Bundesstaatliches Prinzip

Zu den wichtigsten Festlegungen (Prinzipien) der österreichischen Bundesverfassung zählt der Aufbau Österreichs als Bundesstaat. Aufgaben und Verantwortung werden zwischen Bund und Ländern geteilt.

Bundesstaatliches Prinzip

In einem Bundesstaat sind die staatlichen Funktionen und Aufgaben zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Bund und Länder können für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich Gesetze erlassen. Sie sind dort auch für die Vollziehung der Gesetze zuständig und verantwortlich. Dabei handeln sie grundsätzlich selbständig. 

Das bundesstaatliche (oder föderalistische) Prinzip steht somit im Gegensatz zum zentralistischen, in dem Gesetzgebung und Vollziehung ausschließlich zentral ausgeübt werden. 

In einem Bundesstaat ist es auch notwendig, dass Bund und Länder zusammenarbeiten und einander unterstützen. Die Länder werden daher über Vorschläge für neue Bundesgesetze informiert. Über den Bundesrat wirken sie an der Gesetzgebung des Bundes mit. Bund und Länder können Vereinbarungen schließen und regeln, wie sie in bestimmten Politikbereichen gemeinsam vorgehen ("15a-Vereinbarungen"). Im Finanzausgleich regeln Bund und Länder, wie die Einnahmen und Erträge des Staats auf sie verteilt werden.

Der bundesstaatliche Aufbau Österreichs

Der bundesstaatliche Aufbau Österreichs ist durch folgende Elemente geprägt:

  • Bund und Länder haben eine eigene Gesetzgebung.
  • Bund und Länder haben eine eigene Vollziehung.
  • Die Bundesländer wirken an der Verwaltung des Bundes durch die mittelbare Bundesverwaltung mit.
  • Die Bundesländer wirken über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit.
  • Bund und Länder haben jeweils eigene Finanzwirtschaften, das heißt ein eigenes Budget. Sie können auch eigene Abgaben einheben. Viele Steuern, wie Einkommensteuer, Mehrwertsteuer etc., werden jedoch nur vom Bund eingehoben. Die Länder erhalten im Rahmen des Finanzausgleichs Mittel aus dem gesamten Steuereinkommen des Bundes. Dieser gilt immer nur für einige Jahre und wird regelmäßig neu verhandelt.

Kompetenzen und Rechte der Bundesländer

Die konkreten Zuständigkeiten von Bund und Ländern in Gesetzgebung und Vollziehung sind in den so genannten Kompetenzartikeln des Bundes-Verfassungsgesetzes zu finden. Das sind die Artikel 10-15 B-VG. Sie legen fest,

was auf Bundesebene zu regeln ist,
wo der Bund Grundsätze beschließt und die Länder für die Ausführungsgesetze zuständig sind,
wo der Bund für die Gesetzgebung und die Länder für die Ausführung zuständig sind und
wo die alleinige Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt.
Es gibt darüber hinaus noch weitere Kompetenzartikel, die in einzelnen Bundesgesetzen enthalten sind. Sie bestimmen, dass für die Angelegenheiten, die ein bestimmtes Bundesgesetz regelt, ausnahmsweise der Bund zuständig sein soll. Das kommt etwa im Bereich Energie und Elektrizität vor.

Weitere Kompetenzen der Länder

Die Länder wirken durch den Bundesrat auch an der Gesetzgebung des Bundes mit und sind im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung an der Vollziehung des Bundes beteiligt. Dort, wo Aufgaben und Kompetenzen zwischen Bund und Ländern geteilt sind, können sie auch beschließen, gemeinsam vorzugehen. Das geschieht im Rahmen sogenannter "15a-Vereinbarungen.“ Die Bundesländer haben aber auch die Möglichkeit, völkerrechtliche Verträge mit anderen Staaten oder deren Teilstaaten abzuschließen.

