Stenographisches Protokoll

614. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Dienstag, 25. Juni 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

614. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 25. Juni 1996

Dauer der Sitzung

Dienstag, 25. Juni 1996: 9.03 – 18.05 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird

2. Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Aktiengesetzes, des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des EWIV-Ausführungsgesetzes, des Firmenbuchgesetzes, des Gerichtskommissärsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm, des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Bankwesengesetzes, des Sparkassengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und der Rechtsanwaltsordnung zur EU-bedingten Anpassung des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über die Spaltung von Kapitalgesellschaften und über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz – EU-GesRÄG)

3. Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung

4. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

5. Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994

6. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird

7. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit

8. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit

9. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit

10. Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 2

11. Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

12. Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

13. Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit

14. Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit

15. Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit

16. Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit

17. Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG)

18. Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden

19. Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

20. Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

21. Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird

22. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird

23. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird

24. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird

25. Fünfter Zusatzvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zum Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 1960

26. Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1996

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Nominierung von Mitgliedern und eines stellvertretenden Mitgliedes des Ausschusses der Regionen 27


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 3

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers Dr. Johannes Ditz und Betrauung mit der Fortführung der Geschäfte durch Bundesminister Dr. Johann Farnleitner 98

Schlußansprache des Präsidenten Johann Payer 126

Wahl der beiden Vizepräsidenten für das 2. Halbjahr 1996

Erklärung von Präsidenten Johann Payer hinsichtlich des Vorliegens von Wahlvorschlägen aller drei im Bundesrat vertretenen Fraktionen 116

Dr. Paul Tremmel (zur Geschäftsordnung) 117

Verlangen nach Abführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR 118

Annahme 119

Debatte

Jürgen Weiss 119

Karl Wöllert 120

Dr. Michael Rockenschaub 121

Dr. Peter Kapral 122

Ludwig Bieringer 123

Gottfried Waldhäusl 124

Zurückweisung des Wahlvorschlages der freiheitlichen Fraktion 124

Wahl der beiden Vizepräsidenten 124

Wahl von zwei Schriftführern für das 2. Halbjahr 1996 125

Wahl von drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1996 125

Personalien

Entschuldigungen 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 27

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 26

Ausschüsse

Zuweisungen 27

Fragestunde

Gesundheit und Konsumentenschutz 10

Engelbert Schaufler (616/M-BR/96)

Katharina Pfeffer (610/M-BR/96)

Dr. Reinhard Eugen Bösch (622/M-BR/96)

Anton Hüttmayr (617/M-BR/96)

Johanna Schicker (611/M-BR/96)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 4

Grete Pirchegger (618/M-BR/96)

Karl Hager (612/M-BR/96)

Dr. Paul Tremmel (623/M-BR/96)

Therese Lukasser (619/M-BR/96)

Josef Pfeifer (613/M-BR/96)

Mag. Karl Wilfing (620/M-BR/96)

Hedda Kainz (614/M-BR/96)

Ursula Haubner (624/M-BR/96)

Gottfried Jaud (621/M-BR/96)

Johann Kraml (615/M-BR/96)

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird (113 und 170/NR sowie 5176/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Reinhard Eugen Bösch 28

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Karl Wilfing 28

Katharina Pfeffer 29

Dr. Paul Tremmel 31


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 5

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 32

(2) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Aktiengesetzes, des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des EWIV-Ausführungsgesetzes, des Firmenbuchgesetzes, des Gerichtskommissärsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm, des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Bankwesengesetzes, des Sparkassengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und der Rechtsanwaltsordnung zur EU-bedingten Anpassung des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über die Spaltung von Kapitalgesellschaften und über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz – EU-GesRÄG) (32 und 133/NR sowie 5177/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 33

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Milan Linzer 33 und 40

Karl Wöllert 35

Dr. Michael Rockenschaub 36

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 37

Dr. Peter Harring 38

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 40

(3) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung (7 und 60/NR sowie 5178/BR d. B.)

Berichterstatterin: Grete Pirchegger 41

(Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ferdinand Gstöttner 41

Gottfried Jaud 43 und 44

Dr. Reinhard Eugen Bösch 43

Gottfried Waldhäusl 44

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 45

(4) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (46/NR sowie 5179/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Wöllert 46

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 46

(5) Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 (III-143/BR sowie 5180/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 46

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Peter Kapral 47 und 75

Mag. Harald Himmer 52

Irene Crepaz 54

Andreas Eisl 56

Aloisia Fischer 58

Gertrude Perl 60

Engelbert Weilharter 63

Grete Pirchegger 65

Karl Drochter 66


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 6

Ursula Haubner 69

Karl Pischl 72

Bundesminister Franz Hums 76

Peter Rieser 78

Engelbert Schaufler 80

Mag. Dieter Langer 84

Dr. Michael Rockenschaub 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Freiheitlichen 88

Gemeinsame Beratung über

(6) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird (20 und 164/NR sowie 5181/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit (103 und 178/NR sowie 5182/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit (104 und 179/NR sowie 5183/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (105 und 180/NR sowie 5184/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (118, Zu 118 und 181/NR sowie 5185/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (119, Zu 119 und 182/NR sowie 5186/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (120, Zu 120 und 183/NR sowie 5187/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (121, Zu 121 und 184/NR sowie 5188/BR d. B.)

(14) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (122, Zu 122 und 185/NR sowie 5189/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 7

(15) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (123, Zu 123 und 186/NR sowie 5190/BR d. B.)

(16) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (124, Zu 124 und 187/NR sowie 5191/BR d. B.)

Berichterstatterin: Michaela Rösler 90

[Antrag, zu (6), (7), (8), (9), (10) (11), (12), (13), (14), (15) und (16) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Hedda Kainz 93

DDr. Franz Werner Königshofer 95

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (6), (7), (9), (10), (11), (12), (13), (14), (15) und (16) keinen Einspruch zu erheben 97

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (8) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 97

(17) Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG) (182/A und 166/NR sowie 5175 und 5192/BR d. B.)

Berichterstatterin: Gertrude Perl 99

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Kapral 100

Mag. Karl Wilfing 101

Karl Drochter 102

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 103

Gemeinsame Beratung über

(18) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (13 und 135/NR sowie 5193/BR d. B.)

(19) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5194/BR d. B.)

(20) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5195/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 8

(21) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5196/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 104

[Antrag, zu (18), (19), (20) und (21) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Ursula Haubner 106

Herbert Platzer 107

Therese Lukasser 109

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18), (19), (20) und (21) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der ÖVP und SPÖ, gegen die Stimmen der Freiheitlichen 112

Gemeinsame Beratung über

(22) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird (81 und 139/NR sowie 5197/BR d. B.)

(23) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird (82 und 140/NR sowie 5198/BR d. B.)

(24) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird (83 und 141/NR sowie 5199/BR d. B.)

(25) Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend Fünfter Zusatzvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zum Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 1960 (101 und 152/NR sowie 5200/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 114

[Antrag, zu (22), (23) und (24) keinen Einspruch zu erheben]

und Gottfried Jaud 114

[Antrag, zu (25) keinen Einspruch zu erheben]

einstimmige Annahme der Anträge der Berichterstatter, zu (22), (23), (24) und (25) keinen Einspruch zu erheben 115

Eingebracht wurden

Berichte

6724-8408-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol (III-150-BR/96)


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 9

Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 (III-151-BR/96)

Antrag

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Finanz-Verfassungsgesetzes (93/A-BR/96)

Anfragen

der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Fahrplanreduktionen bei den ÖBB (1186/J-BR/96)

der Bundesräte Peter Rieser und Jürgen Weiss an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Datenfehlbestände im Kfz-Zentralregister (1187/J-BR/96)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Europäischer Sozialfonds (1188/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Frage der Bundesräte Peter Rodek und Kollegen (1085/AB-BR/96 zu 1174/J-BR/1996)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Frage der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen (1086/AB-BR/96 zu 1175/J-BR/96)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Frage der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen (1087/AB-BR/96 zu 1176/J-BR/96)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1088/AB-BR/96 zu 1177/J-BR/96)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Kollegen (1089/AB-BR/96 zu 1178/J-BR/96)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Franz Richau und Genossen (1090/AB-BR/96 zu 1179/J-BR/96)


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Johann Payer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 614. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 613. Sitzung des Bundesrates vom 24. Mai 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny, Erhard Meier, Stefan Prähauser und Erich Farthofer.

Bevor wir zur Fragestunde gelangen, gebe ich bekannt, daß ich Herrn Bundesrat Albrecht Konečny für seinen in der 613. Sitzung des Bundesrates getätigten Zwischenruf "Frechheit" nachträglich gemäß § 70 Abs. 3 der Geschäftsordnung einen Ordnungsruf erteile.

Fragestunde

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde, zu der ich Frau Bundesministerin Dr. Christa Krammer herzlich begrüße. (Allgemeiner Beifall.)

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich – vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder – darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls bis auf 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9 Uhr 5 Minuten – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur 1. Anfrage: 616/M an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich), um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 11

Bundesrat Engelbert Schaufler:
Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

616/M-BR/96

Welche gesetzlichen Vorlagen planen Sie zur Einführung des leistungsorientierten Finanzierungssystems zum 1. 1. 1997 in der österreichischen Krankenanstaltenfinanzierung?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat! Zunächst einmal ist es notwendig, im Wege eines Artikel-15a-Vertrages mit den Ländern zu einem Übereinkommen zu kommen, dann ist das Krankenanstaltengesetz zu ändern, eine Novelle zum Finanzausgleichsgesetz zu machen, und im ASVG werden auch Änderungen erforderlich sein. – Danke schön.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Frau Bundesministerin! Wie wird sich die in diesem Zusammenhang zu schaffende Strukturkommission zusammensetzen, mit welchen Aufgaben wird diese betraut werden, und werden auch die Privatspitäler einbezogen sein?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Es wird beim Bund eine Strukturkommission geben, und es wird in den Ländern Strukturkommissionen geben. In der Strukturkommission des Bundes wird der Bund die Mehrheit haben, in der Strukturkommission der Länder werden die Länder die Mehrheit haben und der Bund jedenfalls vertreten sein, so wie die Länder auch in der Strukturkommission des Bundes vertreten sein werden.

Die Privatspitäler sind in die Strukturkommissionen nicht einbezogen. Was die Behandlung und die Abgeltung der Privatspitäler anlangt, ist das dann Sache der jeweiligen Länder, weil mit Hilfe des Übereinkommens diese Frage insofern gelöst worden ist, daß man gesagt hat, im Wege dieser neuen Ländertöpfe können die Ländern nun selbst entscheiden, wie sie mit den finanziellen Mitteln umgehen.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Frau Bundesministerin! Länder und Gemeinden haben im Zusammenhang mit der Vereinbarung verlangt, daß Zug um Zug mit der Neuregelung der Krankenanstaltenfinanzierung ein allgemeiner Konsultationsmechanismus eingerichtet wird. Die Bundesminister Dr. Klima und Dr. Ditz haben zugesagt, sich dafür zu verwenden. Sind die Vorstellungen über einen solchen Konsultationsmechanismus bereits konkretisiert worden?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Meines Wissens sind die Gespräche über den Konsultationsmechanismus noch nicht abgeschlossen. Es ist mir aber selbstverständlich bekannt, daß dieser Konsultationsmechanismus eingerichtet werden soll. Er soll sich aber nicht nur auf die Gesundheitsagenden beziehen, sondern grundsätzlich dazu führen, daß nicht im Wege von Gesetzen, die der Nationalrat und der Bundesrat beschließen, Belastungen auf die Länder und Gemeinden zukommen, die für die Länder und Gemeinden aus deren Sicht eine zu große Belastung darstellen.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 610/M, an die Frau Bundesministerin. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Katharina Pfeffer (SPÖ, Burgenland), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Katharina Pfeffer: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

610/M-BR/96

Welche Vorkehrungen haben Sie im Hinblick auf eine österreichweite Erfassung der im Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE thematisierten Problematik der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung getroffen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin! Anfang April habe ich eine auf das Epidemiegesetz gestützte Verordnung erlassen. Aufgrund dieser Verordnung werden Todesfälle von subakuter spongiformer Enzephalopathie künftighin meldepflichtig sein. Mittels dieses Erlasses wurden Ärztinnen, Ärzte und die Spitäler von dieser Maßnahme informiert.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 12

Die Meldungen sind an das Neurologische Institut der Universität Wien zu richten, das als Referenzzentrum für die Prion-Erkrankungen des Menschen eingerichtet ist. Für den Betrieb dieses Institutes sind durch mein Ressort Mittel zur Verfügung gestellt.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Katharina Pfeffer: Wie erklären Sie sich den im Vergleich zu den übrigen EU-Staaten hohen österreichischen Prozentsatz an Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin! Österreich hat eine sehr lange Tradition, was die Untersuchungen von Verstorbenen anlangt; sie geht zurück auf van Swieten, der Leibarzt von Kaiserin Maria Theresia war. Seither besteht das Recht der Ärzte, daß sie, wenn sie die Vermutung haben, daß der Patient an einer bestimmten Krankheit verstorben ist, die Leiche öffnen und nachsehen. Daher haben wir eine sehr gute Erfassung aller Krankheiten. Dazu zählen natürlich auch die Krankheiten, bei denen man vermutet, daß Creutzfeldt-Jakob die Ursache sein könnte.

Man muß wahrscheinlich, sagen uns die Ärzte und Wissenschafter, 20 Prozent der gemeldeten abziehen, denn diese scheinen nur eine Jakob-Creutzfeldt-Erkrankung zu sein, wenn man aber die Untersuchung des Gehirns vornimmt, stellt man fest, daß das keine Jakob-Creutzfeldt-Erkrankung ist.

Man könnte trotzdem sagen, wir haben eine ziemliche hohe Rate an Jakob-Creutzfeldt-Erkrankungen. Aber das ist nur deswegen, weil wir ein solch gutes Erfassungssystem haben. In anderen Ländern ist das Erfassungssystem sicher nicht so perfekt wie in Österreich, daher kann man dort eher sagen, die Jakob-Creutzfeldt-Rate ist nicht so hoch.

Würde man dasselbe Untersuchungssystem und dieselben Methoden anwenden wie in Österreich, dann würde auch in diesen Ländern die Rate anders sein.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 622/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

622/M-BR/96

Welche Begleitmaßnahmen werden Sie parallel zur Einführung der LKF (leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung) setzen, um das riesige Einsparungspotential im Krankenanstaltenwesen optimal auszunützen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Meine Damen und Herren! Das Wort "riesig" würde ich mit Vorsicht verwenden. Ich neige dazu, zu sagen: Es besteht ein Einsparungspotential. Ob es riesig ist, kann ich nicht sagen. Man kann eventuell nach einigen Jahren der Anwendung aller Maßnahmen, die wir im Zuge der Reform setzen, feststellen, inwieweit das Einsparungspotential ein riesiges oder ein weniger großes ist.

Es erscheint mir wichtig, hier festzustellen, daß die Einführung des LKF-Systems an sich keine Einsparungsmaßnahme von uns darstellt. Das ist eine strukturelle Maßnahme, ein erster Schritt, dem weitere Schritte folgen sollen. Diese würden unseres Erachtens dann ein Einsparungspotential bewirken.


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614. Sitzung / Seite 13

Zum Beispiel verfolgen wir bei der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung selbstverständlich das Ziel, diese in Zusammenhang mit einem bundesweiten Krankenanstaltenplan zu verwirklichen, denn nur dann erscheint sie uns sinnvoll.

Die stationäre Akutversorgung soll durch leistungsfähige, bedarfsgerechte und im Leistungsspektrum aufeinander abgestimmte Krankenanstalten sichergestellt werden. Die Akutkrankenanstalten sollen eine möglichst gleichmäßige und bestmöglich erreichbare, wirtschaftlich und medizinisch sinnvolle Versorgung der österreichischen Bevölkerung darstellen.

Die vom Plan erfaßten Krankenanstalten sollen durch Auslagerung von Leistungen in den ambulanten, in den teilstationären Bereich, in den Rehabilitationsbereich nachhaltig entlastet werden. – Das stellt die Verbilligung dar: wenn man Patienten aus den Akutkrankenanstalten herausnimmt.

Die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten und die Belegsdauer müssen auf das medizinisch notwendige Maß kommen, denn Österreich hat nachweislich die höchste Einweisungsrate in Krankenhäuser von ganz Europa.

Derzeit wird ein Entwurf des österreichischen Krankenanstaltenplans mit den Ländern akkordiert – mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten, füge ich hinzu.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Frau Bundesministerin! Sehen Sie in der Schaffung der Möglichkeit zur Errichtung von Gruppenpraxen auch eine solche Maßnahme?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Im Prinzip ist es uns wichtig, daß Leistungen aus dem Krankenhaus ausgelagert werden. Ob dann ein einzelner Arzt die Behandlung vornimmt oder ein Arzt, der in einer Gruppe mit anderen Ärzten arbeitet, ist für das System an sich nicht wichtig. Gruppenpraxen sind ja auch jetzt schon möglich, nämlich die Apparate-, Gerätegemeinschaft. Sie erscheinen mir nur wichtig in medizinisch noch nicht so gut versorgten Gebieten Österreichs, wo es wichtig ist, daß die Patienten rund um die Uhr, auch an Wochenenden, die entsprechende Versorgung vorfinden. Dort halte ich diesen Zusammenschluß der Ärzte für wichtig.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 4. Anfrage, 617/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich) um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

617/M-BR/96

Werden die legistischen und organisatorischen Vorarbeiten zur Umsetzung der Ergebnisse des "Spitalsgipfels" vom 29. 3. 1996 sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zeitgerecht abgeschlossen sein?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Es ist jedenfalls unser erklärtes Ziel, zu einem zeitgerechten Abschluß zu kommen.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Anton Hüttmayr: In den Medien steht: Der Teufel steckt bekanntlich oft im Detail – so auch bei der Spitalsfinanzierung. Es geht dabei um die Privatspitäler, da befürchtet wird, daß in diesem Bereich eine Ausdünnung erfolgen könnte.


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614. Sitzung / Seite 14

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bekennen Sie sich zu den Privatspitälern, und können Sie diese Befürchtungen der Medien ausschließen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Der Teufel steckt nicht nur manchmal im Detail – er steckt immer im Detail! – Das zuerst.

Die Frage habe ich schon beantwortet: Natürlich, die Privatspitäler sind für die Versorgung der österreichischen Patienten sehr wichtig. Aber festzulegen, wie das dann hinsichtlich der Abrechnung ist und wie das gehandhabt wird, obliegt den Bundesländern.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Frau Bundesministerin! Natürlich, aber Sie legen ja die Materien vor, wie diese Abrechnung erfolgen sollte, Sie zeichnen das Szenario und Sie senden diese Materien in Begutachtung.

Wann werden diese Materien in Begutachtung gehen? Was ist, wenn sie nicht zeitgerecht abgeschlossen werden können?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Was von uns aus in Begutachtung geht, ist keinesfalls die Order an die Länder, die Privatspitäler beteiligen zu müssen – das kann ich den Ländern nicht verordnen.

Wir können sagen: Das leistungsorientierte Finanzierungssystem – DC-9-Schlüssel – hat diese und jene Abrechnung zu haben. Das heißt, ein Blindarm kostet soviel, hat so viele Punkte, eine Magenoperation hat so viele Punkte – das ist das, was wir vorgeben. Wie die Länder mit ihren Töpfen verfahren, können wir den Ländern nur bis zu einem gewissen Grad vorgeben, indem wir sagen, es müßte eine Deckelung sein.

Diese Dinge sind also ausgehandelt, aber was die Länder selbst mit ihren Töpfen machen, kann ich nicht sagen, denn das wollten ja die Länder in sich selbst machen. Unser Vorschlag wäre gewesen, einen einheitlichen Bundestopf zu machen, aber es war nicht der Wille der Länder, das so zu vollziehen, sondern sie wollten neun Ländertöpfe. – Das ist nun so! (Bundesrat Hüttmayr: Meine Frage ist nicht beantwortet, wann die Materien in Begutachtung gehen, und welches Szenario auftritt, wenn diese nicht ...!) Das weiß ich nicht, wann es in Begutachtung geht. Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Ich habe gesagt, welche Gesetze wir bis 1. Jänner vorzulegen haben. Wann sie in Begutachtung gehen, entzieht sich derzeit meiner Kenntnis. (Bundesrat Hüttmayr: Das senden ja Sie aus!)

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat! Ich muß Sie leider unterbrechen. Sie haben zwei Zusatzfragen gestellt. Tut mir leid, aber die Geschäftsordnung läßt hier keine weitere Zusatzfrage zu. (Bundesministerin Dr. Krammer: Ich verstehe die Frage gar nicht! – Bundesrat Hüttmayr: Aber antworten darf ich verlangen! – Präsident Payer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesrat! Es tut mir leid, Sie haben zwei Zusatzfragen gestellt, bei der dritten habe ich noch darüber hinweggeschaut! Die Frau Bundesministerin ist nachher noch hier, vielleicht stellen Sie ihr diese Frage dann noch einmal. Sie wird sie dann sicher beantworten.

Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 611/M. Ich erteile Frau Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark) das Wort.

Bundesrätin Johanna Schicker: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie lautet:


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614. Sitzung / Seite 15

611/M-BR/96

Was sind die wesentlichen Regelungsinhalte der Novelle zum Bäderhygienegesetz, mit der die entsprechenden EU-Richtlinien für Badegewässer umgesetzt werden?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Durch die angesprochene Novelle werden die Badegewässer ab 1997 regelmäßigen Kontrollen unterzogen. Kleinbadeteiche werden auch dem Regelungsregime des Bäderhygienegesetzes unterworfen. Es erfolgen Präzisierungen hinsichtlich der Warmsprudelbecken.

