Überholte Regeln für Nationalratswahlen

Alkoholverbot am Wahltag, Wahlpflicht, hohes Wahlalter - über Regelungen für Nationalratswahlen, die heute nur schwer vorstellbar sind.

Rechtliche Grundlage für Wahlen

Wie Nationalratswahlen abgehalten werden müssen, ist in Gesetzen wie der Nationalrats-Wahlordnung und der Bundesverfassung geregelt. Im Laufe der österreichischen Geschichte gab es dabei auch einige Regelungen, die heute nur schwer vorstellbar und mittlerweile auch längst überholt sind.

Alkoholverbot

Lange Zeit war es verboten, am Wahltag und teilweise sogar am Tag davor Alkohol auszuschenken – der Konsum war hingegen immer erlaubt. In der Monarchie war ein solches Verbot noch kein Thema, erst das "Gesetz vom 18. Dezember 1918 über die Wahlordnung für die Konstituierende Nationalversammlung für den Staat Deutschösterreich" nach der Gründung der Ersten Republik legte ein solches fest: "Der Ausschank von geistigen Getränken ist am Wahltage sowie am Tag davor verboten." Sanktionen waren damals noch nicht festgelegt. Einen konkreten Strafrahmen enthielt erst das Gesetz über die Wahlordnung des Nationalrates aus dem Jahr 1923. Ein Verstoß sollte mit einer Geldzahlung von bis zu einer Million Kronen oder mit bis zu 14-tägigem Arrest geahndet werden.

"Geistige" werden zu "alkoholischen" Getränken

Auch in der Zweiten Republik existierte eine solche Regelung. War das Ausschankverbot für "geistige Getränke" bei der ersten Nationalratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg bis auf eine Anpassung des Strafrahmens unverändert, so erfuhr dieses bereits bei den Wahlen 1949 eine Einschränkung. Ab sofort war der Ausschank "alkoholischer Getränke" – es war im Gesetz nun nicht mehr von "geistigen Getränken" die Rede – am Tag vor der Wahl ab 20 Uhr und am Wahltag bis 20 Uhr verboten. Als Strafrahmen waren bis zu 1.000 Schilling vorgesehen.

Verbot galt bis ins Jahr 1979

Die nächste Änderung hin zu einer Liberalisierung brachte im Jahr 1969 eine Novelle zur Nationalrats-Wahlordnung 1962: "Der Ausschank von alkoholischen Getränken ist am Wahltag bis eine Stunde nach dem Ende der örtlichen Wahlzeit verboten." Das Verbot des Alkoholausschanks am Wahltag sollte aber letztlich noch bis 1979 bestehen. Erst die in diesem Jahr verabschiedete Novelle zur Nationalrats-Wahlordnung 1971 strich den Paragraphen ersatzlos.

Das Wahlrecht war früher auch Pflicht

Heute können Wahlberechtigte frei entscheiden, ob sie von ihrem Recht auf demokratische Mitbestimmung Gebrauch machen. Bei Nationalratswahlen galt dies für weite Teile Österreichs immer schon, allerdings gab es mehrere Bundesländer, in denen es eine Wahlpflicht gab. Konkret verpflichteten die Bundesländer Tirol, Vorarlberg, Steiermark und Kärnten ihre Bürger:innen per Gesetz dazu, zur Wahl zu gehen.

Tirol und Vorarlberg führten die Wahlpflicht bereits im Jahr 1919 vor der Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung ein. Diese beiden Bundesländer hielten auch in der Zweiten Republik daran fest und erneuerten die Verpflichtung zu wählen bei der Nationalratswahl 1949. Damals folgte auch die Steiermark dem Beispiel der westlichen Bundesländer.

Kärnten war die Wahlpflicht betreffend ein "Spätzünder". Erst 1986 waren die Kärntner:innen verpflichtet, wählen zu gehen. Dies sollte jedoch nicht von langer Dauer sein, denn bereits 1992 wurde die Wahlpflicht bei Nationalratswahlen in allen Bundesländern aufgehoben.

Stetig sinkendes Wahlalter

Seit 2007 dürfen 16-Jährige ihre Stimmen bei Nationalratswahlen abgeben, also von ihrem aktiven Wahlrecht Gebrauch machen. Das Alter für das passive Wahlrecht, also das Recht zu kandidieren, liegt seither bei 18 Jahren. Dies ist das Ergebnis einer (beinahe) steten Senkung des Wahlalters seit der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts im Jahr 1907. Damals durften alle männlichen Personen über 24 Jahren wählen und mussten 30 Jahre alt sein, um kandidieren zu können.

In der Ersten Republik kam es zu einer ersten Senkung des Wahlalters: Bei der Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung wurde das aktive Wahlalter auf 20, das passive auf 29 Jahren festgesetzt. 1923 kam es zu einer weiteren Senkung des passiven Wahlalters, wodurch Personen ab Vollendung des 24. Lebensjahres gewählt werden durften. Nur sechs Jahre später kam es zur bisher einzigen Anhebung in der Geschichte der Republik: 1929 setzte der Nationalrat das Recht zu wählen auf 21, das Recht gewählt zu werden auf 29 Jahre hinauf.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam es wieder zu Veränderungen. Für die zweite Nationalratswahl der Zweiten Republik im Jahr 1949 waren wieder Bürger:innen ab Vollendung des 20. Lebensjahres wahlberechtigt, kandidieren durften sie ab Vollendung des 26. Lebensjahres. Diese Regelung sollte beinahe 20 Jahre Bestand haben und erst 1968 sollte das aktive Wahlalter auf 19 bzw. das passive auf 25 Jahre gesenkt werden. Weiter "nach unten" mit dem Wahlalter ging es mit der Nationalrats-Wahlordnung 1992, die die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts ab 18 bzw. 19 gestattete. Diese Regelung blieb bis zur erneuten Senkung 2007 bestehen.