Abseits oder ergänzend zu diesen etablierten Institutionen wird der Ruf lauter, dass evidenzbasierte Gesetzgebung auch alternative Wissensformen miteinbeziehen müsse. Der Begriff der "post-normal science" (PNS) entstand bereits in den 1990er-Jahren (Funtowicz & Ravetz 1993). Er beschreibt das Ende der "normal science", die durch ihr Postulat, eine eingegrenzte wissenschaftliche Fragestellung zu beantworten, komplexen Problemen, wie etwa dem Klimawandel, nicht gerecht wird. Deswegen sollen (un-)mittelbar Betroffene und interessierte Laien vermehrt in wissenschaftliche Prozesse einbezogen werden, um kontextuell relevantes Wissen beizusteuern. Das sei besonders wichtig, wenn die Fakten zu einem Thema ungewiss, die Werte umstritten, die Risiken hoch und die Entscheidungen dringend seien.
Forderungen nach mehr epistemischer Diversität – also einer größeren Bandbreite an unterschiedlichen Formen von Wissen – liegt die Annahme zugrunde, dass wissenschaftliches Wissen keinesfalls universell und objektiv sei. Vielmehr repräsentiere es eine eingeschränkte Perspektive, die auf bestimmten erkenntnistheoretischen Grundlagen und spezifischen historischen Erfahrungen beruht. Daher müsse es um Wissen ergänzt werden, das von Gruppen erzeugt wird, die systematisch benachteiligt und unterdrückt werden. Postkolonialismus und Kritik am Eurozentrismus sind repräsentativ für diese Überlegungen (Lidskog & Berg 2022, S. 262).
Forschungszweige im Feld von Science-Technology-Society (STS) fordern, den Fokus verstärkt auf das Framing von Problemstellungen zu legen, also darauf, wie bestimmte Probleme von vornherein dargestellt werden (Jasanoff 2010). Autor:innen argumentieren, dass die Forschung Umweltthemen zu begrenzt darstellt, wodurch die Komplexität der Thematik nicht ausreichend berücksichtigt werden kann. Mitglieder der Öffentlichkeit könnten wichtiges Wissen über öffentliche Themen beisteuern, das durch das Framing der Forschung zu wenig Berücksichtigung findet. Durch das Hinzuziehen von anderen Forschungsdisziplinen wie bspw. Ethik, Geschichte, Soziologie etc. würde diverseres und relevanteres Wissen erzeugt. Eine darüber hinausgehende Interpretation und Einordnung durch nicht-wissenschaftliche Akteur:innen würde zudem die Akzeptanz und Wirkungskraft wissenschaftlicher Unternehmungen stärken.
All diese Überlegungen haben das gemeinsame Anliegen, Wissen inklusiver zu gestalten. Dadurch können mehr Perspektiven zu einem Thema gewonnen werden. Wissen wird gemeinsam mit Bürger:innen und Entscheidungsträger:innen produziert und Entscheidungen werden dadurch besser mitgetragen. Lokales Wissen, Erfahrungswissen oder Laienwissen stellen eine Expertise dar, die nicht auf zertifizierter Kompetenz beruht, sondern in persönlicher Betroffenheit und Erfahrung wurzelt. In der Klimapolitik ist die Einbeziehung von nicht wissenschaftlichem Wissen bereits teilweise erprobt. Im Folgenden finden Sie Beispiele österreichischer und internationaler Initiativen:
österreichischer Klimarat
"Klimaschutz findet Stadt" in Ferlach
"klimafit – STEP 2030"
"Klimastrategie 2030" in Timelkam
Klimarat Wattens und Volders
Bürgerrat Klima-Zukunft Vorarlberg
Bürgerrat Klima (Deutschland)
Climate Assembly UK (Großbritanien)
Convention Citoyenne pour le Climat (Frankreich)