Es ist so: Die Badesaison ist festgelegt mit 15. 6. bis 31. 8., und alle 14 Tage sind diese Badegewässer dann zu kontrollieren.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Johanna Schicker: Welche Stellen werden die Überprüfungen der Qualität von Badegewässern durchführen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Meine Information geht dahin, daß die Untersuchung der Badegewässer von den Bezirksverwaltungsbehörden durchgeführt wird. Als Sachverständige wird Personal der bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalt hinzugezogen, also Bundespersonal. Die Anstalten sollen die Probenentnahmen und auch die Befundung durchführen und die Ergebnisse auf den Datenträgern den Bezirksverwaltungsbehörden und meinem Ressort übermitteln.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker: Frau Ministerin! Welche Mehrkosten werden sich für die Länder aus der Vollziehung des EU-konformen Bäderhygienegesetzes ergeben? Können Sie mir diesbezüglich Auskunft geben?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Wir rechnen kaum mit Mehrkosten, da es ja Bundesstellen sind, die diese Untersuchungen vorzunehmen haben.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 618/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Grete Pirchegger (ÖVP, Steiermark) um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Grete Pirchegger: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

618/M-BR/96

In welcher Form wollen Sie den im Koalitionsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP festgeschriebenen Gesundheitsplan mit Teilplänen, insbesondere dem österreichischen Krankenanstaltenplan (ÖKAP), mit den Bundesländern akkordieren?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Dieser Gesundheitsplan umfaßt den österreichischen Krankenanstaltenplan, den Großgeräteplan, einen Spitalsambulanzplan, einen Niederlassungsplan, einen Pflegebereichsplan, einen Rehabilitationsplan und einen Psychiatrieplan. Das ist ein sehr großes Vorhaben. Unser Haus läßt Entwürfe dieser Teilpläne ausarbeiten.


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614. Sitzung / Seite 16

Mit Jänner 1995 wurde der Entwurf eines österreichischen Krankenanstaltenplanes präsentiert. Über diesen Entwurf finden seit Mitte des Vorjahres Gespräche auf Beamtenebene mit den einzelnen Bundesländern statt. Wenn auf Beamtenebene Ergebnisse erzielt worden sind, dann kann man auf politischer Ebene die Endfassung dieses Krankenanstaltenplans für jedes Bundesland vornehmen. Wir hoffen, daß wir damit bis zum Jahresende fertig sein werden.

Es stellt sich uns jedoch manchmal so dar, daß, wenn man glaubt, mit den Ländern gewisse Dinge akkordiert zu haben, immer wieder Schwierigkeiten auftauchen, weil es manchmal so ist, daß Politiker Garantien und Versprechungen abgeben, von denen sie dann nicht mehr abrücken können, und das erschwert uns natürlich die Arbeit.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Grete Pirchegger: Für große Aufregung hat der überfallsartige Besuch von Beamten des Gesundheitsressorts im Krankenhaus St. Josef in Braunau gesorgt. Der Veröffentlichung der Pläne Ihrer Beamten folgte eine große Protestwelle der Anrainer des Krankenhauses St. Josef in Braunau. Könnten Sie mit den Vertretern der Krankenanstalt und der Gemeinde eine Einigung über die weitere Behandlung des Krankenhauses St. Josef in Braunau im Zuge des Krankenanstaltenplans erreichen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich wundere mich ein bißchen über diese krimiartige Fragestellung, da nämlich der "überfallsartige Besuch" ein angekündigter Besuch war, an dem nicht nur die Schwestern teilgenommen haben, sondern mehrere Ordensspitäler. Das war ein angekündigter, völlig akkordierter Besuch – in einer eigentlich angenehmen Gesprächsatmosphäre, haben mir die Beamten berichtet. Das, was danach gekommen ist, hat uns alle sehr überrascht.

Ich habe mich genauso gewundert über das, was dann bei der Unterschriftenüberreichung mir gegenüber gekommen ist, was da an Berichterstattung über die Medien gelaufen ist. Da sind mir auch die Haare zu Berge gestanden. Wie dem auch sei, wir müssen damit leben.

Ich habe gesagt, es wird nicht das erstemal sein, daß wir mit Standorten Probleme bekommen. Aber ich lege auf folgende Feststellung Wert, Frau Bundesrätin: Wir müssen nicht mit jedem einzelnen Krankenhaus verhandeln, das ist Sache des jeweiligen Landes. Unsere Gesprächspartner sind die Landespolitiker, mit denen haben wir zu reden. Das Land selbst muß in sich klarwerden, welche Standorte künftig besser ausgestattet werden, von welchen Standorten gewisse Abteilungen umgewandelt werden. Das ist Landessache!

Wenn das Land akkordiert hat, finden Gespräche mit dem Bund statt. Es ist nicht Bundesangelegenheit, mit jedem einzelnen Krankenhaus zu verhandeln. Ich bitte Sie, zur Aufklärung dieses Mißverständnisses in den Bundesländern beizutragen. – Danke schön.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Grete Pirchegger: Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden. Meine Frage war, ob Sie eine Einigung mit der Krankenanstalt und mit den Vertretern der Gemeinde erzielt haben?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich darf noch einmal sagen: Es liegt nicht am Bund, mit der einzelnen Gemeinde eine Einigung zustande zu bringen – es muß von den Landespolitikern eine Einigung erzielt werden. Wir verhandeln doch nicht mit den einzelnen Gemeinden oder Spitalserhaltern. Dort hat ja auch kein Gespräch ausschließlich wegen des Krankenhauses Braunau stattgefunden, sondern mit dem Orden. Es ist nur zufällig der Standort Braunau für dieses Gespräch gewählt worden. Es hätte genauso gut anderswo stattfinden können.


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614. Sitzung / Seite 17

Die Gespräche müssen mit dem Land geführt werden. Es wäre undurchführbar, wenn die Beamten meines Hauses mit jedem einzelnen Krankenhaus Verhandlungen führen müssen. Es gibt doch Spitalsreferenten in den einzelnen Landesregierungen – in Oberösterreich sogar zwei!

Präsident Johann Payer: Danke.

Wir gelangen zur 7. Anfrage, 612/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Karl Hager: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

612/M-BR/96

Welche Änderung der Rechtslage aufgrund der neu geschaffenen EG-Pauschalreiserichtlinie ergibt sich für Konsumenten, die Reisearrangements in Anspruch nehmen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Aufgrund der in der EG-Pauschalreiserichtlinie für das Reisegeschäft vorgegebenen Normen wurden 1993 gesetzliche Bestimmungen geschaffen, die spezielle zivilrechtliche Standards für Pauschal- und Individualreisen festlegen. Zum Beispiel wurde normiert, daß 20 Tage vor Reiseantritt keine Preiserhöhung mehr stattfinden darf sowie das Eintrittsrecht einer Ersatzperson, wenn man selbst die Reise nicht antreten kann.

Zur Umsetzung der EG-Richtlinien war es auch notwendig, durch Verordnung die Informationspflicht des Reiseveranstalters vor und bei Vertragsabschluß festzulegen. Was noch nicht zufriedenstellend gelöst ist, ist die Absicherung der Kundengelder im Falle der Insolvenz.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Herr Bundesrat, bitte.

Bundesrat Karl Hager: Welche Sicherheiten hat der Verbraucher, wenn sein Reiseveranstalter zahlungsunfähig wird?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Im Jahr 1994 wurde die Verordnung zur Sicherung der Kundengelder, die bei Reisebüros eingezahlt wurden, erlassen. Dem zugrunde liegend ist Artikel 7 der EU-Pauschalreiserichtlinie. Damit soll die Vorauszahlung des Kunden im Falle des Konkurses abgesichert werden.

Nach Ansicht unseres Hauses ist die Lösung für diese Sicherungsverordnung noch nicht ganz zufriedenstellend, weil der tatsächliche Umfang der vom Veranstalter nachzuweisenden Absicherung für den Kunden nicht zu kontrollieren ist und auch von behördlicher Seite – nach unserem Dafürhalten – nicht kontrollierbar ist. Man kann, wenn jemand ein Reisebüro neu aufmacht, nicht einschätzen, inwieweit der im Falle des Falles finanziell in der Lage sein wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Hager: Frau Ministerin! Mußte die Verordnung zur Sicherung der Kundengelder bereits angewendet werden, und war das Ergebnis zufriedenstellend?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ja, sie mußte schon angewendet werden, zum Beispiel bei Konkursen des Reiseveranstalters Arena Clubreisen GesmbH im Juli 1995 und Karthago Reisen im September 1995.

Ich habe in einem Schreiben an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diesen dringend ersucht, eine Verbesserung der Bestimmungen in die Wege zu leiten und gemeinsam


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614. Sitzung / Seite 18

mit allen Beteiligten auszuarbeiten. Ein Anliegen dieser Legislaturperiode sollte die Novellierung der Reisebürosicherungsverordnung sein.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 8. Anfrage, 623/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

623/M-BR/96

Mit welchen Maßnahmen werden Sie sicherstellen, daß – auch während und nach dem schrittweisen Aufheben des BSE-Embargos – in Österreich nur BSE-freie Lebensmittel in Verkehr gebracht werden?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Meine Damen und Herren! In Österreich besteht derzeit noch eine Kundmachung hinsichtlich des Verbotes der Einfuhr von lebenden Rindern, Rindfleisch und Produkten vom Rind aus Großbritannien. Vom Veterinärausschuß der EU ist ein Tilgungsplan genehmigt worden, der sämtliche Maßnahmen enthält, durch die sichergestellt ist, daß BSE im Vereinigten Königreich getilgt wird und kein BSE-belastetes Fleisch oder Fleischprodukte in den Binnenmarkt gelangt, somit auch nicht nach Österreich. Dieser Tilgungsplan ist die Grundlage für einen Rahmenplan, bei dessen Erfüllung eine schrittweise Aufhebung des Exportverbotes aus Großbritannien möglich, in Aussicht gestellt ist – ohne Zeitangabe.

Die Maßnahmen erfassen:

die Tötung und unschädliche Beseitigung aller BSE-verdächtigen Rinder;

das Verbot der Verfütterung von Tierkörpermehl an alle landwirtschaftlichen Nutztiere;

die obligatorische Entfernung spezifischer Rinderinnereien;

das Verbot, Rinder über 30 Monate in die Lebensmittel- oder Futterkette einzuschleusen.

Diese Maßnahmen werden von der EU-Kommission unter Beiziehung der Mitgliedsstaaten streng kontrolliert.

Erst wenn die Effizienz durch die Berichte der Kontrollkommission – zwei haben schon stattgefunden – erwiesen ist, wird nach Befassung des Ständigen Veterinärausschusses und eines noch zu bildenden interdisziplinären Ausschusses, für den wir auch einen österreichischen Vertreter nominiert haben, der erste Schritt zu einer Lockerung des Import-Embargos durchgeführt. Eine wichtige Voraussetzung im Rahmen dieser Tilgungsmaßnahmen ist eine von der Kommission in Vorbereitung befindliche Kennzeichnungspflicht für Fleisch und Fleischwaren, damit man die Herkunft, soweit es möglich ist, feststellen kann.

Weiters besteht auch im Binnenmarkt eine Meldepflicht beziehungsweise eine Kontrolle im Rahmen des Verkehrs von lebenden Tieren, Fleisch und Fleischwaren, sodaß auch dadurch gesichert ist, welchen Ursprungs eine bestimmte Sendung ist.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Frau Bundesministerin! Sie beziehen sich einerseits in Ihrer Beantwortung auf EU-Richtlinien und auf Gremien, unter anderem auf den Veterinärausschuß – es gibt im Bereich der EU auch den wissenschaftlichen Lebensmittelausschuß, der schon seinerzeit festgestellt hat, daß eine BSE-Übertragung auf Menschen möglich ist und der gerade jetzt im Hinblick auf diese stattgefundene Konferenz gefordert hat, es möge nach wie vor das Exportverbot gegen Rindertalg, Gelatine und Bullensamen aufrecht bleiben.


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614. Sitzung / Seite 19

Andererseits zitieren Sie diesen Veterinärrat, der de facto weisungsgebunden ist und von einzelnen Ländern beschickt wird. Welchem Gremium geben Sie den Vortritt bei seinen Empfehlungen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Ich gebe in meiner Obsorge um die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung den Vortritt, und daher herrscht in Österreich nach wie vor ein Verbot der Einfuhr von Gelatine, Talg und Rindersamen.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Bei der gestrigen und vorgestrigen Regierungskonferenz wurde beschlossen, 19 Milliarden Schilling an Entschädigung für BSE-geschädigte Bereiche zur Verfügung zu stellen. Davon erhält Großbritannien allein umgerechnet 11 Milliarden Schilling, wieviel Österreich bekommt, weiß ich nicht. Es wäre interessant, zu erfahren, wieviel Sie, Frau Bundesministerin, veranschlagen, wieviel für veterinärpolizeiliche Maßnahmen, für gesundheitspolizeiliche Maßnahmen von dieser Summe verwendet wird?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Die gesundheitspolizeilichen Maßnahmen in Österreich sind bemerkenswert, ja sogar ausgezeichnet. Unsere Tierärzte arbeiten hervorragend, und das System funktioniert, sodaß es eigentlich einer Finanzspritze der EU nicht bedarf. Würde ich diese verlangen, dann würde ich gleichzeitig zugeben, daß unser Kontrollsystem nicht funktioniert – es funktioniert aber. Diese Summen sind vorwiegend zur Entschädigung der österreichischen Bauern gedacht, denn unglücklicherweise, Herr Bundesrat, ist auch in Österreich der Rindfleischkonsum zurückgegangen – völlig ungerechtfertigt, denn das österreichische Rindfleisch ist in Ordnung.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 9. Anfrage, 619/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol) um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

619/M-BR/96

Wie beurteilen Sie als für den Konsumentenschutz zuständige Bundesministerin generell die Situation des Konsumentenschutzes in Österreich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit, sich an die Rechtslage der EU anzupassen, hat in den letzten Jahren neue Anstöße für die österreichische Konsumentenpolitik gebracht. Als Ergebnis dieser Bemühungen seien genannt: das österreichische Produkthaftungsgesetz, der für Konsumenten relevante Teil des österreichischen Bankwesengesetzes, das österreichische Versicherungsvertragsgesetz, das fast nach 80 Jahren angesichts des EU-Versicherungsmarktes einer umfassenden Neuordnung zum Schutze der Versicherungsnehmer unterworfen worden ist.

Große, über lange Jahre sich hinziehende Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel das Maklergesetz, die Konkursordnungsnovelle, mit der der Privatkonkurs ermöglicht wurde, konnten fixiert werden. Ich hoffe, daß in Kürze auch die Novelle zum Konsumentenschutzgesetz dem Parlament vorgelegt werden kann.


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614. Sitzung / Seite 20

Das sind Beispiele einer österreichischen Konsumentenpolitik, die den EU-Vergleich nicht zu scheuen braucht; im Gegenteil, die da und dort und zunehmend Vorbildcharakter für die EU-Rechtspolitik haben könnte. – Danke schön.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Therese Lukasser: Frau Bundesministerin! Im Bericht zur Lage der Verbraucher 1994 – inzwischen wurde dem Ministerrat auch ein Bericht über das Jahr 1995 vorgelegt – wurde festgestellt, daß zum Themenbereich "Kapitalanlage und Konsumentenschutz" das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz weitere Studien in Auftrag gegeben hat, die laut Bericht demnächst vorgestellt werden. Wurden diese Studien bereits veröffentlicht?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Bundesrätin! Ich kann Ihnen im Augenblick nicht darauf antworten, ob die Studie schon veröffentlicht wurde. Ich ersuche Sie daher, das schriftlich beantworten zu dürfen. Der Bericht wird heute dem Ministerrat vorgelegt.

Präsident Johann Payer: Die Frau Bundesministerin wird das schriftlich beantworten. – Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur 10. Anfrage, 613/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Josef Pfeifer: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

613/M-BR/96

Was tun Sie als Konsumentenschutzministerin, um eine Verbesserung der Grundpreisauszeichnung in Österreich herbeizuführen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Die Grundpreisauszeichnung war uns Österreichern in Brüssel ein sehr großes Anliegen, da wir der Meinung sind, daß den europäischen Verbrauchern – nicht nur den österreichischen – der preisbewußte Einkauf erleichtert werden soll. Dazu muß eine Vergleichbarkeit, eine Basis gegeben sein.

Dieser nunmehr vorliegende gemeinsame Standpunkt des Rates zu einer "Richtlinie zur Angabe der Preise von Verbrauchern angebotener Erzeugnisse" sieht vor, daß im Grundsatz alle Produkte grundpreisauszeichnungspflichtig sein sollten. Die Richtlinie wird für österreichische Verbraucher natürlich eine wesentliche Verbesserung ihrer Information darstellen. Ich kann selbst als einkaufende Hausfrau feststellen, daß es oft schwierig ist, die Preise der Produkte zu vergleichen, da sie verschieden abgefüllt sind. Man muß sich auf einen Grundpreis beziehen können.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin! Wann wird diese Richtlinie in etwa zur Anwendung gelangen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Wir führen im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium Verhandlungen zur Erarbeitung der Richtlinie in Brüssel und bereiten nunmehr eine Endfassung, einen gemeinsamen Standpunkt vor.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 21

Ich hoffe, daß das Europäische Parlament rasch seine Zustimmung zur Richtlinie erteilen wird. Innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft muß sie dann in allen Staaten umgesetzt werden. Wir rechnen mit einem Inkrafttreten der Bestimmungen im Jahr 1998.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Der Herr Bundesrat verzichtet.

Wir kommen zur 11. Anfrage, 620/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

620/M-BR/96

Wann ist mit der Regierungsvorlage eines "Gruppenpraxengesetzes" zur qualitativen und quantitativen Verbesserung der ambulanten Gesundheitsleistungen und der Erreichbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen zu rechnen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Derzeit wird in meinem Ressort unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens eine Regierungsvorlage für ein Gruppenpraxengesetz vorbereitet. Begleitend dazu sind auch im Hinblick auf die Entschließung des Nationalrates vom 16. Juli 1994 die entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Maßnahmen in Absprache mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales zu treffen.

Ich gehe davon aus, daß die Regierungsvorlage, die die berufsrechtlichen Grundlagen für die freiberufliche Kooperation von Gesundheitsberufen regelt, möglicherweise Ende dieses Jahres fertiggestellt werden kann, so nicht – das füge ich ausdrücklich hinzu – Unvorhergesehenes auftritt, unvorhergesehene Schwierigkeiten, gewisse Barrieren, über die man dann wahrscheinlich noch länger verhandeln wird müssen. Aber grundsätzlich sind wir dabei, dieses Gesetz sehr intensiv vorzubereiten.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Frau Bundesministerin! Können Sie über Fortschritte in den Verhandlungen zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärztekammer berichten?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Ich werde den Präsidenten der Ärztekammer und den Präsidenten des Hauptverbandes fragen und Sie schriftlich darüber informieren.

Präsident Johann Payer: Danke. – Wir gelangen zur 12. Anfrage, 614/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich) um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

614/M-BR/96

Wie stellen Sie sich zum – am heutigen Tag im Umweltministerrat in Brüssel zur Abstimmung gelangenden – Vorschlag der Kommission betreffend das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Maisplanzen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Bundesrätin! Ich könnte es mit einem Wort beantworten: ablehnend. Für mich kommt eine


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614. Sitzung / Seite 22

Zustimmung zu einer solchen Entscheidung nicht in Frage, da nach meiner Ansicht die Auswirkungen von gentechnisch herbeigeführten Resistenzen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt noch nicht ausreichend untersucht worden sind. Das betrifft besonders die Auswirkungen der Markergene, der Antibiotikaresistenzgene, die man hinzufügt. Diesbezüglich bedarf es noch einiger Untersuchungen. Wir sind dabei, auch einige Fragen zu klären, inwieweit die Substanz überhaupt in der Pflanze beziehungsweise im Endprodukt bleibt beziehungsweise inwieweit sie im menschlichen Darm aufgenommen wird und zu welchen Reaktionen es dann kommen könnte.


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614. Sitzung / Seite 23

Präsident Johann Payer:
Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Frau Bundesrätin? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Welche Notwendigkeiten bestehen vor Inverkehrbringen dieses Produktes Ihrer Ansicht nach unbedingt?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Diesbezüglich besteht meiner Meinung nach immer Verwechslungsgefahr. Wenn man das Wort "Freisetzung" verwendet, dann glaubt man, daß es bereits in alle Winde verteilt wird. Richtig ist aber, daß das Freisetzen noch ein Versuch ist. Das Inverkehrbringen eines Produktes hingegen ist, damit Handel treiben zu können, ohne der Möglichkeit der Rückholbarkeit. Ich bin daher der Meinung, daß von einer derartigen umfassenden Vermarktung im Rahmen von weiteren begleitenden Untersuchungen noch einige Erfahrungen über die Langzeitfolgen dieser Resistenzen auf Mensch und Umwelt gesammelt werden sollten. Es sollte meiner Ansicht nach ein Daten- und Informationsaustausch eingerichtet werden im Rahmen der "Working Group on Risk Assessment" auf der Grundlage der Richtlinie 90/220/EWG.

