Stenographisches Protokoll

101. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 19. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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101. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 19. November 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 19. November 1997: 12.01 – 18.25 Uhr

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 6

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen, dem Sozialausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 588/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Volksabstimmung aus Anlaß der Währungsumstellung vom Schilling zum Euro gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 9. Dezember 1997 zu setzen 7

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 7

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 55

Peter Schieder 57

Dkfm. DDr. Friedrich König 58

Dr. Volker Kier 59

Dr. Alexander Van der Bellen 60

Mag. Karl Schweitzer 60

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 61

Unterbrechung der Sitzung 7

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 6

Ausschüsse

Zuweisungen 6

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Euro und Arbeitslosigkeit (3347/J) 7


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Begründung: Ing. Mag. Erich L. Schreiner 11

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 16

Debatte:

Dr. Jörg Haider 23

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 25

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 26

Dr. Ewald Nowotny 26

Ing. Leopold Maderthaner 29

Ing. Mag. Erich L. Schreiner (tatsächliche Berichtigung) 31

Dr. Hans Peter Haselsteiner 31

Dr. Alexander Van der Bellen 34

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 36

Ing. Kurt Gartlehner 38

Dr. Gottfried Feurstein 39

Mag. Doris Kammerlander 41

Ing. Wolfgang Nußbaumer 43

Heidrun Silhavy 45

Rudolf Schwarzböck 47

Karl Öllinger 48

Mag. Herbert Haupt 51

Dr. Josef Cap 52

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Steuerharmonisierung in der Europäischen Union – Ablehnung 36, 53

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Förderung des beschäftigungsintensiven 3. Sektors – Ablehnung 42, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages – Ablehnung 43, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Anhebung der F&E-Quote auf OECD-Durchschnitt – Ablehnung 44, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend steuerliche Befreiung nichtentnommener Gewinne – Ablehnung 45, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Initiative zur Arbeitszeitverkürzung – Ablehnung 50, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Ergänzung der Konvergenzkriterien – Ablehnung 51, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Senkung der Lohnnebenkosten – Ablehnung 51, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Vermeidung der "kalten Progression" – Ablehnung 51, 54


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Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 6

902: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen

903: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (Praktikantenabkommen)

930: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

Anfragen der Abgeordneten

Georg Wurmitzer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Fragen der Volksgruppenförderung (3343/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Lehrveranstaltungsankündigungen des Herrn Universitätsprofessors Dr. Gerhard Köbler am Institut für Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (3344/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Rauchverbot im Landesgericht für Strafsachen Wien (3345/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rauchverbot im Landesgericht für Strafsachen Wien (3346/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Euro und Arbeitslosigkeit (3347/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend VfGH-Erkenntnis und VwGH-Beschluß zur Verpackungsverordnung (3348/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Unklarheiten bei der Einhebung und Aufteilung von Honoraren aus der Behandlung von Sonderklassepatienten (3349/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verlängerung des Urlaubsanspruches bei Samstagfeiertagen (3350/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Eigentumswohnung des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky (3351/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Nostrifizierung ausländischer akademischer Grade und Studienabschlüsse nach § 70 UniStG (3352/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die schlechte Unterbringung von Präsenzdienern, welche zum Grenzschutz eingeteilt sind (3353/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Behandlung des Tierschutzes im EU-Marktordnungsausschuß (3354/J)


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101. Sitzung / Seite 4

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2915/AB zu 2899/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2916/AB zu 2903/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (2917/AB zu 2904/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner und Genossen (2918/AB zu 2948/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (2919/AB zu 2914/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen (2920/AB zu 2943/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen (2921/AB zu 2944/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2922/AB zu 2962/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2923/AB zu 2924/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2924/AB zu 2927/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (2925/AB zu 2950/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (2926/AB zu 2906/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (2927/AB zu 2916/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen (2928/AB zu 2923/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2929/AB zu 2975/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (2930/AB zu 2926/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Koller und Genossen (2931/AB zu 2979/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (2932/AB zu 2984/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2933/AB zu 2957/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen (2934/AB zu 3026/J)


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des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2935/AB zu 3040/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (2936/AB zu 2920/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (2937/AB zu 2937/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2938/AB zu 2953/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2939/AB zu 2999/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Huber und Genossen (2940/AB zu 2949/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2941/AB zu 3043/J)


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Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer und Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 101. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung einberufen wurde.

Als Thema dieser Sitzung im Sinne des Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 wurde angegeben – ich zitiere –: "Durch den Euro wird die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen."

Die Amtlichen Protokolle der 99. sowie der 100. Sitzung vom 14. November 1997 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben. Sie gelten damit als genehmigt.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Peter, Dr. Fekter, Kröll, Dr. Leiner, Böhacker, Dr. Puttinger, Sauer, Dr. Schwimmer, Mag. Trattner, Dr. Povysil, Dr. Rasinger, Koppler, Huber, Grabner, Verzetnitsch.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Farnleiter wird durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3343/J bis 3346/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2915/AB bis 2941/AB.

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (930 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (902 der Beilagen),


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Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (Praktikantenabkommen) (903 der Beilagen).

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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 3347/J der Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Euro und Arbeitslosigkeit dringlich zu behandeln.

Die Dringliche Anfrage wird im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung für 15 Uhr zum Aufruf vorgesehen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Stadler beantragt hat, dem Sozialausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 588/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Volksabstimmung aus Anlaß der Währungsumstellung vom Schilling zum Euro eine Frist bis zum 9. Dezember dieses Jahres zu setzen.

Es liegt auch das Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da eine Dringliche Anfrage zu behandeln ist, wird die Kurzdebatte im Anschluß an die Debatte betreffend die Dringliche Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird im Anschluß an die Kurzdebatte zum Fristsetzungsantrag stattfinden.

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Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 15 Uhr. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wird mit der Verhandlung der soeben bekanntgegebenen Dringlichen Anfrage begonnen werden.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 12.05 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Euro und Arbeitslosigkeit (3347/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3347/J. Da diese inzwischen an alle Abgeordneten verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch die Frau Schriftführerin.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Am 1. Jänner 1999 soll, geht es nach dem Willen der meisten Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Institutionen, die Europäische Währungsunion Wirklichkeit werden. Ein derartiges Projekt könnte, wenn gut und sorgfältig vorbereitet, vom nachhaltigen Vertrauen der Bürger und der Märkte getragen und wenn es den Abschluß einer wirtschaftlichen Integration


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darstellt, die wirtschaftliche Wohlfahrt und damit auch die Beschäftigungslage gegenüber einem Zustand ohne gemeinsame Währung verbessern. Doch diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es kann weder von einer Vollendung des Binnenmarktes, noch vom Vertrauen der Bürger in eine stabile gemeinsame Währung die Rede sein. Insbesondere in den sog. Hartwährungsländern lehnt die Mehrheit der Bevölkerung eine verfrühte Einführung des Euro ab bzw. steht einer solchen äußerst skeptisch gegenüber und sieht in diesem Zusammenhang weitere Nachteile auf sich zukommen. Das mit massiven Unsicherheiten behaftete Projekt Währungsunion ist, in der derzeitigen Konzeption und zum geplanten Zeitpunkt, offensichtlich auch nach gesundem Volksempfinden, "ein Abenteuer", wie es beispielsweise GPA-Chef Hans Sallmutter formulierte. Denn "hier wird versucht, eine Gleichung mit zahlreichen unbekannten Variablen zu lösen und niemand – auch die Prognostiker der Wirtschaftsforschungsinstitute nicht – können sagen, ob die Gleichung jemals aufgehen wird. Die Unwägbarkeiten an sich wären noch nicht das Problem, das Problem ist, daß die Chancen und Risiken höchst ungleich verteilt sind". Diese Risiken einer überhasteten Einführung der gemeinsamen Währung haben jedoch die Bevölkerung, die Sparer und besonders die Arbeitnehmer zu tragen.

In Negierung und Verschleierung dieser Tatsachen versucht die österreichische Bundesregierung neuerlich durch unhaltbare Versprechungen, wie bereits vor dem EU-Beitritt "erfolgreich" praktiziert (z.B. "Ederer-Tausender"), in der Bevölkerung abermals "überzogene Erwartungen" (LH Dr. Stix) zu wecken, indem sie zum Beispiel verspricht, daß "eine gemeinsame Währung Arbeitsplätze sichern und auf Sicht neue schaffen werde" (Vizekanzler Schüssel anläßlich der Beratungen über das Budgetkapitel Äußeres am 30. 10. 1997). Dem gegenüber stehen die realistischen Einschätzungen renommierter Experten, die ein anderes Bild zeichnen: EU-Kommissionspräsident Jacques Santer "erwartet sich vom Euro keine neuen Jobs" (Kurier, 17. 11.1997). Ebenso konstatieren und prognostizieren anerkannte Fachleute, daß "ein Rückgang der Arbeitslosigkeit durch die WWU eine Illusion ist" (Otmar Issing), daß "als Folge des Euro die Arbeitslosigkeit weiter zunehmen wird" (Horst Siebert), daß es "unwahrscheinlich ist, daß von der Europäischen Währungsunion, so wie sie im Maastricht-Vertrag konzipiert ist, positive Beschäftigungseffekte ausgehen" (Van der Bellen) und daß "für die Periode 2000 bis 2003 mit verstärkter Arbeitslosigkeit und mit einer relativ starken und langen Rezession in Europa zu rechnen ist" (Erich Streissler), um nur einige zu nennen.

Tatsache ist jedoch, daß es derzeit EU-weit rund 18 Millionen Arbeitslose und weitere 8 bis 9 Millionen Menschen gibt, die gerne arbeiten würden, wenn sie Aussicht auf einen Arbeitsplatz hätten (EU-Kommission, 33529/EU XX. GP), und daß die Verwirklichung des Maastricht-Defizits etwa 500 000 Arbeitsplätze und die Erfüllung des Verschuldungskriteriums etwa 1 Million Jobs in Europa kosten wird (Barrel/Morgan/Pain 1995). In Österreich wird die Einführung des Euro gerade im Bankensektor und im Versicherungsbereich zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen. Faktum bleibt weiters, daß die simultanen Konsolidierungsmaßnahmen (in Form der Belastungspakete) zur Dämpfung des wirtschaftlichen Wachstums und zur geringen Investitionsbereitschaft führten, und damit, als logische Folge, die Arbeitslosigkeit anstieg, es aber auch zu massiven Einschnitten im Sozialbereich kam. Die traurige und für eine verantwortungsvolle Politik nicht hinnehmbare Folge davon ist, daß in Österreich mehr als eine Million Menschen unter der Armutsgrenze lebt (Kurier, 11. 11. 1997) und rund 219 000 arbeitslos sind. Tatsache ist ferner, daß "der Euro die Reallöhne sinken läßt" und daß "reale Negativrunden bei Pensionen nicht ausgeschlossen sind" (Bert Rürup). Denn zum einen bedeutet die (begrenzte) Beseitigung des Wechselkursrisikos nicht, daß die "Summe der Risiken" in einer Volkswirtschaft sinkt, und zum anderen jedoch bedeutet diese Beseitigung, daß die bisherigen Auf- und Abwertungen durch höhere Mobilität von Arbeitskräften und/oder höhere Flexibilität der Reallöhne ersetzt werden müssen, zumindest solange kein nennenswerter Inner-EU-Finanzausgleich existiert. Tatsache bleibt schließlich, daß in der geplanten WWU die rein monetären Ziele im Vordergrund stehen. Ebenso basieren die Konvergenzkriterien auf monetären Zielvorstellungen. Andere Kriterien, wie die Berücksichtigung der Beschäftigungslage, obwohl vielfach, insbesondere von den Gewerkschaften, gefordert, bleiben außer Betracht.

Mit anderen Worten: Die für die Bevölkerung und Arbeitnehmer wirklich drängenden Anliegen, nämlich die Lösung der virulenten und drastischen Probleme am Arbeitsmarkt, wurde und wird im Gegensatz zu den, auch mit Budgettricks und kreativer Buchführung gespickten, Anstrengun


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gen zur Erreichung der Konvergenzkriterien realpolitisch eine untergeordnete Rolle eingeräumt. Die Aktivitäten der Europäischen Union in Zusammenhang mit der Rekordarbeitslosigkeit gingen bisher über die symbolische Ebene nicht hinaus. Auf der praktisch-konkreten Ebene wurde nichts erreicht. Eine Vielzahl von Konferenzen, Studien und Weißbüchern zeugen davon. Umfangreiche Erklärungen bei jedem Europäischen Rat, ein eigenes Beschäftigungskapitel im Amsterdamer-Vertrag, eine Entschließung des Europäischen Rates über Wachstum und Beschäftigung wurden diesem Thema bereits gewidmet. Am 20./21. 11. 1997 findet ein eigener Beschäftigungsgipfel in Luxemburg statt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird, verfolgt man die diesbezüglich laufende Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten und das Ergebnis des sogenannten "Jumbo-Gipfels" vom 17. 11. 1997, das Resultat wiederum weit hinter den in der Bevölkerung geweckten Erwartungen bleiben. Einmal mehr werden den Bürgern falsche Hoffnungen vorgegaukelt, wie es ein Kommentar in der Kleinen Zeitung treffend auf den Punkt bringt. Selbst AK-Präsident Tumpel erklärte jüngst in Brüssel, daß "er sich nicht viel vom Luxemburger Beschäftigungsgipfel erwarte" (Die Presse, 6. 11. 1997).

Aufgrund dieser und den anderen ungelösten Problemen und offenen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, treten immer mehr namhafte Wissenschafter und Experten (beispielsweise Wilhelm Hankel, Karl Socher, Hans Tietmeyer) sowie renommierte Politiker (z.B. Edmund Stoiber, Kurt Biedenkopf, Gerhard Schröder, Valerie Giscard d’Estaing, Lamberto Dini) für eine Verschiebung des rein politisch motivierten Projekts Währungsunion ein. Dadurch könnten massive Nachteile für die Arbeitnehmer hintangestellt und die mit einer überhasteten Einführung des Euro verbundenen Risiken vermieden werden. Dieser Problematik vollends bewußt hat die schwedische sozialdemokratische Regierung, unter Hinweis darauf, "daß die Einführung des Euro derzeit als riskantes und unsicheres Projekt gelten müsse", beschlossen, erst zu einem späteren Zeitpunkt der WWU beizutreten (FAZ, 3. 11. 1997). Ähnlich argumentieren auch Großbritannien und Dänemark.

Die österreichische Bundesregierung hingegen beschwichtigt und verschweigt der Bevölkerung all diese Probleme. Vielmehr versucht sie die offensichtlichen Defizite durch eine millionenteure Werbekampagne zu kaschieren. Eine derart sensible Entscheidung, die Ablösung des österreichischen Schilling durch den Euro, kann unter diesen Rahmenbedingungen nur durch eine Volksabstimmung in Österreich legitimiert werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Welches Verfahren soll Ihrer Auffassung nach bei der Festlegung der bilateralen Wechselkurse zur Anwendung gelangen (Tageskurs, Durchschnittswerte, Leitkurse etc.)?

2. Welche Auswirkungen wird das von der Bundesregierung präferierte Verfahren auf die österreichische Vermögens- und Exportsituation haben?

3. Wie wird sichergestellt, daß es im Zuge der Fixierung der bilateralen Wechselkurse zu keiner Beeinträchtigung der Vermögenspositionen der Österreicher kommt?

4. Welche Position nimmt die Bundesregierung hinsichtlich des Wechselkursregimes, das am 1. Jänner 1999 festgelegt werden soll, ein?

5. Ist es Ihrer Auffassung nach ausgeschlossen, daß es während der Übergangszeit bzw. in der Folge zu spekulativen Attacken gegen die europäischen Währungen bzw. den Euro kommt?

Wenn ja, inwiefern?

Wenn nein, welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um derartige spekulative Attacken abzuwehren?


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6. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung hinsichtlich des zwischen Deutschland und Frankreich vereinbarten informellen Ecofin-Rates (sog. Euro-X-Rat) ein und welche Kompetenzen soll dieser erhalten?

7. Sehen Sie die Gefahr, daß dieser informelle Ecofin-Rat (Euro-X-Rat) die Arbeit des Ecofin-Rates unterminieren oder beeinträchtigen könnte?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

8. Ist Ihrer Auffassung nach eine demokratische Kontrolle dieses informellen Euro-X-Rates gegeben?

Wenn ja, durch wen, inwiefern und inwieweit?

9. Welche Position nimmt die Bundesregierung in der heftig diskutierten Frage der Besetzung bzw. Bestellung des EZB-Präsidenten ein?

10. Sehen Sie den französischen Vorstoß als potentiellen Konflikt über die künftige Politik der Europäischen Zentralbank?

Wenn nein, warum nicht?

11. Wird die Bundesregierung einen eigenen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EZB vorschlagen oder einen Kandidaten für das Direktorium nominieren?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wen?

12. Sind Sie ebenso wie Professor Streissler der Auffassung, daß sich die EZB das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in Bezug auf eine konsequente Politik der Preisstabilität nur durch eine bewußt herbeigeführte Rezession erarbeiten kann?

Wenn nein, warum nicht beziehungsweise durch welche anderen Maßnahmen wird sich die EZB das Vertrauen der Finanzmärkte erwerben?

13. Laut einem Artikel in der "Financial Times" vom 11.11.1997 zählt Österreich, aufgrund der Notwendigkeit der Abtretung eines Teils des Wertpapiervermögens der Nationalbanken an die EZB beziehungsweise ESZB, zu den großen Verlierern nach Einführung der gemeinsamen Währung. Für Österreich wird demnach ein Vermögensverlust von 5 Milliarden ECU (rund. 65 Milliarden Schilling) prognostiziert. Teilen Sie diese Auffassung?

Wenn nein, auf welche Höhe werden sich Umverteilungseffekte belaufen?

Wenn ja, welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, daß dieser negative Effekt nicht eintritt?

14. In der Währungsunion übernehmen die Löhne die Rolle des Wechselkurses. Daraus folgt, daß in der Währungsunion die nationalen Arbeitsmärkte unter größeren Anpassungsdruck geraten. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache?

15. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze werden als Folge der Einführung des Euro in Österreich geschaffen werden?

16. Wie viele Arbeitsplätze werden als Folge der Einführung des Euro im Bankensektor oder in anderen Bereichen kurz- und mittelfristig verlorengehen?

17. Im Vorfeld des Beschäftigungsgipfels in Luxemburg wurden zahlreiche Positionspapiere, Resolutionen und beschäftigungspolitische Maßnahmen präsentiert. Wie steht die Bundesregie


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rung zu konkreten Vorschlägen, die über die Überwachung und Evaluierung der nationalen Aktionsprogramme hinausgehen?

18. Welche diesbezüglichen Vorschläge wird die österreichische Bundesregierung unterstützen beziehungsweise einbringen?

19. Sind Sie, wie beim Gipfel der EVP-Regierungs- und Parteichefs in Toulouse beschlossen, für die Reduzierung der Arbeitskosten zur Entlastung der Unternehmer und für die Verlagerung der Steuerlast von der Arbeit auf mobile Faktoren?

Wenn nein, warum nicht?

20. Unterstützen Sie den unter anderem auch vom EU-Ratsvorsitzenden Juncker ventilierten Vorschlag einer Verpflichtung für die Mitgliedstaaten "jedem Arbeitslosen innerhalb von zwölf Monaten und jedem jungen Arbeitslosen binnen sechs Monaten einen regulären Job oder eine staatlich geförderte Beschäftigung zuzuweisen"?

Wenn ja, welche finanziellen Konsequenzen hätte dies für Österreich?

Wenn nein, warum nicht?

21. Sind Sie ebenso wie EU-Ratsvorsitzender Juncker der Auffassung, daß "künftig das Arbeitslosengeld an die Auflage gekoppelt werden soll, eine Tätigkeit aufzunehmen"?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum?

22. Welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie sich von diesem Beschäftigungsgipfel, die qualitativ über den sogenannten "Essen-Prozeß" hinausgehen?

23. Wie sehen Sie die Entscheidung der schwedischen sozialdemokratischen Regierung, die unter Hinweis darauf, "daß die Einführung des Euro derzeit als riskantes und unsicheres Projekt gelten müsse" und vor dem Hintergrund der "europapolitischen Skepsis ihrer Bevölkerung" beschlossen hat, erst zu einem späteren Zeitpunkt der WWU beizutreten?

24. Wie bewerten Sie die Tatsache, daß vor der endgültigen Entscheidung Schwedens der Währungsunion beizutreten darüber eine Volksabstimmung in Schweden stattfinden soll?

25. In der Sitzung des des Unterausschusses Währung im Europäischen Parlament (13.10.1997) vertrat EWI-Präsident Wim Duisenberg bezüglich der Frage "wer die Wechselkosten begleichen wird", die Meinung, daß dies "der Benutzer des Euro sein wird". Sind Sie derselben Auffassung?

Wenn nein, warum können Sie dies ausschließen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Herrn Abgeordneten Mag. Schreiner als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage nach § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Schreiner.

15.02

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche) (ein dickes blaues Buch und Fläschchen in einer Tüte auf das Rednerpult stellend): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Tychtl: Die "blaue Bibel"!) Spät, aber doch ist vor ungefähr 25 Minuten – entgegen Ihren Ankündigungen in der APA von gestern, Herr


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Bundeskanzler – das österreichische Positionspapier zum Beschäftigungsgipfel in Luxemburg für morgen und übermorgen bei uns eingelangt.

Herr Bundeskanzler! An sich hätten wir erwartet, daß Sie uns im gestrigen Hauptausschuß beim Thema Beschäftigungskapitel darüber berichten und uns das Positionspapier unterbreiten. Ich zitiere die APA von gestern: "Die Regierungsspitze betonte, daß dieses Positionspapier mit den Sozialpartnern erarbeitet worden sei und am Nachmittag im Hauptausschuß des Nationalrats dem Parlament präsentiert werde." – APA, 18. November 1997.

Herr Bundeskanzler! Heute ist der 19. Das Positionspapier ist zwar da, aber die gestrige Diskussion fand ohne dieses statt. Ich betrachte es als Mißachtung des Parlaments, wenn im Hauptausschuß auf dieses Positionspapier Bezug genommen werden soll, wir es aber erst heute bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Die heutige Ausgabe der Tageszeitung "Die Presse" macht auf mit "Beschäftigungsgipfel der EU droht Flop zu werden". Ich frage mich nach der gestrigen Hauptausschußsitzung, ob das der Realität entspricht, und ich befürchte das.

Herr Bundeskanzler! Sie waren lediglich etwas mehr als eine Stunde lang in diesem Hauptausschuß und haben nicht mitbekommen, wie danach mit einem Antrag der Freiheitlichen auf Stellungnahme verfahren worden ist, obwohl dieser Antrag sich inhaltlich fast deckungsgleich mit dem beschäftigt hat, was die Kommission in einer Vielzahl von Maßnahmen vorschlägt.

Herr Bundeskanzler! Von der Kommission wird den Mitgliedstaaten übermittelt, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen von durchschnittlich 1,9 Prozent auf 2,5 Prozent des BIP angehoben werden. Das gleiche findet sich im Antrag der Freiheitlichen. Die Lohnnebenkosten sollen deutlich gesenkt werden. Eine höhere Besteuerung von Energie soll das ausgleichen. – Auch das findet sich in diesem Antrag. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es soll eine leichtere Gründung und Führung von Unternehmen, Herr Kollege, durch klare, dauerhafte und berechenbare Vorschriften ermöglicht werden.

Herr Bundeskanzler! Da habe ich ein bißchen schmunzeln müssen: "Führung von Unternehmen durch klare Vorschriften". Ich nenne nur das Stichwort Werkvertragsregelung: Sie selbst haben als Finanzminister gesagt, Sie kennen sich da eigentlich auch nicht aus. Da soll sich dann ein Unternehmer auskennen? – "Klare Vorschriften"! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

"Dauerhafte Vorschriften", Herr Bundeskanzler. Dauerhafte Vorschriften müßten wohl ein Finanzgesetz sein, auf das sich ein Unternehmer verlassen kann. Was aber machen Sie? – Sie machen rückwirkende Steuergesetzgebung. "Dauerhafte Vorschriften"!

"Berechenbare Vorschriften", Herr Bundeskanzler. Sind berechenbare Vorschriften wirklich Vorschriften, bei denen man nicht weiß, ob sie morgen noch gelten? – Für die Planung eines Unternehmens ist das ein Unding.

Das alles hat Ihnen die Kommission ins Stammbuch geschrieben, aber dieser Antrag auf Stellungnahme wurde abgelehnt. Ich frage mich, Herr Bundeskanzler, was bei diesem Beschäftigungsgipfel außer einer Deklaration überhaupt herauskommen soll.

Hohes Haus! Wir erleben nunmehr sozusagen den vierten Aufguß. Erster Aufguß: das Weißbuch, ein Diskussionspapier über das Beschäftigungskapitel und die Sozialpolitik. Als nächstes hat sich der Gipfel von Essen damit beschäftigt – herausgekommen ist wieder eine Deklaration. Danach hat der Gipfel von Amsterdam festgelegt, daß drei dürre Sätze in das Papier des Gipfels von Amsterdam aufgenommen werden sollen. Und nun wird wahrscheinlich die vierte Absichtserklärung erfolgen, daß für die Beschäftigung etwas geschehen muß.

Herr Bundeskanzler! Europa, die Wirtschaft Europas und die Arbeitnehmer Europas werden nicht dadurch Beschäftigung finden und nicht davon leben können, daß Regierungen immer nur Erklärungen abgeben. Sie müssen handeln, und Sie müssen endlich Handlungsqualität zeigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundeskanzler! Sehr klar hat Bundeskanzler Kohl das gesagt. "Neue Zürcher Zeitung" vom 14. November 1997: "Am Donnerstag hat Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Regierungserklärung im Bundestag dargelegt, daß Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit in erster Linie nationale und nicht europäische Aufgaben darstellten." (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Endlich einmal ein wirklich klares Wort, Herr Bundeskanzler! Es ist auch völlig klar: Bei einem Budget von 1 300 Milliarden Schilling, das zur Hälfte durch den Agrarbereich verbraucht wird, kann Europa keine Beschäftigungsinitiativen setzen. Das muß der Nationalstaat machen, und das müssen auch Sie, Herr Bundeskanzler, mit Ihrer Regierung machen. Das muß ein österreichischer Wirtschaftsminister und ein österreichischer Finanzminister machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie alle glauben, daß Sie dieses Problem, weil es unangenehm ist, nach Europa abschieben könnten. Herr Bundeskanzler! Die Frage der Beschäftigung wird immer zusammen mit der Frage der Währungsunion diskutiert. Die zentrale Frage, die sich viele Nationalökonomen stellen, lautet: Bringt die Währungsunion einen zu erwartenden Beschäftigungseffekt?

Dazu ein paar Zitate, Herr Bundeskanzler. Manfred Neumann von der Universität Bonn: Wer glaubt, der Euro schaffe Arbeitsplätze, ist ein Illusionist. Kurzfristig kann die Arbeitslosigkeit sogar ansteigen.