Alleinige Gesetzgebung der Länder

Die alleinige Gesetzgebung üben die Länder derzeit beispielsweise aus

  • im Bereich der Landesverfassung,
  • im Baurecht, in der Wohnbauförderung,
  • in der Raumordnung, im Natur- und Landschaftsschutz,
  • im Fremdenverkehrs- und Veranstaltungswesen,
  • in der Abfallwirtschaft,
  • im Kindergarten- und Hortwesen sowie
  • im Gemeinderecht.

Die EU und die österreichischen Bundes­länder

Im Bundesstaat Österreich sollen nicht nur die Bundesregierung, der Nationalrat und der Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken.

Art. 23d Bundes-Verfassungsgesetz sichert auch Mitwirkungsrechte der Bundesländer bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union. Die Bundesregierung muss sie unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der EU informieren. Wenn die Länder sich auf eine einheitliche Stellungnahme zu einem EU-Vorhaben einigen, das eine Angelegenheit betrifft, die in die Gesetzgebung der Länder fällt, muss sich der bzw. die österreichische Vertreter:in im Rat der EU daran halten.

Darüber hinaus muss der Bundesrat die Landtage über alle Entwürfe zu einem Gesetzgebungsakt im Rahmen der EU informieren. Wenn ein Landtag dann eine Stellungnahme dazu abgibt, muss sie der Bundesrat bei seinem Beschluss über eine begründete Stellungnahme berücksichtigen. Das ist in Artikel 23g Bundes-Verfassungsgesetz geregelt.

Österreich - ein schwach ausgeprägter Bundesstaat?

Österreich gilt im internationalen Vergleich als ein relativ schwach ausgeprägter Bundesstaat. Der Grund dafür ist, dass die allermeisten Kompetenzen zur Gesetzgebung dem Bund zugeordnet sind. Die Bundesländer können etwa Baurecht und Raumordnung, Grundverkehrsrecht, Naturschutz oder Jugendschutz selbständig regeln. Auch über den Bundesrat haben die Bundesländer letztlich nur eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeiten. Bis auf wenige Ausnahmen hat der Bundesrat nur ein aufschiebendes Veto.

Andererseits haben die Länderverwaltungen großen Einfluss darauf, wie sehr viele Bundesgesetze in einem Bundesland angewendet werden. Das ist die erwähnte mittelbare Bundesverwaltung. In der politischen Realität kommt den Landeshauptleuten ein sehr großer Einfluss zu. Die Landeshauptleute sprechen sich in der Landeshauptleutekonferenz ab. Die Bundesverfassung regelt diese Landeshauptleutekonferenz aber nirgends. Sie ist ein Gremium, das sich in der politischen Praxis gebildet hat.

Eine weitere Besonderheit des österreichischen Bundesstaats ist auch, dass die Gerichtsbarkeit in Straf- und Zivilrechtssachen allein Sache des Bundes ist. Nur in Verwaltungsangelegenheiten besteht seit 2014 eine eigene Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern.

Weiterführende Informationen

Lesen Sie mehr zum Thema Föderalismus, zu 15a-Vereinbarungen sowie zur Gesetzgebung und weiteren Grundprinzipien der Bundesverfassung:

Sternförmiges Mosaik Muster am Boden.

Was sind 15a-Vereinbarungen?

Erfahren Sie, warum Bund und Länder Verträge abschließen, welchen Inhalt 15a-Vereinbarungen haben können und welche Rolle Nationalrat, Bundesrat und Landtage dabei spielen.

Gesetzgebung – Überblicksgrafik – Visualisierung

Gesetzgebung

Mehr Informationen darüber, wie der Weg eines Bundesgesetzes durch Nationalrat und Bundesrat verläuft.

Korinthisches Kapitell mit Gebälk im Portikus. Kassettendecke

Grundprinzipien der Bundesverfassung

Hier finden Sie Informationen zu den Grundprinzipien der Bundesverfassung.

Landschaft - Natur - Landwirtschaft - Ort - Kirche

Wie steht es um die Dezentralisierung in Österreich?

Informationen über die Dezentralisierungsdebatte in Österreich sowie ein Vergleich mit der Schweiz und Deutschland.