Eine gründliche Evaluierung der Auswirkungen ist wichtig, da mit dieser Entscheidung zum ersten Mal in Europa eine gentechnisch veränderte Pflanze zur direkten Verwendung als Lebens- und Futtermittel freigegeben worden wäre. Es ist Ihnen ja sicher nicht unbekannt: Herr Umweltminister Bartenstein – da dieses Thema in der Umweltsektion abgehandelt wird – vertritt heute die Position des Gesundheitsministeriums, von der ich annehme, daß es auch seine Position ist. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. Das heißt, wir haben das akkordiert.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Sind Sie der Meinung, daß wenigstens die Kennzeichnung ausreichend vorgenommen würde?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich würde das einmal so formulieren: Grundsätzlich muß man dem, was ich in Hinblick auf die Antibiotikaresistenzen gesagt habe, nachgehen. Das ist unbestritten. Genauso unbestritten ist aber, daß man gentechnisch veränderte Lebensmittel kennzeichnen muß; diesbezüglich bin ich für eine umfassende Kennzeichnung. Aussagen wie "So lange eine Tomate aussieht wie eine Tomate, brauchen wir sie nicht zu kennzeichnen" – das gleiche gilt für Bananen – lehne ich ganz entschieden ab. Wir wollen wissen, was in der Banane enthalten ist, daher ist diese umfassende Kennzeichnung das oberste Gebot.

Präsident Johann Payer: Danke. – Wir gelangen zur 13. Anfrage, 624/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Ursula Haubner (Freiheitliche, Oberösterreich), ihre Frage zu stellen.

Bundesrätin Ursula Haubner: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

624/M-BR/9


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614. Sitzung / Seite 24

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Mit welchen Maßnahmen Ihres Ressorts ist heuer noch zu rechnen, um die Entschädigungsansprüche von kunstfehler- und arzneimittelgeschädigten Patienten entscheidend zu verbessern?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: In meinem Ressort wurde im vergangenen Jahr aufgrund des Arbeitsprogrammes in der letzten Legislaturperiode ein den österreichischen Gegebenheiten und der österreichischen Rechtsordnung angepaßtes Modell für verschuldensunabhängige Entschädigungen ausgearbeitet. Allerdings hat dieses Modell einen großen Haken, da die Frage der Finanzierung nicht gelöst werden konnte. Es wird im derzeitigen Regierungsübereinkommen erwähnt, daß wir beginnen sollten, die Frage der Haftpflicht für ärztliche Kunstfehler mit der Versicherungswirtschaft zu klären.

Es gibt Überlegungen, auch eine Studie in Auftrag zu geben, die die Basis für die Kostenschätzung eines Modells darstellen soll, da man eben, was die Finanzierung anlangt, zu keinem Ergebnis kommt. Wir hoffen, daß die Ergebnisse dieser Studie Grundlage sein könnten sowohl für die im Regierungsübereinkommen angesprochenen Gespräche als auch für die politische Entscheidung.

Präsident Johann Payer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Frau Bundesrätin? – Bitte.

Bundesrätin Ursula Haubner: Im Zusammenhang mit den Entschädigungsansprüchen wird sehr oft von Patientenversicherung gesprochen. Ich möchte Sie jetzt fragen: Wer soll nach Ihrer Auffassung die Kosten für diese verschuldensunabhängige Haftung übernehmen?

Präsident Johann Payer: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Das ist ja des Pudels Kern. Es heißt zwar immer, die Ärzte sollen zahlen, die Pharmaindustrie soll zahlen – im Endeffekt jedoch wird es auf die Patienten abgewälzt, und das ist meine Sorge. Man muß einen Weg finden, dem Patienten zu seinem Recht zu verhelfen, ohne daß es auf der anderen Seite wieder eine Belastung für die Patienten darstellt.

Es werden Modelle aus der Tasche gezaubert – derer hätte ich auch genügend. Aber im Endeffekt bleibt immer der Patient der Betroffene, der sowieso bereits Kosten hat, auf den man dann diese Kosten auch abwälzt. Dem möchten wir, so gut es geht, ein Modell gegenüberstellen, das diese Konsequenzen nicht mit sich bringt.

Präsident Johann Payer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Haubner, bitte.

Bundesrätin Ursula Haubner: Frau Bundesministerin! Sie sind also der Meinung, daß die Patienten nicht zusätzlich belastet werden sollen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich bin der Meinung, daß man ein Modell finden soll, das, wenn schon eine Belastung nicht ausgeschlossen werden kann, die geringste Belastung überhaupt für den Patienten mit sich bringt. Die Modelle, die förmlich aus der Tasche gezogen werden, stellen in unseren Augen immer den Patienten als den am meisten Belasteten dar. Und das ist es, was uns an diesem Modell nicht gefällt.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 14. Anfrage, 621/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol) um die Verlesung seiner Anfrage.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 25

Bundesrat Gottfried Jaud:
Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

621/M-BR/96

Was unternehmen Sie, um Programme zur Gesundheitsförderung und zur Vorsorge zu forcieren?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Herr Präsident! Nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheitsförderung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vor allem im unmittelbaren Lebens- und Arbeitsbereich der Menschen ansetzen soll.

Da zentrale Programme nach internationalen Erfahrungen diese Anforderungen nur schwer erfüllen können, hat mein Ressort in den letzten Jahren eine neue Strategie entwickelt. Zu den einzelnen Themenbereichen werden Netzwerke eingerichtet, die dann unmittelbar vor Ort, in Städten, Schulen, Krankenhäusern und Betrieben Programme anregen, die speziell auf die gesundheitlichen Probleme, auf die Arbeits- und Lebenssituation der Zielgruppe eingehen. Es sind dies die Netzwerke der "Gesunden Städte", der "Gesundheitsfördernden Schulen", der "Gesundheitsfördernden Krankenhäuser". Ein Netzwerk zur "Betrieblichen Gesundheitsförderung" ist im Aufbau begriffen. Diese Netzwerke stehen in direktem Erfahrungsaustausch mit den jeweiligen internationalen Netzen der Weltgesundheitsorganisation und der EU.

Ergänzt wird diese Arbeit durch flankierende Maßnahmen zum bundesländerübergreifenden Informations- und Erfahrungsaustausch, wie etwa die Errichtung einer österreichischen Datenbank für Gesundheitsförderungsprojekte durch den Fonds "Gesundes Österreich".

Im Bereich der Aids-Prävention ist auch eine Verbindung zwischen zentralen Informationselementen wie zum Beispiel Kampagne und Broschüren von meinem Ressort und einer dezentralen Aufklärungsarbeit durch die Aids-Hilfen gegeben. Außerdem ist Österreich in das auf breiter Basis durchgeführte Aids-Bekämpfungsprogramm der EU eingebunden. All das bedeutet Gesundheitsförderung.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin! Die Vorsorgeuntersuchungen nach dem Mutter-Kind-Paß wurden bisher an die Auszahlung der Geburtenbeihilfe gebunden. Diese Auszahlung ist inzwischen weggefallen. Was unternehmen Sie als Gesundheitsministerin, um diese wichtigen Untersuchungen zur Gesundheitsförderung möglichst lückenlos durchzuführen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Soweit es in unserem Möglichkeitsbereich steht, appellieren wir an die Mütter, die im Mutter-Kind-Paß vorgeschriebenen, empfohlenen Untersuchungen auch wahrzunehmen. Denn eines sei auch festgehalten: Die Untersuchungen, die im Mutter-Kind-Paß vorgeschrieben sind, sind nach wie vor kostenlos. Und das fällt ein bißchen unter den Tisch. Man sagt: Da es diese Geburtenprämie nicht mehr gibt, werden die Mütter nicht mehr untersuchen gehen. Ich bin selbst Mutter und Großmutter, und ich kann Ihnen versichern, mir wäre nie eingefallen, nur weil ich kein Geld dafür bekommen hätte, mit meinen Kindern nicht zur Untersuchung zu gehen.

Jeder Mutter und jedem Vater ist es – das traue ich mich zu sagen – ein Anliegen, gesunde Kinder zu haben. Und wenn ihm dazu der Staat eine kostenlose Untersuchung anbietet, dann werden die Mütter und Väter diese Untersuchung, denke ich, wahrnehmen. Natürlich tut es weh, wenn man an finanziellen Mitteln weniger bekommt. Das ist uns schon klar. Aber ich würde das Kind nicht mit dem Bad ausschütten und sofort fürchten, daß nun niemand mehr zur Untersuchung geht.

Präsident Johann Payer: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin! Wirkt sich die Budgetkonsolidierung im Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz auf Ihre Präventionsprogramme aus?

Präsident Johann Payer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Es wirkt sich insoferne aus, als ich manchmal – eigentlich ziemlich oft, muß ich sagen – nicht in der Lage bin, gewisse Vorhaben, die an mich herangetragen werden wie Ersuchen um Subventionen oder irgendwelche Vorhaben, die in einem Dorf, in einer Stadt oder in einer Region geplant sind, positiv zu beantworten.

Das ist leider so. Es wäre ja gelogen, Herr Bundesrat, wenn ich, da wir ja auf der einen Seite ein Sparprogramm haben, sagen würde, ich könnte auf der anderen Seite alles erfüllen. Das wäre unehrlich. Wir spüren alle das Sparpaket, wir stehen aber dazu.

Eines muß ich aber auch festhalten: Es gibt zwar im Bereich der Aids-Aufklärung und der Drogenprävention auch Kürzungen, trotzdem versuchen wir – da das wirklich eine Geißel ist –, dafür viele Mittel zur Verfügung stellen zu können, damit wir diesem Problem begegnen können.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen zur 15. Anfrage, 615/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Johann Kraml: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

615/M-BR/96

Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die politische Einigung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung in die Tat umzusetzen?

Präsident Johann Payer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Am 29. März 1996 wurde zwischen dem Bund und den Ländern eine grundsätzliche Einigung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung ab 1. Jänner 1997 erzielt. Zur Umsetzung dieser Reform wurden in kurzen Abständen tagende kleinere Arbeitsgruppen eingesetzt. Teilnehmer sind Vertreter des Bundes, Vertreter mehrerer Länder – mittlerweile fast schon aller Länder –, der Städte und des Gemeindebundes und der Sozialversicherungsträger. Dann wurden Unterarbeitsgruppen zu in den anderen Arbeitsgruppen aufgetauchten Fragen eingesetzt.

Am 22. Mai hat eine Besprechung stattgefunden, an der alle beamteten Landesgesundheits-, Landeskranken- und Landesfinanzreferenten teilgenommen haben. In dieser Besprechung wurden viele vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz zur Verfügung gestellte Verhandlungsgrundlagen, berechnet und ausgearbeitet, diskutiert. Weiters wurde ein noch nicht akkordierter Entwurf einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG sowie ein Zeitplan für die Umsetzung der Reform vorgelegt. Gleichzeitig finden laufend Verhandlungen mit den Ländern über den Entwurf des Krankenanstaltenplanes statt, mit dem Ziel, bis Ende 1996 mit allen Ländern Einvernehmen zu erzielen, um den Österreichischen Krankenanstaltenplan, einschließlich Großgeräteplan, mit 1. Jänner 1997 verbindlich festzuhalten.

Auch mit den politischen Landesgesundheits-, Landeskrankenanstalten- und Landesfinanzreferenten finden Informationsgespräche und Diskussionen über die Umsetzung der Reform statt.

Wir hoffen, daß wir damit zu Rande kommen und daß alles zeitgemäß über die Bühne geht.

Präsident Johann Payer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Danke.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 26

Ich danke der Frau Bundesministerin für die Beantwortung der Fragen. Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Johann Payer: Eingelangt sind sechs Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 13. Juni 1996, Zl. 800.420/109, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein am 25. und 26. Juni den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Der Herr Bundespräsident hat am 12. Juni 1996, Zl. 800.420/107, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten innerhalb des Zeitraumes vom 24. bis 28. Juni 1996 die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Der Herr Bundespräsident hat am 12. Juni 1996, Zl. 800.420/108, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel am 24. Juni den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend, am 25. Juni den Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima und am 26. Juni 1996 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Der Herr Bundespräsident hat am 20. Juni 1996, Zl. 800.420/116/96, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich gemäß Artikel 69 Abs. 2 B-VG für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 20. bis 22. Juni 1996 den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten mit der Vertretung des Bundeskanzlers,

gemäß Artikel 69 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 64 Abs. 1 B-VG für den Fall meiner Verhinderung, der Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 24. bis 26. Juni 1996 den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek mit der Vertretung des Bundeskanzlers und

gemäß Artikel 69 Abs. 2 B-VG für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 24. bis 26. Juni 1996 die Bundesministerin


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
614. Sitzung / Seite 27

für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung des Bundeskanzlers.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Johann Payer: Ich danke der Frau Schriftführerin für die Verlesung dieser Schreiben. Diese Schreiben dienen zur Kenntnis.

Ich gebe weiters bekannt, daß der Bundeskanzler und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz Mitteilung über die Nominierung von Mitgliedern und eines Stellvertretenden Mitgliedes des Ausschusses der Regionen gemacht haben.

Diese Mitteilung habe ich gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz dem EU-Ausschuß zugewiesen.

Den Selbständigen Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Finanz-Verfassungsgesetzes (93/A der Beilagen) habe ich dem Vorschlag der Antragsteller entsprechend dem Ausschuß für Verfassung und Förderalismus zugewiesen.

Die eingelangten Berichte des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol (III-150 der Beilagen) und Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 (III-151 der Beilagen) habe ich dem Außenpolitischen Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen.

Eingelangt sind ferner Berichte (6724 bis 8408-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Auch diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits früher eingelangten und zugewiesenen Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Johann Payer: Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen, habe ich alle diese Vorlagen sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1996 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.


Bundesrat
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Behandlung der Tagesordnung

Präsident Johann Payer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 6 bis 16, 18 bis 21 sowie 22 bis 25 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird (113 und 170/NR sowie 5176/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch übernommen.

Herr Bundesrat, ich bitte Sie um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Präsident! Frau Ministerin! Mit der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum als auch durch den EU-Beitritt abgeschlossenen Integration Österreichs in die Europäische Gemeinschaften ist eine vollständige Anpassung des MTD-Gesetzes an die neue Rechtslage unabdingbar geworden.

Insbesondere wird durch die Verankerung folgender Richtlinien der EWG dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer(innen) im Gesetz Rechnung getragen:

Richtlinie 89/48/EWG vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, CELEX-Nr. 389L0048, und

Richtlinie 92/51/EWG vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG, CELEX-Nr. 392L0051.

Weitere Schwerpunkte des Beschlusses sind die gesetzliche Verankerung der Studentenvertretung sowie die Neufassung der Nostrifikationsbestimmungen.

Da aufgrund der fehlenden EWR- und EU-Bestimmungen ein rascher Beschluß zum MTD-Gesetz dringend erforderlich ist, konnten im wesentlichen die Einführung einer MTD-Liste, die Frage der verpflichtenden Fortbildung, Änderungen im Berufsbild und die Ausdehnung der Freiberuflichkeit auf sämtliche gehobene medizinisch-technische Dienste nicht mehr berücksichtigt werden. Die Akkordierung dieser strittigen Punkte erfordert ausführliche Gespräche mit allen Betroffenen.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile dieses.

10.04

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Die Anwesenheit der Gesundheitsministerin möchte ich dazu nützen, um ganz


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 29

kurz nur eine notwendige Reform des Gesundheitswesens in dem Sinne anzusprechen, daß wir im Zuge der Budgetsanierung gemerkt haben, daß gerade der Gesundheitsbereich einer der dynamischsten und ausgabenintensivsten Bereiche ist und wir notwendige Einsparungspotentiale finden und vor allem auch die Präventivmedizin ausbauen müssen, um für die Zukunft die soziale und gesundheitliche Sicherung der Bevölkerung garantieren zu können.

Ich darf der Regierung einerseits dazu gratulieren, daß durch die leistungsgerechte, transparente Finanzierung der Krankenhäuser ein wesentlicher Schritt erreicht wurde, hoffe, daß mit dem Grundsatz "ambulant vor stationär" – aus diesem Grund habe ich die Frage nach den Gruppenpraxen gestellt – ein weiterer wichtiger Schritt umgesetzt werden kann, und gehe davon aus, daß auch die Präventivmedizin in Zukunft weiter ausgebaut wird, weil wir dadurch ein großes Einsparungspotential – wenn wir nur das Bundesland Vorarlberg betrachten – nutzen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit 11. Juli 1992 wurde vom Nationalrat einstimmig ein Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste beschlossen, und ich habe hier das Verbandsorgan der MTD-Dienste, die damals, 1992, diese Einigung begrüßt haben und sehr glücklich darüber waren, daß nach langen Verhandlungen dieser Schritt erreicht werden konnte. Da aber damals die ausreichenden Rechtsgrundlagen für die Vollziehung der entsprechenden EU-Richtlinien noch nicht geschaffen waren, müssen wir diese Anpassung heute vornehmen.

Da – das hat der Berichterstatter ja schon gesagt – viele offene Fragen in dieser Novelle noch nicht mitbehandelt werden, weil sie längerer Diskussionen bedürfen, sind nur jene Bereiche, die durch andere Gesetze schon bestens gelöst worden sind, ebenfalls – neben der Anpassung an die EU-Richtlinien – in diese Novelle mitaufgenommen worden. Ich denke nur an die nach dem Vorbild des Hebammengesetzes vorgenommene gesetzliche Verankerung der Studentenvertretung beziehungsweise an die Neufassung der Nostrifikationsbestimmungen, die sogar eine Einsparung bedeuten werden, weil dadurch die verpflichtende Teilnahme am theoretischen Unterricht bei der Führung von Lehrgängen an medizinisch-technischen Akademien reduziert wird und damit eben Einsparungspotentiale verbunden sind und weil zweitens durch den Wegfall der jährlichen Kontrolluntersuchungen nach dem Beispiel des Krankenpflegegesetzes ebenfalls Einsparungspotentiale vorhanden sind.

Wenn man sich bei dieser Novelle nur die Frage stellt, was eventuell kritisiert werden könnte, dann fällt mir nur eines ein: daß die Angst, daß wieder Tausende Ausländerinnen in unseren Gesundheitsdienst kommen könnten, eventuell angesprochen werden könnte. Ich muß sagen, ich habe diese Befürchtung, daß nun Tausende Portugiesinnen oder Spanierinnen in unseren Gesundheitsdienst eintreten werden, nicht und bitte Sie daher, dieser Gesetzesnovelle die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.08

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Katharina Pfeffer. Ich erteile dieses.

10.08

Bundesrätin Katharina Pfeffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste 1992 beschlossen wurde, konnte aufgrund der damals noch nicht entschiedenen Zukunft Österreichs in Europa keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Vollziehung der entsprechenden EU-Richtlinien geschaffen werden. Der Schwerpunkt dieser Novelle und deren Intention ist vor allem die Herstellung der EWR- und EU-Konformität.

Wenn man vielleicht meint, daß es mit dieser Novelle zu einer Abwertung des Berufes kommt oder eine Ausübung des Berufes nicht mehr entsprechend stattfinden kann, so muß ich feststellen, daß die Intention gerade entgegengesetzt ist: Die Intention war die EU-Konformität, man hat gleichzeitig aber auch Texte übernommen, die sich schon in anderen Gesetzen bewährt


Bundesrat
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haben. Man sollte aber Entscheidungen nicht zu schnell treffen, sondern man sollte noch ausführlich darüber diskutieren.

Über die notwendigen Sprachkenntnisse hat man bereits diskutiert, und man hat festgestellt und als selbstverständlich angenommen, daß jemand, der diesen Beruf ausüben will, auch die Sprache verstehen und anwenden können muß. Man hat aber von der generellen Normierung einer Sprachbarriere Abstand genommen und hat gleichzeitig auch festgehalten, daß es dem Dienstgeber obliegt, diese Sprachkenntnisse zu überprüfen.

Es wurden auch weitere Schwerpunkte, wie etwa die Studentenvertretung oder die Nostrifikationsbestimmungen, gesetzlich verankert. Man hat eine Angleichung an die Bestimmungen für die Hochschule vorgenommen, sodaß bei Nostrifikationen nicht mehr alle Lehrveranstaltungen gehört werden müssen. In diesem Zusammenhang werden sicher auch die Kosten für derartige Lehrgänge an den Akademien zurückgehen.

Weiters wurde auch von den jährlichen Kontrolluntersuchungen der Absolventen der Akademien Abstand genommen. In diesem Bereich wird es ebenfalls zu einer geringfügigen Verminderung der Ausbildungskosten kommen. Eine vergleichbare Regelung gibt es übrigens schon im Krankenpflegegesetz.

Ein weiterer, wichtiger Punkt, der in diese Novelle einfließen und für die Zukunft des Berufes sehr ausschlaggebend sein wird, ist nun auch die Möglichkeit der Abhaltung von Hochschullehrgängen für lehrendes und leitendes Personal, wobei aber die Absolvierung der Sonderausbildung nach dem Bundesgesetz die gleiche Qualifikation schaffen soll.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, es stand wirklich die Bemühung im Vordergrund, auch einige bewährte Bestimmungen in diese Novelle aufzunehmen. Natürlich sind noch weitere Reformvorhaben geplant, die, wie wir wissen, auch dringend erwünscht sind. Wir wären aber schlecht beraten, würden wir ohne ausreichende Diskussion und Beratung diese Punkte aufnehmen, etwa die Erstellung der MTD-Liste, die die verpflichtende Fortbildung, aber auch Veränderungen im Berufsbild und im Tätigkeitsbereich mit sich bringt. Es handelt sich einfach um zu wichtige Anliegen, als daß man die entsprechenden Regelungen ohne Gespräche mit den Betroffenen und mit den Berufsvertretungen in die Novelle einbauen könnte.

Ein weiterer Punkt ist auch, daß für Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste in diesem Entwurf eine verpflichtende Dokumentation festgelegt wird. Die verpflichtende Dokumentation führt sicher auch zu einer Professionalisierung dieser Berufe und ist daher eine Maßnahme zur Qualitätssicherung und zum Schutze aller Beteiligten.

Diese Novelle enthält einige wesentliche Verbesserungen und Änderungen, über einige Punkte muß jedoch noch diskutiert werden. Fest steht aber, daß gerade die Ausbildung in den Gesundheitsberufen qualitativ hochwertig und den Anforderungen angepaßt sein muß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Dies war meine letzte Rede hier im Hohes Haus. Das Ergebnis der Landtagswahl im Burgenland, welches nicht sehr zufriedenstellend für die SPÖ war, hat es so gewollt, daß ich am kommenden Donnerstag im Burgenländischen Landtag angelobt werde.

Ich möchte aber nicht gehen, ohne Ihnen von dieser Stelle aus für die gute Zusammenarbeit zu danken. Ich war sehr gerne Bundesrätin und werde diese fast 20 Monate meiner Tätigkeit im Bundesrat nicht vergessen. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute, viel Gesundheit und viel Erfolg. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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10.13

Präsident Johann Payer: Liebe Kollegin Pfeffer! Ich wünsche dir von dieser Stelle aus ebenfalls alles Gute und danke für die gute Zusammenarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile dieses.

10.13

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegin Pfeffer! Ich wünsche Ihnen natürlich ebenso alles Gute für Ihre zukünftige Tätigkeit und wünsche auch – Sie gehören zwar einer anderen Reichshälfte an –, daß Sie weiterhin mit so viel Charme Ihre Tätigkeit verrichten, wie Sie das hier getan haben. Alles Gute für Ihre Tätigkeit im Burgenländischen Landtag! (Allgemeiner Beifall.)

Da auch bereits von meinem Vorredner Wilfing die Problematik der Krankenhäuser bei dieser Materie mit angeschnitten wurde, darf ich mich auch ganz kurz damit beschäftigen.

Sie haben, Herr Kollege, der Bundesregierung dazu gratuliert, daß die Sanierung bereits im Laufen oder schon knapp vor dem Abschluß ist. Bitte, das ist schlicht und einfach eine Unterstellung. Damit es zur Sanierung dieser Krankenhausproblematik kommt, ist, glaube ich, noch ein sehr weiter Weg zurückzulegen. Außerdem wird der Weg ein sehr enger sein. Wenn etwa in den Gazetten vom gestrigen Tag zu lesen ist, daß den Privatkrankenhäusern das Messer angesetzt wird, obwohl diese bei uns in Österreich sicherlich ein Fixpunkt dafür sind, daß unsere Gesundheitsvorsorge eine so gute ist, dann kann man bitte noch nicht sagen, daß dieser Weg der Sanierung, auch der finanziellen Sanierung, abgeschlossen ist.

Ich wünsche und ersuche Sie, Frau Bundesminister, dafür zu sorgen, daß gerade dieser private Bereich – Österreich ist überhaupt davon geprägt, daß sehr viel privat und im ideellen Bereich geschieht, und auch deswegen haben wir ein so hohes Niveau und so einen guten Standard –, daß natürlich auch diese privaten Krankenhäuser entsprechend erhalten bleiben und im Rahmen des Möglichen auch die Unterstützung durch die Regierung, durch uns alle erhalten.

Ein weiteres Beispiel, das auch in Diskussion gestanden ist und noch in Diskussion steht – Sie sind hiefür nur teilweise zuständig –, ist der Streit zwischen den Krankenkassen einerseits und den Ärzten andererseits. Bedauerlich bei dieser Auseinandersetzung war, daß der wichtigste Bereich, nämlich der Patient – in der Steiermark sind das 1,2 Millionen Menschen –, eigentlich sehr nebensächlich behandelt wurde. Man hat gestritten – vertragsloser Zustand, Automatikklausel und vieles andere mehr –, und jetzt, nach einem Gespräch mit Herrn Sozialminister Hums, feiert man die Vereinbarung dahin gehend, daß natürlich wieder derjenige die Rechnung bezahlt, der sich nicht wehren kann, nämlich der Patient. Denn wer ist denn schon freiwillig krank? – Ich glaube, das sind nur sehr wenige.

Die Kosten für die Rezepte werden erhöht, der Selbstbehalt wird erhöht, man hört aber nichts davon, daß etwa der Verwaltungsaufwand bei den Kassen eingeschränkt wird. Sie werden wissen, wie das ist, wenn Sie schon einmal dort waren. Da bekommen Sie in der Früh ein Taferl, und dann können Sie den ganzen Vormittag warten, dürfen nicht einmal weggehen. Sie werden dort wirklich wie eine Nummer behandelt. Also auch eine menschliche Behandlung etwa im Bereich der Kassen wäre hier durchaus wünschenswert. Deswegen habe ich mir als kleiner Bundesrat, aber begeisterter Föderalist erlaubt, auch das hier anzumerken.

Zum Gesetz selbst, meine Damen und Herren: Leider, so muß ich sagen, ist dieses Gesetz wieder nur ein Teilgesetz. Es wird uns bald eine Novellierung ins Haus stehen. Hiefür trägt einmal das Ministerium an und für sich nicht die Schuld. Was mir bei dieser Materie etwas zu kurz gekommen ist, ist das Wohl des Patienten. Man sollte herausheben, daß durch die verbesserte Ausbildung, die eindeutig mit der Novelle einhergeht, auch der Standard der Pflegebetreuung und die Sicherheit des Patienten wesentlich angehoben werden sollten, denn es ist ein ganz wichtiger Punkt, daß das Vertrauen in unser Gesundheitssystem – und dieses Gesetz ist ein Teil unseres Gesundheitssystems – verbessert wird.

Wir haben von den Vorrednern schon gehört, daß noch weitere Novellierungen ins Haus stehen, weil einfach der Zeitrahmen zu kurz war. Man mußte diese Anpassung vordringlich vornehmen, aber ich möchte hier gleich einige Dinge anmerken, die bei der zukünftigen Novellierung bedacht werden sollten. Wichtig ist, daß es nicht zu einer Senkung des Standards kommt, denn im Bericht selbst ist von Harmonisierung die Rede, und wenn wir an gewisse Harmonisierungen im


Bundesrat
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EU-Bereich denken, etwa im Bereich des Umweltschutzes, dann sind wir mit unseren Normen, die sehr hoch und sehr gut waren, eigentlich allein stehengeblieben – im Gegenteil, niedrigere Normen haben bei uns Eingang gefunden. Ich möchte hier gar nicht lange über BSE reden, aber das ist solch ein Fall. Diese Harmonisierung sollte also nicht dazu führen, daß es zu einer Senkung des Standards kommt.

Eine weitere kleine Sorge ist, daß sich aufgrund einer allzu großen Kasuistik, das heißt, daß Bestimmungen in großer Vielfalt aufgezählt werden, dann keiner mehr auskennt. Ein Gesetz sollte durchschaubar sein.

Daß es dadurch, daß es Bürgern anderer EU-Staaten auch möglich ist, hier zu arbeiten, natürlich zu einem Druck auf den Arbeitsmarkt bei uns kommen könnte, ist dabei bitte auch zu bedenken. Nach wie vor sind wir ja von der österreichischen Bevölkerung gewählt, und wir sollten auch dafür sorgen, daß diese die Möglichkeit hat, hier auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Soweit, meine Damen und Herren, nur einige Anmerkungen dazu. Als Föderalist bin ich erfreut, daß es zu einer Kostensenkung im Bereich der Länder kommt, denn sonst können sich die Länder meistens ohnehin nicht wehren. Wenn irgendwelche Kosten in irgendwelchen Gesetzen vorgeschrieben werden, dann stehen die Länder meist vor vollendeten Tatsachen. Wenn sie es dann beim Finanzausgleich anmerken, dann wird gesagt: Bitte, vielleicht beim nächsten Mal – oder überhaupt nicht.

Grundsätzlich ist die Kostensenkung erfreulich. Wenn das auch noch zu einer Hebung des Images, des Vertrauens der Patienten führt, dann ist es eine gute Vorlage. In dieser Hoffnung wird meine Fraktion die Zustimmung zu dieser Vorlage geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.20

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Aktiengesetzes, des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des EWIV-Ausführungsgesetzes, des Firmenbuchgesetzes, des Gerichtskommissärsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm, des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Bankwesengesetzes, des Sparkassengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und der Rechtsanwaltsordnung zur EU-bedingten Anpassung des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über die Spaltung von Kapitalgesellschaften und über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz – EU-GesRÄG) (32 und 133/NR sowie 5177/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Aktiengesetzes, des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des EWIV-Ausführungsgesetzes, des Firmenbuchgesetzes,


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614. Sitzung / Seite 33

des Gerichtskommissärsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm, des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Bankwesengesetzes, des Sparkassengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und der Rechtsanwaltsordnung zur EU-bedingten Anpassung des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über die Spaltung von Kapitalgesellschaften und über die Umwandlung von Handelsgesellschaften (EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates dient im wesentlichen der Anpassung des österreichischen Handels- und Gesellschaftsrechts an die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union.

Es handelt sich im einzelnen um Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Aktiengesetzes, des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des EWIV-Ausführungsgesetzes, des Firmenbuchgesetzes, des Gerichtskommissärsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm, des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Bankwesengesetzes, des Sparkassengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie um die Neufassung des Spaltungsgesetzes und des Umwandlungsgesetzes.

Angleichungen beziehungsweise Neuregelungen betreffen unter anderem die Einteilung der Kapitalgesellschaften in "kleine", "mittlere" und "große", im Bereich der Gründung von Aktiengesellschaften vor allem Sacheinlagen, eigene Aktien und Kapitalerhöhungen sowie die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit nur einem Gesellschafter.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile dieses.

10.24

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Mag auch diese Materie, die wir vom Berichterstatter sozusagen in einer Erstvorlesung zur Kenntnis genommen haben, ein wenig spröde und ein wenig trocken klingen und ist auch mancher von Ihnen versucht, zur Zeitung zu greifen, so möchte ich trotzdem auf die große Bedeutung und den Hintergrund dieser Gesetzesmaterie hinweisen. Der Hintergrund sind nämlich die Klein- und Mittelbetriebe, der Mittelstand, der vielfach als Kapitalgesellschaft, GesmbH oder Aktiengesellschaft strukturiert ist, und für diese Aktiengesellschaften und GesmbHs soll nunmehr eine Harmonisierung, soll eine Rechtsanpassung an die bestehenden Richtlinien, so wie es das EWR-Abkommen vorsieht, so wie es der Beitrittsvertrag vorsieht, vorgenommen werden.

Ich darf, noch einmal zurückkommend auf die KMUs – die Klein- und Mittelbetriebe –, an deren große Bedeutung erinnern, um die wir mittlerweile alle wissen. Sie sind das Rückgrat der Wirtschaft. Ihr Anteil in der Europäischen Union macht über 90 Prozent aus, etwa 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird von ihnen erzeugt, 70 Prozent der Beschäftigungsreserve findet sich in diesen Betrieben.

Also es geht hier wirklich um eine bedeutende Materie, und ich möchte ausdrücklich betonen, daß sich die Union dieser Bedeutung der KMUs sehr wohl bewußt ist und in verschiedensten Aktionsprogrammen Förderungen und Hilfestellungen anbietet, und zwar Hilfestellungen im materiellen Bereich, aber natürlich auch im immateriellen Bereich. In diesem immateriellen


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Bereich wird verschiedenes Know-how zur Verfügung gestellt, und es wird auch an die Mitgliedsländer appelliert, mit Hilfe von gesetzlichen Rahmenbedingungen etwas zu tun.

Wenn es nun darum geht, die Harmonisierung des Gesellschafts- und Handelsrechts vorzunehmen, geschieht dies ordnungsgemäß innerhalb der zweijährigen Frist. Es war dies eine sehr lange Vorbereitungszeit, und ich glaube, daß wir eine gute Lösung gefunden haben.

Es geht im wesentlichen darum, die sogenannte Publizitätsrichtlinie, die Kapitalrichtlinie, die Verschmelzungs- und Umgründungsrichtlinie umzusetzen. Was heißt das im Klartext? – Es geht darum, daß wir dem Umstand Rechnung tragen müssen, daß in der Union ein Überleben für unsere Klein- und Mittelbetriebe nur dann gegeben ist, wenn diese Unternehmen zum einen versuchen, eine Vernetzung, eine Verflechtung mit Partnergesellschaften einzugehen, andere Standorte zu gründen, zum anderen werden wir natürlich versuchen, Investoren aus den anderen Mitgliedsländern zu uns zu bekommen. Und als gesetzlicher Rahmen dafür, als gesetzliche Basis, sozusagen als Rechtsstandard dient nunmehr diese Änderung des Gesellschaftsrechts und des Handelsrechts. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt einen Grundsatz, nämlich den der Publizität. Diese Publizität soll erwirken, daß es zu Transparenz kommt, daß eine gegenseitige Offenlegung erfolgt. Der Geschäftspartner oder der Partner, der sich an einer anderen Gesellschaft oder an einem anderen Unternehmen beteiligt, soll wissen, woran er ist, nicht nur durch eine aktuelle Bilanz, sondern auch durch Bilanzen, die in die Vergangenheit zurückgehen. Diese Offenlegung soll in der Weise präventiv wirken, daß man dadurch eine Insolvenz allenfalls frühzeitig erkennt. Eine Insolvenz im Ausland, in einem Mitgliedsland zu erkennen, ist mitunter sehr schwer. Es wird das nunmehr durch eine Einschaumöglichkeit in das ADV-Firmenbuch möglich sein, das wir dankenswerterweise infolge der großen Mühe und Initiative des Justizministeriums – federführend dabei war auch der hier anwesende Justizminister Dr. Michalek – bekommen haben und das ausgezeichnet funktioniert.

Es wird bei dieser Gesetzesmaterie nunmehr auch genau geregelt, inwieweit die Notare Eingaben im ADV-Bereich machen können. Es wird zusätzlich auch den Rechtsanwälten die Möglichkeit gegeben, sich hier anzuschließen, wenn sie sich darauf spezialisieren.

Zunächst geht es also um diese Offenlegungspflicht, die dann auch durch entsprechende Bilanzregelungen ergänzt wird.

Es soll erwirkt werden, daß eine Umgründung stattfindet, und zwar eine Umgründung, die gewährleistet, daß die Wertverhältnisse transparent bleiben, daß die Wertverhältnisse überschaubar bleiben. Es soll eine Kapitalsicherung dadurch vorgenommen werden, daß es das Publizitätsprinzip gibt.

Meine Damen und Herren! Alles in allem handelt es sich hiebei um eine bedeutende Änderung des Gesellschafts- und Handelsrechtes. Es ist eine pflichtgemäße Änderung, die uns von der Union auferlegt wird.

Ich möchte an dieser Stelle noch ein persönliches Anliegen vorbringen, etwas, was ich im Zusammenhang mit den Aktionsprogrammen für KMUs immer wieder feststellen muß. In der Diskussion auf Unionsebene müssen wir immer wieder feststellen, daß unsere Betriebe und Unternehmen sehr diskriminiert sind, wenn es darum geht, Betriebsgründungen im Ausland vorzunehmen. Die Betriebe in Österreich sind diskriminiert, weil wir durch eine Regelungswut, durch eine Gesetzesflut auf Landesebene, aber auch auf Bundesebene eine Vielzahl von Genehmigungen vorsehen. Das ist eine überbordende Bürokratie. Ich glaube, wir sollten diesem Umstand Rechnung tragen, wir sollten in unseren Bundesländern, aber natürlich auch auf überregionaler, auf nationaler Ebene dafür sorgen, daß diese Benachteiligung gegenüber anderen Mitgliedsländern beseitigt wird. In diesem Sinne möchte ich schließen und sagen, daß meine Fraktion diesem Beschluß gerne ihre Zustimmung geben wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.32


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Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Karl Wöllert. Ich erteile es ihm.

10.32

Bundesrat Karl Wöllert (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der gemeinsame Markt des sich zunehmend integrierenden Europa verlangt eine weitestgehende Harmonisierung vor allem der wirtschaftlichen und sozialen Rechtsvorschriften. Über die wirtschaftlichen Rechtsvorschriften hat Kollege Dr. Linzer bereits ausführlich berichtet. Wir sind auch heute bei den wirtschaftlichen Rechtsvorschriften. Ich gehe aber davon aus, daß wir uns noch in vielen Sitzungen dieses parlamentarischen Gremiums auch mit den sozialen Bereichen der Europäischen Union zu befassen haben werden.

Mit dem EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz werden nunmehr die bisher noch nicht umgesetzten handels- und gesellschaftsrechtlichen Rechtsnormen der europäischen Gesetzgebung angeglichen. Die Umsetzung dieser Normen bringt natürlich eine umfassende Änderung des österreichischen Handels- und Gesellschaftsrechtes mit sich. Sie, Herr Minister, sind dabei diese Rechtsnormen dem europäischen Standard anzupassen. Das ist eine sehr breite Palette; und sie beginnt beim Handelsgesetzbuch und geht über Aktiengesetz, GmbH-Gesetz, Firmenbuchgesetz, Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, Bankwesengesetz, Sparkassengesetz, Versicherungsaufsichtsgesetz bis hin zum Gerichtsgebührengesetz. Es handelt sich daher – das ist schon erwähnt worden – um die größte Änderung des österreichischen Handels- und Gesellschaftsrechtes seit fünf Jahrzehnten.

Da und dort wurde kritisiert, daß die Zweijahresfrist, die uns durch den EWR-Vertrag mit Stichtag Jänner 1996 vorgegeben war, nicht ganz eingehalten werden konnte. Dazu ist festzustellen und wurde zum Teil hier schon gesagt, daß erstens der EWR-Vertrag durch den EU-Vertrag überholt ist und zweitens es durch diese – unter Anführungszeichen – "Verzögerung" doch möglich war, auch eine Reihe von Bedenken und Anregungen Betroffener vernünftigerweise einzuarbeiten. Darüber hinaus waren noch Änderungen und Anpassungen durch die Beschlußfassung über das Strukturanpassungsgesetz vom 30. April dieses Jahres notwendig, die durch die erwähnte Verzögerung ebenfalls terminlich untergebracht werden konnten.

Festgestellt muß in diesem Zusammenhang auch noch werden, daß es für jene österreichischen Firmen, die im europäischen Raum tätig sind, dadurch nicht nur keine Nachteile gab, sondern daß sie in Wirklichkeit sogar froh waren, diese Verschnaufpause – wenn ich das so sagen darf – bekommen zu haben.

Außerdem kann es nicht so sein, daß ausgerechnet der Neue in der Gemeinschaft sozusagen seinen Rucksack mit all den Beschwerlichkeiten, die ein so enormes Projekt, wie es das Entstehen eines europäischen Staatengefüges bedeutet, auf die Stunde genau umzusetzen hat – ohne Rücksicht auf Notwendigkeiten, wirtschaftliche Bedenken und soziale Aspekte. Wäre dem so, würde die entstehende Staatengemeinschaft ihren ersten gravierenden Fehler begangen haben.

Wir verfügen nunmehr durch diese EU-Anpassungsgesetze also über europäisch einheitliche rechtliche Standards zur Verwirklichung des Grundprinzips der Niederlassungsfreiheit in allen EU-Mitgliedsstaaten. Es sind nun vor allem gleichwertige Bestimmungen für den Gläubiger- und Aktionärsschutz gegeben, wobei hinzuzufügen ist, daß Österreich schon vor geraumer Zeit durch die Einführung des Rechnungslegungsgesetzes Grundnormen der wirtschaftlichen Führung eines Unternehmens fixiert hat. Nun werden durch diese neuen Bestimmungen auch verbesserte internationale Vergleichswerte und wirtschaftliche Kennzahlen sowie die Überprüfung und Offenlegung von Jahresabschlüssen aller Kapitalgesellschaften möglich.

Derartige vergleichbare Informationen über die Ertrags-, Finanz- und auch Vermögenslage werden also künftig im gesamten EU-Raum zu wesentlich mehr Transparenz, aber auch zu mehr Aussagekraft über den jeweiligen Betrieb beziehungsweise Konzern führen. Dies sollte sowohl zu einer rechtzeitigen wirtschaftlichen Situationsanalyse für die Unternehmensführung und damit auch zu einem rechtzeitigen Maßnahmenkatalog im Falle drohender wirtschaftlicher Probleme


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führen, als auch zur Früherkennung und möglichen Vermeidung von Insolvenzen. Besonders bemerkenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang aber auch, daß damit den Dienstnehmern und deren Vertretern ein entsprechender Einblick in die Entwicklung des Betriebes gewährt werden kann.

All diese positiven Aspekte sind verständliche Gründe, diesem EU-Gesellschaftsrechtsänderungsvertrag positiv gegenüberzustehen.

Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden Antrag selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.38

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich erteile es ihm.

10.38

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einen Überblick über die gegenständliche Materie, die zur Behandlung ansteht, haben meine beiden Vorredner schon gegeben, sodaß ich nur punktuell auf das eine oder andere noch eingehen möchte.

"Anpassung an die EU" ist in Zeiten wie diesen häufig zu einem Reizwort geworden, weil es oft mit Verschlechterung für Österreich gleichgesetzt wird oder man Verschlechterungen befürchtet. Im gegenständlichen Fall dürfte dies selbst nach kritischer, freiheitlicher und EU-kritischer Prüfung nicht der Fall sein, denn bei der Anpassung von Bilanzierungsvorschriften, von Firmenverschmelzungsvorschriften oder vom Firmenniederlassungsrecht ist es zweifellos sinnvoll, das europaweit mit Rechtssicherheit in einem gemeinsamen Markt klar zu gestalten.

Bei den Verbesserungen in der Bilanzgliederung gefällt mit insbesondere der Ausweis von Eventualverpflichtungen, der nun ausgeweitet wird, gut. Das ist auch im Sinne des Gläubigerschutzes.

Weiters hat der Nationalrat – im Gegensatz zur Regierungsvorlage – hinsichtlich der elektronischen Kommunikation mit dem Firmenbuch eine Änderung durchgeführt. Es war ursprünglich – über diese Änderung ist vielleicht mein Vorredner von der ÖVP nicht glücklich; ich glaube, Sie sind Notar – eine gewisse Monopolisierung für Notare geplant. Ich glaube, daß es im Sinne eines breiteren Angebots für die Nachfrager besser ist, wie eben jetzt auch im Gesetz vorgesehen, daß auch Rechtsanwälte da entsprechend mitwirken können.

Wie mein Vorredner möchte ich darauf hinweisen, daß das Firmenbuchgesetz 1991 wirklich ein hervorragendes Gesetz war, zumindest was die praktische Anwendung für die Adressaten betrifft. Die EDV-mäßigen Abfragen funktionieren klaglos, und für jeden Firmenbuchinteressierten hat das im Gegensatz zu früher wesentliche Entlastungen im Aufwand und in der Bürokratie gebracht.

Meine Vorredner haben einiges zur Publizitätspflicht von Unternehmen hier kundgetan. Ich möchte, weil hier nur in Richtung Gläubigerschutz argumentiert wurde, darauf hinweisen, daß diese Publizität sehr wohl in einem Spannungsfeld zwischen dem Gläubigerschutz auf der einen Seite und dem Datenschutz auf der anderen Seite steht.

Natürlich sind Gläubigerschutzinteressen höchst legitim. Wir leben in Zeiten der Pleitewelle, und insbesondere für die Kreditschutzverbände und ähnliche Dateien wird dieser Einblick Verbesserungen bringen.

Aber auch der Datenschutz ist ein grundsätzlich legitimer Anspruch. Inwieweit die Praxis diesbezüglich Probleme bringen wird, können wir, so glaube ich, erst nach einer Probezeit sehen. Denn so einfach ist das nicht! Daß etwa Mitbewerber oder Kunden Bilanzeinblick erhalten sollen, wird unter Umständen besonders den tüchtigen Unternehmern auf den Kopf fallen, zum Beispiel wenn der Kunde feststellt, daß gute Gewinne ausgewiesen werden, und es auf der


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anderen Seite um Preiskämpfe zwischen Kunden und Lieferanten geht. Das könnte in Summe doch unfair zu Lasten erfolgreicher Unternehmen ausgehen.

Von Kollegen Wöllert wurden die Mitarbeiter als Bilanzadressaten genannt. Das ist sicherlich ebenfalls legitim. Das könnte man aber auch über Betriebsräte oder andere Maßnahmen abwickeln, ohne daß gleich praktisch die gesamte Öffentlichkeit Einblick in Bilanzmaterial hat. Weiters denke ich da an Adressenverlage, Marketinginstitute, die sicherlich diesen Einblick für neue Geschäftsfelder nutzen werden. Ich halte das für einen Bereich, den wir nach einer Probezeit noch einmal beurteilen und einer Manöverkritik unterziehen müssen.

Die genannten Hoffnungen in Richtung Insolvenzfrüherkennung sind zwar da, aber wir sollten uns, so glaube ich, nicht allzuviel davon erwarten. Durch den raschen Strukturwandel stehen heute – ich weiß das aus leidvoller eigener Berufspraxis als Bankmitarbeiter – Firmen vor dem Konkursrichter, die noch vor zwei Jahren als gute Adressen gehandelt wurden. In Zerschlagungsbilanzen, in Insolvenzverfahren zerplatzen Aktiva, wie Lagerbestände, Forderungen, maschinelle Anlagen, Halbfabrikate et cetera, häufig wie Seifenblasen, und so kann im Grunde über Nacht eine Bilanz, die noch vor eineinhalb Jahren ein angemessenes Eigenkapital ausgewiesen hat, plötzlich eine gewaltige Überschuldung ausweisen. Vor derartigen Situationen wird uns keine wie immer geartete Publizitätsvorschrift schützen.

Kollege Dr. Linzer hat über die Klein- und Mittelbetriebe ausgeführt, daß diese besonders unter der Gesetzesflut und Regelungswut leiden. Ich stimme dem völlig zu, kann mir aber den Hinweis nicht verkneifen, daß dieser Appell besonders in Ihrer eigenen Partei gehört werden sollte. Es ist sicher positiv, wenn Sie zum Mitstreiter werden!

Insgesamt handelt es sich zweifellos um bedeutende Klarstellungen in einem Bereich, der sich äußerst trocken liest: die Regierungsvorlage mit vielen Seiten; es ist Spezialwissen erforderlich, um sich da zurechtzufinden, zumindest mußte ich dabei Spezialwissen einholen. – Insgesamt ist es eine bedeutende Reform, und es gibt aus freiheitlicher Sicht keinen Grund, dagegenzustimmen, und wir werden diesen Antrag unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.45

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. Ich erteile es ihm.

10.45

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da dies die größte Änderung des Handels- und Gesellschaftsrechtes in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg ist, möchte ich – trotz des offenkundig auch im Bundesrat herrschenden Gleichklangs – doch auch ein paar Worte zur Materie sagen.

Ich möchte schlagwortartig noch einmal herausheben, daß es im Hinblick auf die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung in einem sich zunehmend integrierenden Europa notwendig ist, zur Sicherung auch des eigenen Wirtschaftsstandortes die eigene Handels- und Gesellschaftsrechtslage an die EU-Standards anzupassen; auch wird innerhalb der EU weiterhin das Bedürfnis bestehen, fortgesetzt – um die Gesetzesflut hier gleich wieder anzukündigen – weitere Materien des Handels- und Gesellschaftsrechtes zu harmonisieren, denn nur bei einem größtmöglichen Gleichklang der wirtschaftsrelevanten Gesetze können die Freiheiten, die der gemeinsame Markt mit sich bringt, verwirklicht werden.

Es geht in der vorliegenden Materie insbesondere darum, gleichwertige Bestimmungen des Gläubiger- und Aktionärsschutzes zu schaffen, aber auch Bestimmungen, die der Sicherung und Erhaltung des Unternehmenskapitals dienen sollen. Dem dient, wie hier schon ausgeführt wurde, vor allem die Angleichung des Rechnungslegungsrechtes. Diese Bestimmungen über die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung der Jahresabschlüsse aller Kapitalgesellschaften wird eine bessere – auch internationale – Vergleichbarkeit der Einzel- und Konzernabschlüsse ermöglichen. Es wird mehr Aussagekraft bestehen, es wird eine größere Transparenz gegeben sein. Es wird auch zu einer besseren und früheren Eigeninformation der Unternehmer kommen, aber auch dem Schutz der Gesellschafter, der Gläubiger und auch der Arbeitnehmer des Unter


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nehmens dienen. Damit wird letzten Endes auch – das war auch der Grund, warum wir einer Verlängerung der Aufstellungsfristen nicht zugestimmt haben – ein Beitrag zur Früherkennung und möglichsten Vermeidung von Insolvenzen geliefert.

Da Unternehmen, um konkurrenzfähig zu sein, auch eine optimale Unternehmensstruktur aufweisen müssen, die sich aber den jeweiligen, rasch ändernden, aktuellen Rahmenbedingungen – auch steuerlicher Natur – anzupassen hat, wurde auch das Umgründungsrecht neu geregelt, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf den Schutz der Gläubiger einerseits und der Gesellschafter, insbesondere der überstimmten Minderheitsgesellschafter, andererseits.

Angeschnitten wurden heute auch die Neuregelungen im Firmenbuchgesetz über die elektronische Anbringung beziehungsweise Entgegennahme und Weiterleitung von Anmeldungen zur Eintragung in das Firmenbuch durch Rechtsanwälte und Notare. Ich möchte doch auch hier ein Mißverständnis, das mit der Rechtsanwaltschaft schon längst bereinigt wurde, aufklären: Es war niemals an eine Monopolisierung des EDV-Verkehrs im Firmenbuchbereich zugunsten der Notare gedacht. Der Unterschied zwischen der Regierungsvorlage und der Endfassung dieses Gesetzes ergibt sich aus folgendem: Der elektronische Rechtsverkehr wird durch Verordnung geregelt; diese Verordnungsregelung war und ist für vermutlich die zweite Hälfte dieses Jahres vorgesehen. Nur hinsichtlich der Notare sollte und wird nun auch eine Verpflichtung eingeführt werden, Firmenbuchanmeldungen, auch fremdverfaßte Firmenbuchanmeldungen entgegenzunehmen, und zwar gebührenlos, ADV-gerecht aufzubereiten und elektronisch an das Gericht weiterzuleiten. Der elektronische Rechtsverkehr als solcher wird daneben, wie erwähnt, durch Verordnung geregelt.

Neu ist die im Zuge der parlamentarischen Beratung mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag ausgehandelte oder von diesem gewünschte gesetzliche Regelung, daß auch die Rechtsanwälte verpflichtet werden sollen – zur Beförderung des elektronischen Rechtsverkehrs zwischen den Rechtsanwälten und den Gerichten ganz allgemein –, über die entsprechende technische Ausstattung zu verfügen. Man erwartet sich natürlich, daß davon auch Gebrauch gemacht wird, ohne daß allerdings eine Verpflichtung der Rechtsanwaltschaft, sich dessen auch tatsächlich zu bedienen, eingeführt wird. – Das wollte ich nur als Ex-Notar, um etwaigen Verdächtigungen rechtzeitig vorzubeugen, gesagt haben.

Ganz allgemein ist der Schritt des EDV-Zugangs zum Firmenbuch ein weiterer wichtiger Schritt auf unserem Weg zur Erneuerung des Justizbetriebs durch Einsatz moderner Informationstechniken. – Danke vielmals. (Allgemeiner Beifall.)

10.52

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

10.52

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dort beginnen, wo der Herr Bundesminister geendet hat, und zwar bei der Frage Notare und Rechtsanwälte. Es war am Beginn tatsächlich so, daß die Rechtsanwaltskammer doch die Gefahr gesehen hat, hier ungleich behandelt zu werden, und daß es massive Vorstöße gegeben hat, diese Ungleichheit nicht zum Tragen kommen zu lassen, und daß eine Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes im Gesetz tatsächlich angeregt wurde.

Die Rechtsanwaltskammer hat sich damals sogar bereit erklärt, die Kosten für alle technisch notwendigen Voraussetzungen für den Zugang zur elektronischen Datenverarbeitung – pro die Kanzlei zirka 50 000 S bis 100 000 S – sofort zu übernehmen, weil insbesondere auch das Mahnverfahren der Rechtsanwälte zu zwei Drittel schon über EDV abgewickelt wird. Es ist richtig, was der Herr Bundesminister hier gesagt hat, daß man nämlich dann letztlich einen Kompromiß gefunden hat, der vertretbar gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Die Beschlußfassung über dieses EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz ist heute schon ausführlich diskutiert worden. Weil aber eines noch nicht ausge


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sprochen wurde, möchten wir von den Freiheitlichen hier das Justizministerium ausdrücklich für diese Arbeit loben. Es ist eine gescheite, vernünftige und trotz dieser schwierigen Materie doch sehr übersichtliche Arbeit, und es war tatsächlich eine ausgesprochen hochkarätige Expertenrunde, eine hochkarätige Juristenrunde hier am Werk. Diesbezüglich hebt sich das Justizministerium offensichtlich sehr stark von anderen Ministerien ab.

Gestern war im Ausschuß zu erfahren, daß es eine äußerst umfangreiche, ja die umfangreichste Gesetzesmaterie seit Jahren ist. – Das ist uns selbstverständlich bei 334 Seiten Regierungsvorlage, Herr Kollege Rockenschaub, auch selbst aufgefallen. Das war keine Frage. Wir von den Freiheitlichen haben aber nie verstanden und verstehen es auch heute noch nicht, warum die österreichischen Verhandler in Brüssel die Vereinbarung einer Übergangsfrist übersehen haben. Jedenfalls ist eine solche nicht zustande gekommen. Wir haben diese Auskunft auch gestern im Ausschuß so erhalten.

Eine Anpassung – das ist heute schon gesagt worden – an das EU-Recht hätte aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum – diese ist mit 1. 1. 1994 in Kraft getreten – binnen zwei Jahren erfolgen sollen, das heißt, wir haben eine zumindest sechsmonatige Verspätung. Auf unsere Frage, ob daraus Nachteile für die österreichische Wirtschaft entstehen, wurde uns zwar kein konkretes Nein zur Antwort gegeben, aber man glaubt im Justizministerium, daß das nicht der Fall sein wird. Eigentlich haben wir ja nicht sechs Monate Verspätung, sondern sogar 18 Monate Verspätung, weil die Anpassungen spätestens mit dem EU-Beitritt am 1. 1. 1995 fertig und beschlossen hätten sein sollen. Damals hat man, wie gesagt, auf die Vereinbarung von Übergangsbestimmungen offensichtlich vergessen.

Auch jetzt, meine Damen und Herren, haben wir keine Übergangsbestimmungen. Sie lesen in der Vorlage, daß dieses umfangreiche Gesetzeswerk schon am 1. 7. in Kraft tritt. Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, daß in der österreichischen Wirtschaft keine Vorbereitungen auf diese neue Situation notwendig sind? – Allenfalls auftauchende Probleme nehmen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, offensichtlich in Kauf. – Ich möchte das ausdrücklich festhalten.

Probleme wird es jedenfalls bei der Rechnungslegung geben. Aber da ist eine Übergangsfrist bis zum 1. 1. 1997 vereinbart, das ist sicherlich sehr vernünftig.

Wir Freiheitlichen – Kollege Rockenschaub hat das schon gesagt – werden heute zustimmen, weil im Justizministerium tatsächlich mit Akribie gearbeitet wurde, weil diese Anpassung notwendig ist, weil Rechtsunsicherheit verhindert wird – diese will niemand –, aber auch deshalb, weil eine Reihe von Sachfragen in unserem Sinn, im Sinne der Freiheitlichen erledigt worden ist, und weil hier zum Teil auch alte Forderungen erfüllt worden sind, insbesondere etwa die Frage der Aufspaltung, der Trennung von Gesellschaften, die in Hinkunft auch mehrheitlich möglich sein wird. Eine Trennung bei einer Aktiengesellschaft oder GesmbH war bisher nur einstimmig möglich; eine kleine Aktienminderheit konnte tatsächlich eine Aufspaltung, eine Trennung verhindern. Wir waren immer dafür, daß nicht nur die Zusammenführung von Gesellschaften, sondern auch die Trennung, die Auflösung von Gesellschaften mit Mehrheit möglich sein müßte.

Wir Freiheitlichen sind auch stets dafür eingetreten, daß der Weg zu Kapitalgesellschaften auch einzelnen natürlichen Personen offenstehen muß. Bisher war es so, daß eine einzelne natürliche Person keine Gesellschaft gründen konnte. Es hat in jedem Fall eines Strohmannes bedurft, und zwar nur für die Gründung, der Strohmann konnte kurz darauf ausscheiden. Wir haben das nie als sinnvoll erachtet. Das ist in Hinkunft besser und sinnvoll geregelt.

Ob die Gründung neuer Gesellschaften dadurch sehr erleichtert ist, wage ich zu bezweifeln, denn das Sparpaket der Regierung hat diesen positiven Aspekt sofort wieder verwässert. Ich verweise nur auf die Mindestkörperschaftssteuer in Höhe von 50 000 S – egal, ob nun ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird – auch in den Anlaufjahren eines Betriebes, wenn ein Verlust bei kleinen Gesellschaften wahrscheinlich nicht zu verhindern sein wird.

Abschließend noch zur Frage, wie viele Aufsichtsratsposten ein einzelner in der Gesellschaft übernehmen sollte. Das ist sehr individuell zu beurteilen. Aber die diskutierte Ungleichheit


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zwischen Aufsichtsräten aus der Privatwirtschaft und Aufsichtsräten aus dem öffentlichen Dienst hat wohl keine vernünftige Begründung. Für uns Freiheitlichen ist in diesem Zusammenhang weniger immer mehr. Zehn oder mehr Aufsichtsratsposten sind zweifellos ein Unding. Das gehört unserer Meinung nach sogar untersagt, weil insbesondere die Sorgfaltspflicht darunter einfach leiden muß.

Wir wären auch dafür, daß die Regelung der Publizität, der Offenlegung, von der Kollege Rockenschaub gesprochen hat, auch für solche Fälle gelten sollte, in denen ein Aufsichtsrat neu gewählt werden soll. Wir glauben, daß ein Aufsichtsrat dann selbst erklären müßte, in welcher Gesellschaft er bereits derartige Funktionen übernommen hat. Das ist bisher noch nicht lückenlos der Fall.

Daß es bei der Inanspruchnahme von Verantwortlichkeiten bei Aufsichtsräten immer wieder Schwierigkeiten gibt, daß es sehr oft die falschen erwischt, wissen wir alle. Wir glauben, daß diese Positionen sehr oft leichtfertig übernommen werden. – Sie alle, meine Damen und Herren, kennen ja das Bonmot, daß ein Aufsichtsrat in guten Zeiten nutzlos ist und in schlechten Zeiten hilflos. – Daran ist sicher sehr viel Wahres.

Abschließend: Wir Freiheitlichen sind dafür, daß jemand nur dort einen Aufsichtsratsposten übernehmen soll, wo er vom Geschäft etwas versteht und wo er für das Unternehmen nützlich sein kann, wo er aber auch Verantwortung für das Wohlergehen des Unternehmens übernimmt und sich dessen voll bewußt ist. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.59

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es meldet sich soeben Herr Bundesrat Dr. Linzer. Ich erteile dem Herrn Bundesrat das Wort.

10.59

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! In aller Kürze: Kollege Harring, ich will nicht belehrend wirken, aber ich muß darauf eingehen, weil es sich um eine wesentliche Frage handelt, die Sie angeschnitten haben, nämlich das nicht rechtzeitige Eintreten.

Ich glaube, das ist an sich rechtlich klar: Laut EWR-Abkommen hat man die Übernahmsregelungen des EWR-Abkommens mit dem Beitritt per 1. 1., mehr oder minder sistiert. Ab damals lautet die Übergangsregelung zwei Jahre. Wir sind also innerhalb der Frist.

Im übrigen, glaube ich, werden Sie mir doch zustimmen, weil Sie das auch immer selbst gelobt haben, daß eine hervorragende, hochqualifizierte Arbeitsgruppe tätig war, und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Ich glaube, Sie stimmen auch zu und zeigen, daß Sie sich damit identifizieren können; ein Husch-Pfusch-Gesetz wäre auch nicht Sinn der Sache gewesen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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614. Sitzung / Seite 41

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung (7 und 60/NR sowie 5178/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Grete Pirchegger übernommen. Ich ersuche sie höflich um den Bericht.

Berichterstatterin Grete Pirchegger: Gerade bei grenzüberschreitenden Gewässern erscheint es wenig sinnvoll und nicht zielführend, Regelungen über eine wirksame Emissionsbeschränkung lediglich im nationalen Bereich zu erlassen. Österreich ist derzeit bereits Partei von völkerrechtlich verbindlichen Instrumentarien, welche unter anderem auch die Probleme im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Auswirkungen von Gewässerverschmutzungen behandeln.

Die gegenständliche Konvention zielt auf verstärkte Zusammenarbeit mit dem Ziel einer wirksamen Emissionsbeschränkung sowie auf Zusammenarbeit zur Erhebung des Ist-Zustandes der Gewässer innerhalb sowie zwischen den Vertragsstaaten ab, wodurch primär die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Gewässerverschmutzungen verringert werden sollen.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist der gegenständliche Staatsvertrag in französischer und russischer Sprachfassung dadurch kundzumachen, daß dieser zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft aufliegt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Nationalrat hat anläßlich der Beschlußfassung im Gegenstand im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

11.04

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Einleitend darf ich festhalten, daß es bei grenzüberschreitenden Gewässern wichtig ist, nationale und internationale Regelungen zu erarbeiten, in denen auch die Ober- und Unterliegerstaaten einbezogen sind.

Der Beschluß des Nationalrates sieht eine verstärkte Zusammenarbeit vor, und die wesentlichen Regelungsschwerpunkte, die mir wichtig erscheinen, sind: die Verhütung, Vermeidung, Bekämpfung und Verringerung grenzüberschreitender Beeinträchtigungen, die Einführung von Überwa


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chungsprogrammen hinsichtlich des Zustandes grenzüberschreitender Gewässer, die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und Entwicklung wirksamer Verfahren zur Verhütung, Vermeidung, Bekämpfung und Verringerung von grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen und die Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit über den Zustand grenzüberschreitender Gewässer – um nur die wesentlichsten Punkte zu nennen.

Dazu sei noch bemerkt, daß man natürlich vorausschauend denken muß. Die Gefahren werden immer größer, und im Zusammenhang mit der Donau möchte ich die Inbetriebnahme des Rhein-Main-Donau-Kanals ansprechen. Wenn man die Zusammenstöße und die auf Grund laufenden Schiffe und die Folgen daraus in Betracht zieht, wenn man den schlechten technischen Zustand der Schiffe aus dem Osten, die unserem Standard bei weitem nicht entsprechen, bedenkt, so muß man sich im klaren sein, daß Unfälle größte Schäden für die Umwelt bedeuten können. Öleinsätze gehören zu den häufigen Einsätzen unserer freiwilligen Feuerwehren, sie tragen zur Schadensbegrenzung wesentlich bei. Dafür und auch für viele andere freiwillige Einsätze – sei es bei Hochwassern, sei es bei Unwettern, wie jetzt zurzeit auch in Kärnten – gilt natürlich der Dank diesen freiwilligen Feuerwehren, aber auch den Rettungseinrichtungen, die unheimlich viel Arbeit leisten.

Stichwort Hochwasser: Ich weiß schon, daß das nicht so unmittelbar mit dem, was wir hier heute zu beraten haben, zusammenhängt, aber wenn man in einer Region zu Hause ist, in der Hochwasser eine große Rolle spielen, dann muß man bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, da diese Auswirkungen haben, die man sich, wenn man nicht davon betroffen ist, kaum vorstellen kann.

Im Artikel 11 unter Abs. 1 steht hier: "Im Rahmen der allgemeinen Zusammenarbeit nach Artikel 9 oder besonderer Vereinbarungen stellen die Anrainerstaaten gemeinsame Programme auf zur Überwachung des Zustandes grenzüberschreitender Gewässer, einschließlich Überschwemmungen und Treibeis, sowie der grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen, und sie führen diese Programme durch." – Das halte ich für besonders bedeutend, denn dieser Hinweis auf die Überschwemmungen ist genau der Punkt, auf den ich hinauswollte.

Daß hier vermehrt Informationsaustausch zu erfolgen hat, daß die Warn- und Alarmsysteme verbessert gehören, daß die Unterrichtung der Öffentlichkeit verbessert werden soll und daß eine gemeinsame Überwachung und Bewertung erfolgen soll, kann man nur nochmals unterstreichen. Das gilt auch für die Hochwasser – ich komme nochmals darauf zurück. Ich erwarte mir durch den Beitritt zur Europäischen Union schon eine Verbesserung der Zusammenarbeit, die eigentlich jetzt schon als gut bezeichnet werden kann.

Es gibt Bereiche – ich denke hier an unseren Donau-Bereich in der Nähe von Passau an der bayerischen Grenze –, wo das Hochwasser eine sehr bedeutende Rolle spielt. Aber auch bei uns am Inn in der Stadt Schärding selbst oder in der Nachbargemeinde Neuhaus stellt das nicht nur für den momentanen Zeitpunkt eine starke Beeinflussung dar, sondern auch auf Sicht, was die Entwicklung dieser Gemeinden und Städte anlangt. Der Gefahrenzonenplan zum Beispiel, der im Zusammenhang mit den Hochwassern erarbeitet worden ist, sieht vor, daß gewisse Zonen überhaupt nicht mehr bebaut werden dürfen, daß gewisse Zonen nicht mehr genutzt werden können, und das sind eben entwicklungshemmende Dinge, die man leider eigentlich überhaupt nicht beeinflussen kann.

Es wäre also sehr notwendig – ich möchte das hier bemerken und keinesfalls mißverstanden werden –, daß man im Bereich der Kraftwerke, denen gegenüber ich grundsätzlich positiv eingestellt bin und die auch sehr positive Auswirkungen für unsere Regionen haben, versucht – nach Möglichkeit rückwirkend –, die Überschwemmungsbereiche oder Retentionsräume wiederherzustellen, damit man bei nahenden Hochwassern zumindest eine gewisse Entschärfung erreichen kann. Das möchte ich hier bemerkt haben, weil ich weiß, wovon ich rede, weil ich weiß, welche Auswirkungen Hochwasser – ich sagte es schon – für die betroffenen Städte und Regionen hat. Es ist also ganz wichtig, daß die Einflüsse und Auswirkungen der Hochwasser im Auge behalten werden und die Maßnahmen für die Zukunft gesetzt werden.


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Zusammenfassend darf ich feststellen, daß man das Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen, die Bemühungen und die zu erwartende noch verbesserte Zusammenarbeit grundsätzlich nur begrüßen kann. Die sozialdemokratische Bundesratsfraktion wird gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.10

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

11.10

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Ich bin mit der Absicht hierher nach Wien gefahren, diese Gesetzesvorlage abzulehnen. Ich habe sie zu Hause durchstudiert und mir dabei gedacht: Wenn all das, was in diesem Übereinkommen steht, auch durchgeführt werden muß, so bedeutet dies natürlich einen ungeheuren Aufwand an Verwaltung. Außerdem wenn dieses Informationssystem dann zum Tragen kommt, würde das für uns in Österreich bedeuten, daß sich ausländische Staaten in unsere Angelegenheiten einmischen können.

Ich habe mir dazu auch eine Rede vorbereitet, die ich aber nun fallenlasse, denn im Ausschuß konnte mich Mag. Nürnberger davon überzeugen, daß ich mit meinen Bedenken nicht recht habe.

Zum einen ist es so, daß wir bereits sehr viele Gremien und Einrichtungen haben, die die Aufgaben, die in diesem Übereinkommen festgehalten sind, durchführen können und durchführen werden. Zum anderen sind wir durch völkerrechtliche Verträge bereits jetzt schon verpflichtet, entsprechende Informationen über Daten unserer Gewässer an Anliegerstaaten weiterzugeben.

Außerdem ist es so, daß dieses Übereinkommen bereits von 21 europäischen Staaten unterzeichnet ist. Österreich hat dieses Übereinkommen 1992 unterzeichnet; 15 Staaten haben dieses Übereinkommen bereits ratifiziert. Wir werden es heute mit dem Beschluß des Bundesrates ratifizieren.

Wie mein Vorredner bereits sagte, dient dieses Übereinkommen vor allem der besseren Zusammenarbeit bestehender Gremien. Es soll dadurch eine bessere Koordination bereits vorhandener internationaler Gewässerschutzkommissionen und eine verbesserte grenzüberschreitende Information erreicht werden. Außerdem sind Bestimmungen über Verfahren zur Streitschlichtung darin enthalten. Damit kann eine Verbesserung der Gewässergüte und Gewässerqualität der grenzüberschreitenden Gewässer erreicht werden. – Die ÖVP-Fraktion stimmt deshalb dieser Vorlage sehr gerne zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.13

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Bösch. Ich erteile es ihm.

11.13

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen. Meine beiden Vorredner sind schon auf Aspekte dieser Übereinkunft eingegangen.

Wir Freiheitlichen sehen in diesem Übereinkommen wesentliche Lücken, vor allem in bezug auf die Haftung bei Umweltschäden und die daraus für die Republik und deren Länder allfällig entstehenden Kosten. Wir werden auch aus diesem Grunde nicht zustimmen – obgleich wir das Anliegen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa bei der Förderung der internationalen Zusammenarbeit zur Verhütung, Bekämpfung und Verringerung der grenzüberschreitenden Wasserverschmutzung sowie zur nachhaltigen Nutzung grenzüberschreitender Gewässer anerkennen.


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Ich möchte aber, meine Damen und Herren, die Gelegenheit nützen, um von der globalen auf die ausschließlich kontinentale Ebene umzusteigen, und an die Notwendigkeit erinnern, daß die Wasserproblematik Österreichs auch in den Gremien der EU verstärkt zu vertreten ist. Dort sind nach unserem Dafürhalten die Interessen Österreichs handfester zu vertreten, als es bislang der Fall ist.

Dem im Bericht der EU-Kommission über die Wasservorkommen im Alpenraum anklingenden Wunsch nach einer Wasserwirtschaftsverwaltung auf europäischer Ebene muß aus unserer Sicht eine klare Absage erteilt werden. In dieser Richtung hat der Vorarlberger Landtag vor kurzem auf freiheitliche Initiative hin beschlossen, daß die Landesregierung ersucht wird:

1. weiterhin massiv gegen die Bewirtschaftung der Wasserressourcen auf europäischer Ebene und für die Beibehaltung des in Artikel 130s Abs. 23 des EG-Vertrages verankerten Einstimmigkeitsprinzips bezüglich Maßnahmen im Bereich der Raumordnung, der Bodennutzung sowie der Bewirtschaftung von Wasserressourcen einzutreten;

2. beim Bund die Schaffung einer Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zur Wahrnehmung der Interessen des Landes, zur Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung zu verlangen;

3. den Schutz der vorhandenen Trinkwasserreserven vor qualitativen und quantitativen Beeinträchtigungen fortzuführen und auszubauen sowie

4. weitere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Wasserreserven Vorarlbergs langfristig zu sichern, und dabei dem jetzigen und künftigen Landesbedarf absoluten Vorrang einzuräumen. Dies beinhaltet auch, den Nutzen aus einer zukünftigen Verwertung heimischen Wassers zugunsten des Landes Vorarlberg und seiner Gemeinden sicherzustellen und diesem Anliegen zuwiderlaufende Geschäfte mit heimischem Wasser durch Dritte zu verhindern.

Was, meine Damen und Herren, die Vorarlberger Landtagsabgeordneten aller Parteien für das Ländle beschlossen haben, sollte auch für die Republik in Ganzen gelten, wenn es darum geht, österreichische Interessen in der EU zu vertreten. Wir Freiheitlichen jedenfalls werden dieses Anliegen konsequent weiterbetreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.17

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm das Wort.

11.17

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Mein Vorredner sagte, daß diese Vorlage von den Freiheitlichen deshalb abgelehnt wird, weil sie bezüglich der Haftungsfragen nicht übereinstimmen.

In diesem Übereinkommen – ich glaube, Sie waren auch im Ausschuß, und Mag. Nürnberger hat uns das mehrmals eindeutig dargelegt – besteht bezüglich Haftungsfragen keine Verpflichtung für Österreich. Also die Begründung dieser Ablehnung ist, glaube ich, sicherlich falsch.

Ich möchte außerdem eines sagen: Wenn Sie glauben, Sie können Brüssel auffordern, im internationalen Gewässerschutz tätig zu werden, Sie aber selbst nicht bereit sind, einem internationalen Abkommen, das weitgehend unverbindlich ist, die Zustimmung zu geben, dann ist das einfach eine falsche Politik und nicht im Interesse unseres Landes. Wir von der ÖVP lehnen eine solche Politik ab, denn eine reine Rosinen-Politik ist keine Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

11.18

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

11.18

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mein Vorredner zwingt mich dazu, hier auch kurz Stellung zu nehmen. Ich war


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selbst in dem Ausschuß und habe die Frage gestellt: Ist die Haftungsfrage geklärt? Beziehungsweise was ist, wenn zum Beispiel bei rumänischen Schiffen, die an den Stränden der Donau in Österreich liegen, Schäden durch Autowracks auftreten, was durch Zeitungsmeldungen bestätigt wurde? Können der Republik oder auch den Ländern dadurch Mehrkosten oder zusätzliche Kosten entstehen?

Das Ministerium hat diese Frage insoweit beantwortet, als nur darauf hingewiesen worden ist, daß die Haftungsfrage in diesem Abkommen nicht berücksichtigt worden ist. – Und wenn die Haftungsfrage nicht berücksichtigt worden ist – sie ist also nicht behandelt worden –, so kann hier von meinem Vorredner nicht behauptet werden – es sei denn, er war nicht anwesend, oder er hat nicht aufgepaßt –, daß die Freiheitlichen eine Rosinen-Politik betreiben.

Die Freiheitlichen lehnen aufgrund dessen, daß die Haftungsfrage beziehungsweise die finanziellen Auswirkungen nicht geklärt sind, dieses Übereinkommen ab.

Uns deswegen eine Rosinen-Politik vorzuwerfen, das, meine Damen und Herren, ist eindeutig eine schlechte Politik der ÖVP, die zwar in letzter Zeit immer mehr hier in diesem Raum zutage kommt, aber ich lehne sie ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meldet sich noch jemand zu Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich ersuche ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (46/NR sowie 5179/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Karl Wöllert übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.


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Berichterstatter Karl Wöllert:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bestehenden steuervertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen entsprechen nicht mehr den Anforderungen des modernen Steuervertragsrechts und bedürfen daher einer Neuregelung.

Durch dieses neue Abkommen soll vor allem die aufgrund der Überschneidung der nationalen Steuerrechte von Österreich und Norwegen bewirkte Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen sowie eine den internationalen Steuervertragsgrundsätzen widersprechende Vermögensbesteuerung in einer den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens und der geänderten internationalen Steuervertragspraxis entsprechenden Weise vermieden werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd. Er hat nicht politischen Charakter und enthält weder verfassungsändernde noch verfassungsergänzende Bestimmungen. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

5. Punkt

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 (III-143/BR sowie 5180/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Bericht enthält neben einem Geleit des Bundesministers, der sozialpolitischen Vorschau und einer Zusammenfassung die Abschnitte Sozialbericht, Tätigkeitsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie Beiträge der Interessenvertretungen.

Die statistischen Daten zur Arbeitsmarktlage, betreffend die Sozialversicherung und die Altersvorsorge der Beamten, zur Einkommensverteilung sowie ein Anhang betreffend Sozialbudget,


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Behindertenangelegenheiten und Krankenhausfinanzierung sind in einem eigenen Datenband enthalten.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales weist im Vorwort darauf hin, daß Österreich auch im Jahr 1994 bewiesen hat, daß sein hoher Sozialstandard und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durchaus vereinbar sind und eine wichtige Grundlage dafür eine offensive und umfassende Beschäftigungspolitik ist, die auch in Zukunft Priorität haben muß; eine aktive Arbeitsmarktpolitik ist zudem notwendig, um die besonderen Probleme einzelner Regionen, Berufs- und Altersgruppen erfolgreich zu lösen und Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen.

Weiters betont der Bundesminister für Arbeit und Soziales, daß der Beitritt zur EU für Österreich neue Herausforderungen und Chancen für eine zeitgemäße Weiterentwicklung des sozialen Systems darstellt. Mit dem Beschluß des neuen Bundesgesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit werden die grundsätzlichen Regelungen von mehr als 20 Richtlinien der EU auf dem Gebiet des technischen und arbeitshygienischen Arbeitnehmerschutzes umgesetzt.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile es ihm.

11.27

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bedauere es außerordentlich, obwohl ich natürlich mit dieser Terminkollision gerechnet habe, daß der Herr Bundesminister für Soziales heute an der Diskussion und an der Behandlung des Sozialberichtes nicht teilnimmt. Ich fühle mit ihm, was seine Schmerzen hinsichtlich der jetzt im Ministerrat zur Behandlung kommenden Krankenkassensanierung anlangt. Es wird sich sicherlich Gelegenheit ergeben, heute im Zuge der Diskussion über diesen Sozialbericht auch zu dieser Frage noch einiges zu sagen. Aber eine Diskussion über den Sozialbericht in Abwesenheit des Sozialministers ist ein äußerst bedauerlicher Umstand und wird der Bedeutung der Sache nicht gerecht.

Ich glaube, es wird Aufgabe der Präsidiale sein, dafür zu sorgen, daß solche Dinge in Hinkunft nicht mehr passieren. Auch wenn alles formal seine Richtigkeit hat, bleiben Einwendungen oder Vorschläge in den Diskussionsbeiträgen natürlich ohne entsprechenden Widerhall.

Ich darf auch bei aller Anerkennung der Erstellung des Berichtes noch darauf hinweisen, daß es natürlich reichlich spät ist, wenn wir fast schon an der Schwelle zum zweiten Halbjahr 1996 den Sozialbericht 1994 abhandeln, wobei sich die Kritik nicht nur an das Sozialministerium richtet – aufgrund der Qualität ist die lange Zeit durchaus verständlich, aber man muß sich die Frage stellen, ob eine solche Qualität wirklich notwendig ist und die Aktualität nicht Vorrang haben sollte –, sondern die Kritik richtet sich natürlich auch pro foro interno. Es muß gelingen, solche Berichte viel rascher auf die Tagesordnung zu setzen, als das im gegenständlichen Fall geschehen ist.

Der Sozialbericht 1994 knüpft an die rezessionsbedingte Stagnation der Wirtschaft und damit der Arbeitsmarktlage im Jahr 1993 an und berichtet einleitend davon, daß die Beschäftigung im Berichtsjahr, also im Jahr 1994, deutlich angestiegen ist.

Das ist an sich eine erfreuliche Tatsache, die aber dadurch entwertet wird, daß wir in der Zwischenzeit 1996 schreiben und zur Jahreswende 1995/96 die höchste Arbeitslosigkeit in Österreich registrieren mußten, die seit 1945 festzustellen war.

Dies ist äußerst bedauerlich und zeigt, daß das Jahr 1994 nicht, wie von Konjunkturforschern, aber auch von seiten der Arbeitsmarktverwaltung angenommen wurde, der Beginn einer neuen


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Aufschwungperiode, der Beginn jener Zeit, die man auch im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über den EU-Beitritt der österreichischen Bevölkerung in Aussicht gestellt hat, eines ständigen Wachstums, einer von zusätzlichen Wachstumsimpulsen aufgrund des EU-Beitritts geprägten Zeit ist, sondern daß dieser EU-Beitritt mit 1. Jänner 1995 ganz andere Auswirkungen gehabt hat, als man ursprünglich angenommen hat; ursprünglich angenommen hat durch möglicherweise guten Glauben, möglicherweise wider besseren Wissens. Jedenfalls waren die strukturellen Auswirkungen, die sich negativ zeigten, stärker als die der Bevölkerung anläßlich der Kampagne zur Volksabstimmung sehr eindringlich vor Augen geführten positiven Auswirkungen.

Es zeigt sich vielmehr, daß eine Reihe von Versäumnissen, die von meiner Fraktion auch im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt immer wieder aufgezeigt wurden, von seiten der Regierungsparteien nicht wirklich ernstgenommen wurden, daß das bewußte Festhalten verschiedener Seiten an überholten Strukturen in Kombination mit der konjunkturellen Entwicklung doch in einer – fast ist man geneigt, so zu sagen – rezessiven Entwicklung der österreichischen Wirtschaft ihren Niederschlag gefunden hat und daß jene Belastungen, die man in Zeiten der guten und positiven Entwicklung der Wirtschaft zugemutet hat, in Zeiten der Rezession nicht mehr verkraftbar waren. All das hat zu den krisenhaften Erscheinungen der letzten Jahre und Monate geführt, die letztendlich in dem Belastungspaket, das diese koalitionäre Regierung der österreichischen Bevölkerung zugemutet hat, ihren Niederschlag gefunden hat, einem Belastungspaket, einem Paket von Belastungen, deren Auswirkungen sich erst jetzt sukzessive mit ihrem Wirksamwerden zeigen.

Bemerkenswert ist, daß heute – zwei Jahre nach der Volksabstimmung – durchaus Aussagen vertreten werden – meiner Meinung nach zutreffende Aussagen –, wonach der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht vorbereitet war. Nichts anderes haben wir Freiheitlichen aus der Opposition, in der wir uns befinden, gesagt und der Regierung vorgehalten, daß sie mehr Anstrengungen, mehr Aufwand in die tatsächliche Vorbereitung der österreichischen Wirtschaft – das meine ich jetzt im umfassenden Sinne dieses Begriffes, also sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite – investieren sollte als in eine Kampagne, mit der dem Volk vorgegaukelt wurde, daß nach dem 1. Jänner 1995 – ich übertreibe und sage es etwas überspitzt – das Paradies auf Erden Österreichs in der EU anbrechen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mitarbeiter dieser Institution, die durch ihre Vertreter heute verkünden, daß der EU-Beitritt nicht vorbereitet war, wurden seinerzeit in aller Öffentlichkeit dafür gescholten, weil sie die Beitrittskosten – wie sich jetzt herausstellt durchaus realistisch – wesentlich höher eingeschätzt haben, als man es seinerzeit offiziell hören wollte. Bei der engen Verflechtung eines modernen Wirtschaftssystems hat dieser Umstand, nämlich erhöhte Zahlungen an die EU, sofort mannigfache Rückwirkungen gehabt, und zwar letztendlich auch Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit.

Ich möchte Sie nicht mit einer Fülle von Zahlen konfrontieren, ganz ersparen kann ich es Ihnen aber nicht, vor allem deswegen nicht, weil kürzlich zu lesen war, daß eine erfreuliche Besserung der Beschäftigungslage eingetreten ist. Nur hat man diese erfreuliche Besserung daran gemessen, daß die Arbeitslosenzahlen im Mai niedriger waren als im Jänner, was natürlich bei der doch in Österreich immer noch sehr hohen Winterarbeitslosigkeit – heuer noch verstärkt durch einen extrem langen Winter – nicht überraschen kann. Vergleicht man die Zahlen der Arbeitslosen vom Mai 1996 mit denen vom Mai 1995, dann sieht man, daß diese Zahlen immer noch höher liegen und daß wir heuer im Mai eine Arbeitslosigkeit hatten, die um gute 3 Prozent höher war als jene im Jahr 1995. Immerhin ist im Vergleich von Jänner zu April 1996 eine Besserung eingetreten, denn in diesen vier Monaten lag die Arbeitslosigkeit im Schnitt noch um rund 11 Prozent höher. Aber ob diese Entwicklung anhält, ist im Augenblick nicht festzustellen. Das heißt, man kann im Augenblick noch nicht sagen, ob es sich um eine saisonbedingte Normalisierung handelt oder ob tatsächlich ein leichter konjunktureller Aufwärtstrend – nicht nur in Österreich, sondern in Europa überhaupt – festzustellen ist. Darüber sind sich die Experten noch nicht ganz im klaren.

Lassen Sie mich auch einige Worte zur Situation in Wien sagen, weil sich die von mir aufgezeigte negative Entwicklung besonders in Wien zeigt. Bei rund 760 000 Beschäftigten – davon


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sind rund 100 000 Ausländer – betrug die Arbeitslosenrate insgesamt in Wien 8,6 Prozent. Das ist ein äußerst negativer Wert im Vergleich zu dem, was wir als Österreichschnitt feststellen können, wobei die ausländischen Arbeitskräfte mit einer Arbeitslosenrate von 12 Prozent über diesem Schnitt lagen.

Interessant ist auch, wenn man sich die Arbeitslosenstatistik anschaut, wie die Arbeitslosigkeit auf die einzelnen Sektoren verteilt ist. Der Dienstleistungsberuf liegt mit rund 46 Prozent an der Spitze, während die Produktionsberufe nur mit 32 Prozent, der Fremdenverkehr mit 15 Prozent und die Bauberufe mit 6 Prozent an der Zahl der Arbeitslosen beteiligt sind. Der Dienstleistungssektor spielt gerade in einer Stadt wie Wien eine wichtige Rolle, und man hat auch im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt immer davon gesprochen, daß sich für eine Stadt wie Wien, auch als Brücke, als Tor zur den ehemaligen Ostblockländern, neue Chancen auftun.

Und ohne eine eingehende Analyse vornehmen zu wollen, muß doch festgestellt werden, daß Wien bedauerlicherweise aufgrund der Wiener Wirtschaftspolitik, wie sie von der sozialdemokratischen Mehrheit im Rathaus betrieben wird, jene Chancen, die sich aus der Ostöffnung ergeben haben, jene Chancen, die sich letztlich auch aus dem EU-Beitritt ergeben, nicht nützen konnte, sondern daß die vom Rathaus verfolgte Politik alle Bemühungen der Wirtschaftstreibenden zum Scheitern gebracht hat.

Wenn in der Diskussion immer wieder davon gesprochen wird, daß die Zahl der ausländischen Beschäftigten nicht von besonderer Relevanz ist, so darf ich hier doch auf den Bericht, auf den uns vorliegenden Sozialbericht 1994 verweisen, bei dem sogar eine Kapitelüberschrift davon spricht, daß ein deutlicher Zuwachs bei der Ausländerbeschäftigung festzustellen ist.

1994 waren insgesamt 291 000 ausländische Arbeitskräfte, davon 186 000 Männer und 105 000 Frauen, beschäftigt. Konjunkturell bedingt ist 1996 ein Rückgang auf 275 000 festzustellen. Diese konjunkturelle Situation zeigt sich aber in einer deutlich höheren Arbeitslosenrate ausländischer beschäftigter beziehungsweise unbeschäftigter Personen. In absoluten Werten ist die Zahl der ausländischen Arbeitslosen mit 2 765 Personen höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Mai 1996 wurden jedenfalls 23 750 ausländische Arbeitslose registriert.

Die jetzt von der Bundesregierung anvisierte Politik des sogenannten Integrationspaketes führt zu einer starken Zuwanderung, die auch in Hinkunft, wenn man die nächsten vier Jahre betrachtet, zu einer Ausweitung des Potentials an ausländischen Arbeitskräften von rund 100 000 führen wird, was für den österreichischen Arbeitsmarkt eine Belastung darstellt, die unserer Meinung nach nicht zu akzeptieren ist. Wir sind nicht allein, auch die Gewerkschaften sehen hier einen Zustrom, der zu einer weiteren Anspannung auf dem Arbeitsmarkt, zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit führen wird, die letztlich nicht verkraftbar ist.

Die Äußerungen von Expertenseite, wonach es zu einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gekommen ist, können nur als Versuch einer freundlichen Optik qualifiziert werden, einer Optik, die wohl ihre Ursachen darin hat, daß diese Experten sehr stark abhängig sind von den Zahlungen, die aus dem Bereich der öffentlichen Hand zur Existenzsicherung der jeweiligen Institute geleistet werden. Wenn man weiterliest und sich nicht nur mit der Überschrift begnügt, dann stellt man fest, es wird auch von Expertenseite zugegeben, daß die Beschäftigung – die ist ja im Grunde die relevante Größe – rückläufig ist.

Es handelt sich hier meiner Meinung nach um eine Entwicklung, die noch längere Zeit anhalten wird, insbesondere was den industriellen, den Produktionsbereich der österreichischen Wirtschaft anlangt, und es wäre höchst an der Zeit, daß man sich mit dieser Entwicklung einmal ernsthaft auseinandersetzt.

Die Industriebeschäftigung ist aus einer Reihe von Gründen rückläufig. Ein wesentlicher Grund ist sicherlich, daß die Kosten des Faktors Arbeit derzeit zu hoch sind, um in allen Produktionsbereichen, in allen Sparten mit den übrigen Anbietern konkurrieren zu können. Das heißt nicht unbedingt, daß auch die Produktion als solche, der Ausstoß der Industrie rückläufig ist, aber man ist immer mehr gezwungen, den Faktor Arbeit durch Investitionen, produktivitätserhöhende Inve


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stitionen zu substituieren und alle Bemühungen darauf auszurichten, die sogenannten Lohnstückkosten, also die Lohnkosten je produzierter Einheit, zu senken.

Eine Folge davon, ohne näher darauf einzugehen, ist zweifelsohne der Umstand, daß die Kapitalproduktivität in Österreich gegenüber unseren Konkurrenten nachhinkt. Das hängt natürlich mit der Inflexibilität vor allem auch im Bereich der Arbeitszeit zusammen. Hier dringend Änderungen, dringend Neuerungen zu schaffen, wurde nicht nur einmal gefordert.

Diese Betrachtung führt weiter zu der Frage, wie es überhaupt um den Wirtschaftsstandort Österreich steht, wobei auch widersprüchliche Aussagen in der Öffentlichkeit erfolgen. Wenn man eine nüchterne, einfache Analyse vornimmt, dann muß man wohl zu dem Schluß kommen, daß es um den Standort Österreich nicht zum besten bestellt ist. In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf Wien zu sprechen:

Wenn ich mir die Plakate der drittstärksten Partei mit ihrem Obmann im Wiener Landtag beziehungsweise Gemeinderat vor Augen führe, auf denen kritisch die hohe Zahl von 65 000 Arbeitslosen angemerkt wird, auf denen dargetan wird, daß der Standort Wien an Attraktivität für neue Investoren verloren hat, dann frage ich mich: Welche Politik wird letztendlich von der ÖVP als Wirtschaftspartei wirklich verfolgt? Auf der einen Seite gibt es die harsche Kritik am Koalitionspartner, auf der anderen Seite in der Regierung die Abstützung, die Absicherung einer Wirtschaftspolitik, die, wie sich auch jetzt wieder anläßlich des EU-Gipfels gezeigt hat, jedenfalls nicht das Beste für Österreich darstellt.

Es ist vielmehr zu befürchten, daß dieser Standort Österreich weiter an Attraktivität verlieren wird. Äußerungen zum Beispiel in jüngster Zeit sprechen davon, daß das Marketing für den Standort Österreich mangelhaft und unbefriedigend ist und daß man es von österreichischer Seite verabsäumt hat, durch gezielte Maßnahmen Österreich auch außerhalb von Europa zu vermarkten. Letztendlich führen natürlich auch die verschiedensten steuerlichen Maßnahmen des Belastungspaketes zu einem weiteren Attraktivitätsverlust, auch wenn von Koalitionsseite immer wieder versucht wird, der Bevölkerung etwas anderes glaubhaft zu machen.

Die Koalition ist natürlich auch gerne bereit, etwaige Großprojekte, wie sie doch allenthalben auch wieder in Österreich realisiert werden, groß zu vermarkten. Wenn man sich aber diese Großprojekte ansieht, dann bemerkt man, daß die Schaffung von neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen – wenn überhaupt – in keiner Relation zu den aufgewendeten Beträgen steht. In manchen Fällen geht es nur darum, mit solchen großen Investitionen die Beschäftigung, wie sie derzeit an diesen Standorten geboten wird, auch für die Zukunft abzusichern. Mögliche Beschäftigungseffekte könnten eventuell bei den für diese Großvorhaben tätigen Zulieferern festgestellt werden, also im Bereich der für Österreich wichtigen kleinen und mittleren Industrieunternehmen, wobei für diese Klein- und Mittelunternehmen, für diese Art von Unternehmen in Österreich praktisch nichts geschieht.

Es wird zwar immer wieder sehr hochtrabend von Gründerinitiativen, vom Beschäftigungsgipfel, wie wir ihn im Februar dieses Jahres erlebt haben, gesprochen, einem Gipfel, dessen Auswirkungen minimal, wenn überhaupt vorhanden sind, aber welche Maßnahmen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, um einer solchen Gründerinitiative neue Impulse zu geben, bleibt offen, und die Realität schaut anders aus.

Wenn ich daran denke, daß kürzlich ein im Umkreis von Wien beheimatetes Unternehmen darüber beredt Klage geführt hat, daß es mehr als anderthalb Jahre gedauert hat, bis die Genehmigung eines Bahnanschlußgleises in Länge von sechs Kilometer alle behördlichen und sonstigen Hürden überwunden hat, dann frage ich mich wirklich, ob das jene österreichische Industriepolitik ist, die als große Attraktivität für die Ansiedelung neuer Unternehmen vermarktet wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Dieses Projekt konnte auch nur unter massivem Druck und mit der Drohung, daß 1 200 Arbeitsplätze gefährdet seien, realisiert werden. Bei der österreichischen Industriestruktur fragt man sich, wie lange und wie viele Unternehmen eine Politik dieser Art auch tatsächlich verfolgen können.


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Wenn wir erst vor wenigen Tagen eine Bilanz gezogen haben über zehn Jahre Bundeskanzler Vranitzky und eine Reihe von Jubelinterviews in verschiedenen Presseerzeugnissen lesen konnten – ich darf aber anmerken, daß es auch durchaus kritische Stimmen in dieser Richtung gegeben hat, die davon gesprochen haben, daß die Wirtschaftsbilanz von zehn Jahren Bundeskanzler Kreisky wenig Glanz aufzuweisen habe –, dann muß man sagen, es ist sicherlich erstrebenswert, sich mit den einzelnen Aussagen des Bundeskanzlers und seinen Vorstellungen und Plänen auseinanderzusetzen.

Ich greife nur einige wenige Dinge, die hier gesagt wurden, deswegen heraus, weil ich diese auch schon vor dieser Jubelbilanz gehört habe, wie die Ankündigung der Rektoren der Technischen Universitäten, über Fragen der Forschungen und Entwicklung zu sprechen. Oder die Bemerkung: Man müßte die hohen Lohnkosten senken, den Hebel bei den Forschungsaktivitäten ansetzen. Ich darf daran erinnern, daß auch schon zu Zeiten der Regierungsbildung immer wieder von einer Forschungsmilliarde die Rede war, die neue Impulse für neue Produktionen, für neue moderne Produkte bringen sollte. All das waren und blieben bisher Ankündigungen.

Die Lehrlingsausbildung sollte reformiert werden, der Abwanderung von Unternehmen ins Ausland sollte entgegengewirkt werden. Die starke soziale Absicherung müßte einer Überprüfung zugeführt werden, unter Anführung der Europalohn sei zu hoch. Vom lebensbegleitenden Lernen war und ist die Rede. Wie schaut denn letztendlich die Realität aus? – Wenn ich mich nur mit Letzteren befasse, dann muß ich bedauerlicherweise – ich habe das von dieser Stelle aus schon mehrmals getan – sagen, daß der Sparkurs, den die Regierung ihren einzelnen Ressorts und Ressortschefs verordnet hat, gerade bei den Universitäten völlig undifferenziert greift und die Ausbildung unserer Jugend, eigentlich unser größtes Kapital, in Frage stellt. Und wenn ich dann neue Aktivitäten im Sinne des lebenslangen, des lebensbegleitenden Lernens verlange, dann muß ich mir schon auch die Frage gefallen lassen, wieweit es in dieser Form möglich ist, solche neuen Aktivitäten auch tatsächlich zu setzen.

Für eine Strukturreform, die zweifelsohne auch im Hochschulbereich, im Universitätsbereich eine dringende Notwendigkeit ist, sind keinerlei Anzeichen vorhanden, sondern man schert nach wie vor alles über einen Kamm.

Auch der nicht mehr dieser Bundesregierung angehörende Minister Ditz hat noch am 6. Mai davon gesprochen, daß es notwendig ist, die Ausbildungsbereitschaft zu heben. Genauso hat der Herr Sozialminister anläßlich einer diesbezüglichen Diskussion im Nationalrat davon gesprochen, daß es notwendig ist, kleine und mittlere Unternehmungen und Unternehmensgründungen zu unterstützen, ohne daß solchen Ankündigungen bisher irgendwelche tatsächlichen Schritte gefolgt sind.

Ich komme noch einmal auf das sogenannte Belastungspaket zurück, das ja eine Bestimmung enthält, die geradezu einer solchen Förderungs- und Gründungsinitiative entgegengesetzt ist. Es ist dies jene Bestimmung, die eine Mindestbesteuerung für GesmbHs vorsieht. Ich habe kürzlich von einem Unternehmer, der von dieser Maßnahme besonders hart betroffen ist, eine Stellungnahme erhalten, aus der ich auszugsweise die eine oder andere Passage hier zitieren möchte:

Noch nie im Verlauf der 50 Jahre seit Kriegsende hat es in Österreich derartig gravierende, ihrem ureigensten Wesen nach radikalsozialistische Fiskaleingriffe in die wirtschaftliche Substanz des Landes gegeben, wie im Bündel aus Mindestkörperschaftssteuer, der Aussetzung von Verlustvorträgen über die nächsten zwei Jahre und der steuerlichen sozialabgabenrechtlichen Destruktion von Werkverträgen. Diese Maßnahmen werden für den Fiskus selbst ein Ausfallsfiasko und für den Wirtschaftsstandort Österreich ein Desaster heraufbeschwören. Österreich ist mit dieser massiven Besteuerung von Verlusten wirklich einmalig in der Welt.

Die sogenannte Mindestkörperschaftssteuer – 50 000 S jährlich – ist von ihrer Konstruktion her nichts anderes als die Erfindung einer Vakuumsteuer, die auf das Nichts zielt, die Mißbildung einer Gewinnsteuer auf Verluste.

All das zeigt, daß man den richtigen Vorhalten der Opposition bei der Behandlung dieses Maßnahmenpaketes, dieses Belastungspaketes nicht wirklich ein Ohr geschenkt hat. Es gibt Länder,


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die ebenfalls zu radikalen Sparmaßnahmen gezwungen waren, in denen aber die Regierung durchaus auch gegenüber der Opposition gesprächsbereit war, um sinnvolle und notwendige Modifizierungen vorzunehmen.

Ich darf noch etwas sagen, was erwähnenswert ist. Es ist möglicherweise nicht menschenverachtend, wie man uns das von verschiedener Seite bei Vorschlägen, die von freiheitlichen Politikern kommen, unterstellt. Was ist schon menschenverachtend daran, wenn man dafür eintritt, daß arbeitslose Ausländer zum Aufbau einer Existenz in ihren Heimatländern eine Rückkehrhilfe erhalten sollen, um sich mit den bei uns gewonnenen Erfahrungen und den entsprechenden finanziellen Mitteln in ihren Heimatländern eine neue Existenz aufzubauen?

Aber vielleicht ist es doch etwas zynisch, wenn von seiten des Bundeskanzlers in einem Interview davon gesprochen wird, daß seiner Meinung nach das Ideal der Jugend nicht in einer Beschäftigung in London oder in Hongkong läge, sondern darin, in Österreich zu leben. Das versieht er noch mit dem Nachsatz: mit einem Zweitwohnsitz am Attersee. Ich glaube, ich brauche nicht besonders zu betonen, wie schwierig es ist, sich heute einen Zweitwohnsitz am Attersee zu leisten. Wenn man das der Jugend als ihr Ideal unterstellt, dann frage ich mich, wieweit der Kanzler noch einen Bezug zum Alltag hat.

Ich möchte abschließend noch einige Worte zum EU-Gipfel sagen, der in der letzten Woche in Florenz stattfand, weil dieses Ereignis in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der sozialen Lage in unserem Land, mit der Entwicklung der Arbeitsmarktsituation und mit all dem, was im Sozialbericht hier angeschnitten wird, steht. Vor diesem EU-Gipfel hat man von verschiedenster Seite – auch von österreichischer politischer Seite – vollmundige Erklärungen darüber gehört, daß man sich für eine Befassung mit dem Problem Arbeitslosigkeit einsetzen werde und daß man in einer gemeinsamen Aktion einer Reihe von Mitgliedsländern seitens der EU entsprechende Maßnahmen vorsehen wird, um die EU-weit noch höhere Arbeitslosigkeit endlich in den Griff zu bekommen.

Tatsächlich sind aber die Dinge ganz anders gelaufen. Es gibt anscheinend Erklärungen von österreichischen Regierungspolitikern, die für das Inland bestimmt sind, während man im Ausland durchaus entgegengesetzte Handlungen setzt. Wenn ich heutigen Pressemeldungen Glauben schenken darf, die davon sprechen, daß von österreichischer Seite überhaupt nicht einmal das Begehren geäußert wurde, sich anläßlich des EU-Gipfels mit der Frage Arbeitslosigkeit zu befassen, dann frage ich mich, ob diese Vorgangsweise, nämlich im Inland anders zu reden, als man dann im Ausland handelt, nicht schon letztendlich zum Stil dieser altkoalitionären Bundesregierung gehört.

Ich möchte nicht von "Verwirrtaktik" sprechen, aber es hatte für mich doch den Anschein, als ob man den eigenen Einfluß in den EU-Gremien seitens der österreichischen koalitionären Regierungsmitglieder überschätzt hat. Ich brauche abschließend sicherlich nicht zu betonen, daß wir dem Antrag, den Sozialbericht zur Kenntnis zu nehmen, nicht beitreten werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

12.06

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich zunächst in einem Punkt meinem Vorredner anschließen, nämlich daß ich es auch bedauere, daß der Herr Sozialminister unserer Debatte nicht beiwohnt. Ich möchte mich bei den Erstellern des umfassenden Sozialberichtes bedanken und auch die Thematik der Arbeitslosigkeit beleuchten.

Wir können dem Sozialbericht 1994 entnehmen, daß Österreich mit dieser Problematik im Jahre 1994 besser als vergleichbare Länder in der Europäischen Union zu Rande gekommen ist. Während die Arbeitslosigkeit im EU-Europa bei 11 Prozent gelegen ist, betrug sie in Österreich


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6,5 Prozent. Ich glaube, daß die Regierung sicherlich gut beraten ist, weiterhin die Herausforderung wahrzunehmen, diesbezüglich gegen den Strom zu schwimmen.

Es gibt sicherlich einzelne Punkte in dem Sozialbericht, die uns zu denken geben sollten. So sollte uns zu denken geben, daß von der Arbeitslosigkeit Frauen sehr betroffen sind. Es sollte uns ebenfalls zu denken geben, daß wir einen hohen Prozentsatz von Arbeitslosen haben, die über 50 Jahre alt sind. Bei den 50- bis 54jährigen sind das 9,7 Prozent und bei den 55- bis 59jährigen 10,1 Prozent, und auch die Wiederbeschäftigungschancen sind in diesem Bereich nicht sehr gut.

Ich glaube aber nicht, daß wir die Probleme lösen, indem wir das Pensionssystem die arbeitsmarktpolitischen Aufgaben erfüllen lassen. Ich glaube nicht, daß wir die Probleme lösen, indem das Arbeitsmarktservice die Arbeitslosigkeit nur verwaltet. Ich glaube auch nicht, daß wir die Probleme lösen werden, indem wir das ohnehin nicht vorhandene Füllhorn erneut breit streuen. Ich glaube aber auch nicht, daß wir die Probleme lösen werden, Herr Dr. Kapral, wenn wir die Probleme, die unserem Land entstanden sind, in den Zusammenhang mit dem Beitritt der Europäischen Union stellen, wenn dieser Zusammenhang nicht gegeben ist.

Sie haben ausgeführt, daß die Bundesregierung eine Kampagne macht, die positiv zu Europa steht. Ich billige Ihnen schon zu, daß die negativen Aspekte, die es zweifellos natürlich gibt, so wie jedes Ding zwei Seiten hat, nicht mitbehandelt wurden. Herr Dr. Kapral! Ich habe aber auch nicht die Erfahrung gewonnen, daß die Kampagnen Ihrer Partei, die auch aus Steuergeldern über Parteienförderung bezahlt werden, in der Darstellung von einer wahnsinnigen Differenziertheit geprägt sind. (Bundesrat Dr. Kapral: Sie haben mich insofern mißverstanden, als ich gesagt habe, man hätte auch sollen einiges in die Vorbereitung investieren und nicht nur in die Kampagne!) – Das war auch die Argumentationsweise der freiheitlichen Fraktion zu dem Zeitpunkt, als der Beitritt zur Europäischen Union bereits erfolgt ist. Während der Wahlauseinandersetzung um den Beitritt hat man Themen wie die Schildläuse stärker in den Vordergrund gerückt als die von Ihnen zugegebenermaßen sehr differenziert vorgebrachte wirtschaftspolitische Analyse.

Trotzdem glaube ich, daß Einigkeit darin besteht, daß die Sicherung der Arbeitsplätze absoluten Vorrang haben muß. Wir dürfen den Blickpunkt nicht nur auf klassische sozialpolitische Förderungsmaßnahmen richten, sondern in diesem Zusammenhang sind alle Politikbereiche gefordert, so etwa auch die Bildungspolitik. – Bedenken wir bitte, daß 85 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen lediglich einen Berufsschulabschluß haben.

Es geht nicht nur darum, den Menschen unser aktuelles Bildungsangebot zugänglicher zu machen, sondern es auch in seiner Gesamtheit auf die neuen Ziele hin zu durchleuchten. Ich meine, wenn wir auf eine Informationsgesellschaft zugehen, in der sich die Arbeitswelt von morgen völlig neu darstellen wird, so ist die Politik gefordert, die Menschen auf diese Veränderungen vorzubereiten – das betrifft sowohl Weiterbildungs- und Qualifizierungsoffensiven im Bereich der im Berufsleben stehenden Personen, aber auch ein Überdenken unseres gesamten Ausbildungssystems, sowohl im Schul- als auch im Hochschulbereich. Überhaupt meine ich, daß der Bericht über die soziale Lage um Zukunftsszenarien erweitert werden sollte. In dem Punkt schließe ich mich auch meinem Vorredner an, daß wir die Diskussion nicht zu stark vergangenheitsorientiert führen sollten.

Zur Wirtschaftspolitik und zum Wirtschaftsstandort Wien. Es hat Verwirrung darüber gegeben, warum auch die Wiener Volkspartei diese Thematik aufgegriffen hat. Ich kann das – das mache ich nicht zum ersten Mal – aufklären. Die Wiener ÖVP befindet sich nämlich in Opposition, und in Wien gibt es eine sozialdemokratische absolute Mehrheit. Wenn die Wiener ÖVP in Opposition und somit auch nicht für das verantwortlich ist, was in den letzten Jahrzehnten in Wien passiert ist – zumindest nicht in dem Ausmaß, in dem die Sozialdemokratie dafür verantwortlich ist –, so darf man sich nicht wundern, wenn eine Oppositionspartei in diesem Zusammenhang relevante Fragen aufwirft.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir sollten in der Zukunft, was die Sozialpolitik anlangt, auch mehr Mut zur Wahrheit haben. Die Bundesregierung hat ein Sparpaket geschnürt, weil die


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öffentliche Hand auf Dauer nicht Unmengen mehr an Geld ausgeben kann, als wir einnehmen. Das gilt auch für die Diskussion, die wir gegenwärtig über die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung führen.

Es ist ein zu begrüßender Tatbestand, daß die Menschen immer länger leben. Es ist ebenfalls ein zu begrüßender Tatbestand, daß der medizinische Fortschritt ständig voranschreitet, aber auch dieser medizinische Fortschritt kostet Geld. Da ich glaube, daß es wohl auch keine Fraktion gibt, die ein Interesse daran hat, daß wir im medizinischen Bereich in eine Zweiklassengesellschaft hineinkommen, nämlich daß es solche, die sich die beste medizinische Versorgung leisten können, und jene, die das nicht tun können, gibt, ist wohl die einzige denkbare Alternative, daß die Kassen, die sozialen Krankenversicherungen die Großrisiken übernehmen und der einzelne die Kleinrisiken trägt. Das heißt, hier geht es also nicht um einen Sozialabbau, sondern – im Gegenteil! – um eine Sicherstellung der sozialen und medizinischen Entwicklung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

12.15

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende ausgezeichnete Bericht des Sozialministers gibt uns in seinen ganz genau 341 Seiten detailliert Auskunft über die soziale Lage in Österreich im Jahre 1994. Dieser Bericht ist deshalb so wichtig, weil er bestehende Ungerechtigkeiten, soziale Benachteiligungen und bedauerliche Versäumnisse mit Fakten und Zahlen belegt. Ich möchte nur die augenscheinlichsten aus der Sicht einer Frauenpolitikerin herausgreifen.

Am Ende des 20. Jahrhunderts verdienen Frauen in Österreich noch immer durchschnittlich um 25 Prozent weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen in ähnlichen Positionen. Selbst bei gleicher Schulbildung verdienen Männer um rund ein Viertel mehr als Frauen.

Ich zitiere aus dem Bericht: Der Abschluß einer berufsbildenden mittleren Schule beschert Frauen Verdienstmöglichkeiten wie Männern mit Pflichtschule ohne Lehrabschluß. Die Verdienstverteilung der Maturantinnen ähnelt stark jener der Männer mit einem Lehrabschluß. Akademikerinnen verdienen etwa soviel wie Männer, die eine berufsbildende mittlere Schule absolviert haben.

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen belegen einen skandalösen Zustand, und sie zeigen auf, wieweit wir allein von der Gleichberechtigung auf dem Arbeitsplatz entfernt sind. Frauen sind überdurchschnittlich häufig in Industriebereichen mit niedrigen Einkommen angestellt. In Industrien, in denen ein überdurchschnittlicher Bruttoverdienst ausbezahlt wird, beträgt der Frauenanteil nur 3 bis 9 Prozent. Am unteren Ende der Verdienstmöglichkeiten, in der Textil- und Bekleidungsindustrie, in der Ledererzeugung und Lederverarbeitung, beträgt der Frauenanteil jedoch 54 bis 87 Prozent. Branchen mit den höchsten Anteilen an Frauen als Arbeitskräfte finden sich am unteren Ende der Lohnhierarchie. Jede sechste Frau verdiente weniger als 8 500 S netto im Monat.

Hören Sie jetzt genau hin, meine Herren! Insgesamt – das heißt, unter Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten – verdienen, gemessen am mittleren Einkommen, Männer um 42 Prozent mehr als Frauen. Die Ungleichbehandlung der Frauen in Österreich in puncto Einkommen könnte ich noch mit einer Reihe von Zahlen aus dem Bericht zur sozialen Lage belegen.

Als Sozialpolitikerin bin ich natürlich über die österreichische Beschäftigungslage besorgt. Zwar verringerte sich von 1993 auf 1994 die Arbeitslosenquote von 6,8 auf 6,5 Prozent, aber 1994 waren 681 000 Personen zumindest einmal von der Arbeitslosigkeit betroffen. Das ist eine erschreckend hohe Zahl, die sich auch trotz eines Konjunkturaufschwunges nicht verringert hat. Seit Mitte der achtziger Jahre sind vor allem Frauen mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit konfrontiert. Vor allem von der ungünstigen Entwicklung in den Dienstleistungsberufen sind die Frauen betroffen.


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Auch beim Arbeitslosengeld gibt es zwischen Männern und Frauen erhebliche Einkommensunterschiede. Dieser Unterschied resultiert wiederum aus den niedrigen Löhnen und Gehältern der Frauen. Mehr als die Hälfte der arbeitslosen Frauen mußten 1994 mit einem Arbeitslosengeld in der Höhe von 7 500 S oder weniger auskommen.

Nicht nur die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren verschärft. Zurzeit sind in Österreich auch 35 000 behinderte Menschen ohne Arbeit. Allein in den letzten drei Jahren wurden 10 000 behinderte Menschen arbeitslos. Neue Arbeitsplätze können nur mit Mitteln aus dem Arbeitsmarktservice und dem Europäischen Sozialfonds geschaffen werden. Leider ist die Wirtschaft nur bereit, behinderte Menschen in die Arbeitswelt zu integrieren, wenn sie von der öffentlichen Hand unterstützt wird. In Zeiten des Sparpakets kann die öffentliche Hand diese Unterstützungen aber nicht mehr im notwendigen Ausmaße gewähren.

Generell macht sich die österreichische Arbeitslosenquote im Vergleich zu den anderen Ländern der Europäischen Union gering aus. Sie betrug 1994 noch immer weniger als die Hälfte der durchschnittlichen Arbeitslosenquote der EU-Länder. Annähernd 20 Millionen Menschen sind zurzeit in der Europäischen Union arbeitslos. Aber unsere vergleichsweise günstige Situation darf uns nicht die Augen vor der europäischen Situation verschließen lassen. Die teilweise dramatische europäische Beschäftigungssituation hat unmittelbare Auswirkungen auf Österreich, der Fremdenverkehr ist nur ein Beispiel.

Ohne Arbeitsplätze gibt es auf Dauer keinen sozialen Schutz. Der Sozialschutz ist ein grundlegender Bestandteil des österreichischen und europäischen Gesellschaftsmodells. Wenn wir den sozialen Schutz auf breitester Ebene nicht mehr gewährleisten können, besteht Gefahr für unsere demokratische Gesellschaftsordnung.

Ich bin deshalb froh, daß Österreich und vor allem unser Bundeskanzler die Beschäftigungspolitik als einen wesentlichen Bestandteil und ein wesentliches Anliegen in die laufende Regierungskonferenz eingebracht haben. In Fragen der Beschäftigung und der zukünftigen Gewährleistung des sozialen Schutzes stehen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor gemeinsamen Herausforderungen. Auch in der heutigen Zeit ist es besonders wichtig, daß die sozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit aufgefangen werden.

Langfristig kann das europäische Sozialmodell nur mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und mit einer Reform der Sozialschutzsysteme aufrechterhalten werden. In ihrem Weißbuch "Wachstum, Wettbewerb und Beschäftigung" hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, innerhalb der Europäischen Union bis zum Ende des Jahrtausends 15 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Ziel kann die Kommission natürlich nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, den Regionen, den Städten und Gemeinden der Union erreichen.

Der Rat in Essen hat fünf Schlüsselbereiche genannt, die als Voraussetzung gelten, um einen Wirtschaftsaufschwung auch in zusätzliche Arbeitsplätze umsetzen zu können: erstens: zusätzliche Investitionen in die Ausbildung; zweitens: mehr Arbeitsplätze durch flexiblere Arbeitszeiten, eine Lohnpolitik, die Investitionen in zusätzliche Arbeitsplätze belohnt, und die Unterstützung von Initiativen auf regionaler und lokaler Ebene, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen; drittens: die Senkung der Lohnnebenkosten; viertens: eine Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik; und fünftens: Es müssen Maßnahmen eingeleitet werden, die jene Gesellschaftsgruppen unterstützen, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Es ist natürlich klar, daß mit einer Zielvorgabe und der Benennung von Schlüsselbereichen kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen wird, wobei ich anführen möchte, daß einige dieser Schlüsselbereiche politisch umstritten sind.

Ich persönlich bin für eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Neue Arbeitsformen sind dann in Ordnung, wenn die Teilzeitarbeit nur freiwillig eingegangen wird. Sie darf nicht zu einem sozialen Abstieg führen und muß in allen Ebenen der Arbeitshierarchie möglich sein. Ein absolutes Muß ist dabei die Sozialversicherungspflicht auch bei Teilzeitarbeit.


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Natürlich müssen die Ausbildungssysteme verbessert werden. Zuerst muß bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angesetzt werden, die am schlechtesten ausgebildet sind. Sie sind am meisten von der Arbeitslosigkeit bedroht. Ich denke vor allem an Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologien und der Teleheimarbeit.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, daß die Lohnnebenkosten vor allem für unqualifizierte Arbeitskräfte gesenkt werden sollen. Allein dadurch sollen 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Bei uns in Österreich ist die Steuerlast für Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen zwischen 1980 und 1993 allgemein am stärksten gestiegen. Ich halte die Senkung der Lohnnebenkosten für einen diskutierbaren Weg, allerdings gibt es noch große Probleme mit den Finanzierungsalternativen, ob das nun eine CO2-Steuer oder eine Art Luxussteuer sein soll. Mein Standpunkt ist ganz klar: Wie immer das Gesamtpaket ausschaut – der Lebensstandard der sozial Schwachen muß sich verbessern, er darf sich auf keinen Fall verschlechtern.

Am Schluß möchte ich noch einmal zu einigen Daten aus dem Bericht zur sozialen Lage in Österreich zurückkommen: Der Bericht zeigt, daß die Arbeitslosenquote der AusländerInnen deutlich höher liegt als jene der Inländerinnen und Inländern. 33 Prozent aller ausländischen ArbeitnehmerInnen verdienen weniger als 8 500 S netto im Monat. Nur jeder dritte türkische oder jugoslawische Haushalt lebt in einer Wohnung mit Bad und Zentralheizung. Drei Fünftel der türkischen und jeder zweite jugoslawische Haushalt in Österreich verfügen über keinen Telefonanschluß. In Wien ist die Mehrheit aller ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von prekären Wohnverhältnissen betroffen.

Die Liste der überdurchschnittlich schlechteren sozialen Lage der AusländerInnen in Österreich ließe sich noch beliebig fortsetzen. Jetzt müssen wir wieder erleben, wie die Freiheitlichen im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen im Herbst ihre Gangart gegenüber unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern verschärfen. Sie wollen schon wieder ein Anti-Ausländer-Volksbegehren starten, nur weil sie Angst haben, sie könnten bei den kommenden Wahlen ein paar Prozentpunkte verlieren. (Bundesrat Dr. Tremmel: Um Prozentpunkte haben wir keine Angst! Da müssen nur Sie schauen, daß Sie keine verlieren!) Wegen ein paar Prozentpunkte setzen Sie wieder das friedliche Zusammenleben in Österreich aufs Spiel! Das ist unverantwortlich und im höchsten Maße zu verurteilen!

Es werden Menschen wegen ihrer Herkunft zu Sündenböcken gestempelt. Zu Recht hat das Europäische Parlament die Politik der Freiheitlichen Partei und die ihres Obmannes Haider als rassistisch verurteilt. (Bundesrat Dr. Tremmel: ...Minderheit!)

Wenn ich mir die Töne anhöre, die Haider gegen Ausländer anschlägt, muß ich sagen, Sie sitzen im Europäischen Parlament meiner Meinung nach zu Recht zusammen mit Le Pen bei den Fraktionslosen, mit denen keine andere Fraktion zusammenarbeiten will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend möchte ich festhalten, daß meine Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, den Bericht über die soziale Lage 1994 zur Kenntnis nimmt. Ich hoffe, daß die Maschen des sozialen Netzes in Österreich weiter werden und das soziale Netz nicht reißt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

12.27

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schicker! (Rufe bei der SPÖ: Crepaz! Crepaz!) – Entschuldigung! Frau Kollegin Crepaz! Die Ausländer in Wien leben, wie Sie sagen, tatsächlich in schlechten Wohnverhältnissen. Deswegen sagen die Freiheitliche Partei und auch unser Bundesobmann Haider: Wenn wir keine Wohnungen und keinen Arbeitsplatz haben, sollten sie zuhause bleiben, und wir sollten sie in ihrer Heimat unterstützen. Sie bleiben aber trotzdem bei uns, weil es ihnen hier noch immer besser geht als bei Ihnen zuhause. Das wollen wir auch einmal festhalten, denn sonst wären sie ja nicht bei uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Der Sozialbericht weist schon im Jahre 1994 einen massiven Einkommensverlust in der Landwirtschaft auf. Trotz dieser Bestätigung im Sozialbericht bleibt der Selbstbehalt bei Spitalsaufenthalt und bei Arztbesuchen aufrecht. Ein großes Verdienst glaubt die Präsidentenkonferenz erreicht zu haben durch die Verhinderung der Beitragserhöhung von beispielsweise 12,5 Prozent auf 16 Prozent im Jahre 1995, auf 18 Prozent im Jahre 1996 und auf 20 Prozent im Jahre 1997. Diese Gesamtsumme in der Höhe von 2 Milliarden Schilling, die sie erspart hat, wurde leider durch die Senkung des Mehrwertsteuersatzes wettgemacht. Um mehr Pflichtversicherte zu bekommen, wurde der Einheitswert von 33 000 S auf 20 000 S herabgesetzt.

Die landwirtschaftlichen Betriebe sind jetzt verpflichtet, mehr in die Pflichtversicherung einzuzahlen, haben aber auf der anderen Seite leider wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt – darauf komme ich noch später zu sprechen. In den Übergangsbestimmungen steht, daß Pensionisten, die bereits in der Pension sind, davon ausgenommen sind. Man nimmt von vornherein an, daß nicht jene, die schon in der Pension sind, womöglich noch die Pension zahlen müssen. Jene, die am 1. 4. 1995 das 45. Lebensjahr vollendet haben, können einen Antrag bis 31. 12. 1995 stellen. Das werden die meisten nicht gewußt haben, und das haben auch sicher nur ganz wenige gemacht.

Bei der Unfallversicherung hat sich der Bund mit 150 Millionen Schilling weggeschwindelt. Diese Kosten müssen auch entweder durch schlechtere Leistungen oder durch Mehrleistungen der zusätzlichen Pflichtversicherten wettgemacht werden.

Auch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung – die zahlen zwar die Bauern ein, aber sie haben keine Chance, sie jemals zu erreichen, so lange sie Betriebsführer und Besitzer sind – wurden verschlechtert, weil der Einheitswert auf 54 Millionen Schilling erhöht wurde.

Die Bauern müssen zwar zahlen, haben aber keine Chance, Arbeitslosengeld zu beziehen. Es ist ein Phänomen, daß seit Jahren – da spricht man von einem Sozialstaat – jemand eine Leistung erbringt, daraus aber keine Leistung lukrieren kann.

Mutterschutz: Eine weitere Verschlechterung bringt die Streichung der Sonderunterstützung für Haushaltshilfen, die nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats gekündigt werden können.

Die Statistik der Landarbeiterkammern zeigt folgendes Bild: Im Jahr 1992 gab es noch 42 384 Beschäftigte, 1993 waren es 41 830, und 1994 waren es nur noch 41 715 Beschäftigte. In diesem Bericht gibt es auch noch die Aufteilung in landwirtschaftliche Arbeiter und Forstarbeiter, und dazu kamen noch 4 805 Lagerhausarbeiter.

Um die Landarbeiterkammern aufrechtzuerhalten und den Schwund der Mitglieder zu verringern, weil es immer weniger Landarbeiter gibt, hat man die Lagerhausarbeiter in diesen Bereich eingereiht. Es wäre besser und billiger gewesen, man hätte die Landarbeiter in die Arbeiterkammern übersiedelt. Das wäre eine Sparmaßnahme gewesen. Diese zirka 40 000 Personen sind doch auch Arbeiter, sie arbeiten eben in einem landwirtschaftlichen Betrieb – aber das ist eine politische Sache, das weiß ich schon. (Ruf bei der ÖVP: Zentralismus!)

Berufsausbildung: Die Berufsausbildung hat auch einen Rückschlag erlitten. (Bundesrat Schaufler: Lesen Sie die Bundesverfassung, dann werden sie draufkommen, warum es diese unterschiedlichen Arbeiterkammern gibt! Lesen Sie bitte die Bundesverfassung!) Und die kann man nicht ändern, Herr Kollege? – Dann müssen wir eben die Bundesverfassung ändern. Man kann doch etwas ändern! Man muß nicht das beibehalten, was man hat, wenn sich die Zeiten ändern. Wir haben auch eine Reihe von Verfassungsgesetzen hinsichtlich der EU geändert. Das war ja auch möglich. Man könnte sie auch jetzt ändern, man muß nur wollen, und Sie haben eben nicht gewollt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Berufsschulausbildung geht auch zurück, im gleichen Ausmaß. Im Jahr 1994 gab es 2 377 Facharbeiterprüfungen, 1993 waren es immerhin noch 2 431; auch schon wenige, aber immerhin noch einige mehr.


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Der Bericht zeigt, daß es, was die Landwirtschaft betrifft, trotz schlechter Einkommen an Solidarität mangelt. Jetzt haben wir 1996, und die Einkommen sind 1995 dramatisch zurückgegangen. Aber schon der Sozialbericht 1994 beweist, daß kein Schritt nach vorn gemacht wurde, sondern die Landwirtschaft trotz Einkommenseinbußen noch einmal benachteiligt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste ist Frau Bundesrätin Fischer zu Wort gemeldet. Ich darf Sie bitten, das Wort zu nehmen.

12.34

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Wir diskutieren heute, am 25. 6. 1996, den Sozialbericht zum Jahr 1994. Es sind – das darf ich hier feststellen – manche Schwachstellen, die zum Zeitpunkt der Berichterstellung in unserem Sozialsystem vorhanden waren, novelliert worden, und es sind manch aktuelle Dinge betreffend Krankenversicherung in diesen Tagen in Diskussion und in Verhandlung.

Der soziale Bereich berührt Menschen in allen Lebenslagen. Er berührt unsere Jugend genauso wie die berufstätigen Menschen, aber auch die Menschen, die aus dem aktiven Erwerbsleben bereits ausgeschieden sind. Er berührt die Gesunden genauso wie die Kranken und die Pflegebedürftigen.

Wir haben in Österreich sehr viel Positives erreicht und wollen dieses erhalten und uns weiterhin bemühen, dort, wo es notwendig und angebracht ist, die soziale Absicherung auszubauen. Voraussetzung dafür ist, daß die Wirtschaft floriert und daß wir eine gute Beschäftigungslage haben. In diesem Bereich gibt es bei uns, aber auch im übrigen Europa Probleme, die es zu lösen gilt.

1994 waren 681 000 Menschen wenigstens einmal von Arbeitslosigkeit betroffen. 172 000 Personen waren länger als sechs Monate arbeitslos. Dies bedeutet einen hohen Bedarf an öffentlichen Mitteln, es bedeutet aber vor allem für die betroffenen Menschen große psychische Belastung.

Es ist klar, daß die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft insgesamt gestärkt werden muß. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens der Unternehmer, der Einbindung unserer Arbeitnehmer, der Berücksichtigung unserer Bauern und der Angehörigen der freien Berufe. Es bedarf der Einbindung von uns allen.

Die unterschiedlichen Datenquellen zeigen – das ist heute schon angesprochen worden –, daß der Durchschnitt der Arbeitslosigkeit in Österreich jenen der EU sowie der OECD-Länder unterschreitet. Es ist aber dennoch Handlungsbedarf gegeben.

Wenn wir die Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen, ist das Bedürfnis nach Sicherheit in allen Lebenslagen die häufigste Antwort, nämlich Sicherheit hinsichtlich des Arbeitsplatzes, der Risken bei Krankheit, Unfall und Alter.

Wir müssen an die Frage Arbeitsplätze und dergleichen offensiv herangehen. Die Arbeitslosenversicherung, so gut und so wichtig sie ist, ist nicht frei von Fehlläufen.

Da du, Herr Bundesrat Eisl, glaubst, daß unsere bäuerliche Bevölkerung die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht in Anspruch nehmen kann, darf ich dir folgendes sagen: Gott sei Dank sind unsere Bäuerinnen schon seit einiger Zeit im Mitbesitz der Betriebe, sind unsere Bäuerinnen hauptberuflich mitarbeitende Familienmitglieder, und dadurch besteht auch die Möglichkeit, daß unsere Nebenerwerbsbauern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung beziehen. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Das Gesetz betreffend das Arbeitsmarktservice ist mit 1. 7. 1994 in Kraft getreten, und erste Erfolge sind zu verzeichnen.


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614. Sitzung / