hat, wird anerkannt, und der Österreicher muß den langen befohlenen Lehrweg absolvieren. Daher möchte ich, daß der Österreicher gleich wie der EU-Bürger behandelt wird, aber sie müssen die gleiche Praxis haben, das muß man klarstellen. Das wird in den nächsten Wochen von mir erlassen werden.

Daher bitte ich, mir hier zu glauben, daß mir die Reisebüros am Herzen liegen. Ich habe immer gesagt, mir wäre lieber, die Reisebüros würden sich genauso um den Inlandsurlauber im Inland kümmern, nicht nur um Incoming und Outgoing. Das ist ein alter Disput zwischen mir und Herrn Kadanka, Herrn Hrabac, und wie sie alle heißen. Denn ich sage: Das kann es nicht sein!

Es gibt einen Disput mit den Reisebüros, darauf möchte ich den Bundesrat auch aufmerksam machen. Ich habe in meinem Ressort eine Marketinghilfe-Aktion für Unternehmer der Hotellerie und der Gastwirtschaft eingerichtet – Direktmarketing – und habe gesagt: Im Rahmen dieser Förderaktion – Limit etwa 70 Millionen Schilling – nehmen nur Unternehmer teil. Also Gastwirt A, der in Budapest eine Show macht, bekommt von mir einen Zuschuß. Wir werden etwa 2 000 Anträge bekommen und haben 800 schon positiv erledigt. Die Erfolge sind frappant, denn zum Marketing – das haben Sie, Herr Bundesrat, auch genannt – gehört dazu, daß immer mehr Hoteliers – ich erwähne besonders einen in Kitzbühel, bei dem ich genächtigt habe – selbst sagen: Wenn ich heute nicht mit jedem meiner Kunden, der einmal bei mir war, über Internet in Dauerverbindung bleibe, ihm zu Weihnachten gratuliere und ihm ein Osteroffert stelle, dann bin ich draußen! – Es darf auf dem Sektor keine Realitätsverweigerung bei Problemen geben!

Daher kann ich sagen, die Reisebüros sind wichtig, wir brauchen sie. Aber ich muß, wenn ich einmal das Direktmarketing-Gefühl der Unternehmer, vor allem der Gastwirte und Hoteliers, fördere, nicht gleich die Reisebüros dazunehmen, denn dann ist das Geld gleich weg. Diese sind jetzt schon dabei.

Zum anderen: Ich bitte die FPÖ, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir im Nationalrat vereinbart hatten, daß der künftige Tourismusbericht dünner sein muß und daß ich mit den Klubs jeweils die Schwerpunkte des jeweiligen Jahresberichtes festlege. Ich bitte daher, jetzt nicht mir vorzuwerfen, daß manche Dinge nicht enthalten sind. Wir haben bereits für das nächste Jahr mit den Vertretern aller Klubs im Parlament vereinbart, was in dem Bericht stehen soll, weil von allen Klubs gesagt wurde, daß mit den dicken Berichten, mit einem quasi Zahlenfriedhof aufgehört werden sollte und nur die Themen, die das Hohe Haus interessieren, beredet werden sollten.


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Ich nehme es daher gerne zur Kenntnis, wenn Sie im nächsten Bericht etwas beinhaltet haben wollen, wenn der FPÖ-Klub etwas will; ich nehme es auch gleich so zur Kenntnis. Nur bitte ich, nicht mir in dem Hohen Haus das vorzuwerfen, was mit den Klubs vereinbart worden ist.

Meine Damen und Herren! Noch einen anderen Hinweis zu diesem Bericht: Es ist erstaunlich, wie dynamisch das Tourismusmanager-Substrat in Österreich ist. Wir haben die Strategien in den letzten zwei oder drei Jahren umgedreht – in Richtung Qualität, in Richtung mehr Service. Wo gibt es einen anderen Wirtschaftszweig, dessen Kunden zu 93 Prozent zufrieden sind, wie das die von uns gemachten Tests ergeben haben? – Das gibt es in fast keiner anderen Wirtschaftsbranche. Es sind noch immer 7 Prozent, bei denen wir ein Problem haben, aber 93 Prozent sind sicherlich ein sehr positiver Wert.

Ich höre gleich auf, Herr Präsident, aber das zu sagen ist mir ein Anliegen, denn Tourismus ist Landessache, und in jedem Land gibt es einen Tourismusreferenten, der sich darum auch kümmern muß. Das ist wichtig.

Die Qualität stimmt. Österreich ist eindeutig Weltmeister im Umsatz – bei aller Raunzerei über die Lohnnebenkosten, die ich sicher heute auch wieder höre. Wir haben bei den Touristen einen Pro-Kopf-Umsatz von 18 800 S, die Schweiz liegt mit 13 500 S – mit weit höheren Löhnen und weit höheren Lohnnebenkosten – weit abgeschlagen an zweiter Stelle. Österreich ist Tourismusweltmeister, daher müssen wir auch Weltmeister in der Innovationssetzung im Tourismus sein.

Ich sage gleich noch etwas zum Außennetz. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, ich war unverdrossen im Streit mit Ländern und Wirtschaftskammer so lange insistent, bis eine Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, die die Synergien zwischen Außenhandelsorganisation und Österreich Werbung sicherstellen muß. Ich habe auch die Pauschalvereinbarung, daß die ÖW irgend etwas an die Kammer zahlt, aufgekündigt. Ich möchte eine Einzelabrechnung haben, denn eines ist völlig klar: Die künftige Bearbeitung der Märkte rund um uns ist eine der Hauptaufgaben.

Ich erzähle Ihnen noch eine Anekdote im Zusammenhang mit dieser Marketingaktion. Ein Hotelier aus einem westlichen Bundesland hat zu mir gesagt: Ich habe vier Marketingveranstaltungen gemacht, eine in London, eine in Frankfurt, eine in Budapest und eine in Wien. Wissen Sie, was das Ergebnis war? – In Wien habe ich 400 Direktanmeldungen gehabt, in Budapest 100, in London 2 und in Frankfurt 10.

Wir kommen darauf, daß unser größter Markt in Österreich selbst liegt. Nur 48 Prozent der Österreicher machen Urlaub, obwohl sie 5 Wochen garantierten bezahlten Mindesturlaub haben. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Die osteuropäischen Länder sind für uns ein Hoffnungsgebiet, die als Barzahler unfaßbar und auch als Kunden dankbar sind. Ich höre es gerne, wenn man an Brasilien und Mexiko denkt, das ist alles recht schön und gut, ein paar hundert Leute werden wir von dort sicherlich herbekommen, aber die Menge wird das nicht ausmachen. Glauben Sie wirklich, nachdem man mir das lange genug unterstellt hat, daß mir der Tourismus kein Anliegen ist? Wenn wir es geschafft haben, einen Umsatzrückgang ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Nächtigung? – Vergessen Sie das, das ist ein Schmarren! Anekdote dazu: Eine Gemeinde, in der wir vor kurzem Zimmer buchen wollten, war zu 100 Prozent ausgebucht. Ein sofortiger Test, wie viele davon gemeldet waren, ergab eine Meldemoral, bei der Ihnen das Gesicht hinunterfällt. Es hätten nämlich 1 000 Zimmer zur Verfügung stehen müssen. Mit solchen Zahlen lasse ich mich als Minister nicht mehr bluffen. Das mag vielleicht beeindruckend sein für alle, die in den Zeitungen stehen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Mir geht es um die Wertschöpfung, und Sie werden künftig – das wird vielleicht im nächsten Bericht schon enthalten sein – eine regelmäßige Cash-flow-Information bezüglich der Tourismusbetriebe bekommen. Ich habe zu den Hoteliers in Kitzbühel gesagt, wir werden im Rahmen dieser Farnleitner-Aktion ÖHT und der BÜRGES-Garantie, mit diesen 7 Milliarden, über die wir hier auch geredet haben, rasch Refinanzierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen bei den Tourismusbetrieben setzen müssen. Es ist ja undenkbar, daß neufinanzierte Tourismusbetriebe heute mit 2 bis 3 Prozent Kreditbelastung fahren, wenn sie sich international finanzieren, und


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unsere altfinanzierten Betriebe 7, 8, 9 Prozent zahlen müssen. Das können sie doch nie erwirtschaften!

Aber da gibt es eine Bringschuld der Betriebe. In der Zwischenzeit haben wir schon 85 Anträge auf Restrukturierung vorliegen. Es müßten sich eigentlich alle Banken aus eigenem Interesse sagen: Wir setzen uns jetzt mit all unseren Stammkunden zusammen und suchen eine Lösung, damit diese Betriebe endlich ihre Zinsen zahlen und dabei auch noch überleben können.

Jetzt habe ich lange genug geredet, aber glauben Sie mir eines: Wir haben im Tourismus die Trendwende geschafft. Dank Euro und dem Binnenmarkt, einem "wärmeren" Binnenmarkt, schaut es gut aus. Schauen Sie sich die Zahlen an: Der deutsche Markt ist uns vor lauter Zahlungsbilanzüberschuß und Konsumentenfrust weggebrochen. Das kann es nicht sein. Deutschland hat den höchsten Zahlungsbilanzüberschuß aller Zeiten und eine Stimmung bei den Konsumenten, daß ein Urlauber schon ein schlechtes Gewissen hat.

Wenn jetzt Europa vom Gefühl her "wärmer" wird – das sehen wir –, heißt das auch, daß wir diese minus 1, 2 Prozent bei den Ankünften aus Deutschland im nächsten Jahr wieder wettmachen können. Ich hoffe sehr, daß nicht nur die deutschen Investoren stark kommen. Auch dem Bundesrat sei gesagt: Wir haben 1 300 Anfragen von Investoren aus Deutschland in den nächsten Wochen in der Austrian Business Agency, und wir verhandeln im Augenblick mit 245 Unternehmen konkret über die Niederlassung in Österreich. Mir sind die Deutschen als Investoren, aber auch als Touristen unter den neuen Prämissen sehr willkommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm das Wort.

13.06

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesminister ist gerade vorhin darauf eingegangen, am vergangenen Wochenende warteten die Medien mit erfreulichen Meldungen über den Tourismus auf. So titelte zum Beispiel die "Neue Zeit" am Samstag: 1998 war ein Traumjahr für den Tourismus. Oder die "Kleine Zeitung" schrieb ebenfalls am vergangenen Samstag: Tourismuseinnahmen steigen auf Rekordhöhe.

Meine Damen und Herren! Diese Meldungen beziehen sich zwar auf das Jahr 1998, und wir diskutieren heute den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich für 1997. Aber bereits aus dem jetzigen Bericht geht hervor, daß erstmals seit 1992 die Einnah-men aus dem Tourismus wieder steigen. Es war also bereits 1997 eine Trendumkehr festzustellen.

Eingangs möchte ich im Namen meiner Fraktion den Beamten des Wirtschaftsministeriums und Ihnen, Herr Bundesminister, für die Erstellung des Berichtes den Dank aussprechen.

Ich finde, der Bericht ist ein übersichtliches Nachschlagewerk. Wie in der Einleitung zu lesen ist und wie Sie bereits erwähnt haben, hat es im vergangenen Jahr eine Besprechung mit Ver-tretern der Parlamentsklubs darüber gegeben, welche Inhalte der Tourismusbericht umfassen soll.

Bevor ich auf einzelne Problemstellungen und Entwicklungen in der Tourismuswirtschaft ein-gehe, möchte ich mit einigen grundsätzlichen Überlegungen zu diesem Bereich beginnen. Dem Tourismus kommt in einer immer mobiler werdenden Gesellschaft große Bedeutung zu. Österreich wird dabei als klassisches Fremdenverkehrsland vor große Herausforderungen gestellt. Ziel jedes tourismuspolitischen Leitbildes muß eine konsequente Weiterentwicklung in Richtung Qualitätssteigerung sein.

Ein fundiertes zukunftsweisendes tourismuspolitisches Konzept, basierend auf gründlichen Analysen, realisierbaren Zielen und durchdachten Maßnahmen, ist Auftakt zu einer Entwicklungs


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offensive, die Österreich zu einem Land mit touristischer Zukunft machen soll. Wirtschaftlicher Erfolg, strukturelle Verbesserungen und die Interessen der Arbeitgeber sowie auch der Arbeitnehmerschaft dürfen nicht als Gegensätze, sondern müssen als gemeinsame Ziele betrachtet werden. Die Vollbeschäftigung als Grundwert der Sozialdemokratie genießt auch bei allen Überlegungen zu den Rahmenbedingungen in der Tourismuswirtschaft höchste Priorität.

Die österreichische Tourismus- und Freizeitwirtschaft hat auf internationaler Ebene eine hervorragende Stellung erreicht. In den vergangenen Jahren waren jedoch der Einfluß der internationalen Rezession auf dem Tourismussektor, aber auch einige Strukturprobleme und die Wechselkursschwankungen spürbar. Mit der Einführung des Euro ist ein wichtiger Schritt, der Stabilität in diesem Bereich bringt, vollzogen. Wir alle erinnern uns noch daran, welche negativen Auswirkungen es für unsere Exportwirtschaft, aber vor allem für unsere Tourismuswirtschaft mit sich gebracht hat, als die Italiener die Lira so stark abgewertet haben. Mit der neuen Stabi-lität durch die Einführung des Euro ist eine eindeutige Verbesserung, vor allem was die Planbar-keit in der Tourismuswirtschaft betrifft, eingetreten.

Ein weiterer wichtiger Punkt – das geht aus dem vorliegenden Bericht eindeutig hervor – muß ein Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung sein. Unter Qualitätsverbesserung verstehe ich nicht nur die aufwendigere Ausgestaltung der Betriebe, wie zum Beispiel pompöse Holzverkleidungen oder sonstige Einrichtungen, sondern Qualität erkennt man daran, wie der Gast bei uns aufgenommen wird, was ihm geboten wird und wie sein Wohlbefinden in seinem Urlaubsort ist. Das heißt, besonders wichtig ist, daß wir unsere Mitarbeiter ständig qualifizieren und daß die Bedingungen für die Mitarbeiter verbessert werden, um in diesem Bereich einen weiteren Motivationsschub zu erreichen.

Die Tourismuswirtschaft klagt oft darüber, daß sie nicht ausreichend qualifiziertes Personal bekommt. Hier möchte ich aber deutlich festhalten, daß dies sehr häufig mit schlechten Arbeits-bedingungen und wenig Engagement für neue Ideen in den Betrieben zusammenhängt. Ich bringe Ihnen hiezu ein Beispiel.

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice Steiermark und dem Berufsförde-rungsinstitut ein Projekt entwickelt, das darauf hinausläuft, verstärkt junge Menschen für diese Branche zu gewinnen, da sich als Problem herausgestellt hat, daß jemand, der einmal in der Gastronomie tätig ist, nur schwer aus dieser Branche wieder herauskommt, da man immer wieder vermittelbar ist. Dieses Modell hatte zum Ziel, daß den jungen Menschen beim Einstieg garantiert wird, daß sie nach einer gewissen Zeit, in etwa zehn Jahren, ein Ausstiegsrecht aus dieser Branche haben. Innerhalb dieses Zeitraums wird die Möglichkeit geboten, eine Höherqualifizierung beziehungsweise auch eine Qualifikation für die Zeit danach zu erhalten.

Bei Saisonbeschäftigten könnten diese Module zwischen den Saisonen stattfinden, und bei ganzjährig Beschäftigten müßte eben ein gewisser Teil der Normalarbeitszeit für Bildung aufgewendet werden.

Das Arbeitsmarktservice hätte für dieses Modell ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt. Als wir dann versuchten, ein Pilotprojekt zu installieren, und diesbezüglich mit der Wirtschaft in Kontakt getreten sind, mußten wir leider feststellen, daß nur wenig bis gar keine Bereitschaft vorhanden war, bei solchen neuen Modellen mitzutun. Ich bin überzeugt davon, wenn man jungen Menschen diese Möglichkeit in Aussicht stellen würde, daß damit die Attraktivität der Tourismusberufe steigen würde und es leicht wäre, Mitarbeiter zu bekommen.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich an der Tourismusbranche anbringen möchte, ist eine gewisse Überheblichkeit und geringe Flexibilität – etwas, was ich vor allem auch bei uns in der aufstrebenden Thermenregion feststellen kann. Nur ein kleines Beispiel: Obwohl in den Tourismusverbänden und bei verschiedensten Veranstaltungen, aber vor allem von ausländischen Gästen häufig die Anregung gekommen ist, daß zumindest die Speisekarten in den Restaurants mehrsprachig sein sollten, läßt die Umsetzung zu wünschen übrig. Für mich ist es unverständlich, daß es nicht einmal möglich ist, solche Kleinigkeiten, die aber auf unsere Gäste eine positive Wirkung hätten, umzusetzen.


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Meine Damen und Herren! Vielleicht noch eine Anmerkung zum Thema motiviertes Personal. Ich habe schon erwähnt, daß Qualifikation, aber auch bessere Arbeitsbedingungen und Anerkennung eine wichtige Rolle spielen. Man darf aber auch den finanziellen Aspekt nicht außer acht lassen. Ich meine, daß die Tourismusbranche für ihre Mitarbeiter, die in der Saison beschäftigt sind, auch ein Abfertigungsmodell ähnlich dem Bauarbeitermodell einführen sollte. Ich glaube, daß das aus Gerechtigkeitsgründen und im Hinblick auf zufriedene Mitarbeiter ein wichtiger Schritt wäre.

In diesem Zusammenhang möchte ich, sehr geehrter Herr Bundesminister, doch eine Kritik an der Formulierung in Ihrem Bericht anmerken. Es ist auf Seite 70 im letzten Absatz zu lesen – ich zitiere –:

"Auch die Ausgestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen verursacht eine Stufe in der Kostenfunktion, die Diskussionsstoff zwischen den jeweiligen Interessenvertretern liefert. So führt die Tatsache, daß nach sechs Beschäftigungsmonaten die Mitarbeiter den vollen Jahresurlaubsanspruch haben und ein Anspruch auf Abfertigungszahlung bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses besteht, dazu, daß viele Betriebe eine Verlängerung der Saison scheuen, um die Lohnkosten gering zu halten. Die Auswirkungen betreffen außer den im Betrieb Beschäftigten auch Zulieferer und Nachfrager beziehungsweise komplementäre Anbieter von (touristischen) Leistungen. Eine Glättung dieses Sprunges durch entsprechende Aliquotierung des Urlaubsanspruches beziehungsweise der Abfertigungsansprüche könnte den für die betroffenen Unternehmen negativen Anreiz zur Überschreitung dieser Schwelle beseitigen." – Ende des Zitats.

Herr Bundesminister! Da es hier um mögliche Verlängerungen der Saison geht, ist davon auszugehen, daß es trotzdem das erste Beschäftigungsjahr ist – die Aliquotierung des Urlaubsanspruches im ersten Jahr wird im Urlaubsrecht bereits geregelt. Weiters ist festzuhalten, daß ein Abfertigungsanspruch erst bei einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit frühestens nach drei Jahren entsteht. Ich halte es nicht für sehr zielführend, daß in einem offiziellen Bericht des Bundesministeriums in das Konzert der Jammerer miteingestimmt wird, noch dazu, wo dieser Punkt der Urlaubsaliquotierung bereits geändert wurde.

Meine Damen und Herren! Nun ein paar Bemerkungen zu den Anregungen, die vor allem aus dem Eck der Freiheitlichen Partei, aber auch von Teilen des Wirtschaftsbundes kommen: Die Verwirklichung einer alten FPÖ-Forderung, die nichtentnommenen Gewinne in den Betrieben steuerfrei zu stellen, würde sich für die qualitative Entwicklung negativ auswirken. Die Unternehmen würden nämlich das Geld nicht für Investitionen heranziehen, sondern würden in die Finanzwirtschaft investieren und spekulieren. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist eine Unterstellung bis dorthinaus!) Ich meine daher, daß nichtentnommene Gewinne selbstverständlich versteuert werden sollten und Investitionen im Betrieb steuerfrei gehalten werden müssen.

Ähnlich verhält es sich auch mit der Diskussion über die Abschaffung der Getränkesteuer. Bekanntlich ist das eine Gemeindeabgabe ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie unterstellen den Betrieben, daß sie Steuern hinterziehen! Das ist ja unglaublich! – Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. – Herr Kollege Tremmel! Sie müssen mir schon zuhören. Ich habe keinem Betrieb unterstellt, daß er Steuern hinterzieht. Ich habe gesagt, nichtentnommene Gewinne gehören selbstverständlich versteuert (Bundesrat Dr. Tremmel: Das habe ich schon verstanden!), und Investitionen sollen steuerfrei gehalten werden. Das waren meine Worte! (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Meine Damen und Herren! Zur Diskussion um die Getränkesteuer: Bekanntlich ist diese eine Gemeindeabgabe und für die Betriebe nur ein Durchlaufposten, da die Getränkesteuer von den Konsumenten bezahlt wird. Man bedenke nur, welche Aktivitäten die Gemeinden auch im Bereich des Tourismus unternehmen, die sie zum Teil aus Mitteln der Getränkesteuer finanzieren. Würde diese Steuer wegfallen, könnten die Gemeinden weniger in diesem Bereich tun, und das hätte negative Auswirkungen auf den Tourismus und somit auch auf die Arbeitsplätze. Dar


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über hinaus würde mich interessieren, wenn die Getränkesteuer abgeschafft wird, ob die Betriebe auch die Preise in diesem Ausmaß senken würden.

Meine Damen und Herren! Eine wichtige Zielgruppe für die Zukunft ist aus meiner Sicht die Jugend. Der Bereich des Jugendtourismus hat jährliche Wachstumsraten in der Höhe von zirka 8 Prozent. Nach einer Umfrage unter jugendlichen Touristen ist Österreich an dritter Stelle gereiht worden. 10 Prozent der 40 Millionen Auslandsreisen der europäischen Jugendlichen gehen in Richtung Österreich. Jugendtourismus ist keinesfalls mit Billigtourismus gleichzusetzen. Im Schnitt geben die jungen Reisenden pro Auslandstrip rund 8 000 S aus. Das entspricht in Europa einem Volumen in der Höhe von 325 Milliarden Schilling pro Jahr.

Im Hinblick auf diese Entwicklung hat die Steiermark, was den Jugendtourismus betrifft, eine Vorreiterrolle übernommen. Durch die Initiative des Österreichischen Jugendherbergsverbandes ist es gelungen, daß das steirische Jugendherbergswesen von der parteipolitischen Zuordnung gelöst wurde und daß sich die beiden Verbände fusioniert und zum Verein steirischer Jugendgästehäuser zusammengeschlossen haben.

Dies war ein bedeutender Schritt, da nun die Verantwortlichen im Land die Aktivitäten in Richtung Jugendtourismus über diesen einen Verein abwickeln. So ist es zum Beispiel gelungen, daß auch in meiner Heimatgemeinde, in Fürstenfeld, ein Jugend- und Familiengästehaus mit einem Investitionsvolumen in der Höhe von 38 Millionen Schilling errichtet wird. Ich möchte mich für diese Aktivität sehr herzlich bei Herrn Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner und bei Herrn Finanzreferenten Hans-Joachim Ressel bedanken, die dieses Projekt seit Jahren verfolgt haben und ihm positiv gegenübergestanden sind. (Bundesrat Dr. Tremmel: Und bei den Abgeordneten des Steirischen Landtags, die dieses Budget beschlossen haben!)  – Die Regierung hat es beschlossen.

Aber auch Herr Landesrat Hirschmann und Frau Landeshauptfrau Klasnic haben die Notwendigkeit für eine Investition in diese Richtung erkannt, und gemeinsam ist diese Fusionierung gelungen. Deshalb wird wieder verstärkt in diesen Bereich investiert.

Einen nicht unerheblichen Anteil am touristischen Aufwärtstrend in der Steiermark haben natürlich die Thermen in unserer Region. Durch diese Entwicklung hat auch der landwirtschaftliche Sektor neue Betätigungsfelder erhalten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Privatzimmervermieter, die Bauernmärkte beziehungsweise Selbstvermarkter, aber auch an das Reiten im Thermenland und viele andere Aktivitäten, die von den Bauern als neue Erwerbszweige genutzt werden.

Hohes Haus! Diese positive Entwicklung im steirischen Thermenland, aber auch die Entwicklung bei den steirischen Schibergen ist deshalb möglich, weil das Land Steiermark über die Landesholding sehr viel Geld für Infrastrukturinvestitionen aufwendet. Ich erinnere nur an die Fertigstellung der Ennstal-Schischaukel, aber auch an andere Vorhaben wie Kreischberg, Präbichl und andere Skigebiete, ebenso an die Investitionen in die Therme Bad Radkersburg und in die Therme Loipersdorf an, die Beteiligung an der Therme Gleichenberg und viele andere Aktivitäten.

Hier möchte ich mich ganz besonders bei Landesrat Ressel bedanken, der nicht müde wird, diese immensen Investitionen voranzutreiben, um für eine positive touristische Entwicklung im Land zu sorgen, und durch diese Maßnahmen einen kräftigen Impuls für mehr Beschäftigung setzt.

Die jüngste Aktivität ist die Idee vom "Erlebnisland Steiermark". Steiermark als Tourismusregion – darunter versteht man die Vernetzung von Angeboten, von den Thermen über die Schiberge, über kulturelle Aktivitäten, die Schlösserstraße, das Weinland bis hin zum Städtetourismus. Das wird ein erfolgversprechendes Konzept.


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Zum Schluß kommend: Wir sehen, daß durch gemeine Anstrengungen und Aktivitäten einiges bewegt werden kann. Wir sind auch im Tourismus auf dem richtigen Weg, was uns der kommende Bericht für das Jahr 1998 aufzeigen wird.

Ich möchte mich namens der SPÖ-Bundesräte bei allen im Tourismus Tätigen, die diese Trendumkehr bewirkt haben, bedanken, aber vor allem möchte ich mich bei den Gästen, die unser schönes Land besuchen, bedanken.

Meine Fraktion wird den Tourismusbericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

13.24

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Freiberger! Ist Kollege Freiberger noch da? – Da ist er ja. Ich verstehe schon, daß Sie als Sozialdemokrat quasi jemanden brauchen, auf den Sie hinschlagen können. Aber das, was Sie vorher gesagt haben, daß Sie dagegen sind, daß Unternehmer nichtentnommene Gewinne, die sie für Investitionen notwendig brauchen, nicht versteuern können, weil sie damit spekulieren – das haben Sie gesagt, Herr Kollege –, das weise ich in aller Form zurück, auch im Namen meiner Fraktion! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Freiberger.  – Bundesrat Dr. Tremmel: Sie haben eindeutig "spekulieren" gesagt!) – Herr Kollege, das ist Klassenkampf pur! Das muß man in aller Deutlichkeit festhalten.

Aber zum Tourismusbericht 1997 zurückkommend: Ich glaube, daß der Bericht von der Lesbarkeit und der Strukturierung her außerordentlich gut gelungen ist. Herr Minister, auch Ihrer Beamtenschaft mein Kompliment. Ich meine, daß er sich auf das Wesentliche konzentriert und sehr gut gegliedert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über den Tourismusbereich reden, so debattieren wir über einen der größten Wirtschaftszweige in unserem Land. Wir alle wissen sehr genau, daß dieser Wirtschaftszweig in den letzten Jahren doch von einem massiven Strukturerneuerungs- und Marktanpassungsprozeß begleitet wurde. Im Tourismusbericht 1997 ist aber zum erstenmal von einer Trendumkehr die Rede, und das ist auch anhand der Zahlen, Daten und Fakten sehr klar ersichtlich. Deshalb war ich mir etwas unsicher, Herr Kollege d'Aron, als ich Ihren Redebeitrag gehört habe, ob wir über denselben Bericht reden, weil ich doch sehr viele Dinge als sehr positiv erachte, auch was speziell die kleinen und mittleren Betriebe, was die Förderungen angeht.

Was die Reisebüros betrifft, möchte ich anmerken, daß es neben der politischen Verantwortung auch so etwas wie eine unternehmerische Verantwortung gibt. Die Frage, die sich die Reisebüros zu stellen haben, ist folgende: Habe ich eine Dienstleistung anzubieten, für die ich einen Markt habe? Habe ich eine Dienstleistung anzubieten, sodaß der Kunde bereit ist, mir dafür auch Geld zu bezahlen?

Wenn man heute nach Amerika fliegen will, kann man von der Buchung des Hotels bis hin zur Buchung des Fluges alles über das Internet machen. Das sind wesentliche Dienstleistungen, die bis jetzt meist Reisebüros durchgeführt haben. (Bundesrat Dr. d'Aron: Das ist zuwenig! Wir brauchen die persönliche Betreuung!)

Ich möchte aber doch einige Zahlen und Daten in die Diskussion einbringen. Erstmals seit dem Jahre 1992 stiegen die Tourismuseinnahmen um 2,25 Prozent auf 183 Milliarden Schilling. Bemerkenswert dabei ist, daß diese Umsatzzuwächse trotz deutlich sinkender Nächtigungszahlen zustande gekommen sind, womit doch ein deutlicher Hinweis auf eine Strukturverbesserung aufgezeigt wurde.


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Im Bereich des Anteils der Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr am Bruttoinlandsprodukt liegt Österreich mit 6,1 Prozent weltweit noch immer unangefochten an erster Stelle vor Spanien und Portugal. Zum Vergleich andere Kennzahlen: Der EU-Durchschnitt beträgt 2 Prozent und der OECD-Durchschnitt 1,3 Prozent. Ich glaube, das sind Zahlen und Fakten, auf die Österreich, vor allem die Tourismusbranche, stolz sein kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, die genannten Daten bestätigen auch die Richtigkeit der Maßnahmen, die gesetzt worden sind. Richtig war es, daß in den letzten Jahren sehr stark in die Qualitätsverbesserung investiert wurde. Richtig war es auch, den Städtetourismus mit unterschiedlichsten Themen, zum Beispiel mit Kultur- und Sportevents, anzukurbeln, denn das Interesse an Kultur und Sport wird weiter ansteigen.

Es war außerdem richtig, wieder verstärkt auf den inländischen Gast zuzugehen. Begleitend dazu – das ist schon mehrfach angeschnitten worden – haben auch die einzelnen Bundeslän-der viel zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Es hat sich, wie Kollege Freiberger schon gesagt hat, in der Steiermark die Thermenregion außerordentlich gut entwickelt, die auch, so glaube ich, das ganze Jahr über gut ausgelastet ist.

Ein weiteres Beispiel einer noch kleineren Einheit möchte ich aus meiner Heimatstadt Leoben berichten. Wir hatten voriges Jahr eine China-Ausstellung mit 100 000 Besuchern, und ich glaube, daß hier auf regionaler und kommunaler wie auch auf Ebene der Länder vieles initiiert worden ist. Ich bin der Meinung, daß Länder und Kommunen die Chancen, die in diesem Bereich schlummern, entdeckt haben.

Da wir heute über den Tourismus reden, möchte ich für heuer eine Tibet-Ausstellung in Leoben ankündigen. Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich nach Leoben einladen. Ich glaube, daß das eine sehr interessante Ausstellung wird, und möchte das hier gleich mitanbringen. (Bundesrat Meier: Leoben ist sowieso super!)

Bei allen positiven Entwicklungen, die in diesem Bericht dargestellt worden sind, bereitet mir aber ein Faktor wesentliche Sorge, und zwar die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Betriebe.

Die Eigenkapitalbasis ist mehr als besorgniserregend. Das hat offenbar zu einer Situation geführt, die man am besten an zwei Indikatoren ablesen kann. Die Investitionen sind auf die Hälfte des Höchstwertes zurückgegangen. Diese angespannte Situation zeigt sich auch sehr deutlich an der Kennzahl für den dynamischen Verschuldungsgrad. Hier ist zu überlegen, inwieweit wir den Betrieben künftig über förderpolitische Richtlinien, aber auch über Finanzierungsmodelle aus dieser Situation heraushelfen können.

Einen weiteren Schwerpunkt erblicke ich, da Österreich auch ein Land der Familienbetriebe ist – gerade im Tourismusbereich werden viele Hotels von Familien geführt –, in der Nachfolgethematik. Wir haben es mit einer großen Zahl von Betrieben zu tun, die an die nächste Generation übergeben werden. Ich bin der Ansicht, daß dieses Problem bei einigem politischen guten Willen in den nächsten Jahren lösbar sein wird. Ich glaube, daß es ein wichtiger Schritt hinsichtlich des Nachfolgers im Familienbetrieb wäre, wenn die betriebliche Erbschaftssteuer im Zuge der Steuerreform eliminiert werden könnte.

Optimistisch – um auch zukünftige stabilisierende Faktoren zu nennen – bin ich allemal, weil meiner Ansicht nach soeben ein politisches Projekt gelungen ist. Ich meine damit den Euro. Das war nämlich ein politisches Projekt. Der Euro wird uns die nötige Stabilität und die nötige Planbarkeit geben, die wir in der Wirtschaft brauchen.

Ich habe mit sehr großer Freude – das darf ich anmerken – auch die Positionsveränderung der Freiheitlichen Partei zu diesem Thema vernommen. Vor ein paar Jahren hat das durchaus noch anders ausgesehen. Ich meine, daß uns der Euro zumindest einer wesentlichen Sorge enthebt, und zwar jener über Wechselkursschwankungen und Abwertungen. (Bundesrat Weilharter: Auch bei den Kreditkarten!) Erst durch die Einführung des Euro fällt dieses Risiko auf Dauer tatsächlich weg. Es wird aber auch folgender Aspekt auftreten: Durch den Euro ist es natürlich


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möglich, die Vergleichbarkeit der Preise herzustellen, und hier werden möglicherweise noch gewisse Strukturinnovationen notwendig sein. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, daß wir uns, nachdem dieser wichtige Aspekt erledigt ist, auf die Marktbearbeitung konzentrieren können. Eine wesentliche Problematik des österreichischen Tourismus ist der geringe Nationenmix, der vorhanden ist. 80 Prozent aller Nächtigungen werden von Gästen aus drei Ländern getätigt: Deutschland, Österreich und Holland. Es freut mich, daß sehr viele Gäste aus Deutschland und Holland in unser Land kommen. Eine dominante Rolle spielen natürlich unsere deutschen Freunde, mit rund 50 Prozent des gesamtösterreichischen Nächtigungspotentials und mit mehr als zwei Dritteln der Ausländernächtigungen erreichen wir hier bald Monopolzustände.

Für das Unternehmen Österreich wird es daher wichtig sein, neue Zielgruppen zu erschließen; vor allem die Reformstaaten werden zu einem immer wichtigeren Gästesegment. Das sieht man auch in diesem Bericht sehr deutlich. Mit einem Plus von 7,1 Prozent entwickelt sich die Nachfrage aus Zentral- und Osteuropa erheblich besser als jene aus dem übrigen Ausland. Die Annäherung an die Oststaaten ist ein wichtiger Schritt, weil wir damit eine Gästegruppe, die sehr stark zunimmt, zusätzlich ins Land bekommen. Wenn wir solche Perspektiven berücksichtigen, aber auch offensiv nutzen, dann wird – davon bin ich überzeugt – diese Trendumkehr weiter anhalten.

Ich glaube, die Politik, die der Minister macht, ist völlig richtig, damit der Tourismus in seiner Bedeutung beibehalten und verbessert wird. Die ÖVP wird daher diesem Bericht gerne ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Konecny. )

13.35

Präsident Gottfried Jaud: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte.

13.35

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich sofort an den Redebeitrag des Herrn Kollegen Missethon anschließen. Ich verwahre mich ausschließlich, Herr Kollege Freiberger (Bundesrat Prähauser: "Ausdrücklich" heißt das!)  – ausdrücklich, ist egal (Bundesrat Prähauser: Das ist nicht egal! – Heiterkeit bei der SPÖ)  –, gegen das, was Sie meinen Kollegen unterstellen. Ich habe das damals auch Herrn Minister Edlinger gesagt, und ich sage es Ihnen heute wieder. Vielleicht haben Sie sich heute so stark gefühlt, weil uns Herr Minister Edlinger auch schon einmal in die Liste der Betrüger hineinzitiert hat. (Bundesrat Meier: Das hat er nicht!)

Ich sage das gleich im vorhinein, und Sie, meine Damen und Herren ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. – Nein, nicht. Ich sage das gleich im vorhinein, und Sie, meine Damen und Herren, werden heute wahrscheinlich meine Kritik an diesem Tourismusbericht beziehungsweise an der Tourismuspolitik als ungerechtfertigt hinstellen und versuchen, diese mit positiven Zahlen über Übernachtungen, Umsätze und Ankünfte zu entkräften.

Herr Minister! Ich weiß es nicht, ich stelle mir ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )  – Nein, gar nicht. Überlegen Sie sich ordentlich, was ich sage, und melden Sie sich bitte nach mir zu Wort, Herr Bieringer! (Bundesrat Bieringer: Ich habe nichts anderes gesagt! Ich habe nur wiederholt, was Sie gesagt haben!)

Herr Minister! Ich frage Sie folgendes: Ist das eine gewisse Taktik, daß Sie sich immer gleich zu Beginn der Debatte – das ist bereits einige Male passiert – zu Wort melden, um all dem, was wir an Kritik zu üben hätten oder haben, von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen? (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Meier: Warum soll er das nicht dürfen?)

Im vorhinein sagen Sie, Herr Minister, all das, was wir uns wünschen würden. Ich frage mich nur eines, Herr Minister: Warum ist das nicht schon früher passiert, wenn Sie jetzt so gute Ansätze haben? – Es muß anscheinend erst einmal ein positives Ergebnis geben, damit Sie sagen: Jetzt wird es erst lustig, jetzt kann man denen unter die Arme greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Das ist das, was mich wirklich befremdet.


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Meine Damen und Herren! Obwohl ich den Einsatz vieler am Tourismusbericht beteiligten Beamten bestimmt schätze und respektiere, ist meiner Meinung nach dieses Papier – ich habe das auch im Ausschuß bereits zum Ausdruck gebracht –, soviel es auch gekostet haben mag, wertlos – wertlos darum, weil es nur eine Berichterstattung, ein Lagebericht, wie immer Sie es nennen wollen, eine Bestandsanalyse, ein Rechenschaftsbericht ist. Aber eines steht fest: Es ist kein Umsetzungspapier. Herr Minister! Ein Bericht, der nicht sofort in Handlungen umzusetzen ist, ist daher meiner Ansicht nach unbrauchbar und wertlos.

An diesem Tourismusbericht ist außer der Statistik ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Farnleitner. )  – Nein, gar nicht. Ich habe gesagt, so teuer er auch sein mag, es fehlt mir einfach, daß keine Aktivitätenlisten aufscheinen. Ist- und Sollanalysen fehlen mir, und zwar nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben. Außer der Statistik ist nur eine einzige touristische Handlung ableitbar, nämlich der Tourismusbericht 1998. Der Tourismusbericht des Wirtschaftsministers sollte aber ein Symbol der Effizienz der Tourismusförderung dieses Ministers sein. Nun ist das eingetreten, was lange Zeit eine Ausrede von Ihnen, Herr Minister, war. Sie haben nämlich sehr oft zum Ausdruck gebracht, Sie hätten kein Tourismusministerium, Sie seien nicht Tourismusminister.

Jetzt wurde die Sektion "Tourismus und Freizeitwirtschaft" geschaffen. Diese ist, wie Sie selbst sagen, eine Anlaufstelle. Wir wissen, daß diese Sektion ohne Kompetenz ist, eine Verteilungsstation von Förderungen darstellt. Es wäre noch sehr darüber nachzudenken, ob das nicht anders auszubauen wäre.

Damit sind wir bei dem, was so unglaublich an dieser Wirtschaftspolitik ist. Man denkt nicht daran, eine Rolle vorwärts zu machen. Helmut Peter hätte Ihnen mit diesem Thema eigentlich vorgegeben, dies im Steuer-, Abgaben- und Verordnungssystem zu schaffen. Es gab jahrelang Forderungen von den Wirten, auch von der Wirtschaftskammer und vom Wirtschaftsbund, die groß herausgebracht, aber nur von uns Freiheitlichen in unzähligen Anträgen immer wieder eingebracht wurden. Alle Anträge wurden jedoch von den Regierungsparteien und leider auch von dieser Länderkammer immer strikt abgelehnt.

Landesrat Leitl sagte zum Beispiel erst gestern in einer Pressemitteilung, daß er die Kompetenzen der Wirtschaftspolitik im Bund sehr in Frage stellt. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) O ja, das kann ich Ihnen bringen.

Ich bin fest davon überzeugt, daß wir schon einen riesigen Schritt vorangekommen wären, wenn zum Beispiel nichtentnommene Gewinne nicht versteuert werden müßten und damit die Möglichkeit von Eigenkapitalbildung geschaffen werden würde, wobei uns Herr Kollege Freiberger natürlich wieder einiges unterstellt! Es müßte vielleicht die Demokratie hier in diesen Räumen und in den Räumen des Nationalrates gelebt und auch entsprechend gearbeitet werden. Denn zu allen Forderungen gesellt sich schlußendlich auch jene nach einer gesunden Wirtschaftspartei – etwas, das die ÖVP bis zur ihrem Eintritt in die große Koalition doch dargestellt hat, oder zumindest hat sie versucht, es zu sein. Denn das sind genauso ihre Forderungen gewesen.

Fest steht, daß trotz des euphorischen Jubelgeschreis und positiver Statistiken – die Regierung schreckt nicht einmal davor zurück, das, wie ich es schon gesagt habe, als großen Aufschwung darzustellen – immerhin 80 Prozent der Betriebe, Herr Minister, tatsächlich marod sind. 80 Prozent der Betriebe sind überschuldet! Das wissen Sie ganz genau, Sie haben das auch bei der Sitzung der Österreichischen Hoteliervereinigung in Kitzbühel gehört.

Die Hoteliers hätten im Vorjahr so gut verdient, sagt nun die Wirtschaftskammer – man muß sich vorstellen, was denen damit unterstellt wird –, daß sie im Jahr 1999 um rund 3 Milliarden Schilling mehr investieren werden als in den Jahren zuvor. Zwar wünsche ich es mir von Herzen und bin sicher im Moment teilweise genauso euphorisch wie wir alle. Wir hoffen, daß diese Trendwende anhält. Aber vergessen wir nicht, daß 80 Prozent der Betriebe übermäßig verschuldet sind und daß es viele unrentable Betriebe gibt.


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Ihr Gleichnis, Herr Minister, mit den Nahversorgern, nämlich daß es im Vergleich zum Greißlersterben dem Tourismus richtig gut gehe, wie Sie es schon ein paar Mal gesagt haben, ist für mich eine galgenhumoristische Einlage zur Überspielung der katastrophalen Situation im österreichischen Fremdenverkehr! Im ungünstigsten Fall ist Ihnen in diesem Zusammenhang ein wenig Zynismus zu unterstellen, weil Sie nicht davor zurückschrecken, die dramatische Situation im Bereich der Handels- und Gewerbetreibenden, für die Sie höchstpersönlich Verantwortung tragen, als jenen Bereich anzuführen, im Verhältnis zu dem der Tourismus noch gut dasteht.

In welchen Ihrer Verantwortungsbereiche Sie, Herr Bundesminister, nunmehr eine schlechtere Situation als in anderen anzutreffen glauben, bleibt dahingestellt. Tatsache ist aber, daß angesichts der bekannten tatsächlichen Zahlen – für mich sind Statistiken, genauso wie für Sie vorhin die Nächtigungsstatistiken, nur die Steigerung von Notlügen – und der nach wie vor vorhandenen strukturellen Probleme im Tourismusbereich im Moment kein Ende der Krise abzusehen ist.

Da nützt auch das Plus im August nichts, das bis Juli 1998 noch ein gewaltiges Minus war. Es nützen auch vier Wochen, wie Sie gesagt haben, totale Ausbuchung und die Winterauslastung im Tourismus nichts! – Meine Damen und Herren! Tourismus ist mehr. Es steht fest, daß wir kleinen und mittleren Betriebe uns nicht "zu Tode streicheln" lassen wollen, wie Herr Helmut Peter am Montag gesagt hat. In diesem Punkt muß ich ihm recht geben, nämlich daß das mit all den Förderungen, die uns angeboten werden, versucht wird. Aber Sie haben nicht einmal darüber nachgedacht, ob es andere Lösungen als Zu-Tode-Streicheln oder eine Abfertigung, damit man zusperrt, geben kann. Unsere Wirtshäuser sind nicht krank, Herr Minister, sondern Opfer eines jahrzehntelangen Mordversuches unserer Regierung. (Rufe bei der SPÖ: Wahnsinn!) Sie als Volksvertreter haben angesichts dieses Dauertatbestandes eine erste Sofortpflicht, nämlich Anzeige und Anklage.

Wirte mit staatlichen Geldern zu fördern, ist angesichts dieses Tatbestandes meiner Meinung nach ein unüberbietbarer Zynismus. Sie würden in Gestalt ihrer Förderung nur einen winzigen Teil jenes Geldes zurückbekommen, das jahrzehntelang aus ihren Taschen gezogen wurde. Sie sollten wissen, Herr Minister, daß es in der Wirtschaft, auch in der Gastwirtschaft, nur eine einzige Wertschöpfungsquelle gibt, und das ist der Markt. Wo immer der Staat bisher versucht hat, eine fehlende Nachfrage des Marktes auszugleichen, hat er jämmerlich Schiffbruch erlitten. Es fiel nur nicht besonders auf, weil wir, die Staatsbürger, immer dafür bezahlten. Nur weil Juristen und nicht Ökonomen Gesetze schreiben, gibt es keine Bedarfsprüfung. Ich wiederhole jetzt das, was der Herr Präsident am Anfang gesagt hat, nämlich daß es für Gesetze keine Wirtschaftlichkeitsrechnung, keine Finanzierungskalküle gibt. In der Privatwirtschaft heißt solch eine Unterlassung betrügerische Krida, Herr Minister! (Bundesrat Schöls: Das ist stark!)

Der drastische Rückgang der Zahl der Wirtshäuser – das ist Ihnen bekannt, Sie haben es auch angeschnitten, und es wäre begrüßenswert, wenn das einmal mitgeteilt würde – betrug allein zwischen den Jahren 1987 und 1997 15,2 Prozent. Wenn Sie sich die Analyse über den allgemeinen Rückgang, die Sie alle kennen, genau ansehen, dann wissen Sie, wie es tatsächlich ausschaut. Ich verwahre mich dagegen, daß die Kollegen beschuldigt werden, daß sie nicht wirtschaften können. Wer daran alleine schuld ist, ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir brauchen ein eigenkapitalfreundliches Steuersystem! Anstatt den Betrieben zuerst durch Steuern alles wegzunehmen, um ihnen danach gnädigerweise Schulden nachzulassen, will die Freiheitliche Partei, daß die Gewinne in den Betrieben gelassen werden, um damit die Finanzierung von Investitionen aus dem Cash flow zu ermöglichen. Das ist besser, als Bürokratien zu schaffen, die darüber entscheiden sollen, ob ein Betrieb lebensfähig ist oder nicht.

Zum Thema "Her mit neuen Arbeitsplätzen" möchte ich noch anfügen: Der wahre Jobmotor sind die privaten Klein- und Mittelbetriebe, auf sie entfallen mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten. Sie haben einen Anteil von über 60 Prozent an der Wertschöpfung in unserem Land. 84 Prozent aller Lehrlinge werden im Gewerbe, im Handel und im Tourismus ausgebildet, Herr Minister!


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Nicht irgendwelche Arbeitsbeschaffungsprogramme können die Lösung darstellen, sondern mehr Unternehmer braucht das Land.

Unterstützen Sie bitte, Herr Minister, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten – wenn Sie tatsächlich ein Mann des Volkes und nicht nur einer Koalitionspartei sind, auch über die Förderungen hinaus – eine spezielle Steuer- und Abgabenreform für das Gastgewerbe und eine Überprüfung sämtlicher dieser Abgaben- und Steuerreformen nach den drei Basiskriterien Bedarf, Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit.

Daher ein Appell an Sie, Herr Minister, auch für die bevorstehende Regierungsklausur, wo Sie, wie ich hoffe, vor Ihrem Koalitionspartner nicht auf die Knie fallen, sondern als Demokrat daran denken werden, wie wichtig die Klein- und Mittelbetriebe für unser Land und für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind. Denken Sie, wenn Sie Ihrem Koalitionspartner zuhören, daran, schöne Worte sind oft nicht wahr, aber wahre Worte von Ihnen können auch nicht schön sein.

Sie, Herr Minister, sind nicht mir und meinen Kollegen gegenüber verantwortlich für Ihr Tun und für die Erstellung dieses Papiers, wenn Sie sagen: Schaffen wir es halt ab!, wohl aber sind Sie jener Wirtin gegenüber verantwortlich, die Tag für Tag ihre Arbeit verrichtet, nicht nur um den Betrieb zu erhalten, sondern auch im Sinne des Urlaubslandes Österreich und für die Touristen in diesem Land. Sie sind verantwortlich für das Wohlfühlen und die Erhaltung der Arbeitskraft dieser Wirtin und ihrer Mitarbeiter. Unser Kapital, Herr Minister, sind unsere Landschaft, unsere Kultur, unsere Bauern, unsere Wirte und unsere vielen fleißigen Leute, die Arbeit suchen und finden wollen. Vergessen wir nicht: Zukunft ist Herkunft, Herr Minister! Darum verwahre ich mich gegen den weiteren Zuzug von Megahotellerie und deren Förderungen. "Herkunft" ist der österreichische Familienbetrieb, und darin liegt auch die Zukunft unseres Tourismuslandes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.49

Präsident Gottfried Jaud: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile es ihm. 

13.49

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Hoher Bundesrat! Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, daß ich mit dem Bundesrat so offen umgehe, wie es meine Art ist. Sie kennen mich nun schon seit zweieinhalb Jahre. Ich habe bei allen Dingen, auch wenn mir das dann immer als Zynismus ausgelegt wird, immer gesagt, was mir nicht paßt, das sage ich offen. Aber dann bin ich ein Zyniker.

Ich zitiere Sie, Frau Haunschmid, zum wiederholten Mal: Wenn ich etwas Wahres sage, ist das nicht schön. Okay, das ist eben so! Ein Minister ist nicht Schönwetterverwalter. Ich habe auch beim Tourismus vom ersten Tag an die Finger auf die Wunden gelegt, ich habe gesagt, man soll mit neuen Kapazitätsförderungen aufhören, und sie auch unter Protest der Wirtschaftsvertretung eingestellt. Ich habe die Sanierungsaktion unter Protest aller Beteiligten, bis hin zu den Gewerkschaften, eingestellt. Ich habe ein neues Finanzierungsmodell geschaffen, wir haben die Österreich Werbung reformiert – und Sie können immer noch darüber streiten, wie Sie wollen, aber diese ist heute effizienter als je zuvor. Daß sie halt nicht mehr so ein Selbstbedienungsladen ist wie früher, ist ein anderer Punkt, daß uns manches nicht gefällt, ist auch klar. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir machen im Marketing etwas Neues und haben Tourismus zum europäischen Anliegen gemacht, aber, Gott sei Dank, nicht durch eine Tourismusförderung über Europa. Da sei Gott vor, daß uns das passiert, was jetzt gerade im Europäischen Parlament passiert! Es ist ohnehin schon genug passiert. Es hat bereits Herrn Moltke das Leben gekostet, daß bayrische und Pariser Autobusunternehmen solange gefördert wurden, bis der Generaldirektor hinausgeworfen wurde. Das fehlt uns gerade noch!

Was wir brauchen – ich halte es nochmals fest –, sind kaufkräftige Bürger im Binnenmarkt. 90 Prozent der 380 Millionen europäischen Binnenmarktbürger verbringen ihren Urlaub im Binnenmarkt! Wir aber erschrecken jeden Tag wegen der Flugpreise. Herrschaften, darf ich das


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auch einmal sagen? – Die Flüge nach Europa sind so billig wie die Flüge in nichteuropäische Länder! Fällt das endlich einmal jemandem auf?

Aber zurück zum Anlaß meiner Wortmeldung. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, Frau Haunschmid, sehr geschätzte Damen und Herren Bundesräte, daß die neue Sektion genau das beseitigen soll, was ich vorgefunden habe. In Österreich gab es bisher kein organisiertes Kompetenzzentrum für Tourismus. Ich halte das nur fest. (Bundesrat Weilharter: Wer war Ihr Vorgänger?) Bitte, ich halte das nur fest! Angesichts der Tatsache, daß es für einen Bereich, der nur 1 Prozent des BIP umfaßt, nämlich den Bergbau, eine Sektion gibt, nicht aber für einen Bereich, der 6 Prozent ausmacht, nämlich Tourismus- und Freizeitwirtschaft, und daß – schauen Sie sich die früheren Tourismusberichte an – immer nur die Kompetenz von zwei, drei Experten aus zwei, drei Wirtschaftsinstituten zugekauft wurde, ist die erste Aufgabe der neuen Tourismussektion Grundsatzpolitik, Strategiepolitik und beinharte Analyse von Effekten.

Ich hoffe, daß wir uns in der nächsten Sitzung – da bin ich ganz bei Ihnen – diese Prozedur ersparen. Zwei Jahre post festum Lageberichte zu diskutieren, wird immer nach demselben Ritual abgewickelt. Der Bericht ist in jenem Augenblick überholt, in dem er vorliegt, auch Ihnen! Wir sollten auch über die neuen Dinge reden. Ich sage es noch einmal, wir haben all das eingeführt, weil es das Parlament so gewollt hat. Ich habe auch im Hohen Haus wiederholt vorgeschlagen, daß, was mir dreimal lieber wäre, laufend im Ausschuß und im Plenum der Punkt Tourismus angesetzt wird und aktuelle Dinge durchgegangen werden. Dadurch würde ich mir Kosten von hunderttausend Schilling für blockierte, festgeschriebene Berichte ersparen. Ich bin sofort dazu bereit, machen wir den Bericht alle zwei Jahre und dafür zwischendurch Sitzungen. Das wäre mir viel lieber, ich bin demgegenüber sehr offen. Nochmals: Dafür stehe ich Ihnen gern zur Verfügung!

Noch ein Punkt zur Steuerreform. Ich habe deutlich gemacht, daß ich zwei Dinge möchte – das stammt aus meinem Haus und von mir! –, nämlich erstens den kosten-, den steuerneutralen Betriebsübergang, wie ich das schon letztes Mal hier dargelegt habe, und zweitens eine Mindestverzinsung des eingesetzten Eigenkapitals. Die Unsinnsstruktur der Finanzierung ist auch im Tourismus dadurch bedingt, daß sich in Österreich immer jeder ausrechnen konnte, daß er, wenn er Fremdkapital aufnimmt und die Zinsen absetzen kann, besser fährt, als wenn er mit Eigenkapital, also "blanko" fährt, um das deutlich zu sagen.

Wollen Sie Beweise aus der Förderung haben? – Wir könnten sie Ihnen reihenweise hinlegen, wenn es keine Amtsverschwiegenheit gäbe. Daher ist mein Vorhaben so wichtig! Für die fehlerhafte, über Jahrzehnte gepflegte falsche Finanzierungskultur in Österreich haben wir heute auch im Tourismus den Kopf hinzuhalten, das gilt auch für die Betriebe. Diese haben natürlich das System so genutzt, wie sie es vorgefunden haben. Daher muß es in der neuen Steuerreform Impulse in diese Richtung geben, wie immer sie im Detail ausschauen mögen. Das Prinzip muß sein, daß es dem Unternehmer wieder wert sein muß, sein eigenes Kapital im eigenen Betrieb zu haben.

Der zweite Punkt, über den wir uns klar sein müssen, ist, daß Eigenkapital im Betrieb nicht nur das eigene Geld des Unternehmens ist, sondern daß das auch für eigentumähnliches Kapital gilt, das über Beteiligungsfonds, Garantien oder was auch immer aufgebracht wird. Darum habe ich zuerst gesagt, daß – ich bitte jetzt um Verständnis – die nächste Priorität im Tourismus die finanzielle Restrukturierung der bestehenden gefährdeten Betriebe ist. Denn die Neuen finanzieren sich alle günstiger, sind im Regelfall besser ausgestattet und neu vernetzt. Mit jeder neuen Investition bringen wir aber Dutzende Alte, die sich aus ihrer Last noch nicht befreit haben, um!

Entschuldigen Sie noch einmal, daß ich im Detail darauf eingehe, aber Sie sollten sehen, daß bei diesem Schwerpunkt gemeinsam gehandelt werden muß, und dabei hilft die Steuerreform nur marginal. Entscheidend vor dem Hintergrund eines Haftungsrahmens im Ausmaß von 7 Milliarden Schilling ist, daß, wenn man von jetzt etwa 20 Refinanzierungen im Jahr nicht auf 100, 150 oder mehr kommt, es der Mühe nicht wert war. Aber dabei müssen die Betriebe mitmachen. Daher mein Appell, wenn Sie selbst Betriebe kennen, die in dieser Situation sind: Nur machen! Er kann nie so viel verdienen, daß es genügend wäre, um seine über Jahrzehnte verkorkste


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Eigenkapitalstruktur umzufinanzieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.55

Präsident Gottfried Jaud: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile es ihm.

13.55

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Erlauben Sie mir vorweg eine Bemerkung zu einer Vorrednerin, Frau Kollegin Haunschmid. (Bundesrätin Haunschmid ist im Begriff, den Saal zu verlassen.)

Frau Kollegin! Ich bitte dich, vielleicht noch einen Augenblick hierzubleiben. (Bundesrätin Haunschmid: Zwei Minuten!) Du hast versucht, mit einer Reihe von Aufzählungen und Beschuldigungen eine Weltuntergangsstimmung zu vermitteln, dabei aber den groben Fehler gemacht, zu glauben, daß du bei einer Parteiversammlung in irgendeiner Heimatgemeinde bist, wo die Leute nicht wissen, wie es läuft. (Zwischenruf des Bundesrates Eisl. )

Herr Kollege Eisl, nehmen Sie sich zurück! Die FPÖ hat seit ihrem Bestehen die Möglichkeit, ihre Vorschläge in die Parlamentsarbeit einzubringen. In allen Ausschüssen und Unterausschüssen sitzen Mitglieder der FPÖ, und es wäre schön gewesen, wenn Frau Haunschmid einen oder zwei Ansätze gebracht hätte, die zur rechten Zeit vorgeschlagen, aber nicht umgesetzt worden sind. Das wären Lösungsansätze gewesen und nicht nur Polemik und Weltuntergangsstimmung!

Aber zurück zum Bericht, weil es wirklich Daten und Fakten gibt, über die man heute diskutieren sollte. Kollege Missethon hat in einigen wenigen Sätzen sehr präzise auf die Vorteile der Einführung des Euro und auf die Möglichkeiten im Zuge der Ostöffnung aus Sicht des Tourismus- und Freizeitbereiches hingewiesen, die ich unterstütze.

Ich möchte die Weltuntergangsstimmung, die vermittelt wurde, durch aktuelle Zeitungsberichte entkräften. Der Herr Minister hat heute schon richtigerweise festgehalten, daß die Zeitungsberichte von gestern die Referate von morgen sind. Ich darf ebenfalls zitieren, Schlagzeilen etwa der "Salzburger Nachrichten", "Neues Volksblatt" oder der "Oberösterreichischen Nachrichten": 194 Milliarden Schilling oder 14 Milliarden Euro hat die Freizeit- und Tourismuswirtschaft heuer erwirtschaftet. Es ist dies das beste Ergebnis, seit Zahlen vorgelegt werden. – Das sind doch Ergebnisse, über die wir uns freuen sollten! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte kurz auf den Bericht eingehen und die auf Seite 42 erwähnten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserungen etwas näher durchleuchten. Im vergangenen Jahr wurde ein Umweltzeichen für Tourismusbetriebe eingeführt, das 39 Betrieben in 7 Bundesländern verliehen wurde. Ich werde kurz aus einem ganz bestimmten Grund auf diese Parameter eingehen.

Punkt 1: Beschaffung und Abfallvermeidung – Lebensmittel, Küche, Reinigung, Hygiene; Punkt 2: Abfallverwertung und Entsorgung, betriebliches Abfallkonzept; Punkt 3: Energieversorgung, effizienter Energieeinsatz; Punkt 4: Wasser, Abwasser; Punkt 5: Außenbereich; Punkt 6: Luft und Lärm; Punkt 7: Verkehr; und – als letztes – Soziales: Information, Mitarbeiterschulung und Information der Gäste.

Ich möchte darauf verweisen, daß mir aus der Sicht der Landwirtschaft ein wesentlicher Punkt fehlt. Es wurde die Landwirtschaft heute als Erhalter der Kulturfläche schon mehrmals angesprochen. Ich denke, daß es zurzeit noch ein großes Manko darstellt – aber bestehende Aktivitäten bestätigen, daß es dafür zielführende Wege gibt –, daß es zu wenige qualitativ hochwertige Partnerschaften zwischen Tourismus- und Freizeiteinrichtungen einerseits und der bodenständigen Landwirtschaft andererseits im Bereich der Vermarktung der Qualitätsprodukte gibt.

Denn nach wie vor ist es so, daß ein Großteil der Betriebe in Großmärkten einkauft, in denen sehr viele ausländische Waren, bis hin zum argentinischen Rindfleisch – ich möchte hier nicht ins Detail gehen –, angeboten werden. Wir sind es meiner Meinung nach unseren Gästen, aber besonders auch der heimischen Bevölkerung schuldig, daß wir sie nicht mit Bluff behandeln und


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von Qualitätsproduktion, von Qualitätsmenüs sprechen, wenn wir diese dann nicht anbieten. Ich glaube, das wäre ein wesentlicher Ansatz, und es würde die Qualitätskriterien wesentlich verbessern, wenn man das einfügen könnte.

Herr Minister! Ich bin darauf, wie gesagt, als Anregung für diesen Bereich eingegangen, vielleicht könnte man diese Partnerschaften verstärken.

Als nächster Punkt: das Modellvorhaben autofreier Tourismus. In diesem Modellvorhaben wurde erörtert, welche Berührungspunkte es mit dem Verkehr geben könnte.

Ich darf aus meinem Bezirk berichten, und zwar ein Beispiel aus der Praxis. Wir haben zum Beispiel am Attersee den autofreien Radwandertag eingeführt, mit Unterstützung des ORF eine großartige Sache. Ich kann nur dazu einladen, das in anderen Regionen nachzuvollziehen, weil es uns durch diese einfache, kostengünstige Lösung mit einem Schlag gelungen ist, Tausende Gäste, auch aus den Nachbarstaaten, in unsere Region zu locken.

Ich darf auch darauf verweisen, daß die Einrichtung einer Tourismusservicestelle für Beschwerden, Wünsche und Anregungen sehr wesentlich ist, weil ich meine, daß wir immer zu sehr bestrebt sind, unsere eigenen Lösungen zu finden, aber viel zuwenig den Gast, den Betroffenen einbinden. Somit könnte es zu wesentlichen brauchbaren Rückmeldungen kommen.

Ein Punkt, den ich unbedingt erwähnen wollte, steht im Zusammenhang mit dem Höhenflug der österreichischen Schifahrer in letzter Zeit. Es werden "Herminator"-Feste veranstaltet, in weiterer Folge gibt es auch großartige Veranstaltungen um Benjamin Raich und Alexandra Meißnitzer, eine unserer erfolgreichen Schidamen. Auch beim Schanzenfest der Schispringer in Bischofshofen spielt der ORF eine wertvolle Rolle. Wesentlich wird es sein, daß bei diesen Veranstaltungen die regionalen Unternehmer miteinbezogen werden und daß nicht Eigeninitiativen arbeiten, die letztlich die Gewinne abziehen.

Ich darf hiezu aus den "Salzburger Nachrichten" zitieren: Alleine in der Sportwelt Amadé in Flachau wurden bei dieser Weltcupveranstaltung in 32 Zelten 4 500 Liter Glühwein und 2 000 Liter Bier getrunken, 4 500 Grillhendln und insgesamt 6 500 Essensportionen an die Gäste weitergereicht.

Neben den zahlreichen durchaus fruchtbaren und positiven Bemühungen, neue Aktivitäten im Tourismus- und Freizeitbereich zu setzen – ich denke etwa an die vielen Sport- und Funparks und an die Aktivitäten in den Thermenregionen, welche heute schon angesprochen wurden –, sollte man auf unsere eigentlichen Stärken nicht vergessen. Ich meine, daß es nach wie vor eine große Anzahl von Gästen gibt, die zu uns kommen wollen, um zu wandern, sich zu erholen und zu entspannen, also nicht nur einen Aktivurlaub, sondern durchaus auch einen Entspannungsurlaub machen wollen. Daher sollten wir unsere intakte Naturlandschaft besser vermarkten.

Dies beweist eine Studie, eine Statistik, die aufgrund von Angaben deutscher Touristen erstellt wurde. Alleine in der Gruppe der 20- bis 40jährigen deutschen Touristen wurde Österreich bei der Frage nach dem beliebtesten Urlaubsland an zweiter Stelle genannt, von den 40- bis 60jährigen sowieso an erster Stelle. Ich meine, in diesem Bereich kommt es zu einem großartigen Rückfluß, nachdem uns die Deutschen doch für Jahre verlassen haben und eher in südliche Länder gefahren sind. Aber aufgrund von in diesen Ländern auftretenden Problemen infolge mangelnder Hygiene könnte es, so meine ich, wieder zu einer Rückkehr nach Österreich kommen, wenn wir es richtig anpacken.

Es wurde heute schon angesprochen, daß eine wesentliche Zielgruppe neben der Jugend der ganz große Bereich der Senioren ist, den man nicht unterschätzen sollte. Die Senioren sind als angenehme, zahlungskräftige Gäste auch von den Unternehmen sehr geschätzt. Es handelt sich also, wie ich meine, um eine Zielgruppe, die man in Zukunft noch wesentlich mehr bewerben sollte.

Eine kurze Anregung, um vielleicht doch auch in Richtung Verlängerung der Saison zu kommen. Probleme mit sehr wechselhafter Witterung, zum Teil auch mit Nebellagen könnten dadurch


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ausgeglichen werden, daß Unternehmer im Tourismus- und Freizeitbereich Alternativangebote anbieten. Die lang gepflegte Praxis – für einen Regentag ein Stamperl Schnaps und eine Halbe Bier – ist zuwenig. Da muß man wirklich mehr bieten, und es wird auch schon mehr gemacht. Aber das wäre noch wesentlich zu unterstützen, um eben, wie bereits gesagt, die Saison zu verlängern.

Es hat gerade gestern ein sehr berühmter Unternehmer im Bereich Tourismus und Freizeitwirtschaft gesagt: Wir müssen nicht nur besser, sondern vielleicht in manchen Bereichen auch noch günstiger werden.

Schauen wir uns das Preisniveau in so mancher Schihütte und in so manchen Freizeiteinrichtungen an. Ich meine, auch da besteht noch Handlungsbedarf. Aber das wird sich dem Marktdruck entsprechend ausrichten.

Ich möchte an dieser Stelle allen, die in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft tätig sind, für ihr Engagement danken. Es muß auch einmal gesagt werden, es ist kein einfacher Beruf. Es wurde gerade jetzt zu den Feiertagen über jene Berufsgruppen gesprochen, die durcharbeiten müssen, etwa über jene, die im Gesundheitsdienst und im Sicherheitsdienst arbeiten, auf die Bauern mit Viehhaltung nicht zu vergessen. Aber es sind gerade die Leute in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, die sozusagen Gewehr bei Fuß stehen, Tag und Nacht, könnte man sagen, und so dafür sorgen, daß alles läuft. Ein herzliches Dankeschön dafür.

Wir von der ÖVP-Fraktion werden diesen Bericht unterstützen und ihm zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Eisl: Das wäre noch schöner, wenn ihr nicht zustimmen würdet!)

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Präsident Gottfried Jaud: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

14.06

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Heute besprechen wir den Tourismusbericht 1997, der sehr früh vorgelegt worden ist. Trotz allem erfolgte die Vorlage natürlich – Herr Minister, Sie haben es selbst gesagt – zu spät. Sofortiges Analysieren und daraus folgendes Handeln wären gefragt, vor allem im Zeitalter des Internet, wo man schnelle Datenübertragungen gewohnt ist. Aber ich weiß schon, daß es nicht der Praxis des Ministeriums entspricht und es vielleicht noch Zukunftsmusik ist, daß wir noch aktueller berichten können. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Es gibt keine Statistik, die die Daten früher liefert!)

Vielleicht krankt es gerade daran, denn wenn ich an meine Gemeinde denke und daran, wie dort die statistischen Daten erfaßt werden, dann muß ich sagen, es ist ein Drama. Da fängt es schon an.

Herr Minister! Etwas möchte ich gleich zu Beginn als sehr positiv anmerken. Es war immer einer meiner Kritikpunkte, daß der Erfolg des österreichischen Tourismus an den Nächtigungszahlen gemessen wurde. In meiner Gemeinde zum Beispiel hat man immer Siegesfeiern abgehalten, weil die Nächtigungszahlen so wunderbar steigen. Allerdings ging ein Betrieb nach dem anderen trotz steigender Nächtigungszahlen in Konkurs, wurde insolvent. Wichtig ist wirklich – das gefällt mir an Ihrer Einstellung, Herr Minister –, zu erkennen, daß es um die Wertschöpfung pro Nächtigung geht. Es nützt nichts, wenn die Nächtigungszahlen steigen, während die Erträge sinken.

Zunächst einmal, Herr Minister, muß ich Sie loben. Erstens erkenne ich als Touristikerin, daß Sie dem Tourismus gegenüber nicht gleichgültig eingestellt sind, sondern im Gegenteil. Ich sehe Sie als einen wirklich sehr engagierten Minister in diesem Bereich. Sie haben bereits einiges sehr Positives für den Tourismus bereitgestellt, nämlich die Übernahme von Haftungen – ich bezeichne dies als Hotelbank – durch die ÖHT und BÜRGES, mit einem Haftungsrahmen in der


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Höhe von 7 Milliarden Schilling, wodurch es sicherlich sehr vielen Betrieben in schwierigen Situationen möglich gemacht wird zu überleben und weiterzumachen.

Ich halte auch das Steuerzuckerl Nummer eins, nämlich die Erbschaftsteuer bei Betriebsnachfolge nicht in Rechnung zu stellen, für wichtig, denn das größte Problem im Tourismus ist die Betriebsnachfolge, und zwar nicht nur wegen der gewaltigen Überschuldung vieler Betriebe, sondern wenn dann auch noch Erbschaftsteuer hinzukommt, ist das Ganze überhaupt nicht mehr zu schaffen.

Daß Eigenkapital steuerlich belohnt werden soll, ist eine unserer langjährigen Forderungen. Sie haben das angekündigt mit einer Abschreibung von 2,5 Prozent, zumindest aber in Höhe der Verzinsung bei einer sechsmonatigen Bindung der Eigenmittel.

Mir hat auch sehr gut gefallen, daß Sie, Herr Minister, vorhin gesagt haben, daß Eigenkapital nicht immer das eigene Geld ist. Sie haben also auch angesprochen, daß im Zuge dessen weiteres Beteiligungskapital aufgebracht werden soll. Ja, bitte, was könnten wir uns im Tourismus mehr wünschen als Beteiligungskapital! Es gibt schon einige Modelle dafür, die Eigenkapitalfrage und damit das größte Problem im Tourismus zu lösen.

Weiters ist die Gründung einer eigenen Sektion Tourismus mehr als nur positiv. Das ist etwas, was wir uns schon lange wünschen, und zwar quer durch alle Parteien, bei Helmut Peter beginnend bis zu uns und der ÖVP, ja allen, die mit dem Tourismus ernsthaft beschäftigt sind. Ich erwarte mir natürlich auch einiges von der eigenen Sektion Tourismus.

Ich habe am vergangenen Freitag im "WirtschaftsBlatt" folgendes gelesen: Endlich ist es vorbei mit den Jammerern. Positivstimmung im Tourismus, das Krankjammern und die schlechte Stimmung haben ein Ende. Die Jammerer sind durch die Branchenbereinigung ohnehin aus dem Rahmen gefallen.

 

Ich muß Ihnen sagen, mir hat der Artikel mehr als nur gut gefallen. Ich selbst ertrage dieses ständige Wiederkäuen von Forderungen und Sudereien, die keinem Betrieb wirklich helfen, auch nicht mehr. Vielleicht habe ich inzwischen etwas Abstand gewonnen, weil ich den Tourismus ein Jahr lang von außen gesehen habe, aber ich glaube, daß all das keinem Betrieb tatsächlich weiterhilft.

Ganz ehrlich, meine Damen und Herren, so notwendig und von Vorteil eine Getränkesteuersenkung oder eine Mehrwertsteueranpassung wären und so sehr wir sie uns auch wünschen würden, muß doch gesagt werden, dies würde keinem Betrieb das Leben retten oder die Betriebsergebnisse in der notwendigen Höhe verbessern. Darüber müssen wir uns einfach im klaren sein. (Zwischenruf des Bundesministers Dr. Farnleitner. ) Nicht ganz, ich bin noch lange nicht fertig, aber ich muß auch das Positive betonen. Das ist der Unterschied zu Ihrem Vorgänger, Herr Minister, der das nicht erkannt hat, bei Ihnen ist das wirklich ganz anders.

In der heutigen "Presse" ist zu lesen, daß 80 Prozent der Hotels in Österreich derzeit unrentabel sind, also keine Gewinne erwirtschaften. Aus der Praxis kann ich Ihnen sagen, es ist so. Dies spiegelt die Dramatik dieser Branche wider.

Da ich selbst in einer Hoteliersfamilie groß geworden und seit meiner Kindheit mit allen Problemen und Freuden der Branche vertraut bin, erlaube ich mir folgende Analyse: Schuld an der Ist-Situation der Hotellerie sind für mich drei grundlegende Faktoren: erstens einmal – auch der Herr Minister hat dies gesagt – das zu hohe Fremdkapital. Da entlasse ich auch die Banken aus keiner Schuld, muß ich sagen. In den guten Zeiten hat kein Mensch, auch nicht die Bankdirektoren, daran gedacht, daß der Verschuldungsgrad eines Betriebes eins zu eins sein sollte. In Kärnten sind die Betriebe wirklich teilweise eins zu vier, eins zu sechs, eins zu acht verschuldet. Eigenkapital ist praktisch nicht vorhanden. Daraus resultiert, daß Kapitalrückführungen absolut unmöglich sind, weil die Betriebe nicht einmal die Zinsen erwirtschaften können. Wie soll in einen solchen Betrieb überhaupt wieder reinvestiert werden? – Eigentlich sind aus meiner Sicht diese Betriebe chancenlos. Sie sind auch von keinen Jungunternehmern zu übernehmen, weil es nicht funktioniert.


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Da muß ich wieder ein Lob an Ihren Herrn Dr. Piller – er ist gerade hier – aussprechen. Vor drei Jahren habe ich mit verschiedensten Hoteliers in Ihrem Ressort vorgesprochen, und ich kann nur sagen, sehr viele Sanierungen von Betrieben wären gelungen, volkswirtschaftliches Kapital wäre nicht in den Sand gesetzt worden, hätte sich Herr Dr. Piller durchgesetzt. Die Banken waren immer diejenigen, die einer erfolgreichen Sanierung im Wege gestanden sind. Noch einmal herzlichen Dank an Ihr Ministerium.

Der zweite Punkt sind für mich die zu kurzen Saisonzeiten. Sie haben das heute – auch dem Bericht in der "Presse" war dies so zu entnehmen – ebenfalls erkannt, dies hängt nämlich unmittelbar zusammen. Das ist natürlich der Grund, aus dem die Betriebe nicht mit den Kosten zurechtkommen. Die Betriebe haben zwölf Monate Kosten zu tragen, haben aber teilweise, egal ob Sommer- oder Winterbetrieb, nur drei bis vier Monate aktive Saison. Die wenigsten Betriebe sind Zweisaisonenbetriebe. Aus diesem Grund muß ich sagen, die einzig rentablen Hotelbetriebe sind die Stadthotels, die Kur- oder die sonstigen Ganzjahresbetriebe. Diese haben zumindest die Chance, aufgrund der Erträge die Kosten in den Griff zu bekommen.

Aber ich glaube, überall dort, wo die Chancen schlecht sind, ist man gezwungen umzudenken, was wiederum positiv ist. So kommt es nicht von ungefähr, daß sehr erfolgreiche Hoteliers gerade diejenigen waren, deren Hotels nicht eine Traumlage direkt am Wörthersee, gleich vorne am Ufer, oder direkt an der Schipiste hatten. Da hat man sich nämlich in den fetten siebziger und achtziger Jahre – ich weiß es von uns – sehr leichtgetan. Die Betriebe waren ohnehin ausgebucht. Diejenigen, die etwas abseits waren, haben sich da schon einiges überlegen müssen.

So ist etwa die Babyregion mit Siegi Neuschitzer bei uns in Kärnten nur aufgrund einer schlechten Lage entstanden. Man denkt einfach nach, was man an einem solchen Standort machen kann, um eine längere und gute Auslastung zu haben.

Herr Minister! Es sollte nicht Ihre Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß der Tourismus eine Saisonverlängerung erfährt. Das wäre unmöglich, da wären wir Touristiker selbst gefordert.

Die Ist-Situation sollen oder müssen wir zur Kenntnis nehmen und einfach darauf aufbauend Tourismus betreiben. Oder wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß sich eben einiges verändert hat. Wie ich vorhin schon erwähnte: Betten allein reichen nicht mehr, sondern Freundlichkeit, Innovation und vielleicht auch ein neuer Einstieg- oder Aufbruchgedanke sind notwendig.

Somit bin ich jetzt beim dritten Punkt, der für die schlechte Situation verantwortlich ist, das ist die Ertragsschwäche der Tourismusbetriebe. Das heißt, die Kosten in den Betrieben stehen in keiner Relation mehr zu den Erträgen. Ich weiß schon, daß der Markt nicht unbedingt die Erträge liefern kann, die der Betrieb brauchen würde, also muß man versuchen, das irgendwie in Einklang zu bekommen. Man könnte jetzt natürlich sagen, daß Österreich hohe Wettbewerbsnachteile hat wie eben – fangen wir wieder bei den alten Dingen an – die Getränkesteuer und die Anzeigensteuer – diese ärgert mich persönlich übrigens auch sehr, denn eine Anzeigensteuer für Werbung ist wirklich einzigartig in Europa –, die zu hohen Lohnnebenkosten und so weiter, also all die Faktoren, die Sie, Herr Minister, teilweise beeinflussen oder verbessern könnten. Wir hoffen eben weiterhin darauf, daß Sie auch in diesen Bereichen etwas machen werden.

Jedoch selbst wenn all diese Kosten zumindest auf einem einheitlichen europäischen Niveau wären, gäbe es immer noch Wettbewerbsnachteile, und zwar horrende Energiekosten, Stromkosten, Abwasser-, Kanalkosten und so weiter. Wir stehen aber im Wettbewerb mit Ländern, die diese Kosten eben nicht oder zu einem geringeren Anteil haben. Die Heizungskosten auf den Kanarischen Inseln oder in Kuba sind, so meine ich, gleich Null. Wenn ich in Hamburg in den Flieger steige und nach Kuba fliege, wird es mich genauso viel kosten, wie wenn ich ins Auto steige und zum Schiurlaub nach Österreich fahre, zumindest was die Spritkosten betrifft.

Aber die Chancen auf dem Markt sind mehr als nur intakt für den österreichischen Tourismus, da, wie ich meine, die Möglichkeit, Schnee vorzufinden und Schi zu fahren, eher begrenzt ist.

Ich habe einen sehr interessanten Artikel eines von mir sehr geschätzten Werbegurus, nämlich Dr. Puttner von Puttner & Bates, gelesen, der für Kärnten folgendes als Marketingüberlegung


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vorgeschlagen hat: Denken Sie einmal, es scheint keine Sonne. Man müßte ein Werbekonzept zum Beispiel für Kärnten so aufbauen, daß man auch kommen würde, wenn die Sonne nicht scheint. – Und ich glaube, das wäre das einzige, woran man arbeiten müßte, da Kärnten eben im Hinblick auf Sonnendestinationen nicht konkurrenzfähig ist.

Trotz allem, trotz der schlechten Ausgangslage im Kostenbereich, kurzen Saisonzeiten und so weiter, glaube ich an die Chance im Tourismus, wenn ich auch meine, daß langfristig nur der Ganzjahrestourismus Chancen hat.

Vielleicht sind die Fehler unserer Väter, die Überinvestitionen und die Bettenüberkapazitäten, nun gleichzeitig auch wieder eine Chance. Ohne Marktbereinigung wird es nicht gehen. Ich stimme da teilweise sicher Helmut Peter vom Liberalen Forum auch als Präsidenten der ÖHV zu. (Bundesrat Konecny: So was!) Ich war übrigens auch im Vorstand der ÖHV. Nur weil Helmut Peter dort ist, ist es ja nicht schlecht. – Die Zahl der Betriebe ist um ein Drittel zu groß, diese sind nicht überlebensfähig. Ich glaube, er hat recht. Ich gehe sogar weiter und sage: Hotelbetriebe, etwa mit 150 Betten, gebaut vor 20 Jahren, sollten so in Qualität investieren, daß sie durch Zusammenlegen von Zimmern an Qualität gewinnen und somit gleichzeitig Kapazitäten abbauen. Die Ertragslage wird wahrscheinlich auch gestärkt, denn Arbeiten mit Gewinn ist nur im Qualitybereich möglich. Dies ist allerdings nur – wie in allen Unternehmen –, wenn man erfolgreich sein will, unter absolutem Einsatz der eigenen Person möglich.

Ich meine, diese Tourismuskrise – die trotz allem als großer Tourismusboom verkauft wird, aber 80 Prozent machen keine Gewinne – stellt wahrscheinlich eine sehr große Chance dar. Wir sollten uns auf unsere Stärken besinnen, und wir müssen uns – Sie haben teilweise schon recht – selbst am Kragen packen. Wir sollten wieder gastfreundlich und kundenbewußter sein. Es müßte uns klar sein, daß wir Dienstleister sind, und die Gäste werden es honorieren. Vieles davon ging nämlich in den letzten Jahren wirklich verloren.

Durch die große Insolvenzwelle im Tourismus- und Gastronomiebereich haben sich meiner Meinung nach gerade Chancen für die jüngere Generation eröffnet. Es ist nämlich so gut wie unmöglich, die Betriebe der Eltern, die meistens ziemlich verschuldet sind, zu übernehmen. Man kann momentan Betriebe sehr günstig übernehmen, betreiben, pachten oder auch ankaufen. Tourismusobjekte gibt es zurzeit wirklich zu vernünftigen Preisen.

In diesem Sinne ist nur das gesunde Arbeiten mit dem Verschuldungsgrad eins zu eins möglich. Ich selbst werde mich auch wieder dieser Chance beugen und aktiv in den Tourismus und in die Hotellerie einsteigen, weil es für mich zwar einer der schwierigsten, aber gleichzeitig einer der schönsten Berufe ist. Wenn die Basis und die Voraussetzungen stimmen, dann macht es auch Spaß. Aber wenn unten nichts herausschaut, dann macht es auch keinen Spaß; we just do it for profit.

Es wäre schön, sehr verehrter Herr Minister, wenn die neue Sektion Tourismus die passenden und notwendigen Voraussetzungen in Zukunft schaffen würde, um Österreich wieder zum Tourismusland Nummer eins auch in der Wertschöpfung zu machen, sodaß es dann kein Jammern mehr gibt, weil die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Manchmal werden solche Tourismusträume wahr. Herr Minister! Wir hoffen da auf Sie!

Auf einen Zeitungsartikel möchte ich in diesem Zusammenhang noch eingehen, und zwar habe ich in der heutigen "Presse" folgendes gelesen: "Wegen der ungebrochen hohen Arbeitslosenrate im Fremdenverkehr will Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner den Hebel auch im finanziellen Bereich ansetzen: ‚Wer seine Mitarbeiter nur mit Kurzzeitverträgen beschäftigt, soll auch mehr Arbeitslosenversicherung bezahlen?, meinte Farnleitner beim Hotelierkongreß." – Prinzipiell haben Sie recht, Herr Minister, praktisch ist es unmöglich!

Ich zitiere weiter: "Es sei bekannt, daß im Tourismus 40 Prozent der Arbeitslosen wieder in denselben Betrieb zurückkehren. ‚Wer seine Mitarbeiter auf Kosten der anderen Arbeitgeber halbjährlich in die Arbeitslosigkeit schickt, soll dafür bezahlen?, sagte Farnleitner."

Ich verstehe Ihren Gedankengang, Herr Minister, nur wird es so einfach nicht funktionieren. Es ist nämlich so, daß ein Betrieb am Wörthersee im Grunde genommen nur im Juli und im August


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Saison hat, aber vorher und nachher nicht weiß, wie er seine Kellner beschäftigen soll, wenn er statt 150 nur 30 Gäste im Haus sitzen hat. Wenn Sie da der Branche behilflich sind, indem es irgendwie gelingt, mittelfristig, langfristig Jahresbetriebe daraus zu machen, ist das sicherlich möglich. So momentan nicht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.23

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

14.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz auf die Ausführungen meines steirischen Kollegen Missethon replizieren. Er hat diesen Tourismusbericht sinngemäß als statistisches Werk, als statistische Aufzählung bezeichnet. Das hat auch der Herr Minister bestätigt. Auch meiner Meinung nach ist er vom Inhalt her eine statistische Aufzählung bezüglich der abgelaufenen Saisonen beziehungsweise Jahre. Darüber hinaus ist er für meine Begriffe in einer durchaus zukunftsorientierten, optimistischen Färbung, was das Cover betrifft, und Aufmachung gehalten.

Meine Damen und Herren! Bei diesem Tourismusbericht handelt es sich, wie schon einige Male erwähnt wurde, um eine Aufzählung statistischer Daten über den Tourismusbereich in der Vergangenheit. Dabei wird jedoch nicht, wie es sehr wohl von Parlamentariern und vor allem von der Tourismuswirtschaft gewünscht wird, in verstärktem Ausmaß inhaltlich auf die betriebliche, auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Tourismuswirtschaft und der Beherbergungswirtschaft eingegangen. Unabhängig davon, ob sich die Statistik nach oben oder nach unten verändert, ist es ein Faktum, daß in der österreichischen Beherbergungs- und Tourismuswirtschaft ein permanentes Ansteigen der Verschuldung und der Insolvenzrate zu verzeichnen ist. Das ist in Wahrheit die Dramatik in der Tourismusentwicklung.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß nicht nur das permanente Sich-Ändern von Nächtigungszahlen – das ist ein natürlicher Ablauf – in diesem Bericht zum Ausdruck kommen sollte. Diese statistische Aufzählung könnte eigentlich auch das Statistische Zentralamt vornehmen.

Meine Damen und Herren! Die finanzielle Situation im Bereich der Hotellerie, der Gastronomie, der Beherbergungswirtschaft ist so, daß man sich in dieser Branche immer wieder lautstark über einen permanenten Mitarbeitermangel beklagt. Die Arbeitszeiten sind in dieser Branche nicht attraktiv. Das heißt, salopp gesprochen: Während die einen die Freizeit genießen, müssen die anderen arbeiten.

Ich sage aber dazu: Jeder, der in die Tourismuswirtschaft geht, weiß das, hat sich dafür entschieden und kann auch damit leben. Aber das eklatante Problem dabei ist – das ist die gravierende Frage in dieser Diskussion –, daß die Leistungen in keiner vernünftigen, in keiner gerechten Relation zum Lohn stehen. Die Relation zwischen Leistung und Einkommen in der Tourismuswirtschaft wirft eine sehr große Diskrepanz auf. Aber diese Diskrepanz, Herr Minister, ist nicht deshalb gegeben, weil die Tourismuswirtschaft, die Beherbergungswirtschaft, die Gastronomie, nicht bereit wäre, entsprechende Löhne zu zahlen, sondern deswegen, weil die betriebliche Situation keine andere Besoldung, keine andere Entlohnung mehr zuläßt.

Meine Damen und Herren! Für diesen Umstand ist natürlich die Politik zuständig. Es fehlen der Tourismuswirtschaft die entsprechenden Rahmenbedingungen. Einige davon sind heute schon angeführt worden. Statt finanzieller Entlastungen bei den Lohnnebenkosten, statt attraktiver und steuerbegünstigter Investitionsmöglichkeiten, statt der Möglichkeit der Eigenkapitalbildung zeigt sich im Bereich der Beherbergungs- und Tourismusbranche folgendes: Es werden Steuerfahnder überfallsartig in die Betriebe geschickt. Arbeitsinspektoren, Lebensmittelinspektoren und andere Kontrollore kommen zu den unmöglichsten Zeiten in die Betriebe, um zu kontrollieren. Man könnte das, ohne die Kontrolle in Frage stellen zu wollen, mit dem Start eines Flugzeuges vergleichen: Wenn das Flugzeug in der Luft ist, macht man den Startcheck.


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Meine Damen und Herren! Das ist deshalb damit vergleichbar, weil in den Betrieben, die ohnedies unter Personalknappheit und großer Belastung leiden, die Arbeitsabläufe behindert sind, wenn sich dort die Kontrollore tummeln. Das gilt vor allem für Saisonbetriebe, für Betriebe, in welchen die Saison sehr kurz ist. Ich bin der Meinung: Kontrollen ja, es wird sich die Beherbergungs- und Tourismuswirtschaft vor diesen Kontrollen nicht fürchten, aber diese Kontrollen sollten zu Zeiten durchgeführt werden, zu welchen sie den Betriebsablauf, den Arbeitsablauf im Betrieb nicht in jenem Ausmaß, wie es jetzt oft der Fall ist, stören.

Meine Damen und Herren! Da es sich beim Tourismusbericht um eine statistische Aufzählung handelt – das geht auch hervor –, sollte man sich überlegen, warum dieser Bericht eigentlich nur eine statistische Aufzählung ist. Ich glaube nicht, daß der Grund dafür Untätigkeit oder Nichtwollen Ihres Ressorts ist, Herr Minister, sondern ich glaube, daß das deshalb so ist, weil die Tourismus-, die Fremdenverkehrswirtschaft in erster Linie Ländersache ist. Das ist zwar gut so und soll auch so bleiben, weil die Strukturen der Bundesländer völlig unterschiedlich sind und daher für die Tourismus-, die Fremdenverkehrswirtschaft natürlich unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen sind – ich brauche das nicht näher zu erörtern, ich sage nur zwei Schlagworte dazu: Es ist ein Unterschied zwischen Badeseenbetrieb und Skibetrieb –, aber die Zuständigkeit ist im Bereich des Wirtschaftsministeriums nur in einem eingeschränkten Maße oder überhaupt nur über das Gewerberecht gegeben.

Das ist eigentlich die Ursache dafür, daß im Tourismusbericht nur eine statistische Aufzählung erfolgen kann. Aber umso mehr ist zu hinterfragen beziehungsweise umso fragwürdiger erscheint mir die Notwendigkeit – wie Sie uns erklären, Herr Minister; Sie haben keine Kompetenz, denn das ist Ländersache, was auch gut ist –, eine eigene Sektion für die Tourismuswirtschaft zu schaffen. Das erinnert mich ein bißchen an Qualtinger, so quasi nach dem Motto: Ich weiß nicht, wohin, dafür bin ich schneller dort! Wenn schon die Kompetenz bei den Ländern liegt, warum schaffen Sie dann eine Sektion? – Noch dazu wird die Besetzung dieser Sektion vermutlich nicht ausgeschrieben werden. Es gibt interimistische Bestellungen. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Sie ist ausgeschrieben!) Bei Ihnen ist es ausgeschrieben! Okay! Ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Aber eines, Herr Minister, werden Sie sich von der Tourismus-, der Fremdenverkehrswirtschaft immer wieder sagen lassen müssen: Die Kompetenz liegt bei den Ländern, Sie schaffen aber eine eigene Sektion, was soviel heißt, wie daß Sie vorgeben, eine Kompetenz zu haben, die Sie gar nicht haben.

Das ist der Vorwurf der Fremdenverkehrsverbände der Länder an Sie. Sagen Sie klipp und klar, wofür diese Sektion in Zukunft zuständig sein soll. Förderungsagenden im Tourismusbereich zu übernehmen, soll nach unserem Dafürhalten nicht die Aufgabe einer Sektion sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile ihm dieses.

14.31

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Zur Kompetenzlage, Herr Bundesrat Weilharter: Der Tourismus ist eine Querschnittsmaterie. Ihre Partei hält mir bei jeder Normalrede einen Katalog von 70 Punkten Richtung Tourismus vor, wo nur Bundeskompetenz da ist, nämlich die Rahmenbedingungen für Unternehmen, vom Anlagenrecht bis zur Finanzierung, zu schaffen.

Aber dafür muß es eine tourismusadaptierte Grundsatzkonzeption geben, die von einer Expertentruppe in neuer Konfiguration wahrgenommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Entschuldigen Sie! – Dazu brauche ich diese Sektion! Das soll ein für allemal klargestellt sein. Koordinieren Sie sich, bitte, untereinander, was richtig ist. Der Punkt ist: Ich brauche das.


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Zweiter Punkt: Lassen Sie mich eine Anekdote zur österreichischen Kompetenzsituation erzählen: Als am Semmering ein Schirennen stattfand, fragte mich ein Fernsehreporter – und nur das ist in Österreich interessant –: Der Start ist in Niederösterreich, das Ziel liegt in der Steiermark, wenn da jetzt jemand gewinnt, wer hat dann gewonnen: Niederösterreich oder die Steiermark? – Darauf sagte ich schlicht und einfach: Österreich!

Wir sollten in dieser Region endlich aufhören, zu sehen, daß uns der Semmering trennt, wir sollten endlich einsehen, daß man nicht erst durch Löcher eine Verbindung schaffen soll. Wir machen jetzt ein Konzept von der Schneealpe bis zum Wechsel. Das ist etwas, was wir über Druck von seiten des Bundes tun. Die Länder brauchen auch die Hilfeleistung und den Druck des Bundes, sonst kommen wir am Schluß wirklich soweit, daß jeder nur auf seinen Schrebergarten schaut. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein Punkt noch, weil ich sicher zitiert werde: Ich habe von Herrn Peter für die Hotelierstagung in Kitzbühel folgendes Thema vorgegeben erhalten: Sommerrelaunch – Saisonverlängerung. Ich habe gesagt: Ich weigere mich, zu diesem Thema zu reden, weil Tourismus- und Freizeitwirtschaft immer Saison hat und der Saisongedanke eines der schlimmsten in uns – in Unternehmern wie in Kunden – eingepflanzten Vorurteile ist: daß man nur einmal im Winter und einmal im Sommer einen Ort besucht. Die Realität widerspricht dem ja.

Wir werden den Saisonbetrieben nicht dadurch helfen, daß wir ihnen ihre traditionellen Instrumente zum Überleben noch verbessern, sondern dadurch, daß wir schlicht und einfach sagen: Entschuldige, ich kann auch im Winter vom Wörthersee Schi fahren fahren. Ich nenne noch ein paar Beispiele: Wir sperren zu früh zu. Oder ein Beispiel aus Tirol, ohne jetzt Tirol angreifen zu wollen: In Seefeld müssen Hotels sperren, weil die Köche schon längst Kontrakte mit Überseeschiffen haben, egal, ob der Schnee später als sonst kommt. – Herrschaften! Unternehmen, die unter diesen Bedingungen leben können, bedürfen des Interesses der Wirtschaftspolitik nicht.

Wir können diese Situation nicht akzeptieren. In vielen Städten, die schlechter besucht sind, ist es anders. Wer hätte gedacht, daß Steyr zum Jahresende ausverkauft sein wird, weil es ein örtliches Kulturprogramm gibt und weil die Hotels eine ordentliche Werbung machen? Wer hätte gedacht, daß Linz zu einem Tourismuszentrum wird, daß viele andere Städte so sehr besucht werden? Und das soll in anderen Tourismusorten, die wunderbar liegen, nicht der Fall sein?

Eine letzte Bemerkung noch: Es hat bei dieser Tourismustagung Reinhold Messner eine Liebeserklärung an die Berge abgegeben, die so begeisternd war, daß die Leute draufgekommen sind, wie schön ein Berg als Urlaubsziel sein kann. Wir sollten in Österreich langsam draufkommen, unser Land auch mit der Mystik unserer herrlichen Wälder, mit den reinen Seen zu verkaufen, statt mit den Problemen Getränkesteuer und Lohnnebenkosten und was weiß der Teufel alles aufzuwarten. – Herrschaften! Das Produkt ist da, die Kunden sind da, und wenn wir im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam mit den Unternehmen eine Struktur schaffen, die es gewährleistet, daß sich die Leute bei uns wohl fühlen, willkommen fühlen, dann kann uns am Erfolg niemand hindern. – Ich bedanke mich, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.35

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Berichterstatter ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.


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Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

4. Punkt

Ozonbericht 1997 der Bundesregierung (III-186/BR und 5865/BR der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 1998 (III-187/BR und 5863/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

der Ozonbericht 1997 der Bundesregierung und

der Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 1998.

Die Berichterstattung über die Punkte 4 und 5 hat Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Günther Leichtfried: Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die beiden Berichte – sowohl der Ozonbericht als auch der Bundesabfallbericht 1998 – liegen in schriftlicher Form vor, und ich darf mich daher – für beide gleichlautend – auf den Beschlußantrag beziehen.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Jänner 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, die Berichte zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Gottfried Jaud: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich als erste Rednerin Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

14.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ozonbericht ist rein optisch ein wirklich gelungenes Werk: Er ist übersichtlich, sehr gut gegliedert und sehr gut verständlich geschrieben, sodaß auch derjenige, der sich noch nie mit der Materie beschäftigt hat, wissen müßte, was gemeint ist. Das finde ich sehr positiv, und das möchte ich auch am Beginn meiner Rede bemerken.

Weniger gut wird die Sache dann, wenn man ihn liest. Es beginnt schon damit, daß die Reduktionsziele in keiner Weise erreicht worden sind. Man wollte bis Ende 1996 bei den Ozon-Vorläufersubstanzen eine Reduktion von 40 Prozent erreichen. Derzeit liegen wir im Schnitt, was Stickstoffoxide und die sonstigen flüchtigen organischen Verbindungen betrifft, bei etwa der Hälfte, mit der Tendenz, ein bißchen darüber zu kommen.

Wenn man davon ausgeht, daß das nächste Reduktionsziel bis zum Jahre 2001 – und jetzt haben wir immerhin schon Beginn des Jahres 1999 – bei 60 Prozent liegen sollte, fragt man sich unwillkürlich: Wie soll dieses Ziel in diesem kurzen Zeitraum erreicht werden, wenn wir noch nicht einmal die Stufe 1 erreicht haben?


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Offensichtlich haben Sie, Herr Minister – ich glaube, daß Sie sich da redlich bemüht haben; ich möchte Ihnen jetzt nicht unterstellen, daß das eine Säumigkeit Ihrerseits war –, sich gegen-über Ihrem Parteifreund, Herrn Minister Farnleitner, und gegenüber dem Verkehrsminister überhaupt nicht durchsetzen können.

Ich möchte nicht anstehen, zu bemerken, daß es natürlich auch Erfolge gegeben hat. In Teilbereichen haben Sie Reduktionen erzielt, es betrifft aber leider nicht das Ganze. Es ist Ihnen gelungen, in Teilen des PKW-Verkehrs Erfolge zu erzielen. Es ist Ihnen gelungen, bei einem Teil des Lösungsmitteleinsatzes Reduktionen zu erzielen, was schon ein Erfolg ist. Es gibt auch in einigen Teilbereichen in der Industrie bei den Stickstoffoxiden Reduktionen.

Auf der anderen Seite gibt es aber genügend Bereiche, in denen entweder gar nichts passiert ist oder die Emissionen sogar gestiegen sind, wie zum Beispiel in den Bereichen Flugzeugverkehr, Kleinfeuerungsanlagen, LKWs und Busse, was besonders brisant ist, weil bei den Lastkraftwagen und Bussen nicht wir alleine schuld sind. Es geht aus dem Bericht hervor, daß das alles nicht immer nur hausgemacht ist; sondern da haben wir auch das große Problem, daß aus den ehemaligen Ostblockländern LKWs und Busse über unsere Grenzen kommen. Es kommen zwar die Schadstoffe, auch ohne daß Busse über unsere Grenzen nach Österreich fahren, zu uns – durch Durchmischung, Wind et cetera –, aber es gibt auch genügend Busse, die unsere Grenzen passieren, und dann haben wir sie direkt auf unserem Staatsgebiet.

Ich weiß schon, daß es auch Kontrollen gibt, aber ich habe mir erklären lassen, daß diese Kontrollen nur sehr sporadisch erfolgen können, weil sie erstens sehr kompliziert seien, zweitens sehr teuer seien und drittens man nicht jeden Bus kontrollieren könne, weil das in Summe zu zeitaufwendig wäre. Meistens wird ein Bus aus einem ehemaligen Ostblockland dann kontrolliert, wenn er auffällig ist – sei es aufgrund eines technischen Gebrechens, dann geht es in einem, oder sei es deswegen, weil er qualmt und schon so stinkt, daß sich einer denkt: Den sollten wir vielleicht genauer unter die Lupe nehmen!

Ich glaube, da muß man wirklich tätig werden, und zwar nicht nur in Form von Berichten und Vorhaben, sondern mit Maßnahmen. Es kann ganz sicherlich nicht so sein, daß die Beitrittsländer nicht in die Pflicht genommen werden, bei den Beitrittsverhandlungen konkrete Pläne vorzulegen, wie sie sich eine Reduktion vorstellen, selbstverständlich auf uns beziehungsweise auf EU-Richtlinien bezogen, und in welchem Zeitraum sie das verwirklichen wollen. Diese Ziele müssen dann auch erreicht werden, denn sonst ist das Ganze Saft ohne Kraft und bringt überhaupt nichts.

Weiteres Problem: Hausbrand. Da kommt besondere Bedeutung den erneuerbaren Energien zu, wofür noch viel zuwenig getan wird. Wenn man bedenkt, daß 1998 60 000 Haushalte wieder auf Gas und Öl umgestiegen sind, was nicht unbedingt das umweltfreundlichste ist, dann müßte man meinen, daß im Bereich erneuerbare Energien und in bezug auf deren Einspeisung ins Netz mit großer Vehemenz und Geschwindigkeit vorgegangen werden sollte. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Es wird uns auch in diesem Haus von der SPÖ und von der ÖVP immer wieder vorgeworfen, wir würden einfach alles in Bausch und Bogen ablehnen. Das wird völlig undifferenziert wiedergegeben, weil es so nicht stimmt. Wann immer wir entsprechende Anträge einbringen, werden sie natürlich niedergestimmt. Ich meine, das ist für uns nichts Neues. Trotzdem ist das bedauerlich, und man muß sich fragen, warum es so ist.

So haben die Freiheitlichen im Nationalrat einen Entschließungsantrag betreffend Förderungen im Bereich Energie eingebracht. Da ging es um die Stromeinspeisung; das steht auch im Bericht. Die Stromeinspeisung erneuerbarer Energieträger sollte attraktiv gemacht werden. Also haben die Freiheitlichen einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem in diesem Fall der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht wird, sich für Einspeisungstarife auf EU-Niveau für Strom aus erneuerbarer Energie einzusetzen. – Abgelehnt worden von Rot und Schwarz! Das heißt, man spricht anders und handelt leider auch anders.


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Zweitens ging es um die Reduzierung der CO2-Emissionen, denn es sind nicht nur die Stickstoffoxide und die anderen flüchtigen organischen Verbindungen von Belang.

Man hat auch schon erkannt, daß im Bereich erneuerbarer Energie die Schaffung einer ganzen Menge von Arbeitsplätzen möglich wäre. Eine Studie von Professor Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz spricht von zirka 42 000 bis 51 000 Arbeitsplätzen. In der Situation, in der wir uns jetzt befinden – wir nähern uns der 300 000-Arbeitslose-Grenze –, ist so etwas nicht vernachlässigbar, indem man sagt, das ist mir egal.

Wie war der Antrag? – Der Antrag lautete: Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie solle mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, dem Landwirtschaftsminister und dem Wirtschaftsminister Einvernehmen herstellen, daß die Umsetzung eines Projektes erneuerbarer Energie möglich ist, das einerseits CO2 mindert, andererseits zusätzliche Impulse zur Förderung von Arbeitsplätzen gibt. – Abgelehnt worden ist dieser Antrag! Reden und Taten – zwei völlig unterschiedliche Dinge!

Daß die Energiesteuer, die es für Klimaschutzmaßnahmen gibt, zweckgebunden verwendet werden muß, steht auch noch in weiter Ferne. Einige Länder machen das, aber im großen und ganzen, muß man sagen, geschieht das nicht. Und die Emissionen treffen halt nicht nur einen Teil eines Bundeslandes oder ein Bundesland, sondern ganz Österreich. Im großen und ganzen hat diese Klimaschutzmilliarde zum Stopfen der Budgetlöcher der einzelnen Bundesländer geführt.

Daher muß ich Ihnen sagen, Herr Minister: Auch wenn Sie in Teilbereichen durchaus erfolgreich waren – wobei ich schon noch anmerken möchte, daß in dem Bericht die Zahlen ja meistens mit 1995, 1996 enden, obwohl es heißt "Ozonbericht 1997"; aber das sei jetzt nur eine Randbemerkung –, auch wenn Sie Teilerfolge zu verzeichnen haben, bleibt in Summe noch viel zuviel offen, und daher können wir diesen Ozonbericht nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.46

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile es ihm.

14.46

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Wortmeldung wird sich in erster Linie auf Punkt 4 der Tagesordnung, nämlich den Ozonbericht, beziehen und erst in zweiter Konsequenz mit dem Bundesabfallbericht 1998 befassen, aus dem sich oft zwangsläufig eine Verquickung mit dem Erstbericht ergibt. Ich schicke gleich voraus, daß meine Fraktion beiden Berichten, die hervorragend aufbereitet worden sind – in einem Punkt zumindest möchte ich Kollegin Mühlwerth, die jetzt gerade hinausgegangen ist, zustimmen, nämlich daß diese Berichte wirklich ein hervorragendes Nachschlagewerk sind –, die Zustimmung erteilen wird.

Zunächst einmal zum Ozonbericht. Bei Durchsicht dieses Berichtes ergibt sich der eindeutige Schluß, daß Ozon einerseits ein gesundheitsgefährdender, andererseits aber gleichzeitig ein lebensnotwendiger Stoff ist, und darin liegt eine gewisse Problematik. Warum? – Nun, Ozon ist ein natürlicher Bestandteil der bodennahen Luftschicht, kommt aber auch in der Stratosphäre, also in einer Höhe von 15 bis 50 km, vor. Während aber eine Überkonzentration in Bodennähe die menschliche Gesundheit und das pflanzliche Wachstum gefährdet, schützt andererseits das Vorkommen in großer Höhe unsere Flora und Fauna vor den schädlichen UV-Strahlen, die beim Menschen gesundheitliche Störungen oder Schwierigkeiten, unter anderem auch Hautkrebs, hervorrufen können.

Die Berichte über die drastische Zunahme des Ozonlochs häuften sich in letzter Zeit, und erst vor kurzem war zu lesen, daß das Ozonloch über der Antarktis im Vorjahr Rekordausmaße erreicht hat und daß an mehr als 100 aufeinanderfolgenden Tagen das Loch größer als 10 Millionen Quadratmeter gewesen sei (Bundesrat Dr. Tremmel: Kilometer!), Quadratkilometer gewesen sei. – Danke vielmals.


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Die Hauptursachen für dieses Ozonloch sind im allgemeinen bekannt. Es sind die von den Menschen hergestellten Chemikalien, die Ihnen allen bekannten FCKWs, die aus alten Kühlschränken und Spraydosen stammen. In den Industriestaaten ist daher die Herstellung bereits seit dem Jahr 1995 verboten. Ein erkennbarer Erfolg wird sich aber wahrscheinlich erst in zirka zwei Jahren einstellen, da diese Gase sehr langsam aufsteigen und das Ozonloch seine größten Ausmaße voraussichtlich erst nach dem Jahr 2000 erreichen wird. – Das sei vielleicht am Rande gesagt, denn das Ozonloch ist eigentlich nicht Gegenstand dieses Berichtes.

Ich möchte mich daher vielmehr mit den Auswirkungen einer Überkonzentration von Ozon in den bodennahen Luftschichten beschäftigen. Zahlreiche Studien haben ergeben, daß durch diese Überkonzentration schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen des Menschen möglich sind und Beschwerden und Beeinträchtigungen der Lungenfunktion und des HNO-Bereiches als Folge auftreten können. Ein enormer Leistungsabfall ist die Folge davon.

Aber auch das Pflanzenreich bleibt nicht verschont. Wie man aus Untersuchungen weiß, führt überhöhte Konzentration zur Schädigung der Zellmembranen und zur Störung des Wasserhaushaltes und der Ernährung. Dieser Bericht zeigt sehr deutlich auf, daß dadurch in den naturnahen Öko-Systemen insgesamt eine Verarmung der Arten und eine Veränderung der Gesamtstruktur die Folge sein können.

Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Für uns stellt sich daher die Frage: Wie entsteht Ozon, und was tut unsere Regierung zur Eindämmung dieser überhöhten Ozonbildung? – Um letzteres vor allem beantworten zu können, muß man wissen, daß das Ozon das Ergebnis einer Reaktion von anderen Luftschadstoffen mit Luftsauerstoff unter Einwirkung von ultravioletten Strahlungen ist.

Will man daher die Bildung des Ozons verhindern, müssen zunächst die primären Schadstoffe – in erster Linie sind es die Stickstoffoxide NOx und die flüchtigen Kohlenwasserstoffe, die VOCs – reduziert werden. Am allerwenigsten, Kollegin Mühlwerth, ist das CO2 für die Bildung des Ozons verantwortlich. Das hat andere Effekte.

Die Bundesregierung hat dankenswerterweise mit dem Ozongesetz vom Mai 1992 dafür Voraussetzungen geschaffen, indem im § 11 festgeschrieben ist, daß eine Reduktion der Emissionen von Stickstoffoxiden und flüchtigen Kohlenwasserstoffen um die von Kollegin Mühlwerth genannten Zahlen bereits vorgesehen ist. Endpunkt ist 2006, bis zum 31. Dezember dieses Jahres ist eine Reduktion um 70 Prozent vorgesehen, wobei der Bezugspunkt dafür das Jahr 1985 ist. Aus diesem Bericht geht aber auch hervor – das hat auch Kollegin Mühlwerth schon erwähnt –, daß dieses gesteckte Ziel weder hinsichtlich der NOX-Emissionen noch hinsichtlich der VOC-Emissionen erreicht werden konnte, wobei jedoch dazuzusagen wäre, daß wirklich beträchtliche Erfolge gelungen sind und daß in diesem Bericht auch darauf hingewiesen wird, daß eine konsequente Fortsetzung dieser Anti-Ozon-Politik notwendig ist.

Daß es nicht gelungen ist, dieses gesteckte Ziel zu erreichen, dazu trägt in erster Linie die Zunahme des Straßenverkehrs bei, der einen Anteil von 42 Prozent an den NOX-Emissionen hat, und innerhalb des Straßenverkehrs wieder – Kollegin Mühlwerth hat es ebenfalls schon erwähnt – der LKW- und der Autobusverkehr, der mit 28,4 Prozent – das ist eine Zunahme gegenüber 1995 um 100 Prozent – verantwortlich ist. Zur Erreichung dieser vorgegebenen Ziele müßten daher insbesondere auf dem LKW-Sektor Maßnahmen gesetzt werden. Es ist nicht nur der Ostblock schuld, und es ist nicht nur der Wind schuld, der uns diese vermehrten Schadstoffe beschert, sondern wir haben selbst auch in gewisser Hinsicht noch sehr viel zu tun.

Ich begrüße in diesem Zusammenhang wirklich die Initiative unseres Umweltministers hinsichtlich der Verschärfung der Abgasnormen bei den PKWs und hinsichtlich der verbrauchsfreundlichen und umweltfreundlichen LKWs. Ich freue mich auch, sagen zu können, daß die Wirtschaft diese Signale sehr wohl verstanden und mit beträchtlichen Eigenkosten eine Um-stellung des Fuhrparks begonnen hat. Aber sicherlich ist auch der Vorstoß unseres Verkehrsministers, den Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, sehr begrüßenswert. Leider sind


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auch diesbezüglich noch keine wesentlichen Fortschritte erzielt worden. Die Frächter sagen mir, daß die fehlende Logistik in erster Linie dafür verantwortlich ist.

Ich freue mich aber, in diesem Zusammenhang feststellen zu dürfen, daß auch die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Verminderung der NOX-Emissionen geleistet hat. Die biologische Landwirtschaft und andere extensive Wirtschaftsweisen, wie sie im Umweltprogramm, im ÖPUL, vorgesehen sind, setzen aufgrund des reduzierten Betriebsmitteleinsatzes, in erster Linie der Stickstoffdüngung, weniger Ozonvorläufersubstanzen frei. Im ÖPUL sind auch Maßnahmen zur Reduktion hoher Viehbestandsdichten enthalten, die zumindest auch indirekt eine Reduzierung der VOC-Emissionen aus der Nutztierhaltung zur Folge haben. Anderen Hauptverursachern von VOC-Emissionen, wie zum Beispiel der Lösungsmittelindustrie, kann man nur raten, dem Beispiel der Landwirtschaft zu folgen und ebenfalls dort Maßnahmen zu setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ozonbericht zeigt nicht nur den Ist-Zustand auf, er weist auch auf Lösungsansätze zur Verringerung von Luftschadstoffen und damit in weiterer Folge von Überproduktion von bodennahem Ozon hin. Damit bin ich beim zweiten Bericht, dem Bundesabfallbericht. Dieser hat indirekt mit dem Ozon zu tun, wird in ihm doch festgehalten, daß der überwiegende Teil der 39 Millionen Tonnen Abfälle, die in Österreich anfallen, deponiert wird, noch deponiert wird. Diesen Deponien entströmt nämlich genau jenes Gas, nämlich Methan, das neben den FCKWs mitverantwortlich ist für die Zerstörung des Ozons in großer Höhe.

Da in Österreich gesetzliche Regelungen zur Verminderung dieser Schadstoffe noch nicht so ausgeprägt sind, muß man das Übel an der Wurzel packen. Ansätze dafür sind in der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998 zu finden, die nach der Deponieverordnung eine Erleichterung zur thermischen Verwertung des Abfalls bringt, sodaß die Deponien in Zukunft damit weniger Umweltbelastungen mit sich bringen werden.

Der zentrale Punkt des Abfallberichtes ist sicherlich der Abfallpolitik unseres Umweltministers, aber auch der Disziplin der Bevölkerung zuzuschreiben, nämlich daß es gelungen ist, große Mengen des Abfalles wiederzuverwerten, sodaß die Restmüllmenge, die in Deponien oder Müllverbrennungsanlagen kommt, signifikant gesunken ist. Das ist erfreulich. Meine Fraktion wird daher auch diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.57

Präsident Gottfried Jaud: Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz. Ich erteile ihr dieses.

14.57

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich spreche zum Tagesordnungspunkt 5, dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan und dem Bundesabfallbericht 1998, dem meine Fraktion auch die Zustimmung geben wird.

Die österreichische Abfallwirtschaft ist eine dynamische Branche, die in den letzten fünf Jahren sehr stark gewachsen ist. Das österreichische Abfallwirtschaftsgesetz bekennt sich zu nachhaltig wirkenden Lösungen und definiert vier Hauptziele: erstens den Schutz von Mensch und Umwelt, zweitens die Schonung von Rohstoff- und Energiereserven, drittens möglichst geringen Verbrauch von Deponievolumen und viertens das Vorsorgeprinzip für nachfolgende Generationen.

Ich möchte mich in meinem Beitrag vor allem auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf die österreichische Abfallwirtschaft konzentrieren und weiters potentielle Gefahren für die Entwicklung eines Sektors aufzeigen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zur aktuellen gesetzlichen Situation: Wir haben zehn Abfallwirtschaftsgesetze, neun Landesabfallwirtschaftsgesetze und ein Bundesabfallwirtschaftsgesetz. Problematisch ist dabei die extrem uneinheitliche Auslegung im Vollzug der Gesetze, was zu völlig unterschiedlichen abfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich führt, und das in einem geeinten Europa. Die


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Halbwertszeit von Gesetzen wird immer kürzer, die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Gesetzen ist nicht mehr gegeben. Die Umweltthematik ist dermaßen komplex und überreguliert, daß in vielen Bereichen selbst Experten und leitende Beamte keine klaren Auskünfte geben können. Aufgrund der Überregulierung kommt es immer wieder zu Gesetzeslücken, die zu großen Planungs- und Investitionsunsicherheiten in der österreichischen Abfallwirtschaft führen.

Aufgrund der beschriebenen Situation krankt es in Österreich an einem vernünftigen Vollzug der Gesetze, da die Fülle der Vorschriften weder eingehalten noch kontrolliert werden kann. Österreich rühmt sich ja sosehr seiner hohen Umweltstandards, aber oft liegen die Mängel im Vollzug. Die EU-Verbringungsverordnung und die Entwicklung der Abfallwirtschaft zeigen die Tendenz auf, daß Abfall immer mehr zum freien Handelsgut wird. Die abfallende Verordnung des AWG definiert darüber hinaus Qualitätskriterien, wonach Abfälle zu Rohstoffen werden.

All dies soll zu einer starken Liberalisierung der Abfallwirtschaft führen. Gleichzeitig werden in Österreich Landesgesetze – wie zum Beispiel in Salzburg – beschlossen, welche die Entsorgung von Abfällen zum Beispiel in einem anderen Bundesland verbieten. Das ist an und für sich schon EU-widrig. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich die Problematik der österreichischen Entsorgungswirtschaft. Es fehlt an klaren, nachvollziehbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen. Was in dem einen Bundesland verboten ist, ist in dem anderen erlaubt. Voraussetzung für eine funktionierende Abfallwirtschaft sind klare Rahmenbedingungen, die dann natürlich auch Investitionen in Anlagen und Personal ermöglichen und damit die Qualität der Entsorgung nachhaltig verbessern.

Nun ein Lob der Qualität der Entsorgung. Im Frühsommer 1999 wird auf Initiative der österreichischen Entsorgungsbetriebe in Zusammenarbeit mit dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium eine Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb nach deutschem Vorbild vorgenommen. Auch diese Maßnahme sichert die Qualität der heimischen Entsorgungswirtschaft.

Seit 1998 gibt es einen Regellehrberuf – 1992 wurde dieser als Ausbildungsversuch gestartet –, den Entsorgungs- oder Recyclingfachmann oder die -fachfrau für die Bereiche Abfall und Abwässer. 1998 gab es dafür 20 Lehrlinge in Österreich. Lehrstellen wurden bis dato nur von privaten Betrieben zur Verfügung gestellt. Ich meine aber, es ist nicht einzusehen, daß die kommunalen Betriebe, die ja gerade im Abwasserbereich genügend Potential haben, keine Lehrlinge aufnehmen und somit die Chancen für diesen neuen Beruf beeinträchtigen.

Die Ausbildung und Beschäftigung von qualifizierten Facharbeitern in innovativen Branchen ist mir ein überaus wichtiges Anliegen.

Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, wird einiges für die Qualität der Entsorgung getan. Leider können wir uns aber nicht zurücklehnen und behaupten, die Sache ist erledigt. Seit Mitte der neunziger Jahre wird an der Qualität der Entsorgung ordentlich gerüttelt. Kostenreduktionsprozesse der Industrie und der öffentlichen Hand führen dazu, daß vermehrt die billigsten Verfahren in Anspruch genommen werden. Im Vorfeld der Deponieverordnung, die 2004 in Kraft treten soll, fallen die Deponiepreise in den Keller, weil die Branche versucht, bis 2004 noch möglichst viel Geschäft zu machen – Gewinne von heute, deren Folgekosten nachfolgende Generationen zu tragen haben werden.

Meine Damen und Herren! Wir waren uns doch einig, daß wir das so nicht haben wollen. Neben der Tatsache, daß bis 2004 auf Teufel komm heraus deponiert wird, besteht natürlich die Gefahr, daß die Deponieverordnung nicht halten wird. Das führt zu Planungs- und Investitionsunsicherheit im Bereich der qualitativ hochwertigen Entsorgungsbetriebe. Sind 2004 keine entsprechenden Anlagen wie mechanisch-biologische oder thermische Anlagen vorhanden, da man sie im Vorfeld wirtschaftlich nicht überleben ließ, gibt es wieder genügend Argumente, die Deponieverordnung umzustoßen, weil man dann sagt, es gehe eben nicht anders.

Ich meine, wir sollten uns vehement dafür einsetzen, daß notwendige Qualitätskriterien nicht kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen geopfert werden. Nur durch Einhaltung strenger und einheitlicher Qualitätskriterien kann dieser Tendenz nachhaltig entgegengewirkt werden. Es geht nicht nur um den Schutz unseres Lebensraumes, sondern auch um die Förderung neuer Tech


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nologien und nicht zuletzt um die Sicherung von qualifizierter Facharbeit in Österreich. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.04

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister aus der Steiermark! Meine Damen und Herren! Zwei Sprecher hat es zum Ozon gegeben, die Kollegin Crepaz ist da irgendwo in der Mitte gelegen, sie hat auch über den Abfallwirtschaftsplan gesprochen, und damit das ausgewogen und ausgeglichen ist, werde ich ein bißchen über den Bundes-Abfallwirtschaftsplan sprechen beziehungsweise einige Beispiele herausnehmen und den Bundesabfallbericht in meine Ausführungen einbeziehen.

Zuerst zum Werk, das hier präsentiert wird: An und für sich sind die Übersicht und die Darstellung sehr gefällig gemacht. Auch die farbliche Gestaltung paßt mir. Beim Blau etwa heißt es: Präzisierung der Anhänge. Das ist ganz klar, das Blaue soll das Exakte sein. – Das zur Form.

Zum materiellen Inhalt darf ich sagen, daß hier eine gewisse Kompetenzaufblähung stattgefunden hat, weil seitens des Bundes Bereiche mit hineingenommen werden, die in der Praxis das unterste Glied des Föderalismus, die Gemeinde, erledigen muß. – Das ist einer der Kritikpunkte, die ich hier anbringen möchte.

Der nächste Kritikpunkt, den ich hinzufüge, Herr Minister, ist das Echo. Wie kommt das von den Kommunen zurück und wie fließt das in die Bundesgesetzgebung beziehungsweise in Ihre Berichte ein? – Ich nenne hier das Beispiel Graz. Wir haben im Jahr rund 60 000 Tonnen Hausmüll und Industriemüll. Die Entsorgung kostet uns – Kollege Gerstl und ich haben gerade ein bißchen kalkuliert – gut 3 000 bis 3 500 S. Wir zahlen 1 700 S Deponiegebühr. Die Verbringung, die Müllabfuhr kostet noch ein übriges. Und dies alles trägt die Gemeinde, das heißt, es trägt dies der Steuerzahler.

Herr Minister! Aus der Realität heraus wird die Hauptaufgabe der Abfallwirtschaft, der Abfallbewirtschaftung ergo dessen von den Kommunen getragen, und es wäre daher nur gut, richtig und föderalistisch anständig, wenn sie auch die Gestaltungsmöglichkeit von unten nach oben, Einflußnahme auf die Verordnungen und auf die Gesetzgebung im entsprechenden Ausmaß hätten.

Ich erinnere mich, daß ich als Beamter in einem Ausschuß des ÖSTAT tätig wurde und eine entsprechende Verordnung zu behandeln hatte – das hat zwar mit Statistik zu tun –, wonach der Industriemüll monatlich gewogen werden sollte. Was das für die Gemeinden bedeutet, kann man sich ausrechnen. Also ist es leicht, Normen zu setzen, man muß aber auch dafür Sorge tragen – und zwar sollten wir als Föderalisten dafür Sorge tragen –, daß diese Normen umsetzbar sind und daß bei der Umsetzung dieser Normen geholfen wird.

Wenn ich mir das Vorwort zum ersten Band anschaue, so sehe ich, daß es Ziel der Abfallwirtschaft ist, nationale und übernationale Abfallwirtschaftspläne zu erstellen. Gut und richtig. Gut und richtig dann, wenn Gedankenfluß und Verordnungsfluß in der Richtung erfolgen, wie ich sie vorhin dargestellt habe, und wenn es für den Bürger verständlich ist.

Nun nehme ich hier eine Bestimmung heraus – ich habe sie aufgeblättert, und ich habe sie seinerzeit bereits im Ausschuß dargelegt –: die Entsorgung von Amalgamresten. Diese Abfälle sind begleitscheinpflichtig. Es ist eine Abscheideranlage einzurichten, weil Emissionen an Quecksilber sowohl in der Abluft als auch im Abwasser und bei der Aufarbeitung austreten können, und diese Aufarbeitung hat entsprechend dem Stand der Technik zu erfolgen. So weit, so gut.

Was passiert aber, meine Damen und Herren – das gehört nicht direkt in diesen Bereich hinein –, mit den Trägern, mit den Menschen, die heute noch Amalgamplombierungen haben? – Da streiten die Ärzte. Sie sagen, es könnte wesentlich gefährlicher sein, diese herauszunehmen.


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Ich erinnere Sie daran: Wenn Sie zum Zahnarzt gehen und so eine Plombe bekommen, heißt es, daß man eine, zwei oder drei Stunden nichts essen soll. Warum? – Das soll sich verfestigen, und das Quecksilber, das im Amalgam enthalten ist, sollte nicht in den Körper kommen.

Die Leute tragen die quecksilberhaltigen Amalgamplomben im Mund, und hier benennen wir sie als Gifte. Wenn das der einfache Bürger liest, sagt er sich: Um Gottes willen, was passiert denn da? – Daher wäre es notwendig, daß es ministeriumsübergreifend zu einer Klarstellung käme, wie das wirklich ist. Denn der Bürger, der das liest, denkt sich: Das wird als Gift entsorgt, und ich muß es noch in meinen Zähnen haben.

Vielleicht wäre es auch möglich, daß in Zusammenarbeit mit Ihrem Ministerium das Gesundheitsministerium an die Ambulatorien und Zahnärzte ein Schreiben bezüglich des Standes der Technik herausgibt, wie die Amalgamplomben derzeit zu bewerten sind. Das wäre sehr gut und würde den Bürger etwas beruhigen.

Das ist ein Bereich in diesem Bericht, der nicht ganz schlüssig ist. Ich nehme noch kurz einen anderen Bereich heraus, denn die Zeit drängt. Ich habe mir hier "Abfallwirtschaftsgesetz, künftiger Regelungsbedarf" aufgeschrieben. Überschrieben habe ich das Ganze mit der Frage: Wann kommt dieser künftige Regelungsbedarf, etwa der Richtlinienvorschlag über die Abfalldeponien?

Hierzu muß ich sagen: Ich bin grundsätzlich ein Vertreter der thermischen Verwertung nach dem neuesten Stand der Technik (Bundesrat Bieringer: Ein Einheizer!)  – hin und wieder auch ein Einheizer, das ist schon richtig –, aber die Errichtung dieser Verbrennungsanlagen, dieser thermischen Verwertungsanlagen sollte nicht dazu führen, daß die Abfallbewirtschaftung in Form des Recycling, der Abfallvermeidung ins Hintertreffen gerät. Also Strategien zu erarbeiten, wie Abfall vermieden werden kann, ist ebenso wichtig wie etwa die thermische Verwertung. Ich bringe ein Beispiel: Es gibt noch immer keine verbindliche Pfandregelung bei den Plastikgebinden. Die Anzahl dieser Gebinde, dieser Flaschen explodiert. Es kommt immer mehr auf den Markt, und gerade die diesbezügliche Verwertung hat noch nicht den entsprechenden umweltmäßigen Stand der Technik erreicht. Ich weiß, man kann daraus Begrenzungspfähle herstellen und vieles andere mehr. – Es leuchtet das Licht: Rot bedeutet Halt – das habe ich schon einmal gesagt –, also werde ich mich jetzt sputen.

Das gleiche gilt für die Verpackungsverordnung. Wie gesagt: Die thermische Verwertung ist durchaus zu beachten. So hat etwa auch Kollege Schimanek im Bereich des Landes Niederösterreich bei der Fischer-Deponie gesagt, die thermische Verwertung des Mülls aus der Fischer-Deponie im Zusammenhang mit dem gestern präsentierten Sanierungsplan wäre zu bevorzugen, da die Verfrachtung der Abfälle auf andere Deponien oder in ein anderes Bundesland wesentlich teurer käme.

Auch das ist ein Problem, das wir zu regeln haben: Es gibt Länder, in die wir Müll exportieren, die nicht der OECD-Regelung unterliegen: Ungarn, Tschechien und so weiter. Das wäre ein Hinweis für die zukünftigen Beitrittsverhandlungen, daß sich diese Länder den Abfallwirtschaftsnormen zu unterwerfen haben, die auch wir haben.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich: Die Ansätze, die hier vorhanden sind, sind nicht schlecht. Viele Bereiche fehlen noch. Ich habe diese offenen Bereiche punktuell angedeutet. Ich hoffe, daß sie in Zukunft enthalten sein werden, dann werden wir einem solchen Bericht zustimmen können. Jetzt ist er uns noch nicht so umfassend dargestellt, daß wir unsere Zustimmung geben könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

15.14

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Tremmel hat gemeint, der Bundesabfallbericht sei für seine Fraktion nicht ausreichend aufgegliedert und aufgeschlüsselt,


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daher könne er ihn nicht zur Kenntnis nehmen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das habe ich nicht gesagt!) Herr Kollege Tremmel, ich kann dir versichern: Für uns und insbesondere für meine Fraktion ist dieser Bericht hervorragend gegliedert, hervorragend und schlüssig dargestellt. Ich darf mich daher noch einmal bei dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, und bei deinen Mitarbeitern sehr herzlich für diesen hervorragenden Bericht bedanken, der seinesgleichen sucht! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Meier. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß § 5 des Bundes-Abfallwirtschaftsgesetzes ist der Bundes-Abfallwirtschaftplan vom Umweltminister zu erstellen und nach einem umfangreichen Anhörungsverfahren, an dem unter anderen der Städtebund und der Gemeindebund teilnehmen, zu veröffentlichen. Dieser Plan ist längstens alle drei Jahre vorzuschreiben. Er hat mindestens eine Bestandsaufnahme der Situation der Abfallwirtschaft, konkrete Vorgaben zur Mengen- und Schadstoffreduktion der Abfälle, Maßnahmen zur Erreichung dieser Vorgaben und eine regionale Verteilung der erforderlichen Anlagen zur Behandlung gefährlicher Abfälle zu umfassen.

Die Behandlung gefährlicher Abfälle ist der einzige Bereich, der in die Kompetenz des Bundes fällt. Daher muß man schon festhalten, daß gerade bei der Abfallwirtschaft die Kompetenzverteilung nicht die günstigste ist. So ist der Bundesgesetzgeber sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Vollziehung für die gefährlichen Abfälle zuständig, hinsichtlich aller anderen Abfälle nur soweit, als ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist. Für alle anderen sind die neun Landesgesetzgeber zuständig, was meine Kollegin Crepaz bereits aufgezeigt hat.

Wenn man sich diesen Bericht anschaut und die Vergleichszahlen zum letzten Bericht von 1995 hernimmt, dann fällt auf, daß eine Anhebung des Massenpotentials für Bodenaushub von 15 Millionen Tonnen im Jahre 1995 auf 20 Millionen Tonnen für den Bericht 1998 zugrunde gelegen ist, daß ein Anstieg des Gesamtabfallaufkommens aus dem Haushalt und ähnlichen Einrichtungen zu verzeichnen ist, daß weiterhin verbesserte Sammelergebnisse bei der getrennten Erfassung von Altstoffen festzustellen sind und daß eine Abnahme des Massenpotentials für gefährliche Abfälle um 250 000 Tonnen erfolgt ist.

Meine Damen und Herren! Bei gefährlichen Abfällen ist der Bund zuständig, und nur hier kann man meiner Meinung nach konkrete Zahlen zum Vergleich hernehmen. Aber bei den Abfällen aus den Haushalten zum Beispiel müssen wir davon ausgehen, daß das ländermäßig unterschiedlich ist. Wenn man – und das ist für mich als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Salzburger Abfallbeseitigung hochinteressant – die Verwertung und die Behandlung der 2,78 Millionen Tonnen Abfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen zugrunde legt und sich ansieht, wie diese endgültig verwertet werden, so geht aus diesem Bericht klar hervor, daß 31,7 Prozent in Anlagen zur stofflichen Verwertung von getrennt gesammelten Altstoffen verwendet werden, 13 Prozent in Anlagen zur Verwertung von getrennt erfaßten biogenen Abfällen, 0,8 Prozent in Anlagen zur Behandlung von Problemstoffen, 7 Prozent in Anlagen zur mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Restmüll, 15,5 Prozent in Anlagen zur thermischen Behandlung von Restmüll, aber 32 Prozent sind es – und das, meine Damen und Herren, muß uns bedenklich stimmen –, die direkt und unbehandelt auf Deponien endgelagert werden.

In 65 Verwertungs- und Behandlungsanlagen mit einer Kapazität von 1,8 Millionen Jahrestonnen werden Abfallstoffe einer thermischen Verwertung zugeführt. Tatsächlich relevant in dieser Angelegenheit sind allerdings nur zwei Anlagen in Wien und eine Anlage in Wels. Wenn man davon ausgeht, daß die restlichen 62 Anlagen hauptsächlich in Industriebetrieben zu finden und kleinere Verbrennungsanlagen sind, so ist die Müllverbrennung in Österreich in erster Linie auf diese drei Anlagen beschränkt.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Vorsitzender eines immerhin großen Entsorgungsunternehmens, der Salzburger Abfallbeseitigung, einige kritische Anmerkungen mache. Der AWP 1998 ist zweifellos eine überaus wichtiges Instrument, um die Abfallwirtschaft in Österreich überschaubar zu machen und darauf entsprechend einwirken zu können. Der Abfallwirtschaftsplan 1998 ist jedoch im wesentlichen mit zwei Handicaps


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belastet: Dies sind erstens die von mir bereits aufgegriffene Rechtszersplitterung und zweitens manche überholte und leider nicht immer vergleichbare Daten.

Zur Rechtszersplitterung: Verstärkt zeigt sich die Problematik durch die Aufteilung der Kompetenzen in der Abfallwirtschaft auf Bund und Länder. Der Bund selbst ist nur für gefährliche Abfälle zuständig – einen kleinen Bruchteil der Gesamtabfälle –, darüber hinaus hat er lediglich die Kompetenz für eine Bedarfsgesetzgebung, soweit der Bedarf für eine einheitliche Regelung in Österreich gegeben ist. Außerdem ist aber die Materie der Abfallwirtschaft auch anderen Gesetzesbereichen wie dem Wasserrecht oder dem Gewerberecht zugeordnet. Diese Situation erweist sich als sehr nachteilig für klare Verantwortlichkeiten, Konzepte und Strategien, und immer wieder zeigt sich, daß zwischen dem Bund und den Ländern Schuldzuweisungen erfolgen.

Auch was die Zuständigkeit selbst angeht, ergeben sich verstärkt Fragen, zum Beispiel: Ist etwas ein gefährlicher oder ein nicht gefährlicher Abfall?, womit sich entsprechende Kompetenzverschiebungen ergeben.

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß ursprünglich, bis zirka 1982, ausschließlich die Länder für die Abfallwirtschaft zuständig waren. Nunmehr ist die Tendenz einer Verbundlichung verstärkt feststellbar. Diese Tendenz erschwert für die in der Vollziehung Stehenden die Arbeit ganz erheblich und erweist sich als nachteilig für eine effiziente ökologische Abfallwirtschaft. Wir wären hier aufgefordert, klare Zuständigkeiten zu treffen.

Die geschilderte Gegebenheit wirkt sich auch zwangsläufig nachteilig auf die Ergebnisse des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes aus, da der Bund im überwiegenden Bereich der Abfallwirtschaft auf Daten der Länder angewiesen ist, die wiederum aufgrund der unterschiedlichen Gesetzeslagen in den Ländern wenig stimmig sind.

Zweitens: Die im Abfallwirtschaftsplan ausgeführten Daten halten der Dynamik in der Abfallwirtschaft nicht stand. Die Daten aus dem Jahr 1996 im AWP 1998 sind daher Anfang des Jahres 1999 nur noch sehr wenig aussagekräftig. Wenn nun im AWP 1998 noch gemeint wird, daß erhebliche Kapazitäten in der thermischen Behandlung fehlen würden, so stellt sich diese Situation Anfang 1999 aufgrund der in der Zwischenzeit erfolgten Entwicklung schon wesentlich anders dar. Ähnliches ist auch bei den chemisch-physikalischen Behandlungsanlagen feststellbar, da haben sich in den vergangenen Jahren wesentliche Überkapazitäten entwickelt.

Nach meiner Meinung ergibt sich aus den Darlegungen ein Handlungsbedarf nicht nur für die Gesetzgeber, sondern auch für die Vollziehung. Dennoch glaube ich, daß es unbedingt notwendig ist, daß in der Abfallwirtschaft so weitergefahren wird, wie das bis jetzt der Fall gewesen ist, wobei ich meinen würde, daß eine Kompetenzbereinigung für die Abfallentsorger wesentlich besser wäre.

In diesem Sinne dennoch nochmals aufrichtigen Dank für diesen aufschlußreichen Bericht. Meine Fraktion wird ihn gerne zustimmend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

15.24

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich spreche amalgamfrei, um humorvoll auf ein Thema meines Vorredners hinzuweisen, zum Ozonbericht 1997.

Es ist dieser Bericht natürlich schon ein Jahr alt, aber er wurde rechtzeitig vorgelegt, hat also irgendwo anders so lange gebraucht, um zur Behandlung hier vorzudringen. Ich glaube aber, das ist bei diesem Bericht nicht so tragisch, weil diese schwierige Problematik sowieso der Langzeitlösungen bedarf.


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Ich erinnere mich an frühere Zeiten, als manche Bäder mit ozonreicher Luft geworben haben. Diese Attraktion ist heute unnotwendig, weil die O3-Konzentration durch Schadstoffemissionen ohnehin zugenommen hat, und dieses zu hohe Ozonkonzentrat schadet unserer Gesundheit.

Es wäre sicher auch wert, über das vergrößerte Ozonloch über der Antarktis zu diskutieren, weil nach Abbau des in großer Höhe schützenden stratosphärischen Ozons die UVB-Strahlung verstärkt den Menschen gesundheitlich schadet. Das ist aber nicht Aufgabe dieses Berichtes. Eine Vision, die natürlich nicht durchführbar ist, wäre, daß es uns gelänge, das Ozon, das wir herunten zuviel haben, dorthin zu transportieren, wo wir zuwenig davon haben. Ich weiß, daß das nicht funktionieren kann. Es bestätigt aber die Tatsache, daß wir weit über die Grenzen hinaus denken müssen.

Beim bodennahen Ozon ist es vielleicht noch möglich, in einer städtischen Konzentration festzustellen, daß dort mehr entsteht. Das hängt von der Temperatur und der Jahreszeit ab. Aber wir können die Grenzen nicht nach oben bis in den Himmel verlängern und nicht sagen, über Wien ist das Ozonloch nicht, sondern über der Antarktis. Auch wir tragen dazu bei, daß dort dieses Ozonloch entsteht.

Was ich damit sagen will, ist, daß wir alle uns auf allen Ebenen bemühen müssen, die Schadstoffentwicklung zu vermindern und so zur Klimaverbesserung, gerade auf die Ozonfrage bezogen, beizutragen. Das kann jeder einzelne tun, der statt mit dem Auto mit dem Rad fährt, wenn es Gesundheit, Wetter und so weiter erlauben. Das können Betriebe tun, die Gemeinden, Bundesländer, Staaten und die internationale Gemeinschaft.

Es hat mir gerade heute ein Kollege aus dem Bundesrat das Klimaschutzprogramm der Stadt Wien gegeben. Es ist sehr interessant, welche Maßnahmen die Stadt Wien als Einheit dafür vorsieht.

Der Bericht 1997 ist gut. Er enthält die wichtigsten Dinge, die man wissen muß, auch wenn man das als Laie liest, die Begriffsbestimmungen und die Maßeinheiten sowie die Erklärung der schädigenden Wirkung des bodennahen Ozons, der Entstehung von Ozon, der Verteilung von Ozon in räumlicher und zeitlicher Dimension und der Konsequenzen, die aus der Ozonbelastung entstehen.

Es ist richtig, daß wir die Ziele, die in gewissen Prozentsätzen vorgegeben werden, nicht vollständig erreicht haben. Ich meine aber doch, sagen zu dürfen, daß es jährlich Fortschritte gibt, daß es immer besser wird. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß das Ozongesetz aus dem Jahre 1992 schon vor den Richtlinien der EU, deren Mitglied Österreich damals noch nicht war, beschlossen worden ist und Verordnungen zur Verbesserung enthält, betreffend die Luftgüteberichte, daß man vergleichen kann, die Festlegung der Ozonüberwachungsgebiete, die Meßnetze, das Verhalten im Ozonalarmfall und zum Beispiel die Kennzeichnung schadstoffärmerer Kraftfahrzeuge durch ein weißes Pickerl – weiß war es damals, glaube ich. Und es gibt das Immissionsschutzgesetz, ab dem 1. April 1998 in Kraft. Die Werte, die durch diese Gesetze erreicht werden sollen, sind im Bericht auf den Seiten 11 bis 16 dargestellt. Man ist sich also grundsätzlich bewußt, wie den entstehenden Gefahren begegnet werden kann.

Ich habe schon gesagt, daß dies keine nationale Angelegenheit sein kann, obwohl es keine Ausrede sein darf, auf Verbesserungen durch andere zu warten. Man kann also schon Vorreiter sein. Allerdings wird dies nur in jenem Maßstab möglich sein, in dem die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Wettbewerbs es zulassen, denn starke Maßnahmen erfordern unter Umständen Beschränkungen, Einschränkungen, finanzielle Belastungen. Es sollte also versucht werden, möglichst im Gleichschritt international – fangen wir auf europäischer Ebene an – diese Maßnahmen zu verbessern.

Ich habe schon gesagt, daß auch die EU zwei Richtlinien erließ, 1992 und 1996, mit ähnlichen Inhalten wie die österreichischen Gesetze. Es geht um die Festlegung von Luftqualitätszielen, die Beurteilung der Luftqualität, einheitliche Meßmethoden – das ist natürlich international notwendig – und die Einführung von Alarmschwellen.


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Ich will damit betonen und am Beispiel der Ozonbelastung zeigen, daß die Zusammenarbeit wichtig wird. Im Ozonbericht sind beispielhaft Maßnahmen aus Deutschland, der Schweiz und den USA angeführt. Wir können uns bemühen, unseren Beitrag zu leisten, und ich möchte einen Schwerpunkt herausheben, um darzulegen, wo wir das besonders tun können, aber es gibt auch viele andere Punkte. Das ist etwa die Verkehrspolitik, und es geht darum, daß wir vergleichen, was der Verkehr auf der Straße und auf der Schiene kostet, daß man zu Kostenvergleichen, zu Kostenwahrheit kommt und damit dadurch ersichtlich wird, daß bei einer Verlagerung individuellen Verkehrs oder Verkehrs auf der Straße auf die Schiene auch Umweltverbesserungen eintreten können.

Ich möchte auch beispielhaft anführen, wie uns ein solcher Bericht mit einem Schwerpunkt auf dieser Verkehrsmaßnahme auch auf Probleme der Zukunft hinweisen kann, nämlich an dem aktuellen Problem der EU-Osterweiterung, gerade in bezug auf den ökologischen Sektor. Wir wissen alle, daß es dann eine sehr starke Zunahme des Straßenverkehrs geben wird. Ich habe jetzt irgendwo gelesen – und die Zahl ist so ungeheuer groß, daß sich das sowieso niemand vorstellen kann, auch wenn sie nicht ganz stimmen sollte –, daß die ehemals kommunistischen mittel- und osteuropäischen Staaten bei der vollen Integration etwa 410 Milliarden Tonnen-Kilometer Verkehrsleistungen im Güterverkehr erbringen werden – also eine enorme Summe, auch wenn diese Zahl so nicht stimmen würde.

Der überwiegende Teil wird von LKWs abgewickelt, während die Transporte auf der Bahn in diesen Gebieten von 48 auf 16 Prozent abfallen werden. Der PKW-Verkehr dürfte sich mindestens verdoppeln, während der Personenverkehr bei Bus und Bahn prozentuell zurückgehen wird. Schon derzeit benützen 90 Prozent der Besucher aus dem Osten den PKW, 9 Prozent den Bus und 1 Prozent die Bahn, und selbst auf guten Verbindungen, ich nehme an Wien –Budapest, beträgt der Marktanteil der Bahn nur etwa 5 Prozent.

Nun will ich den dort lebenden Menschen durchaus nicht unseren Lebensstandard vorenthalten, indem ich sage: Ihr dürft nicht mit dem Auto fahren!, sondern ich hoffe, daß sich dieser Standard unserem Niveau so rasch wie möglich annähert, um das zu Unterschieden führende Gefälle zu beseitigen. Aber ich will auch darauf hinweisen, daß wir bei uns beginnen müssen, die Zukunft gemeinsam in den Griff zu bekommen, fußend auf der Zielvorstellung der bisherigen Gesetze und Richtlinien und des vorliegenden Berichts. Die Ozonbelastung darf nicht ansteigen, darf nicht gleichbleiben, sondern muß vermindert werden.

Weitere Bereiche sind natürlich die Fernwärmeverbesserung, Kraft-Wärme-Kopplung, Förderung von Alternativenergien wie Biomasse, biogene Treibstoffe, solare Anlagen, Windenergie, Wärmepumpen, geothermische Energie und andere ökonomische Instrumente.

In all den von mir hier nur stichwortartig angeführten Bereichen wurden in den letzten Jahren ständig Verbesserungen erreicht. Dies läßt sich anhand von Zahlen beweisen. Es erhebt sich die Frage, wie wir die Entwicklungen zufriedenstellend und im möglichen Gleichklang über nationale Grenzen hinweg zur Verminderung von Schäden an Mensch und Natur fortsetzen können, wobei ein Stillstand negativ wäre, andererseits radikale einseitige Maßnahmen in ihrer Durchsetzbarkeit auf Schwierigkeiten stoßen.

Der Bericht hat auf Seite 80 die Emissionsszenarien 2006 in Verbindung mit dem Toronto-Ziel, das zum Beispiel bis 2005 eine Verringerung der anthropogenen C02-Emissionen um 20 Prozent vorsieht, aufgenommen. Der Ozonbericht 1997 bringt eine Darstellung einer in Österreich durchaus positiven Entwicklung – mit der wir aber nicht zufrieden sein sollen, das möchte ich dazusagen, weil es schneller gehen könnte und sollte –, und er bringt auch die Vorschau auf Maßnahmenpläne für zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten. Die SPÖ-Fraktion wird daher diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.


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649. Sitzung / Seite 90

15.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Grüß Gott! Ich werde mich auf den Ozonbericht beschränken. Ozon ist heutzutage so etwas wie eine moderne Form des Gottseibeiuns. Das war nicht immer so. Ozon wurde bis vor nicht allzu langer Zeit auch in der Medizin verwendet, und zwar keimtötend und desinfizierend; zum Teil wird es auch jetzt noch verwendet. Es wirkt interessanterweise auch heilend, aber es entspricht nicht dem heutigen – wie sagt man? – "mainstream", wenn man diese wohltuende Wirkung des Ozons auch wohltuend nennt.

Bei höherer Dosierung jedoch, das wissen wir, das wissen die Mediziner, kann Ozon eine Schädigung der Atmungsorgane herbeiführen, und das ist einer der Gründe dafür, daß wir Ozon in weiten Bereichen kritisch betrachten. Ich glaube, es war der gute, alte Paracelsus, der gesagt hat: Die Menge macht das Gift. Das ist ja nicht nur beim Ozon der Fall. Nur von Wasser allein wird man vielleicht nicht vergiftet. (Der Redner nimmt einen Schluck aus dem Wasserglas.)

Ozon ist labormäßig herstellbar, aber es kann auch auf natürliche Weise entstehen, und zwar in Bodennähe und in der Stratosphäre, jeweils in relativ geringer Konzentration. Die Grundsubstanz dafür ist Luftsauerstoff; knapp 21 Prozent sind in der Luft Sauerstoff. Voraussetzung für die Entstehung in Bodennähe ist das Auftreten von erhöhter Sonneneinstrahlung und das Vorhandensein anderer Gase, sogenannter Spurengase, die dabei eine Art Katalysatorwirkung haben. Diese Rolle, die Katalysatorwirkung, ist bis jetzt nicht ganz einwandfrei oder eindeutig geklärt.

Die Spurengase können entweder aufgrund natürlicher Umstände – geographische Lage, Wetter, Vegetation, aber auch Vulkanausbrüche tragen besonders dazu bei – oder durch menschliche Aktivitäten entstehen. Dazu nenne ich den Tierbestand – denn die Großtierherden sind menschlich verursacht und kommen in der Natur in dieser Form nicht vor –, Abgase im Verkehr, in der Industrie und in Haushalten.

Ozon hat je nach Einfall des Lichtes durch die Sonnenstrahlen – man unterscheidet dann UVA bis UVC – verschiedene Wirkungen. Durch die Wechselwirkungen in der Ozonschicht ergibt sich ein dynamisches Gleichgewicht. Dieses hat eine gewisse Schwankungsbreite, für die es zahlreiche und in der Kombination verschieden wirkende Ursachen gibt. Die Ozonschicht wirkt wie ein Filter, wie ein Schutzschild gegen harte Strahlen, von denen aber immer eine kleine Dosis bis zur Erde durchdringt und als Hauptursache für die im Zuge der Evolution auftretenden Mutationen angesehen wird oder – wie von manchen eingeschränkt wird – angesehen werden kann. Auch das ist nicht immer so eindeutig.

Zu den klimatologischen Aspekten des Ozons. – Es gibt heute keine gesicherte Theorie und keine Modelle, die langfristige Prognosen erlauben. Aber sicherlich sind die Konferenzen, an denen der Herr Bundesminister und sein Team teilnehmen, mit daran beteiligt, langfristige Überlegungen anzustellen und vielleicht dann auch Prognosen mit größerer Sicherheit, als es bislang der Fall ist, zu ermöglichen. Fest steht lediglich, daß sich im Laufe der Erdgeschichte die Zusammensetzung der Atmosphären mehrmals wesentlich geändert hat.

Die Erdoberfläche und die Atmosphäre unterliegen verschiedenen Einflüssen; das sind die periodischen Bewegungen der Erde. Es handelt sich dabei um die Rotation um die eigene Achse, zweitens um die Umdrehung um die Sonne in bezug auf die Jahreszeiten, drittens um die Exzentrizität der Erdbahn, viertens um das Weiterwandern des sonnenfernsten Punktes, des Perihels, um die Erdbahn und fünftens um die sich kreiselartig zwischen dem 22. und 25. Grad verändernde Neigung der Erdachse.

Weiters sind zu nennen die tektonische und vulkanische Aktivität der Erde sowie der Umstand, daß die Erde keine Kugel, sondern eben ein Geoid ist. Land- und Wassermassen sind höchst ungleichmäßig verteilt, und die Phänomene an den Polen sind keineswegs spiegelgleich.

Vegetation und Tierbestand sowie menschliche Aktivitäten können zwar dramatische Folgen für das lokale Klima haben, aber für das globale Klima sind die menschlichen Aktivitäten, so meinen ich und viele Fachleute, von untergeordneter Bedeutung.


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Unterhalb der Troposphäre werden Gase, aber auch feste Partikel durch Verdunstung, Niederschlag, Wind, Meeresströmung, Vulkanausbrüche und Flächenbrände – die beiden letzteren Faktoren sind sicherlich sehr bedeutend – ständig und über weite Distanzen verfrachtet. Der Austausch zwischen Troposphäre und Stratosphäre hingegen ist, bezogen auf die in der Atmosphäre insgesamt enthaltene Materie, minimal.

Welche Spurengase an der Entstehung des Sommerozons beteiligt sind und in welchem Ausmaß, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Das Problem besteht darin, daß es nur für Europa und Nordamerika einigermaßen verläßliche Meßdaten gibt und daß es daher überaus schwierig ist, natürliche von möglichen technischen Ursachen zu unterscheiden. Manchen wäre es sehr recht, wenn man klar unterscheiden könnte: dies war die natürliche und jenes die technische Ursache.

Fest steht allerdings, daß die erhöhten Ozonwerte jeweils nur sehr kurzfristig auftreten und daß wegen des raschen Zerfalls von Ozon auch keine größeren Konzentrationen erreicht werden können. Eine allgemeine Gefährdung ist daher auszuschließen, wenngleich bei kranken Personen Irritationen auftreten können, wobei nicht auszuschließen ist, daß gerade der psychologische Effekt der Warnung eine Art psychische Wirkung auf kranke Personen haben kann – das ist eigentlich die moderne Form einer Zivilisationskrankheit mit sehr fatalen Folgen –, was allerdings nicht heißt, daß man nicht warnen soll. Aber die Warnung schließt eben nicht aus, daß man schon allein dadurch Krankheitseffekte bewirkt.

Anzumerken ist weiters, daß verschiedene Gruppierungen ein Interesse an der Ozondiskussion haben. So mag es zum Beispiel sein, daß die Platin-Gruppierung ein Interesse wegen der Katalysatorenherstellung hat, oder es mag sein, daß manchmal auch die Ölgruppierungen ein Interesse daran haben, weil durch Einsatz des Katalysators ein höherer Treibstoffverbrauch erreicht wird.

Die Erdatmosphäre ist eine Art Isolierschicht, und die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter sind insgesamt verhältnismäßig gering. Auf die Jahreszeit bezogen halten sich die von der Sonne eingestrahlten und von der Erde wieder abgestrahlten Energiemengen annähernd die Waage.

Das als Treibhauseffekt propagierte Gespenst – manche sagen: Schreckgespenst – beruht auf der Annahme, daß bestimmte Gase in der Troposphäre wie ein Ventil wirken können. Es heißt, sie lassen zwar die kurzwelligen Sonnenstrahlen zur Erdoberfläche durch, wo sie direkt oder indirekt zu Wärme werden, verhindern aber, daß die viel langwelligeren Wärmestrahlungen wieder zurück in den Weltraum durchkommen. Die Folge wäre eine weltweite Erwärmung, was mancherorts zu Nachteilen, andernorts wahrscheinlich auch zu Vorteilen führen könnte.

Man muß sich vor Augen halten, daß die Erdatmosphäre fast ausschließlich aus Stickstoff, Sauerstoff und dem Edelgas Argon besteht. Die Anteile der Spurengase bewegen sich im Bereich zwischen einem Zehntel und einem Tausendstel Promille. Als eines der angeblichen Treibhausgase, die von manchen Leuten komischerweise mit den Treibgasen verwechselt werden, wird auch das Ozon genannt, das zu diesem Zweck durch Verwirbelung von der Bodennähe in die Troposphäre gelangen müßte – etwas, was total unmöglich ist, zumindest in unseren Breiten; aber dort, wo es Hurrikans gibt, ist es denkbar.

Anzumerken ist noch, daß sich der Kampf um die Reduktion des Treibhausgases derzeit ganz auf das CO2 konzentriert. In den Protokollen von Kyoto wurden die höchsten Reduktionsraten ausgerechnet Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz aufgezwungen, obwohl die Ausstoßmenge pro Kopf der Bevölkerung in Deutschland nur die Hälfte und in Österreich ein Drittel der Ausstoßmenge in den USA ausmacht und obwohl die volkreichsten Staaten China und Indien gänzlich ausgenommen sind. Frankreich ist interessanterweise nur wenig betroffen, weil es einen hohen Anteil an Kernenergie aufweist.

Das Ozonloch variiert in seiner Dicke und ist besonders am Südpol ausgeprägt. Es hat sich aber immer wieder von selbst geschlossen. Entdeckt wurde es 1956/1957, aber zu einer Bewegung, zu einer Ozonlochbewegung kam es erst in den achtziger Jahren. Möglicherweise waren die


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FCKW-Hersteller daran beteiligt, weil sie ein Interesse daran hatten, ihre Firmenstrategien auf ein Verbot der FCKW auszurichten. Es wurde gewissermaßen weltweit verkündet, daß das in den FCKW enthaltene Chlor die Ozonschicht fresse, wodurch dann zuviel UV-Licht auf die Erde gelange und daß dadurch wiederum das Hautkrebsrisiko ansteige.

Eines der wichtigsten Argumente, die gegen diese Behauptungen sprechen, lautet: Das von Vulkanen in die Troposphäre und bei großen Ausbrüchen sogar direkt in die Stratosphäre abgegebene Chlor beträgt ein Vielfaches dessen, was in sämtlichen erzeugten FCKW enthalten ist. Die FCKW werden vor allem in der nördlichen Hemisphäre verwendet, weshalb unverständlich ist, wieso sich diese ausgerechnet in der Stratosphäre über dem Südpol befinden und zum Ozonloch führen sollen.

Zur Zeit der Entdeckung des Ozonlochs 1956/1957 gab es weltweit noch keine nennenswerte FCKW-Produktion. Die FCKW sind chemisch überaus träge, können also nur durch Energiezufuhr das in ihnen enthaltene Chlor freisetzen. Wer führt diese Energie zu? – Die FCKW sind vier- bis achtmal schwerer als Luft, können also, falls freigesetzt, nur in geringem Maß durch Verwirbelung in die Troposphäre und in noch weitaus geringerem Maß in die Stratosphäre gelangen.

Das in den Weinkellern so gefährliche CO2 ist nur doppelt so schwer wie Luft, aber es sinkt im Keller ab. Das Hautkrebsrisiko ist bei dunkel pigmentierten Menschen – es gibt ja seit geraumer Zeit keine Rassen mehr – so gering, daß es statistisch gar nicht erfaßt werden kann, ungeachtet der Tatsache, daß die UV-Einstrahlung im Äquatorbereich um das 50fache höher ist als an den Polen. Bei hellhäutigen Sonnenanbetern gibt es allerdings tatsächlich ein höheres Krebsrisiko.

Ich glaube, was Kollege Meier vorhin gesagt hat, sollte beachtet werden, nämlich daß bei all diesen Diskussionen auf Kostenwahrheit und Kostenstruktur Rücksicht genommen werden muß. Die Umwelt ist ein wesentlicher Punkt, um die Zukunft des Menschengeschlechtes zu sichern, und sie soll auch ohne Menschengeschlecht eine lebenswerte Umwelt sein. Vorsicht ist jedoch bei allen Dingen geboten, die wir in der Technik übernehmen und aufnehmen. Es ist daher immer der Auftrag zum Zweifel gegeben, sowohl bei technischen Errungenschaften als auch gegenüber dem Nutzen und dem Schaden des Ozons.

Da dieser Bericht für uns noch nicht stichhaltig genug ist, weil die Kostenaufstellungen nicht vorhanden sind, weil die langfristigen Umweltauswirkungen nicht erkennbar sind und weil wir gewissermaßen Zweifel an der Zukunftsorientiertheit dieser Vorgangsweise haben, lehnen wir diesen Bericht ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.49

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Herr Bundesrat Gudenus hat hier gerade einiges an naturwissenschaftlichem Diskurs präsentiert. Wiewohl ich in meiner früheren Vergangenheit der Chemie anheimgefallen bin und auch ein Studium darüber absolviert habe, möchte ich trotz allem die Diskussion von meiner Seite aus auf der politischen Ebene halten.

Gestatten Sie mir nur eine Anmerkung: Aus meiner Erfahrung als Chemiker, aber auch als Weinkonsument und daher Weinkellerbesucher wird die Gefahr im Weinkeller nicht von dem nach unten sinkenden Kohlendioxid verursacht, sondern das Kohlenmonoxid ist das Problem.

Gestatten Sie mir weiters die Anmerkung, daß ich mich hinsichtlich der Thematik Ozonloch, Ozonlochbildung, Gefährdung durch die Ausdehnung der Ozonschicht über den Polkappen, aber mittlerweile auch zum Beispiel über Mitteleuropa, mittlerweile auch über Österreich, tendentiell eher den Nobelpreisträgern für Atmosphärenchemie Rowland, Molina und Crutzen nähe


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re und mich eher an deren Aussagen orientiere, als an den Ausführungen, die Sie hier im Bundesrat präsentiert haben, sehr geehrter Herr Bundesrat Gudenus.

Es ist richtig, daß Paracelsus, der mit seinem bürgerlichen Namen Theophrastus Bombastus von Hohenheim hieß (demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ) und unter anderem in Salzburg lehrte, die Frage des Giftes relativiert hat. Genaugenommen hat er gesagt: Alles ist Gift, nur die Dosis macht es, daß es kein Gift ist. Und weil Sie, Herr Bundesrat Gudenus, das Wasser als einzige Ausnahme angeführt haben, möchte ich Ihnen sagen: Gerade eine alte griechische Hinrichtungsmethode zeigt uns, daß auch Wasser Gift sein kann. Sie haben gesagt, Wasser sei niemals Gift. Aber auch Wasser kann Gift sein, wenn es in entsprechenden Dosen verabreicht wird. Ich glaube, nur höhergestellten Persönlichkeiten wurde das damals zur Hinrichtung empfohlen und gegeben. Auch in China war das übrigens eine beliebte Hinrichtungsmethode. (Bundesrat Dr. Tremmel: Der stete Tropfen!) Durch entsprechende Entsalzung des Körpers ist nach einigen Litern verabreichten Wassers der Tod eingetreten. – Sie sehen also, auch reines Wasser kann ein tödliches Gift sein, wenn die Dosis entsprechend hoch ist.

Das Ozon ist ein wichtiges Thema geworden. Es ist in der seriösen wissenschaftlichen, aber auch in der politischen Diskussion völlig unumstritten, daß man über entsprechende Grenzwerte zu diskutieren hat. Sie sind auf Basis der Weltgesundheitsorganisation eingeführt worden und bilden auch die Basis unseres Ozongesetzes.

Ich verstehe die Kritik, die hinsichtlich der Nichterreichung der im Ozongesetz vorgesehenen Zwischenziele geäußert wird. Es führt kein Weg daran vorbei, zu konzedieren: Diese Ziele haben wir per Ende 1996 nicht erreicht. Minus 20 Prozent bei den Stickoxiden und minus 26 Prozent bei den flüchtigen Kohlenwasserstoffen sind deutlich weniger als die angestrebten minus 40 Prozent. Allerdings füge ich hinzu, daß ich ein Gesetz, das mir vom Nationalrat, vom Gesetzgeber auferlegt ist, natürlich auch nur unter der Bedingung ausführen und umsetzen kann, daß mir – mir und anderen Ministern – vom Gesetzgeber dann auch die entsprechenden Werkzeuge in die Hand gegeben werden. Das ist nicht immer und nicht überall in ausreichendem Maße der Fall gewesen.

Bagatellisieren sollte man dieses Thema sicherlich nicht, auch wenn hinsichtlich der Gefährdung der Atmungsorgane im letzten Jahr eine Studie aus München publiziert wurde, die jedenfalls das Gesundheitsrisiko ein wenig zurückstuft. Trotzdem: Bagatellisieren sollte man es nicht, wenn auch bedauerlich ist, daß in Österreich die Ausrufung der Ozonvorwarnstufe  – mehr ist das nicht, und das passiert nur irgendwo zwischen null und fünf oder sechs Mal pro Jahr – immer wieder mit einem Ozonalarm gleichgesetzt wird. Ich möchte betonen: Zwischen der Vorwarnstufe und einem Alarm sind nicht nur sprachlich Unterschiede zu sehen!

Hoher Bundesrat! Es ist so, daß mir die Zahlen für 1997 bereits vorliegen. Daraus ergibt sich eine weitere Verbesserung. Die Stickoxide sind laut diesen Unterlagen um 22 Prozent, die flüchtigen Kohlenwasserstoffe um 34 Prozent zurückgegangen. Aber auch das ist, wie gesagt, eine deutlich langsamere Zielerreichung, als im Ozongesetz vorgesehen.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß weitere Maßnahmen gerade auf EU-Ebene unterwegs sind. Wir wissen, daß im Ozonbereich – so wie in vielen anderen Bereichen der Umweltpolitik – der Verkehr der Hauptübelträger, möchte ich fast sagen, oder das Hauptübel ist.

Wir haben gerade unter österreichischer Präsidentschaft im Umweltrat am 20./21. Dezember auf diesem Gebiet einen echten Durchbruch erzielt, und zwar bei der zukünftigen Absenkung der Stickoxide, einer der klassischen Ozonvorläufersubstanzen oder dem klassischen Schadstoff, der auf Dieselabgase, auf LKW abstellt oder von dort herrührt. Gegenüber dem derzeitigen Niveau werden wir bis zum Jahr 2008 eine Stickoxidreduktion um nicht weniger als 70 Prozent erzielen!

Es war dem Umweltministerrat möglich, nicht nur verbindliche Grenzwerte entgegen den Vorstellungen der Kommission bis zum Jahre 2005 vorzugeben, sondern für Stickoxide einen weiteren Grenzwert bis 2008 einzusetzen, also über die Euro-4-Stufe hinaus, sodaß, wie gesagt, eine 70prozentige Reduktion der Stickoxide bei den schweren Nutzfahrzeugen bis zum Jahr


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2008 zu gewärtigen ist. Das ist im positiven Sinne dramatisch, das ist sicherlich ein beachtlicher Erfolg, wenn auch nur ein beachtlicher Teilerfolg, wenn man sich die Gesamtozonproblematik ansieht.

Was die Ost-LKWs und die Ostbusse anbelangt, die Frau Bundesrätin Mühlwerth kritisiert hat, so ist mit den Beitrittsverhandlungen und mit dem Beitrittsansuchen natürlich die Bedingung verknüpft, daß zum Zeitpunkt des Beitrittes die Bestimmungen in diesen Ländern EU-Niveau haben müssen.

Darüber hinaus hat eine von Verkehrsminister Einem und mir gehostete, also eine von uns präsidierte Konferenz der ECE-Verkehrsminister, also aller europäischen Verkehrsminister – bis hin zu jenem von Kasachstan und dergleichen mehr –, und der Umweltminister im Herbst 1997 zu einer Ergänzung des sogenannten "Europäischen Zusatzübereinkommens zum Wiener Übereinkommen über den internationalen Straßenverkehr" geführt, die es auch ermöglicht, abgesehen von Sicherheitsmerkmalen und Sicherheitsbedenken, den Grenzübertritt von schweren Nutzfahrzeugen, von Bussen et cetera auch dann zu verhindern, wenn sie die Umweltnormen nicht erfüllen.

Das ist nämlich genaugenommen heute nicht der Fall. Wenn ein LKW ungarische Normen erfüllt, dann können wir ihn an der Einreise nicht hindern, außer im Sicherheitsbereich. Künftig soll das auch im Umweltbereich möglich sein.

Nicht richtig, Frau Bundesrätin Mühlwerth, war Ihre Anmerkung, daß die Umstellung auf Hausbrand uns beim Ozon helfen würde. Ganz im Gegenteil: Was Hausbrand und die erneuerbaren Energieträger uns bringen, ist CO2-Neutralität, das ist Hilfe beim Klimaschutz. Aber was die sonstige Abgassituation betrifft, so ist es bei Holzheizungen gar nicht so unproblematisch, diese gleich sauber zu machen wie herkömmliche Heizungen und Kessel, die mit Gas und Öl fahren.

Allerdings ist in diesem Bereich technisch sehr viel weitergegangen, konnten die sonstigen Schadstoffe um einen Faktor von 100 und mehr reduziert werden und kann man heute sagen, daß eine moderne Holzheizung von dieser Schadstoffseite her gleichwertig mit einer modernen Gas- und Ölheizung ist. Das getraue ich mich zu sagen.

Aber was jene Heizungen betrifft, die vor einigen -zig Jahren in Österreichs Häuser gerade auf dem Land eingebaut wurden und die heute noch verwendet werden, muß man sagen: Schauen Sie sich an, wie es dort im Winter bei entsprechenden Inversionswetterlagen aussieht! Sie können das nicht nur riechen, sondern in bräunlich-grauer Form über den Häusern auch sehen.

Im übrigen gibt es eine nicht uninteressante Studie bezüglich der Atemorganfunktion von Kindern mit einem Vergleich zwischen Kindern im Wechselgebiet und Kindern in Wien-Simmering, einem klassischen Industriebezirk. Im Sommer ist es im Wechselgebiet besser, aber im Winter ist es in Wien-Simmering besser, weil auf dem Land die Belastung aus den alten Hausbrandheizungen leider Gottes eine übermäßig große ist. Das bessert sich, aber wir sind noch nicht am Ziel.

Zum Ozonloch. Es ist nicht Thema des Ozonberichtes, wurde aber mehrfach in der Diskussion erwähnt. Ich möchte nur eines sagen: Wir müssen in den nächsten Jahren mit weiteren Steigerungen in diesem Bereich rechnen; das ist richtig. Auf der anderen Seite ist der Ausstieg aus den Fluorchlorkohlenwasserstoffen und deren Nachfolgesubstanzen soweit gediehen, daß die bereits zitierten Nobelpreisträger meinen, daß ein Wiederauffüllen des Ozonloches bis zum Jahre 2050, 2070 erreicht sein könnte. – Das ist also das erste große globale Umweltthema, das die Weltstaatengemeinschaft – unter dem sogenannten Montreal-Protokoll, das im übrigen 1985 in Wien mit der ersten Vertragsstaatenkonferenz seinen Anfang nahm; 1997 kam es dann in Montreal zum Abschluß des Montreal-Protokolls – erfolgreich bewältigen wird, um das so zu formulieren.

Was das zweite Thema anlangt, nämlich den Abfallwirtschaftsplan und den Bericht dazu, so möchte ich auf die einzelnen Zahlen jetzt nicht eingehen. Ich meine, daß die Ergebnisse überwiegend positiv sind, auch wenn ich konzedieren muß, daß das Gesamtaufkommen an Haus


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649. Sitzung / Seite 95

müll, also gewissermaßen an Primärmüll, im Berichtszeitraum um einige Prozente gestiegen ist – allerdings, wie wir meinen, unter der Wirtschaftswachstumsrate, was gewissermaßen eine Entkoppelung ist: Der Mist wächst mit der Wirtschaft und mit dem Wachstum nicht völlig gleichlautend und gleichläufig mit.

Daraus geht klar hervor, daß wir Österreicher noch besser geworden sind in Sachen Abfalltrennung, in Sachen stofflicher Verwertung und in Sachen Deponierung, weil weniger auf die Deponien gelangt. Wir sind auch deutlich besser geworden in Sachen Dokumentation, was den gefährlichen Abfall anbelangt. Es gab davor eine Lücke im Ausmaß von 500 000 Tonnen, von denen man nicht genau wußte, ob es sich dabei um ein statistisches Loch handelte oder ob da gefährlicher Abfall nicht korrekte Wege ging. Das ist mit einer Reduktion auf wenig mehr als 100 000 Tonnen deutlich eingeengt worden, und für diese 100 000 Tonnen, die uns zwischen dokumentierter Menge und wahrscheinlicher Menge noch fehlen, gibt es schlüssige Überlegungen und Erklärungen, die auch im Bundes-Abfallwirtschaftsplan nachzulesen sind. Ich denke, es ist ein beruhigender Bericht, und wir sind in Sachen Abfallwirtschaft auf gutem Wege.

Herr Bundesrat Tremmel! Die Entsorgungskosten, die Sie für Graz angegeben haben, mögen richtig sein. Ich habe allerdings auf die Verträge, die zwischen den Gemeinden Graz und Frohnleiten hinsichtlich der Deponierung geschlossen werden, keinen Einfluß. Ich möchte aber hinzufügen, daß wir mit unseren Nachbarländern jetzt auch deshalb weniger Probleme in Sachen Abfallwirtschaft und allfälligen -exporten – die sich in sehr geringen Mengen abspielen – haben, weil diese Länder mittlerweile der OECD beigetreten sind. Ungarn und Tschechien sind jetzt OECD-Länder. Wir tun uns hier leichter, wir können die OECD-Kriterien anwenden.

Da Herr Bundesrat Bieringer gesagt hat, daß es hier Kritik an der Rechtszersplitterung gibt, darf ich als Vertreter des Bundes dazu anmerken, daß es, wenn man eine Bundes- und neun verschiedene Landesgesetzgebungen hat, hierzu selbstverständlich zehn unterschiedliche Gesetzesmaterien gibt. Es ist richtig, daß der Bund da eine Bedarfskompetenz hat. Diese nehmen wir absolut nur im unbedingt notwendigen Mindestausmaß in Anspruch. Sonst würden wir das, in Wertschätzung der Länder, sicherlich niemals tun.

Ich denke, daß wir durch die Überlappung von Gewerberecht und Wasserrecht in der Tat keine Idealsituation haben – und zwar bei weitem nicht –, sondern daß wir zum Beispiel gut daran tun, das Thema Altlastensanierung insofern auf eigene Beine zu stellen, als wir daraus ein eigenes Materienrecht strukturieren und damit die derzeitigen Ungereimtheiten zwischen Altlastensanierung und Wasserrecht mittelfristig aus der Welt schaffen. Aber das ist ein großes Thema, und das ist nicht von heute auf morgen zu schaffen.

Darüber hinaus werden wir bei Fragestellungen bezüglich Deponien – bestehende Deponien nach Wasserrecht und nur neue Deponien nach der Deponieverordnung abzuhandeln – auch zu dem Punkt kommen, an dem alles nach der Deponieverordnung abzuhandeln und eine gewisse Rechtsbereinigung gegeben sein wird.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! In diesem Sinn nehme ich die Kritik zur Kenntnis. Ich denke, einen Teil davon konnte ich entkräften. Ich danke Ihnen, Frau Vorsitzende, für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5. Dazu liegen mir zwar keine Wortmeldungen mehr vor, aber die Abstimmung über die beiden Anträge, die Berichte zur Kenntnis zunehmen, steht noch aus. Es ist bereits nach 16 Uhr, wir kommen daher unbedingt zum Aufruf der dringlichen Anfragen. Wie gesagt, die Abstimmung über diese beiden Tagesordnungspunkte wird nach Beendigung der Debatte über die dringlichen Anfragen stattfinden.


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Dringliche Anfragen

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen (1569/J-BR/99)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Paul Tremmel, Engelbert Weilharter, Dr. Peter Harring, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend ausländischer Zugriff auf Wasserressourcen Österreichs (1570/J-BR/99)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen an die Frau Bundesminister für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz sowie an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat DDr. Königshofer als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfragen das Wort. – Bitte.

16.05

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! H2O, das ist die chemische Formel für Wasser. Gerade das Wasser entwickelt sich in letzter Zeit wahrlich zu einem ganz besonderen Saft. Diese Eigenschaft sagt man üblicherweise dem Blut nach, aber auch das Wasser erlangt immer mehr diese besondere Eigenschaft, und zwar deshalb, weil immer weniger davon in entsprechender Qualität den Menschen zur Verfügung steht.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir haben heute schon den Umweltschutzbericht diskutiert, und Sie wissen es alle: Die Hauptgründe liegen im falschen oder schädlichen Umgang des Menschen mit der Natur. Ich erinnere nur an die Überdüngung der Böden. Diese führt in weiten Gebieten Europas – auch in Österreich – dazu, daß das Grundwasser für den menschlichen Bedarf zum Teil unbrauchbar wird. Des weiteren liegt es an schlecht angelegten Deponien; denken Sie zum Beispiel an die Fischer-Deponie in der Mitterndorfer Senke. Diese Deponien beeinträchtigen ebenfalls die Grundwasserqualität, bis hin zur Unbrauchbarkeit des Wassers für den Menschen.

Weiters sind natürliche Wasserspeicher wie Seen oder Flüsse oft derart verschmutzt, daß die Frischwassergewinnung immer aufwendiger und damit teurer wird. Denken Sie an den Bodensee, denken Sie an den Rhein: Der gesamte Bereich Stuttgart und Umgebung wird mit Bodenseewasser versorgt, aber auch einige Städte am Rhein müssen noch mit diesem Wasser versorgt werden. Dessen Reinigung wird immer aufwendiger und teurer. Deshalb gibt es vor allem in der EU ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Wiederholen Sie bitte Ihren Zwischenruf, ich antworte gerne darauf. Der Main liegt in der EU, und wir werden darüber reden. Denn es ist ein Problem zwischen Österreich und der EU, um das es hier geht.

Meine Damen und Herren! Deshalb gibt es in der EU immer mehr Überlegungen, die natürlichen Wasserressourcen, welche naturgegeben unterschiedlich verteilt sind, für alle EU-Mitglieder gleichmäßig zu erschließen und zu nutzen. Es gibt daher eine Entschließung des EU-Parlaments zur technischen Realisierbarkeit Transeuropäischer Wassernetze, und es heißt darin – ich darf zitieren –: Es fordert den Rat und die Kommission auf, die Vernetzung von benachbarten Wassereinzugsgebieten zu fördern, die in verschiedenen Staaten liegen, wenn festgestellt wird, daß die Bewirtschaftung der Ressourcen besser gemeinsam durchgeführt werden kann. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Diese gesamte Entschließung läuft – das zeigt sich, wenn man sie sich durchliest – auf eine planmäßige europäische Wasserbewirtschaftung hinaus, die selbstver


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ständlich auch Umverteilungen von Wassermengen mit einschließt. Wir Freiheitliche haben grundsätzlich nichts dagegen, wenn wir Österreicher unser "weißes Gold" – wie das Wasser sicherlich auch in Zukunft genannt werden wird – in vernünftigen Mengen und auf eine vernünftige Weise wirtschaftlich nutzen, sprich: es auch zum Verkauf anbieten. Aber wesentlich dabei ist, daß die Verfügungsgewalt – und genau darauf kommt es an – über diese Nutzung hier in Österreich und speziell bei den einzelnen Bundesländern bleibt. Die Verfügungsgewalt bedeutet, die Eigentümerrechte in bezug auf die Quellen und die Quellgrundstücke wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren! Hier sehen wir eine ganz gefährliche Entwicklung aufziehen. Ohne das Wasserrechtsgesetz zu tangieren, worin im § 305 Abs. 1 lit. k eine Ableitung des Wassers ins Ausland zum Nachteil des Inlandes ausdrücklich untersagt ist, wird still und heimlich über ausländische Beteiligungen an österreichischen Wasserwerken verhandelt. Herr Minister Molterer! Sie schütteln den Kopf. Aber das hat zum Beispiel ein Parteikollege von Ihnen, der Grazer Finanzstadtrat Siegfried Nagl, kürzlich bestätigt. Er erklärte ... (Bundesminister Mag. Molterer: Das hat mit der Wasserableitung nichts zu tun!) Das weiß ich schon, Herr Minister, aber es hat mit der Beteiligung zu tun. Das Wasserwerk nützt das Wasser, und wenn dort eine fremde Gesellschaft einsteigt, kann sie hinsichtlich der Nutzung mitreden.

Dieser Stadtrat hat erklärt, daß mit dem französischen Wasserkonzern SLDE seit Monaten über eine Beteiligung an den Grazer Wasserwerken verhandelt wird. Genauso verhandeln die Bundesforste über Pachtverträge bezüglich Quellnutzungen mit ausländischen Konzernen. Meine Damen und Herren! Das bedeutet eine Umgehung der wasserwirtschaftlichen Planungsorgane in den Ländern. Das bedeutet außerdem eine Umgehung der zuständigen Ministerien und letztendlich auch eine Umgehung des geltenden Wasserrechtsgesetzes. Das funktioniert ganz einfach: Die ausländischen Gesellschaften kaufen sich gesellschaftsrechtlich durch Beteiligungen bei österreichischen Gesellschaften ein, oder sie pachten oder kaufen Rechte und Bewilligungen und üben damit Einfluß auf die Verfügungsgewalt aus.

Das alles geschieht zu dem Zweck, das österreichische Wasser kommerziell zu verwerten. Am besten kann man es verwerten, indem man es in Gebiete ableitet, in denen das Wasser knapp ist, weil dort naturgemäß der beste Preis zu erzielen ist. Das bedeutet Umverteilung der Wasserressourcen in Europa mit dem kommerziellen Hintergrund für die ausländischen Konzerne.

Meine Damen und Herren! Bei jedem anderen Gut ist eine derartige Handlungsweise vertretbar. Wasser ist jedoch, wie eingangs schon erwähnt, ein ganz besonderer Saft, weshalb wir Freiheitliche die oben aufgezeigten Entwicklungen mit großer Sorge beobachten und die gestellten Fragen von Ihnen daher dringlich beantwortet haben möchten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich zunächst die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

16.11

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Bundesräte! Lassen Sie mich vorweg feststellen, daß es selbstverständlich und gerade für mich als Konsumentenschutzministerin besonders wichtig ist, daß wir dem Wasser einen ganz besonderen Stellenwert einräumen, in Österreich und darüber hinaus auf der ganzen Welt, weil wir wissen, wie wichtig Wasser für die Menschen und für das Leben ganz allgemein ist.

Zu den Fragen selbst möchte ich Ihnen folgende Beantwortung geben.

Zu den Fragen 1 bis 3 stelle ich fest, daß diese Fragen nicht meinen Zuständigkeitsbereich berühren.

Die Stadt Wien hat mich aber dennoch darüber informiert, daß sie Inhaberin und Nutzerin sämtlicher Wasserrechte der Wiener Wasserwerke ist. Ein Zugriff ausländischer Unternehmen auf


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diese Rechte ist somit nicht möglich. Die Stadt Wien hat mich weiters darüber informiert, daß die Befürchtung des Zugriffs ausländischer Unternehmen auf diese Rechte auch deshalb jeder Grundlage entbehrt, weil es sogar für die Stadt Wien selbst sehr schwer wäre, zusätzliche Nutzungsrechte in diesem Gebiet zu bekommen, und die jetzige Aufbringung von Wasser ausschließlich für die Versorgung der Bundeshauptstadt mit einwandfreiem Trinkwasser benötigt wird. Darüber hinaus ist gemäß den Bestimmungen des Wasserrechtes jede Änderung des Benutzungszweckes bewilligungspflichtig. In diesem Zusammenhang machen die Bestimmungen des Wasserrechtes in der geltenden Form – so auch die Stadt Wien – eine ausländische Nutzung von heimischen Wasserquellen nahezu unmöglich.

Zu den Fragen 1 bis 3 möchte ich weiters gerne bekanntgeben, daß ich auch mit der Stadt Graz Kontakt aufgenommen habe. Vorab hatte ich keine Informationen über die Sachlage. Die Grazer SPÖ-Gemeinderatsfraktion ist erstens vehement gegen eine Beteiligung und einen Verkauf sowie zweitens vehement für die heimische Trinkwasserversorgung, und sie wird dazu auch einen Sondergemeinderat abhalten.

Zur Frage 4:

Die Beurteilung von Ausgliederungsvorhaben anderer Gebietskörperschaften ist nicht ein Gegenstand der Bundesvollziehung, dessen Besorgung mir gesetzlich zugewiesen ist. Deswegen verweise ich auch bei Frage 4 auf meine Beantwortung zu den Fragen 1 bis 3.

Zur Frage 5:

Die Trinkwasserbereitstellung ist keine Angelegenheit meines gesetzlichen Zuständigkeitsbereiches. Mein gesetzlicher Aufgabenbereich umfaßt die Kontrolle der lebensmittelrechtlichen Anforderungen an Trinkwasser, das im Sinne des Lebensmittelgesetzes in Verkehr gebracht, das heißt, an Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben wird. Das in Verkehr gebrachte Trinkwasser hat den lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu entsprechen.

Hinsichtlich der Gewinnung von und der Versorgung mit Trinkwasser ist verständlicher- und klarerweise dem nicht aufbereiteten Trinkwasser der Vorzug zu geben. Im österreichischen Lebensmittelbuch, III. Auflage, Kapitel B 1 "Trinkwasser", wird festgehalten, daß für den menschlichen Genuß grundsätzlich nativ hygienisch einwandfreies Wasser einem aufbereiteten Wasser vorzuziehen ist, auch wenn die Erschließungs- und Transportkosten höher sind.

Zur 6. Frage:

Auch aufbereitetes Trinkwasser hat den lebensmittelrechtlichen Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Hinsichtlich der Kostenallokation kann ich keine Aussage treffen, da diese – wenn überhaupt – eine unternehmerische Entscheidung der Trinkwasserversorgungsunternehmen sein wird.

Zur 7. Frage:

Diese muß ich auf einfache Weise beantworten: Nein, das habe ich im Rahmen des EU-Beitrittes nicht getan. Ich war zu dieser Zeit auch nicht in der Funktion einer Bundesministerin.

Zu den Fragen 8 und 9:

Diese Fragen berühren ebenfalls nicht meinen Zuständigkeitsbereich. Mir ist bekannt, daß in Österreich abgefülltes Mineralwasser exportiert wird – Mineralwasser, nicht jedoch Trinkwasser.

Zur 10. Frage:

Unter den gegebenen Umständen halte ich die Aufrechterhaltung des Einstimmigkeitsprinzips für wesentlich und zweckmäßig. Auch der Vertrag von Amsterdam hält am Einstimmigkeits


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prinzip fest. Ich denke, daß es auch in dieser Frage eine sehr wesentliche und wichtige Angelegenheit ist.

Zur 11. Frage:

Die Sicherung der Wasserressourcen und die damit im Zusammenhang stehenden prozeduralen Fragen sind wiederum nicht ein Gegenstand jener Bundesvollziehung, deren Besorgung mir gesetzlich aufgetragen ist. Die Angelegenheit liegt also auch in diesem Fall nicht in meinem Zuständigkeitsbereich.

Ich möchte aber trotzdem gerne eine politische Einschätzung der Fragen geben. Meiner Ansicht nach ist die Trinkwasserversorgung etwas, das für die Österreicherinnen und Österreicher Vorrang hat. Ich denke, wir haben in Österreich viel damit zu tun, uns um unsere eigene Trinkwasserversorgung zu kümmern und der Qualität des Trinkwassers Rechnung zu tragen. Wir wissen auch aus den Berichten, die uns vorliegen, welche Investitionen in den nächsten Jahren notwendig sein werden, damit die Qualität des Trinkwassers auch für die Zukunft gewährleistet und gesichert ist. Bewilligungen für Wasserentnahmen müssen ohnedies nach dem Wasserrecht erteilt werden, und ich gehe davon aus, daß wir im Rahmen unserer gesetzlichen Bestimmungen unserem eigenen Trinkwasser entsprechend den Vorrang einräumen werden.

Ich denke, jeder einzelne Staat ist aufgerufen und aufgefordert, zunächst einmal seine eigenen Ressourcen besonders sorgfältig zu betrachten, mit den eigenen Ressourcen besonders sorgfältig umzugehen und dann – sozusagen subsidiär – dort auszuhelfen, wo Staaten, die auch ihre eigenen Aufgaben erfüllt haben, trotz dieser eigenen Aufgabenerfüllung Probleme bekommen haben. Ich denke, es geht darum, zunächst die eigenen Aufgaben in Österreich sowie in allen anderen Staaten zu erfüllen, und dann kann auch über andere Themen gesprochen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

16.18

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die dringliche Anfrage bedanken, weil sie mir die Möglichkeit gibt, die Leistungen darzustellen, die Österreich hinsichtlich des Schutzes der wichtigen Ressource Wasser in den letzten Jahrzehnten erbracht hat.

Österreich ist in der glücklichen Lage, eine gute Ausgangssituation zu haben. Wir verfügen als Alpenland über entsprechend viel Wasser. Nur etwa 3 Prozent des natürlichen Dargebotes wird von den österreichischen Haushalten und der Industrie verwendet. Daraus können Sie schließen, daß 97 Prozent des Dargebotes über unsere Flüsse ins Ausland abfließen. 3 Prozent verwenden wir, 97 Prozent fließen ab – es ist daher auch für die Zukunft eine gewisse Reserve gegeben.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß Österreich in dieser Hinsicht besondere Anstrengungen unternommen hat. Ich denke beispielsweise an den Erfolg, den Österreich in der Seenreinhaltung erreicht hat. Wir können im Bereich der österreichischen Seen auf eine Güteklasse hinweisen, um die uns die Tourismuskonkurrenten international beneiden. Ich erinnere nur an den Werbeprospekt der Tourismuswerbung, der gelautet hat: "Haben Sie schon in Trinkwasser gebadet?" – Unsere Seen haben teilweise diese Qualität.

Ich erinnere an die Erfolge Österreichs bei der Flußreinhaltung. Das klassische Beispiel, das wir alle kennen, ist die Mur, die einmal fast als Abwasserkanal galt und in der Zwischenzeit soweit saniert ist, daß sie dort, wo sie Österreich verläßt, Güteklasse II aufweist.


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Ich erinnere beispielsweise daran, was wir tun, um vorzubeugen. Dabei denke ich an das österreichische Umweltprogramm, das wir flächendeckend zur Sicherung der Böden und damit des Grundwassers in Österreich umsetzen und um das uns international viele Partner in der Europäischen Union beneiden.

Die Grundlage dafür haben wir unter anderem auch in dem Rechtsrahmen, den Österreich geschaffen hat: im österreichischen Wasserrechtsgesetz, dessen Ziel es ist, die natürliche Ressource Wasser zu schützen und die Bereitstellung von einwandfreiem Rohwasser zu Trinkwasserzwecken sowie die dafür notwendige Festlegung von rechtlichen Rahmenbedingungen über die Nutzung der Ressource Wasser sicherzustellen.

Das Wasserrechtsgesetz legt in den §§ 9 und 10 eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die Wasserentnahme fest. Auch die Änderungen des Zwecks der Wasserentnahme sind gemäß Wasserrechtsgesetz bewilligungspflichtig. Dabei sind gemäß § 13 bei der Bestimmung des Maßes und der Art der Wasserbenutzung der Bedarf des Antragstellers sowie die bestehenden wasserrechtlichen Verhältnisse zu prüfen. Unter anderem darf gemäß Abs. 3 des zitierten Gesetzes das Maß und die Art der Wasserbenutzung keinesfalls soweit gehen, daß Gemeinden, Ortschaften oder einzelnen Ansiedlungen das für die öffentlichen Zwecke notwendige Wasser entzogen wird. Das Wasserrechtsgesetz ist also ein Schutzinstrument zur Sicherung des Wasserbedarfes. Ebenso kann eine wasserrechtliche Bewilligung nur dann erteilt werden, wenn die im § 105 aufgezählten öffentlichen Interessen nicht verletzt werden. Die öffentlichen Interessen haben also Priorität.

Gemäß diesem Paragraphen ist das öffentliche Interesse aber dann verletzt oder wäre verletzt, wenn Wasser zum Nachteil des Inlandes ins Ausland abgeleitet werden sollte. Ein derartiges Ansuchen um wasserrechtliche Bewilligung wäre gemäß Wasserrechtsgesetz zu versagen. Das Wasserrechtsgesetz ist daher ein klares und eindeutiges Schutzinstrument.

Des weiteren ist es eine Aufgabe des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes, in allen Phasen des wasserrechtlichen Verfahrens den Schutz des öffentlichen Interesses an der Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Zunächst sind alle angestrebten wasserrechtlichen Bewilligungen vor Befassung der Wasserrechtsbehörde dem Planungsorgan anzuzeigen. In allen behördlichen Verfahren ist das Planungsorgan als Partei beizuziehen und nimmt dort die Interessen der österreichischen Wasserwirtschaft bezüglich Trinkwasser- und Nutzwasserversorgung als Legalpartei wahr. Dieser rechtliche Rahmen des Wasserrechtsgesetzes ermöglicht den effizienten Schutz der österreichischen Wasserressourcen. Welche natürliche oder juristische Person den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung stellt, wird von der Wasserrechtsbehörde und vom Wasserrechtsgesetz rechtlich nicht beurteilt.

Ob sich also beispielsweise eine Gemeinde eines ausländischen Betreibers für ihre Trinkwasserversorgung bedient, diese Entscheidung liegt im Rahmen der Gemeindeautonomie. Das gleiche gilt beispielsweise für zivile Rechtsgeschäfte. Es gilt also, für das österreichische Wasserrechtsgesetz die inhaltliche Zielsetzung sicherzustellen, es gilt für jeden Rechtsträger und für jede Rechtsform – unabhängig, wie sie ausgestaltet ist – das österreichische Wasserrecht.

Zu Ihren Fragen daher im einzelnen:

Zu den Fragen 1 und 2:

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft als oberste Wasserrechtsbehörde – wir haben einen Stufenzug der Instanzen – wurde bis dato mit derartigen Projekten nicht befaßt.

Zur Frage 3:

Die Anwendung der derzeit im Wasserrechtsgesetz verankerten Instrumentarien, die ich schon beschrieben habe, bietet nach meiner Auffassung eine ausgezeichnete Grundlage, die Qualität und Quantität der österreichischen Wasserressourcen vor allem im Hinblick auf die Interessen und Bedürfnisse der österreichischen Bevölkerung zu schützen.


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Zur Frage 4:

Die Österreichische Bundesforste AG hat in ihrem Unternehmenskonzept die Ausweitung der geschäftlichen Aktivitäten im Bereich der sogenannten Nebennutzungen zur weiteren wirtschaftlichen Absicherung des Unternehmens als betrieblich notwendig erkannt. Die verstärkte Nutzung von Bundesforste eigenen Wasserressourcen stellt ein Betriebsziel der Bundesforste AG dar. Es bestehen derzeit keine Pläne, bestimmte Wasservorkommen in bedeutendem Umfang neu oder verstärkt zu nutzen. Allerdings ist es das Ziel der Ressourcenerhebung, die durchgeführt wird, verstärkte Nutzungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Zur Frage 5:

Auf der Suche nach strategischen Partnern auf dem Gebiet der Wasserversorgung führt die ÖBF AG derzeit Informationsgespräche mit in- und ausländischen Wasserverteilern. Ich deute und weise aber nochmals klar darauf hin, daß auch für die Bundesforste AG selbstverständlich das österreichische Wasserrechtsgesetz gilt wie für jeden anderen auch.

Zu den Fragen 6 und 7:

Wie ich bereits ausgeführt habe, knüpft das Regime des Wasserrechts nicht an die rechtliche Bewertung der Person des Antragstellers an, sondern gewährleistet durch seine Instrumente, daß Wasser für Trinkwasserzwecke nicht zum Nachteil des Inlandes ins Ausland abgeleitet werden kann. Die Rechtsform des Antragstellers – das sage ich nochmals – hat keinerlei Bedeutung für die Beurteilung hinsichtlich der Wasserressourcenbewirtschaftung.

Zu den Fragen 8 und 9:

Im Sinne der bereits getätigten Ausführungen haben die österreichischen Wasserrechtsbehörden – sollten derlei Projekte einlangen – das österreichische Wasserrechtsgesetz gemäß Artikel 18 Bundesverfassung zu vollziehen.

Zur Frage 10:

Im Rahmen einer wasserrechtlichen Bewilligung werden aufgrund der fachlichen Beurteilung unter anderem der wasserwirtschaftlichen Planung bei Berücksichtigung bereits bestehender Konsense Maximalentnahmemengen festgelegt. Dabei werden die bestehenden wasserwirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen der öffentlichen Interessentenprüfung und Interessenprüfung, die vorgesehen ist, berücksichtigt. Daraus folgt, daß im Fall der nichtständigen Ausschöpfung der Maximalkonsense die Ressource Wasser dementsprechend weniger in Anspruch genommen wird, als der Maximalkonsens an sich ermöglichen würde.

Zu den Fragen 11 und 12:

Bereits vor der Übernahme der Präsidentschaft der Europäischen Union durch Österreich hat sich die österreichische Bundesregierung zum Einstimmigkeitsprinzip bezüglich der Bewirtschaftung der Wasserressourcen bekannt. Diese Haltung hat Österreich, wie Frau Kollegin Prammer schon ausgeführt hat, etwa in der Diskussion um den Amsterdamvertrag klar vertreten. Während der österreichischen Präsidentschaft stand diese Frage nicht zur Diskussion.

Ich werde mich auch in Zukunft vehement dafür einsetzen, daß dieses Einstimmigkeitsprinzip bleibt. Ich kann Ihnen aber die Frage, ob ich Mitglied einer künftigen Bundesregierung sein werde, tatsächlich nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, ich strebe die Mitgliedschaft in einer zukünftigen Bundesregierung an. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Da schauen wir dann gut aus!)

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

16.29

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bereits in den Vorgesprächen wurde daran gezweifelt, daß es wirklich eine besondere Aktualität habe, hier über die österreichischen Wasserreserven, über unser österreichisches Wasser zu sprechen. Ich darf vielleicht mit einer kleinen Geschichte beginnen.

Als ich seinerzeit im Ruhrgebiet war und den dortigen Wohlstand sah – die Leute hatten alles: Haus, Wohnung, Auto, Familie, möglicherweise auch eine Freundin –, sagte jemand zu mir: Nur drei Dinge habt ihr Österreicher tatsächlich in unbeschränktem Ausmaß: eine gesunde Luft zum Atmen, ein klares Wasser zum Trinken – in Wien und Graz können wir heutzutage aus den Leitungen Wasser trinken – und einen unvergifteten Boden, auf dem ihr eure Früchte anbauen könnt.

Unser Problem – ich werde im Laufe der Debatte noch darauf zu sprechen kommen – ist, daß wir glauben, daß etwa im Bereich des Wassers die Sicherungsinstrumentarien, die die Frau Minister und auch der Herr Minister angeführt haben, unvollkommen sind. Ich werde versuchen, das zu beweisen. Unser Ersuchen, daß man dieses Netz für unser einheimisches Trinkwasser sicherer macht, mündet auch in einem Entschließungsantrag.

Krieg ums Wasser, heißt es in einer Glosse. Wer in Moskau den Wasserhahn aufdreht, tut gut daran, keine Zigarette zu rauchen, denn es bestünde Explosionsgefahr bei den Dämpfen, die aus dem ölverseuchten Untergrund der Stadt heraufkommen. Wer etwa in Kiew einen Schluck Wasser nimmt, spielt möglicherweise russisches Roulett aufgrund der Cholera-Gefahr.

Die Qualität der deutschen Chemieindustrie erkennt man am bunten Geschmack des Leistungswassers an Rhein und Ruhr. Die Amerikaner setzen mehr auf den Einheitsgeschmack Type Chlor, und führen es mit Overkill-Kapazität in New York und Los Angeles zu. In London hat das bräunliche Wasser – das ist verständlich, London liegt am Meer – Salzgeschmack, weswegen die Queen ihr Teewasser aus Jordanien einfliegen läßt. Dort ist auch der Konzern, der möglicherweise in Graz ins Geschäft kommen will, bereits tätig. Überhaupt ist es sehr interessant, daß dieses französische Großunternehmen dort tätig ist, wo Wasser langsam zu einem Problem wird.

Erst kürzlich hat die UNO am "Tag des Wassers" Alarm geschlagen, daß schon bald echte Kriege ums Wasser entstehen werden. Der Wassermangel betrifft weltweit 300 Millionen Menschen. Wassermangel wird weltweit immer stärker zum Problem. UN-Experten zufolge hat sich der globale Wasserverbrauch seit 1950 verdreifacht, die Reserven werden vielerorts schon knapp. Derzeit haben 300 Millionen Menschen nicht genug Trinkwasser. Bis zum Jahr 2025 wird schon ein Drittel der Weltbevölkerung von diesem Problem betroffen sein. Es ist ein aktuelles Problem, und ich glaube, meine Damen und Herren, es ist auch ein dringliches Problem.

Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung bestätigt, daß Sie als oberste Verbrauchsschützerin darauf achten werden, daß die Qualität des österreichischen Trinkwassers erhalten bleibt und es in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Sie haben unter anderem auch das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz zitiert. Ich darf § 1 Abs. 2 zitieren, in dem es heißt: Lenkungsmaßnahmen – in bezug auf Wasserbewirtschaftung – können auch ergriffen werden, soweit es zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen zur Inkraftsetzung von entsprechenden Maßnahmen erforderlich ist. – Das heißt also, in dem Fall, daß wir völkerrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen haben, ist bereits ein kleines Schlupfloch enthalten. Bitte achten Sie auf dieses Schlupfloch, und sorgen Sie dafür, daß es gestopft wird.

Herr Bundesminister! Ich habe an Ihren Vorgänger bezüglich des Artikels 130s eine Anfrage gestellt, und wir hatten auch eine Debatte über die englische Fassung und über die Absätze 1 und 2. Es gab bezüglich der qualifizierten Mehrheit und des Einstimmigkeitsprinzips Übersetzungsmängel, und ich hoffe, daß diese behoben sind. Das Einstimmigkeitsprinzip ist da durchaus fundiert.


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Ihre Ausführungen zum Wasserrechtsgesetz stimmen. Alles, was Sie sagen, bezieht sich auf die Entnahme, bezieht sich auf Bescheide, welche die Neugenehmigungen zum Inhalt haben, aber – das ist eben jener Teil, der in Frage steht – es bezieht sich nicht auf Verkaufsverhandlungen, auf Verkäufe von Wassergenossenschaften von einer juridischen Person zu einer anderen juridischen Person. Ich weiß schon, daß das sehr schwer ist. Es hat natürlich schon etwas damit zu tun, wenn Sie das aktuelle Grazer Beispiel hernehmen. Da wird überhaupt kein zusätzliches Wasser mehr genommen. Möglicherweise wird das eine französische Gesellschaft erwerben, und sie wird es vorerst einmal nutzen.

Abgesehen davon, daß man beim Preis-Leistungs-Gefüge an der Schraube drehen kann, bin ich davon abhängig. Mittlerweile, nach Jahrzehnten, in denen der Anschluß an das städtische Wassernetz immer mehr proklamiert wurde, hat man das eigene Hauswasser, die Hausbrunnen zurückgedrängt – teilweise auch aus hygienischen Gründen, das gebe ich zu. Der Käufer wird es zuerst einmal übernehmen, und das nächste Mal wird es dann sagen: Vielleicht transportiere ich nach Slowenien. – So weit hergeholt ist das nicht, daß ein Transport entweder per Leitung oder auch per Tank in das benachbarte Slowenien erfolgt. Das ist durchaus nicht ausgeschlossen.

Die Frau Ministerin hat bereits angedeutet, daß eine Sondersitzung des Grazer Gemeinderates am 4. Februar dieses Jahres stattfinden wird, bei der das Thema Stadtwerke und der mögliche Verkauf zur Diskussion stehen werden. Mein Ersuchen ist dahin gehend, daß man – in diese Richtung geht auch unsere dringliche Anfrage – diese Bereiche zu schließen versucht, weil dort das sogenannte Einstimmigkeitsprinzip unterlaufen wird. Es wurde bereits bei einem entsprechenden Beschluß des Europäischen Parlaments aufgrund einer spanischen Initiative unterlaufen. Damals hieß es unter anderem, daß die wasserreicheren Länder die wasserarmen Länder unterstützen sollten. Das war im Sommer vorigen Jahres. Man meinte, daß die erneuerbaren und natürlichen Wasserressourcen in Europa ungleich verteilt sind. Der Tenor lautet dann in etwa weiter: Das natürliche Netzwerk erlaubt keine gleichmäßige Verteilung, in weiten Bereichen gibt es deshalb Probleme mit Überschwemmungen. Zentral- und Nordeuropa haben viel Wasser, Mangel gibt es dafür in Süd- und Osteuropa. Dürre und Verödung sind die Folge. Wasser ist als natürliches Gut in ausreichendem Maß vorhanden. 

Extemporierend sei hier gesagt: Österreich hat Wasserreserven für 500 bis 700 Millionen Menschen – das stimmt alles –, aber diese Reserven sollten auch genützt werden, und zwar entsprechend ökologisch genützt werden. Die Ökologie sollte beachtet werden. – Das ist unser zweiter Beweggrund.

Dieser Beschluß des Europäischen Parlaments hat nur die ökonomische Verteilungsgerechtigkeit, aber nicht die ökologische sinnvolle Nutzung ins Auge gefaßt. Wenn ich in Österreich Wasser entnehme, dann muß ich die Frage stellen, wie es zum Grundwasser zurückgeführt wird. Nutzen andere Länder, etwa Italien, Spanien oder Portugal dieses? Wie betreiben diese Länder ihre Wasserbewirtschaftung? – Sie selbst haben die österreichischen Seen mit Trinkwasserqualität hier genannt. Wie sind diese entstanden? – Man hat Ringleitungen um die Seen gelegt und dieses Wasser, die Abwässer entsprechend geklärt. All diese Auflagen wären den Wasserbeziehern auch dort heute aufzuerlegen. Es geht einfach nicht an, daß wertvolles Wasser als Industrie- und Gebrauchswasser verwendet wird, so wie es teilweise in Norditalien der Fall ist. Dort hatten die Autowerke die Tauchverzinkerei bis vor kurzem noch im Flußwasser. So kann es nicht sein. Es besteht der ökologische Auftrag auch an die EU-Mitgliedstaaten und an die Beitrittswerber, die ökologischen Maßstäbe einzuhalten.

Deswegen, meine Damen und Herren, empören wir uns immer wieder darüber, wenn gesagt wird: Wir dürfen unsere hohen Umweltstandards erhalten. Wir möchten, daß diese Umweltstandards – vor allem auch in bezug auf Wasser – entsprechend in die einzelnen Länder transportiert werden.

Abschließend möchte ich noch kurz über die Grazer Situation sprechen. Die Verhandlungen sind sehr konkret. Eine Sondersitzung des Grazer Gemeinderates wird am 4. Februar stattfinden. Es ist nicht bekannt, wie die vertraglichen Formulierungen lauten, deswegen können Sie


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das auch ein bißchen als föderalistischen Hilfeschrei ansehen, den wir hier machen. Wie sind die Vertragsbedingungen? Wie sind die Vertragsverpflichtungen? Wie schaut das Ganze aus? – Wir wissen es einfach nicht. Es wäre sehr gut, dies zu wissen, denn dann könnten Sie sich möglicherweise die Argumente sparen, die Freiheitlichen verbreiten Angst. Aber wir haben in dieser Causa Angst. Wir haben Angst, daß uns ein wertvolles Lebensmittel, ein notwendiges Gut zum Leben entzogen wird.

So, wie es seinerzeit bei den Ölquellen passiert ist, daß sich große Gesellschaften draufgesetzt haben, scheint es im 21. Jahrhundert der Fall zu sein, daß man sich auf wasserreiche Gebiete setzt, um mittels Geschäft die wasserarmen Gebiete zu versorgen.

Das österreichische Wassergesetz normiert in mehreren Bestimmungen Maßnahmen – Sie haben sie aufgezählt –, die dazu geeignet sind, die Wasserqualität und die ökologische Funktion der Gewässer sicherzustellen. Relativ unbestimmt ist das Gesetz aber hinsichtlich der Sicherstellung der notwendigen Wassermengen für alle Öko-Systeme, insbesondere des Trinkwassers. Unbestimmt ist es auch, meine Damen und Herren, dahin gehend, wie sich andere an die ökologischen Bedingungen halten. Beim Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz ist all das gut aufgezählt. Ich habe Ihnen den Passus in diesem Gesetz, der mir Sorgen bereitet, genannt, Frau Ministerin! Sorgen wir dafür, daß ein sicheres Netz für unsere Ressourcen geschaffen wird. Wir wollen uns nicht gegenüber dem Ausland absperren, aber wir wollen, daß die Wasserreserven, die wir in unserem Land haben, sinnvoll, ökologisch und auch ökonomisch geschützt werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Bitte sorgen wir dafür, daß es nicht zur Abschöpfung dieser wichtigsten Naturressource in Österreich kommt! Sorgen wir dafür, daß in den Artikel 130s oder in den Grundsatzbeschluß des Europäischen Parlaments mit eingefügt wird, daß, wenn die Wasserversorgung in verschiedenen Ländern notwendig ist, diese auch ein entsprechendes ökologisches Vorgehen zu garantieren haben! Sorgen wir dafür, daß bei Beitrittsverhandlungen mit Beitrittswerbern genau diese ökologischen Standards, wie wir sie haben, auch bei diesen eingehalten werden!

Das ist der Tenor dieser dringlichen Anfrage. Es wird noch ein entsprechender Entschließungsantrag eingebracht werden, und ich bitte Sie, die dargelegten Argumente zu berücksichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leo Steinbichler das Wort. – Bitte.

16.44

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Tremmel! Ich darf gleich an Ihre Worte anschließen. Sie haben soeben das Wort "Angst" in den Mund genommen – einen Begriff, mit dem Sie in der Opposition sehr gerne arbeiten –, und ich darf auch gleich einen Quervergleich schaffen: Auch in der Euro-Diskussion war die große Angst um die Ersparnisse der Pensionisten in der Höhe von 50 000 S gegeben. Ich denke, genauso ernst und genauso lächerlich ist die Angst, die Sie jetzt im Zusammenhang mit der Wasserdiskussion ansprechen.

Allein daß man bei der Begründung der Anfrage, Herr Dr. Königshofer, Stuttgart und den Rhein als Problemfälle heranziehen muß, bestätigt mir, wie gut wir in Österreich sind. Herr Dr. Tremmel! Herr Dr. Königshofer! Gehen Sie hinaus, sagen Sie unseren Wählerinnen und Wählern, unseren Bürgerinnen und Bürgern, wie gut die Bundesregierung arbeitet, wie gut das Landwirtschaftsministerium arbeitet, wie gut das Konsumentenschutzministerium arbeitet, welch wertvolle Trinkwasserqualität wir haben und was wir in den letzten Jahren geschafft haben! Das hat uns doch niemand geschenkt. Bitte gehen Sie hinaus und sagen Sie es! Alle Leute werden Ihnen recht geben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Um das geht es nicht! Es geht um die Sicherung des Grundwassers!)

Ich darf einiges zum Thema sagen. Wir haben – das sind keine Argumente, die an den Haaren herbeigezogen wurden – das dichteste Kontrollnetz in Europa. Das ist begründet. Unser Was


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ser hat Spitzenqualität und ist deshalb, so denke ich, für die Zukunft auch ein Spitzenwirtschaftskapital. (Bundesrat DDr. Königshofer: Darum geht es!)

Wenn wir von der besten Wasserqualität in Europa sprechen, so denke ich, daß wir doch Wesentliches dazu beigetragen haben. Der Grundwasserschutz wurde angesprochen. Gerade die Bauern tragen als Bewirtschafter von 85 Prozent der Fläche in Österreich den wesentlichsten Anteil der Verantwortung für diese Wasserqualität und tragen ihn gerne, weil sie stolz darauf sein können. Wir haben auch im Landwirtschaftsministerium mit dem ÖPUL-Programm viel in Richtung nachhaltige Landwirtschaft erreicht und geleistet. Dr. Königshofer! Wenn Sie in Ihrer Argumentation keinen anderen Grund finden als die von der AK oftmals zitierte und gebrauchte lächerliche Begründung der Überdüngung der Böden, dann muß ich Ihnen sagen, das hat längst keine Gültigkeit mehr. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) – Ich werde das sofort begründen.

Lieber Herr Kollege! Ich wohne drei Kilometer weit von der Lenzing AG entfernt. Wenn Sie wollen, dann zeige ich Ihnen Bilder davon, wie die Ager, ein ziemlich bedeutender Fluß in Oberösterreich, vor 15 Jahren ausgesehen hat. Da war eine schöne rosarote Alge. Der Fluß hat ausgesehen, wie es heute in Zeichentrickfilmen gezeigt wird. Da gab es auch Belastungen aus Industrie und Gewerbe. Aber wir haben überhaupt kein Problem damit. Wir bekennen uns zur Vollbeschäftigung, wir bekennen uns zur Arbeitsmarktpolitik, aber wir müssen von der lächerlichen Begründung weggehen, daß die Bauern die Grundwasserverschmutzer sind. Hören wir doch endlich auf damit! Oder sind Sie nicht genauso froh wie ich, daß, wenn wir zur Sitzung nach Wien fahren, daß die Straßen gesalzen sind, daß Hunderttausende Tonnen Salz auf die Straßen gestreut werden? – Dann ist es aber nicht die Landwirtschaft, die die Schäden verursacht, und die Millionen Reifen, die abgefahren sind, kommen auch nicht aus der Landwirtschaft.

Bleiben wir bei der Wahrheit! Reden wir davon, wie es ist, und ziehen wir nicht mit falschen Argumenten wichtige Themen in die Lächerlichkeit! Freunde! Bleiben wir bei der Wahrheit! (Bundesrat DDr. Königshofer: Woher kommen die Milliardenumsätze mit Kunstdünger? Wohin geht dieser?) – Herr Dr. Königshofer! Zum Wohle einer kontrollierten Qualitätsproduktion unserer Konsumenten und zur Nahrungssicherheit ist das nötig. Ich komme später sicher noch auf dieses Thema zu sprechen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Ich werde es erwarten!)

Ich darf die wirtschaftliche Nutzung ansprechen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jeder redet davon, wie gescheit die Norweger waren, weil sie bei der EU geschickter waren und besser verhandelt haben, aber keiner redet davon, daß sie eine eigene Ölverwertung haben – die BRENT SPA. Wir in Österreich sitzen auf einem wirtschaftlichen Gut, das die ganze Welt will, aber wir trauen uns nicht einmal, darüber zu reden, ob es nicht wirtschaftlich sinnvolle Nutzungselemente geben sollte. (Bundesrat DDr. Königshofer: Wir reden ja darüber!)

Lieber Kollege Königshofer! Europaweite Wasserleitungen wurden angesprochen. Wir haben ein transeuropäisches Wassernetz, das ist die Donau. Mit der Donau fließen täglich 97 Prozent nicht genütztes Wasser ins Ausland. In bezug auf ordentliche Verträge darf ich auf einen Konsens mit der Opposition hinweisen. Aber ich muß fragen: Haben Sie bei den Wasserrechts-Novellen, bei den Gesetzen, die wir in letzter Zeit in diesem Haus behandelt haben, mitgestimmt, zu denen der Minister gerade erklärt hat, daß eigentlich genau jene die Wasserschutzgesetze sind? Oder haben Sie sich da der Stimme enthalten oder auch dagegen gestimmt?

Da muß man schon Glaubwürdigkeit einfordern und fragen, welche Linie wir gehen. Ich bin der Meinung, man sollte auch darüber nachdenken, wie wir in Zukunft über dieses wertvolle Wirtschaftsgut Wasser – Experten behaupten, die Kriege der Zukunft werden nicht mehr um Öl und Energie, sondern um Wasser geführt werden – sinnvolle und ehrliche Verträge gestalten können. (Bundesrat DDr. Königshofer: Verfügungsgewalt! Das ist wichtig!)

Ich möchte auch auf Daten und Fakten verweisen. Nicht nur der Club of Rome, nicht nur das World Watch Institute, sondern auch die Experten der FAO bestätigen, daß wahrscheinlich 2010 eine extreme Trinkwasserknappheit sein wird, was in weiterer Folge eine extreme Lebensmittel


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knappheit bedeutet, weil wir in unserem Wohlstandsdenken völlig verkennen, daß 70 Prozent der produktiven Ackerfläche bewässert werden. Mir kann keiner erklären, daß wir das Wasser zum Bewässern der Ackerfläche nehmen würden, wenn wir es als Trinkwasser brauchen würden. Das wird ein Spannungsfeld sein, das in Zukunft die Denkansätze leiten und gestalten wird.

Daher sind wir als verantwortungsvolle Politiker aufgerufen, daß wir uns in der Diskussion nicht treiben lassen, daß wir nicht reagieren, sondern agieren. Darum möchte ich auch die Opposition bitten.

Zum Abschluß möchte ich eines festhalten: Ich denke, es ist ganz wesentlich, daß wir diese Diskussion offen und ehrlich führen. Wir haben – ich habe es schon angesprochen – in der Wohlstandsgesellschaft völlig verkannt, daß zurzeit 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent des Konsums genießen. Das ist das weitere Spannungsfeld, das die Diskussion um das Wasser lenken wird. Da sind wir gefordert, in Zukunft glaubwürdige, vollziehbare und machbare Verträge zu gestalten. Ich lade alle zur Mitarbeit herzlich ein. (Beifall bei der ÖVP.)

16.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Erhard Meier das Wort. – Bitte sehr.

16.51

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Die dringliche Anfrage der Bundesräte der FPÖ betreffend ausländischer Zugriff auf Trinkwasserressourcen – es gibt fast in jeder Sitzung eine dringliche Anfrage – hat durchaus ihre positive Seite.

Die positive Seite ist nämlich, daß Regierungsvertreter, die befragt worden sind, bekräftigen können, welche Gesetzeslage es in Österreich derzeit gibt und daß nach ihrer Ansicht keinerlei Gefahr besteht, daß die Befürchtungen, die die FPÖ durch diese Anfrage ausdrückt, eintreten.

Ich möchte namens der SPÖ-Fraktion ganz klar feststellen, daß es nirgends auch nur den Ansatz einer Diskussion darüber gegeben hätte, österreichische Wasserressourcen in einem nicht vertretbaren Ausmaß an das Ausland zu verkaufen. Das Negative an Ihrer dringlichen Anfrage ist aber, daß Sie hier das zum Thema machen, was Sie auch bei der Bevölkerung versuchen, nämlich mit einem Thema, das nicht zur Diskussion steht, eine Verunsicherung hervorzurufen und den Menschen etwas zu implizieren, was nicht stimmt, zu sagen, das könnte sein, unser Wasser wird verkauft. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Im Zuge der EU-Beitrittsdiskussion nahm ich in Bad Ischl, Oberösterreich, an einer Diskussion teil. Dort hat eine Abgeordnete zum Nationalrat Ihrer Fraktion gesagt, daß die EU deshalb abzulehnen sei, weil das österreichische Wasser nach Spanien und, meine Damen und Herren, in die Sahara geliefert werden müßte. Da steckt doch dahinter: Sahara, kleines Österreich, alles rinnt dorthin, und dort nutzt es sowieso nichts.

Das sind die Verunsicherungen, die Sie in Diskussion bringen. Sie werfen es derzeit auch gar nicht so der österreichischen Seite vor, sondern sagen, daß die EU, wenn sie von diesem Einstimmigkeitsprinzip laut Artikel 130s, den Sie anführen, abweicht, uns unser Wasser in Österreich wegnimmt.

Ich möchte auch betonen, daß das Wasser in Zukunft noch wertvoller sein wird als heute und daß wir uns dessen bewußt sein müssen, daß es auf der Welt auch negative Beispiele gibt. Ich kenne eines aus den Vereinigten Staaten: Da gibt es nördlich des Todestales den Mono Lake, der dazu verwendet wurde, südliche Gebiete des relativ trockenen Kaliforniens zu bewässern – mit schrecklichen ökologischen Auswirkungen. Dort ist das Wasser zerronnen, und der See wurde mit ökologischen Schäden belastet, die erst in Jahrzehnten wiedergutzumachen sind. Ich glaube aber, wir wissen, daß es diese Gefahren gibt, und werden ihnen rechtzeitig begegnen. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) – Richtig.


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Aber, Herr Dr. Königshofer, vergleichen Sie das doch nicht mit der Politik, die in Österreich in bezug auf Wasser gemacht wird! (Bundesrat Dr. Tremmel: Leider machen wir die Politik nicht alleine!) Sie gehen natürlich her und sagen, es könne uns passieren wie beim Aralsee. – Ich habe ein Beispiel gebracht, und in die Sahara würde österreichisches Wasser fließen. – Das verunsichert doch die Bevölkerung dort, wo es überhaupt nicht notwendig ist, und dagegen verwahre ich mich! (Bundesrat Dr. Tremmel: Es hat niemand etwas von der Sahara gesagt! Das haben Sie!)

Herr Dr. Tremmel hat auch gesagt, er weiß noch nicht, wie sich das in Graz weiterentwickeln wird, und es gibt eine Sitzung des Gemeinderates. Bevor Sie das wissen, bringen Sie es vor den Bundesrat, als sei die Gefahr schon da?! – Ich spreche jetzt nur, verehrte ÖVP-Kollegen, für die SPÖ, ich kann nicht für euch sprechen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Weil bereits monatelang verhandelt wird!) – Ich weiß nur – ich bin auch kein Grazer –, daß die SPÖ einer solchen Entwicklung in Graz nicht zustimmen wird. Ich weiß auch nicht, wieviel verhandelt wird. Das sollte man dort ausmachen, wo es hingehört.

Aber Sie tragen diese Gespräche in den Bundesrat und tun so, als ob Österreich sein Wasser ausverkaufen wollte. Das ist wirklich nicht der Fall!

Ich möchte noch eines betonen, weil Sie sagen, wenn nun Ausländer privatisierte Teile der Grazer Stadtwerke oder der Wiener Wasserwerke aufkaufen, können sie damit als Eigentümer tun, was sie wollen – was zwar nach dem Wasserrechtsgesetz ohnehin nicht möglich ist, aber Sie stellen es zumindest so dar.

Ich bin auch kein Wiener Bundesrat, möchte aber darauf hinweisen, daß die FPÖ in Wien die 49prozentige Ausgliederung der Wiener Stadtwerke gefordert hat. Wenn man diese verkauft, dann könnte Ihre Befürchtung, die Sie jetzt aufwerfen, Ihrer Ansicht nach eintreten. Die SPÖ und ich treten dafür ein, daß wir wichtige Ressourcen wie das Wasser, wie den Wald – Österreichische Bundesforste, Herr Minister! – soweit in österreichischer Hand behalten, daß wir Einfluß auf solche, etwaig zu befürchtende Entwicklungen nehmen können. Ich bitte die österreichische Regierung, dieses im Auge zu behalten und auch in der Europäischen Union, auch wenn die Einstimmigkeitsfrage in anderen Dingen zur Diskussion stehen wird, in diesem Punkt hart zu bleiben und die österreichischen Standpunkte zu vertreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie sehr Sie die Verunsicherung betreiben, zeigen Ihre der Frau Bundesministerin auf Seite 2 dargebrachten Ausdrücke. Sie schreiben: auf Zugriff zu österreichischen Ressourcen. "Zugriff" heißt, daß jemand von außen hereinlangt und uns etwas wegnimmt. Sie wählen auch zum Beispiel das Wort "Ausbeutung"; Ausbeutung des österreichischen Wassers durch jemanden von außen.

Meine Damen und Herren! Daß das nicht stattfinden kann, liegt schon allein im Wasserrechtsgesetz begründet. Mir kommt die Frage "Was haben Sie bei der EU dagegen getan, daß das österreichische Wasser ins Ausland geliefert wird?" genauso vor, wie wenn Ihnen jemand die Frage stellt: Warum, Herr Minister, Frau Ministerin, haben Sie nichts unternommen, damit im Parlament die Beleuchtung bestehen bleibt? – Diese bleibt bestehen, also brauche ich derzeit nicht aktiv zu werden.

Es gibt auch Stellungnahmen der Stadt Wien, die darauf lauten, daß nicht daran gedacht ist, das Wasser zu veräußern, und die Entwicklung in Graz werden wir miterleben. Die sozialdemokratische Fraktion besteht auf zwei Punkte, nämlich erstens die Wasserressourcen für Österreich zu bewahren und zweitens die derzeitige ausgezeichnete Wasserqualität in Österreich zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Dafür werden wir uns einsetzen, und das ist auch die Antwort auf Ihre Frage, die jeder Grundlage entbehrt. (Beifall bei der SPÖ.)


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16.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. – Bitte.

16.59

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Sorge um das Wasser ist, wie ich meine, nicht nur eine steirische Sorge und aus steirischer Sicht begründet, sondern ich meine – das hat die Erfahrung gezeigt –, auch die Wienerinnen und Wiener können davon natürlich ein Lied singen. Ich meine aber damit nicht das Quellgebiet im Hochschwab-Bereich, denn die Sorge um das Quellgebiet im Hochschwab-Bereich könnte man unter die steirischen Sorgen subsumieren. Vielmehr, meine Damen und Herren, geht es bei dieser Anfrage um Ressourcensicherungen, um Wassersicherung, um Trinkwassersicherung für die Zukunft.

Meine Damen und Herren! Bei den Wiener Wassersorgen, wenn ich es so formulieren darf, geht es um die sogenannte dritte Wiener Wasserleitung, welche von Moosbrunn aus dem Gebiet der Mitterndorfer Senke nach Wien führt. Bevor durch diese dritte Wiener Wasserleitung überhaupt ein Tropfen Wasser geflossen ist, kam es natürlich schon zu Problemen. Der Perchlorgehalt ist von 3,8 auf 18 Mikrogramm gestiegen, und beim zweiten Brunnen ist leider eine ähnliche negative Entwicklung festzustellen, der Perchlorgehalt ist von 0,3 auf 5 Mikrogramm pro Liter gestiegen.

Meine Damen und Herren! Wenn der Grenzwert bei 10 Mikrogramm liegt, so könnte man sagen, durch eine Vermischung der beiden Quellen wäre durchaus noch eine erträgliche Qualität gegeben. Meine Damen und Herren! Ich glaube, das darf nicht die Lösung und der Ausweg aus diesem Problem betreffend dritte Wiener Wasserleitung sein, sondern ich bin eher der Überzeugung, daß längst Handlungsbedarf gegeben ist.

Gefordert ist da der ganze Bereich der Mitterndorfer Senke, die Altlastensanierungen im Bereich der Deponie, im Bereich der alten Industriestandorte vorzunehmen.

Ich weiß schon, daß die Zuständigkeit nicht unbedingt bei der Frau Konsumentenministerin und nicht unbedingt beim Landwirtschaftsminister liegt, aber ... (Bundesrat Dr. Böhm: O ja, beim Landwirtschaftsminister schon!) Ja, beim Landwirtschaftsminister schon. Aber, meine Damen und Herren, es macht wenig Sinn, Wasser so zu nutzen, wie es in diesem Fall gemacht wird, nämlich daß diese dritte Wasserleitung überhaupt nicht in Betrieb geht, sondern daß man einfach aufgrund des hohen Perchlorgehaltes dieses Wasser in den Liesinger Bach ableitet.

Herr Minister! Es ist also höchst an der Zeit, da Sanierungen vorzunehmen und zu handeln.

Meine Damen und Herren! Es ist auch die Konsumentenschutzministerin in dieser Frage gefordert, weil es auch darum geht, den sogenannten nationalen Wasserbedarf sicherzustellen. Damit meine ich aber auch, daß die geforderte und gewünschte Wasserqualität sichergestellt werden und darauf geachtet werden muß, daß der Spekulation im Bereich der Wasserversorgung nicht Tür und Tor geöffnet wird. Die Preisüberwachung, das Preisregulativ ist selbstverständlich in Ihrem Bereich, Frau Bundesministerin, verankert, und hier sind Sie auch gefordert.

Meine Damen und Herren! Die Sorge von uns Freiheitlichen ist nicht, daß uns von heute auf morgen das Wasser ausgehen wird, was auch in der Präambel dieser dringlichen Anfrage zum Ausdruck kommt, sondern Sorge bereitet uns etwas anderes. Hier sind wir, die steirischen Ländervertreter in diesem Haus, natürlich schon mit anderen Dingen konfrontiert worden, und deshalb sind wir auch in diesem Bereich vorsichtig geworden. Ich nenne nur als Beispiel die Energie Steiermark Aktiengesellschaft. Hier hat man den Weg einer Ausgliederung gewählt, damit der Politik der Zugriff zu dieser Aktiengesellschaft bedingt versperrt war, sodaß es möglich wurde, daß sich ein französisches Unternehmen an der ESTAG beteiligt. Ziel dieses französischen Unternehmens war es aber nicht, in der Steiermark Strom zu produzieren. Ziel dieses französischen Unternehmens ist und war es, eine Transportbahn für Atomstrom durch die Steiermark zu haben. Diese Gefahr, meine Damen und Herren, droht uns natürlich auch im Wasserbereich; diese Sorge haben wir. (Bundesrat Freiberger: Ausgliedern und privatisieren war eine FPÖ-Idee!)

Aber nicht unter diesen Bedingungen, Herr Kollege Freiberger, denn die Aufsicht liegt beim Finanzreferenten, und hier hat leider auch die Aufsicht kläglich versagt.


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Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, beim Wasser droht uns dieselbe Situation. Das haben auch nicht die "bösen" Freiheitlichen, hat nicht die "böse" Opposition erfunden, sondern der Grazer Finanzstadtrat Nagl, der ÖVP angehörig, bestätigt, daß diesbezügliche Verhandlungen und Verhandlungskontakte mit einem französischen Wasserkonzern bereits angebahnt beziehungsweise bereits im Laufen sind.

Auch der Direktor der Grazer Wasserwerke hat bekanntgegeben, daß es bereits fertige Planungen für einen Wasserexport in den Süden Österreichs, südlich der Steiermark, gibt.

Das heißt, meine Damen und Herren, hier sind sehr wohl einerseits die Frau Konsumentenschutzministerin und andererseits der Herr Landwirtschaftsminister gefordert, Aktivitäten zu setzen, um die eigenen Ressourcen zu sichern und den Wasserbedarf längerfristig sicherzustellen.

Meine Damen und Herren! Um nicht dasselbe Schicksal wie bei der ESTAG im Wasserbereich zu erleiden, sind diese zwei Ressorts innerhalb der Bundesregierung gefordert, zu handeln, bevor ausländische Financiers den direkten Zugriff auf unsere Trinkwasserressourcen und unsere Quellen und Wasserleitungen haben oder als Miteigentümer diesen Bereich mitgestalten können. Denn dann, Frau Ministerin, wird die Preisgestaltung hinfällig sein, dann werden Sie auch keinen Einfluß auf die Qualität mehr haben, und Sie beide könnten wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes zusehen, wie unser gutes österreichisches Trinkwasser den Bach hinuntergeht.

Meine Damen und Herren! Daß diese Diskussion nicht nur heute aktuell ist, das beweisen uns viele Medien, die Pressespiegel vieler renommierter österreichischer Zeitungen. Ich habe einige Meldungen aus den letzten eineinhalb Jahren wahllos herausgesucht. Vor über einem Jahr schon wurde geschrieben: Die EU dürstet es nach unserem Wasser. Dieselbe Zeitung schreibt einen Monat später: Jetzt ist der Kampf ums Wasser in der EU plötzlich ein Problem. Eine andere renommierte Zeitung schrieb vor nicht einmal einem Jahr: EU-Parlament: Wasserstudie führt zur Wasserschlacht. Eine weitere Zeitung schrieb vor etwa einem dreiviertel Jahr: Es drohen Kriege um das Wasser. Experten des World Watch Institute warnen, das blaue Gold werde immer knapper. Eine andere Zeitung schrieb vor einem halben Jahr in etwa: Wasser als Kriegsgrund der Zukunft. Wassermangel könnte in vielen Regionen der Welt zu blutigen Auseinandersetzungen führen, vor allem im Nahen Osten.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, daß diese Sorge der freiheitlichen Fraktion durchaus begründet und gerechtfertigt ist. Wenn Sie von den Regierungsparteien es auch so meinen, wie Sie es gesagt haben, nämlich daß Ihnen die Sicherung der Ressourcen im Bereich des Nahrungsmittels Wasser wichtig ist, dann gehe ich davon aus, daß Sie auch unserem Entschließungsantrag beitreten werden.

Ich darf daher namens der Bundesräte Weilharter, Dr. Tremmel und Bösch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Engelbert Weilharter, Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. keiner Änderung des EU-Vertrages zuzustimmen, mit der vom Einstimmigkeitsprinzip in Angelegenheiten der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung der Wasserressourcen (Artikel 130s) abgegangen wird, und

2. bei Abstimmungen über Maßnahmen der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung von Wasserressourcen die Bestimmung des § 105 Abs. 1 lit. k Wasserrechtsgesetz einzuhalten."

*****


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Ich darf Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wenn es in dieser Frage ernst ist, einladen, dieser Entschließung Ihre Zustimmung zu geben. Meine Damen und Herren! Sie haben damit die historische und einmalige Gelegenheit (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), zu beweisen, daß es Ihnen in dieser Frage sehr ernst ist. Daher entscheiden Sie rechtzeitig. Wenn wir Freiheitliche Sie mit dieser Thematisierung vielleicht geweckt oder munter gemacht haben (Bundesrat Rauchenberger: Frechheit!), dann setzen Sie auch Taten, handeln Sie mit uns, und stimmen Sie dieser Entschließung zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Weilharter und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Peter Polleruhs das Wort. – Bitte.

17.09

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Nachdem ich Kollegen Weilharter zugehört habe, gestatten Sie mir, daß ich mir sofort ein Glas Wasser einschenke, denn man hat wirklich das Gefühl, daß den Freiheitlichen das Wasser bis zum Halse steht. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Aber keine Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde es euch nicht abgraben.

Zwei dringliche Anfragen, die sich mit dem Thema Trinkwasser befassen, klingen sicherlich im ersten Moment aus einer gewissen Sorge, aber auch aus einer gewissen Verantwortung heraus, wenn sie ausschließlich der Sache dienen würden, nicht schlecht. Herr Bundesminister Molterer hat es auch schon erwähnt. Aber leider ist das bei Ihren beiden dringlichen Anfragen wieder nicht so. Es ist einmal mehr ein Beweis, daß Sie Ihre Informationen ausschließlich aus den Zeitungen haben und es nicht einmal der Mühe wert finden, bevor Sie eine dringliche Anfrage an Regierungsmitglieder richten, sich über die echten Fakten zu erkundigen. (Bundesrat Weilharter: ... Kennen Sie den Stadtrat Nagl?)  – Ja, wie du richtig sagst, ihr lebt von den Informationen aus den Zeitungen.

Kollege Tremmel hat gesagt, er möchte eine Geschichte erzählen. Es war mehr ein Märchen. Ich möchte Ihnen aber eine Geschichte erzählen, die der Wahrheit entspricht. Ich glaube, gerade wenn es um das Hochschwab-Wasser geht, und da ich nur wenige Kilometer weit entfernt vom Tiefbrunnen St. Ilgen, der die Stadt Graz versorgt, als Bürgermeister der Gemeinde Aflenz-Land ansässig bin, können Sie mir glauben, daß ich weiß, wovon ich spreche. (Bundesrat Weilharter: Sicher bin ich mir da nicht!)

Wir wissen, daß Wasser ein Naturschatz ist, der unsere Lebensqualität entscheidend beeinflußt – das hat auch die Frau Ministerin schon gesagt –, und daß Wasser nicht nur unser kostbarstes und wichtigstes Lebensmittel ist, sondern es kann auch durch kein anderes ersetzt werden. Wieviel Wasser und in welcher Qualität es dargeboten wird, ist für das menschliche Leben von elementarer Bedeutung. Das haben wir heute alles schon gehört. Wenn man sich diesbezüglich ein paar Zahlen anschaut, dann muß man sagen, ist dies erschreckend, denn weltweit haben mehr als 1 Milliarde Menschen kaum genügend Wasser zum Überleben. Weltweit sterben 5 Millionen Menschen jährlich an Krankheiten, die durch verunreinigtes Trinkwasser verursacht werden. Angesichts dieser Zahlen gebe ich vielleicht den Kolleginnen und Kollegen von der F schon recht, daß man sich Sorgen macht, ich gebe aber auch zu bedenken, daß nicht in Spielfeld die Welt zu Ende sein darf.

Oft wird dem größten und zugleich wertvollsten Bodenschatz noch immer viel zuwenig Bedeutung beigemessen. In zahlreichen Staaten und Ländern gibt es bis dato keine gesicherte Wasserversorgung. Ich möchte bewußt auch ein paar Zahlen und Fakten ansprechen. Sie werden dann sehen, warum.

Wir hingegen dürfen uns glücklich schätzen, Österreich ist ein an Trinkwasservorkommen reiches Land, und die Qualität unseres Trinkwassers ist im internationalen Vergleich hervorragend. Über ausreichende Wasserressourcen zu verfügen, enthebt uns aber nicht der Verantwortung


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um diesen Naturschatz. Mit der Gewißheit, daß hochwertige Wasservorkommen beschränkt vorhanden und Ökosysteme nur bis zu einem gewissen Grad belastbar sind, geht die Forderung einher, unser Wasser im Sinne einer langfristigen Erhaltung zu schützen. Für all jene, die sich mit der Wasserversorgung zu befassen oder diesbezüglich Verantwortung übernommen haben, beginnend in den Gemeinden mit den kleinen Wasserversorgungsgenossenschaften bis hin zu den Stadtwerken Graz, gilt es sicherlich vorauszuplanen, und erfahrungsgemäß heißt vorausplanen, die nächsten 30 bis 50 Jahre im Auge zu haben, um den Aufgaben gerecht zu werden und auch für die Zukunft ausreichend Trinkwasser in bester Qualität bereitstellen zu können.

Aber gestatten Sie, daß ich mich im speziellen mit dem Hochschwab-Wasser beschäftige, weil ich hier sehr viele Richtigstellungen machen muß. Ich darf Ihnen jetzt die zu Beginn meiner Rede erwähnte Geschichte, die eine wahre Begebenheit ist, kurz erzählen.

Das gesamte Hochschwab-Massiv stellt, wie Sie wahrscheinlich wissen, eines der größten zusammenhängenden Karstgebiete Österreichs dar. Auf einer Fläche von über 590 Quadratkilometern erstreckt sich im waldreichsten Gebiet der Steiermark dieses gewaltige Gebirge mit rund 100 Gipfeln, davon ist der höchste der Hochschwab-Gipfel mit 2 277 Meter Höhe. In einigen Karten steht "2 278 Meter" – darüber streiten sich anscheinend noch die Gelehrten. Aber der eine Meter soll betreffend das gute steirische Trinkwasser, so glaube ich, keinen Unterschied machen.

Tief unter den Felsen, eben im Karst beziehungsweise im Schotter, verbirgt sich dieser Wasserschatz des Hochschwabs als reines, klares Trinkwasser. Messungen haben die Existenz eines gewaltigen zusammenhängenden Wasserkörpers bestätigt. Ich möchte gleich bei dieser Gelegenheit auch die Probleme, die es in der Region gibt, ansprechen, da vor allem Grün-Bewegungen in der Gemeinde Tragöß vehement Widerstand üben und einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß es einen Wasserkreislauf gibt. Ich glaube, so weit soll es auch nicht gehen, daß man mit aller Macht und Gewalt versuchen will, einen natürlichen Wasserkreislauf zu unterbinden.

Die historische Bedeutung der nordseitigen Wasservorkommen des Hochschwabs für die Bundeshauptstadt Wien ist hinlänglich bekannt. Denken Sie vielleicht ein bißchen an uns Steirer, wenn Sie sich heute abend in Wien in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Haus ein Glas Wasser genehmigen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Oder eine weiße Mischung machen!) – Oder eine weiße Mischung.

Nunmehr werden aber auch die Wasservorkommen des südlichen Hochschwabs zur Versorgung des steirischen Zentralraumes mit Trinkwasser genutzt. An der Südseite des Hochschwabs schaut das etwas anders aus, weil in diesem Bereich in der Eiszeit riesige Schotterhalden abgelagert wurden und das Wasser hier einströmt und der Schotter als Speicher und Filter wirkt. In der Tiefe dieses Schotters vollzieht sich wirklich die geheimnisvolle Wunderwelt des Wassers, wie man sie, glaube ich, sehr wohl legitim nennen kann. Das Wasser umspült dabei das Gestein, nimmt die wertvollen und lebenswichtigen Mineralstoffe und Spurenelemente auf und wird so zu wertvollstem Trinkwasser.

Jener Schotterkörper, über dem sich die Brunnen der Zentralwasserversorgung Hochschwab-Süd GesmbH befinden, liegt zu Füßen des Berges am Ursprung des sogenannten St. Ilgener Tales, wo eben ein riesiger Wasserspeicher, dessen Fassungsvermögen auf 40 bis 80 Millionen Kubikmeter geschätzt wird, vorhanden ist. Hier beginnt – und weil wir aufgrund der dringlichen Anfrage doch mehr beim Thema Graz sind, möchte ich mich speziell damit befassen – die Reise des Trinkwassers durch eine 76,5 Kilometer lange Transportleitung der Zentralwasserversorgung Hochschwab-Süd, kurz ZWHS genannt.

Begonnen hat es eigentlich 1968, als man sich auf die Suche nach zukünftig nutzbaren und als Trinkwasser geeigneten Wasservorkommen machte. Es wurde damals Univ.-Prof. Thurner beauftragt, eine hydrogeologische Studie zur Auffindung möglicher Hoffnungsgebiete zu machen. Auf Betreiben des Wasserverbandes gab dann das Land Steiermark ein umfangreiches Untersuchungsprogramm in Auftrag. In den folgenden Jahren wurden im gesamten Bereich des südli


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chen Hochschwabs wie auch im Eisenerzer Raum hydrogeologische Kartierungs- und Quellaufnahmen durchgeführt sowie ein Netz von Niederschlags- und Abflußmeßstationen eingerichtet.

Warum sage ich das, meine Damen und Herren? – Weil Sie aus diesen Beispielen ersehen können – ich habe nur eine Kurzfassung gebracht, Sie können aber gerne den 32seitigen Katalog der ZWHS haben, ich bin gerne bereit, ihn das nächste Mal mitzunehmen –, daß man sich eigentlich schon vor mehr als 30 Jahren sehr viele Gedanken um das kostbare Gut Wasser gemacht hat, und ich verwahre mich dagegen, wenn vor allem unserem verantwortungsvollen Minister gegenüber so getan wird, als wenn er in dieser Richtung nichts tun würde oder nichts getan hätte.

Ein Gebiet dieser Größenordnung zu erkunden, war nicht mehr alleinige Aufgabe der Grazer Stadtwerke – und jetzt sind wir schön langsam beim Kernpunkt –, sondern es waren weitere 27 Gründungsmitglieder, die den Verband mehr oder minder ins Leben gerufen haben. Mit Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 29. Juni 1973 wurden im Bundesgesetzblatt 78/1973 alle Hochschwab-Wässer vorzugsweise der Trinkwasserversorgung gewidmet, das ganze Gebiet unter Schutz gestellt und in drei Zonen gegliedert. Die Umlandgemeinden rund um dieses Gebiet – auch meine Gemeinde Aflenz-Land ist davon betroffen – haben seit Jahren im Flächenwidmungsplan das erweiterte und engere Quellschutzgebiet und Grundwasserschutzschongebiet eingezeichnet, und wir stehen auch dazu, daß wir hier entsprechend zum Schutz des Trinkwassers unseren Beitrag leisten.

Im Jahre 1981 wurde die wasserrechtliche Genehmigung eines generellen Projektes für vorerst 150 Liter pro Sekunde als Dauerentnahme erteilt. Das hat auch schon der Herr Minister angesprochen. Dann ist eben der Wasserverband Hochschwab-Süd gemäß Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 29. Juni 1973 Rechtsträger dieser Verordnung geworden.

Jetzt komme ich ziemlich genau auf den Punkt, von dem man hier in der dringlichen Anfrage gesagt hat, die Grazer Stadtwerke seien zu 80 Prozent an der Hochschwab AG beteiligt. Erstens gibt es keine und hat es nie eine Hochschwab AG gegeben, sondern es gibt die "Zentralwasserversorgung Hochschwab-Süd". Die Stadt Graz beziehungsweise die Grazer Stadtwerke sind seit Gründung dieses Verbandes lediglich zu 71,5 Prozent beteiligt; deshalb mit 71,5 Prozent, weil alle wesentlichen Beschlüsse einer Dreiviertelmehrheit, also 75 Prozent, bedürfen. Damit ist dieser Faktor schon einmal nicht richtig.

Ich erspare es mir, jetzt auch noch die anderen Gemeinden zu nennen. Sie sind in der Broschüre nachzulesen. Diese sind aliquot mit gewissen Prozentsätzen mitbeteiligt. Kollege Dr. Königshofer hat von der Verfügungsgewalt gesprochen. Genau das zeigt eben, daß man sich bei diesem Verband sehr wohl etwas gedacht hat, damit nicht einer alleine verfügen kann, auch wenn er angeblich von seinen 71,5 Prozent Anteile an jemand anderen verkaufen würde. Ich komme aber später noch einmal konkret darauf zu sprechen.

Der derzeitige Stand ist der, daß die Fassung des Grundwassers und ein Langzeitpumpversuch von 1986 bis 1987 durchgeführt werden mußten, weil die Wasserrechtsbehörde nicht leichtfertig einen Bescheid erlassen hat. Zur Beweissicherung wurde der ZWHS und ihren Mitgliedern von der Wasserrechtsbehörde dieser Langzeitpumpversuch vorgeschrieben. Der Langzeitpumpversuch, bei dem man sehr sorgfältig die Vorfluter der Region beobachtet und gemessen hat, hat dann ergeben, daß 200 Sekundenliter als Höchstmaß täglich entnommen werden dürfen.

Es freut mich, daß Herr Bundesminister Molterer gesagt hat, daß die Mur wieder sauber wurde. Darauf sind wir stolz. Es müssen aber auch die Grazer Stadtwerke stolz darauf sein, vor allem wenn man weiß, daß der Tagesverbrauch beziehungsweise der Tagesbedarf der Stadt Graz 600 Sekundenliter beträgt. Davon werden 400 Sekundenliter über die beiden Grundwasserbrunnen in Friesach und Andritz entnommen, und wer von der österreichischen Geographie ein wenig Ahnung hat, wird vermuten, daß dies nicht das Grundwasser der Donau, sondern jenes der Mur ist. Nur knapp 200 Sekundenliter, nämlich derzeit genau 164,2 Sekundenliter – da ich


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die Meßstation sehr gut kenne, kann ich diese Zahl nennen –, kommen vom Hochschwab dazu. Damit weiß man auch, wovon man hier spricht.

Aber die Transportleitung mit einer Länge von 76,5 km hat noch einiges für sich. Es wurden wegen der Höhenunterschiede zwischen den einzelnen Behältern und den Druckreduzierstationen Trinkwasserkraftwerke eingebaut. Eines davon steht bereits nach wenigen Kilometern in St. Katharein an der Laming, wo der anstehende Wasserdruck von 22 Bar und der Durchfluß dieser 200 Sekundenliter ausreichen, um dort jährlich 3 500 Megawattstunden Strom zu erzeugen, der in das öffentliche Netz eingespeist wird, sodaß dieser Druck nicht quasi sinnlos in der Luft verpufft.

Nun konkret zu den Anschuldigungen gegen Siegfried Nagl, Grazer Landesrat der ÖVP, aber auch gegenüber dem Grazer Wasserwerksdirektor Nickl betreffend allfälligen Verkauf und damit indirekten Zugriff auf die Hochschwabquellen. Kollege Weilharter! Es wundert mich sehr, daß du gesagt hast, daß Nickl das zugegeben hat. Es ist darüber etwas in der Zeitung gestanden. Ich habe wortwörtlich eine Mitteilung von heute da, daß sich Herr Direktor Nickl ausdrücklich dagegen verwahrt und sagt, die Darstellung in der dringlichen Anfrage entspreche in keiner Weise den Tatsachen. Vielmehr handle es sich dabei um die Wiedergabe eines Berichtes – jetzt sind wir soweit – aus der Gratiszeitung "Der Grazer". – Es kann und darf doch nicht so sein, daß das tägliche politische Evangelium und die Weisheiten der Freiheitlichen Partei ausschließlich aus diversen Zeitungen stammt, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Richtig ist, daß bereits derzeit ein geschlossenes Leitungssystem vom Hochschwab bis in das Leibnitzerfeld besteht, aber mit folgendem großen Unterschied: Die Leitung vom Hochschwab geht nur bis Friesach, wo sich die Übernahmestelle des Wassers der Stadtwerke Graz befindet. Außerdem besteht seit Jahren eine Leitung von Friesach zum Wasserverband Umland-Graz, und von dort führt eine Leitung weiter in das Leibnitzerfeld; dabei ist der Wasserverband Leibnitzerfeld Leitungsträger und Verantwortlicher.

Es ist richtig, daß diese Leitung bis zur slowenischen Grenze geht. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß sie nur bis kurz vor der slowenischen Grenze führt, und dort, lieber Kollege, befindet man sich immer noch in der Steiermark. Ich hoffe aber, daß nicht auch für dich zwei Kilometer, nachdem du Spielfeld passiert hast, die Welt aus ist. Denn sonst müßtest du anzweifeln, daß diese rund ist, dann wäre sie nämlich eine Scheibe. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Leitungen hat man vor Jahren in der Verantwortung gebaut (Bundesrat Weilharter: Dann gibt es die doch!)  – nein! –, daß man sich gegenseitig im Falle einer Notversorgung, weil es auch Rohrbrüche und Störungen geben kann, aushelfen kann. Daher ist es auch eine totale Lüge und entspricht in keiner Weise den Tatsachen, daß diese AG eine fertige Planung für eine zweite Hochschwab-Megaleitung von der Obersteiermark bis zur slowenischen Grenze in der Schublade hat, da doch die derzeitige Auslastung der Leitung maximal 30 Prozent beträgt. Es wird niemand auf den Gedanken kommen, eine weitere zu errichten. Es hat mir übrigens in einem Telefonat vor 10 Minuten der Betriebsleiter der ZWHS, Herr Holzer aus Aflenz-Kurort – er wohnt in meiner Nachbargemeinde, ich kenne ihn persönlich –, bestätigt, daß das so ist.

Ich möchte wirklich sehr darum bitten, bei dringlichen Anfragen künftig die echten Fakten auf den Tisch zu legen. Denn ihr könnt nicht verlangen, daß wir bei dringlichen Anfragen eurerseits auch nur in irgendeiner Form mitgehen, wenn darin Halbwahrheiten bis hin zu Lügen enthalten sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Da frage ich mich wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, wie ihr es euch vorstellt, daß man hier gemeinsam mit euch arbeiten kann.

Auch was Stadtrat Mag. Nagl betrifft, ist die Situation die, daß es richtig ist, daß es um eine Diskussion der Bereiche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung geht, weil Ver sorgung und Ent sorgung derzeit noch in Graz getrennt sind. Es soll eben eine Gesamtdiskussion über die Zukunft der Grazer Stadtwerke geführt werden. Kollege Tremmel hat den Fahrplan schon


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vorgestellt: Am 4. Februar findet eine Sondersitzung des Gemeinderates zu diesem Themenbereich statt. Ich frage mich jetzt wirklich, ob man nicht das Hohe Haus mit solchen Anfragen, die in Wahrheit eine Stadt betreffen, ein wenig mißbraucht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Weilharter hat von historischen Entscheidungen gesprochen. Ich glaube, eine historische Entscheidung wäre dann gegeben, wenn dringliche Anfragen der F wirklich einmal so gut aufbereitet wären, daß man sich in den Reihen der ÖVP und SPÖ überlegen müßte, ob man nicht der einen oder anderen folgen könnte.

Solange aber eine gewisse Verunsicherung da ist, meine Damen und Herren – sicherlich nicht mit mir! Ich bedanke mich bei Ihnen nur recht herzlich dafür, daß Sie indirekt Werbung für den Hochschwab gemacht haben und daß Sie den Hochschwab nicht mit dem Bärental verwechselt haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Da es teilweise üblich geworden ist, parlamentarische Ordnungsrufe fast wie einen Orden entgegenzunehmen, möchte ich dieses Instrument nicht überstrapazieren, aber trotzdem ersuchen, von Ausdrücken wie "Lüge", dem doch ein ehrenrühriger Vorwurf innewohnen kann, Abstand zu nehmen. (Bundesrat Dr. Harring: Das denke ich auch! Das scheint mir auch so!)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Königshofer das Wort und mache ihn auf die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten aufmerksam.

17.30

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet, weil das, was mein Vorredner Kollege Polleruhs, von sich gegeben hat, doch etwas zu weit gegangen ist.

Er hat behauptet, in unseren dringlichen Anfragen wären Unwahrheiten und echte Lügen enthalten. – Ich berichtige tatsächlich, daß keine echten Lügen enthalten sind. Herr Kollege Polleruhs! Nehmen Sie zur Kenntnis, daß der Unterschied zwischen Unwahrheit und Lüge darin liegt, daß die Lüge den Vorsatz, etwas Unwahres zu sagen, voraussetzt und dieser Vorsatz bei uns nicht gegeben ist. (Unruhe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Polleruhs! Wir stützen uns zum Beispiel auf die unabhängige – mehr oder weniger unabhängige – Presse in Österreich. Wenn Sie sagen, das ist alles nichts, dann beleidigen Sie zusätzlich das Pressewesen in Österreich. Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir lassen uns das von Ihnen nicht gefallen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

17.31

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Herren Bundesminister! Die Anfragen, die heute hier beantwortet wurden, haben durchaus ihre gute Begründung. Sie drücken die Besorgnis der österreichischen Bevölkerung aus, daß das Wasser, eines jener Produkte, die wir noch in guter Qualität besitzen, ja dessen Qualität, wie Herr Bundesminister Molterer sagte, immer besser wird – das weiß ich aus eigener Erfahrung –, möglicherweise zur Disposition steht. So wie das Wasser, die Luft, das Feuer und die Erde die Urelemente sind, von denen man früher sprach, ist das Wasser etwas Besonderes, vielfach etwas fast Heiliges, und wir möchten, daß es besondere Beachtung findet.

Viel zu großzügig, viel zu nachlässig – wie auch einer Bemerkung meines Vorredners zu entnehmen war – geht man mit der Fragestellung der Opposition um. Es ist der Vorzug der Opposition, Fragen über Dinge stellen zu können, die vielleicht den Parteien, die der Regierung nahestehen,


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eher bekannt sind als der Bevölkerung und der Opposition als solche. Das ist klar. Wenn hier eine Frage gestellt wird, ist ruhig zu antworten, wie es die beiden Minister getan haben. Es steht Ihnen frei, polemisch darüber zu urteilen; das ist Ihnen unbenommen und soll auch gelten. Aber dieses Thema zeigt, daß es wichtig ist.

Wir haben hier deutlich die Ausführungen über die österreichische Situation vernommen. Wir haben gehört, daß die Minister am Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten wünschen – ob sie in der Zukunft recht haben werden, wird sich zeigen. Wir müssen aber schon rechtzeitig auf die Bremse steigen, meine Damen und Herren! Wasser ist eben nicht etwas, was man nur heute hergibt und dann nie wieder. Es wird immer wieder hergegeben werden. Wir können – ich übertreibe jetzt – ausgetrocknet werden!

Das Trinkwasser habe Vorrang für Österreich, hat die Frau Bundesministerin gesagt. – Mir genügt das nicht. Das Wasser hat Vorrang für Österreich, Frau Bundesministerin, denn Trinkwasser ist ein Teil davon, und ich möchte auch nicht ... (Bundesministerin Mag. Prammer: Das gilt aber nur für das Trinkwasser!)  – Sie sind nur für das Trinkwasser zuständig, das macht die Problematik der Doppelconférence etwas schwierig, aber wir wollen sie trotzdem hören.

Wir sind der Meinung, daß das Wasser für uns wichtig ist, denn Wasser, auch wenn es nicht Trinkwasser ist, ist in Trinkwasser umwandelbar. Es ist ein wirtschaftliches Gut, es kann eines sein. Wir meinen aber, daß nicht alles, so wie Kollege Steinbichler vorweg gemeint hat, dem Wirtschaftlichkeitsgedanken unterworfen werden muß. Gerade du als Landwirt ... (Bundesrat Steinbichler:  ..., daß man diese Ressourcen nicht genützt hat!)  – Trotzdem, wir dürfen nicht alles dem Wirtschaftlichkeitsgedanken unterordnen! Damit können wir auch uns und die Schwiegermutter verkaufen, und das wollen wir nicht! Das Wasser soll am allerwenigsten auf dem Weltmarkt der Wirtschaftlichkeit für ein Einkommen des Staates verwendet werden. Das Wasser muß eng bewirtschaftet werden.

Kollege Meier meinte, daß wir mit diesem Thema etwas zur Diskussion stellen, was die Bevölkerung verunsichert. – Nein, Herr Kollege! Das ist es nicht! Die Verwaltung und die Regierung müssen erkennen, daß die Bevölkerung wachsam ist und es nicht wünscht, verunsichert zu werden. (Bundesrat Meier: Richtig!) Sie will keine Ausbeutung. Das müssen wir vom Parlament aus der Regierung zeigen. Wir sind wachsam der Verwaltung – Schrägstrich – / der Regierung gegenüber. Das ist sehr wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich schon höre oder lese, daß hier wiederum irgendwann einmal die internationale Solidarität im Spiel ist, dann sehe ich mehr oder minder rot, blau oder schwarz. Ich will von Solidarität in vielen Bereichen nur dann wissen, wenn sie wirklich von der Bevölkerung mitgetragen wird, und nicht, wenn einzelne Verwaltungsorgane meinen, Herr Bundesminister, daß diese Solidarität für eine anonyme Bevölkerung, ohne daß sie gefragt wird, in Anspruch genommen wird.

Eine Akte aus dem Europäischen Parlament, oder vermutlich aus der Kommission, nämlich A4-0407/97, zeigt sehr deutlich, daß wir mit unserer Anfrage richtig liegen. Denn die Kommission nimmt nicht auf Österreich und auf die Befindlichkeit, die wir hier haben, Rücksicht, wenn wir uns nicht beizeiten wehren, wenn wir nicht sagen, was uns nicht paßt. Es wird unter Hinweis auf STOA – was die Abkürzung "STOA" in diesem Zusammenhang bedeutet, weiß ich nicht; es hat aber sicherlich nichts mit "stoisch" zu tun – im Dezember 1996 über transeuropäische Wasserleitungsnetze im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Wasserpolitik geschrieben. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Das läßt bei uns natürlich die Alarmsirenen schrillen, Herr Minister, Frau Ministerin! Die technische Realisierbarkeit transeuropäischer Wassernetze wird hier ebenfalls angesprochen. Was bedeutet das denn anderes, als daß eine Verwaltungsoberbehörde der Republik, der wir uns unterworfen haben, schon unser Wasser in die Versorgung von sogenannten hydrologischen Inseln einplant? – Das heißt nicht, daß das Inseln sind, die viel Wasser, sondern es sind solche, die kein Wasser haben. Sie können diese Akte dann haben, das ist nicht uninteressant. Vielleicht sind unsere Bedenken völlig unnotwendig, aber wichtig ist, daß wir sie vorbringen, damit Sie gewahrschaut sind, Herr Bundesminister! (Bundesminister Mag. Molterer: Was heißt


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das?)  – "Gewarnt" sagt man auch dazu. (Bundesminister Mag. Molterer: Danke für die Übersetzung!)

Jetzt haben Sie etwas dazugelernt. Ja, das sage ich bewußt, denn durch den Rhein-Main-Donau-Kanal gibt es eine internationale Wasserstraße. Wenn Sie in Düsseldorf sind, sagt man statt "warnen" jemanden "wahrschauen". Warum das so ist, weiß ich nicht. Das kommt durch die internationalen Wasserstraßen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Wir kennen das Wort "wahrschauen", das ist der Düsseldorfer Begriff für "warnen". Seien wir gewarnt, falls Sie nicht gerne Deutsch reden wollen! (Empörung bei der ÖVP.)

Nehmen wir aber zur Kenntnis, daß in der Kommission Überlegungen vorhanden sind, der unregelmäßigen Verteilung des Niederschlags und der natürlichen Wasserreservoire wie Seen, Gletscher und Grundwasser entgegenzutreten, daß es ferner die Feststellung gibt, daß das natürliche Netz, welches die europäischen Wassereinzugsgebiete bilden, ebenfalls keine vollständige und einheitliche Verteilung der Wasserressourcen in der EU ermöglicht.

Wenn man das schreibt, steht dahinter wohl die Überlegung, wie man diese Ressourcenverteilung vollständig und einheitlicher schaffen kann, da bekannt ist, daß es große Bereiche im Gebiet der Europäischen Union gibt, die unter Wassermangel leiden. Es komme aufgrund des Wassermangels in manchen Gebieten zu schweren Krisen, steht hier zu lesen. Manche Gebiete seien mit einer Wasserbewirtschaftung konfrontiert.

Auch um die Erwägung, daß Wasserknappheit nicht nur von geographischen und klimatischen Bedingungen abhängt, sondern auch die Folge von menschlichen Eingriffen in das Ökosystem darstellt, muß sich die Europäische Gemeinschaft kümmern – oder meint sie, sich kümmern zu müssen.

Sie ist weiters der Auffassung, daß Wasser nicht ausschließlich als Wirtschaftsgut verstanden werden darf – das ist immerhin erfreulich –, sondern eine Naturressource der EU und die wichtigste erneuerbare natürliche Ressource darstellt, die für die nachhaltige Entwicklung und die Raumordnung von grundsätzlicher Bedeutung ist und ausreicht, die gesamten Bedürfnisse der Menschen in den Mitgliedstaaten zu befriedigen.

Wenn die Kommission schreibt, in Europa gebe es genug Wasser, mit dem jeder Europäer sein Bedürfnis nach Wasser befriedigen kann, dann sehe ich darin, daß die österreichischen Wassermengen zur Disposition stehen, und nicht, daß Sie, Herr Bundesminister, recht haben, wenn Sie sagen, daß sie nicht zur Disposition stehen. Sie werden von der Kommission zur Disposition gestellt! Es wird die Politik der Zukunft sein, unsere Wasserreserven der Bevölkerung und den Gebietskörperschaften der EU zur Verfügung zu stellen, verbunden mit dem Ersuchen an die Mitgliedstaaten, eine vollständige Erfassung der Grundwasservorräte vorzunehmen und Vorsorge zu treffen, daß unterirdische Trinkwasservorräte vor schädlichen Einflüssen geschützt werden. Es ist vernünftig, daß die Trinkwasservorräte geschützt werden sollen. Daß aber die vollständige Erfassung der Grundwasservorräte ein Anliegen der EU ist, irritiert und stört mich als Waldviertler, der ich auch unser Wasser haben will. (Bundesminister Mag. Molterer schüttelt den Kopf.) Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln. Lesen Sie die Akte nach, ich gebe Ihnen die Zahl noch einmal bekannt: A4-0407/97!

Die Institutionen der EU haben eine gemeinsame Antwort auf dieses Problem geben müssen, sagen sie, weil sie speziell das Wohlergehen der Bürger der Europäischen Union vor Augen haben, und sie erwarten, daß die örtlichen Wassernetze ein künstliches Wassernetz bilden, welches in vielen Regionen derzeit noch unzureichend und unangemessen ist, um eine einheitliche und vor allem ausreichende Verteilung der Wasserressourcen auf europäischer Ebene zu ermöglichen.

Ich habe Ihnen diese paar Zitate aus dem noch viel mehr Punkte umfassenden Bericht – oder was immer es ist – der Europäischen Kommission hier nur deshalb vorgetragen, um sie jenen zu zeigen, die meinen, hier sagen zu müssen, das österreichische Wasser stehe nicht zur Disposition. Es steht sehr wohl zur Disposition! Nicht von den beiden Ministern – das ist nicht Ihre Absicht, das nehme ich Ihnen gerne ab! Aber glauben Sie mir und meinen Parteifreunden,


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daß wir Sorge haben, daß es die Europäische Kommission schon noch schaffen wird, das qualitativ hochstehende österreichische Wasser unter ihre Verwaltungshoheit zu bekommen. Das lehnen wir ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.42

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. Ich erteile es ihm.

17.43

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um das Wasser hat nicht die Freiheitliche Partei vom Zaun gebrochen, sondern es gibt eine Unmenge von Meldungen in dicken Lettern wie etwa: "Mehrere Millionen Menschen trinken Bodenseewasser"; "Umweltlandesrat für Wasserexport"; und so geht das weiter. Wer sich die Zeitungsmeldungen anschaut, liest: "Kärnten wehrt sich gegen EU-Wassermanagement." All das geschah im letzten Jahr. "Die EU dürstet nach unserem Wasser!" (Zwischenruf des Bundesrates Rodek. ) Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Das wird diskutiert! So ist das quer durch die Schlagzeilen zu finden. "Die EU bekommt von uns kein Wasser!" So läuft die Diskussion.

Die Debatte wird nun darauf gelenkt, daß die Freiheitlichen daran zweifelten, daß es in Österreich Qualitätswasser gibt. Natürlich haben wir Qualitätswasser! Wenn wir kein Qualitätswasser hätten, würde sich keiner für unser Wasser interessieren. Nur deswegen ist es in Gefahr! Hätten wir Schrott, bräuchten wir über dieses Thema nicht zu diskutieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ und ÖVP.)

28 Nationen – das ist nachzulesen – haben heute schon kein Wasser mehr oder zuwenig Wasser. Es hat heute bereits jemand erwähnt, daß in Zukunft Kriege wegen des Wassers ausbrechen könnten, wie es früher wegen des Öls geschah. Also ist es nicht so, wie Sie sagen! Man kann es nicht so hinstellen, daß man sagt, da sei nichts, da könne nichts passieren.

Sie wissen ganz genau, wie man so etwas unterläuft. Wenn heute ein Firmenbesitzer ein Mieterschutzprojekt hat und dann eine GmbH gründet, ist er in diesem Projekt drinnen, und wenn der andere aussteigt, hat er allein dieses Objekt im Besitz. Dasselbe gilt für Wassergenossenschaften oder bei einer GmbH, wie es jetzt in Graz diskutiert worden ist! Und es gilt auch für die Energiewirtschaft! Gerade in der jetzigen Zeit gibt es viele Beispiele dafür: Energiegesellschaften werden verkauft, fusioniert, es beteiligen sich andere daran. Damit ist die Gefahr gegeben, daß diese dann auch das Sagen haben. Sie sind zwar vorerst nur mit 20 oder 25 Prozent beteiligt, aber die Freiheit, zu entscheiden, ist schon eingeschränkt.

Unser Wassergesetz haben wir, solange wir das Einstimmigkeitsrecht in der EU haben. Für die Einstimmigkeit besteht keine Garantie auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus. Wir wissen genau, daß in Österreich heute 1 Prozent Vollerwerbsbauern sind und daß 50 Prozent des EU-Budgets für die Landwirtschaft verwendet werden. Die sind natürlich aufgeteilt, das ist richtig, aber es ist keinesfalls ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.  – Bundesrat Dr. Tremmel: Sie müssen deutliche Zwischenrufe machen. Sie nuscheln so!) Die Statistik, hat einmal jemand gesagt, ist das, was für den Betrunkenen die Straßenlaterne ist. An der hält er sich an, wenn er nicht mehr weiter kann.

Ihr wollt das so hindrehen, als wäre das eine andere Statistik. Aber es ist bekannt, daß 50 Prozent ... (Bundesrat Steinbichler: 1,92 Prozent!)  – Wenn Sie alles andere abrechnen! Das wird aber alles der Landwirtschaft angerechnet! Darüber sind wir uns schon im klaren. Landauf, landab weiß jeder, daß 50 Prozent des Budgets für landwirtschaftliche Förderungen ausgegeben werden – egal, ob das jetzt Flächenförderung oder Förderung von Wasserbauten oder was auch immer ist. Das ist klar. Aber es wird der Landwirtschaft zugerechnet! Da müßtet ihr eben einmal eine andere Politik aufzeigen, damit klar gesagt wird: Flächenförderung hat mit der Landwirtschaft nichts zu tun; das ist eine Umweltforderung und hat mit der Landwirtschaft nichts zu tun!

Aber wir haben es bei uns in Österreich bis heute nicht geschafft, daß jene Grundbesitzer, die ihre Flächen für Wasserschutzgebiete ausweisen müssen, eine ordentliche Entschädigung be


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kommen. Das ist ja alles "auf freiem Fuß". Wenn eine Wassergenossenschaft dem Bauern oder einem anderen Grundbesitzer etwas finanziert, dann bekommt er etwas. Wenn sie ihm Einschränkungen auferlegen und er keine Entschädigung bekommt, dann hat er eben nichts bekommen.

Es kann auch nicht das Ei des Kolumbus sein, daß heute der Grundbesitzer der Garant für qualitativ gutes Wasser ist. Er allein trägt die Kosten, und die Gesellschaft hat den Nutzen. Das Wasser kostet heute keinen Groschen! Hingegen kostet der Transport von Wasser ungefähr fünf bis 20 Schilling – die Rohrleitung, die Erhaltung und die Investitionen. Aber das Wasser selbst kostet bis heute keinen Groschen.

Es gibt ja Diskussionen darüber. Ich habe beispielsweise hier einen Brief von einem Bürger-meister, der sich vehement dagegen wehrt, daß er eine Entschädigung bezahlt. Die Landwirtschaftskammer hat ihm zurückgeschrieben, daß er verpflichtet ist, eine Entschädigung zu zahlen, wenn nachweisbar ist, daß der Grundbesitzer einen Kostenausfall hat. Die Gemeinden sind aber auf diesem Gebiet sehr schwerhörig.

Es ist heute bei uns selbstverständlich, daß gutes Wasser in ausreichender Menge vorhanden ist. Dadurch ist es für diejenigen, die es benützen, nichts wert. Alle anderen wissen schon, wie schwierig es ist, qualitativ hochwertiges Wasser auch weiterhin zu sichern. Wir reden heute groß davon, daß zum Beispiel der Attersee – oder der Fuschlsee – genug Trinkwasser für ganz Österreich hat. Das sind alles Seen mit Trinkwasserqualität. Da können wir leicht reden. Aber danach, was investiert worden ist, und nach denjenigen, die die Investitionen getätigt haben, fragt niemand! Denken wir nur an das österreichweite Kanalsystem. Das haben auch alle Bürger des Landes bezahlt. Natürlich ist da die Angst oder zumindest die Vorsicht gegeben, daß wir nach allem, was von den einzelnen investiert worden ist, letztendlich dann auch noch das verlieren könnten, was wir uns selbst hart erarbeitet haben.

Das ist die Intention unserer heutigen dringlichen Anfragen. Es fällt keinem ein Stein aus der Krone, wenn er heute unserem Antrag auf eine wieder bessere Fixierung und auf Sicherung unseres österreichischen Trinkwassers die Zustimmung erteilt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm dieses und möchte ihn darauf aufmerksam machen, daß seine Restredezeit noch 5 Minuten beträgt.

17.49

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Danke sehr, Herr Präsident! Ich werde diese Zeit entsprechend nützen.

Der Grund meiner Wortmeldung ist eine Geschäftsordnungsangelegenheit. Vorher möchte ich allerdings in Richtung des Kollegen Polleruhs sagen: Wenn er schon so genau darüber informiert ist, wie die Dinge in Graz laufen, dann wäre es sehr nett gewesen, wenn er das seinen Grazer Parteifreunden, aber auch uns und der Stadtregierung mitgeteilt hätte. Seit Monaten wird über den Verkauf eines Teiles der Grazer Wasserwerke – oder der gesamten Wasserwerke; es ist niemals eine genaue Zahl genannt worden – an den französischen Superkonzern SLDE gesprochen. Dieser Konzern ist gewinnorientiert. Schenken wird er uns also sicher nichts!

Herr Kollege! Ich lehne es ab, daß auf Kosten unserer Kinder, auf Kosten des Steuerzahlers, zum Zwecke einer kurzfristigen Budgetsanierung – auf diese Idee sind auch schon andere gekommen – dieser Deal in dieser Weise gestartet wird, wenn wir nicht Bescheid darüber wissen. Aus diesem Grund, Herr Kollege, haben auch Ihre Fraktionskollegen in Graz – so wie alle anderen, wie die SPÖ und natürlich auch wir – der Sondersitzung des Gemeinderates am 4. Februar zugestimmt, in der diese Fragen offen ausgesprochen und geklärt werden sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich stelle einen Antrag gemäß § 54 Abs. 4 auf namentliche Abstimmung und ersuche Sie, die Unterstützungsfrage zu stellen. Dieser Antrag bezieht sich auf


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jenen Entschließungsantrag, den Bundesrat Weilharter hier eingebracht hat, mit dem Betreff Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.51

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer. Ich erteile ihm dieses.

17.51

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Nur wenige Sätze dazu.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß das Wasserrechtsgesetz eine Bewilligungspflicht vorsieht, sofern eine Änderung des Zweckes der bestehenden Wasserbenutzung beabsichtigt ist – eine Veränderung des bestehenden Zweckes! Es ist nicht Aufgabe des Wasserrechtsgesetzes, die Änderung der Rechtsform eines allfälligen Bewilligungsinhabers zu beurteilen; das ist Aufgabe der Eigentümer eines Unternehmens oder einer Rechtsperson und ist dort zu ent-scheiden, wo es zu entscheiden ist.

Zweitens: Ich teile die Einschätzung von Herrn Dr. Königshofer, daß wir die Verfügung über unser eigenes Wasser auch in Zukunft haben wollen. Verfügung über unser eigenes Wasser bedeutet aber, auch selbst entscheiden zu können, was mit unserem eigenen Wasser passiert, und es ist damit unsere eigene Entscheidung respektive die Entscheidung von Bewilligungsinhabern, was mit dem Wasser tatsächlich geschieht. Ich würde es daher keineswegs ausschließen, daß in unserer eigenen Verfügungsgewalt, sofern die Interessen der inländischen Bevölkerung gesichert sind, jemand auf die vernünftige Idee kommt, das Wasser auch wirtschaftlich zu verwerten. Man soll doch einmal sagen, daß auch wirtschaftliche Vernunft durchaus angebracht ist.

Drittens: Herr Bundesrat Weilharter! Da Sie sagen, daß in der Mitterndorfer Senke nichts geschieht, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß vor kurzem die Sanierung der Berger-Deponie abgeschlossen wurde, und zwar mit einem Aufwand an öffentlichen Mitteln im Ausmaß von 2 Milliarden Schilling, und daß der Räumungsbescheid durch das Landwirtschaftsministerium in der Fischer-Deponie nun Rechtskraft erlangt, der – ebenfalls mit einem Aufwand von 2 Milliarden Schilling – die Sanierung der Fischer-Deponie bewirken wird. Wenn Sie 4 Milliarden Schilling zur Räumung von zwei Großproblemen nicht als Anstrengung dieser Bundesregierung sehen, dann weiß ich nicht, was Sie noch sehen wollen.

Zur Frage Europäische Union: Herr Bundesrat Gudenus! Ich bin im Gegensatz zu Ihnen durchaus der Meinung, daß es Sinn macht, daß die Europäische Union die Grundwasserreserven Europas erfaßt. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Ja, es wurde gesagt, daß das unsinnig sei. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nein!) Ja!

Österreich hat sogar eine ehrenvolle Aufgabe erhalten, nämlich für Europa, für die Europäische Union flächendeckend ein Grundwasser-Monitoring zu erstellen, weil wir mit Abstand die Besten auf diesem Gebiete sind und das dichteste Netz und die größte Erfahrung haben. Erst wenn ich weiß, wo ich Grundwasservorkommen habe, kann ich sie schützen, erst wenn sie geschützt sind, können sie sauber erhalten werden, erst wenn sie sauber erhalten sind, können sie als Trinkwasser genutzt werden, erst wenn sie als Trinkwasser genutzt werden können, stehen sie der Bevölkerung zur Verfügung, die sie braucht, und erst dies reduziert den Bedarf nach anderem Wasser. So gesehen ist das eine der vernünftigsten Strategien, die es überhaupt gibt!

Einen Satz noch zum Entschließungsantrag: Ich möchte die Bundesräte nur darauf aufmerksam machen, daß das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz ein Gesetz ist, das im Krisenfall anzuwenden ist. Die tagtägliche Anwendung des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes findet (Bundesministerin Mag. Prammer: ... zuständig!)  – nein, ich bin zuständig! – nicht statt. Das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz wird angewendet, wenn es Krieg oder eine Krise gibt; ich hoffe doch nicht, daß wir das wollen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nein, das stimmt nicht! Ein Gesetz ist gültig! ... und kriegsähnliche Zustände, dann kann das auch gebraucht werden!)  – Ja, ich sage


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es ja: Wir haben das Gesetz für den Fall einer Krise. Gott sei Dank haben wir keine Krise, daher wenden wir es nicht an – mehr wollte ich Ihnen nicht mitteilen.

Zweiter Punkt: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, an der Einstimmigkeit etwas zu ändern – ganz im Gegenteil, wir halten daran fest. (Bundesrat Dr. Harring: Bravo!) Weil es aber einstimmig ist, kann es nur einstimmig geändert werden, und wenn an der Einstimmigkeit festgehalten wird, kann es, wie gesagt, nicht verändert werden, und daher bleibt es einstimmig. Daher stellt sich diese Frage aus meiner Sicht nicht.

Es stellt sich auch der zweite Punkt des Antrages nicht, den ich übrigens nicht verstehe. Dort heißt es nämlich, daß § 105 des Wasserrechtsgesetzes bei gemeinschaftlicher Bewirtschaftung angewendet werden sollte. Gemeinschaftliche Bewirtschaftung gäbe es erst, wenn die Einstimmigkeit aufgehoben wäre, diese ist aber nicht aufgehoben, daher stellt sich diese Frage nicht.

Das wollte ich Ihnen zum Entschließungsantrag noch mitteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.56

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Weilharter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen vor.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt werden muß, stelle ich die Unterstützungsfrage.

Wer dieses Verlangen unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist ausreichend.

Die namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt, ich lasse daher namentlich abstimmen.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge, und zwar mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich bitte die werten Kollegen um eine deutliche Anwort und bitte Sie auch, die Sitzplätze einzu-nehmen. Sie können nur von Ihren Sitzplätzen aus abstimmen.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Crepaz und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Präsident Gottfried Jaud: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich gebe nun das Abstimmungsergebnis bekannt. Danach entfallen auf den Antrag 11 "Ja"-Stimmen und 34 "Nein"-Stimmen.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung der österreichischen Wasserressourcen ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Böhm, Dr. Bösch;

Dr. d'Aron;


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Eisl;

Mag. Gudenus;

Dr. Harring;

DDr. Königshofer;

Mühlwerth;

Dr. Tremmel;

Weilharter, Windholz.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Crepaz;

Drochter;

Farthofer, Fischer, Freiberger;

Giesinger, Grillenberger;

Haselbach, Hensler, Mag. Himmer, Dr. Hummer;

Konecny, Kraml;

Ledolter, Mag. Leichtfried, Dr. Linzer, Lukasser;

Meier, Dipl.-Ing. Missethon;

Ing. Polleruhs, Pühringer;

Rauchenberger, Richau, Rodek;

Schaufler, Schöls, Steinbichler;

Thumpser;

Vindl;

Weiss, Mag. Wilfing, Winter, Wolfinger.

*****

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Gottfried Jaud: Ich nehme nun die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 4 und 5 fort.

Weitere Wortmeldungen zu diesen Tagesordnungspunkten liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.


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Die Abstimmung über die vorliegenden Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Ozonbericht 1997 der Bundesregierung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 1998.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

6. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (III-184/BR und 5864/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Peter Rodek übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Peter Rodek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 6 über den Sicherheitsbericht 1997 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich kann daher von dessen Verlesung Abstand nehmen und mich auf den Beschlußantrag beschränken.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt mit Stimmenmehrheit den Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Gottfried Jaud: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Herr Bundesrat Ernest Windholz. – Bitte.

18.07

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Innenminister! Herr Justizminister! Hohes Haus! Der Sicherheitsbericht für das Jahr 1997 zeigt einmal mehr, daß die organisierte Kriminalität weiter im Vormarsch ist.

In Punkt 3.4.1 des Berichtes – dieser behandelt die organisierte Kriminalität – wird folgendes ausgesagt: "Den Kriminalitätsanalysen vieler westeuropäischer Staaten sind wenig erfreuliche Zukunftsprognosen hinsichtlich der Entwicklung des organisierten Verbrechens zu entnehmen. Die organisierte Kriminalität wird immer mehr zu einer Bedrohung der Gesellschaft."

"Kriminelle Verhaltensweisen sind nicht mehr nur einzelnen Personen, sondern immer mehr ganzen Organisationseinheiten zuzuschreiben, welche in zunehmendem Maße grenzüberschreitend agieren."

"In vielen Bereichen des organisierten Verbrechens kann Österreich nicht mehr als abgeschlossener Raum betrachtet werden."

Weiters heißt es: "Die organisierte Kriminalität begeht sehr unterschiedliche Straftaten. Die Tatbestände umfassen Wirtschaftsdelikte, internationale Kfz-Verschiebungen, Schutzgelderpressungen, organisierte Einbruchsdiebstähle ... Prostitution in Verbindung mit Zuhälterei und


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Menschenhandel, Geldwäsche, Suchtgifthandel und sonstige durch Gewinnsucht motivierte Straftaten und Herstellung und Verbreitung von Falschgeld."

Ich möchte mich mit zwei Punkten, die im direkten Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität stehen, besonders befassen. Der erste Punkt ist die Suchtgiftkriminalität, und der zweite Punkt ist der Menschenhandel beziehungsweise die Schlepperei.

Zur Suchtgiftkriminalität ist zu sagen, daß im Jahr 1997 insgesamt 17 868 Personen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes zur Anzeige gebracht wurden. Das ist eine Steigerung um über 10 Prozent. Besonders ins Auge sticht, daß dort, wo Verbrechenstatbestände gegeben sind, eine Steigerung um bereits 25 Prozent vorliegt. Besonders betroffen ist das Bundesland Niederösterreich, dort ist bei den angezeigten Personen eine Steigerung von 73,29 Prozent zu verzeichnen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Suchtgiftsicherstellungen im Jahr 1997 umfassen folgende Suchtgifte: 668 Kilogramm Cannabiskraut, 243,9 Kilogramm Cannabisharz, 102,9 Kilogramm Heroin, 86,9 Kilogramm Kokain, 5 243 Stück LSD-Trips und 23 521 Stück Ecstasy-Tabletten.

Ich habe im Ausschuß nachgefragt, wieviel von diesen Suchtgiften von den Organen der Zollverwaltung sichergestellt wurde. Im Ausschuß selbst konnte mir darauf keine Antwort gegeben werden. Ich habe mittlerweile Zahlen vorliegen und möchte Ihnen diese auch nennen:

Von den Zollverwaltungen wurden im Jahre 1994 221 Kilogramm Suchtgift sichergestellt, 1995 170 Kilogramm, 1996 236 Kilogramm und im Jahre 1997 118 Kilogramm.

Ich bringe das in direkten Zusammenhang mit dem Schengen-Informationssystem. Ich habe in der Sitzung vom 2. Juli 1998 bei der Einführung des Zollinformationssystemes darauf hingewiesen, daß es im Schengener Übereinkommen diesbezüglich drei Bestimmungen gibt, nämlich Artikel 92 Abs. 1, Artikel 99 Abs. 4 und Artikel 101 Abs. 1; das ist jene Bestimmung, in welcher die Zollverwaltungen vorgesehen sind.

Bei der Umsetzung im nationalen Recht – das findet sich in der Fahndungs- und Informationsvorschrift des Bundesministeriums für Inneres wieder – scheinen die Zollverwaltungen nicht beziehungsweise nur dort auf, wo Grenzkontrolle wahrgenommen wird. Ich habe schon damals angeregt, § 27 Abs. 9 dieser Vorschrift abzuändern. Das würde ein Mehr an Sicherheit für die Republik bedeuten, ohne daß damit Mehrkosten verbunden wären. Ich habe dies dem Herrn Innenminister auch schriftlich mitgeteilt. Wir sind in Kontakt getreten. Bis 13 Uhr heutigen Tages war ich der Meinung, daß dieses Schriftstück in ministeriellen Verstoß geraten ist. Ich freue mich, daß dem nicht so ist. Es hat mich ein Spitzenbeamter aus dem Innenressort informiert, daß es innerhalb der nächsten Wochen zu ersten Gesprächen zwischen Innenressort und Finanzressort kommen wird.

Herr Innenminister! Ich begrüße das ausdrücklich. Gerade gestern wurde einmal mehr der Beweis erbracht, daß auch die Zollverwaltungen ständig mit der organisierten Kriminalität zu tun haben. Es gelang nämlich gestern Zollwachebeamten der Sondereinsatztruppe Spielfeld, 1,3 Kilo Plastiksprengstoff, zwei Maschinenpistolen und eine Pistole sicherzustellen.

Nun zum Thema Schlepperei: Im Jahre 1997 wurden bundesweit 1 741 Täter, davon 1 408 Schlepper, 61 Organisatoren und 272 Beitragstäter, erfaßt. Im Jahre 1996 waren es vergleichsweise bloß 1 282 Personen, die wegen solcher Delikte ausgeforscht beziehungsweise aufgegriffen wurden. Auch die Zahl der Illegalen ist beträchtlich gestiegen. Dieser Trend setzt sich fort: Sowohl bei Schleppern als auch bei Illegalen gab es im Jahre 1998 einen deutlichen Anstieg.

Betreffend Schlepperei, Herr Bundesminister, habe ich Sie am 22. Oktober 1998 im Bundesrat gefragt, ob daran gedacht ist, den Strafrahmen für dieses Delikt zu erhöhen. Sie haben mir damals folgendes zur Antwort gegeben: Ich meine, daß jetzt ein Strafrahmen gegeben ist, der relativ hoch ist und auch ausreicht.


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Herr Bundesminister! Wir haben dazu eine andere Meinung. Die Schlepperei findet sich in drei Tatbeständen wieder, zwei davon sind im Fremdengesetz enthalten, und zwar im § 104 und im §105, und einer im Strafgesetzbuch, und zwar im § 104a. Sie zitieren bei den Strafbestimmungen gerne § 104a. Ich habe im Ausschuß nachgefragt, wie viele Schlepper nach den jeweiligen Strafbestimmungen zur Verantwortung gezogen wurden. Man konnte mir auch darüber keine Auskunft geben.

§ 104 ist geradezu eine Verharmlosung dieses Deliktes. Dort heißt es: "Wer vorsätzlich Schlepperei begeht oder vorsätzlich an ihr mitwirkt, begeht eine Verwaltungsübertretung."

Herr Minister! Die Qualifizierung "Verwaltungsübertretung" ist, so glaube ich, bei diesem Delikt wirklich nicht angebracht. Ich bringe daher einen Entschließungsantrag ein. Dieser Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Schlepperei

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert,

1. bis zum 1. April 1999 einen Entwurf zum Fremdengesetz vorzulegen, sodaß der Tatbestand der ‚Schlepperei’ (Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden) immer eine gerichtlich strafbare Handlung darstellt, der in jedem Fall ein erhöhtes Strafausmaß für gewerbsmäßige Begehung und den Wiederholungsfall vorsieht, und

2. die Kontrollen gegen illegale Einwanderung und Schlepperei an Österreichs Grenzen zu verstärken."

*****

Herr Minister! Aufgrund der steigenden Zahlen ist diese Forderung wohl mehr als berechtigt. Es kann doch nicht so sein, daß das Schleppen von bis zu fünf Personen verharmlosend und verniedlichend als Verwaltungsübertretung qualifiziert wird. Es kann nicht so sein, daß in Niederösterreich nach wie vor die Überwachung der grünen Grenze kaum gegeben ist.

Herr Minister! Es gibt Medien, die immer wieder versuchen, die Exekutive in ein Licht zu rücken, in dem sehr gerne von "Prügelpolizei" gesprochen wird. Es ist diesem Bericht zu entnehmen, daß an die Staatsanwaltschaft im Jahre 1997 insgesamt 964 Mißhandlungsvorwürfe gegen Organe der Sicherheitsbehörden herangetragen wurden. Im Jahre1997 wurden lediglich zwei dieser Fälle als berechtigt anerkannt, und da kam es dann zu einer Verurteilung. Es sind sicherlich beide Fälle zuviel, aber wenn man sich vor Augen hält, daß es über 25 000 Exekutivbeamte gibt, daß es Millionen Amtshandlungen gibt, schwierige Amtshandlungen, in deren Verlauf in Vermögensrechte eingegriffen und Freiheitsentzug vorgenommen wird, dann kann man auf die Exekutive, auf diejenigen Beamten, die für Sicherheit in Österreich sorgen, wirklich stolz sein. Ich darf mich namens der Freiheitlichen bei all diesen Beamten bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Anbetracht des Anwachsens der organisierten Kriminalität hat man sich natürlich auch die Frage zu stellen, wie der Minister auf diese Dinge antwortet. Ich kann hier klar sagen, Herr Minister, daß es seit Ihrer Amtsübernahme tatsächlich um vieles besser geworden ist. Allerdings fehlt noch einiges in der Umsetzung. Allzuoft hören wir Ankündigungen, die dann leider nicht umgesetzt werden. Zu erwähnen wäre vor allem die personelle Unterbesetzung.

Herr Minister! Diesem Bericht ist unter Punkt 4.2, "getroffene personelle Maßnahmen", folgendes zu entnehmen: Kriminaldienst: Einsparung von 44 Planstellen, Sicherheitswache: Einsparung um 60 Planstellen. Lediglich bei der Gendarmerie kam es zu einer Aufstockung um


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645 Planstellen, die jedoch davon herrührt, daß an die 2 000 Beamten aus dem Finanzressort in das Innenressort transferiert wurden, weil es eine Aufgabenstellung zur Durchführung der Grenzkontrolle gab, die früher vom Finanzressort durchgeführt wurde.

Herr Innenminister! Sie sind in diesen Dingen sehr geübt, und ich darf Sie in diesem Zusammenhang an das Doppelbudget aus dem Jahre 1996/1997 erinnern: Sie waren damals Beamtenstaatssekretär und haben es daher mitzuverantworten, daß bei diesem Budget insgesamt 958 Planstellen in der Exekutive eingespart wurden, vernichtet wurden. Das sind genau jene Planstellen, nach denen Sie heute laut rufen. Sie wollen noch 1 000 haben. Ich nehme zur Kenntnis, daß mittlerweile auch Sie der Ansicht sind, die wir Freiheitlichen schon damals vertreten haben, daß nämlich bei der Sicherheit nicht gespart werden darf. Sie geben allerdings noch immer, vor allem was diesen Bereich betrifft, falsche Antworten auf die Frage der steigenden Kriminalität.

Wir Freiheitlichen wünschen uns mehr Personal und bessere Ausrüstung und Rückendeckung für die Exekutive. Wir werden daher unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Windholz und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen gegen Schlepperei ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile ihm dieses.

18.19

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Bericht über die innere Sicherheit in Österreich im Jahre 1997 hat insgesamt ein erfreuliches Ergebnis zum Inhalt. Die Gesamtkriminalität ist gegenüber 1996 weiter rückläufig, und zwar um insgesamt 3 901 strafbare Handlungen und 478 Verbrechensdelikte, und erreicht damit die geringste Rate seit dem Jahre 1991. Besonders positiv gestaltet sich die Aufklärungsquote mit einem Anteil von 50,2 Prozent, wobei damit die zweithöchste Rate im vergangenen Dezennium erreicht werden konnte. Die Zahlen für 1998 sind in ihrer Tendenz ähnlich erfreulich.

Signifikante Anstiege gab es im gesamten Bereich der Sexualdelikte, bei denen eine Zunahme in absoluten Zahlen um 265 beziehungsweise 18,5 Prozent festzustellen war. Diese auffallend hohe prozentuelle Änderung ergibt sich allerdings aus den relativ geringen Deliktszahlen. So zeigt sich, daß ein Anstieg von 20 Prozent bei den Verbrechen der Schändung durch eine absolute Zunahme von sieben Fällen hervorgerufen wird.

Gravierender zeigt sich der Anstieg bei den Verbrechen des Beischlafs oder der Unzucht mit Unmündigen mit 21,3 Prozent oder 157 Fällen und bei den sonstigen Verbrechen gegen die Sittlichkeit mit 90 Prozent oder 90 Fällen. Von den Fällen der Vergewaltigung und geschlechtlicher Nötigung gemäß §§ 201 und 202 Strafgesetzbuch wurden 48 Fälle – das sind 9 Prozent – im Rahmen der Ehe oder Lebensgemeinschaft verübt. Maßgeblich für die erfreulich hohe Aufklärungsquote in diesem besonderen Deliktsbereich ist jener Umstand, daß sich Sexualdelikte – egal, ob es sich dabei um Verbrechen der Vergewaltigung, geschlechtlicher Nötigung, um Beischlafdelikte oder um Unzucht mit Unmündigen handelt – vorwiegend im sozialen Umfeld von Opfern und Tätern ereignen. Opfer sind dabei vorwiegend jugendliche Personen, gefolgt von der Altersgruppe der 19- bis Unter-25jährigen, wobei insgesamt fast ausschließlich weibliche Personen als Opfer betroffen sind. Täter waren im verstärkten Maße Männer über 25 Jahre. – Soweit die trockenen Zahlen dieses Berichtes.

Das Problem, welches sich dahinter verbirgt, ist vielschichtiger, geht es doch dabei fast immer um Gewalt, um sexuelle Gewalt und um Gewalt in der Familie. Die Täter sind überwiegend Männer. Sie kommen aus allen Schichten, haben alle möglichen Ausbildungen, sind in jeder Berufsgruppe vertreten und können auch nicht als Milieugeschädigte aus Problemfamilien bezeichnet


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werden. Es sind also nicht krankhafte Triebtäter, sondern ganz normale Männer, egal, ob sie sexuelle Gewalt ausüben oder Gewalt in der ursprünglichen Form.

Es ist auch Aufgabe des Parlaments, sich deutlich dafür auszusprechen, daß Gewalt keine Privatangelegenheit ist. Der Schutz der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, der Kinder und Frauen, muß deshalb verstärkt werden. Gewalt in der Familie, egal in welcher Form sie sich auch darstellt, muß mit aller Konsequenz und präventiv bekämpft werden. Ursachen und Wurzeln dieser Gewalt, die sich oftmals aus empfundener oder tatsächlicher sozialer Ungerechtigkeit ableiten lassen, müssen wir daher rascher erkennen, und wir müssen versuchen, sie von vornherein zu verhindern. Gewalttätige Männer gehören nicht nur aus der Wohnung verwiesen, sondern sie gehören auch therapiert.

Das seit 1. Mai 1997 bestehende Gewaltschutzgesetz mit der Möglichkeit des Wegweiserechtes und des Rückkehrverbotes hat sich bisher bestens bewährt. 1998 mußten Sicherheitskräfte bei rund 22 000 familiären Auseinandersetzungen einschreiten und dabei in rund 2 100 Fällen vorläufige Wegweisungen aussprechen. Durchschnittlich waren dies somit 55 Einschreitfälle und sechs Wegweisungen pro Tag.

Diese repressive Maßnahme ist natürlich nur ein erster Schritt, um den Opfern zu helfen. Der Ausbau von Interventionsstellen – derzeit gibt es bereits sechs derartige Einrichtungen – zur begleitenden Unterstützung von Opfern muß Hand in Hand mit Präventionsarbeit gehen. Familiengerichte, Strafjustiz, Familienberatungsstellen und Frauenhäuser bedürfen für diese Präventionsarbeit einer optimalen Vernetzung, um den reibungslosen Kontakt zueinander zu garantieren und Gewaltopfern das notwendige Maß an Verständnis entgegenzubringen, mit ihnen Solidarität zu üben und sie bei der Aufarbeitung der Gewalttat zu beraten und zu unterstützen.

Ein weiterer Aspekt, ebenfalls meist im familiären Umfeld, sind Delikte mit Waffengewalt. Sie alle kennen die fast täglichen Berichte in den Medien. Unzählige Menschen mußten bereits ihr Leben lassen, weil vermeintliche Probleme durch den Gebrauch von Schußwaffen gelöst wurden. Allein zwischen 1986 und 1996 wurden 166 Menschen zu Opfern von legalen Schußwaffen. Das entspricht einem Anteil von 51,5 Prozent aller Morde und Mordversuche, und innerhalb des Familienverbandes erhöht sich dieser Anteil gar auf 81,5 Prozent.

1,8 Millionen legale Schußwaffen gibt es in unserem Land. In jedem siebenten österreichischen Haushalt sind sie vorhanden. Es ist unvorstellbar, aber eine Tatsache, daß es mehr private Waffen gibt, als Bundesheer und Exekutive gemeinsam zur Verfügung stehen. Entsprechenden Schätzungen zufolge soll es zudem noch einige hunderttausend illegale Schußwaffen in Österreich geben, mit denen Verbrechen verübt wurden und werden, deren man jedoch offensichtlich erst nach vollendeter Tat habhaft wird.

Da das Recht der Menschen auf Sicherheit, auf Schutz vor Kriminalität und Gewalt ein zentrales Anliegen der SPÖ ist, fordern wir Sozialdemokraten ein Verbot von Privatwaffen. Wir unterstützen die Verschärfung des Waffengesetzes, wir sind für ein weitgehendes Verbot von Privatwaffen und für die Verschärfung der Strafen bei illegalem Waffenbesitz. Dieses Verbot soll unserer Auffassung nach noch in dieser Legislaturperiode, eben durch Verschärfung des Waffengesetzes, umgehend realisiert werden.

Lassen Sie mich Ihnen, meine Herren Minister, ebenso wie den Mitarbeitern in den beiden Ressorts und den 33 000 Exekutivbeamten zum Abschluß meines Beitrages noch den Dank dafür aussprechen, daß die Aufrechterhaltung der Sicherheit in unserem Land und die von Ihnen dabei vorgegebene Akzentuierung so erfolgreich sind. Seien Sie auch versichert, daß meine Fraktion weiterhin dafür sorgen wird, daß es insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit Kontinuität statt Experimente geben soll. Wir werden uns dabei weiter für eine effiziente Exekutive auf rechtsstaatlicher Basis und für eine Polizeiarbeit stark machen, die repressiv gegen Verbrechen vorgeht und präventiv Verbrechen vorbeugt.

Unser Bestreben ist ein transparentes und bürgernahes Sicherheitswesen, in dem demokratische Grundrechte der Bürger nicht eingeschränkt, sondern erhalten und gestärkt werden, dem


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zugleich aber die notwendigen technischen, rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten eingeräumt werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne nehme ich namens meiner Fraktion den vorliegenden Bericht 1997 über die innere Sicherheit in Österreich zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ sowie eines Bundesrates der ÖVP.)

18.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Franz Richau. Ich erteile ihm das Wort.

18.28

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren Beamten aus den Ministerien! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich möchte eingangs des Debattenbeitrages einen Fehler wiedergutmachen, den ich anscheinend im Innenausschuß am Dienstag gemacht habe. Ich konnte in der Schnelligkeit auf eine Frage nicht entsprechend antworten. Von der Freiheitlichen Partei wurde gefordert, daß im nächstjährigen Sicherheitsbericht eine Entschuldigung für die Aussage enthalten sein sollte, daß im Zuge des Briefbombenattentats mehrere "Aula"-Empfänger überprüft wurden. Ich möchte mich hier für meine 18jährige Tätigkeit als Gendarmeriebeamter fast entschuldigen, während der ich an die 1 000 Personen darüber befragt habe, ob sie irgendwo mit dem Auto gefahren sind, zur Aufklärung von Vergehen oder Verbrechen, weil ich dadurch anscheinend gegen irgendetwas verstoßen habe.

Ich möchte an die Freiheitlichen den Appell richten, die Gesetzgebung genauer zu betrachten und auch zu schauen, wozu ein Exekutivbeamter kraft Gesetzes und per Gelöbnis verpflichtet ist, nämlich alles zu tun, um Verbrechen oder Vergehen aufzuklären. – Das zum ersten.

Zum zweiten: Ich konnte gerade im Vorbeigehen das "NEWS" mitnehmen, wonach – ich zitiere, so wie Sie das gemacht haben – ein namhafter Mandatar Ihrer Fraktion Exekutivbeamte als "Trottel" beziehungsweise "Scherzkekse" hingestellt hat. Auch dafür, so glaube ich, ist es berechtigt, als Beamter und als Politiker eine Entschuldigung zu verlangen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Zu Jahresbeginn 1999 über den Bericht über die innere Sicherheit in Österreich aus dem Jahr 1997 zu diskutieren, ist angesichts der bekannten Rohdaten aus dem Jahr 1998 und der verschiedenen Vorfälle und Aufgriffe in den letzten Tagen und Wochen sehr schwierig. Der Bericht sollte eigentlich über das statistische Zahlenspiel hinaus von uns als Ausgangspunkt für neue und verbesserte Strategien und Maßnahmen gesehen werden.

Ich möchte an den Beginn meines Beitrages den Dank an die Beamten in den Ministerien für die Erstellung des Berichtes stellen, vor allem aber einen Dank an die Tausenden Damen und Herren in unserer Exekutive vor Ort, die uns und der österreichischen Bevölkerung – vielfach unter Einsatz ihres Lebens – ein sicheres Leben gewährleisten.

Es ist grundsätzlich erfreulich, wenn im Sicherheitsbericht 1997 zu lesen ist, daß es in einigen Bereichen der Kriminalitätsentwicklung zu einer Stagnation beziehungsweise zu einem leichten Rückgang gekommen ist. Faktum ist aber – Kollege Windholz hat das bereits berichtet –, daß es im Bereich des Suchtgiftmißbrauchs und des Suchtgifthandels im Jahr 1997 zu einer Steigerung um 20 Prozent im Handel und um zirka 11,5 Prozent im Mißbrauch gekommen ist.

Wenn man allein die Sicherstellung von verschiedenen Suchtgiften hernimmt: 150 Prozent Steigerung beim Cannabisharz, bei Heroin eine Steigerung von 81 auf 102,1 Kilogramm, bei Kokain eine Steigerung um zirka 20 Prozent auf 86,9 Kilogramm und so weiter, wenn man sich das vor Augen hält, dann entsteht ein Bild, das wir in Zukunft hoffentlich nicht immer haben werden.

Neben dieser Steigerung bei den Sicherstellungen und auch bei der Anzahl der Anzeigen ist auch eine massive Steigerung von fast 20 Prozent beim Anteil der Fremden in der Suchtgiftkriminalität feststellbar. Ich behaupte aufgrund der Aufgriffe und der Anzeigen aus dem Jahr 1998,


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daß bei einem Einsatz von noch besserem technischen Gerät und mehr Personal – darauf komme ich später noch zu sprechen – eine weit höhere Sicherstellung und Anzeigenerstattung möglich gewesen wären. Leider noch mehr, möchte ich hinzufügen.

Aufgrund der Daten des Sicherheitsberichtes 1997, der bekannten Rohdaten 1998 sowie aufgrund der bekannten und in den Medien in den letzten Tagen leider sehr stark präsentierten Entwicklung der Kriminalität – im besonderen in Österreich, aber auch in Europa und weltweit – gibt es für mich drei wesentliche Richtungen, die in diesem Bereich einzuschlagen wären: verstärkter Widerstand gegen jegliches Ansinnen einer Freigabe von Drogen oder eines leichteren Zugangs zu diesen; verstärkte Aufklärung der Jugend sowie der Bevölkerung im allgemeinen über Schulen, die Medien und alle in Frage kommenden Stellen; eine entsprechende Verbesserung der Einsatzmittel und der Technik sowie eine zwingend notwendige Verstärkung des Personals bei den erforderlichen Stellen, sprich: Suchtgiftgruppen bei den Polizei- und Gendarmeriedienststellen.

Faktum aus dem Sicherheitsbericht ist aber auch, daß es im Bereich des Grenzdienstes, bei der Sicherung der EU-Außengrenze, durch vermehrte Versuche des organisierten illegalen Grenzübertrittes zu einer extremen Mehrbelastung der einschreitenden Organe und Behörden gekommen ist. Die Zunahme der illegalen Grenzübertritte um über 22 Prozent im Bundesdurchschnitt und im einzelnen in Niederösterreich – hier widerspreche ich Kollegen Windholz – um 104 Prozent von 1996 auf 1997 zeigt, daß die Exekutive sehr wohl durch mehr Personal und ausgezeichnete Arbeit mehr geleistet hat.

Leider konnten nur durch auch ein Vergehen, nämlich durch einen illegalen Grenzübertritt von seiten Ihrer Mandataren, noch weitere Fehler aufgezeigt werden. Ich bin dafür, daß man Fehler aufzeigt, aber ich bin nicht dafür, daß man dafür ein Vergehen auf sich nimmt. Das ist abzulehnen!

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man auch die Entwicklung im Jahre 1998 dazunimmt, dann weiß man, wieviel Arbeit wir vor uns haben. Es ist eigentlich nur das Verdienst der ein-schreitenden Beamten, daß wir sowohl als Durchreiseland wie auch als ständiges Aufenthaltsland nicht von Illegalen überschwemmt werden. Ich konnte anläßlich einer EU-Wahlbeobachtung in Bosnien mit mehreren Oststaaten Kontakt aufnehmen, und es wurde mir von Polizisten, aber auch von der Bevölkerung berichtet, daß um uns noch mehrere tausend, wenn nicht hunderttausend Personen auf den Eintritt nach oder die Durchreise durch Österreich warten.

Ich stelle auch hiezu fest, daß wir diesbezüglich einen akuten Nachholbedarf haben. Wir haben einen Nachholbedarf vor allem im personellen Bereich. Wir haben auf gesetzlicher Basis mit der Novelle des Asylgesetzes Teile erledigt, konnten Verschärfungen erreichen, aber an Personal fehlt es. Mir ist schon klar, daß ein Mehr an Exekutive nicht immer gewollt wird. Wenn man draußen vor Ort Dienst verrichtet, so merkt man, es ist der Exekutivbeamte eigentlich nur dann gewollt, wenn Gefahr herrscht. Ansonsten will man ihn eigentlich nicht sehen.

Ich meine, daß an dieser Stelle die Forderung beziehungsweise der Appell, und zwar zum ersten an den Herrn Innenminister, um mehr Stärke innerhalb der Partei bei der Planstellenbewirtschaftung gerechtfertigt ist. Das gilt aber auch für meine Partei. Ich richte sehr wohl auch an meine Kollegen im Ministerrat die Forderung, daß einer Planstellenmehrbeschaffung über Ihren Antrag unbedingt stattgegeben werden muß. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Über die Zahl kann man diskutieren. Aber ein Minimum von 600 Beamten wird erforderlich sein, um dem Wunsch und dem Gesetz gemäß die Grenzen entsprechend zu sichern.

Ich möchte mich auch von hier aus ganz entschieden gegen jede Privatisierung der Schubhaft und der Abschiebung aussprechen. Meiner Ansicht nach sind das Hirngespinste, die gefährlich und nicht durchführbar sind.

Erlauben Sie mir zum Schluß noch einige Sätze: Sicherheit heißt auch ständiges Bemühen und Zurverfügungstellung entsprechender Mittel. Sicherheit gibt es nicht umsonst.


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Abschließend – initiiert von Kollegen Rauchenberger – betreffend das Waffengesetz: Faktum ist, daß die Diskussion rund um das Waffengesetz sowohl hier im Haus wie auch in der Öffentlichkeit offensichtlich die Bevölkerung sensibilisiert hat. Es ist erfreulich, daß die Delikte nach dem Waffengesetz um fast 29 Prozent zurückgegangen sind; das ist nachlesbar im Sicherheitsbericht 1997. Es ist auch klar, daß jeder einzelne Tote ein Toter zuviel ist. Es soll aber auch klar und deutlich gesagt werden, daß unser größtes Problem der illegale Besitz von Waffen ist.

Ich glaube, es ist der falsche Weg, die legalen und regulären Waffenbesitzer – es sind dies einige tausend in Österreich – zu kriminalisieren, sondern man muß alles daransetzen, den ille-galen Waffenbesitz, den Handel hintanzuhalten. (Beifall des Bundesrates Windholz. ) Ich gebe Kollegen Rauchenberger insofern recht: Vor allem der Besitz von und der Handel mit illegalen Waffen ist einer härteren Strafe zu unterwerfen.

Im übrigen wird unsere Fraktion dem Sicherheitsbericht, verbunden mit dem Dank an alle einschreitenden Beamten, gerne zustimmen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

18.37

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Diesen Sicherheitsbericht 1997 in den Händen zu halten, heißt natürlich, ein bißchen in die Abgründe der Seelen in Österreich zu schauen – nicht der österreichischen Seelen, sondern der Seelen Österreichs, denn es ist eine große Anzahl von Ausländerkriminalität damit verbunden. Es heißt aber auch, in ein sehr gut gemachtes Werk zu blicken, welches zwei Ministerien gemeinsam erstellt haben. Es gibt uns allen einen Einblick und bietet eine sehr große Möglichkeit, das zu finden, was man sucht.

Ich habe schon die Ausländerkriminalität angesprochen. Sie ist es, die die österreichische Bevölkerung sehr stark bewegt – so wie die Arbeitslosigkeit auch. Ein gewisser Zusammenhang in bezug auf Ausländer ist vorhanden. Es fällt bei diesem Punkt auf, daß die Ausländerkriminalität ... (Heiterkeit des Bundesrates Vindl. ) Das ist nicht zum Lachen, Herr Kollege, so ist es! Die Ausländer nehmen viele Arbeitsplätze ein, die Ausländer haben einen verhältnismäßig großen, ich glaube, fast 30prozentigen Anteil an den Verbrechen, und die Ausländer belegen daher auch sehr stark die österreichischen Gefängnisse. Sie haben einen starken Anteil am Bedarf an Infrastruktur.

Die Kriminalität hat sich, so scheint es, im großen und ganzen stabilisiert. Überhaupt geben diese Statistiken Einblick, in einzelnen Punkten ist es besser geworden, in anderen Punkten vielleicht nicht so. Grundsätzlich hält die Kriminalität derzeit auf einem hohen, aber stabilisierten Niveau.

Wir betrachten den Jahrgang 1997, aber es bleibt nicht aus, daß wir den Jahrgang 1998 einbeziehen. Da wird schon darauf hingewiesen, daß Schengen ein großer Erfolg war. Schengen wird mit der EU gleichgesetzt. Wir meinen, daß man manche dieser überstaatlichen Übereinkommen und verschiedenen Vertragswerke bei gutem Willen auch ohne EU hätte erreichen können und daß eben "Schengen" durchaus erfolgreich ist – unabhängig davon, ob wir jetzt die EU haben oder nicht, wenn wir es trotzdem als Schengen bezeichnen wollen. Das Ergebnis ist gut, das ist unbestritten. Ob jetzt der Schlagbaum offen ist oder nicht, wir hätten, so glaube ich, bei einer anderen politischen Konstellation – sprich: ohne das mit der EU zu verbinden – ähnliche Ergebnisse erreichen können.

Wenn wir einen, so glaube ich doch, hohen Prozentsatz an Kriminalität und Verbrechen und allem möglichen dieser Art haben, dann meine ich, hier die Frage einwerfen zu müssen, ob nicht eine Handlungsweise, wie sie in den Vereinigten Staaten üblich ist – ohne von dort alles abpausen zu wollen –, vorstellbar wäre, und zwar unter dem Wort: No tolerance!, damit die jungen Leute wissen, daß man Unrecht nicht ungestraft begehen kann, daß eben ab einem gewissen Alter auf keinen Fall mehr alles, was man tut, Lausbüberei oder prolongierter Faschings


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scherz ist. Mit diesem Verhalten der Exekutive und der Verwaltung und der österreichischen Bürger, streng Übertretungen zu ahnden – streng im Sinne der Gegebenheiten, die das Gesetz vorgibt –, kann man vielleicht zukunftsweisend die unglücklich hohe Statistik herunterbekommen. In diese Richtung scheinen die Aussagen aus dem anglo-sächsischen Raum, dort, wo das angewandt wird, zu gehen. Es wäre zu überdenken, ob wir nicht einen Versuchsbezirk oder ein Versuchsbundesland einrichten sollten, um solche Erfahrungswerte vielleicht zu verifizieren.

Ein Thema, das uns in den letzten Jahren natürlich immer bewegt, hat und weiterhin bewegt, ist das Thema Waffen, und zwar die legalen Waffen, Herr Bundesminister! Ich stehe auf dem altmodischen Standpunkt, daß jeder Bürger der Republik das Recht auf Notwehr hat. Dieses Recht auf Notwehr ist insbesondere dann wichtig, wenn exekutive Einrichtungen, besonders im ländlichen Raum, nicht in dem Nahbereich sind, in dem sie im städtischen Raum vorhanden sind. Ich bin aber durchaus der Meinung, daß jene, die das Recht der Notwehr mit einer Faustfeuerwaffe oder mit einem Gewehr in Anspruch nehmen, diese Waffen legal erwerben müssen und sich einer Schulung zum Gebrauch dieser Waffen unterziehen sollen. Daran soll es bei meiner Überlegung keineswegs scheitern, und es haben, wie ich glaube, auch Sie, Herr Bundesminister für Inneres, einmal gesagt – aber vielleicht war es auch schon Ihr Vorgänger –, daß jemandem – sei es ein Mann oder eine Frau –, der eine Waffe hat und sie nicht bedienen kann, dieses Gerät eher zum Verhängnis wird, als zum Schutz dient. Darin stimme ich mit Ihnen überein.

Daher meine ich: Schulung an der Waffe. Die legale Waffe gehört nicht schlechtgemacht, sie gehört den Bürgern ermöglicht. Der Bürger muß – ich wiederhole es – das Recht auf Notwehr haben. Das Notwehrrecht kann nicht immer auf die Allgemeinheit abgeschoben und durch die Exekutive wahrgenommen werden. Wenn wir dieses Recht wahrnehmen wollen – es ist ein Bürgerrecht, wie ich meine –, dann eben unter der Auflage, daß Waffen legal besessen werden und eine Ausbildung für den Gebrauch dieser Waffen erfolgt.

Zu fordern, daß illegale Waffen verboten werden, ist natürlich ein Unsinn. Illegale Waffen gehören möglichst gesammelt – die Exekutive weiß durchaus, wo man sie finden kann, und es wird auch versucht, sie zu sammeln –, aber sich am redlichen Bürger gewissermaßen schadlos zu halten, nur weil er eine Waffe hat, das halte ich für nicht so gut.

Es ist bekannt, daß Bürger, die Faustfeuerwaffen besitzen, überprüft werden. Auch ich werde überprüft, ob ich meine Faustfeuerwaffe noch habe. Das finde ich völlig in Ordnung – ich weiß nicht, ob es jährlich geschieht oder alle paar Jahre –, das soll so sein, aber man darf aber die Bürger nicht schikanieren. Die verschiedenen Überlegungen, die jetzt angestellt werden und die nur dazu beitragen sollen, dem Bürger den Erwerb und den Besitz einer legalen Waffe zu vermiesen oder zu verunmöglichen, halte ich jedoch für schikanös. Der Bürger hat das Recht auf Selbstverteidigung. Ich wiederhole dies!

Wir wissen, daß ein Großteil der Blutverbrechen – das wissen Sie, meine beiden Herren Minister, viel besser als ich – nicht mit legalen Waffen erfolgt. Wenn wir sehen, daß von den letzten 14 Schußwaffenopfern – offensichtlich sind das die Morde und Mordversuche im Zeitraum zwischen Oktober 1998 und Dezember 1998 – 13 durch illegale Waffen verletzt oder getötet worden sind, dann zeigt das, wie die Gewichtungen sind.

Wir sollen uns also darauf konzentrieren, daß Waffenbesitz möglich ist und Mordwaffen anderer Art ebenso der Ächtung unterliegen, etwa der berühmte Schraubenzieher oder das Küchenmesser. Niemand denkt daran, diese Instrumente zu verbieten und ihren Erwerb zu erschweren. Wer aber die Kriminalstatistik anschaut ... (Bundesrat Meier: Mit dem Küchenmesser macht man aber viel mehr andere Dinge als mit einer Pistole!) Bitte noch einmal, Herr Kollege! (Bundesrat Meier: Ein Küchenmesser wird viel mehr für andere Dinge gebraucht als Pistolen! Das Verhältnis der Tätigkeiten mit Küchenmessern im Vergleich zur Verwendung von Pistolen ist ein kraß unterschiedliches!) Wie wahr, Herr Kollege! Aber dieses eine Mal, zu dem es so verwendet wird, daß es zu einer tödlichen oder schweren Verletzung führt, ist sehr arg. (Bundesrat Meier: Sie vergleichen es aber!)


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Ich rede nicht dem Verbot des Küchenmessers das Wort, ich möchte nur die Gewichte hergestellt wissen und zum Ausdruck bringen, daß mit Küchenmessern, Schraubenziehern, Fäusten und ähnlichen Waffen Verbrechen geschehen. (Bundesrat Meier: Auch mit Blumenvasen!) Ich habe eine ganze Liste von Mordtaten und Blutverbrechen da, die nicht mit legalen Waffen geschehen. (Bundesrat Meier: Aber mit der Waffe schießt man nur, mit dem Messer macht man auch ganz andere Dinge!) Setzen wir nicht den einzelnen Menschen, der Waffen hat, ins Unrecht, sonst müßte auch Herr Arbeiterkammerpräsident Tumpel, der ein sehr begeisterter Waf-fenbesitzer ist, ins Unrecht gesetzt werden. (Bundesrat Meier: Das habe ich nicht getan! Ich habe niemanden ins Unrecht gesetzt!)  – Nein, nein, das wissen wir schon. Sie haben es nicht getan, aber es läuft auf die Sache hinaus.

Ich kann nur eines sagen: Der legale Waffenbesitzer – die große Zahl der legalen Waffenbesitzer Österreichs – ist ein redlicher Österreicher (Bundesrat Meier: Das ist richtig!), und diesen redlichen Österreicher möchte ich nicht ständig in Diskussion gestellt haben (Bundesrat Meier: Davon ist überhaupt keine Rede!), weder den Jäger noch den Sportschützen noch den, der seine Waffen einfach im Keller liegen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile ihm das Wort.

18.47

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Sicherheitsbericht 1997. Es wurde schon sehr viel dazu gesagt, aber ich darf doch noch einige Punkte hervorheben, die mir wichtig erscheinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der gerichtlich strafbaren Handlungen ist im Vorjahr um 0,8 Prozent, das heißt um 3 901 Fälle gesunken. Damit setzte sich dieser positive Trend auch im Jahr 1997 fort. Die Gesamtsumme der angezeigten Verbrechen und Vergehen betrug im letzten Jahr 481 549 Fälle. Im Jahr 1986 waren es noch 485 450 Verbrechen und Vergehen, die verübt worden waren. Die Aufklärungsquote lag ebenfalls wieder über 50 Prozent.

Für den Rückgang der Gesamtkriminalität in Österreich zeichnen vor allem folgende Delikte verantwortlich: Morde zum Beispiel minus 18,2 Prozent, unbefugter Besitz oder unbefugtes Führen von Waffen minus 28,6 Prozent, öffentliche unzüchtige Handlungen minus 17,6 Prozent, Hehlerei minus10 Prozent, fahrlässige Krida minus 6,9 Prozent – das könnte durch Umstände, die uns allen bekannt sind, 1998 eventuell wieder steigen –, Gefährdung der körperlichen Sicherheit minus 6,8 Prozent, Raub minus 6,1 Prozent. Die Gesamtzahl der strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen sank um 1,6 Prozent.

Der Rückgang im Bereich der Gewaltdelikte wie Mord oder Körperverletzung ist ein sehr positives Signal. Hier zeichnet sich eine Abflachung der Aggressionskurve ab. Diese Tendenz zeigt sich auch in der Abnahme der Delikte der Sachbeschädigungen.

Als besonders positiv ist der weitere Rückgang der Raubdelikte und der Einbruchsdiebstähle zu bewerten, denn Eigentumskriminalität ist immerhin eine Form der Kriminalität, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung am meisten negativ beeinflußt. Es werden auch kriminalpolizeiliche Beratungen durch die Exekutive von der Bevölkerung verstärkt und sehr positiv angenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch durch die Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens und die damit verbundenen Ausgleichsmaßnahmen im Inland erhielten Polizei und Gendarmerie mehr Möglichkeiten, um gegen große Bereiche der Kriminalität, vor allem aber gegen die international organisierte Kriminalität um vieles intensiver vorgehen zu können.

Die EU-Außengrenze Österreichs hat eine Länge von 1 460 Kilometern, davon sind 1 259 Kilometer Ostgrenze. Zur Sicherung der Außengrenze stehen im Endausbau, das heißt ab 1. März 1999, rund 6 000 Frauen und Männer im Einsatz, nämlich 3 000 Gendarmen – derzeit sind 250


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noch in Ausbildung –, zirka 2 000 Bundesheersoldaten, zirka 800 Zollwachebedienstete und zirka 200 Bedienstete der Bundespolizei, zum Beispiel auf Flughäfen oder auch im Donaudienst.

Mit dem Aufbau der Grenzüberwachung durch den Grenzdienst der Bundesgendarmerie, durch die Installierung des Schengener Informationssystems, durch Ausgleichsmaßnahmen und nationale sowie internationale Schwerpunktkontrollen ist Österreich Teil eines Sicherheitsverbundes geworden. Dieser Sicherheitsverbund gewährleistet Stabilität in der inneren Sicherheit, verstärkte Verbrechensbekämpfung und verstärkte Bekämpfung der grenzüberschreitenden internationalen und organisierten Kriminalität.

Die Kriminalitätsentwicklung im Jahre 1997 stellt für die österreichischen Sicherheitsbehörden eine sehr positive Bilanz ihrer Arbeit dar. Da zeigt sich der Trend eines Rückganges der Kriminalitätsbelastung, der sich fortsetzt, und es zeigt sich, daß die Sicherheitslage konstant und stabil ist. Die Aufklärungsquote mit – wie schon gesagt – über 50 Prozent liegt auch im euro-päischen Durchschnitt sehr gut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, daß wir mit Bundesminister Schlögl einen kompetenten und äußerst umsichtigen Mann in einem der wichtigsten Ressorts unserer Bundesregierung haben. Er führt dort Regie, und ich bin davon überzeugt, daß wir uns auch in Zukunft auf unseren Innenminister verlassen können. Während zum Beispiel zwei F-Mandatare in Niederösterreich die tschechische Grenze als so löchrig wie einen Schweizer Käse bezeichnen, bemüht sich unser Minister Schlögl mit seinen Beamten, das Beste für unsere Sicherheit zu tun. Ich darf mich daher hier an dieser Stelle sehr herzlich dafür bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Dem Grenzdienst in Niederösterreich wurde auch von Experten auf europäischer Ebene sowie von der amerikanischen Bundespolizei eine hohe Professionalität attestiert. Weiters wurden durch die massive Zuführung von besonders geschulten Beamten in den Grenzdienst und durch High-Tech-Ausstattung die Erfolgsquoten gewaltig gesteigert. Diese Kriminalitätsbekämpfung im Inland, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist mit der Grenzsicherung untrennbar verbunden. Deshalb verstehe ich auch die Kritik von Landeshauptmann Pröll nicht, der behauptet, daß nur jeder fünfte Illegale an der Grenze aufgegriffen werde. Ich glaube, das entbehrt jeder Grundlage, und ich bin davon überzeugt, daß das in Wirklichkeit nicht mehr als politisches Geplänkel ist.

Während Minister Schlögl mehr Personal fordert, bewirkt das Verhalten der ÖVP-Regierungskollegen gegenüber diesem Anliegen eher eine Behinderung der Sicherheitspolitik in Österreich. (Bundesrat Richau: Der Edlinger sieht das anders!) Und während, liebe Kollegen von der ÖVP, beispielsweise die Volkspartei laufend Forderungen erhebt und wohl auch parteipolitisch motivierte Kritik anklingen läßt, stellen sich die ÖVP-Parteikollegen im Bund doch eher gegen die notwendigen Personalaufstockungen der Exekutive. Was wir in Niederösterreich bis heute vermissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind doch einmal klare Worte des Landeshauptmannes Pröll zu diesem Doppelspiel innerhalb der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt darf ich abschließend sagen: Ich glaube, wir können dem Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich mit ruhigem Gewissen unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm das Wort.

18.57

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Winter hat natürlich die Rednerliste gekannt und hat trotzdem ein bißchen provoziert. Ich werde mir, lieber Kollege Winter, erlauben, diese Dinge auch anzusprechen, aber es müssen sich alle gedulden, die jetzt meinen, daß es ein niederösterreichisches Spiel gibt.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorerst einmal sagen, daß einem beim Studium des Sicherheitsberichtes bewußt wird, daß weder wir als verantwortliche Politiker noch die Gesellschaft sich aus der Verantwortung verabschieden können. Wir dürfen nicht einfach damit leben, daß es in allen Gesellschaften Menschen gibt, die nicht bereit sind, die Spielregeln dieser Gesellschaften einzuhalten. Dennoch ist aber eine Diskussion über einen Sicherheitsbericht keineswegs Anlaß dazu, nach der Devise "Das Böse ist immer und überall!" die Menschen zu verunsichern und generell Unsicherheit ins Land zu bringen. Die Verantwortung der Politik besteht darin, Mechanismen zu schaffen, daß jene Menschen, die nicht bereit sind, sich an die Spielregeln zu halten, merken, daß die Spielregeln auch für sie gelten, und daß jene Menschen, die bereit sind, beim Umsetzen dieses Grundsatzes an vorderster Front mitzuwirken, auch die entsprechenden Rahmenbedingungen bekommen.

Daher gilt mein besonderer Dank im Zusammenhang mit der Diskussion um den Sicherheitsbericht 1997 jenen Beamten der verschiedensten Bereiche, die sich – und zwar nicht hochdotiert, wie es manches Mal in der polemischen Diskussion dargestellt wird –, wie vom Gesetz vorgeschrieben, in Gefahr begeben und dabei etwas einsetzen, was Sie nur einmal haben, nämlich ihr Leben – und das teilweise zu einem "Hungerlohn." (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Herr Kollege Gudenus! Wir brauchen uns in dieser Frage hoffentlich nicht anzuagitieren. Sie kennen als öffentlich Bediensteter hoffentlich auch die Einstufung eines jungen Bediensteten beispielsweise im Strafvollzug oder auch im Bereich der Gendarmerie und der Polizei.

Daher gilt hier mein Dank jenen Kolleginnen und Kollegen ... (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Schlögl. ) Herr Bundesminister! Die Forderungen der Gewerkschafter sind manches Mal etwas höher. Der Dienstgeber kommt unseren Forderungen nur nicht immer nach. Ich bin aber optimistisch genug, zu glauben, in der nächsten Gehaltsverhandlungsrunde doch einen besseren Abschluß erzielen zu können.

Mein Dank gilt daher sowohl den Bediensteten der verschiedensten Wachekörper als auch den Bediensteten in den Verwaltungen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch den Tausenden Freiwilligen etwa in den Feuerwehren – um nur ein Beispiel zu nennen – danken, die im Bereich tätig sind und deren Tätigkeit auch in diesem Sicherheitsbericht erfaßt ist.

Grundsätzlich ist die Tendenz, die sich aus dem Sicherheitsbericht ergibt, eine erfreuliche. Wir können feststellen, daß wir in den meisten Fällen alles ausgeschöpft haben, was zur Verfügung steht. Ich möchte an dieser Stelle – gerade weil dieses Thema in den letzten Tagen in den Medien so stark vertreten war – die neue Fahndungsmethode der DNA-Fahndung herausstreichen und den Kolleginnen und Kollegen, die sich hier auch internationales Know-how aneignen, um einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung zu leisten, meinen Dank aussprechen.

Ich möchte aber auch auf die Wortmeldung von Kollegen Rauchenberger zur Frage des Waffengesetzes eingehen. Mein Eindruck ist, daß manche Wortspenden, die in sehr emotionalisierter Weise abgegeben werden und aus bedauerlichen Einzelfällen abgeleitet sind, mitunter nicht ganz verstehen lassen, was gemeint ist. Denn wenn der Herr Bundeskanzler aus Anlaß eines Attentates, bei dem jemand, für den bereits ein Waffenverbot gilt, mit einer illegalen Waffe Menschen bedroht, verlangt, daß ein Waffenverbot eingeführt gehört, dann kommt mir das so vor, als würde man aus Anlaß eines Vorfalles, bei dem jemand, der ohne Führerschein im alkoholisierten Zustand auf der Straße fährt, einen Todesfall verursacht, verlangen, daß die Bestimmungen für die Führerscheinprüfungen verschärft werden. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie der Freiheitlichen.) Jemanden, der sich außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen stellt, kann ich durch Maßnahmen dieser Art nicht "einfangen".

Ich bin daher der Meinung, daß wir bei aller notwendigen Verschärfung der Kontrollen – zu der ich mich bekenne – doch den Mut haben müssen, einzugestehen, daß die vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen einmal ausgeschöpft werden können. Denn die Beispiele, die uns sowohl aus England als auch aus den Vereinigten Staaten vorliegen, zeigen ganz deutlich, daß auf der einen Seite trotz absoluten Waffenverbots die Anschläge steigen und daß auf der anderen Seite trotz eines liberalen Waffenrechtes – das ich nicht brauche, auch das sage ich hier – die Anschläge rückläufig sind.


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Ich möchte aber im Zusammenhang mit der Diskussion zum Sicherheitsbericht, Herr Bundesminister für Inneres – wir haben ja hierfür zwei Ressortverantwortliche, von denen ich mich vorerst einmal an den Herrn Bundesminister für Inneres wende –, einige Dinge, die bei verschiedensten Anlässen angesprochen wurden, noch einmal in Erinnerung rufen. Vielleicht können Sie in Ihrer Wortmeldung auf einige dieser Punkte eingehen und dem Hohen Haus etwa den letzten Stand zur Frage der Sicherheitsakademie in Traiskirchen berichten, für die schon einige Male Spatenstiche stattgefunden haben. Ich hoffe nicht, daß die nächste Nationalratswahl der Anlaß für die dritte oder vierte Spatenstichfeier für die Sicherheitsakademie in Traiskirchen ist, sondern daß die Kommission tatsächlich Ergebnisse vorlegt.

Im Bereich des Funkverkehrs hat sich gerade in Niederösterreich und im Bereich Wien-Umgebung in den letzten Tagen wieder gezeigt, daß hier noch einiges aufzuholen ist.

Ich möchte auch die Diskussion um die Regelung der Schubhaft in der Ostregion in Erinnerung rufen. Wir kennen hier einige Pressemeldungen, laut denen es Zusagen des ressortzuständigen Bundesministers gibt, diese Frage zu lösen.

Mein Informationsstand, der auf Gesprächen mit den Verantwortlichen in Niederösterreich basiert, ist, daß das Land Niederösterreich jederzeit bereit ist, entsprechend einzusteigen. Ich möchte Sie bitten, uns über den derzeitigen Stand der Gespräche, vor allem bezüglich des Objektes im Zusammenhang mit dem Sicherheitszentrum am Flughafen Schwechat, im Hinblick auf die Frage der Schubhaft zu informieren.

Ich bedauere etwas, daß sich die Bediensteten der Bundesgendarmerie und der Polizei im Zusammenhang mit der Diskussion um den außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene vom Innenressort ein bißchen vernachlässigt gefühlt haben. Denn im ersten Entwurf war ja vorgesehen, auch den Widerstand gegen die Staatsgewalt einzubinden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine schriftliche Anfrage an den Herrn Bundesminister für Justiz, die ich mit einigen Kollegen gestellt habe, verweisen, in deren Beantwortung vom Herrn Bundesminister für Justiz angegeben wird, daß es vom Bundesministerium für Inneres überhaupt keine Stellungnahme zur Frage des § 269 StGB "außergerichtlicher Tatausgleich" gab. Ich bin froh, daß wir jetzt auf der parlamentarischen Ebene soweit sind und daß wir durch die Initiative auch der Vertreter der Österreichischen Volkspartei den Exekutivbeamten signalisiert haben, daß wir in dieser Frage eine Schutzfunktion für sie wahrnehmen.

Im Bereich der Ausrüstung der Exekutive hat sich Gott sei Dank sehr vieles gebessert, und ich möchte an dieser Stelle auch dafür danken.

Der nächste Punkt, der sicherlich anzugehen ist, ist die Ausrüstung mit Kraftfahrzeugen. Denn ich glaube, jener Umstand, der am 29. Juli 1998 eingetreten ist, nämlich, daß ein PKW der Marke Skoda – der in der PKW-Branche meines Erachtens nicht unbedingt zu den "Porsches" und zu den "Ferraris" gehört – von den Bediensteten der Gendarmerie im Bezirk Wien-Umgebung nicht eingeholt werden konnte, weil das Fahrzeug untermotorisiert war, deutet auf einen Punkt hin, der nicht unbedingt erfreulich ist.

Kollege Winter hat aus seiner Sicht sehr verständlich die Diskussion um die Personalsituation angesprochen – wenngleich er sie nicht ganz richtig wiedergegeben hat –, bei der es im Zusammenhang mit Forderungen um Aufnahmen auch in der Bundesregierung immer das politische Pingpongspiel gibt: Gibst du mir einen Lehrer, dann gebe ich dir einen Gendarmen und so weiter.

Ich möchte dieses Spiel ganz bewußt nicht aufgreifen, sondern ich darf in Erinnerung rufen, Herr Bundesminister – damit wir nicht Zuständigkeitsprobleme mit dem Bundesland Niederösterreich wie in der Frage der Schubhaftplätze oder in bezug auf die Personalsituation mit Mitgliedern der Bundesregierung aus der Koalitionsgruppe haben –, daß der Vizepräsident des Bundesrates, Herr Jürgen Weiss, in der Fragestunde am 23. Oktober 1997 die Frage der Einsichtnahme der Organe der Gemeinde-Sicherheitswache in die KFZ-Zulassungsevidenz angesprochen hat und daß in dieser Frage der ressortverantwortliche Minister, der auch Ihr Amtsvorgänger in der Funktion des Innenministers war, Herr Bundesminister Einem, zuständig ist. Ich möchte darum


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bitten, daß dieses Problem abgeschafft wird und daß die Organe der Gemeinde-Sicherheitswache möglichst rasch auch im Sinne einer effizienten Fahndung die Möglichkeit einer solchen Einsichtnahme bekommen.

Das rote Licht leuchtet. (Bundesminister Mag. Schlögl: Schon seit einiger Zeit!) Ich möchte aber trotzdem auch noch den zweiten Punkt im Zusammenhang mit dem Sicherheitsbericht ansprechen (Bundesminister Mag. Schlögl  – zu Präsident Weiss gewandt –: Sie sind großzügig!), und dieser betrifft das Ressort von Herrn Bundesminister Michalek.

Ich darf danken dafür, daß sich in letzter Zeit einiges geändert hat, vor allem, was die Frage der Situation der im Strafvollzug beschäftigten Kolleginnen und Kollegen betrifft. Wir haben mit großer Freude vernommen, daß die Ausrüstung mit Pfefferspray und, wie es im Fachjargon so schön heißt, auch der "Achter" jetzt möglich ist und daß jeder im Strafvollzug Bedienstete jetzt tatsächlich mit den Handschellen unterwegs ist und nicht ein Paar Handschellen irgendwo abgelegt ist.

All diese Dinge hat es gegeben. Sie wurden Gott sei Dank beseitigt. Ich darf mich dafür an dieser Stelle sehr herzlich bedanken.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber doch auch die Personalsituation ansprechen, denn wir hören in den Medien immer wieder von spektakulären Geiselnahmen und Ausbrüchen und so weiter. (Bundesminister Dr. Michalek: Aber Gott sei Dank nur im Ausland!) Viele Menschen, die keine Ahnung haben, wie sich die Situation darstellt, fragen: Wie funktioniert denn das? – Wenn, wie in der derzeitigen Situation, einer Gruppe von 20 oder 30 Strafgefangenen in einer Werkstätte ein Exekutivbediensteter gegenübersteht, dann, glaube ich, ist das sicher zu wenig. Ich möchte daher an dieser Stelle die Bitte an Sie aussprechen, hier tätig zu werden.

Zum Abschluß, Herr Bundesminister, möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der in den letzten Tagen und Wochen vor allem im Zusammenhang mit der Neubestellung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes doch etwas stärkere Beachtung gefunden hat, nämlich die Personalsituation in den Gerichten. Ich denke hier nicht so sehr an das richterliche Personal, sondern ich meine primär das nicht-richterliche Personal. Ich hätte hier sogar Bildmaterial, das dokumentiert, wie sich die Situation darstellt, aber ich glaube, ich kann darauf verzichten, das hier zu beweisen. Ich möchte darum bitten, daß wir gemeinsam versuchen, auch in diesem sehr sensiblen Bereich die entsprechende personelle Beschickung sicherzustellen.

Dies waren einige konstruktive kritische Worte, die ich mir anzubringen erlaubt habe, die aber nicht dazu führen, daß die Österreichische Volkspartei und ich dem Sicherheitsbericht nicht die Zustimmung erteilen werden. Mit dem Dank an alle, die versucht haben, sehr viel für die innere Sicherheit des Landes zu tun, darf ich Ihnen mitteilen, daß wir dem Sicherheitsbericht die Zustimmung erteilen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesminister Mag. Schlögl: Ein wenig mehr Lob wäre möglich gewesen!)

19.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort.

19.11

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Vizepräsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren im etwas spärlich gefüllten Saal des Plenums! Auch ich möchte sagen, Herr Bundesminister, daß sich der vorliegende Sicherheitsbericht wohltuend – oder wohltuender – von den vergangenen abhebt. Ich möchte auch namens der freiheitlichen Fraktion hiermit in der gleichen Weise den Dank an die vielen Beamten, die vielen in diesem Bereich Tätigen aussprechen und mich für ihr Wirken für unsere Heimat Österreich herzlich bedanken.

In diesem Dank möchte ich allerdings die Feststellung inkludiert haben, daß zur Grenzsicherung auch maßgebliche Teile des österreichischen Bundesheeres beitragen, und der Dank sollte auch dorthin weitergeleitet werden. Gerade die Causa Niederösterreich, das kleine Koalitions


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geplänkel zwischen Winter und Schöls, hat aufgezeigt, daß die Grenze doch nicht in jenem Ausmaß dicht ist – kommen Sie schon, Herr Kollege, da müssen Sie sich hinsetzen, zuhören (Bundesrat Winter  – auf seinen Platz zurückkehrend –: Mach ich schon! Mach ich schon!), und dann bekommen Sie all das serviert, was Sie brauchen –, wie dies sein sollte.

Gerade das Bundesheer – ich habe das schon in einer der Anfragen dargelegt – unterstützt ja aus seinen Ressortmitteln diesen Sicherungs- und Grenzeinsatz. Es wäre, bitte, höchst an der Zeit, daß diese Mittel für die Zwecke der Landesverteidigung zum Bundesheer zurückfließen.

Ich habe gesagt, daß sich dieser Bericht in der Tendenz doch erfreulich von anderen abhebt; es sind aber noch erhebliche Schatten der Vergangenheit in diesem Bericht enthalten, und es widerspiegeln sich darin auch politische Vorgänge, die der Ideologie der Sozialdemokraten entsprechen, sodaß die materielle Tendenz des Sicherheitsberichtes keine gute ist. Das organisierte Verbrechen, die organisierte Kriminalität explodiert. Wir haben eigentlich kein richtiges Mittel parat, um diese Gefahr für Österreich wirksam zu bannen. Außerdem wird der Möglichkeit, daß es zur Einsickerung, zur Illegalität kommen kann, gesetzlich Vorschub geleistet. Ich erinnere an die Schubhaft: Infolge der Überfüllung der Schubgefängnisse werden die Leute bescheidmäßig gegen das Versprechen, sich einmal in der Woche zu melden, freigelassen. Die meisten melden sich nicht mehr und tauchen unter.

Weiters wäre hier die sogenannte Aufenthaltsverfestigung nach vier Jahren zu nennen. Dies ist etwas Einmaliges in einem EU-Land, daß man nach vier Jahren Aufenthalt in Österreich bleiben darf und nicht ausgewiesen wird. Das gibt es in keinem anderen EU-Land. Bei uns in Österreich gibt es das.

Es ist auch verständlich, daß Minister Schlögl dann Alarm schreit und vom Mißbrauch des Asyls spricht. Die Zahl der Asylanträge explodiert also: 14 000! Der von Minister Schlögl aufgezeigte Mißbrauch des Asylrechtes spielt sich in immer stärkerem Ausmaß ab. Mehr als ein Drittel der Asylverfahren – genau sind das 3 480 bis 31. Oktober vorigen Jahres – mußten heuer eingestellt werden, weil – und jetzt merken Sie auf – die Asylwerber nach Antragstellung einfach nicht mehr erschienen und in Österreich untergetaucht sind. – Das nur als Vorbemerkung.

Ich darf auch noch eine Bemerkung zu Kollegen Winter machen, der gesagt hat, FP-Mandatare haben hier die Grenze gewechselt. (Zwischenruf des Bundesrates Winter. )  Nun ja, um aufzuzeigen, wie "dicht" diese Grenze ist! Das ist ja sogar ihre Aufgabe – auch Ihre Aufgabe, bitte! –, dafür zu sorgen, daß Sicherheit in diesem Lande gewährleistet ist, und nicht nur Sprüche zu führen (Beifall bei den Freiheitlichen) und zu sagen: Bitte, die sind hin- und hergefahren. – Nun, sie sind hingefahren und vor Ort gewesen, sie haben sich interessiert dafür, zu sehen, was die Beamten machen. Sie dagegen machen hier nur ein paar Sprücherl. Das ist zu wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Dazu muß man nicht ein Grenzgänger sein, um das festzustellen! – Bundesrat Eisl: Schöls hat auch applaudiert! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Wenn die Zwischenrufe exakt und laut genug kommen, werde ich auf diese eingehen. Wenn das aber nicht der Fall ist und wenn es hergenuschelt ist (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), dann werde ich das nicht hören können.

Ich werde mich daher mit zwei Problembereichen beschäftigen: einerseits mit der Briefbomben-causa auf Seite 169 und andererseits mit dem illegalen Waffenhandel.

Erstens: Briefbomben. Hier wurde richtig – ich habe auch gesagt, daß der Bericht in diesem Punkt sehr ordentlich abgefaßt ist – die Ergreifung des Täters – wie es zu seiner Ergreifung kam – geschildert. Es wird auch eine Feststellung getroffen, die sich erstmals wohltuend von anderen Berichten abhebt: Die bisherigen Erkenntnisse der mit der Ermittlung befaßten Stellen lassen darauf schließen, daß es sich bei dem Verdächtigen um einen Einzeltäter oder zumindest um einen Mittäter jener Gruppe handelt, die unter dem Pseudonym "Salzburger Eidgenossenschaft" oder "Bajuwarische Befreiungsarmee" für die Brief- und Rohrbombenanschläge seit Dezember 1993 in Österreich und in Deutschland verantwortlich ist. – Hier wurde der Erhe


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bungsstand richtig wiedergegeben, und er wurde in dieser Richtung dann auch weiter erhärtet, was sich auch bei der Untersuchung der Baumaterialien gezeigt hat.

Ganz anders, Herr Minister, was in den vorausgehenden Berichten zu diesem Punkt zu lesen war. Kollege Böhm und meine Wenigkeit haben in der 627. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli vorvorigen Jahres folgende Feststellung getroffen: In dem Kapitel, das sich mit der Untersuchung zur Aufklärung der Briefbomben und Rohrbomben befaßt, heißt es in der "Bombenserie 2" auf Seite 155 zunächst einmal wörtlich – wie damals von Kollegen Königshofer zitiert –: "Zusätzlich zu den Fahndungs- und Ermittlungsschritten wurden zirka 350 Hinweise überprüft, 17 Hausdurchsuchungen und 28 Zellendurchsuchungen bei in Haft befindlichen Rechtsextremisten durchgeführt sowie 4 Telefonüberwachungen ..." – und so weiter. Es heißt dann weiter – ich lasse hier einiges aus –: "Es wurden alle in Österreich bekannten Personen der rechten Szene" – was ist das? – "zu ihrem Alibi verhalten." – Zitatende.

Das Ganze hat zu einer objektiven Sachinformation überhaupt nicht beigetragen, sondern die Ermittlungen wurden teilweise mit erheblichem finanziellen Aufwand in eine falsche Richtung geführt. Das ist das Unglaubliche! Kollege Richau hat diesen Vergleich getroffen, indem er gesagt hat, er versteht die Aufregung nicht: Da wird einer beim Autofahren angehalten, und dann wird der Führerschein überprüft. – Ich werde auf die Dinge noch genauer zu sprechen kommen. Das ist an und für sich unglaublich: Hier wurden Hunderte Personen diskriminiert! – Ich werde etwas länger reden, Herr Präsident. Ich bin erst beim ersten aufgezeigten Punkt.

Es hat in der Folge eine Hausdurchsuchung bei der "Aula" gegeben, bei der die gesamte Interessentenkartei beschlagnahmt wurde, wobei es zu besonderen Übermittlungen gekommen ist. Ich kann das nur so darstellen, denn ich will nicht unterstellen, daß die gesamte Interessentenkartei und die gesamte Bild- und Schriftkartei einer bestimmten Stelle zugegangen ist. Es hat in diesem Zusammenhang einen entsprechenden Bericht des DÖW, des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes, das hier sehr vielfältig tätig ist, gegeben, der als Grundlage für diese Hausdurchsuchung herangezogen wurde. Das möchte ich Ihnen ein wenig zu Gemüte führen.

Es heißt in diesem Entwurf: In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Sprachwissenschaftlern, Psychologen, Zeitgeschichtlern wurde versucht, ein Täterprofil zu erstellen, das auf den vorliegenden Bekennerschreiben sowie auf der Auswahl der Opfer der Bombenanschläge basiert. Zusammengefaßt ergibt sich dabei folgendes Bild: Das politische Bewußtsein beziehungsweise das Geschichtsbild des Bekennerbriefverfassers ist geprägt von einer extrem deutschnationalen, ja geradezu germanisch-rassistischen Einstellung, die mit antislawischer und im besonderen antislowenischer Haltung korrespondiert.

Weiter unten heißt es: Es ist davon auszugehen, daß eine Person mit einem solchen Geschichtsbewußtsein nicht völlig isoliert existiert, sondern in ein politisch-gesellschaftliches Milieu eingebettet ist. Das politische und geschichtliche Bewußtsein muß ja von bestimmten Einflüssen publizistischer Art geprägt werden. Ein solches mit dem Täterprofil korrespondierendes Milieu ist im Umfeld der Zeitschrift "Aula" anzutreffen. Diese von einer Arbeitsgemeinschaft freiheitlicher Akademikerverbände herausgegebene, in Graz erscheinende Zeitschrift repräsentiert ein breites politisches Spektrum des Deutschnationalismus – in Klammer: vom Neonazismus bis zu demokratischen Positionen – und veröffentlicht immer wieder Aufsätze mit historischen Inhalten, denen ein deutschnationales Geschichtsbild zugrunde liegt. (Ruf bei der SPÖ: War das falsch?)

Was falsch ist, das werden wir erst sehen! Daß es da zu einer Untersuchung gekommen ist, daß eine Kartei beschlagnahmt wurde, daß Hunderte Personen, Kranke et cetera, in Voruntersuchungen befragt wurden, das ist das Ungeheuerliche! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Und jetzt geht es noch weiter: Das Bekanntwerden dieses Artikels, dessen Verfolgung nach § 383 StGB noch zu prüfen wäre, hat zur Distanzierung seitens Dr. Jörg Haider – hier ist dann der Konnex hergestellt worden; das ist extemporiert, was ich jetzt gesagt habe – und in der Folge zur Einstellung der Subventionen der Steirischen Landesregierung für die "Aula" geführt.


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Abschließend heißt es dazu, daß der Bekennerbriefverfasser unter den Lesern dieser Zeitschrift zu finden ist, vielleicht sogar Beiträge oder Leserbriefe verfaßt hat. Insbesondere ist es notwendig, heißt es da weiter, den Verfasser des genannten Artikels vom März 1986 auszuforschen.

Daraufhin, aufgrund dieser Anzeige, wurde, wie schon ausgeführt, die gesamte Interessentenkartei beschlagnahmt, und es wurden Hunderte Personen befragt und voruntersucht.

Abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden, abgesehen davon, daß hier eine breite Gruppe politisch diskriminiert wurde, Herr Minister, würden wir erwarten, nachdem sich hier eindeutig herausgestellt hat, daß das eine Ermittlung in die falsche Richtung war, die noch dazu Millionen Schilling gekostet hat, daß im entsprechenden Innenbericht die Richtigstellung dahin gehend erfolgt, daß das eine Ermittlung in falscher Richtung war.

Meine Damen und Herren! Ich sage das deswegen, weil im Sicherheitsbericht 1995 unter "Einschätzung und Beurteilung" folgendes geschrieben steht: Eine Analyse der in Österreich verbreiteten tendenziösen Medien bestätigt, daß ein bestimmter Personenkreis mit Positionen im Machtbereich unserer Gesellschaft eine wohldurchdachte rechtsextreme Gefühlspolitik betreibt und damit den Resonanzboden für rechtsextreme Ideologie erzeugt. Diese Entwicklung wird durch die Krisenerscheinungen im ökonomischen Bereich verstärkt – Arbeitslosigkeit, Verteilerkonflikte. Auch 1995 war die Ausländerpolitik Hauptbeweggrund für die Verbreitung rechtsextremer Orientierung. Unter dem Deckmantel der oft beschworenen Meinungsfreiheit werden immer wieder rechtsrevisionistische Thesen thematisiert.

Das steht im Sicherheitsbericht, obwohl wirklich nur Tendenzen zu erkennen sind, für die keinerlei Beweis vorhanden ist. Die Folge war, daß es letztlich zur Beschlagnahme der Interessentenkartei der "Aula" und zum Gutachterbericht des DÖW gekommen ist.

Es soll dem Hohen Haus auch nicht verheimlicht werden, wie das DÖW gefördert wurde. Seit 1994 hat das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes einen Werkvertrag mit dem Bundesministerium für Inneres. Aber das ist nicht die einzige Bezugsquelle. 1998 hat das DÖW vom Bundesministerium für Justiz 150 000 S an Subvention erhalten, und zwar unter dem Titel "Auseinandersetzung mit Vorkommnissen in der Vergangenheit".

Wir haben heute hier den Kulturbericht – ein sehr breites Spektrum, wie man sieht – diskutiert, und auch hier ist das DÖW bedacht. Es hat da also von Regierungsseite eine eindeutige Förderung eines Bereiches stattgefunden, der mit seinen sogenannten Rechtsgutachten – im Volksmund sagt man dazu "Verleumdung" – dazu beigetragen hat, daß eine Zeitschrift wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, daß die Interessentenkartei beschlagnahmt wurde, daß sie beinahe vernichtet wurde. So etwas darf es doch nicht geben!

Die Leser der "Aula" und diejenigen, die da untersucht und von Beamten aufgesucht wurden, verdienen es, daß sie zumindest eine Rechtfertigung erhalten, daß sie schuldlos waren. Denn die Ermittlungen sind – das steht hier in diesem Bericht, und dafür danke ich auch – eindeutig in die falsche Richtung gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Weiteres – ich habe meine Redezeit erheblich überschritten und bitte daher um Verständnis – ist die Frage des illegalen Waffenhandels, im Innenbericht auf Seite 194 behandelt. Es hat soeben in einer kleinformatigen Zeitung folgende Schlagzeile gegeben: "Armee von Verbrechern bedroht ganz Westeuropa". Ich nehme den illegalen Waffenhandel unter anderem deswegen her, weil hier festgestellt wird, daß – beginnend mit der Jugoslawienkrise und so weiter – aus sehr vielen westeuropäischen Ländern und aus beinahe allen Ländern des ehemaligen Ostblocks Waffenlieferungen in das ehemalige Jugoslawien erfolgen.

Hier wird unter anderem auch festgestellt, daß der Flughafen Wien-Schwechat eine Rolle spielt. Dann wird aber festgestellt, daß aufgrund der Statistik ein Rückgang gegenüber dem Jahr 1996 festzustellen ist. Ich meine aufgrund der vielfältigen Krisengebiete allerdings, daß es eher eine Vergrößerung der Dunkelziffer gegeben hat und weniger zu einem Rückgang gekommen ist. Meine Damen und Herren! Wir können es uns nicht leisten, daß Österreich nach wie vor eine Drehscheibe des illegalen Waffenschmuggels ist.


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Sie finden in diesem Innenbericht die Entwicklung der fremden Tatverdächtigen von 1975 bis 1995 aufgelistet. 1975 waren es 9,7 Prozent, 1997 waren es 30,9 Prozent.

Die organisierte Kriminalität – diesbezüglich brauche ich Ihnen gar nichts mehr darzulegen. Wir wissen, daß wir an diesem Knochen zu nagen haben, und ich hoffe, wir "schaffen" diesen Knochen im Interesse unseres Landes.

Es wurde heute auch über den illegalen Waffenbesitz gesprochen. Meine Damen und Herren! Wenn man davon spricht, Menschen mit oder ohne Waffen zu töten, möchte ich feststellen: Die Gewalt beginnt im Kopf, sie beginnt im Hirn! Alles andere, was ich dazu benutze, ist nur ein Instrument. Ich möchte nicht, daß es heute zu einer Entwaffnung von Opfern  – und wir alle sind potentielle Opfer – kommt. Unter diesem Aspekt sehe ich die Frage, ob man Waffen verbieten oder erlauben soll.

Sorgen wir einmal dafür, daß die illegalen Waffen aufgegriffen werden! Vermeiden wir, daß die legalen Waffenbesitzer, die zu 99 Prozent anständige, fleißige und brave Staatsbürger sind – es ja bedauerlich, daß man das überhaupt sagen muß –, die überhaupt nie etwas Strafbares getan haben, immer wieder mit gewissen Vorstößen kriminalisiert werden. Das ist abzulehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich bringe daher namens meiner Klubkollegen Dr. Bösch, Mag. Gudenus, Eisl, Weilharter und Kollegen und in meinem Namen einen Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel ein. Ich habe schon ausgeführt: Seit über einem Jahr haben wir ein verschärftes Waffengesetz in Geltung, aber die entsprechenden Straftaten mit illegalen Waffen haben nicht abgenommen, sondern eher zugenommen. Auch die jüngsten bedauerlichen Straftaten in der Steiermark und in Kärnten wurden mit illegalen Waffen verübt. Wir bringen daher einen Entschließungsantrag mit folgendem Inhalt ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel.

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, im Rahmen der geltenden Gesetze endlich entsprechende Schritte gegen den illegalen Waffenhandel und den illegalen Waffenbesitz zu unternehmen beziehungsweise durch verstärkte Kontrollen und sonstige Maßnahmen gegenüber ,gewaltbereiten’ Personen vermehrt die rechtstreuen Bürger zu schützen."

*****

Ich bitte um Annahme dieses Entschließungsantrages. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel ist genügend unterstützt und steht demnach auch in Verhandlung.

Ich habe die nächste Wortmeldung von Herrn Bundesminister Schlögl. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.33

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ministerkollege! Das war jetzt eine sehr ausführliche Debatte über den Sicherheitsbericht des Jahres 1997, und ich glaube, unabhängig von den Positionen der einzelnen politischen Parteien konnte doch in den verschiedenen Redebeiträgen sehr klar festgestellt werden, daß die Sicherheitslage in Österreich im Vergleich zu vielen ande


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ren Staaten Europas, im Vergleich zu vielen anderen Staaten der Welt eine beneidenswert gute ist. Im Bereich der Kriminalität und der Entwicklung der Kriminalität gehört Österreich zu den Ländern, die im untersten Drittel Europas liegen, und im Bereich der Aufklärungsquote liegt Österreich nach Griechenland überhaupt an der zweiten Stelle.

Ich glaube, das zeigt, daß die Arbeit, die die österreichische Exekutive in den letzten Jahren geleistet hat, eine hervorragende ist. Diese Zahlen zeigen auch, daß es uns gelungen ist, nach einem deutlichen Anstieg der Kriminalität Ende der achtziger Jahre, Anfang der neunziger Jahre, ab dem Jahre 1994/1995 eine Trendumkehr einzuleiten, und daß diese Trendumkehr sich auch im Jahr 1997 fortgesetzt hat. Im Jahre 1998 ist eine noch bessere Entwicklung zu erwarten, als das im Sicherheitsbericht 1997 der Fall war.

Daß sich die Kriminalität Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre so drastisch entwickelt hat, hat verschiedene Ursachen. Eine der wesentlichsten Ursachen ist, daß durch die Öffnung der Grenzen zu unseren osteuropäischen Nachbarstaaten sehr viel Kriminalität nach Österreich gekommen ist. Das beweist auch sehr deutlich, daß die Zahl der Fremdenkriminalität – also der Menschen, die nicht in Österreich leben, die aber grenzüberschreitende kriminelle Delikte begehen – von 8 bis 9 Prozent Mitte der achtziger Jahre auf über 20 Prozent Anfang der neunziger Jahre gestiegen ist.

Diese Entwicklung konnten wir vor allem auch dadurch einbremsen, daß es gelungen ist, einen effektiven Grenzschutz, eine effektive Grenzsicherung durch die österreichische Grenzgendarmerie und das Bundesheer in Assistenzleistung aufzubauen.

Kollege Winter hatte völlig recht, als er meinte, daß es einen engen Zusammenhang zwischen der Grenzsicherung und der Entwicklung der Kriminalität im Landesinneren gibt. Je besser die Grenzsicherung ist, desto mehr geht die Kriminalität im Landesinneren zurück, desto mehr Strafanzeigen, Verwaltungsübertretungsanzeigen hast du allerdings an der Grenze. Ein Leidtragender davon ist das Land Burgenland. Dort ist im Landesinneren eine deut-liche Abnahme der Kriminalität festzustellen, aber an den Grenzübertrittsstellen, an den Grenzkontrollstellen gibt es durch die Arbeit der Grenzgendarmerie eine deutliche Zunahme von Anzeigen, und deshalb steigt die Kriminalitätsstatistik im Land Burgenland. Sie ist aber nur scheinbar eine steigende, weil ein Teil dieses Anstieges ausschließlich auf die Grenze zurückzuführen und im Landesinneren zum Glück nicht bemerkbar ist.

Ich bin auch sehr stolz darauf, daß die österreichische Bevölkerung der österreichischen Exekutive ein sehr gutes Zeugnis ausstellt. Wir haben Untersuchungen, die zeigen, daß 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das Gefühl haben, daß sie in einem sicheren Land wohnen, und daß sie das Gefühl haben, daß die Arbeit der österreichischen Exekutive eine sehr gute beziehungsweise eine gute ist. Nur 16 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher teilen diese Meinung nicht und glauben, daß die österreichische Exekutive nicht erfolgreich arbeitet.

Das heißt also, unsere Exekutive – unsere Gendarmen, unsere Polizisten, unsere Kriminalbeamten – hat sehr hohen Zuspruch in der Bevölkerung, und ich glaube, daß das sehr wichtig und notwendig ist. Denn einer der Gründe dafür, daß wir eine so gute Sicherheitslage haben, ist die Tatsache, daß es ein enges Vertrauensverhältnis und einen guten Kontakt zwischen der Bevölkerung und der Exekutive gibt. Nur dann, wenn es diesen Kontakt, wenn es dieses Vertrauensverhältnis gibt, können wir auch in Zukunft erfolgreich sein, und darum ist es für mich auch so wichtig, daß wir auch in Zukunft die hohe Anzahl von Gendarmerieposten, die hohe Anzahl von Polizeiwachzimmern in unserem Land erhalten können, damit es weiterhin den Kontakt zwischen der Bevölkerung auf der einen Seite und der österreichischen Exekutive auf der anderen Seite gibt.

Was an diesem Sicherheitsbericht auch hervorragend ist, ist die Tatsache, daß die Gesamtkriminalität zurückgegangen ist, ist aber vor allem die Tatsache, daß die schweren Straftaten – also die, die mit mehr als drei Jahren Haft bedroht sind – um mehr als 11 Prozent abgenommen


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haben. Das ist ein noch viel wichtigeres Signal als die Tatsache, daß die Gesamtkriminalität zurückgegangen ist.

Ich glaube, daß wir deshalb sehr positiv in die Zukunft schauen dürfen, daß das aber kein Anlaß ist, sich zurückzulehnen und zu sagen: Die Entwicklung in Österreich ist eine positive, und aufgrund dieser positiven Entwicklung können wir uns beruhigt zurücklehnen. – Gerade die Entwicklung an unseren Grenzen, aber auch die Entwicklung in den Nachbarstaaten zeigt, daß man da besonders wachsam sein muß.

Ich möchte nicht haben – um das klar zu sagen –, daß es in Österreich ähnliche Entwicklungen wie in unserem südlichen Nachbarland Italien gibt, wo es eine explosionsartige Zunahme der organisierten Kriminalität gibt, wo es de facto schon Straßenschlachten gibt, wo es eine Vielzahl von täglichen Attentaten und Bombenanschlägen gibt und wo erst aufgrund dieser Entwicklung die entsprechende Reaktion kommt. Es muß gerade umgekehrt sein: Es muß jetzt bereits die Reaktion kommen, damit wir in Zukunft nicht solche Ereignisse haben wie beispielsweise in Frankreich, wo es ganze Stadtviertel gibt, in die sich die französische Exekutive gar nicht mehr hineintraut und diese Stadtviertel zu verbotenen Zonen erklärt, und wenn sie hineingeht, dann nur in einem Massenaufgebot.

Diese Entwicklung zeigt aber auch, daß die Sicherheitspolitik nur dann gewährleistet wird, wenn man Sicherheit nicht nur versteht als effektive Bekämpfung von Kriminalität und Verbrechen, sondern wenn man sie auch als eine Sicherheitspolitik versteht, die dazu dient, hohe soziale Standards in einem Land aufzubauen, alles zu tun, um die Arbeitslosigkeit in einem Land zu verhindern, und alles zu tun, um eine möglichst hohe Beschäftigung zu haben. Sicherheit kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie im umfassenden Sinne verstanden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich gibt es auch unterschiedliche Tendenzen in der Kriminalitätsentwicklung – das ist heute auch sehr klar gesagt worden. Wir haben in manchen Bereichen eine deutliche Zunahme. Was den Bereich der organisierten Kriminalität angeht, schätzen wir, daß an die 30 Prozent aller Straftaten auf die organisierte Kriminalität zurückzuführen sind. Das ist nicht nur die Kriminalität, die uns im Wirtschaftsbereich bedroht, durch Geldwäsche und ähnliches aufgrund von mafiosen und ähnlichen Verbindungen aus den ehemaligen osteuropäischen Nachbarstaaten oder aus der ehemaligen Sowjetunion, sondern da geht es auch um organisierte Kriminalität in den zwei Bereichen, die am lukrativsten sind, nämlich im Menschenhandel und in der Drogenkriminalität.

Beim Menschenhandel ist es so, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir da eine Entwicklung erleben, die wirklich besorgniserrregend ist. Nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen Staaten Europas ist festzustellen, daß die Menschen, die im Rahmen der organisierten Kriminalität Menschenhandel betreiben, diese Straftat – denn für mich ist es in der Regel eine Straftat und keine Verwaltungsübertretung! – absolut skrupellos ausführen und bei ihren Machenschaften vor keinen Mitteln zurückschrecken. Sie kennen ja die Berichte in den Medien, wonach viele Menschen, nachdem sie teures Geld dafür gezahlt hatten, damit sie aus den unterschiedlichsten Gründen aus ihrer Heimat flüchten konnten, einfach im Meer über Bord geworfen worden sind. – Diese Entwicklung ist eine, die zwar zum Glück in Österreich noch nicht in diesem Ausmaß feststellbar ist, die aber doch auch auf uns zukommen kann.

Es muß einfach eine internationale Ächtung des Menschenhandels geben. Dazu wird es vielleicht notwendig sein, wenn diese Entwicklung anhält, auch in Österreich zu einer weiteren Verschärfung der Strafbestimmungen zu kommen, wobei ich dazusagen muß, daß wir, wenn ich mich recht erinnere, bereits im März 1997 eine entsprechende Gesetzesänderung gemacht haben. Wir müssen uns aber auch dessen bewußt sein, daß es nicht nur darum geht, daß es in den Zielländern der illegalen Migration härtere Strafbestimmungen gibt, sondern vor allem auch darum – und das ist das wichtigste überhaupt –, daß in den Herkunfts ländern der illegalen Migration der Menschenhandel überhaupt einmal unter Strafe gestellt wird. Das ist nämlich derzeit in vielen Herkunftsländern gar nicht der Fall!


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Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch im Bereich der Drogenkriminalität, wobei ich darauf hinweisen möchte, daß gerade das Jahr 1997 ein besonders erfolgreiches für die österreichische Exekutive gewesen ist. Gerade im Bundesland Niederösterreich – wenn ich das jetzt ein wenig überspitzt formulieren darf – haben wir einen Drogenhandelsring nach dem anderen "aufgemacht!" Vor allem im südlichen Niederösterreich ist uns das wirklich sehr erfolgreich gelungen.

Wir haben allein in Wien im Zeitraum Frühjahr 1997 bis Ende 1998 rund 710 Drogendealer verhaftet, wobei ein Großteil dieser Drogendealer – das muß man auch dazusagen – ausländischer Herkunft sind.

Ich meine also, daß es notwendig und wichtig ist, die Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verstärken. Daher führen wir derzeit gerade eine OK-Datei im österreichischen Innenministerium ein, weil wir zum Ziel haben, auf profundem Datenmaterial aufbauend eine wirkungsvolle Bekämpfung der organisierten Kriminalität einzuleiten. Dazu ist es wichtig, daß wir die eine oder andere neue Fahndungsmethode bekommen haben. Es ist aber auch wichtig, daß es uns gelingt, in Zukunft nicht nur diese neuen Fahndungsmethoden zu haben, sondern auch zusätzliches, entsprechend geschultes Personal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde überhaupt, daß es in den letzten Jahren – und ich sage das hier sehr bewußt –, seit der Amtszeit von Herrn Bundesminister Löschnak, zu einer positiven Aufrüstung des österreichischen Innenministeriums und der Exekutive gekommen ist. Etwa im baulichen Infrastrukturbereich, aber auch in der technischen Ausstattung wurde in den letzten zehn Jahren sehr, sehr viel geleistet.

Es gibt im baulichen Bereich relativ wenig Projekte, die in den nächsten Jahren noch umgesetzt werden müssen. Eines dieser Projekte ist unter anderem der Ausbau der Schubhaftplätze in Österreich, wobei ich dazusagen muß, daß dies natürlich nur in enger Kooperation mit den Ländern gehen kann, weil die Schaffung der Schubhaftplätze primär eine Aufgabe der Länder ist.

Ich möchte die Initiative meines Freundes Landeshauptmann Stix im Burgenland positiv hervorstreichen, der in Eisenstadt sehr spontan und sehr initiativ an die 30 zusätzliche Schubhaftplätze auf Kosten des Landes Burgenland geschaffen hat. Ich würde mich freuen, wenn ich auch von meinem Bundesland Niederösterreich sagen könnte, daß es dafür die entsprechende Unterstützung gibt. Aber darüber gibt es in der nächsten Zeit die entsprechenden Verhandlungen. (Beifall bei der SPÖ und demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Sie haben es angekündigt! Sie sind der Herr Innenminister!)  – Aber im Burgenland war es halt so, daß ohne Initiative des Innenministers die entsprechenden Handlungen gesetzt worden sind. In Niederösterreich bedarf es offenbar der Initiative des Innenministers, damit die entsprechenden Handlungen gesetzt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Schöls: Sie sind der Herr Innenminister, nicht?!)  – Die Verantwortlichkeit, die rechtliche Verantwortung, liegt aber in diesem Fall beim Landeshauptmann, und die kann und will ich ihm nicht wegnehmen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig ist auch – das hat Herr Bundesrat Windholz angeschnitten –, daß der politisch Verantwortliche in einem Ministerium sich sehr deutlich hinter seine Beamtinnen und Beamten stellt, wenn es notwendig ist. Und gerade in der letzten Zeit hat es hie und da Vorwürfe gegeben über angebliche Übergriffe der österreichischen Exekutive gegenüber Menschen, und zwar in Fällen, in denen es notwendig war, einzuschreiten.

Dazu möchte ich sagen, daß wir pro Jahr mehr als 7 Millionen Amtshandlungen haben, daß jedem bewußt sein muß, daß viele dieser Amtshandlungen – wenn es pro Jahr mehr als 7 Millionen Amtshandlungen und viele Zehntausende Verhaftungen durch die österreichische Exekutive gibt – natürlich extrem konfliktträchtig sind und daß bei vielen dieser Amtshandlungen Gewaltanwendung durch die österreichische Exekutive leider notwendig und nicht auszuschließen ist.

Ich glaube aber und ich weiß, daß eine überwältigende Mehrzahl – 99,9 Prozent periodisch – dieser Amtshandlungen von unseren Beamtinnen und Beamten korrekt und ordentlich durchgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schöls. )


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Bei den wenigen Amtshandlungen, bei denen der begründete Verdacht besteht, daß sie nicht korrekt durchgeführt worden sind, oder bei denen es zusätzlich den Verdacht gibt, daß unter Umständen Mißhandlungen stattgefunden haben, ist es unsere gemeinsame Aufgabe und ist es meine Aufgabe als zuständiger Ressortverantwortlicher, umgehendst die notwendigen Untersuchungen einzuleiten. Und falls diese Mißstände bestätigt werden, ist es meine Aufgabe, die entsprechenden Handlungsschritte zu setzen.

Das heißt also: Schutz des österreichischen Polizei- und Gendarmeriebeamten und der österreichischen Polizei- und Gendarmeriebeamtin vor ungerechtfertigten Angriffen, aber keine Verteidigung aufgrund falsch verstandener Kameraderie oder aufgrund eines falsch verstandenen Korpsgeistes! Überall, wo es gilt, berechtigte Mißstände aufzudecken, muß man auch den Mut haben, das zu tun und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen! Dies ist auch im Interesse der vielen tausend Beamten, die in der Regel eine ordentliche Amtshandlung durchführen, wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es auch für notwendig, klar zu sagen, daß wir in manchen Bereichen in der Zukunft sozusagen mehr Gas geben müssen. Einer der Bereiche, in denen es notwendig ist, Gas zu geben, ist der gesamte Bereich der Funkausstattung des österreichischen Exekutivapparates. Wir haben derzeit ein Funksystem, das in den sechziger und siebziger Jahren eingerichtet wurde und daher natürlich entsprechend veraltet ist.

Es gibt zwei Alternativen. Die eine ist, zu versuchen, dieses Funksystem mit Hilfe der derzeitigen technischen Infrastruktur zu verbessern. Das würde einige hundert Millionen Schilling kosten. Die andere Möglichkeit wäre, direkt in das neue Funkzeitalter, in den Digitalfunk, einzusteigen.

Das österreichische Innenministerium hat im letzten Jahr das Funkprojekt "Adonis" entwickelt, mit dem Ziel, österreichweit einen Digitalfunk einzuführen, durch den es eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Wachekörpern geben soll, und zwar nicht nur zwischen Gendarmerie und Polizei, sondern auch zwischen Zollwache, Justizwache und Bundesheer, aber auch eine Verbindung zu den Blaulicht-Organisationen, vor allem den Rettungsorganisationen und den Feuerwehren.

Darüber hinaus ist es auch unser Ziel, zu erreichen, daß dieses Funksystem mit dem deutschen, dem bayrischen und dem italienischen System kompatibel ist. Wir haben bereits mit dem bayrischen Innenminister Beckstein vereinbart, daß es gemeinsame Testversuche geben wird, sodaß diese Verbindung geschaffen werden kann.

Dieses Funksystem kostet je nach Ausbaustufe zwischen 3 Milliarden und 6 Milliarden Schilling. Wenn ich die notwendigen Budgetmittel für das Jahr 2000 bekomme, dann ist es mein Ziel, daß dieses Funksystem ab dem Jahr 2000 in vier Jahresetappen bis zum Jahre 2003 in Österreich installiert wird.

Die Landeshauptleute wurden im vergangenen Jahr von mir bereits darüber informiert, und im wesentlichen hat es von allen Bundesländern – bis auf das westlichste und das östlichste Bundesland – positive Reaktionen darauf gegeben. In diesen beiden Bundesländern, in Vorarlberg und im Burgenland, hat sich bereits in der Vergangenheit eine gewisse positive Eigenentwicklung ergeben, aber es wird notwendig sein, diese Länder in das Gesamtprojekt mit einzubinden.

Das heißt also: Das Funkproblem ist mir sehr wohl bekannt. Ich finde aber, daß es falsch wäre, jetzt kurzfristig Geld in ein veraltetes System hineinzupumpen, sondern daß es sinnvoller ist, gleich eine große Lösung anzustreben.

Ebenso ist es für meiner Ansicht nach wichtig und notwendig, daß wir die modernen Fahndungsmethoden anwenden, wie beispielsweise die DNA-Analyse. Dem Parlament liegt ja die neue Sicherheitspolizeigesetz-Novelle vor, mit der die DNA-Analyse – die derzeit in einem Pilotversuch im österreichischen Innenministerium läuft – auf klare rechtliche Beine gestellt und auch im Sicherheitspolizeigesetz verankert wird.


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Die bisherigen Erfolge mit der DNA-Analyse sind hervorragend. Auch wenn ich jetzt keine genauen Zahlen bei mir habe, kann ich Ihnen doch sagen, daß wir bei ungefähr 8 000 Personen die DNA-Analyse – das heißt, einen Mundhöhlenabstrich – gemacht haben und zirka 1 000 oder 1 500 Tatortspuren aufgenommen, archiviert und gespeichert haben. Aufgrund dieser rund 10 000 Daten, die wir dabei eingespeichert haben, ist es uns gelungen, mehr als 150 Straftaten zusätzlich zu klären, die wir wahrscheinlich oder sogar sicherlich ohne die DNA-Analyse nicht hätten klären können, darunter unter anderem vier Morde, mehr als zehn Vergewaltigungen und sehr viele Einbruchsdiebstähle. – Übrigens hat sich zum Beispiel bei der kürzlich erfolgten Aufklärung eines Mordes in Tirol gezeigt, daß allzuoft Einbruchsdiebstählen dann auch weitere Straftaten folgen.

Es wird auch wichtig und notwendig sein, die erfolgreiche Bilanz im Straßenverkehr fortzusetzen. Zwar hat das heute keiner der Debattenredner erwähnt, aber im Jahre 1997 hatten wir mit 1106 oder 1107 Verkehrstoten eine wirklich katastrophale Entwicklung bei der Zahl der Unfallstoten im österreichischen Straßenverkehr. Es ist gelungen, diese Zahl im Jahr 1998 wirklich deutlich zu senken. Wir werden mit Jahresende 1998 nur noch um die 950 Verkehrstote haben. Ich sage deshalb "um die 950", weil es da eine 30-Tages-Frist gibt, die noch einzuhalten ist. Erst nach 30 Tagen werden wir genau feststellen können, wie viele verstorben sind.

Diese Zahl von 950 beweist eine Reduzierung um fast 160 Verkehrstote, und das zeigt, daß die Maßnahmen, die im vergangenen Jahr gesetzt worden sind, gegriffen haben. Dies waren nicht nur Maßnahmen der verstärkten Kontrolle, sondern es hat auch – das ist unbestreitbar – die Einführung der 0,5-Promille-Grenze eine Bewußtseinsänderung in der Bevölkerung herbeigeführt. Es wird derzeit deutlich weniger Alkohol getrunken, wenn man nachher mit dem Auto unterwegs ist. Auch das Jammern der Wirte zeigt, daß es dadurch deutliche Umsatzrückgänge gegeben hat. Ich bin sicher, daß sich dieses Umdenken auch positiv auf die Unfallstatistik ausgewirkt hat.

Erwähnen möchte ich weiters ein paar andere Dinge, die hier bereits ansprochen worden sind. Ich kann Herrn Kollegen Richau nur unterstützen, wenn er sagt, daß die Privatisierung der Schubhaft falsch ist. Er hat völlig recht. Das ist etwas, bei dem man sehr vorsichtig sein sollte. Ich finde überhaupt, daß der Sicherheitsbereich ein Bereich ist, der sich nicht für Privatisierungen eignet, sondern daß der Sicherheitsbereich ein hoheitsstaatlicher Bereich ist, bei dem der Staat auch in Zukunft die Verwaltung und die Zuständigkeit haben sollte.

Für mich ist es auch notwendig und wichtig, zusätzliches Personal zu bekommen. Ich fordere 1 000 zusätzliche Planstellen für das Jahr 1999 und für das Jahr 2000 und hoffe, daß ich von den politischen Mandataren aller politischen Parteien und von meinen Ministerkollegen die notwendige Rückendeckung dafür bekomme. Es ist mir bewußt, daß es, wenn das Innenministerium zusätzliches Personal bekommt, auch Begehrlichkeiten in anderen Ministerien gibt, sodaß es eine gewisse Angst gibt und die Gefahr besteht, daß es dadurch zu einer Spirale kommt, die sich dreht und wonach zusätzliches Personal auch von anderen Bereichen gefordert wird. Ich meine aber, daß bei der österreichischen Sicherheit nicht gespart werden darf, und gehe davon aus, daß dieser Grundsatz auch vom Finanzminister – aber auch vom Koalitionspartner auf Bundesebene – mitgetragen wird, sodaß ich zusätzliches Personal für die Grenzgendarmerie, für die österreichische Polizei, für die Gendarmerie, aber auch für den Kriminaldienst zur Verfügung gestellt bekomme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend kann ich sagen, daß das Jahr 1997 ein sehr positives für die Entwicklung der österreichischen Sicherheit gewesen ist. Ich bin davon überzeugt, daß dieser positive Trend sich auch im Sicherheitsbericht 1998 fortsetzen wird.

Ich möchte allen Beamtinnen und Beamten meines Ressorts – es sind dies über 33 000 – für ihre Arbeit sehr, sehr herzlich danken! Vor allem möchte ich mich beim zuständigen Leiter der Gruppe D, Herrn Mag. Dick, und bei Frau Dr. Gamsjäger sehr herzlich bedanken, die diesen Sicherheitsbericht mit dem Justizministerium koordiniert und die eigentliche harte Knochenarbeit geleistet haben. – In diesem Sinne: herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

19.52


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte.

19.53

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege! Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, als der Sicherheitsbericht 1996 zur Debatte stand, habe ich Ihnen die Schwerpunkte der Justizpolitik in Sachen innere Sicherheit dargelegt: Es sind dies der entschlossene Kampf gegen die organisierte – insbesondere die international organisierte – Kriminalität auf der einen Seite, die Schaffung möglichst sinnvoller täter- und opferorientierter Reaktionen im Bereich der massenhaften sogenannten Alltagskriminalität auf der anderen Seite und schließlich die Gewährleistung eines Strafvollzugs, der sowohl für eine sichere Verwahrung des Straftäters als auch für seine bestmögliche Vorbereitung auf eine Entlassung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft – somit für die Vermeidung eines Rückfalls und damit neuer Opfer – sorgt.

Natürlich – und da kann ich meinen Kollegen Schlögl nur grundsätzlich unterstützen – wäre da und dort im Strafvollzug oder auch bei Gericht ein höherer Personalstand wünschenswert, und für eine Unterstützung unserer diesbezüglichen Vorstellungen gegenüber dem Finanzminister oder dem Gesetzgeber, aber auch – und da könnte gerade der Bundesrat eine besondere Rolle spielen – für eine Unterstützung unserer Vorstellungen bei der Herstellung einer verbesserten Bezirksgerichtsstruktur wäre ich durchaus dankbar! Diese Verbesserung sollte, wie Sie wissen, in Oberösterreich, Steiermark und Salzburg nach dem Vorbild von Niederösterreich stattfinden.

Es sind – und ich muß das sagen, ohne die hier und heute offenbar harmonische Situation beeinträchtigen zu wollen – die Bundesländer, die durch ihre ablehnende Haltung verhindern, daß im genannten Bereich im Interesse der Bevölkerung durch maßvolle Zusammenlegungen von Kleinst- und Kleingerichten die Leistungskraft der Justiz gestärkt werden und ein effizienter Einsatz der vorhandenen Ressourcen stattfinden kann.

Nach diesem Ceterum censeo, meine Damen und Herren, nun zur Frage: Was ist in den von mir angesprochenen Schwerpunktbereichen geschehen? – Die effizientere Bekämpfung der international organisierten Kriminalität hat vor allem auch auf internationaler Ebene stattzufinden. Diesbezüglich ist man während der österreichischen EU-Präsidentschaft auch in der Europäischen Union wieder ein gutes Stück vorangekommen. Mit Hochdruck wurde und wird unter Vorsitz eines Sektionschefs meines Hauses an der Umsetzung des umfassenden Aktionsplans zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gearbeitet, der, wie Sie wissen, vom Europäischen Rat von Amsterdam im Juni 1997 angenommen wurde.

Viele der darin festgelegten Maßnahmen wurden auf der Ebene der Union bereits beschlossen, und Mitte dieses Jahres werden wohl die meisten der im Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen verwirklicht sein. Daran können dann jene Maßnahmen nahtlos anschließen, die für den Bereich der Kriminalitätsbekämpfung in dem in den letzten Monaten ebenfalls unter österreichischem Vorsitz erarbeiteten Aktionsplan zum Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts enthalten sind.

Inhaltlich geht es bei der verbesserten Bekämpfung der international organisierten Kriminalität im Justizbereich im wesentlichen um zwei Dinge: Zum einen soll eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit der Justizbehörden über die Grenzen hinweg gewährleistet sein, wenn Staatsanwaltschaften und Gerichte in den verschiedenen Mitgliedstaaten an der Aufarbeitung einer Straftat beteiligt sind. Ich denke hier vor allem an die Rechtshilfe, aber auch an die möglichst einfache Vollstreckung von Entscheidungen eines Gerichtes aus einem anderen Mitgliedstaat.

Große Erwartungen setze ich in das Europäische justitielle Netz, das im September vorigen Jahres unter unserem Vorsitz seine Arbeit aufgenommen hat und das dazu beitragen soll, daß die Richter und Staatsanwälte in Europa über Behördenstruktur, Rechtsordnung und praktische Verfahrensweisen in den anderen Mitgliedstaaten besser Bescheid wissen oder sich problemlos Information beschaffen können.


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Zum anderen geht es bei diesen Bemühungen darum, die Entwicklung fortzusetzen, die Straftatbestände der EU-Mitgliedstaaten schrittweise einander anzunähern. In letzter Zeit konnten hier Erfolge bei der Bekämpfung des Betruges und der Korruption erzielt werden. Unter österreichischem Vorsitz wurden wichtige Schritte in den Bereichen der Straftatbestände organisierte Kriminalität und Geldwäsche sowie hinsichtlich der Abschöpfung der Bereicherung durch Verbrechensgewinne gesetzt.

In der nächsten Zeit wird es im wesentlichen um den Schutz des Euro vor Geldfälschung, um die Bekämpfung von Betrug und Fälschung bei den modernen unbaren Zahlungsmitteln, um Kriminalität im Zusammenhang mit dem Internet – eine sehr schwierige Angelegenheit – und um strafrechtliche Maßnahmen gegen juristische Personen gehen.

Abgesehen von diesen Verbesserungen im repressiven Bereich werden wir aber auch darauf zu achten haben, daß alle Bereiche von Recht und Wirtschaft laufend dahin gehend überprüft werden, ob sie möglichst kriminalitätsfeindlich gestaltet sind, keinen Anreiz zur Begehung von strafbaren Handlungen bieten und die Gelegenheiten dafür jedenfalls vermindern. Dazu soll eine umfassende Entschließung zur Prävention, die auf Österreichs Initiative hin auf der Ratstagung der Justiz- und Innenminister im Dezember vorigen Jahres beschlossen wurde, dienen, die auch den politischen Anstoß zu fortgesetzten Bemühungen in diesem Bereich geben soll. Denn nur wenn Prävention einerseits und Repression andererseits ineinandergreifen, ist eine wirkungsvolle Bekämpfung organisierter Kriminalität, oder jedenfalls eine gewisse Zurückdrängung, möglich.

Was den anderen Bereich, die massenhaft auftretende sogenannte Alltagskriminalität anbelangt, habe ich Sie vor einem Jahr über die Arbeiten an der Strafprozeßnovelle 1998 unterrichtet. Wie Sie wissen, hat der Ministerrat diese Woche das neue Diversionskonzept als Regierungsvorlage gebilligt. In den nächsten Wochen wird sie im Parlament behandelt werden, und sie soll mit Beginn nächsten Jahres in Kraft treten. Damit wird eine dauerhafte Rechtsgrundlage für den außergerichtlichen Tatausgleich geschaffen werden, der ja ab Jänner dieses Jahres nunmehr flächendeckend über ganz Österreich im Modellversuch angewandt wird.

Darüber hinaus werden flexible, einzelfallbezogene Reaktionen auf strafbares Verhalten der unteren und in bestimmten Fällen der mittleren Kriminalitätsbereiche ermöglicht, die sowohl den Interessen der durch die Straftat verletzten Person an Schadensgutmachung und ideeller Genugtuung als auch Spezial- und Präventivbedürfnissen genügen, ohne daß ein Strafverfahren mit formeller Verurteilung des Täters durchgeführt werden muß.

Die hinsichtlich des Anwendungsbereiches gesetzte Strafobergrenze bedeutet keineswegs – das ist immer wieder ein Mißverständnis –, daß alle darunter liegenden strafbaren Handlungen tatsächlich diversionell behandelt werden. Wir haben aber bewußt von einem Enumerationssystem Abstand genommen, auch wenn bei manchen Straftatbeständen eine Diversion, wenn überhaupt, so im Hinblick auf die sonst noch notwendigen Voraussetzungen für die Anwendung diversioneller Maßnahmen, nur ganz ausnahmsweise stattfinden wird.

Dieser Meilenstein in der Strafgesetzgebung, als der die Diversion anzusehen ist, bringt vor allem auch den Opfern von strafbaren Handlungen eine neue Stellung im Verfahrensablauf. Während im traditionellen Strafverfahren der Verletzte seine Interessen, meist auch gar nicht mit dem entsprechenden Erfolg, auf eigene Gefahr und Kosten verfolgen muß, wird die Schadens-gutmachung beziehungsweise der sonstige Tatfolgenausgleich eine zentrale Voraussetzung für die diversionelle Erledigung bilden.

Durch die Neuregelungen wird nicht nur dem Verdächtigen der Anreiz geboten, den berechtigten Forderungen des Verletzten nachzukommen, sondern ganz allgemein die Bedeutung der Wiedergutmachung betont und der Verletzte mit seinen Interessen in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. Dieser Weg der Verbesserung der Rechtsstellung des Opfers im Verfahren soll in der kommenden Legislaturperiode vor allem bei der Reform des strafprozessualen Vor-verfahrens weiterbeschritten werden, einer Reform, die für uns ein zentrales Anliegen ist und an der wir ausgehend von dem im Frühjahr des vorigen Jahres vorgelegten Diskussionsentwurf mit


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649. Sitzung / Seite 147

großem Nachdruck arbeiten. Wir hoffen, insbesondere auch mit dem Ressort meines Kollegen auf einen gemeinsamen Nenner kommen zu können. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.07


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649. Sitzung / Seite 148

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Windholz und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen gegen Schlepperei vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen gegen Schlepperei ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel vor.

Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit .

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel ist daher abgelehnt.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Dezember 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird (415/A und 1541/NR sowie 5861/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird.

Da sowohl der vom Ausschuß gewählte Berichterstatter als auch die Vorsitzende des Ausschusses verhindert sind, bestimme ich gemäß § 45 Abs. 2 der Geschäftsordnung Herrn Bundesrat Kraml zum Berichterstatter.

Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Jänner 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich habe allerdings keine Wortmeldung vorliegen.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 19. Februar 1999, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde beginnen.

Für die Tagesordnung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Für die Ausschußberatungen ist Donnerstag, der 18. Februar 1999, ab 14.00 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.11 Uhr