Oder: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung: Übertriebene Hoffnungen auf beschäftigungsfördernde Effekte an die Währungsunion zu knüpfen, wäre schlecht und nicht zeitgemäß.

Die Wirtschafts- und Währungsunion wird die Beschäftigungsschwierigkeiten in Europa nicht lösen, sagt Michael Mussa, der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds.

Die Währungsunion ist ein Vorhaben ohne ökonomische Vernunft, sagt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 18. Dezember.

Herr Bundeskanzler! Da könnte man sagen, diese Deutschen sehen das zu pessimistisch. Aber selbst die "Solidarität", die Zeitschrift des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, meint: "Sofort nach Einführung des Euro wird es zwar wieder zu Lohneinbußen kommen, doch fünf Jahre danach sollen es im besten Fall 20 000 bis 25 000 Arbeitsplätze mehr sein." – Herr Bundeskanzler! Sie haben uns an sich schon vor dem EU-Beitritt versprochen, es werden 50 000 Arbeitsplätze mehr sein. Aber 35 000 weniger sind es geworden.

Herr Bundeskanzler! Es gibt einen Satz, den man landläufig sagt: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht." (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundeskanzler, ich unterstelle nicht, daß Sie lügen. Aber das ist in etwa die Diktion, die man hier anwenden müßte. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der ÖGB-Chef? – Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Herr Bundeskanzler! Die Frage ist, wie Sie als Chef der österreichischen Regierung und Sie als Regierungsparteien die Stirn haben können, zu meinen, der Euro schaffe nachhaltige Beschäftigung. Woher nehmen Sie diese Weisheit? Glauben Sie das wirklich?

Wenn jemand ein Produkt oder eine Dienstleistung erarbeitet, diese verkauft und in Schilling, Lire oder D-Mark bezahlt bekommt, dann hat er diese Leistung mit einem Gegenwert an den Mann gebracht und kann mit dem Geld wieder Dienstleistungen oder Produkte kaufen. Herr Bundeskanzler, glauben Sie wirklich, daß das deswegen, weil statt dessen ein Euro im Spiel ist, der die 45 000 Dienstleistungsplätze bei Banken auf 32 000 reduziert, Beschäftigungspolitik ist und daß das machbar ist? Herr Bundeskanzler! Außerdem kommt in Ihrer sogenannten Werbung, in den Werbespots der Regierung pausenlos der US-Dollar ins Spiel. Da wird gesagt: Was der US-Dollar kann, soll Europa auch können.

Herr Bundeskanzler! Das ist ökonomisch unredlich. Es ist deswegen ökonomisch unredlich, weil die USA einen total mobilen Arbeitsmarkt haben, weil in den USA eine einzige Sprache gesprochen wird, weil 17 Prozent der Bevölkerung jährlich den Arbeitsplatz beziehungsweise den


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Wohnort wechseln und weil dort ein vertikaler und horizontaler Finanzausgleich besteht. Das ist unvergleichbar. Es ist daher unredlich, was Sie damit der Bevölkerung vorzugaukeln versuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dann kommt noch das zweite Argument ... (Abg. Dr. Nowotny: Ein einheitlicher Währungsraum und ein einheitlicher Arbeitsmarkt ...!) Herr Professor Nowotny! Ich bin so froh darüber, daß ich in der Hochschule nicht Sie gehabt habe. Wenigstens ist aus mir etwas geworden. Gott sei Dank habe ich Sie oder einen anderen derartigen Professor in der Hochschule nicht gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Manche sind über ihre Unwissenheit froh!) Ich habe die Gnade der etwas früheren Geburt. (Abg. Dr. Haselsteiner: Der "späteren" heißt das!)

Herr Bundeskanzler! Zur Frage der Abwertung: Pausenlos wird von Ihnen und Ihren Regierungskollegen dargelegt, daß in diesem Fall eine Abwertungsfrage ganz einfach nicht zu diskutieren sei. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.) Es wird am 1. Jänner 1999 eins zu eins umgestellt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Es wird sich jedoch rächen, Herr Bundeskanzler, daß dabei unterschiedlichste Volkswirtschaften verbunden werden, daß der Euro sich einer internationalen Bewertung wird stellen müssen und daß die Frage der äußeren und inneren Stabilität dieser Währung ökonomisch wichtig und von Bedeutung sein wird.

Es geht nicht an, Herr Bundeskanzler, daß Sie ökonomische Parameter, wo wir meinen, daß wir damit auf der sicheren Seite stehen, beiseite wischen und glauben, daß eine politische Lösung gefunden werden muß. Herr Bundeskanzler! Das wird bei dieser Währungsunion ganz einfach nicht möglich sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Mir kommt es ein wenig so vor, als ob Sie vielen Leuten die Unwahrheit sagen. Ein "kleiner" Sparbuchbesitzer soll ganz einfach seinen Schilling verlieren und gegen den Euro einwechseln. Jemand – Herr Kollege Haselsteiner, dort gehören Sie dazu –, der über 500 000 S in ein Portfolio-Management einbringt, hat da schon andere Möglichkeiten. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das tue ich nicht!) Es gibt Banken, die sagen: Ein dynamisches Depot sieht so aus, daß zu 40 Prozent in Währungen wie den japanischen Yen, den Schweizer Franken und den US-Dollar gegangen wird. Das sagen österreichische Banken! Sie beteiligen sich zwar an der Pro-Euro-Kampagne, aber ihren guten Klienten sagen sie: So heiß wird das nicht gegessen, bitte veranlagen Sie 40 Prozent Ihrer Barschaft lieber in US-Dollar, in Yen oder in Schweizer Franken.

Herr Bundeskanzler! Was ist denn das? Was ist das anderes, als den Leuten einfach die Unwahrheit über die tatsächlichen ökonomischen Verhältnisse zu sagen? (Abg. Dr. Haider: Die Erste!)  – Die Erste Österreichische Spar-Casse zum Beispiel macht das, ebenso andere Sparkassen, die Raiffeisen-Bank macht es und die CA genauso.

Herr Bundeskanzler! So wird man mit der österreichischen Bevölkerung nicht verfahren können. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel demonstrieren. (Der Redner hält eines der mitgebrachten Fläschchen in die Höhe.) Schauen Sie, das ist keine Schildlaus, sondern portugiesischer Rosé. (Abg. Dr. Haselsteiner: Was ist da drinnen? – Weitere Zwischenrufe.) Herr Bundeskanzler! Ein Wasserglas, Leitungswasser aus Wien, klares Hochquellenwasser. Daneben, nicht ganz voll – ich mache es zu drei Vierteln voll ... (Der Redner schüttet die rötliche Flüssigkeit aus dem Fläschchen in ein Glas. – Ruf: Giftmischer! – Weitere Zwischenrufe.) Ich bin kein Giftmischer, sondern Önologe. Ich kann das, Herr Präsident, keine Sorge. Ich habe vier Jahre Weinbau studiert. Ich kann das ohne weiteres mischen. (Abg. Dr. Stummvoll: Weinpantscherei! – Weitere Zwischenrufe.)

So, Herr Bundeskanzler, 20 Prozent hinein, bitte sehr: klares Wasser vermischt mit etwas "rotem Gift". Rotes Gift bedeutet: höhere Inflation, höhere Zinsen, Abwürgen der Investitionsbereitschaft, Abschwächung der Konjunktur und höhere Arbeitslosigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler, das ist sehr unprofessionell. (Anhaltende Zwischenrufe.) Ich habe hier portugiesischen Wein genommen. Ich hätte auch spanischen oder italienischen Wein nehmen können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Laß den Herrn Bundeskanzler kosten! – Weitere Zwischenrufe.) Ich hätte auch ganz einfach eine Farbe nehmen können. Ich habe eben Wein genommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Marizzi und Dr. Stummvoll. )

Herr Bundeskanzler! Jetzt ist die nächste Frage: Können wir Ihnen wirklich glauben? Ist es denn nicht so, Herr Bundeskanzler, daß – damals waren Sie schon Mitglied der Regierung – ein Staatssekretär Ditz am 7. Mai 1994 wörtlich im Bundesrat sagte (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): "Alle diese Aussagen, ... es komme automatisch zu einer Änderung oder zur Installierung der Währungsunion, sind falsch, sind unrichtig und führen zu einer Verunsicherung, die eigentlich nicht gerechtfertigt ist."

Jetzt, Herr Bundeskanzler, sagen Sie: Ohne Wenn und Aber in diese Währungsunion! Der Vertrag von Maastricht sei ohne Wenn und Aber am 12. Juni 1994 von allen 5,125 Millionen Wahlberechtigten akzeptiert worden. Herr Bundeskanzler! Ohne Wenn und Aber! (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Da sagte Wirtschaftsforscher Breuss – Propaganda- und echte Lügen vor dem EU-Referendum – im "Kurier": Die Koalition hat das Ende des Schillings und der Anonymität bewußt verschwiegen. (Abg. Dr. Haider: Ja! – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Herr Bundeskanzler! Wem soll man denn wirklich glauben? Soll man dem Chefökonomen der Hessischen Landesbank glauben? – Er sagt: Der Euro kommt als Weichwährung zur Welt. Für Sparer hat das verheerende Auswirkungen. Die Abwertung der Hartwährung ist in vollem Umfang im Gange.

Oder soll man Herrn Bundeskanzler Franz Vranitzky glauben? – Er sagte: Ich verspreche Ihnen, die Sparguthaben bleiben sicher. (Abg. Mag. Posch: Dem Vranitzky kannst glauben!)

Herr Bundeskanzler! Vor dem EU-Beitritt gab es den "Ederer-Tausender". – Wir warten heute noch darauf. Von mehr Arbeitsplätzen war die Rede. – Weniger sind es geworden. Eine Steuerreform wurde versprochen. – Nichts ist gekommen. (Abg. Dr. Stummvoll: Die "Schildlaus" hat es auch gegeben!) Ich stehe lieber auf der sicheren Seite und glaube Ihnen nicht. Ich glaube Ihnen nicht, Herr Bundeskanzler! Und viele, viele Österreicher werden dem auch keinen Glauben schenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Schwarzenberger! Sie waren sicherlich auch bei der Volksabstimmung am 12. Juni 1994. Eine Frage an Sie: Haben Sie dieses Buch wirklich vorher gelesen? (Der Redner hält ein dickes Buch mit blauem Umschlag in die Höhe. – Abg. Schwarzenberger schüttelt den Kopf. – Ruf bei den Freiheitlichen: Nein!) 1 538 Seiten – Sie also nicht. (Abg. Schwarzenberger: Ich habe mich über die Themen informiert!) – Sie haben sich informiert. Jetzt sagen Sie: Alle haben das gewußt.

Herr Kollege Schwarzenberger! Haben Sie wenigstens das mittlere Kapitel über die Wirtschafts- und Währungsunion gelesen, von Seite 657 bis Seite 691? (Abg. Schwarzenberger: Nein, habe ich nicht! – Weitere Zwischenrufe.) Herr Schwarzenberger also nicht. Herr Kollege Stummvoll? – Weiß nicht; hat es auch nicht gelesen; vielleicht ist es in der Bibliothek der Wirtschaftskammer.

Ich habe einmal nachgerechnet. Herr Bundeskanzler! Dieses Buch ist im Jänner 1994 herausgekommen, also vor dem EU-Beitritt. Es wäre recht und billig gewesen, wenn die Bundesregierung dieses Buch – es kostet 2 400 S – jedem Österreicher und jeder Österreicherin zur Information übersandt hätte, denn da steht alles drin. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Jetzt sagen Sie ja, die Leute hätten das alles wissen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt lassen Sie nämlich keine Volksabstimmung zu, und jetzt sagen Sie, das ist alles eine gegessene und entschiedene Sache. Das ist eine Unverfrorenheit! (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck. ) Ich weiß, wenn dieses Buch jedem zugesandt worden wäre, hätte dies den österreichischen Steuerzahler 12,3 Milliarden Schilling gekostet. Ich sage Ihnen, Herr Bundes


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kanzler: Sie haben die Bürger völlig uninformiert gelassen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jetzt aber sagen Sie: Wir stehlen uns aus dieser Verantwortung, weil jetzt "ohne Wenn und Aber" gilt, und der Euro steht auf Schienen. – Herr Bundeskanzler! So wird das nicht gehen. Die Bürger haben ein Recht auf Information, die Sie ihnen leider verweigert haben.

Herr Bundeskanzler! Unsere Position ist daher eindeutig und klar. (Abg. Dr. Maitz: Wir sind gegen alles!) Artikel 1 der Bundesverfassung lautet: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." – Daher, Herr Bundeskanzler, betrachten wir das Instrument einer Volksabstimmung als legitim in einer so entscheidenden Frage wie der, daß jemand einen Geldeswert gegen einen anderen Geldeswert tauschen muß. Den Geldeswert bekommt er für Leistung bezahlt, für Waren und Dienstleistungen, und da ist es legitim, daß man darüber auch Einverständnis mit der Bevölkerung herstellt und nicht diese Entscheidung gegen die Bevölkerung durchzieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.21

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich zwar ein bißchen, daß die freiheitliche Partei ihre Pantscherei jetzt schon öffentlich macht. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Aber daß sie sich dazu auch noch das Rednerpult des Parlaments aussucht, ist wirklich ein bißchen verwunderlich.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie haben eines, meine ich, sehr richtig angesprochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben sich gar nicht ins Parlament getraut!) Sie haben sehr richtig angesprochen, daß die Wirtschaft und die Bevölkerung Berechenbarkeit und klare Positionen brauchen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

Ich habe sehr genau zugehört, aber ich weiß – so wie alle Österreicherinnen und Österreicher – auch heute nicht, welche Position Sie zum Euro eigentlich beziehen. (Abg. Dr. Haider: Manche sind ein bißchen schwer von Begriff!) Ich weiß, daß Sie einen Zickzackkurs fahren, und ich weiß, daß weder die Wirtschaft noch die Bevölkerung so einen Zickzackkurs honoriert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zieht sich ja durch. Wenn ich zum Beispiel jetzt höre, daß der italienische Wein etwas verdünnt ist, dann erinnere ich mich daran, daß von dieser Seite die Bedingung kam, daß wir nicht der Währungsunion beitreten sollten, wenn nicht Italien, unser zweitwichtigster Handelspartner, dabei ist. (Abg. Dr. Haider: Das habe ich gesagt? Verwechseln Sie uns mit der ÖVP?) Ätsch – jetzt ist Italien dabei, nun ist es plötzlich Großbritannien! Kein Mensch kann mir erklären, warum wir auf Großbritannien warten sollten. Diesen Wirtschaftsprofessor möchte ich einmal hören. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das zweite: Sie machen sich anscheinend Sorgen, daß der Schilling bei einer Umrechnung zum Euro aufgrund dieses Wechselkursmechanismus zu weich wäre. Auch da kenne ich mich nicht aus. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das habe ich befürchtet!) Ich erinnere daran, daß Herr Abgeordneter Dr. Haider laut "Salzburger Nachrichten" gesagt hat: Der Schilling ist zu hart, der Schilling sollte weicher werden, um die Exportwirtschaft zu stärken. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Was sollen wir also jetzt machen? – Irgendeiner muß das wirklich einmal sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum sollten wir eines tun: Wir sollten unseren Wirtschaftspartnern, jenen, die in Österreich investieren – Hunderten österreichischen Firmen, Tausenden, die hier investieren, aber auch unseren ausländischen Partnern, die hier investieren und sich immer darauf verlassen haben, daß Österreich eine stabile Währungspolitik gemeinsam zum Beispiel mit der D-Mark bieten wird –, sagen: Wir werden das beibehalten, ihr könnt weiter in Österreich investieren und damit Tausende Arbeitsplätze in Österreich schaffen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Man sollte allerdings nicht so einen Zickzackkurs gehen, bei dem sich kein Mensch mehr auskennt. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Erlauben Sie mir noch eine Vorbemerkung, bevor ich Ihre Fragen beantworte. Ich komme soeben von einem mittelständischen Unternehmen in Niederösterreich mit 200 Beschäftigten. Dieses mittelständische Unternehmen stand vor zwei Jahren vor der Schließung. Es ist zu einer Umstrukturierung und einem neuen Management gekommen, und die Mitarbeiter haben gemeinsam mit dem Betriebsrat und dem neuen Management den Turnaround geschafft. Sie haben jetzt wieder größere Umsätze, sie legen zu und haben mehr Beschäftigung. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: In Lilienfeld haben sie geschlossen!) Sie haben mir gesagt: Das Wichtigste, das sie beseitigen mußten, sind Mieselsucht und Schlechtmacherei. – Ich trete dafür ein, daß wir das auch in unserem Land beseitigen, weil das den Blick verstellt für die Stärken, für das Gute, das auszubauen ist! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist schlecht, ununterbrochen alles mit Mieselsucht und Schlechtmacherei in unserem Lande zugrunde richten zu wollen, und zwar aus evidentem politischem Interesse! Wir müssen die Stärken in unserem Lande stärken! Wir brauchen Realitätssinn, auch Optimismus und Kraft, aber nicht eine solche Mieselsucht! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern im Hauptausschuß die österreichische Position zum Beschäftigungsgipfel in Luxemburg dargelegt. Ich bin sehr stolz darauf, daß in Österreich eine Position gemeinsam mit den Regierungsparteien und Sozialpartnern erarbeitet wurde. (Abg. Aumayr: Sie sind ja kein Gewerkschafter! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Schönfärber! Schönfärberei!)

Wir könnten uns an sich in Österreich zurücklehnen. Ein Regierungschef der Europäischen Union hat zu mir gesagt: Wenn ich eure Zahlen hätte – die beste Jugendbeschäftigung in Europa (Abg. Mag. Stadler: Joi! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), die zweitbeste Beschäftigung in Europa, nachweisbar –, dann würde ich mich zurücklehnen. (Abg. Mag. Stadler: Was sagen denn die Lehrlinge dazu? – Ruf bei den Freiheitlichen: Lehrlingslüge!) Aber wieso kämpft ihr Österreicher dauernd um Beschäftigung in Europa? – Weil wir es als gemeinsames Problem ansehen!

Wenn der Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes, der Europäischen Wirtschaftsvereinigung sagt: Österreich kämpft an vorderster Stelle für mehr Beschäftigung, dann ist das, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur ein Lob, sondern ein Auftrag für uns, uns auch in Luxemburg dafür einzusetzen, daß das Beschäftigungsthema weiterhin so im Vordergrund bleibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Alles hohle Phrasen!)

Ich möchte gerne wissen, wer von den hier Anwesenden vor einem Jahr geglaubt hätte, daß wir hier und heute in der Erwartung sitzen würden, daß es einen Sondergipfel für Beschäftigung in Luxemburg gibt (Zwischenruf des Abg. Jung ) und daß bei diesem Sondergipfel für Beschäftigung in Ergänzung zum Konvergenzprogramm für Währung auch ein Konvergenzprogramm für Beschäftigung Thema sein wird (Abg. Ing. Reichhold: Da ist bisher nichts herausgekommen! Ein Flop!): mit verpflichtenden Maßnahmen, verpflichtenden Zielen und periodischen Überprüfungen. (Abg. Wabl: Das französische Volk hat das bewirkt!) Dazu hätte vor einem Jahr jeder gesagt: Das sind ein paar Träumer, die sich das vorstellen.

Heute ist das Realität. Wir werden ein Konvergenzprogramm für Beschäftigung mit eingeforderten Maßnahmen der einzelnen Nationalstaaten, mit einer periodischen Überprüfung der Wirkungen und mit festgelegten Zielen für mehr Beschäftigung in Europa haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Es ist darum gegangen, daß der Gipfel noch nicht stattgefunden hat!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage ganz offen: Ich halte den Vorschlag Österreichs für intelligenter als den ursprünglichen Vorschlag der Kommission. Die Kommission hat, wie Sie wissen, ursprünglich vorgeschlagen, daß zu den sektoralen Zielen Jugendbeschäftigung und Langzeitarbeitslosigkeit das sogenannte Globalziel von 7 Prozent anzustrebender Arbeitslosenquote in der Europäischen Union hinzukommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren!


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101. Sitzung / Seite 18

Wir Österreicherinnen und Österreicher haben die Sorge, daß es keine Identifikation und keine Verantwortlichkeit der Nationalstaaten gibt, wenn es nur solch ein Globalziel gibt.

Wir haben daher ein Verfahren vorgeschlagen, das aus unserer Sicht nicht nur, wie ich hoffe, intelligenter ist, sondern vor allem die große Chance bietet, daß eine nationale Verbindlichkeit und eine Identifikation entsteht, nämlich das sogenannte Bottom-up-Verfahren. Jedes Land muß von sich aus Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit vorlegen, von sich aus Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsquote vorlegen, von sich aus Maßnahmen zur Anhebung der Beschäftigung vorlegen, von sich aus Maßnahmen zur Anhebung der Selbständigenquote vorlegen und muß diese Zahlen für sich selbst verbindlich nennen. Dann kann das überprüft werden. (Abg. Jung: Zu welchem Zeitpunkt?)

Diese verbindlichen nationalen Zahlen werden dann aggregiert – also summiert – zu einem gemeinsamen europäischen Ziel. Das hat den Vorteil, daß nationale Verbindlichkeit entsteht, und das ist es, was wir insgesamt in Europa wollen: das Konvergenzprogramm für Beschäftigung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für eine gute Gelegenheit, daß wir das österreichische Positionspapier hier und heute diskutieren können, weil ich wirklich auf das hoffe, was der Herr Präsident ausgedrückt hat: daß wir nämlich aus der Diskussion der Abgeordneten noch Anregungen zu diesem gemeinsamen Beschäftigungsgipfel mitnehmen können. Nur bitte ich, dafür auf eine Pantscherei zu verzichten und wirklich auf Sachinhalte einzugehen.

Wir haben uns vorgenommen, daß – in Analogie zu den großen vier Leitlinien, die hier vorgelegt werden sollen – in Österreich die Schwerpunkte in folgenden Bereichen liegen sollen: Investitionen in die Ausbildung, und zwar nicht nur in die Erstausbildung, sondern auch in die berufliche Weiterbildung, um sicherzustellen, daß die Arbeitnehmer die Voraussetzungen dafür haben, sich auf den Arbeitsmärkten zu behaupten, Investitionen in die Infrastruktur, neue Instrumente der europäischen Investitionsbank für Klein- und Mittelbetriebe, weil wir wissen, daß von dort Beschäftigungsimpulse ausgehen, sowie die Harmonisierung der Steuern, ein ganz wesentlicher Faktor. (Abg. Ing. Reichhold: Da sind Sie "früh" dran! Das hätten Sie schon längst tun müssen!) Denn der Steuerwettbewerb nach unten überträgt die Last der Staatsfinanzierung zu einem beachtlichen Teil auf die sogenannten immobilen Faktoren, wie etwa Löhne und Mehrwertsteuer, somit also auf den Konsumenten.

Darin liegen zwei interessante Ansätze. Der erste Ansatz ist bereits unter dem bestehenden Recht möglich. Ich hatte vor wenigen Tagen ein Gespräch mit dem zuständigen Kommissar für Wettbewerb, Karel Van Miert. Er äußerte die Absicht, Steuerprivilegien verstärkt als unerlaubte Beihilfen zu quantifizieren, das heißt, daß – so wie heute bereits unerlaubte Beihilfen geprüft werden, um zu verhindern, daß einzelne Nationalstaaten mit vielen Beihilfen Unternehmen von anderen Staaten abwerben – die Wettbewerbskommission auch überprüfen wird (Abg. Wabl: Da wird aber Österreich ganz schön in Schwierigkeiten kommen!), ob es etwa Steuerbegünstigungen für bestimmte Sektoren gibt, da diese nun gleichsam als indirekte Beihilfe quantifiziert werden. Es ist dies ein wesentlicher Ansatz, um den ruinösen Steuerwettbewerb nach unten in Zukunft einzubremsen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der zweite Punkt sind die bereits ausgearbeiteten Überlegungen von Kommissar Monti, die sicherstellen sollen, daß in Zukunft das Steuersystem auf europäischer Ebene gemeinsam in Richtung Ent lastung des Faktors Arbeit und Be lastung des Ressourcenverbrauches umgestellt werden kann – ein wesentlicher Schritt, der auch die Unterstützung des österreichischen Parlaments und der österreichischen Bundesregierung haben wird, da durch die Entlastung des Faktors Arbeit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Des weiteren sind in der österreichischen Position wesentliche Maßnahmen zur Verlagerung von der passiven zur aktiven Arbeitsmarktpolitik in gleicher Stärke enthalten wie Maßnahmen zur Sicherung der Chancengleichheit für Frauen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch auf weitere mir wichtig erscheinende Punkte eingehen. Die Beschäftigungspolitik in Europa sollte aus unserer Sicht in Zukunft mit der gleichen Berechtigung und in der gleichen Rangordnung wie die Geldpolitik diskutiert werden. Die Koordination von Wirtschafts-, Geld- und Beschäftigungspolitik wird nach diesem Gipfel auf europäischer Ebene gleichberechtigt geschehen, die Beschäftigungspolitik wird also der Geldpolitik nicht mehr nachgeordnet sein. – Eine wesentliche Änderung der Zielsetzung!

Zweitens haben wir die gut funktionierende Sozialpartnerschaft in Österreich als Modell auch für Europa empfohlen! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Darauf können wir stolz sein, auch wenn es Ihnen nicht paßt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Zukunft wird es auf europäischer Ebene auch periodische Dialoge mit den europäischen Sozialpartnern geben, da uns allen klar ist, daß weder eine nationale noch alle europäischen Regierungen zusammen alleine Arbeitsplätze schaffen können, sondern daß das gemeinsam mit den Sozialpartnern geschehen muß. (Abg. Ing. Reichhold: Wollen Sie wieder "Pluspunkte" sammeln?) Daher ist die Einbindung der Sozialpartner auf europäischer Ebene ein wesentlicher Erfolg im Rahmen österreichischer Modelle, die wir geliefert haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Winseln S’ jetzt wieder?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nun auf Ihre Fragen eingehen.

Zur Frage 1:

Die ECOFIN-Minister haben sich darauf geeinigt, gleichzeitig mit der Entscheidung über die Mitglieder der Wirtschafts- und Währungsunion Anfang Mai 1998 auch über das Verfahren zur Festlegung der bilateralen Wechselkurse zu entscheiden. Ich glaube, daß damit an die Finanzmärkte ein sehr starkes Signal über die zu erwartende Stabilität gegeben wird.

Da aus Gründen der Währungskontinuität die Wechselkurse am 31. Dezember 1998 möglichst jenen am 1. Jänner 1999 entsprechen sollen, werde ich für jenes Verfahren eintreten, das die Kontinuität am besten sichert. Ich bin überzeugt davon, daß bei der endgültigen Entscheidung im Mai 1998 das am besten geeignete Verfahren gewählt werden wird.

Zu den Fragen 2 und 3:

Ich glaube, daß es unter den von mir soeben erwähnten Voraussetzungen, nämlich der Kontinuität und Stabilität, zu Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion ab 1. Jänner 1999 weder zu Veränderungen der österreichischen Exportsituation noch zu Veränderungen der Vermögensposition kommen wird. Die Bundesregierung wird sich daher auch für ein derartiges Wechselkursverfahren einsetzen.

Zur Frage 4:

Mit dem ab 1. Jänner 1999 in Kraft tretenden EWS 2, durch welches sichergestellt wird, daß sich auch die Wechselkurse jener Länder, die nicht an der Währungsunion teilnehmen, am Euro orientieren, werden die Schwankungsbreiten dieser Währungen gegenüber dem Euro festgelegt. Es werden auch gegenseitige Interventionsverpflichtungen vereinbart. Die Europäische Zentralbank muß dieser Interventionsverpflichtung allerdings nur insoweit entsprechen, als dadurch die Stabilität des Euro nicht gefährdet wird.

Zur Frage 5:

Die frühzeitige Festlegung der bilateralen Umrechnungskurse soll die Glaubwürdigkeit der Wechselkursbildung herstellen und dadurch spekulative Attacken verhindern. Die österreichische Hartwährungspolitik der letzten Jahrzehnte ist, so glaube ich, ein gutes Beispiel für eine derart erfolgreiche Politik. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Währungsunion sind in fast allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union derzeit so günstig wie selten in der Vergangenheit, das muß man auch ehrlich zugeben!


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Was heißt denn Konvergenz? – Konvergenz heißt, daß man zum Beispiel in allen Staaten eine niedrige Inflationsrate, also eine niedrige Geldentwertung hat, oder auch, daß es etwa ein angeglichenes Zinsniveau sowie eine angeglichene Wechselkursflexibilität gibt. (Abg. Dr. Haider: Das hat aber nichts mit dem Euro zu tun, das wissen Sie selber! Das ist weltweit!) Das haben wir erreicht! Die Inflationsrate liegt in nahezu allen Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen werden, unter 2 Prozent. So eine Konvergenz hatten wir in Europa noch nie! (Abg. Dr. Haider: Nicht nur in anderen Staaten, die nicht teilnehmen, sondern in allen Staaten der Welt!) Darum ist nun ein günstiger Zeitpunkt für die Realisierung der Währungsunion. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: In fünf Jahren!)

Zu den Fragen 6 bis 8:

Es ist bereits jetzt in der Europäischen Union üblich, daß sich Räte auch informell treffen. Insofern stellt die Abhaltung informeller Räte auch nach 1998 lediglich die Beibehaltung eines bewährten Instruments dar. Da allerdings in der Währungsunion auch Angelegenheiten zu besprechen sein werden, die aus der Existenz der gemeinsamen Währung resultieren, scheint es den zukünftigen Mitgliedern der Währungsunion sinnvoll zu sein, in diesem Kreis entsprechende informelle Diskussionen führen zu können. Sie wissen, daß sowohl Deutschland als auch Frankreich die Meinung vertreten, daß es nicht logisch wäre, wenn Länder, die an der Währungsunion nicht teilhaben, an solchen Treffen teilnehmen.

Zu den Fragen 9 bis 11:

Grundsätzlich ist es jedem Mitgliedstaat unbenommen, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Zentralbank zu nominieren. Sie erinnern sich vielleicht, daß Frankreich schon anläßlich des Europäischen Rates von Dublin erklärt hat, daß die Bestellung von Herrn Wim Duisenberg zum EWI-Präsidenten kein Präjudiz für die Position des EZB-Präsidenten darstellt. Ich würde daraus aber keinen Konflikt über die Politik der Europäischen Zentralbank ableiten. Die österreichische Bundesregierung wird zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, ob für das Direktorium ein eigener Kandidat beziehungsweise eine Kandidatin nominiert werden soll. Denn erst dann wird feststehen, nach welchen Modalitäten die Bestellung des Direktoriums vorgenommen wird.

Zur Frage 12:

Das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in die EZB wird von einer Reihe von Faktoren abhängen, am wesentlichsten mit Sicherheit jedoch davon, wie sich die stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik der teilnehmenden Mitgliedstaaten in der Vergangenheit entwickelt hat und in der Gegenwart darstellt. Diesbezüglich können wir, wie ich glaube, sehr zufrieden sein. Ich bin überzeugt davon, daß der Stabilitätsanspruch von den Finanzmärkten auch honoriert wird. Aus meiner Sicht ist jenes Verfahren, das nun vorbereitet wird, nämlich der Pakt für Wachstum und Stabilität, durchaus ausreichend, vor allem, weil auch der EU-Vertrag der Europäischen Zentralbank die Orientierung an der Preisstabilität vorgibt. Das Vertrauen der Finanzmärkte wird nicht durch eine Rezession laut Professor Streissler, sondern durch Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union gesteigert werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 13:

Ich kann Ihnen zur Frage nach den Auswirkungen der Währungsunion auf die Vermögensposition der Oesterreichischen Nationalbank mitteilen, daß es durch die Übertragung von Reserven an die EZB – wie bereits jetzt an das Europäische Währungsinstitut – keine Auswirkungen auf die Vermögensposition gibt. Was Sie vielleicht gemeint haben, ist die Ertragsposition. (Abg. Dr. Haider: Vermögensposition!)  – Bitte schön, Handbuch Seite 1! Durch die Gewinnverteilung auf Basis des Kapitalschlüssels kann es möglicherweise Auswirkungen auf die Ertragsposition geben. (Abg. Dr. Nowotny – in Richtung Freiheitliche –: Das ist falsch! Falsch verstanden! – Abg. Dr. Haider: Die "Financial Times" ist dumm!) Diese Diskussionen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. (Abg. Dr. Nowotny: Zuhören! – Abg. Dr. Haider: Die "Financial Times" ist dumm! Nur Professor Nowotny ist so gescheit!)


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Zur Frage 14:

Das unternehmerische Umfeld und die Kosten der Produktion sind bereits heute entscheidend für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Ich glaube, daß es durch die Einführung des Euro zu keinem Unterschied kommen wird, denn die österreichischen Unternehmen sind es seit 20 Jahren gewohnt, daß sich die Wechselkurse nach langfristigen Gesichtspunkten an den Haupthandelsländern orientieren, sodaß für die österreichischen Arbeitnehmer bezüglich ihrer bewährten sozialpartnerschaftlichen Lohn- und Einkommenspolitik aus meiner Sicht keine Anpassungserfordernisse notwendig sein werden.

Zur Frage 15:

Es gibt eine Studie des Wifo, das in Modellberechnungen für eine Währungsunion darstellt, daß es bei der Zahl der unselbständig Beschäftigten mittelfristig einen Anstieg um etwa 0,6 Prozent geben wird. Ich möchte jedoch auch klar feststellen, daß eine derartige Simulation natürlich keine Garantie dafür ist, daß jeder einzelne Beschäftigte seinen bisherigen Arbeitsplatz behalten kann. Aber die Aussage, daß die Wirtschafts- und Währungsunion per saldo doch positive Effekte haben wird, ist klar.

Zur Frage 16:

Ich glaube, daß eine Reihe von Branchen, insbesondere jene, die in enger Zusammenarbeit mit den um uns liegenden Märkten stehen, von einer Währungsunion positiv betroffen sein werden. Das reicht von der Kfz-Zulieferindustrie, der Elektro- und chemischen Industrie über höherwertige Dienstleistungen bis zum Maschinenbau und vieles andere mehr. Insbesondere gilt es natürlich für all jene exportorientierten Unternehmen, für die nunmehr das Wechselkursrisiko und die damit entstehenden Kosten für insgesamt etwa 70 Prozent der Exporte wegfallen werden.

Natürlich gibt es auf dem Bankensektor Strukturerfordernisse. Die gibt es aber auch in der Schweiz, die meines Wissens den Euro nie einführen wird. Es ist also auch auf dem Bankensektor durch die internationale Konkurrenz und die neuen Methoden der Informationstechnologie zu den entsprechenden Restrukturierungserfordernissen gekommen. Insgesamt bin ich der Überzeugung, daß durch den Euro selbst die Auswirkungen auf den österreichischen Bankensektor sehr gering sein werden.

Zu den Fragen 17 und 18:

Wie bereits erwähnt, tritt Österreich bei der Formulierung der Zielsetzung für den "Bottom-up"-Prozeß und nicht für ein Globalziel von 7 Prozent oder etwas Ähnliches ein. Diese Zielsetzung sollte für die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote, für die Quote für Ausbildungsmaßnahmen sowie die Selbständigenquote gelten.

Zur Frage 19:

Es ist natürlich das Ziel der Bundesregierung, den Faktor Arbeit zu entlasten. Die Steuerreformkommission hat den Auftrag bekommen, entsprechende Untersuchungen anzustellen und Vorschläge vorzulegen. Wir werden den Empfehlungen des wahrscheinlichen Kommissionspapiers auch entsprechen.

Zur Frage 20:

Die österreichische Position orientiert sich in dieser Frage am Vorschlag der Europäischen Kommission und jenem der Präsidentschaft, die beide über die genannten Maßnahmen hinausgehen. Es sind nämlich in diesen Dokumenten, ebenso wie in der österreichischen Position, für jugendliche Arbeitslose, ehe sie sechs Monate arbeitslos sind, sowie für Langzeitarbeitslose, ehe sie zwölf Monate arbeitslos sind, Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, Berufserfahrung sowie Vermittlungsmaßnahmen verstärkt vorgesehen. Zu den finanziellen Auswirkungen kann ich Ihnen derzeit noch nichts sagen, da die Maßnahmen erst im Detail ausgearbeitet werden.


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Über die Frage, ob ich den Vorschlag von EU-Ratsvorsitzendem Juncker, daß künftig das Arbeitslosengeld an die Auflage gekoppelt werden soll, daß eine Arbeit angenommen wird, unterstütze, bin ich ein bißchen erstaunt, denn dieser Vorschlag entspricht der österreichischen Gesetzeslage. Laut § 7 (1) ist der Bezug von Arbeitslosengeld an die Arbeitswilligkeit geknüpft. § 9 (1) definiert diese Arbeitswilligkeit durch die Bereitschaft, "eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder – sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder – an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen ..." – Daß diese Verpflichtung auch umgesetzt wird, zeigt die hohe Anzahl von jährlichen Sperren des Arbeitslosengeldes. Dieser Vorschlag entspricht somit der österreichischen Gesetzeslage.

Zur Frage 22:

Es ist richtig, daß der nunmehr eingeschlagene Weg Ähnlichkeiten mit dem "Essen-Prozeß" aufweist. Ich glaube aber, daß die von Juncker und von Österreich vorgeschlagene Methode weit darüber hinausgeht. Alle Mitgliedstaaten sind sich einig – und haben dies auch in Amsterdam beschlossen –, daß der neue Vertrag und damit auch die Bestimmungen des Beschäftigungskapitels vorzeitig angewendet werden sollen. Daher kommt dem neuen Überwachungsverfahren erhöhte Bedeutung zu.

Zur Frage 23:

Die schwedische Regierung begründet ihre Entscheidung damit, daß – wie sich aus einer Ihnen sicher bekannten und sehr interessanten Expertenstudie dezidiert ergab – Schweden im Gegensatz zu Österreich noch nicht im erforderlichen Maße in den Währungs- und Wirtschaftsmärkten integriert ist. (Abg. Ing. Reichhold: Machen Sie sich nicht lächerlich!) Österreich ist – was selbst in jener Expertenstudie der schwedischen Regierung als wesentlicher Unterschied angeführt wird – aufgrund seiner engen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland, Frankreich und anderen Staaten um vieles besser integriert als Schweden. Dies ist meiner Ansicht nach auch der Grund für die unterschiedliche Haltung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, daß Schweden gar nicht alle Kriterien erfüllt. (Abg. Haigermoser: Sie haben das Budget frisiert!) Ich weiß, daß Sie traurig darüber sind, daß Österreich das Ziel, das es sich vorgenommen hat, erreicht hat, aber ich bin froh darüber, daß wir es erfüllen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Der Herr Vranitzky war ja ein Superstar gegen Sie!)

Zur Frage 24:

Schweden hat aus Anlaß der Beitrittsverhandlungen einseitig erklärt, daß es vor einem Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion eine nationale Entscheidung herbeiführen will. Österreich hat das nicht getan. Ich wiederhole noch einmal, daß die schwedische Wirtschaft weit weniger integriert ist als die österreichische. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Plötzlich ist das Sozi-Musterland nichts mehr!)

Zur Frage 25:

In Österreich besteht Übereinkunft zwischen den Banken, den Sozialpartnern und der Bundesregierung, daß die Konsumenten für Kontoumstellungen auf den Euro und die Umwechslung von Schilling in Euro, soweit es sich um sogenannte Haushaltsmengen handelt, keine Gebühren bezahlen müssen. (Abg. Haigermoser: "Elch-Test" für Klima!) Dies stellt ein gutes Beispiel positiver Konsensfindung zwischen den Interessen der Betroffenen und der Bundesregierung dar. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Keine A-Klasse! C-Klasse!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe, warum sich zum Beispiel der Gouverneur der amerikanischen Notenbank um die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung Sorgen macht. Die europäische Wirtschaft bekommt mit dieser gemeinsamen europäischen Währung eine starke Waffe im globalen Wettbewerb in die Hand. Ich glaube, man


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101. Sitzung / Seite 23

sollte trotz eines Sommerkurses in Harvard für eine europäische und nicht für die amerikanische Währung denken! (Lebhafter Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die Beantwortung der Dringlichen Anfrage.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen maximal 10 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

15.50

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seinem etwas emotionellen Beitrag hier Position bezogen. Das ist durchaus legitim, nur: Sie haben halt schon sehr viel versprochen, denn als Sie angetreten sind, haben Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt: Das Wichtigste ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Und als Sie vor dem Sommer gefragt wurden, was Sie zur Jugendarbeitslosigkeit und zu den arbeitslosen Lehrlingen meinen, haben Sie gesagt: Das Wichtigste ist, daß wir den jungen Menschen Arbeit geben, und ich garantiere, daß jeder Jugendliche im Herbst einen Lehrplatz haben wird. (Bundeskanzler Mag. Klima: Nein, das habe ich nicht gesagt ...!) Das haben Sie gesagt. – Jetzt sagen Sie: Jeder 15jährige soll einen Ausbildungsplatz haben. Wie immer: Sie variieren ganz gerne.

Herr Bundeskanzler! Ich sage Ihnen folgendes: Es ist Ihnen in beiden Fällen nicht gelungen, auch nur annähernd Fortschritte zu erzielen, denn die Arbeitslosigkeit steigt in unserem Lande. Sie ist auf Rekordhöhe und wird im Winter noch die Rekordspitze erreichen. Das prognostizieren auch Ihre eigenen Parteifreunde innerhalb der Gewerkschaft. Sie haben es leider nicht geschafft, Tausende junge Menschen mit einem Ausbildungsplatz zu versehen, obwohl Sie diesbezüglich das große Versprechen abgegeben haben. Daher sage ich: Es ist wesentlich weniger riskant, wenn unser Abgeordneter Schreiner "pantscht", als wenn Sie pfuschen, denn darunter leiden die Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was soll denn das bedeuten, wenn Sie sagen, das ist eben die verläßliche Politik dieser Regierung? Was ist denn verläßlich bei Ihrer Wirtschaftspolitik? – Daß Sie rückwirkend Steuergesetze ändern, gemeinsam mit der ÖVP, die jahraus, jahrein hier im Parlament gegen rückwirkende Steuergesetze aufgetreten ist? (Abg. Haigermoser: So ist es!) Daß Sie über Nacht die Verlustvorträge aussetzen? Daß Sie eine Mindestkörperschaftsteuer zu Lasten der Jungunternehmer einführen? Ist diese Art der Politik verläßlich? Daß Sie eine Technologieoffensive ankündigen, was bis heute nicht umgesetzt wurde? Daß Sie eine Exportoffensive ankündigen, die zusammengeschrumpft ist? Ist das an Ihrer Regierung, an Ihrer Politik verläßlich?

Das sind die Gründe, Herr Bundeskanzler, warum in diesem Lande nichts weitergeht! Da können Sie zu zehn weiteren Gipfeltreffen hinsichtlich Beschäftigungspolitik fahren: Am Ende werden Sie hier im Lande an Ihren Leistungen gemessen – und die sind bisher sehr, sehr bescheiden ausgefallen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich kann man sagen: Machen wir nichts schlecht, jammern wir nicht, sondern machen wir in Optimismus! – Das müssen Sie aber Ihren eigenen Genossen sagen, und zwar Herrn Genossen Pöchhacker von der bankeigenen Porr! Genosse Pöchhacker sagt aber, es wird im Winter Spitzenarbeitslosigkeit geben. Oder Sie müssen das dem Genossen Sallmutter sagen, der seinerseits sagt: Der Euro bringt Tausende Arbeitslose, gefährdet Tausende Arbeitsplätze. Ist das jetzt Schlechtmacherei? – Das sind Ihre Genossen, die das sagen, nicht die "böse" Opposition.

Sie müssen das auch Ihren Freunden in den Banken sagen – wo Sie ja Aufsichtsorgane stellen –, wenn etwa die Sparkassen für ein Dollarsparbuch werben. (Der Redner hält ein Prospekt in die Höhe.)  – Ja wenn der Euro so super ist, warum wird dann bei den österreichischen Sparern für ein Dollar-Sparbuch geworben? – Weil das verläßliche Verzinsung in einer siche


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ren Währung bringt, meine Damen und Herren! Es ist kaum zu glauben, was da in Österreich vor sich geht!

Der Herr Bundeskanzler stellt sich hierher und sagt: Der Euro ist eine ganz tolle Sache, weil es zu einer Angleichung des Zinsniveaus kommt. – Sie haben nur nicht gesagt, wie das funktionieren soll. Als Hartwährungsland haben wir nämlich ein verhältnismäßig niedriges Zinsniveau, die Weichwährungsländer wie Italien, Spanien und Portugal haben ein verhältnismäßig hohes Zinsniveau. Und diese gleichen sich jetzt an, Herr Bundeskanzler. – Sie haben ja auch ein bißchen in Harvard studiert; daher werden Sie noch mitvollziehen können, daß sie sich insoweit angleichen, als die Hartwährungsländer steigende Zinsen – etwa 4,5 Prozent – und die Weichwährungsländer sinkende Zinsen haben. Wer ist davon begünstigt? – Die Wirtschaft in den Weichwährungsländern, weil sie sich leichter finanziert und für Kredite weniger Zinsen zahlen muß.

Das ist Ihre Wirtschaftspolitik: Es dem eigenen Land schlechter zu machen, aber den Nachbarn zu verbessern? – Schauen Sie einmal auf die österreichischen Betriebe! Schauen Sie auf die österreichischen Arbeitsplätze! Das ist die Aufgabe, die Sie als österreichischer Bundeskanzler haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist Ihnen vielleicht entgangen, daß heute gegenüber den österreichischen Tageszeitungen Frau Hostasch und Herr Edlinger bereits sagen, daß es leider nicht gelungen ist, die von Ihnen hier angekündigten quantitativen, makroökonomischen Ziele für eine Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene zu verankern, weil die Widersprüche zu groß sind. – Das sagte Frau Hostasch heute den Medien gegenüber. (Der Redner hält einen Zeitungsartikel in die Höhe. – Abg. Mag. Stadler: Lauter Schlechtmacher!)

Weiters kann man lesen: Brüssel hat kein Geld für Arbeitsplätze. – Na selbstverständlich! Und Sie machen einen großen Zinnober; da werden große Konferenzen veranstaltet, aber: Damit wird die Zahl von 18 Millionen Arbeitslosen nicht weggebracht. Sie wird nur dann weggebracht werden, wenn es bessere Rahmenbedingungen für jene klein- und mittelständischen Betriebe gibt, die in Österreich seit Jahren die Zeche in dieser ganzen Sache zahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen folgendes, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie von Steuerharmonisierung reden, klingt das wirklich eigenartig. Sie sitzen in der Regierung, hätten die Möglichkeit, zu harmonisieren, sind aber nicht einmal in der Lage, die Mehrwertsteuersätze zwischen Deutschland und Österreich zu harmonisieren. Wer hindert Sie daran, das zu tun? Wer hindert Sie daran, Herr Bundeskanzler, eine für den Mittelstand freundliche Steuerreform zu machen, nämlich den nichtentnommenen Gewinn nicht zu besteuern, damit jene, die investieren und Arbeitsplätze schaffen, belohnt werden? Dadurch hätten Sie 50 000 Arbeitsplätze in fünf Jahren. Wer hindert Sie daran? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wer hindert Sie daran, die Lohnnebenkosten zu senken, indem die Arbeiterkammer nicht Höchstbeiträge einhebt, indem die Gewerbekammer nicht die höchsten Kammerumlagen einnimmt, indem der Wohnbauförderungsbeitrag gestrichen wird? Wer hindert Sie daran? Dafür brauchen Sie nicht nach Brüssel zu fahren. All das können Sie hier machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist wirklich ungeheuerlich, was man dazu alles lesen muß. Der Präsident des Rechnungshofes des Europäischen Parlamentes, Herr Bernhard Friedmann, sagt folgendes – ich zitiere –:

Die Kommission kann feststellen, daß die kleinen und mittleren Unternehmen gerade unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigung besonders wichtig sind. Die Kommission kann jedoch nicht einmal den genauen Betrag nennen, der diesen Unternehmen zugute kommt. Es gibt bis heute nicht einmal eine Definition, was als mittleres Unternehmen oder als kleineres Unternehmen anzusehen ist. Wir haben eine Stichprobe, sagt Friedmann weiter, von 33 sogenannten kleinen und mittleren Betrieben gemacht. Dabei sind wir draufgekommen, daß 11 nur wirklich kleine waren, zwei Drittel der Mittel von Großbetrieben mit mehr als 2 000 Beschäftigten in Anspruch genommen wurden. – Zitatende.


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101. Sitzung / Seite 25

Das genau ist es: In Brüssel regiert die Lobby der Großindustrie, und Sie glauben, den klein- und mittelständischen Betrieben in Österreich damit helfen zu können (Abg. Haigermoser: Die müssen die Lehrlinge ausbilden! Danke für die Blumen!) , wenn Sie zu Konferenzen fahren und eine Steuerpolitik sanktionieren, die gegen den Mittelstand gerichtet ist. Das sind die Dinge, die wir an Ihrer Positionierung kritisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Wer hindert Sie daran, Betrieben, die Lehrlinge einstellen, einen Ausbildungsabsetzbetrag für die Lehrlingsausbildung zu geben, anstatt 1,4 Milliarden Schilling an Mitteln der Arbeitsmarktförderung auszugeben, damit das WIFI und das BFI Schulungskurse durchführen? Dadurch schaffen Sie keine Lehrplätze für junge Leute, sondern das ist eine Subvention für das schwarze WIFI und das rote BFI – und damit hat es sich schon!

Wer hindert Sie daran, dafür zu sorgen, daß die Strukturmilliarde, die Sie eingesetzt haben, auch wirklich für vernünftige Umschulungen verwendet wird? Wissen Sie, was mit diesem Geld heute geschieht? – Jeder kann zurzeit beim Arbeitsamt jede Art von Schulung beantragen; sogar Führerscheinprüfungen werden mit bis zu 20 000 S subventioniert. Prüfen Sie das doch einmal! Bei der Arbeitsmarktverwaltung Oberösterreich werden Führerscheinprüfungen unter dem Titel "Strukturhilfen und Umschulung" auch noch bezahlt, bis zu 20 000 S. – Wenn das der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist, daß man Führerscheine finanziert, dann ist das doch an der Grenze der Lächerlichkeit, Herr Bundeskanzler! Das hat mit Wirtschaftspolitik wirklich nichts zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wer hindert Sie daran, endlich auch auf die älteren Arbeitnehmer zu schauen? Sie sagen: Wir müssen für ältere Arbeitnehmer mehr Arbeitsplätze schaffen. – Warum gibt es dann beispielsweise in Ihren Bundesforsten ein Sozialprogramm, bei dem Sie ältere Arbeitnehmer abbauen? Der Staat als Unternehmer in den Bundesforsten hat jetzt einen Sozialplan ausgearbeitet, bei dem durch den vorzeitigen Abbau älterer Mitarbeiter 239 Millionen Schilling eingespart, diese der Arbeitslosigkeit überantwortet und um 103 Millionen Schilling neue Mitarbeiter aufgenommen werden. Das ist Ihr Programm? – Na bravo, kann ich nur sagen, Herr Bundeskanzler! Bravo für diese "soziale" Gesinnung, wenn Sie dann aber sagen: Wir müssen mehr tun, damit wir den älteren Arbeitnehmern auch ihre Arbeitsplätze sichern.

All diese Umstände haben damit zu tun, warum wir diese Dringliche Anfrage an Sie stellen. Selbst Ihre Gewerkschaftsfreunde schreiben Ihnen in der jüngsten Ausgabe der Gewerkschaftszeitschrift "Solidarität" ins Stammbuch, daß der Euro die Arbeitslosigkeit in diesem Lande verschärfen wird. Der Euro wird in den ersten Jahren mindestens 25 000 Arbeitsplätze beseitigen, sagt Professor Breuss in der Zeitschrift "Solidarität". – Das ist ein Wirtschaftsforscher, der auch immer wieder von Ihnen konsultiert wird.

Jetzt frage ich mich wirklich, ob es notwendig ist, diesen Weg für Österreich um jeden Preis mitzugehen – oder ob es nicht vernünftiger wäre zu sagen: Zuerst verwenden wir unser Geld, um Arbeitsplätze zu sichern, flexible Rahmenbedingungen zu schaffen, und erst als letzten Schritt treten wir einer Währungsunion bei; nämlich dann, wenn der Binnenmarkt harmonisiert ist, wenn der Bundeskanzler seine Hausaufgaben gemacht hat und auch die Steuerpolitik harmonisiert ist. Erst dann ist eine gemeinsame Währungspolitik sinnvoll. Aber man sollte die Währungsunion nicht als ersten Schritt ohne harmonisierten Binnenmarkt einführen, denn das bedeutet, einen Weg in verstärkte Arbeitslosigkeit zu gehen, der letztlich auf dem Rücken der vielen "kleinen" Leute in Österreich ausgetragen wird. (Langanhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. Ich bitte, zunächst den zu berichtigenden Sachverhalt wiederzugeben und sodann den tatsächlichen. – Bitte.

16.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat in seinem Debattenbeitrag die Behauptung aufgestellt, Schweden sei deswegen nicht in der Währungsunion, weil Schweden manche Maastricht-Kriterien nicht erfülle,


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und weil andererseits Schweden nicht so sehr in die internationalen Finanzmärkte integriert sei wie Österreich. – Diese Behauptungen sind falsch.

Aus einem Positionspapier der schwedischen Sozialdemokraten, einer Partei, die früher immer für die österreichischen Sozialdemokraten als mustergültig galt, aus einem Gutachten geht hervor, daß erstens die schwedischen Sozialdemokraten als Regierungspartei der Meinung sind, daß mit der Währungsunion die Arbeitslosigkeit in bestimmten Regionen nach Durchführung der Wirtschafts- und Währungsunion steigen werde, daß zweitens die politischen Gegensätze in Europa steigen werden, daß drittens ein eigenes Besteuerungsrecht für die Europäische Union zu einer Herstellung der Binnenstabilität drohe, daß viertens die Kriterien, die von der Europäischen Zentralbank aufgestellt werden, nicht demokratisch kontrollierbar seien und die Bank dafür nicht haftbar gemacht werden könne. (Rufe: Wo ist die Berichtigung? Das ist ein Debattenbeitrag und keine tatsächliche Berichtigung!)

Zusammenfassend kommt man in der schwedischen Regierungspartei zu folgendem Schluß – ich zitiere –:

Im Hinblick auf die schwache Unterstützung des schwedischen Volkes für die Wirtschafts- und Währungsunion ist eine schwedische Teilnahme an der Währungsunion bei ihrem Beginn am 1. Jänner 1999 nicht aktuell. – (Abg. Dr. Stummvoll: So eine schwache Dringliche haben wir schon lange nicht gehabt!)  – Ich zitiere weiter: Die Glaubwürdigkeit des schwedischen politischen Systems würde stark in Frage gestellt werden, falls der Reichstag im Herbst einen derart großen Schritt beschließt. Gleichzeitig würde dies auch die Gefahr bedeuten, daß die Europäische Union und die schwedische EU-Mitgliedschaft noch mehr in Frage gestellt werden. – (Abg. Dr. Stummvoll: Jetzt wird es schon peinlich!) – Dazu kommen noch die Fragezeichen, die sich bei einem Beitritt zur WWU rund um die wirtschaftlichen Konsequenzen für die demokratische Einflußnahme und die Haftung der Europäischen Zentralbank ergeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stadler! Ich habe Ihnen sehr viel Zeit für Ausführungen gegeben, die mit dem eigentlichen Gegenstand der tatsächlichen Berichtigung nicht mehr im Zusammenhang stehen.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend) : Herr Präsident! Ich möchte nur beweisen, daß Herr Bundeskanzler Klima mit seinen Behauptungen nachweislich nicht richtig liegt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Nur stimmt


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101. Sitzung / Seite 27

es nicht!)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.

16.03

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter Mag. Stadler! Meine Aussage war ... (Abg. Dr. Haider: Ich habe sie mitgeschrieben!) Darf ich? Meine Aussage war, daß Schweden nicht alle Kriterien zur Teilnahme an der Währungsunion erfüllt. (Abg. Mag. Stadler: Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt ...!) Ist das richtig oder nicht? (Abg. Dr. Haider: Keine Polemik von der Regierungsbank!) Meine Aussage war, daß Schweden nicht alle Kriterien zur Teilnahme an der Währungsunion erfüllt. – Meine Aussage ist richtig, daher war ihre tatsächliche Berichtigung eine "Falschigung". (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Schwach angefangen – und stark nachgelassen! – Abg. Haigermoser: Sie sind heute mit dem linken Fuß aufgestanden! Das war nicht Ihr Tag! Das ist nicht Ihr Tag heute! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte.

16.04

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Um auf die Kontroverse rund um die lange tatsächliche Berichtigung des Kollegen Stadler einzugehen, möchte ich eine ganz kurze Antwort geben: Schweden hat deshalb die Konvergenzkriterien nicht erfüllt, weil es nicht im Europäischen Währungssystem ist. So einfach ist die Sache. Das sind die Fakten. Sie hätten einfach nur nachschauen müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Stadler und Haigermoser. )

Ich meine, Sie sollten sich beim Kollegen Schreiner, der ein dickes Bücherl gehabt hat, in dem steht, daß es fünf Kriterien gibt – eines davon ist die Teilnahme am Währungssystem, und das ist nicht erfüllt –, vielleicht ein paar Nachhilfestunden in der eigenen Fraktion geben lassen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie das Beispiel vom Herrn Kollegen Schreiner nicht verstanden? – Abg. Haigermoser: Ätsch! Nichtgenügend! Sie sollten sich ordentlich vorbereiten, Herr Professor!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Zeitung "Die Presse" ist gestern ein Kommentar mit dem Titel "Die Sondereinlage" erschienen. (Ruf bei den Freiheitlichen: "Die Presse" hat schon oft geirrt!) Der Text lautet:

"Macht sich FPÖ-Obmann Haider wirklich schon solche Sorgen um den Erfolg seines Schilling-Volksbegehrens ...? Offenbar ja. Denn wie wäre es sonst zu erklären, daß er ... sogar den Nationalrat rasch zu einer Sondersitzung zusammentrommeln läßt?" (Abg. Haigermoser: Die Subventionen der "Presse" ...! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist doch der wahre Grund, warum Sie heute diese Sondersitzung einberufen haben! Machen Sie doch niemandem etwas vor! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Was "Die Presse" anlangt: Wer zahlt, schafft an! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sollen wir Ihnen ein Schluckerl gewasserten Portugieser geben? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich muß Sie leider enttäuschen: Genutzt hat Ihnen diese Sitzung bis jetzt jedenfalls nichts, denn es hat sich wieder die ganze Schwäche und Widersprüchlichkeit in der Argumentation der FPÖ gezeigt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Dazu, daß Herr Abgeordneter Schreiner hier gemeint hat, er sei froh, daß ich nicht sein Professor gewesen bin, kann ich nur sagen: Herr Kollege Schreiner, das beruht voll auf Gegenseitigkeit! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Weinpantschen hätten Sie bei mir nicht gelernt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Etwas Besseres ist Ihnen nicht eingefallen? Das ist ein schwaches Dementi!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ! So wie Sie zuerst für die EU-Mitgliedschaft und dann gegen sie waren, so schwanken Sie in Wirklichkeit in bezug auf die ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Krüger und Dr. Haider. ) Hören Sie auch einmal ein wenig zu, Herr Abgeordneter Haider! Das täte Ihnen nicht schlecht. In Wirklichkeit schwanken Sie auch in Ihrer Position zur Währungsunion. Nun kann man über die Währungsunion lange diskutieren, nur: Für Österreich ist die Position ökonomisch eigentlich völlig klar und sehr einfach. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur für Sie!)

Ich möchte jetzt hier einen anerkannten wirtschaftlichen Praktiker zitieren, der sagt: "Ein Ausscheren Österreichs aus dem Euro-Verbund wäre natürlich nicht verkraftbar. Wenn unsere Handelspartner drinnen sind, bekommen wir dann Druck von außen, den wir nicht aushalten." – Das waren die Worte dieses Wirtschaftsexperten am 22. August 1997. Sein Name ist Prinzhorn, FPÖ-Wirtschaftssprecher, solange er seine Meinung noch sagen durfte. (Beifall und Ah-Rufe bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ! Ihre Position zur EU und zur Währungsunion ist durch zahlreiche Kurven und wiederholtes Umfallen gekennzeichnet. Gäbe es in der Politik so etwas wie einen "Elch-Test", müßte man für die FPÖ nun eine große Rückholaktion einleiten! Seien Sie froh, daß es das in der Politik nicht gibt! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben jetzt auch selbst versucht, nachträglich noch ein paar Notoperationen vorzunehmen. Das war zum Schluß auch das, was Kollege Haider gesagt hat: So prinzipiell sind wir nicht gegen die Währungsunion, aber wir wollen halt nicht jetzt an ihr teilnehmen; wir wollen sie auf irgendeinen späteren, unbekannten Termin verschieben. – Dazu kann ich nur sagen: Das wäre


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101. Sitzung / Seite 28

für Österreich das Schlechteste, was uns passieren könnte. Das würde massive Unsicherheit für österreichische Unternehmen bedeuten und die österreichische Währung auf unabsehbare Zeit zum Spielball internationaler Spekulation machen. Das zwänge die Nationalbank dazu, die Zinssätze zu erhöhen und würde Zehntausende Arbeitsplätze kosten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß auch ganz deutlich sagen: Wir sind währungspolitisch in einer prinzipiell anderen Situation als etwa Großbritannien oder Schweden. Schweden und Großbritannien haben eine Politik flexibler Wechselkurse. Das sind keine Hartwährungsländer. Das heißt, für Schweden und Großbritannien bedeutet ein Draußenbleiben eine Fortsetzung der bisherigen Politik.

In Österreich hingegen betreiben wir seit etwa 20 Jahren erfolgreich Hartwährungspolitik, die das Einbinden in einen großen Währungsverbund bedeutet. Wenn Österreich jetzt die Verbindung mit diesem großen Währungsverbund kappen würde, so hieße das in Wirklichkeit, den Stabilitätsbonus aufzugeben, den sich die österreichische Politik und die österreichische Wirtschaft mühsam über all die Jahre aufgebaut haben. Das heißt, das wäre genau das Gegenteil von dem, was günstig für Österreichs Wirtschaft und Beschäftigung wäre. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich an der heutigen Sondersitzung bedauere, ist, daß damit ein wirklich wichtiges Thema, nämlich die Frage Beschäftigung in Europa, von der FPÖ als politisches Kleingeld mißbraucht wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist die alte Leier!)

Wir stehen am Vorabend des Gipfels von Luxemburg, und ich glaube, es ist doch wichtig, dazu einige Bemerkungen zu machen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Erklären Sie es uns!) Ich sage es ganz offen: Bei solch einem Beschäftigungsgipfel besteht stets die Gefahr, daß die einen von ihm zu wenig und die anderen von ihm zu viel erwarten. (Abg. Dr. Haider: Sehr weise! Sehr weise!) Zu wenig erwarten diejenigen, die meinen, Beschäftigungspolitik – dazu gehören auch Sie – sei nur eine nationale Angelegenheit, und die EU soll und kann sich da überhaupt nicht einmischen. – Diese Position ist falsch. Man muß sehen, daß es hier sowohl auf der nationalen Ebene als auf der übernationalen Ebene Verantwortungen gibt. Beide sind wichtig.

Auf der europäischen Ebene geht es darum, Prioritäten zu setzen, geht es darum, gegenseitig voneinander zu lernen, geht es darum, Kriterien zu stellen und diese auch zu überprüfen, und es geht natürlich auch um eine Vielzahl von Koordinierungen: angefangen bei der Steuerpolitik über die Koordinierung mit der Europäischen Zessionsbank bis zur Koordinierung mit der Europäischen Zentralbank.

Es gibt auch Menschen, die sich vom Gipfel vielleicht zu viel erwarten, die davon ausgehen, daß Beschäftigungsentwicklung etwas ist, was quasi politisch beliebig machbar wäre. Dazu muß ich in aller Nüchternheit sagen: Das ist sie nicht. Es ist so, daß es Größenordnungen und Tendenzen gibt, denen sich die Politik nicht entziehen kann. Das sind die Wirkungen des Strukturwandels, das sind technologische Entwicklungen, das ist auch die Wirkung der Ostöffnung. Die Wirtschaftspolitik kann und soll sich diesen Tendenzen nicht entgegenstellen. Aber das, was die Wirtschaftspolitik kann und soll, ist, mitgestalten, das heißt, Hilfe für den Strukturwandel geben, in eine bessere Ausbildung, in eine aktive Arbeitsmarktpolitik investieren und Standortvoraussetzungen schaffen. Zu diesen Standortvoraussetzungen gehören die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union und auch die Mitgliedschaft bei der Europäischen Währungsunion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend ein ganz konkretes Beispiel bringen. Unsere Entwicklung wird oft mit jener in der Schweiz verglichen. Die Schweiz ist bekanntlich den Weg gegangen, den Sie empfohlen haben, nämlich keine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. (Abg. Mag. Stadler: Warum legen jetzt alle in


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Schweizer Franken an?)

Wenn man sich jetzt (Abg. Mag. Stadler: Warum sagen alle, in Schweizer Franken anlegen?)  – ich werde gleich Zahlen nennen – die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ansieht, merkt man, daß in der Schweiz die Arbeitslosigkeit bei etwa 5,4 Prozent liegt. Das heißt, diese liegt knapp unter dem österreichischen Wert. Was aber wichtig ist, ist (Abg. Dr. Haider: Warum legen alle in Schweizer Franken an?), seit ... Uns geht es um die Beschäftigung, meine Herren, und nicht um die Anlage in Schweizer Franken. Vielleicht ist das Ihr Problem, aber das Problem der Österreicher ist die Frage der Beschäftigung! Das haben Sie aber wahrscheinlich noch nicht mitbekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns jetzt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit anschauen, so sieht man, daß sich die Arbeitslosenrate in der Schweiz seit 1990 mehr als verzehnfacht hat, sie ist um 4,9 Prozent gestiegen. (Abg. Mag. Stadler: Ich frage, wohin das Geld fließt! Das hat auch Einfluß auf die Beschäftigung! Wollen Sie das Gegenteil behaupten, Herr Professor? Wollen Sie sagen, das ist egal, Herr Professor?) In Österreich dagegen ist sie nur um 1,7 Prozent gestiegen. Das heißt, der Anstieg der Arbeitslosenrate in der Schweiz ist um ein Dreifaches höher. Wenn wir jene Politik verfolgt hätten, die Sie für Österreich vorgeschlagen haben, so würde das bedeuten, daß wir in Österreich eine dreimal höhere Arbeitslosigkeit als jetzt hätten. Das wäre die Folge Ihres Weges, und davor werden wir Österreich bewahren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.14

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Kollege Schreiner, Sie haben gesagt – er ist jetzt nicht da (Abg. Mag. Schreiner: Da bin ich!) – , Beschäftigungspolitik sei nur eine nationale Angelegenheit. (Abg. Mag. Stadler: Kontaktlinsen das nächste Mal!) Das muß ich ein bißchen korrigieren: Ich würde sagen, sie ist in erster Linie nationale Angelegenheit. Das haben wir auch immer erkannt, und deswegen sind wir in Österreich besonders gut im Rennen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das weiß aber Herr Schreiner!) Wir sind nämlich hinsichtlich Arbeitslosigkeit die Zweitbesten innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Hinsichtlich Jugendarbeitslosigkeit liegen wir an erster Stelle, also an der besten Stelle. Auch das sollten Sie sich merken, denn das ist wesentlich.

Ich möchte auch dazusagen, daß das natürlich in erster Linie die Leistung der österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist international schon eine schlechte Lage!) Das muß man auch einmal deutlich sagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das ist aber auch ein Verdienst der österreichischen Sozialpartnerschaft, die sich immer bemüht, gemeinsam Lösungen zu finden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber Arbeitslosigkeit ist natürlich auch eine europäische Angelegenheit. Selbstverständlich ist es wichtig, ob und wie sehr Europa im Wettbewerb bestehen kann, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Und deswegen ist diese gemeinsame Währung – ich komme darauf noch zu sprechen – besonders wichtig.

Die Errichtung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist ein Jahrhundertprojekt mit bedeutenden wirtschaftlichen Chancen. Das müssen wir erkennen, und wir sollten auch alles tun, damit sich die Europäische Union kraftvoll weiterentwickeln kann. Und wenn sie das tut – und das muß sie sicherlich –, dann ist diese Währungsunion ein wesentlicher Schritt dazu, auch ein Schritt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, denn der Wettbewerb der Zukunft wird nicht nur zwischen den Unternehmen stattfinden, auch nicht zwischen Österreich und Deutschland und Frankreich, sondern zwischen Europa und Asien und Europa und Amerika. Das wird der Wettbewerb der Zukunft sein. Und wir haben alles zu tun, um Europa zu stärken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn Europa diese gemeinsame Währung braucht, dann kann Österreich nicht draußen bleiben. Wie stellen Sie sich das vor? – Soll Österreich eine Insel sein? – Das ist doch unvorstellbar! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Es ist sicher, daß dieser 1. Jänner 1999 ein historisch ganz wichtiger Tag für die Teilnehmerländer der Europäischen Währungsunion sein wird. Es wird sicher nicht alles glattlaufen, es wird in der Umstellungsphase sicherlich einige Probleme geben; das wissen wir auch vom Beitritt zur EU: Aber trotz alledem müssen wir diesen Schritt gehen.

Die Europäische Zentralbank legt mit ihrer Verpflichtung zur Preisstabilität ein inflationsfreies Fundament, welches der österreichischen Wirtschaft auch in Form von niedrigeren Zinsen zugute kommen wird.

Meine Damen und Herren! Eine 1prozentige Zinserhöhung kostet die öffentlichen Haushalte in Österreich rund 15 bis 17 Milliarden Schilling. Das muß man auch wissen. (Abg. Dr. Haider: Was passiert denn jetzt? Zinskonvergenz!) – Eine Senkung selbstverständlich auch! Für die privaten Kreditnehmer heißt das: entweder Ersparnis oder Mehrausgaben in Höhe von rund 6 Milliarden Schilling. (Abg. Dr. Haider: Warum gehen jetzt die Zinsen rauf? Warum gehen sie jetzt rauf?) Du kannst dich ja noch einmal zu Wort melden. Warten wir die Entwicklung ab, lieber Herr Haider! (Abg. Dr. Haider: Höher werden sie, lieber Leopold!)

Meine Damen und Herren! Jedenfalls bedeuten niedrigere Zinsen auch eine Förderung der Gründung von Unternehmen, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: In der Schweiz werden sie niedriger!) Also mit den Vergleichen zur Schweiz würde ich lieber vorsichtig sein. Darüber können wir uns nachher unterhalten, Herr Dr. Haider! (Abg. Dr. Haider: Ich habe nichts gesagt von der Schweiz!) Es gibt andere Entwicklungen, die uns Sorgen machen sollten, die wir auch in der einen oder anderen Form erleben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Sie haben von der Schweiz geredet!)

Meine Damen und Herren! Es wird auch die Chance geben, daß ein einheitlich europäischer Kapitalmarkt vielleicht den vermehrten Zugang auf billigeres Geld möglich macht. Auch das ist ein Vorteil für unsere Wirtschaft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ein gar nicht zu unterschätzender Vorteil ergibt sich aus österreichischer Sicht im Wegfall unvorhersehbarer Wechselkursverschiebungen innerhalb des Euro-Raumes. Diesbezüglich haben wir in den letzten Jahren schon einiges erlebt.

Österreich wird als bisher kleine, aber exportabhängige Volkswirtschaft in einem großen wirtschaftlichen Binnenraum sicher noch bessere Chancen vorfinden. Meine Damen und Herren! Mit anderen Worten: Die destabilisierenden Auswirkungen von Wechselkursschwankungen werden sich für Österreich massiv reduzieren. Das kann man einmal grundsätzlich sagen.

Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes vom Februar 1997 kostete 1990 eine Arbeitsstunde in Österreich um 5 Prozent weniger als in Italien. 1995, nach massiven Wechselkursschwankungen in den Jahren 1992/93 und 1995, kostete die gleiche österreichische Arbeitsstunde um 50 Prozent mehr als in Italien. Das muß man sich einmal vorstellen! 1996 war der Unterschied nach einer Verbesserung des Lirakurses wieder etwas kleiner, aber noch immer um 30 Prozent teurer als in Italien. Das sind Tatsachen! Und eine solche Situation schadet natürlich der Planbarkeit und Berechenbarkeit einer jeden Volkswirtschaft.

So haben beispielsweise zahlreiche österreichische Unternehmen zwischen der Auftragsannahme und der Abrechnung immer wieder Verluste erlitten, die insgesamt gesehen in Millionenhöhe gehen.

Ich erläutere Ihnen das anhand eines Beispiels. Ich habe bei einem Betriebsbesuch eines mittleren Industriebetriebes erfahren, daß dieser durch die Kursschwankungen bei einem einzigen Auftrag 170 000 S verloren hat – zwischen Auftragsannahme und Abrechnung. Bei einer gemeinsamen Währung hört sich all das natürlich auf. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Euro bringt somit, was die grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen innerhalb der Teilnehmerländer anlangt, ein Mehr an Stabilität, die Rahmenbedingungen werden berechenbarer, transparenter und fairer.


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Daß sich die Wechselkursschwankungen auch auf den Arbeitsmarkt auswirken, bestätigte Professor Helmut Kramer, der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Die Abwertung des Dollar zwischen 1985 und 1995 auf weniger als die Hälfte – ausgedrückt in D-Mark oder Schilling – hat rund 1,8 Millionen Arbeitsplätze in der EU gekostet, davon allein in Österreich rund 40 000. Das waren die Auswirkungen dieser Kursschwankungen. Der Euro bringt aber nicht nur Vorteile für die Exportwirtschaft, sondern schafft auch bessere Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe, meine Damen und Herren!

Gerade Klein- und Mittelbetriebe hatten bisher weitgehend keine Möglichkeit, sich ohne zusätzliche Kosten gegen Währungsschwankungen abzusichern. Große europäische Konzerne dagegen konnten über ihre in ganz Europa verteilten Standorte häufig Wechselkursschwankungen auffangen.

Es ist gerade die klein- und mittelständische Wirtschaft, die nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa wichtige Beschäftigungsimpulse setzt. Daher ist sie auch ganz besonders zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Gerade für die klein- und mittelständische Wirtschaft wird die gemeinsame Währung vieles an Unkosten und Bürokratie ersparen.

Wieder ein Beispiel dazu: Mir erzählte ein Händler, der aus Deutschland importiert und nach Italien exportiert, daß er zuerst von D-Mark auf Schilling und dann auf Lire umrechnen muß. All das bedeutet Arbeit und einen großen Zeitaufwand. All das wird wegfallen.

Meine Damen und Herren! Es ist daher notwendig, daß wir uns bemühen, sowohl den Zeitpunkt als auch die sonstigen Kriterien einzuhalten, und daß Österreich von Anfang an dabeisein muß. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen auch weiterhin eine starke österreichische Wirtschaft in einem starken, friedvollen und geeinten Europa, das auch in Zukunft in der Lage ist, den Wettbewerb mit Amerika und Asien erfolgreich aufzunehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Schreiner gemeldet. Ich bitte, den tatsächlichen Sachverhalt dem zu berichtigenden gegenüberzustellen.

16.24

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident! – Herr Kollege Maderthaner hat gerade behauptet, ich hätte in meiner Rede gesagt, daß die Beschäftigungspolitik nur eine nationale Angelegenheit sei.

Herr Kollege Maderthaner! Ich berichtige Sie tatsächlich: Ich habe ausgeführt, daß Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene deswegen schon schwer und beinahe unmöglich ist, da das EU-Budget keine finanziellen Möglichkeiten dafür vorsieht. Lediglich 1 300 Milliarden EU-Budget reichen nicht aus, um eine europäische Beschäftigungspolitik zu initiieren. Dann habe ich weiters ausgeführt, daß selbst Bundeskanzler Kohl, also Ihr Parteikollege, in seiner Regierungserklärung dargestellt hat, daß das Vorgehen gegen Arbeitslosigkeit in erster Linie nationale und nicht europäische Aufgabe sei. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Herr Schreiner! Das haben wir eh schon gehört!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe das Stenographische Protokoll angefordert, Kollege Maderthaner! Wir werden dann überprüfen können, ob die Darlegung mit dem, was vorher gesagt wurde, tatsächlich übereinstimmt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner.

16.25

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kollegen von der Freiheitlichen Partei!


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Das Thema Euro ist eine treffliche Gelegenheit, das selektive Wahrnehmungsverhältnis zu demonstrieren. Es wird über dieses Thema seit Monaten auf allen Ebenen diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde auch sehr viel publiziert, und diese Publikationen – zum Großteil durchaus aus fachkundiger Feder – dienen immer wieder für Zitate.

Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, Ihnen das, was ich meine, vor Augen zu führen. Wegen der Besonderheiten des WWU-Projektes ist es schwierig, die ökonomischen Folgen abzuschätzen. In der Übergangsphase dürfte es aber zu Anpassungsproblemen kommen, die kaum gemeistert werden können. – Das ist ein Zitat.

Jetzt kann man aber auch sagen: Wegen der Besonderheiten des WWU-Projektes ist es schwierig, die ökonomischen Folgen abzuschätzen. Es gibt keine Präzedenzfälle in der Wirtschaftsgeschichte, die Analogieschlüsse erlauben. Unter bestimmten plausiblen Annahmen kann jedoch eine konsistente Gesamtbewertung der Teilnahme Österreichs an einer großen Währungsunion durchgeführt werden, die zu folgenden Ergebnissen führt: Die WWU-Teilnahme wird die wirtschaftliche Dynamik in Österreich mittel- bis langfristig positiv beeinflussen. In der Übergangsphase dürfte es aber zu Anpassungsproblemen kommen – Banken im Verhalten der Fiskalpolitik –, die erst gemeistert werden müssen.

Meine Damen und Herren! Diese beiden Aussagen stehen hier in einem Absatz. Wer sie so selektiv, wie vorhin zitiert, wahrnehmen möchte, wird das Zitat bringen, das ich vorangesetzt habe. Wer es anders sieht, wird es so bringen, wie es hier steht. Ich glaube, es ist ein Anliegen – und Sie haben es versprochen, meine Damen und Herren insbesondere von den Regierungsfraktionen –, daß Sie diesmal, im Gegensatz zur EU-Abstimmung, dieses selektive Wahrnehmungsverhältnis nicht in den Vordergrund stellen.

Jetzt komme ich zu Ihren Ausführungen, Herr Bundeskanzler. Sie sagen, wir wollen den Wirtschaftspartnern Österreichs, den Investoren ein Zeichen geben, daß sie Vertrauen in uns setzen können – das sei wichtig. Ich stimme Ihnen zu, das ist wichtig, das ist eminent. Aber, Herr Bundeskanzler, dieses Vertrauen geben wir nicht durch den Euro allein, vielleicht auch durch den Euro, vielleicht durch eine konsequente, vernünftige, konstruktive Europapolitik. – Das ist eine kleine wichtige Facette dieses Vertrauensbündels. Aber gleichzeitig – das wissen Sie, Herr Bundeskanzler – schauen diese Investoren und diese Geschäftspartner, die wir nach Österreich bringen wollen, was wir tun, wenn wir der Europäischen Währungsunion beigetreten sind. Denn diese wissen, daß wir mit der nationalen Währung nicht nur ein Schutzschild aus der Hand geben, sondern auch eine wirtschaftspolitische Waffe. Denn eines, meine Damen und Herren, ist unbestritten: Eine nationale Währung ist ein Schutzschild und kann als wirtschaftspolitische Waffe eingesetzt werden.

Für uns Liberale ist das kein Problem, weil wir glauben, wenn wir Europäer sein wollen, wenn wir die politische Dimension der Europäischen Währungsunion und der europäischen Einigung im Sinn haben, dann müssen wir sowohl auf das Schutzschild als auf die Waffe verzichten, und daher sind wir für den Euro. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Aber für Sie, die Sie es immer unter einem bestimmten Blickwinkel selektiv wahrnehmen wollen, muß diese Frage zulässig sein, wie der Investor das, was wir damit machen, beurteilt. Jetzt, Herr Bundeskanzler, haben Sie mich wirklich gereizt, und Herr Haider hat in diesem Punkt nicht ganz unrecht. Sie beklagen die Schlechtmacherei. Ich kenne das. Sie waren noch Finanzminister, als Sie gesagt haben: Wir brauchen optimistische Unternehmer. – Ich habe Ihnen damals schon gesagt: Optimismus kann man nicht verordnen. Unternehmer haben Optimismus, wenn die Parameter stimmen, wenn sie Vertrauen und Grund zum Optimismus haben. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Klima. )

Herr Bundeskanzler! Unternehmer haben dann Bedenken, wenn sie Indizien haben, wenn es Grund gibt, Bedenken zu haben. Jetzt lassen Sie mich kurz darauf eingehen. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Klima. )

Herr Bundeskanzler! Das freut mich. Ich bin, wie Sie, Österreicher, und ich hoffe, daß der Optimismus steigt. Aber er würde noch viel mehr steigen, Herr Bundeskanzler, wenn Sie in der Lage


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wären, das einzulösen, was Sie und Ihre Vorgänger versprochen haben, nämlich eine vernünftige, zielgerichtete österreichische Strukturpolitik zu machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Aus welchen Maßnahmen soll denn das Vertrauen kommen? Aus dem Erfolg der Konsolidierung des Budgets? – Ja, das ist eine kleine Facette. Aber wo sind die anderen Maßnahmen? Soll man aus Ihrer Pensionsreform Vertrauen aufbauen? Soll man daraus Vertrauen aufbauen, wie diese zustande gekommen ist? Soll man darauf vertrauen, daß Sie einen "schlanken Staat" und eine moderne Verwaltung einführen werden, wenn man sieht, wie Sie bei der Pragmatisierung und bei anderen Lächerlichkeiten herumlavieren? Soll man in die Zukunft des Landes Vertrauen haben, wenn man weiß, welche Reformen Sie auf dem Bildungssektor zusammenbringen und wo Sie aufgegeben haben oder gescheitert sind oder dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners mit Ihrem Koalitionspartner folgen? – Das, Herr Bundeskanzler, sind keine Maßnahmen und keine Zeichen für Vertrauen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Soll man Vertrauen daraus ziehen, daß Sie eine gescheiterte Gewerbeordnungsreform vorgelegt haben? Soll man Vertrauen daraus ziehen, daß Sie im Prinzip in der Ausländerbeschäftigung gescheitert sind, weil Sie nicht mehr wissen, zwischen welchen Mühlsteinen oder welchen Alternativen Sie sich entscheiden sollen, und dem Druck der Basis oder dem Druck des Populismus nachgeben? Wo, Herr Bundeskanzler, soll das Vertrauen herkommen, wenn Sie rückwirkende Gesetze beschließen und sie in Verfassungsrang stellen, damit Ihre Maßnahmen möglichst unangreifbar werden? – Dieses ganze Bündel, Herr Bundeskanzler, ist kein Bündel des Vertrauens, sondern das ist ein Bündel, das bedenklich macht, und zwar den Unternehmer, den Staatsbürger und – in welcher Form auch immer er erscheint – den politisch interessierten Menschen.

Herr Bundeskanzler! Noch ein Wort: Sie sagen, der Beschäftigungsgipfel werde den Durchbruch bringen. – Ich bin überzeugt davon, daß Sie mit einem mulmigen Gefühl zum Beschäftigungsgipfel fahren. Herr Professor Nowotny hat richtigerweise gesagt: Das Problem ist die Frage: Ist die Erwartungshaltung zu hoch oder zu niedrig? – Aber in puncto Beschäftigung wissen wir, Herr Professor Nowotny, sie ist in jedem Fall zu hoch. Der europäische Beschäftigungsgipfel ist eine politische Willenserklärung. Die Maßnahmen, die den Betroffenen, den Arbeitslosen, den auf dem Arbeitsplatz Gefährdeten tatsächlich helfen, wären diese strukturpolitischen Maßnahmen, von denen ich vorhin gesprochen habe – und nicht die Gipfelbeschlüsse von Luxemburg oder sonst irgendwo.

Herr Bundeskanzler! Sie sagen, jetzt komme die Steuer als Beihilfe, und das sei ein ganz wichtiger Punkt. – Ich bitt’ Sie, wie soll in einem Land, in dem nicht einmal Milliardenbeihilfen in Barem als verbotene Beihilfen klassifiziert werden konnten und werden, das viel komplexere, viel schwierigere Steuerinstrument als verbotene Beihilfe klassifiziert werden? – Das kann kein Argument sein, Herr Bundeskanzler, das Vertrauen bringt.

Sie sagen, Arbeit werde in dem Umfang nicht mehr Basis von Besteuerung werden, und wir werden auf eine Ressourcenbesteuerung übergehen. – Herr Bundeskanzler! Ich bin jetzt etwas länger als drei Jahre in diesem Haus, ich bin mit diesem Slogan schon hereingekommen, und da hat er schon einen Bart gehabt! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) In der Zwischenzeit ist nichts geschehen, nicht einmal in Ansätzen. Jetzt sagen Sie als Regierungschef, das werde das Programm der Zukunft sein! – Das, Herr Bundeskanzler, schafft nicht Vertrauen, und das macht nicht optimistisch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundeskanzler! Ich hoffe, daß Ihre Aussage, Sie hätten den Europäern die österreichische Sozialpartnerschaft sozusagen verkauft oder angedient, Sie hätten sie dort als Erfolgsmodell untergebracht, nur eine gefährliche Drohung ist. Ich glaube, es ist schon deshalb eine gefährliche Drohung, weil es in den übrigen oder nur in ganz wenigen europäischen Ländern keine Pflichtmitgliedschaften zu Kammern gibt. Daher wird das Modell österreichischer Sozialpartnerschaft dort nicht funktionieren, sondern es wird vielleicht das funktionieren, was wir Liberalen uns so wünschen, nämlich der Ausgleich zwischen verschiedenen Interessengruppen auf freiwilliger Basis, auf Basis der Sachprobleme und nicht auf Basis des Proporzes und des politischen


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Machterhaltes. – Von dem, meine Damen und Herren, hoffe ich, daß es in Europa durchbrechen und in Europa der Fall sein wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (fortsetzend): Das war mein Schlußsatz! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

16.36

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Zumindest den Text der Anfrage der Freiheitlichen von heute finde ich nicht so schlecht recherchiert. (Abg. Mag. Haupt: Danke!) Das muß ich schon deswegen finden, weil auf Seite 2 – ich zitiere – "die realistischen Einschätzungen renommierter Experten" erwähnt und einige Namen genannt werden: Jacques Santer, Otmar Issing, Horst Siebert, Erich Streissler – für denjenigen, der sich mit der Literatur über den Euro beschäftigt, sind das keine Unbekannten – und auch ein gewisser Van der Bellen. Da es Leute dieses Namens sehr selten gibt und mir die Stelle irgendwie bekannt vorkommt, bin ich offenbar zustimmend zitiert worden.

Weiter unten auf dieser Seite zitieren Sie mich noch einmal, in diesem Fall allerdings ohne mein Copyright zu wahren. (Abg. Dr. Haider: In zweiter Auflage kommt es dazu!) – In der zweiten Auflage, sehr gern, danke. Ich bitte in Zukunft dringend darum.

Da schreiben Sie nämlich – ich zitiere jetzt Ihre Formulierung, die fast wortgleich mit meiner ist –: "Denn zum einen bedeutet die (begrenzte) Beseitigung des Wechselkursrisikos nicht" – im Zusammenhang mit der Währungsunion gemeint –, "daß die ,Summe der Risken’ in einer Volkswirtschaft sinkt, und zum anderen jedoch bedeutet diese Beseitigung" – nämlich des Wechselkursrisikos –, "daß die bisherigen Auf- und Abwertungen durch höhere Mobilität von Arbeitskräften und/oder höhere Flexibilität der Reallöhne ersetzt werden müssen, zumindest solange kein nennenswerter Inner-EU-Finanzausgleich existiert."

Da ich das selbst geschrieben habe, wird es schon stimmen. (Heiterkeit.) Nur ist es ein bisserl selektiv zitiert. Es kommt dann noch ein Satz. (Abg. Dr. Khol: Martin Luther hat dazu etwas gesagt: Jedem schmecken die eigenen Fürze wohl! – Martin Luther!) – Ich bitte, das unter dem Copyright von Herrn Khol ins Protokoll aufzunehmen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Trotzdem unpassend! – Abg. Dr. Haider: Khol hat schon ganz andere Sachen gesagt!)

Der nächste Satz würde nämlich lauten: "Österreich mag diesem Szenario angesichts der langjährigen Bindung des Schillings an die D-Mark gefaßt entgegensehen."

Sie sehen immer nur die Risken des Ganzen, und dann berücksichtigen Sie zuwenig die spezifisch österreichische Situation. Es stimmt natürlich trivialerweise, daß in einer Währungsunion das Instrument der Wechselkursvariation wegfällt – selbstverständlich! Nur gerade im Falle Österreichs ist es so, daß wir dieses Instrument seit ungefähr 20 Jahren oder länger niemals angewandt haben. Es stimmt natürlich, daß in einer Währungsunion, so wie es im Maastricht-Vertrag konzipiert ist, das Instrument der Geld- und Zinspolitik wegfällt. Nur im Falle Österreichs sind wir das schon seit über 20 Jahren gewöhnt, daß die Telefonleitung nach Frankfurt genügt, und auch die EZB wird in Frankfurt loziert sein.

Im übrigen – da stimme ich Ihnen zu – ist diese Währungsunion schon eine Crux, so wie sie konzipiert ist. Wenn jetzt der Wechselkurs als Instrument wegfällt, wenn die Geldpolitik wegfällt, wenn die Zinspolitik wegfällt und kein innereuropäischer Finanzausgleich existiert, so wie er beispielsweise in den USA zwischen den einzelnen Bundesstaaten sehr wohl existiert, dann fällt die ganze Last der Anpassung bei sogenannten exogenen Schocks auf die Arbeitsmärkte, auf die Anpassungsfähigkeit der Kollektivvertragspartner, auf die Anpassungsfähigkeit der Gewerkschaften. Das ist ein ernsthafter Punkt.


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101. Sitzung / Seite 35

Nur lese ich zu meiner Beruhigung im letzten OECD-Bericht über Österreich, 1997 erschienen, daß Österreich – ich habe es selbst kaum glauben können – nach Japan die höchste Reallohnflexibilität unter allen OECD-Staaten aufweist. Man kann auf bestimmten Gebieten viel gegen unsere Gewerkschaften sagen (Abg. Ing. Maderthaner: Sozialpartner! – Abg. Dr. Khol: Sozialpartner!)  –, auf verschiedenen Gebieten gegen die Sozialpartner, auf verschiedenen Gebieten auch gegen manche Gewerkschaften, aber daß sie in der Vergangenheit in der Reallohnfindung zuwenig Flexibilität gezeigt hätten, das kann man nicht behaupten – zumindest nicht nach Ansicht einer neutralen und, so glaube ich, völlig unverdächtigen Organisation, nämlich der OECD.

Richtig ist natürlich, verehrte Kollegen von den Freiheitlichen, wenn Sie auf Seite 1 sagen, daß das "Projekt Währungsunion" "mit massiven Unsicherheiten" behaftet ist. – Ja, es ist mit massiven Unsicherheiten behaftet, und es sind durchaus Szenarien vorstellbar, in denen, wenn alles schiefgeht, letzten Endes sogar die Existenz der Union bedroht sein kann. Das ist wahr.

Aber auf der anderen Seite schauen Sie immer nur die Risken, die möglichen Nachteile an. So würden Sie als Unternehmer, Herr Dr. Haider, bei Ihren Investitionsentscheidungen nie vorgehen: Sie würden sich die möglichen Risken anschauen, Sie würden sich die möglichen Vorteile anschauen, Sie würden das kurzfristig betrachten, Sie würden eine langfristige Perspektive wählen. In dieser Abwägung würden Sie dann letzten Endes Ihre Entscheidung treffen, aber nicht einfach dadurch, daß Sie sämtliche möglichen Nachteile betrachten. Dadurch kommen Sie in die Ecke, die Exkanzler Schmidt in bezug auf seine eigenen Parteifreunde einmal gewählt hat. Er hat sinngemäß von den "Bedenkenträgern", von diesen "ewigen Bedenkenträgern" gesprochen: Dies geht nicht, jenes geht nicht, weil es eben irgendwie schiefgehen könnte! – Vor allem meinte er den von Ihnen zustimmend zitierten Ministerpräsidenten Schröder.

Das ist keine Aufklärungspolitik, die Sie machen. Auf diese Art können Sie nur eines erzielen, nämlich vorhandene Ängste, vorhandene Befürchtungen, die da sind – es wäre sinnlos, dies zu leugnen – zu schüren. (Abg. Silhavy: Das ist ja Ziel dieser "Veranstaltung"!) Aber das kann nicht wirklich Grundlage einer tragenden Wirtschaftspolitik sein. Ein Unternehmer, Herr Dr. Prinzhorn, hätte auf dieser Basis überhaupt nie eine Entscheidung treffen können. Das müßten Sie doch am allerbesten wissen.

Die Freiheitlichen – ich freue mich darüber – haben einiges an Literatur studiert, darunter auch einen meiner unwichtigen Artikel, in dem ich zur Ansicht kam, die Währungsunion ist kein Beschäftigungsprogramm. Jeder Autor freut sich, wenn die Leser seiner Artikel letzten Endes seiner Schlußfolgerung zustimmen.

Seit langem sagen die Grünen, die Währungsunion ist kein Beschäftigungsprogramm, sie ersetzt kein Beschäftigungsprogramm auf europäischer Ebene. (Beifall bei den Grünen.)

Sie wirkt bestenfalls kurzfristig beschäftigungsneutral. Möglicherweise ist in einer Übergangszeit sogar mit zusätzlichem Druck auf den Arbeitsmarkt zu rechnen. Gerade deswegen sind die beschäftigungspolitischen Initiativen, die jetzt langsam und viel zu spät, aber immerhin in Gang kommen, mit dem Luxemburger Gipfel so wichtig. Ich teile nicht den Optimismus des Herrn Bundeskanzlers, der uns heute in geradezu flammender Rhetorik bereits die Ergebnisse des Luxemburger Gipfels verkündet hat.

Herr Bundeskanzler! Wenn es tatsächlich zu einer Vereinbarung kommt (Abg. Dr. Haider: Er ist schon weg! – Abg. Scheibner: Er ist schon weg!) – er ist schon weg, aber der Herr Staatssekretär wird so gütig sein, ihm das mitzuteilen –, wenn es in Luxemburg tatsächlich zu einer Vereinbarung kommt, die dem Maastricht-Vertrag in bezug auf die Konvergenzkriterien der Währungsunion entspricht, dann wäre ich baß erstaunt. Wirklich quantitative Zielsetzungen und all das kann ich mir nicht vorstellen. Im übrigen hätte Österreich nicht auf Luxemburg zu warten brauchen, um mit der "Technologiemilliarde" zu scheitern, um mit der Erfindung neuer Lehrlingsberufe zu scheitern oder um mit dem Ausräumen der AMS-Mittel zugunsten der Pensionsversicherung Schluß zu machen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Bezüglich dieser Dinge werden wir dann aus Brüssel kritisiert werden. Das hätten wir uns aber ersparen können.


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101. Sitzung / Seite 36

Die Grünen werden eine Reihe von Entschließungsanträgen einbringen. Einen davon möchte ich zur Steuerreform einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Mag. Kammerlander, Freunde und Freundinnen betreffend Steuerharmonisierung in der Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, beim Luxemburger Beschäftigungsgipfel folgende konkrete Vorschläge für eine weitere Steuerharmonisierung innerhalb der Europäischen Union einzubringen:

Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips im Europäischen Rat in Steuerfragen,

Festlegung von Mindestsätzen und die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen auf europäischer Ebene bei der Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer,

Einleitung einer europaweit koordinierten ökologischen Steuerreform,

Erhebung von Steuern auf grenzüberschreitende spekulative Finanztransaktionen wie etwa die Tobin-Steuer.

*****

Herr Bundeskanzler! Alle möglichen Politiker außerhalb der Grünen bewerben sich um den Ehrentitel eines Vorsitzenden der Grünen. Ihre Ausführungen zur ökologischen Steuerreform können die Grünen natürlich nur unterstützen, auch wenn sie Jahre zu spät kommen. Aber niemand hätte Österreich in den vergangenen Jahren daran hindern können, eine solche ökologische Steuerreform schon längst durchzuführen – lange Jahre vor Luxemburg, lange Jahre vor diesem Beschäftigungsgipfel. (Beifall bei den Grünen.)

Auch was die Steuererosion betrifft, werden wir ja sehen, was Brüssel zu den spezifisch österreichischen Beiträgen zur Erosion der Steuerbasis auf europäischer Ebene sagen wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Van der Bellen soeben verlesen hat, entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinzhorn. Ich sehe, daß eine freiwillige Redezeit von 5 Minuten vorgeschlagen wird. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Haut des Herrn Bundeskanzler ist ziemlich dünn geworden. Nach dem Pensionsdebakel kann er sich die Ausführungen der Opposition schon kaum mehr anhören. Der Streit in den eigenen Reihen ist groß. Er schickt den Herrn Kulturstaatssekretär Wittmann, der sich mit chinesischer Geduld all das anhört. Das ist im Moment für die Regierung bezeichnend: Man geht dem Diskurs aus dem Weg. Man macht selbst den Zickzackkurs – getrieben von einem Maastricht, in das man hineingeschlittert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister Klima, mit Zahlen gut vertraut, hat gesagt: Die Konvergenzkriterien sind es, das ist die Inflation und die Zinsen, und dann haben wir das Budgetdefizit. – Jetzt muß er einen riesigen Zickzackkurs gehen. Er muß jetzt auf einmal zum Beschäftigungskanzler werden. Das ist interessant. Woher kommt denn dieser Wandel? – Von unserer Sondersitzung im Jänner 1996. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Herr Volkswirtschaftler Nowotny hat damals noch im Hauptausschuß gesagt, was denn das für ein Unsinn sei, die Maastricht-Kriterien hätten doch mit der Beschäftigung nichts zu tun. Wenn wir die Beschäftigungskriterien einbauten, dann könnten wir die ganzen Finanzkriterien vergessen! – Interessant! Das hat er gesagt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Aber auch heute "eiert" der Herr Bundeskanzler herum und fängt anläßlich des Themas Konvergenzkriterien immer von Finanzzahlen zu reden an, aber nie über Beschäftigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor einer Stunde kam in der APA schon die erste Meldung über Luxemburg heraus, wohin er sich jetzt begibt.

Ich zitiere: Wenn ab Donnerstag abend die Staats- und Regierungschef in Luxemburg zusammenkommen, um über Beschäftigungsfragen zu beraten, dann geht es hauptsächlich darum, sich selbst unter öffentlichen Druck zu setzen. Konkrete Zahlen, gefaßte Ziele, an denen die Regierungen gemessen werden könnten, wird man mit der Lupe suchen müssen. – Na selbstverständlich!

Daher häufen sich von nicht in der Regierung sitzenden Politikern die Stimmen, daß endlich Taten anstelle von großen Worten kommen müssen. Aber unser Herr Bundeskanzler folgt dem Herrn Ankündigungsminister Vranitzky mit großen Ankündigungen. Und ich frage mich, wo die Taten sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler verlangt nach optimistischen Unternehmen. – Dazu muß es erst realistische Politiker geben, dann wird es auch optimistische Unternehmer geben. Wo ist der Realismus, den auch Herr Abgeordneter Haselsteiner einfordert? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber realistisch ist natürlich schon Herr Abgeordneter Nowotny. Wenn man nämlich in einer Podiumsdiskussion diskutiert und ihn fragt, wie denn das mit den Maastricht-Kriterien und mit der Beschäftigung werden wird, dann sagt er: Die schwachen Regionen werden sich einkommensmäßig nach der Decke strecken müssen. – Was heißt denn das? – Lohnverzicht! Was sagt denn Herr Schüssel? – Herr Schüssel sagt nicht anderes als: Der Kollektivvertrag ist passé, jetzt geht die Reise nach unten! – Das ist Ihre neue Beschäftigungspolitik, die Sie haben. Das ist ein bißchen wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ausbildungsinitiativen, Forschungsinitiativen, Rückzug des Staates, Liberalisierung – überall ist Österreich Schlußlicht. Was lese ich vor einer Stunde schon wieder in der APA: Österreich ist weiter deutlich abgeschlagen Schlußlicht bei der Umsetzung der EU-Binnenmarktgesetze. – Dabei hat Finanzminister Hannes Farnleitner im März angekündigt, Österreich werde im nächsten Monat die "rote Laterne" wieder loswerden.

Er hat auch eine rote Laterne in der Hand – wie alle in Österreich –, und inzwischen ist der Abstand zum zweitschlechtesten Land, zu Deutschland, größer geworden. Eine feine Union, diese "Germanisierung" Österreichs, die Sie betrieben haben! Deutschland und Österreich an letzter Stelle in der Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien! Aber jetzt nichts wie drauf und in den Euro hinein, das ist wichtig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kaufmann: Sie haben keine Ahnung!)

Wissen Sie, wenn ich so lese, was Professor Kramer vom Wifo – mit dem ich auch diskutiert habe – gestern schrieb: "Verlust des nominellen Wechselkurses als Anpassungsinstrument gegen exogene Schocks", dann ist das natürlich schon starker Tobak. "Den werden wir in der Lohnpolitik spüren", schreibt er. Und alles andere noch dazu. Alles das können Sie übrigens heute auch in der "Financial Times" lesen. Nehmen Sie sich diesen Artikel vom 19. November her, da können Sie über die österreichischen Probleme lesen! Aber diese Mühe machen Sie sich ja nicht. Sie nehmen Ihren Schrebergarten, Ihren Bauchladen her, machen Nabelbeschau – und damit hat es sich, Herr Abgeordneter Nowotny! Von zwei Volkswirtschaftlern kommen drei Meinungen. Sie wissen das. Sie allein haben drei Meinungen. Das ist ja immerhin ein neuer Rekord. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Ich darf auch meine Meinung haben! Und von Keynes haben Sie vielleicht schon gehört!)


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Ich muß sagen, so sehr Sie in manchen Dingen mit dem Abgeordneten Van der Bellen übereinstimmen, eines hat er Ihnen schon ins Stammbuch geschrieben: Sie sollen das Pferd bei den Konvergenzkriterien und beim Euro nicht von hinten aufzäumen, sonst ist es nämlich so, daß Sie dauernd von einem gelegten Ei reden, und die Henne fehlt. Ich glaube nicht an Eier, für die die Henne fehlt. Sie glauben offensichtlich daran. Das ist eine eigenartige Wirtschaftspolitik, die offensichtlich einem Volkswirtschaftler vorbehalten ist.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie jetzt zuerst den Euro machen und die Kriterien nachher aufstellen – wobei morgen gar keine Kriterien aufgestellt werden, die Kriterien kommen erst nach dem Euro –, dann ist die Zerreißprobe für Europa zu groß.

Wenn Sie mich um eine Kosten-Nutzen-Rechnung fragen, dann muß ich Ihnen sagen: Natürlich stellen wir die an. Der Euro hat eine Risken-Chancen-Rechnung, und unsere Risken-Chancen-Rechnung sieht so aus, daß die Risken zu groß und ungleich verteilt sind. Wirtschaft, Kapital, Technologie – alle, die sich der Globalisierung erfolgreich gestellt haben, können damit umgehen, aber Österreich ist Schlußlicht bei der Umsetzung der Binnenmarktrichtlinie. Und zahlen wird die Rechnung der, der sich am wenigsten rühren kann. Wer Geringstverdiener oder Pensionist ist, wird zahlen. Die, die beweglich sind – ich zähle auch dazu –, werden sicherlich auch davon wieder profitieren. Das ist sozialdemokratische Politik! Das schreiben Sie sich einmal ins Stammbuch! (Langanhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gartlehner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.52

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja sehr anständig vom Kollegen Prinzhorn, daß er als Profiteur des Euro trotzdem dagegen ist, weil wir sonst keine Chancen in dieser europäischen Zukunft haben.

Kollege Prinzhorn ist von einigen Vorrednern angesprochen worden, hat auf diese Vorredner allerdings nicht repliziert, und ich – wenn ich mich richtig erinnere – konstatiere auch eine Meinungsänderung des Kollegen Prinzhorn, der seinerzeit ein ausgesprochener Befürworter einer einheitlichen europäischen Währung war.

Kolleginnen und Kollegen! Kollege Haselsteiner hat vom Strukturwandel gesprochen, der in diesem Land allzu zäh und mühsam – am Beispiel der Pensionsreform oder der Gewerbeordnung zitiert – durchgeführt werde. (Abg. Dr. Gredler: Da hat er recht!) Ich glaube, daß man dazu sagen muß: Wir reformieren die Strukturen in diesem Land so, daß die Betroffenen das mitvertreten, daß die Betroffenen das miterleben können – und nicht zu Lasten der betroffenen Gruppen in Österreich. Ich glaube, daß man als Regierungsfraktion darauf größten Wert legen muß.

Natürlich ist es obsolet, den Oppositionsfraktionen vorzuwerfen, daß hier sozusagen über den Zaun geschossen wird, aber ich bin überzeugt davon: Würden sie regieren, sie würden nicht anders agieren.

Meine Damen und Herren! Kollege Van der Bellen hat vom "Schutzschild" der nationalen Währung gesprochen. – Ich muß dazu sagen: Österreich hat diese nationale Währung in den letzten Jahrzehnten nie als Schutzschild verwendet. Österreich war währungspolitisch immer offensiv und hat sich eher die unbequeme Rolle des Hartwährungslandes angeeignet. Ich habe während der Beitrittsdebatte immer erwähnt, daß der größte Vorteil eines Beitrittes zur Europäischen Union die geplante einheitliche europäische Währung ist. Ich habe das in dieser Auseinandersetzung auch überall offensiv vertreten, und in meinem Wahlkreis hatten wir ausgezeichnete Wahlergebnisse für den Beitritt zur Europäischen Union. (Abg. Scheibner: Und wie ist dort die Meinung jetzt? Was sagen die Leute jetzt? – Abg. Ing. Reichhold: Was haben Sie für ein Wahlergebnis gehabt bei der Europawahl?) Auch ein ausgezeichnetes.


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Ich kann das auch erklären: Jeder, der in einer Industrieregion zu Hause ist und weiß, wie exportorientierte Betriebe darunter leiden, daß es derzeit in Europa verschiedenste nationale Währungen gibt und verschiedenste Länder ihre wirtschaftliche Instabilität oder die mangelnde Konkurrenzfähigkeit ihrer Volkswirtschaften durch Abwertungen künstlich wiederherstellen, der weiß auch, wie schwierig es für all jene ist, die im harten Wettbewerb stehen und trotzdem leistungsfähig agieren.

Herr Kollege Haider selbst oder einer seiner Fraktionskollegen haben dies vor einigen Jahren eingestanden, als die Italiener dramatisch abgewertet hatten und die österreichischen Holzexporte nach Italien praktisch unmöglich gemacht wurden. Daran hatte "natürlich" auch die österreichischen Bundesregierung schuld, aber tatsächlich war es die Situation so, daß Italien willkürlich abgewertet hat, um die Konkurrenzfähigkeit seiner Volkswirtschaft wiederherzustellen und sogar Vorteile daraus zu lukrieren.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß, wenn das nicht mehr möglich ist, die österreichischen Industrie und die österreichischen Exportwirtschaft in Summe massive Vorteile aus dieser einheitlichen europäischen Währung haben werden, insbesondere deshalb, weil wir in Italien als unserem zweitgrößten Exportland unsere Interessen wahren müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt für mich aber auch, daß es eindeutig und klar ist, daß diese europäische Währung für Hartwährungsländer im speziellen Vorteile bringen wird, und zwar Vorteile hinsichtlich Beschäftigung, aber auch Vorteile hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Gesamtbetrachtung. Und natürlich ist sie auch ein wichtiger Faktor aus budgetpolitischer Sicht.

Auch aus der Außenbetrachtung – sozusagen über den europäischen Markt hinaus betrachtet – bin ich überzeugt davon, daß die Chancen intakt sind. Aus einer guten Positionierung des Euro gegenüber dem Yen und dem Dollar durch die Europäische Zentralbank können tatsächlich beschäftigungspolitische Effekte entstehen, die durch Regierungsprogramme der Nationalwirtschaften nie wirklich möglich gewesen wären.

Ich bin auch überzeugt davon, daß diese europäische Politik eine beschäftigungsintensive Währungspolitik betreiben wird. Das ist auch mit ein Grund, warum derzeit die Sparkassen – wie es Herr Kollege Haider ausgeführt hat – schon dafür werben, daß wir unsere Sparbücher in Dollar anlegen sollen.

Die österreichische Bundesregierung hat darüber hinaus ständig neue Maßnahmen gesetzt, um die Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes Österreich voranzutreiben. Derzeit läuft wieder ein Reformprogramm. Die Steuerreformkommission ist an der Arbeit und versucht, für das Jahr 2000 eine Steuerreform nach modernstem Vorbild zu kreieren, die Entlastung des Faktors Arbeit weiter voranzutreiben und gleichzeitig auch eine Ökologisierung des Steuersystems herbeizuführen.

Meine Damen und Herren! Da heute schon so häufig Literaturhinweise gemacht wurden – auch in dieser Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen –, möchte auch ich noch einen kleinen Literaturhinweis geben: Lesen Sie bitte den neuen "trend" vom November dieses Jahres! Da steht als Schlagzeile zum Thema Euro: "Warum Haider nicht recht hat." (Abg. Scheibner: Darüber werden wir noch reden!) Es handelt sich um eine mehrseitige Reportage. (Abg. Madl: Aber allein der Aufmacher sagt noch nichts aus!)

Ich könnte jetzt auch noch daraus zitieren und Redezeit vergeuden, aber ich gebe Ihnen nur den wirklich freundschaftlichen Tip: Lesen Sie den "trend" vom November, und Sie werden wissen, wie Sie nächste Woche abstimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Er hat das Wort.

17.00

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem EU-Beitritt hat Abgeordneter Jörg Haider Angst verbreitet mit seiner "Blutschokolade".


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(Abg. Aumayr: Niemals! Niemals! Niemals! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Tatsächliche Berichtigung!) Heute hat er, als Abgeordneter Mag. Schreiner Wasser mit Wein vermischt hat, seinen Erstredner hier vom Rednerpult aus mit dem Wort "Weinpantscher" bezeichnet. (Abg. Haigermoser: Feurstein, wir warten auf Wesentliches!) Ich weiß nicht, welche Steigerungsstufen das nächste Mal kommen, Herr Abgeordneter Haigermoser. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult!)

Der Zickzackkurs, der von Ihnen betrieben worden ist, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, ist wirklich nicht vorbildlich, sondern beängstigend. (Abg. Haigermoser: Du bist doch sonst kein Angsthase! Vor wem fürchtest du dich?) Vor dem EU-Beitritt hat Dr. Haider verkündet: "Nein EU!", sein Landesrat Gorbach jedoch hat gesagt: "Ja EU!"

Heute hat Abgeordneter Prinzhorn nicht klar zum Euro Stellung genommen, vor einigen Monaten hat er gesagt: Wir brauchen ihn. – Meine Damen und Herren, das ist ein Zickzackkurs, den Sie uns immer wieder vorzeichnen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Heute darf er nicht mehr, der Prinzhorn! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Aber wir wollen bei der heutigen Diskussion nichts beschönigen, meine Damen und Herren: Die Zahl der Arbeitslosen von 220 000 Ende Oktober bereitet uns zweifellos Sorge, und auch die 5 300 arbeitslosen Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren sind etwas, was wir nicht hinnehmen können und nicht hinnehmen werden. (Abg. Haigermoser: Ja, was ist mit dieser Sprechblase? – Abg. Dr. Khol: Haigermoser, keine Polemik von der Abgeordnetenbank aus!) Wir haben daher eine Offensive eingeleitet. Und diese Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsoffensive hat Erfolg gezeitigt: Wir haben innerhalb von zwölf Monaten die Zahl der unselbständig Beschäftigten um 12 000 erhöht. Wir haben die Zahl der Lehrlinge, der aktiven Lehrverträge, in einem Jahr um 2 600 erhöhen können. Wir haben die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen innerhalb von zwölf Monaten um 2,5 Prozent gesenkt.

Das ist uns zu wenig, meine Damen und Herren! Wir wollen noch mehr leisten und mehr erreichen. Dazu ist es natürlich erforderlich, daß die Regierung die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, die Arbeitsplätze werden irgendwo anders geschaffen, nämlich in der Wirtschaft, im Zusammenwirken – möchte ich einmal sagen – zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern. Man sollte nicht eine Gruppe hervorheben, sondern dies geschieht im Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Krammer. )

Dazu sind ganz entscheidende Rahmenbedingungen notwendig. Wir könnten jetzt viele dieser Rahmenbedingungen nennen: Für mich ist eine Rahmenbedingung ganz wichtig, nämlich die Stabilität. Ich gebe Ihnen von der FPÖ recht: Sie haben immer darauf hingewiesen, Italien sollte bei der Währungsunion dabei sein, denn es war im Jahre 1995 schmerzlich, als Kursverluste der Lira innerhalb von vier Monaten, von Februar bis Mai 1995, um minus 13 Prozent erfolgten. Herr Abgeordneter Maderthaner hat das Beispiel mit dem US-Dollar gebracht, dessen Kursschwankungen arbeitsplatzvernichtend in Österreich waren.

Meine Damen und Herren! Was haben die Kursverluste der Lira im Jahre 1995 für uns in Österreich bedeutet? – Das hat bedeutet, daß die Zahl der Italiener, die im Jahre 1995 in Österreich Urlaub gemacht haben, um 20 Prozent gesunken ist. 400 000 Nächtigungen weniger! Das hat weiters bedeutet, daß die Exporte nach Italien drastisch gesenkt werden mußten. Im Jahre 1994 hatten wir noch Exporte in Höhe von 55 Milliarden, für 1995 liegen keine genauen Zahlen vor, aber 1996 waren es nur 51 Milliarden Schilling, also um beinahe 10 Prozent weniger, meine Damen und Herren.

Wer waren die Gewinner dieser vergangenen Kursschwankungen? – Nicht die Arbeitnehmer in Österreich, nicht die Unternehmer in Österreich. Die haben diese Kursschwankungen bezahlt, meine Damen und Herren! Deshalb ist die Stabilität des Währungssystems eine ganz wichtige Voraussetzung für eine gute Beschäftigungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Diese Stabilität schaffen wir durch die Währungsunion, schaffen wir durch den Euro. Es ist nicht die Erfindung der Grünen, wenn wir sagen, die Wirtschafts- und Währungsunion als solche ist natürlich kein Mittel der Beschäftigungspolitik – das steht ganz klar in der Beschäftigungsagenda für das Jahr 2000 –, aber ich sage noch einmal: Sie ist die Voraussetzung, die Grundlage für eine Beschäftigungspolitik, die Arbeitsplätze sichert und neue Arbeitsplätze schaffen kann, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir legen auch größten Wert auf nationale Maßnahmen. Abgeordneter Maderthaner hat darauf hingewiesen, daß wir in diesem Jahr ganz entscheidende Initiativen gesetzt haben. Das Beispiel Lehrlingsoffensive ist schon genannt worden, wir haben die Wiedereinstellungsbeihilfen eingeführt, wir haben die besondere Eingliederungshilfe für Notstandsbezieher eingeführt, wir haben jetzt die Bildungskarenz eingeführt, um Fortbildungsmöglichkeiten für unsere jungen Leute zu schaffen, und wir werden in nächster Zeit eine ganz starke Offensive brauchen, meine Damen und Herren, um das Selbstständigwerden zu erleichtern. Eine ganz nachhaltige Offensive!

Meiner Überzeugung nach ist in diesem Zusammenhang wichtig, daß die jungen Selbstständigen sozial abgesichert werden, meine Damen und Herren, denn ihnen fehlt die volle soziale Absicherung. Wenn die Selbstständigkeit wieder aufgegeben werden muß, gibt es nach drei Jahren keine soziale Absicherung. Wir fordern daher unseren Regierungspartner auf, noch in diesem Jahr durch eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes die Möglichkeit der sozialen Absicherung in allen Bereichen auch für die jungen neuen Selbständigen einzuführen und zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

Wir werden dazu ganz konkrete Vorschläge in dieser Woche beziehungsweise in den nächsten Wochen unterbreiten, damit dieses Problem gelöst werden kann. Ein junger Selbständiger darf sich nicht selbst überlassen werden und darf nicht, wenn er Schiffbruch erleidet – und das kann passieren –, Sozialhilfeempfänger werden. Das können wir diesen Personen nicht zumuten, und das können wir nicht hinnehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hoffe, daß wir diese Initiative bereits Mitte Dezember im Hohen Hause beschließen können.

Veränderungen, wie sie der Euro bringt, sind nicht angenehm – das wissen wir; alle meine Vorredner von der Regierung haben darauf hingewiesen –, aber sie sind notwendig, wenn wir den aktiven Menschen in der Wirtschaft Chancen bieten wollen. Dazu brauchen wir die Währungsunion – und dazu brauchen wir den Euro. Es stimmt, was Abgeordneter Khol in einem Zwischenruf gesagt hat: Das Risiko, nicht dabeizusein, ist größer, als das Risiko, das entstehen kann, wenn wir dabei sind. Darum werden wir diese Maßnahmen unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.08

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeskanzler hat in seiner Antwort von einer Gleichberechtigung der Wirtschafts-, Sozial- und Geldpolitik gesprochen. Er hat nicht nur gemeint, daß diese Gleichberechtigung wichtig ist, sondern er hat auch gesagt, daß sie jetzt vorausgesetzt ist und daß wir in diese Richtung gehen, damit es diese Gleichberechtigung gibt. Er hat auch ausdrücklich davon gesprochen, daß die Beschäftigungspolitik dem nicht nachhinken darf.

Nur wie er das machen wird und was zum Beispiel die österreichische Bundesregierung dann konkret auch beim Beschäftigungsgipfel im Luxemburg vertreten wird, der ja eine Konsequenz, eine Folge der Regierungskonferenz und der bisherigen Tatenlosigkeit in diesem Bereich der Beschäftigungspolitik ist, hat er nicht gesagt. Dieses Wie konnte er nicht erklären.

Ich kann nur sagen, das hatte seinen guten Grund, denn wenn wir uns die Berichterstattung der vergangenen Wochen vergegenwärtigen, wenn wir an die hohen Erwartungen denken, die auch seitens der österreichischen Bundesregierung in den Gipfel gesetzt wurden, an das große Trom


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melfeuer, das nach der Regierungskonferenz herrschte, was jetzt alles passieren würde, wenn wir daran denken, was alles versprochen worden ist, wie sich Österreich starkmachen würde, und sehen, was davon übriggeblieben ist, dann ist das ziemlich reduziert.

Ich möchte hier nur einige Stichworte nennen – man kann es ja auch nachlesen –: Zunächst noch hat Finanzminister Edlinger einiges unterstützt, was Luxemburg vorgelegt hat, er wurde aber dann offensichtlich vom Koalitionspartner ÖVP zurückgepfiffen. Ein Konvergenzkriterium Arbeitslosigkeit kann es in Ihren Augen und nach Ihrer Auffassung nicht geben. Was bleibt dann davon übrig? – So gut wie gar nichts! Eine freiwillige Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten, was die Beschäftigungsprogramme betrifft, wollen Sie jetzt haben. Das ist, wie wir wissen, überhaupt nichts: eine freiwillige Verpflichtung, die dann zwar die Gemeinschaft überwachen soll und die, so liest man, möglichst ambitioniert sein soll.

Wenn ich der interessanten Statistik, die in verschiedenen Tageszeitungen veröffentlicht wurde, nämlich betreffend den Aufwand für den Bereich der Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, aufgeschlüsselt in aktive und passive Unterstützungen, gegenüberstelle, daß Österreich einen unübersehbar hohen Anteil an passiven Maßnahmen und einen äußerst geringen an aktiven Maßnahmen im Beschäftigungsbereich hat, dann frage ich mich: Nach welchen Zielen wollen Sie in Zukunft Ihre aktive Beschäftigungspolitik ausrichten? Wie wollen Sie sich im nationalen Rahmen festlegen, wenn wir gar keine Erfahrungen auf diesem Gebiet haben, wenn in den vergangenen Jahren erfolgreich, unter anderem auch mit dem Argument der notwendigen Erfüllung der Konvergenzkriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion, die Maßnahmen zurückgeschraubt und zurückgenommen wurden? Wie also soll auf europäischer Ebene ein ambitioniertes Ziel geschaffen werden?

Der Bundeskanzler hat in diesem Zusammenhang auf die Aggregation verwiesen, auch gestern im Hauptausschuß: Die verschiedenen freiwilligen Verpflichtungen der verschiedenen Mitgliedsländer werden aggregiert, und das ergibt dann das europäische Ziel. Das ist sehr simpel, nur das haut nicht hin, wie wir wissen, und das trifft einfach nicht den Punkt. Denn wenn sich die einzelnen Länder nicht auf einen Mindestlevel verpflichten, untereinander und miteinander aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben, dann wird es auch auf europäischer Ebene ein solches Maß nicht geben.

Eine der Möglichkeiten, die immer wieder auch im Vorfeld diskutiert wurde und jetzt völlig von Ihnen außer acht gelassen wird, auch in all den Diskussionen im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf den Beschäftigungsgipfel, ist der 3. Sektor. Das ist genau der Sektor, wo es um die Arbeit im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich geht, der Sektor, dem man eine hohe Wahrscheinlichkeit einräumt, daß er arbeitsmarktfähig sein kann, wenn es entsprechende Förderungen und Unterstützungen gibt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Förderung des beschäftigungsintensiven 3. Sektors

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ihrer Integrationspolitik (durch die Einbringung von Regierungsvorlagen, die Ergreifung von entsprechenden Initiativen auf EU-Ebene et cetera) die Förderung des 3. Sektors zu intensivieren, insbesondere durch folgende Maßnahmen:

die Senkung des Mehrwertsteuersatzes in diesem Bereich sowie


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die Bereitstellung von Geldern aus dem EU-Haushalt für arbeitsplatzwirksame Maßnahmen in diesem Sektor.

*****

Noch einmal: Das ist ein Vorschlag, ein Antrag, der lange Zeit nicht nur im Gespräch war, sondern auch im offiziellen Vorschlagspaket enthalten war, bis vor allem die Deutschen ganz massiv dagegen moniert und auf die nationale Ebene und die nationale Verpflichtung herunterlizitiert haben.

Zum Schluß möchte ich noch einen Entschließungsantrag einbringen, den wir fast schon routinemäßig einbringen. Sie haben sich nach der Regierungskonferenz verpflichtet, sich massiv für die Beschäftigungsoffensive einzusetzen, sich massiv auf dem Beschäftigungsgipfel für die verschiedenen Maßnahmen einzusetzen. Wenn das alles keinen Erfolg hat, wenn wir nach einem weiteren Gipfel wieder mit leeren Taschen dastehen – und momentan schaut alles danach aus –, dann sind wir der Meinung, Österreich sollte den Vertrag von Amsterdam nicht ratifizieren, weil Sie von der Koalition dann wortbrüchig geworden sind und Sie Ihr Wort, mit dem Sie ja den Erfolg von Amsterdam begründet haben, nicht gehalten haben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Mag. Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofern anläßlich des EU-Beschäftigungsgipfels keine wirksamen und rechtsverbindlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beschlossen werden, den EU-Staats- und -Regierungschefs mitzuteilen, daß Österreich die Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages nicht vornehmen wird.

 

*****

(Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von Frau Abgeordneter Mag. Kammerlander vorgetragenen Entschließungsanträge sind gemäß der Geschäftsordnung überreicht, ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich darf Sie um die Weiterleitung meiner Worte, die ich an die Regierung richte, bitten. Meine Damen und Herren! Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch den Herrn Bundeskanzler war nicht exakt, genauso von Widersprüchen gekennzeichnet, wie widersprüchlich auch die Aussagen zum Thema Euro der einzelnen Regierungsmitglieder in der Zwischenzeit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Bevölkerung braucht Berechenbarkeit und klare Positionen, hat der Herr Kanzler gesagt. – Sie aber handeln mit rückwirkenden Steuererhöhungen, Steuervorauszahlungen und budgetieren Steuerguthaben der Bürger in der Höhe von über 15,8 Milliarden Schilling als Einnahme.


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Der Kanzler hat gesagt, es werde ein Konvergenzprogramm für Beschäftigung geben. Bundeskanzler Helmut Kohl hat gestern gemeint, Beschäftigung sei eine nationale Angelegenheit. Es müsse zuerst ein Beschäftigungsprogramm für die Nationalstaaten geben, meinte der Kanzler, und dann könne man diese auf europäischer Ebene zusammenfassen. – Auf meine gestrige Anfrage, welche nationalen Ziele die Regierung zur Beschäftigung habe und welche beim Beschäftigungsgipfel eingebracht würden, hat Vizekanzler Schüssel gesagt: Zuerst müssen die Luxemburger Beschlüsse vorliegen, und aus den Ergebnissen lassen sich dann Formulierungen machen. (Abg. Haigermoser: Wer hat das gesagt?) Schüssel. Das ist eine entgegengesetzte Stellungnahme des Vizekanzlers Schüssel vor dem Hauptausschuß zur Aussage des Bundeskanzlers von heute.

Staatssekretär Ruttenstorfer sagte in der "Pressestunde", die Einführung des Euro schaffe keine Arbeitsplätze. Das hat gestern Wolfgang Schüssel sehr stark dementiert, dem widersprochen. In Wirklichkeit ist Staatssekretär Ruttenstorfer aber am Sonntag nur auf diesen fahrenden arbeitsplatzvernichtenden Zug aufgesprungen, der von vielen Experten wie folgt kommentiert wird: Manfred Neumann von der Universität Bonn: Wer glaubt, der Euro schaffe Arbeitsplätze, ist ein Illusionist. Kurzfristig könne die Arbeitslosigkeit sogar ansteigen. – Warum? Weil der Strukturwandel nicht beschleunigt und der Rationalisierungsdruck verschärft wird.

Aber auch andere Ökonomen sagen das. Der Frankfurter Ökonom Wilhelm Hankel, der gemeinsam mit drei weiteren Ökonomen eine Verfassungsklage gegen die Einführung des Euro plant, verglich die Einführung des Euro mit der Abschaffung unterschiedlicher Aktienkurse für unterschiedliche Gesellschaften. – Nachzulesen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3. November. Es gebe keinen Zins, der für Italien, Deutschland und Frankfurt gleich gut sei. Das Argument, wenn der Euro 1999 nicht komme, werde er nie mehr kommen, sei zynisch und entlarvend. Der britische Premierminister Tony Blair handle vorbildlich, sagte Hankel, wenn er sage, sein Land nehme erst am Euro-Projekt teil, wenn es seine eigenen Schwierigkeiten gelöst habe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Wirtschaftsexperten der USA fast einhellig die Währungsunion als ein Vorhaben ohne ökonomische Vernunft bezeichnen und diese gleichlautend wie der Währungsfonds in seinem "World economic outlook" von steigender struktureller Arbeitslosigkeit und zunehmenden sozialen Spannungen sprechen, dann glaube ich, daß die Gewerkschaften recht haben, wenn sie demonstrieren, wenngleich ich diese Demonstration mißbillige. Ich mißbillige diese Aktion, weil die europäische Gewerkschaft, vertreten durch seinen Präsidenten, mit zwei Zungen spricht: hier im Hause für die Einführung des Euro – und auf der Straße dagegen oder nur unter bestimmten Bedingungen (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das alles, meine Damen und Herren, sind Widersprüche, aber keine Ziele. Auch die zur heutigen Sitzung aufgelegte Unterlage, "Positionspapier" genannt, enthält keine Ziele, enthält vielleicht Auswirkungen, Absichtserklärungen. Die Erhöhung der Beschäftigungsquote, die Senkung der Arbeitslosenquote, die Erhöhung der Quote für Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose, das alles sind doch nur Absichtserklärungen und keine Ziele.

Herr Staatssekretär! Hat die Regierung Ziele zum Beschäftigungsgipfel – oder hat sie keine? Will sie die Arbeitslosenrate nach unten drücken – oder will sie das nicht? Geben Sie Antwort darauf, wie Sie das Qualifikationsdefizit ausgleichen wollen! Geben Sie Antwort darauf, wie die von den Sozialpartnern behinderte und daher dauernd verschleppte Materie flexibler Beschäftigungsprogramme vorangetrieben werden kann, wie Österreich diesbezüglich europareif gemacht werden kann!

Und da gibt es eine Reihe von Punkten, die zu tun wären, aber sie werden nicht getan, und deshalb darf ich zwei Anträge einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Anhebung der F&E-Quote auf OECD-Durchschnitt


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne einer Senkung der Arbeitslosenzahlen in Österreich ehestbaldig Maßnahmen zu setzen, die eine Anhebung der F&E-Quote auf zumindest 2 Prozent beziehungsweise längerfristig auf den OECD-Durchschnitt von 2,5 Prozent sicherstellen."

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Nußbaumer und Kollegen betreffend steuerliche Befreiung nichtentnommener Gewinne

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen sechs Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung und somit auch der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen und zur Sicherung der Arbeitsplätze eine steuerliche Befreiung nichtentnommener Gewinne vorsieht."

*****

Meine Damen und Herren! Die Einführung des Euro zum jetzigen Zeitpunkt und ohne Harmonisierung der einzelnen Volkswirtschaften ist für Österreich äußerst riskant, weil sie Arbeitsplätze kosten wird. Und die Regierung wird zur Verantwortung zu ziehen sein, wenn sie diese Einführung ohne die Zustimmung der österreichischen Bürger durch eine Volksabstimmung erzwingt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Herr Kollege, Sie haben mehr Arbeitsplätze bei Kästle vernichtet als der Euro überhaupt! – Abg. Ing. Nußbaumer: Lesen Sie im Protokoll nach, wie viele Arbeitsplätze ich bei Kästle geschaffen habe! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden Entschließungsanträge, die Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer vorgetragen hat, sind gemäß der Geschäftsordnung unterstützt, überreicht worden und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. Ihre Redezeit beträgt noch 9 Minuten. Das ist der Rest der Blockredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.23

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die FPÖ hat in der Einleitung der Dringlichen Anfrage festgestellt, daß Währungspolitik – no na! – "entsprechende Auswirkungen für die Bevölkerung und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" hat. – Ist das für die FPÖ eine neue Erkenntnis, oder haben sattsam bekannte Vorschläge der FPÖ wie die Finanzierung einer Steuersenkung durch die Auflösung von Notenbankreserven, den Verkauf der Goldreserven oder die Aufgabe der Hartwährungspolitik nur das eine Ziel, nämlich die Stabilität unserer Währung zu untergraben? (Beifall bei der SPÖ.)

Haben Sie sich die Politik Schwedens des letzten Jahrzehnts als Vorbild genommen? Schweden wies unter sozialdemokratischer Regierung im Jahre 1990 eine Arbeitslosenrate von 1,8 Prozent und einen Budgetüberschuß von 4,2 Prozent auf. 1991 folgte dann, wie man weiß, die konservative Regierung, und 1992 mußte die schwedische Krone drastisch abgewertet werden. Das Ergebnis war, daß die konservative Regierung, als sie im Jahre 1994 abgewählt wurde, ein Budgetdefizit von 10,3 Prozent und eine Arbeitslosenrate von 9,8 Prozent hinterließ. (Abg. Dr. Höchtl: Das war das Erbe der sozialistischen Regierung damals! Die Sozialisten in Schwe


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den haben alles abgewirtschaftet, und deshalb mußte man das korrigieren!) Ist das die Politik, die die FPÖ anstrebt, frage ich.

Weil Sie so gerne Kollegen Sallmutter zitieren: Kollege Sallmutter sagt nämlich auch unter anderem, daß eine einheitliche Währung die logische Konsequenz aus der Verwirklichung der vier Freiheiten ist. Die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung bedingt eine Verlagerung von wirtschaftspolitischen Instrumenten, wie etwa der Geldpolitik, auf supranationale Ebene.

Sie sehen also, daß sich auch die Gewerkschaften sehr ernsthaft mit dieser Thematik auseinandersetzen. Auch die Gewerkschaften waren es, die im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Maßnahmen für die Beschäftigten gefordert haben, ich denke da etwa an das Beispiel Aufleb-Stiftung. Es waren die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die maßgeblich für die Umsetzung dieser Forderung verantwortlich sind.

Wenn Kollege Nußbaumer Kollegen Verzetnitsch anspricht, dann soll er sich einmal vor Augen führen, wer in diesem Haus etwas für die Beschäftigten getan hat. Dies gilt auch für die soziale Dimension in Europa und insbesondere für die Beschäftigungsinitiativen.

Apropos: Wenn die FPÖ von Beschäftigungsinitiativen redet, dann wirkt das etwas eigenartig. Haider hat am 6. Feber dieses Jahres eine Lehrplatzoffensive gefordert. Aber die Lehrlinge sollen mitversichert sein, damit sie später keine Leistungen erhalten können. Oder: Haider und die FPÖ sehen sich gerne als Arbeitnehmervertreter, wollen aber gleichzeitig die Abfertigung abschaffen und durch ein Pensionskassensystem ersetzen. Oder: Haider sieht sich als Anwalt der "kleinen" Leute, gleichzeitig will er aber das Arbeitnehmerschutzgesetz stillegen. Oder: Haider fordert – das hat er heute auch wieder getan – die steuerliche Begünstigung nichtentnommener Gewinne von Unternehmen. Aus den Erfahrungen weiß man, daß diese geringere Besteuerung eigentlich nur dazu dient, Finanzspekulationen zu machen – und in Wahrheit keine Arbeitsplätze bringt.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind also nicht die Zielsetzung der Beschäftigungsinitiativen der FPÖ.

Kollege Feurstein hat in seinem Debattenbeitrag schon darauf hingewiesen, welche beschäftigungspolitischen Maßnahmen, die dank des Engagements unserer Sozialministerin hier im Hohen Haus behandelt worden sind, heuer von uns schon beschlossen wurden. Aber das wissen Sie von der FPÖ schon, nehme ich an, auch wenn Sie nicht immer im Saal sind. Es geht Ihnen aber nicht um die Fakten ... (Abg. Mag. Schweitzer: Mit welchen Ergebnissen?)  – Herr Schweitzer Karli, hören Sie ein bißchen zu! – Es geht Ihnen nicht um die Fakten und nicht um die sachliche Diskussion, sondern es geht Ihnen eigentlich nur um Propaganda. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht zuletzt hat das Herr Abgeordneter Prinzhorn heute sehr deutlich unter Beweis gestellt. In der "Presse" vom 20. Dezember 1996 sagte er nämlich – da geht er die ÖVP wegen der Wirtschaftspolitik an –: "... auf der SPÖ-Seite gebe es hingegen Finanzminister Klima" – heute hat er ihn in seiner Funktion als Kanzler angegriffen –, "Staatssekretär Schlögl und auch Bürgermeister Häupl, die kapieren, was wirtschaftlich auf Österreich zukommt. Mit ihnen könne man die Internationalisierung, die Entbürokratisierung und das ganze Umdenken viel besser durchziehen."

Da frage ich mich schon, wer hier mit zwei Zungen in diesem Haus spricht. Ihnen von der FPÖ geht es nicht um sachliche Diskussionen, Ihnen geht es nicht um Beschäftigte, sondern Ihnen geht es darum, politisches Kapital zu schlagen, und zwar auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf Kosten von deren Ängsten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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17.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr ist Herr Abgeordneter Schwarzböck zu Wort gemeldet. Ihre Restredezeit beträgt noch 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.27

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der österreichische Nationalrat hat in den vergangenen vier Wochen in sehr intensiven Sitzungen, und zwar sowohl in Ausschußsitzungen als auch in zweiwöchigen Plenarsitzungen, die Budgetbegleitgesetze und den Bundesvoranschlag 1998 beraten und beschlossen. Es gab Zeitungskommentare zu dieser Budgetdebatte, in denen uns vorgeworfen wurde, daß die Debatte eher "lustlos" geführt wurde.

Wir stellen fest: Wenige Tage nach Ende dieser Budgetdebatte verlangt die FPÖ eine Sondersitzung, um Beschäftigungsinitiativen und die Einführung der gemeinsamen Währung, die Währungsumstellung auf den Euro zu diskutieren, was einer Oppositionspartei als ihr demokratisches Recht selbstverständlich zugestanden wird. Wir warten gespannt, welche Neuigkeiten uns heute präsentiert werden. (Abg. Jung: Wir hoffen, daß ihr es irgendwann einmal versteht!)

Der Anfragebegründer der FPÖ bringt als verblüffende Forderung an die Bundesregierung, es wäre den Österreichern wesentlich leichter erklärbar gewesen, was wir bezüglich gemeinsamer Währung, Binnenmarkt und gemeinsamem Europa vorhaben, wenn wir jedem Wähler den Maastricht-Vertrag in Buchform übersendet hätten.

Der Parteiobmann der Freiheitlichen Partei wird daraufhin bleich, denn seine Mathematikkenntnisse reichen natürlich dazu, sich auszurechnen, daß das zirka zwischen 12 und 14 Milliarden Schilling kosten würde, und er erkennt sofort, daß das im klaren Widerspruch zu dem steht, was er zur Förderungspolitik und zur Budgetpolitik verkündet. Es ist erst vergangene Woche hier heftig debattiert worden, daß klare Vorstellungen zu Budgeteinsparungen von den Freiheitlichen formuliert wurden, die alles beinhalten, nur nicht 14 Milliarden Schilling für Informationspolitik, die die Bundesregierung mit hervorragenden Europabüchern schon ab 1992 gemacht hat, aber mit einem Bruchteil dessen. Dieser Betrag ist mit diesen 14 Milliarden Schilling gar nicht zu vergleichen, aber dennoch wurde damit ein ähnliches Ziel erreicht, wenn man der "Logik" von Schreiner folgt.

Schreiner hat uns vorgeworfen, daß es im Hohen Haus nicht viele Abgeordnete gibt, die den Maastricht-Vertrag kennen. Die Antwort darauf, welche Logik das sein soll, nach der 7 Millionen Österreicher diesen Maastricht-Vertrag besser und intensiver gelesen hätten als wir Volksvertreter, ist er uns leider schuldig geblieben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber so ist das nun einmal, wenn weniger die Sache im Spiel ist, sondern wenn ausschließlich ein Rettungsversuch für ein Volksbegehren, dessen Ergebnis bei weitem nicht den Zielsetzungen entsprechen wird, unternommen werden muß. Diese Sitzung ist ein weiterer gescheiterter Rettungsversuch, meine Damen und Herren. Ich kann dem Herrn Bundeskanzler nur recht geben: Wenn weiter so dillettiert und "gepantscht" wird, wie es Kollege Schreiner heute hier gemacht hat, dann wird es noch vieler Rettungsversuche bedürfen, aber das Resultat wird dadurch um nichts besser werden, meine geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was diesem Land in den letzten Jahren angesichts offenkundiger Beschäftigungsprobleme – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa – weitergeholfen hat, war das Niveau unserer Exportwirtschaft und der Beschäftigung in Österreich, das Niveau unserer Volkswirtschaft. Unsere Wohlstandsentwicklung hat sehr stark vom Exportmotor profitiert. Wir können mit Genugtuung sagen, daß wir vor allem im Zusammenhang mit dem Stärkerwerden unserer wichtigen Nachbarwährungen – der Lira zum Beispiel – enorme Exportzuwächse in allen Bereichen der Volkswirtschaft, vor allem im Bereich der Industrie, zu verzeichnen hatten. Dadurch sind beachtlich viele Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise neue geschaffen worden, geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir uns über die Schaffung von Arbeitsplätzen unterhalten, dann muß natürlich im Vordergrund die Sicherung dieser Arbeitsplätze stehen, denn jede Schaffung neuer Arbeitsplätze wäre ineffizient, wenn uns gleichzeitig mehr verlorengingen, als wir neue schaffen können.


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Es erhebt sich nun die Frage: In welchen Bereichen der Volkswirtschaft können denn massenweise Arbeitsplätze gesichert werden, um in einer sehr zukunftsorientierten Politik Beiträge zu den Beschäftigungszielen zu leisten?

Die Land- und Forstwirtschaft zählt nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union nach wie vor zu jenen Bereichen der Volkswirtschaft, in denen es nicht nur direkt, sondern auch indirekt ein hohes Maß an Beschäftigung gibt. In Österreich sind ungefähr 800 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit der Land- und Forstwirtschaft und mit der Nahrungsmittelwirtschaft verbunden. In der Europäischen Union ist nach wie vor ein Viertel aller Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und in der Nahrungsmittelwirtschaft beschäftigt.

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Sektor braucht die gemeinsame Währung, den Euro, notwendiger als viele andere Bereiche, weil Binnenmarkt und hohe Vergemeinschaftlichung der Politik logischerweise zwangsläufig von einer gemeinsamen Währung profitieren werden. Damit wächst auch die Stabilität und kann Vertrauen in die Zukunft erzeugt werden. Viele Mechanismen, die jetzt durchaus hinderlich sind und als Sand im Getriebe bezeichnet werden können, würden wegfallen. Damit könnte die Konkurrenzfähigkeit starker, exportorientierter Volkswirtschaften noch gesteigert werden.

Nehmen Sie daher zur Kenntnis: Die Mehrheit der Österreicher rechnet damit, daß der Euro kommt und daß unser wichtigstes Nachbarland Deutschland eines der Mitbegründerländer des Euro sein wird. Alles andere, als daß Österreich mit dem ersten Block, mit Deutschland, in diese gemeinsame Währung geht, wäre schädlich für die Volkswirtschaft, schädlich für die Beschäftigung und schädlich für die Zukunft dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Gute Rede, Herr Kollege!)

17.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.34

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es geht nicht mehr darum, jetzt noch zu erörtern, was die Bundesregierung und die Koalitionsparteien im Jahre 1994 oder 1995 den Österreicherinnen und Österreichern versprochen haben, als sie für die Zukunft das Blaue vom Himmel herunter versprochen haben, wenn wir nur der EU beitreten. Es geht nicht mehr darum, nur darüber zu debattieren, ob die Einführung des Euro erfolgen soll und unter welchen Bedingungen, mit wie vielen Ländern der Euro in Europa eingeführt werden soll, eingeführt werden darf, eingeführt werden muß.

Es geht jetzt darum, uns damit auseinanderzusetzen, was die österreichische Bundesregierung tun kann, damit dieses Projekt Euro eines wird, in dem tatsächlich soziale und beschäftigungspolitische Standards entwickelt werden – nicht nur für Österreich, sondern für dieses Europa, und zwar so, daß es sich leben läßt in diesem Europa.

Aber da, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien und Herr Staatssekretär, habe ich das Problem mit der Bundesregierung, mit den Koalitionsparteien, daß Sie sich eben nicht einig darüber sind und daß Sie kein Beispiel für Europa geben, auch wenn der Herr Bundeskanzler in der Debatte vorhin noch versichert hat: Österreich ist beschäftigungspolitisch gesehen ein großes Beispiel in Europa.

Schauen wir uns doch an, wie kleinlich Sie von ÖVP und SPÖ in dieser Frage in den letzten Monaten und Jahren verhandelt haben! Schauen wir uns doch an, wo wir in dieser Frage derzeit stehen. – Vor zwei Jahren ist das sozialpolitische Kapitel sozusagen hinausgeflogen, entsorgt worden, weil Sie von ÖVP und SPÖ sich darüber nicht einig werden konnten. Jetzt hat das Tauziehen um die Beschäftigungspolitik zwischen den ÖVP-Ministern und den SPÖ-Ministern begonnen. Es wird gefragt: Darf das Wort "Vollbeschäftigung" vorkommen? – Ich antworte: Ja, es darf vorkommen, aber nicht in der Bedeutung, die wir meinen, sondern so, wie es die Regierungsparteien meinen.


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Meine Damen und Herren! Das ist nicht das Beispiel, das Österreich in Europa geben soll. Es ist auch kein gutes Beispiel, wenn Sie immer nur vollmundig erklären und mit Ankündigungen hinausgehen wie: Wir zeigen den anderen Ländern in Europa, wohin es sozial- und beschäftigungspolitisch gehen soll! Wir haben Vorstellungen, die weit über das hinausgehen, was die anderen europäischen Länder haben wollen! Wir sind beispielgebend! – Diese Politik des Schulterklopfens und Händeschüttelns zahlt sich auf Dauer nicht aus, meine Damen und Herren. Da müssen Konzepte her, da müssen Inhalte her, die überzeugend sind, und zwar nicht nur für die Menschen in diesem Land, sondern auch für Verantwortlichen in den anderen Ländern Europas. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es geht im wesentlichen darum, daß dieses Projekt Europa nicht nur Chancen, sondern auch enorme Risken in sich birgt. Und wir sollten, wenn wir uns darüber unterhalten, auch über die Risken reden. Eines dieser Risken ist auch in der Anfrage der Freiheitlichen beschrieben, ist aber meiner Ansicht nach unzureichend beantwortet worden: die Auswirkungen einer einheitlichen europäischen Währung auf die Lohnpolitik.

Klar ist, daß zwar nicht in erster Linie Österreich und auch nicht Deutschland, aber andere Länder lohnpolitisch enorm unter Druck kommen werden, vor allem die weniger entwickelten Länder, jene Länder in diesem EU-Europa mit den geringeren sozialen Standards, die Länder, in denen die Gewerkschaften nicht mit den Arbeitgebern kooperieren, sondern eher auf Konflikt ausgerichtet sind, die Länder, in denen die Gewerkschaften weniger zu sagen haben.

Meine Damen und Herren! Das ist kein unerhebliches Thema. Es ist auch nicht unerheblich, was von Wirtschaftsseite darüber gedacht wird. Ich möchte Ihnen aus einem Beitrag vorlesen, den Herr Wolfgang Franz über die Schattenseiten des Euro in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 16. November geschrieben hat. – Da ist von einem heilsamen Druck auf die Tarifvertragsparteien die Rede und davon, daß der Euro den Wettbewerb der sozialen Sicherungssysteme verstärken wird.

Das sind Szenarien, die nicht unwahrscheinlich, sondern sehr realistisch im Hinblick auf unsere Zukunft sind. Auch wir werden uns in wenigen Jahren wahrscheinlich darüber unterhalten müssen, wie dieses soziale Sicherungssystem umgebaut, ausgebaut, verbessert und verändert werden kann, und wir werden das auch unter dem Druck einer einheitlichen europäischen Währung und der dadurch möglich gewordenen sozialen und lohnpolitischen Implikationen tun müssen.

Ich sage Ihnen, es wäre notwendig, hier eine andere Debatte zu führen als die, die wir gerade führen. Es ist natürlich nicht möglich, sie von seiten der Freiheitlichen Partei ernsthaft so zu führen, als ob man auf der einen Seite hier wirklich die Interessen der Betroffenen, der Beschäftigten, der Unternehmer in Österreich vertreten würde, während man auf der anderen Seite einem Götzen wie dem Stabilitätspakt dieses neuen Europa huldigt, der genau diese Beschäftigungspolitik, genau diese Absicherung sozialer Standards verhindern wird, der sie nicht möglich machen wird, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir können uns ja dieses Europaszenario anschauen, wir können voraussagen, was es bedeuten wird, wenn es einen Stabilitätspakt geben wird. Diesbezüglich habe ich bei weitem nicht die Hoffnungen, die Sie von den Freiheitlichen mit einem Stabilitätspakt offensichtlich verbinden, sondern ich habe diesbezüglich eher pessimistische Befürchtungen.

Sie können nicht hier herausgehen und einerseits vorgeben, die Interessen jener zu schützen, die bei diesem Europrojekt unter die Räder kommen könnten, und auf der anderen Seite einem Stabilitätspakt huldigen, der über die Menschen mit einer Dampfwalze drüberfährt. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Dieser Debatte sollten Sie sich auf ehrliche Weise stellen, aber diese Debatte führen Sie nicht und wollen Sie nicht führen, weil Sie auf diesem Gebiet andere Interessen vertreten, die Sie geschickt kaschieren, indem Sie auf die Unfähigkeit der Regierungspolitik verweisen. Diese Regierung war in den letzten Jahren in keiner Weise in der Lage, den Menschen in diesem Land die Auswirkungen, und zwar auch die


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Risken dieses Europrojektes, sinnvoll zu beschreiben und ihnen Antworten auf jene Fragen zu geben, die über das Geschehen des nächsten Tages hinausgehen. Das ist Ihr Problem! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich finde es erstaunlich, daß wir so über Europa diskutieren, als ob auf der europäischen Landkarte derzeit nur Österreich eingezeichnet wäre. Ich finde es erstaunlich, daß wir eine Debatte über Lohnpolitik führen, als ob diese nur Österreich betreffen würde, und daß wir eine Debatte über soziale Standards führen, als ob auch diese nur Österreich betreffen würden.

Ich finde es erstaunlich, daß wir in diesem Hohen Haus anscheinend in keiner Weise imstande sind, uns irgendwie als Europäer zu begreifen und auch die Probleme und Interessen der anderen Länder mitzubedenken, obwohl wir vor drei Jahren dieser Europäischen Union beigetreten sind. Das wäre aber gerade spannend!

Schauen wir uns doch einmal an: Was macht Frankreich in den letzten Jahren oder was macht seine neue Regierung, um mit dem Europaproblem Arbeitslosigkeit fertig zu werden? – Oder: Was macht Italien, um mit der Arbeitslosigkeit besser zu Rande zu kommen?

Schauen wir uns doch einmal an: Was macht Schweden, um mit der Arbeitslosigkeit besser zu Rande zu kommen? – Schweden hat sein Budgetdefizit auf null gefahren und macht jetzt eine Politik, die offensichtlich darauf ausgerichtet ist, Beschäftigung zu schaffen. – Wo bleiben denn die Initiativen der österreichischen Bundesregierung? Wo bleiben Ihre Initiativen in dieser Frage?

Frankreich und Italien machen eine Politik der offensiven Arbeitszeitverkürzung. – Wo bleiben denn Ihre Offensiven, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in dieser Frage? – Wir werden Sie nicht entschuldigen! Wir werden Sie fordern in dieser Frage, weil es notwendig ist, eine europäische Politik und nicht eine borniert-nationalstaatliche zu machen, bei der man sich besser gibt, als man tatsächlich ist, weil man nicht imstande und gar nicht willens ist, auf europäischer Ebene entsprechende Initiativen zu setzen.

Meine Damen und Herren! Daher bringen wir auch zwei Anträge ein. Der erste bezieht sich auf die Arbeitszeitverkürzung, und der zweite bezieht sich auf das, was sich aus dieser Lohnpolitik, die durch den Euro möglicherweise beschleunigt werden kann, ergeben kann, nämlich eine Auseinanderentwicklung zwischen Arm und Reich in Europa.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Bitte verlesen Sie die Anträge, Ihre Redezeit geht zu Ende!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend) : Unser erster


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Entschließungsantrag betreffend Initiative zur Arbeitszeitverkürzung lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Initiative zur Arbeitszeitverkürzung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ihrer Integrationspolitik eine europaweite Initiative zur allgemeinen Arbeitszeitverkürzung unter Flankierung verbindlicher sozialer Mindeststandards zu unterstützen beziehungsweise einzuleiten."

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Ergänzung der Konvergenzkriterien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ihrer Integrationspolitik für die Ergänzung der Konvergenzkriterien für die Währungsunion um ein Kriterium zum Abbau ungleicher Einkommens- und Vermögensverteilung einzutreten."

*****

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich dieser Debatte stellen, wenn Sie bereit sind, diesem Kriterium Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, dann wissen wir, daß Sie sich nicht nur selbst einigermaßen ernst nehmen, sondern auch bereit sind, als Europäer mitzudenken und mitzuarbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

17.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Beide Entschließungsanträge, die soeben verlesen wurden, sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Restredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.44

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wegen der kurzen Restredezeit möchte ich sogleich zwei Entschließungsanträge der Fraktion der Freiheitlichen einbringen. Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Kollegen betreffend Senkung der Lohnnebenkosten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne einer Senkung der Arbeitslosenzahlen in Österreich ehebaldigst Maßnahmen zu setzen, die eine Senkung der Lohnnebenkosten ohne Schmälerung der Einkommen und Ansprüche der Arbeitnehmer bewirken."

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Mag. Erich Schreiner, Hermann Böhacker und Kollegen betreffend Vermeidung der "kalten Progression"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen sechs Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach der Lohn- und Einkommenssteuertarif entsprechend gesenkt wird, um die vermehrte Steuerbelastung aus der ,kalten Progression’ zu beseitigen."

*****

Sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte vor dem Beschäftigungsgipfel am Wochenende in Luxemburg hat einige interessante Facetten, die man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten sollte.


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In der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses, als die Bundesregierung den Regierungs-, aber auch den Oppositionsparteien zur Verfügung gestanden ist, um ihre Position darzulegen, war erstens die Haltung der Regierung – zwischen der ÖVP, namentlich Herrn Vizekanzler Schüssel, und dem Herrn Bundeskanzler – durchaus gespalten: Der Herr Vizekanzler hat sich in einem Großteil seiner Redezeit, wie in den APA-Meldungen nachzulesen ist, hauptsächlich damit beschäftigt, seine private Meinung darüber kundzutun, wie man Arbeitslose und Lehrlinge, die noch nie in Arbeit waren, unter dem Kollektivvertragslohn beschäftigen könnte.

Frau Kollegin Silhavy! Ich möchte besonders Ihnen sagen: Wir von der Opposition sind noch nie so weit gegangen, das zu verlangen, was Ihr Regierungspartner nun verlangt. Daher bitte ich Sie, auch einmal innerhalb der Regierung für die Arbeitnehmer und ihre Interessen zu sorgen, denn wenn es in diesem Ton, wie er gestern im Hauptausschuß angeklungen ist, weitergeht, dann mache ich mir ernstliche Sorgen um die Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten haben die Oppositionsparteien, und zwar alle drei, Anträge zur Bindung der Bundesregierung beim Beschäftigungsgipfel eingebracht. Der Antrag der Freiheitlichen ist letztendlich von allen Oppositionsparteien insgesamt verabschiedet worden.

Erlauben Sie mir, noch folgendes zu sagen: Die Oppositionsparteien haben mehr im Interesse der Arbeitnehmer, der österreichischen Wirtschaft und der Beschäftigung in Europa verlangt, als es heute die zahnlose Erklärung der Bundesregierung, die wir um 14.20 Uhr erhalten haben, beinhaltet hat. Es muß auch klar und deutlich gesagt werden, daß die österreichische Bundesregierung offensichtlich entschlossen ist, einen Abschluß zu tätigen, der weit hinter dem liegt, was die Kommission vorgelegt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Haupt hat zwei Entschließungsanträge verlesen, die ordnungsgemäß überreicht wurden und gemäß der Geschäftsordnung unterstützt sind. Sie werden in die Verhandlung miteinbezogen werden.

Als letzter Redner in dieser Debatte ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Cap gemeldet. Die Restredezeit für Ihre Fraktion beträgt 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.47

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wir können resümieren: Die Notaktion für Ihr Volksbegehren ist heute gescheitert. Sie konnten nicht wirklich Argumente in die Diskussion einbringen, die auch nur irgend jemanden hier überzeugen konnten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Erstens: Sie wissen ganz genau, daß mit der Einführung des Euro endlich den Spekulanten der Finanzmärkte das Handwerk gelegt werden soll – zumindest im europäischen Raum. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Vielleicht haben Sie ein anderes Verhältnis zu Spekulanten. Wir jedenfalls haben ein eindeutiges Verhältnis dazu: Wir wollen das Spekulantentum nicht, und zwar auch im Sinne der Beschäftigung nicht.

Zweitens: Wer jetzt nicht der Währungsunion beitritt, der wird nicht mitbestimmen, der wird hinterherhoppeln, und zwar, wenn Sie es bestimmen, im Zickzackkurs hinterherhoppeln. Diese Politik des Kaninchentums lehnen wir ab! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Drittens: Sie wissen ganz genau, daß die Unwägbarkeiten des Wechselkurses zu einer Zurückhaltung bei den Investitionen führen würden. Das würde wiederum die Beschäftigung gefährden.

Viertens: Am Beispiel der Schweiz sieht man, daß Drittstaaten-Investitionen und Direktinvestitionen nicht mehr in der Schweiz, sondern großteils bereits im EU-Raum getätigt werden. Daher ist es so wichtig, daß man in diesem großen Wirtschaftsraum dabei ist, der – fünftens: – schon per se ein Gegengewicht zum Dollar- und zum Yen-Raum ist. Das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, weil Sie ja gar nicht sachlich mit uns umgehen und diskutieren wollen. Außer


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dem ist der Euro für Sie auch ein Instrument gegen die Regierung, gegen das Vertrauen, gegen die Investoren und auch gegen die Beschäftigung. – Das sollten Sie sich einmal hinter Ihre blauen Ohren schreiben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sechstens: Sie täuschen in dieser Beschäftigungsdebatte einen Handlungsspielraum vor, der, wie schon einzelne Redner hier erklärt haben, natürlich nicht stimmt. Denn Beschäftigung ist politisch nicht beliebig machbar. Auch wenn wir Wachstum haben, bedeutet das noch lange nicht, daß es automatisch auch mehr Beschäftigung gibt. Aber Sie betreiben bewußt diese Politik der hohen Latte, damit Sie attackieren können und damit Sie – damit komme ich zu siebentens – Ihre Methode hier unterbringen können, Ihren Raster, der immer der gleiche ist. Dieser stereotype Raster lautet: Es gibt eine zahnlose, ablösungsreife, lügende, desinformierende Regierung, die endlich und längst weggehört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Herr "Klubobmann" Cap! Er will Klubobmann werden! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist Ihr Raster, und dieser bestimmt auch Ihre Politik. Sie sagen zuerst ja zur EU und dann nein zur EU, einmal ja zum Euro und dann wieder nein zum Euro, einmal ja zur NATO und später wahrscheinlich nein zur NATO. So wird das dauernd bei Ihnen hin- und hergehen. Einmal weiche Währungspolitik, dann harte Währungspolitik.

Jedes Frühstücksei tut mir schon leid bei Ihnen, das im heißen Wasser nicht mehr weiß, was es werden soll: weich oder hart? Bei Ihnen geht alles durcheinander. Das ist die Art von Politik, die Sie machen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn Dr. Haider heute reihenweise seine Leute mit einem Wust von Zitaten herausschickt – Expertenzitaten, Pressezitaten –, dann können Sie das alles gleich wieder zurücknehmen, denn in einem Zwischenruf hat er heute gesagt: Die Presse hat sich schon öfters geirrt. Na bitte! Dann vergessen Sie Ihre Pressezitate, denn sogar Ihr "Häuptling" dort sagt, daß das alles für die Fische ist, weil sich die ohnehin alle geirrt haben. (Beifall bei der SPÖ.) Sie wollen einfach Angst machen, und Sie wollen das in diesen Raster als Bestandteil miteinbeziehen. (Abg. Mag. Stadler: Es war von der "Presse" die Rede ...!)

In Ihrer "Bibel", dem neuesten Buch, das Dr. Haider herausgegeben hat – jetzt sollten Sie ein bißchen in Demut erstarren, denn ich zitiere gerade den großen Meister, der neben Ihnen, Herr Abgeordneter Stadler, sitzt –, spricht er auf Seite 211 von "experimenteller Währungsreform", wenn man den Euro einführt. Wer kriegt da keine Angst: erstens vor Experimenten, zweitens vor einer Währungsreform und drittens, wenn es der Haider schreibt? (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum wollen Sie den Kostelka absägen?)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Das ist heute eine jämmerlich abgestunkene Initiative, und ich wette, Sie werden sich noch alle in den Klubräumen in den politisch Allerwertesten beißen, daß Sie die Zeit so vergeudet haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen jetzt über die eingebrachten Entschließungsanträge ab . (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum wollen Sie den Kostelka absägen? – Weiterer Ruf bei den Freiheitlichen: Kostelka hat nicht geklatscht! Er weiß warum! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ist die Phase des Kommentierens nun abgeschlossen? – Wir stimmen jetzt ab.

Zuerst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen betreffend Steuerharmonisierung in der Europäischen Union.


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Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kammerlander und Genossen betreffend Förderung des beschäftigungsintensiven 3. Sektors.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen betreffend Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsquote auf OECD-Durchschnitt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Nußbaumer und Genossen betreffend steuerliche Befreiung nichtentnommener Gewinne.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Initiative zur Arbeitszeitverkürzung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Wabl spricht mit Abg. Dr. Kier.)  – Herr Abgeordneter Wabl! Jetzt können Sie niemanden mehr überzeugen! (Heiterkeit. – Abg. Wabl: Nicht unterschätzen!)  – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Ergänzung der Konvergenzkriterien.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend Senkung der Lohnnebenkosten.

Wer dafür ist, denn bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Schließlich stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend Vermeidung der "kalten Progression".

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese Debatte betrifft den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler, dem Sozialausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 588/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Volksabstimmung aus Anlaß der Währungsumstellung vom Schilling zum Euro eine Frist bis 9. Dezember 1997 zu setzen.


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Die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag wird nach der Debatte stattfinden, in die wir jetzt sofort eintreten.

Gemäß der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als 5 Minuten sprechen. Der Erstredner hat zur Begründung dieses Antrages eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Allfällige Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder Staatssekretären sollen denselben Zeitrahmen nicht überschreiten.

Als erstem erteile ich Herrn Abgeordneten Mag. Stadler das Wort. Er hat eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

17.56

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag, der dem Verfassungsausschuß zugewiesen wurde, korrespondiert mit dem kommende Woche aufliegenden Volksbegehren betreffend Schilling-Volksabstimmung, um den Österreichern zu ermöglichen, in Kenntnis dessen, was man ihnen im Jahre 1994 verschwiegen hat, über ihre Währung und über die Zukunft des Schillings abzustimmen. Wenn der Schilling zugunsten einer Esperanto-Währung aufgegeben werden soll, sollen die Österreicher jedenfalls die Möglichkeit haben, ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Was ist denn eine "Esperanto-Währung"? – Abg. Schwarzenberger: Das ist eine freiheitliche Währung!)

Für Sie, Herr Profiteur des Steuerzahlers – Herr Haselsteiner, Sie sind der größte Profiteur des Steuerzahlers! –, sei es erläutert: "Esperanto-Währung" deswegen, weil es genau dasselbe Kauderwelsch sein wird, denn Esperanto hat auch nie stattgefunden, und wenn es nach dem Österreicher geht, wird der Euro ebenfalls nicht stattfinden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Daher "Esperanto-Währung"! Aber für Sie kann es auch DKT-Geld sein, Herr Haselsteiner. Ihnen ist jede Währung recht.

Meine Damen und Herren! Der Österreicher soll entscheiden können, welche Kriterien vorliegen müssen, bevor man den österreichischen Schilling zugunsten eines fragwürdigen Währungsprojektes aufgibt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Jetzt bitte ich um besondere Aufmerksamkeit für den künftigen Klubobmann der Sozialisten, den Kollegen Cap. Ich habe bemerkt, daß der Noch-Klubobmann Kostelka besonders blaß ist, weil man immer vom Kollegen Cap spricht. Ich glaube, die Zukunft des SPÖ-Klubs sitzt dort (in Richtung des Abg. Dr. Cap weisend). Cap geht jedenfalls täglich beim Parteivorsitzenden Klima antichambrieren und möchte Klubobmann werden.

Also Herr Klubobmann in spe Cap! Ihre Genossen in Schweden haben in dem heute bereits zitierten Gutachten folgendes gesagt – nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Genossen, den Sozialdemokraten in Schweden! –:

"Wird ein solcher Schritt unternommen" – gemeint ist der Beitritt zur Währungsunion –, "ohne daß die Mehrzahl der Stimmbürger mit diesem Beschluß einverstanden ist, riskiert man, das Vertrauen in das gesamte demokratische System zu schädigen." – Ende des Zitats. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der schwedischen Sozialdemokratie liegt die Betonung eben auf "Demokratie" und nicht auf "Sozialismus". Das ist der Unterschied zu den hiesigen Sozialisten, meine Damen und Herren!

Herr Klubobmann in spe Cap! Das ist demokratische Gesinnung! Man kann den Menschen nicht eine stabile Währung wie den Schilling wegnehmen. Man kann ihnen nicht eine Währung, in die jahrzehntelanges Vertrauen gewachsen ist, wegnehmen, ohne sie darüber überhaupt abstimmen zu lassen. Und man kann es schon gar nicht so machen – ich hätte beinahe gesagt, von hinten herum, aber das ist für den Kollegen Khol ohnehin typisch; daher überlebt er alle in seinem Klub, nicht so wie der Kollege Kostelka –, indem man den Österreichern schlicht und einfach vorenthält, wie es mit ihrer Währung weitergeht – was, wie gesagt, signifikant für die Politik und das Politikverständnis des Klubobmannes Khol ist.


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Er hat beispielsweise bereits im Jahre 1992 – seine Doppelzüngigkeit und Doppelbödigkeit haben ja Kontinuität und Vorgeschichte – folgendes gesagt, ich zitiere: "Khol betonte, daß Regierung und Parlament nicht den Fehler der Dänen wiederholen würden, die als Informationsgrundlage zum Volksentscheid den ganzen Maastricht-Vertrag angeboten haben und damit durchfielen." – Ende des Zitats, meine Damen und Herren.

Die Bevölkerung wurde also an der Nase herumgeführt!

Dann hat Klubobmann Khol das im Jahre 1994 wiederholt und noch dazugesagt, die Österreicher müßten um ihren Schilling nicht bangen, der Schilling werde nicht aufgegeben (ironische Rufe bei den Freiheitlichen)  – Doppelpunkt –: Andreas Khol, die leibhaftige Wahrhaftigkeit, wie wir ihn kennen! Er, der mit dem Heiligenschein des Wahren im Parlament herumstolziert, hat gesagt, die Österreicher brauchen den Schilling nicht aufzugeben. Im Hartwährungsblock gäbe es bloß fixe Wechselkurse, ausgedrückt in Ecu. Die Österreicher können weiter mit dem Alpendollar zahlen. – Ende des Zitats. Der Schilling bleibe Parallelwährung, sagte Klubobman Khol im Jahre 1994.

Im Jahre 1995, als der ganze Vertrag längst schon zum Gegenstand der Regierungspropaganda wurde und unser Klubobmann Dr. Haider erklärt hat, daß mit dem Beitritt der Verlust der Schillingwährung verbunden sei, hat der gleiche Andreas Khol noch behauptet, das sei eine "Währungsschildlaus", meine Damen und Herren. "Währungsschildläuse" waren das damals! In Wahrheit hat er damals bereits die österreichische Bevölkerung an der Nase herumgeführt.

Ich bedauere, daß sich der damalige Außenminister Alois Mock dem "heiligen Andreas" angeschlossen hat. Das ist bedauerlich. Warum? – Weil Alois Mock an sich bemüht war, ein anständiger Politiker zu bleiben. Aber auch er hat vor dem Parlament im Jahre 1993 die Erklärung abgegeben – wie sein damaliger Staatssekretär Ditz –: Der Schilling bleibt! Mit dem Beitritt zur Europäischen Union bleibt der Schilling, und die Kontrolle darüber, ob der Euro eingeführt wird oder nicht, bleibt beim Parlament. – Das hat Alois Mock damals gesagt. Und das Parlament wird heute überhaupt ausgeschaltet, das spielt überhaupt keine Rolle mehr. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer.  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind die "Grundwerte"!)

Die Österreichische Volkspartei hat dann im Wahlfieber überhaupt keinen Genierer mehr gehabt. Kollege Feurstein, ich habe dieses Prospekt im Zuge einer Debatte von Ihnen bekommen! Auch eine Reinkarnation der Wahrheit und des Wahrhaftigen, der Kollege Feurstein! Er hat mir eine Wahlbroschüre überlassen, die ich damals wegen der Erwähnung des ehemaligen Finanzministers Kamitz bemerkenswert fand. Aber das eigentlich heute Bedeutsame ist, daß in dieser Broschüre (der Redner zeigt diese) die Österreichische Volkspartei, mit einem Haufen Schillingmünzen dargestellt, sagt: Die ÖVP muß man wählen, damit der harte Schilling bleibt, damit die Sparer nicht um die Zinsen des mühsam Ersparten bangen müssen! Der Schüssel-Ditz-Kurs ist notwendig, damit der harte Schilling bleibt! (Abg. Haigermoser: Das ist eine Partie!) Die Broschüre heißt: "Starker Schilling unter der Euro-Flagge", mir persönlich überreicht worden von Gottfried Feurstein, der heute nichts anderes zu tun weiß, als den Schilling möglichst rasch in den Gully der Geschichte zu schmeißen und statt ihm eine fragwürdige DKT- oder Esperanto-Währung namens Euro zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Her mit dem Lügendetektor!)

Kollege Schwarzenberger! Wenn Sie beichten wollen, müssen Sie das beim Klubobmann tun! Der glaubt, er hat die Wahrheit gepachtet, der glaubt, er kann die Bevölkerung an der Nase herumführen, der glaubt, er kann die Bevölkerung grenzenlos beschwindeln. Aber diesmal glaubt ihm die Bevölkerung nichts mehr und Ihnen und Ihrer gesamten Fraktion auch nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben heute in der Euro-Frage keinerlei Glaubwürdigkeit mehr. Einzig die Grünen – das muß man anerkennen – waren damals so fair zu sagen: Bevor wir eine Volksabstimmung machen, müssen wir der Bevölkerung – und zwar jedem Haushalt, nicht jedem Bürger –, finanziert aus Mitteln der Europäischen Union, ein Exemplar des Maastricht-Vertrages zur Verfügung stellen, damit sich jeder Bürger ein Bild davon machen kann. Das wurde damals unterschrieben


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von Andreas Wabl, eingebracht wurde es noch vom Kollegen Voggenhuber, der heute als einer der ganz wenigen in dieser Wendehals-Fraktion übriggeblieben ist, der immer noch gegen den Euro ist, weil er genau weiß, was er noch vor ein paar Jahren zu diesem Währungsexperiment gesagt hat.

Meine Damen und Herren! Dieser Antrag hat das Ziel, der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, über die Zukunft des Schilling und über ein allfälliges Währungsexperiment namens Euro abzustimmen. Es wäre Aufgabe jedes Demokraten – nicht nur der schwedischen Sozialdemokratie, sondern auch der hiesigen Demokraten –, dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung auch eine Möglichkeit zur Abstimmung erhält, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Das ist lächerlich!)

Hohes Haus! Das ist der "Verfassungsbogen". Wenn Sie könnten, würden Sie die Bevölkerung abschaffen. Wenn Sie könnten, würden Sie die Bevölkerung von jeder Mitsprache ausschließen. Und wenn Sie könnten, würden Sie Ihre eigenen Mandate pragmatisieren. Das ist Ihr einziges Anliegen: daß der Gulden stimmt!

Herr Klubobmann in spe Cap! Weil du gerade die Schweiz so bemüht und davon gesprochen hast, wie schlecht es ihr jetzt geht, möchte ich folgendes sagen: Ich wohne unmittelbar an der Schweizer Grenze. Du darfst mir also glauben, ich weiß, wie es den Schweizern geht. Ich weiß auch, daß dein Szenario, wonach es in der Schweiz angeblich an Arbeitsplätzen mangelt, falsch ist. Ich darf dich auf eine APA-Meldung verweisen, in der es heißt, daß in der Schweiz zurzeit nicht nur die gesamten Kapitalströme landen – von Österreich weg, wie sogar mit tätiger Unterstützung schwarzer und roter Banken durch Inserate gefördert –, sondern auch die Arbeitslosenquote einen Rekordtiefstand erreicht hat. In der "ach so bürgerlichen" Schweiz, wo die Sozialdemokraten Gott sei Dank keine Rolle spielen, hat die Arbeitslosenquote einen neuen Tiefstand mit 4,8 Prozent erreicht! (Abg. Dr. Nowotny: ... verzehnfacht!)

Herr Wirtschaftsprofessor, nehmen Sie sich ein Beispiel! Schauen Sie nicht immer so abschätzig auf die Schweizer herunter! Sie könnten froh sein, wenn Sie jene Eckdaten der Eidgenossen erreicht hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die sind nämlich nicht geschlagen mit Wirtschaftsprofessoren Ihrer Qualität, die den Österreichern einreden, sie müßten den Gang zur Schlachtbank, den Gang zu mehr Arbeitslosigkeit antreten – und auch noch glücklich darüber sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die folgenden Redner haben eine Redezeit von je 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Schieder ist als nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.06

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wahrscheinlich hätte ich mich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort melden können. Der erste Satz, mit dem mein Vorredner begonnen hat, war: Der gegenständliche Antrag korrespondiert mit dem Volksbegehren der Freiheitlichen Partei.

Das Wort "korrespondieren" hat im Deutschen zwei Bedeutungen: Die eine Bedeutung ist "sich im Einklang befinden, denselben Inhalt haben, parallel verstanden werden". Die andere Bedeutung ist "Brieferl schreiben". Ich könnte Ihnen nur darin zustimmen, daß dieser Antrag mit dem Volksbegehren in der Richtung korrespondiert, daß er ihm vielleicht Brieferl schreibt, denn inhaltlich ist die von Ihnen dargestellte Einheitlichkeit nicht vorhanden. Ihr Volksbegehren zielt darauf ab – und das steht im Text drinnen –, daß durch gesetzliche Maßnahmen sichergestellt wird, daß vor einer Währungsreform, welche die Abschaffung des Schillings bewirkt und eine Eurowährung einführt, zwingend eine Volksabstimmung durchgeführt wird – also über die Einführung!

Der Gesetzesvorschlag, den Sie jetzt quasi zur Bestätigung oder Erhärtung Ihres Volksbegehrens ausgraben wollen, sagt etwas ganz anderes. Wenn ich den Text, wie er hier vorliegt – ganz ist er ja nicht verständlich, und wenn ich gelesen habe, daß in Zukunft für Staatsbürger


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schaftsbewerber Deutsch zwingend vorgeschrieben sein soll, dann meine ich, es sollte auch für Gesetzesvorschläge zwingend vorgeschrieben sein –, richtig verstehe, dann sagt dieser Vorschlag etwas ganz anderes, nämlich daß ein Gesetz beschlossen werden soll, daß aus Anlaß der Währungsumstellung bestimmte Dinge nicht passieren dürften, nur dann dürfte zugestimmt werden, und dieses Gesetz sollte einer Volksabstimmung unterzogen werden. – Also zwei grundsätzlich verschiedene Dinge, wie der Jurist Stadler möglicherweise auch aus seiner parlamentarischen Erfahrung schon wissen sollte!

Der Text, mit dem Sie das sagen, ist besonders lustig geschrieben: "Die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher ..." – Ich hoffe, Sie meinen das inländische Realeinkommen damit. Oder meinen Sie tatsächlich nur das inländische Realeinkommen jener Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben? Aber das paßt zu manch anderen Ihrer Haltungen auf diesem Gebiet.

"Die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher darf aus Anlaß der Währungsumstellung weder vor noch nach der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung Euro geschmälert werden. Durch einen durchsetzbaren Sanktionsmechanismus ist eine auf Dauer angelegte Stabilitätspolitik der teilnehmenden Staaten sicherzustellen." – Wenn man oberflächlich zuhört, könnte man sagen: Gar nicht so dumm! Aber wenn man eintritt in das, was Sie wollen, dann ist das etwas ganz anderes als das, was Sie in Ihrem Volksbegehren verlangen. Sie wollen, daß in einer Volksabstimmung über die Einführung des Euro abgestimmt wird, und Sie wollen, daß hier über ein Gesetz abgestimmt wird, das in untauglicher Weise Kriterien festlegt und die Regierung ermächtigt beizutreten. Über dieses Gesetz wollen Sie eine Volksabstimmung. – Lustig ist ja auch, daß über das Vorliegen der Voraussetzungen Nationalrat und Bundesrat vierteljährlich schriftlich und mündlich zu berichten sein soll – eine ziemlich skurrile Bestimmung, wie die juristischen Feinspitze, und nicht nur diese, sicherlich bemerkt haben werden.

Es ist also der Versuch gestartet worden, in einer starken politischen Aussage so zu tun, als ob dieser Gesetzentwurf eine "Trägerrakete" auch für das Volksbegehren darstellen könnte und deshalb hier behandelt werden soll. Das entspricht nicht der Wahrheit. Schon aus diesem Grund ist dieser Entwurf untauglich, hier behandelt zu werden. Eine Fristsetzung ist daher nicht wünschenswert, wegen der damit verbundenen Unsicherheit für den Schilling wahrscheinlich sogar schädlich, und deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

18.12

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bekannte französische Professor der Wirtschaftswissenschaften und Finanzwissenschafter, Professor Jacques Rueff, hat einmal gesagt, es wird nur dann ein gemeinsames Europa geben, wenn es eine gemeinsame Währung gibt. Wörtlich hat er erklärt: Europa wird über die Währung – oder überhaupt nicht entstehen.

Sie von der Freiheitlichen Partei waren gegen den Beitritt zur Europäischen Union, und Sie sind jetzt gegen den Euro. – Das ist konsequent. Nur sagen Sie dann auch, daß Sie dagegen sind, und tun Sie nicht so, als wären Sie ohnedies dafür und hätten nur Bedenken. Sie waren lange Jahre für den Beitritt zur Europäischen Union, aber dann haben Sie gesagt: Maastricht, nein, zu dieser Union nicht! Und jetzt geschieht genau das gleiche: Sie sagen in Ihrem Antrag, es liegt nicht im Interesse Österreichs, an einer Währungsunion teilzunehmen, die die Kaufkraft der Österreicher und Österreicherinnen gefährdet. Es liegt nicht im Interesse der Österreicher, sagen Sie. Das ist Ihre Meinung!

Glauben Sie ernsthaft, daß der Schilling auf sich allein gestellt, der internationalen Spekulation ausgesetzt, die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher besser sichern kann? – Das kann doch niemand ernsthaft behaupten! Es geht nämlich – und das muß man immer wieder wiederholen – doch nicht darum, ob die Europäische Währungsunion kommt oder nicht kommt, sondern es geht darum, ob wir dabei sind oder nicht dabei sind.


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Ich hätte mir eigentlich schon erwartet, daß Ihr Wirtschaftssprecher, Herr Abgeordneter Prinzhorn, zu dem Stellung nimmt, was er der "Wiener Zeitung" gegenüber gesagt hat: Ein Ausscheren Österreichs aus dem Euro-Verbund wäre natürlich nicht verkraftbar. Wenn unsere Handelspartner drinnen sind, bekommen wir einen Druck von außen, den wir nicht aushalten. – Also bitte, das ist genau das, was wir auch sagen: Wenn der Euro kommt – und er kommt! – und wir nicht drinnen sind, dann bekommen wir diesen Druck zu spüren, den wir nicht aushalten.

Der Euro schafft allein für Österreich einen Markt ... (Abg. Mag. Stadler: Sie tun ja so, als ob der Euro eine höhere Gewalt wäre, eine Naturkatastrophe!) Das ist keine höhere Gewalt, sondern es ist eine politische und wirtschaftliche Tatsache, daß der Euro kommt.

Herr Abgeordneter Stadler, nur eine Korrektur für Sie, weil Sie sagen, das hat bei der Volksabstimmung niemand gewußt. Sie selbst haben doch überall herumerzählt: Jetzt kommt die "Esperanto-Währung"! Sie haben sogar behauptet, wir müßten unsere Goldreserven nach Frankfurt schicken. Also tun Sie doch nicht so, als ob darüber nicht gesprochen worden wäre! Die Leute haben anders entschieden, und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Da werden die Leute besonders nervös, wenn Sie so argumentieren!)

Frau Kollegin Riess-Passer spricht von Verschiebung. Wissen Sie, womit Sie in Ihrem Antrag die Verschiebung begründen? Sie begründen sie damit, daß der rigorose Sanierungskurs in diesem Tempo nicht nötig ist. – Also mehr Schulden machen, weniger einsparen, nicht rigoros sanieren, das ist Ihre Politik! Und mit dieser Methode glauben Sie Arbeitsplätze sichern, Arbeitsplätze schaffen und die Kaufkraft des Schillings erhalten zu können? Das kann doch kein Mensch ernsthaft glauben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte, obwohl er gerade nicht da ist, Professor Van der Bellen zitieren, weil er zwar eine einsame Stimme in seiner Partei ist, aber das, was er gesagt hat, wiederholt zu werden verdient. Er hat in der vorhergehenden Debatte gesagt: Natürlich gibt es Risken, selbstverständlich gibt es Risken. Aber er hat hinzugefügt, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, daß vorhandene Ängste zu schüren, doch nicht die Grundlage einer vernünftigen Wirtschaftspolitik sein könne. Ein Unternehmen könne auf dieser Basis überhaupt keine Entscheidungen treffen. – Ich komme selbst aus der Wirtschaft, so wie etliche von Ihnen, und ich kann das nur bestätigen.

Ich glaube, wir sollten seriös an diese Frage herangehen. Wir sollten bei den Leuten nicht Ängste schüren, sondern ihnen sagen, daß ein Land wie Österreich, das so stark mit der EU verhaftet ist hinsichtlich seiner Exporte, seiner Wirtschaft, bei einem Markt von rund 800 Milliarden Schilling Volumen jener Länder, die voraussichtlich drinnen sein werden, nicht draußen bleiben kann und sich nicht ausschließen kann, wenn es die Stabilität unserer Wirtschaft und den Kurs, den wir bisher erfolgreich verfolgt haben, weiterführen will.

Dem Kollegen Haselsteiner möchte ich sagen: Jawohl, man muß Vertrauen schaffen für Investitionen, aber das beste Vertrauen (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen)  – ich bin schon beim Schlußsatz, Herr Präsident – ist sozialer Friede. Keine Straßenbarrikaden, keine ausufernden Streiks – das ist es, was diese Regierung in der Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern diesem Lande beschert hat. Und ich glaube, diesen Kurs der Vernunft und der Verantwortung sollten wir fortsetzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

18.17

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ein Fristsetzungsantrag ist in jedem Fall ernst zu nehmen. Ich muß Kollegen Schieder in diesem Fall leider vor allem formal, aber auch inhaltlich widersprechen. Es mag ja sein ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Warum "leider"?) Weil es mir leid tut, wenn sich jemand in Geschäftsordnungsfragen so vertut!


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Leider ist ein Fristsetzungsantrag niemals untauglich. Er kann für Sie zur Unzeit kommen, das ist richtig, aber untauglich ist er deshalb nicht. Wenn Sie nämlich meinen, daß es unter Umständen schädlich wäre, den Antrag zu behandeln, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, daß Sie ihn nach sechs Monaten auf jeden Fall behandeln müssen. Nach sechs Monaten plus acht Wochen müssen Sie ihn ... (Abg. Schieder: Er ist untauglich für das Volksbegehren!) Ja, für das Volksbegehren! Das wird aber keine Rolle spielen, weil beides ja inhaltlich nicht ernst zu nehmen ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Aber wenn eine Fraktion der Meinung ist, sie hätte das gerne bald abgestimmt, so tun wir ihr doch den Gefallen! Je früher darüber abgestimmt wird, desto früher ist es weg. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Cap. )

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen schließen sich den Ausführungen des Abgeordneten Kier vollinhaltlich an. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

18.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzter Redner hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensichtlich sind Kollege Kier und Kollege Van der Bellen der gleichen Ansicht wie der ehemalige Finanzminister Lacina in dem meines Erachtens bestellten Artikel im "trend", der sich mit diesem Antrag beschäftigt und der bereits in seiner Überschrift feststellt, warum Haider nicht recht hat mit den vier Forderungen, die in diesem Antrag enthalten sind. (Abg. Dr. Nowotny: Gut gelesen!)

Herr Professor Nowotny! Lacina sagt in diesem Artikel: Ob der Euro gegenüber dem Dollar hart oder weich ist, interessiert nur Exporteure, Importeure, Devisenhändler und Touristen.

Sind Sie da mit Ihrem Exminister im Gleichklang, Herr Kollege? Ist das nur für diese interessant? (Abg. Dr. Nowotny: Das ist ein Faktum!)

Ich habe ein Schreiben der Raika Lambach gesehen, wonach jetzt schon Dollarsparbücher für jene angeboten werden, die aus der drohenden europäischen Weichwährung flüchten wollen. (Abg. Dr. Nowotny: Das sind die Spekulanten!) Ist das wirklich nur für diejenigen interessant, die Importeure sind, die Devisenhändler sind? Oder ist es für alle interessant, die etwas gespart haben und dieses Ersparte retten wollen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum bietet die Sparkasse in Lambach denn bereits Dollarsparbücher an? – Offensichtlich, weil es zu einer Kapitalflucht kommt, und diese Kapitalflucht wird bereits eine Startkrise für diese "Esperanto-Währung", wie sie mein Kollege Stadler bezeichnet hat, bedeuten: eine Startkrise, die die sozialen Probleme vor allem in den südeuropäischen Ländern noch mehr verschärfen wird. Und dann werden Sie wahrscheinlich zuwenig Kapital im Lande haben, um dieser Krise entsprechend entgegenwirken zu können. Das sollte schon einmal klar und deutlich festgehalten werden. (Ruf bei der SPÖ: Wo ist denn dein Chef schon wieder?)

Zudem sagt Ihr Exfinanzminister Lacina: Wenn der Euro gegenüber dem Dollar weicher wird, als es der Schilling ist, gewinnt die Exportwirtschaft und somit der Arbeitsmarkt. – Was heißt denn das? Heißt das, Bundeskanzler Klima hat mit seinem harten Schilling gegen die Exportwirtschaft und gegen den Arbeitsmarkt gewirkt? Heißt das, daß Ihre Politik in der letzten Zeit gegen den Arbeitsmarkt und gegen die Exportpolitik gerichtet war? – Genau diese Schlußfolgerung ließe sich aus dieser Behauptung ziehen.


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Meine Damen und Herren! Zu den anderen Punkten, die in diesem Antrag enthalten sind: Stabilitätspolitik und Beschäftigungspolitik gleich zu verankern, sagt Lacina, geht nicht. Das ist aber genau die gleiche Forderung, die letzte Woche das Europäische Parlament erhoben hat und nicht eine "trotzkistische Splittergruppe" in Frankreich, wie Lacina gemeint hat. Genau die gleiche Forderung kommt vom Europäischen Parlament! Übrigens wird auch Punkt 3 betreffend Ökologisierung des Steuersystems vom Europäischen Parlament und von allen hier im Nationalrat vertretenen Fraktionen gefordert.

Das heißt, wir sind mit diesen Punkten im Antrag auf der Linie des Europäischen Parlaments und nicht einer "trotzkistischen Splittergruppe", meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt: Für eine Partei, die in diesem Land ihre Wähler hat, die die Wähler dieses Landes zu vertreten hat, wird es wohl legitim sein, über einen Mitgliedsbeitrag zu verhandeln. Wenn 1999 der bis dahin vereinbarte Mitgliedsbeitrag neu zur Verhandlung steht, dann wird es für eine Partei dieses Staates legitim sein, über eine Senkung des Mitgliedsbeitrages zu verhandeln. Das ist unser Ziel. Die österreichische Bevölkerung wird uns verstehen – auch wenn Sie das nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag, dem Sozialausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 588/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Volksabstimmung aus Anlaß der Währungsumstellung vom Schilling zum Euro eine Frist bis 9. Dezember 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anfragen 3347/J bis 3354/J eingelangt sind.

Die nächste Sitzung des Nationalrates wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.25 Uhr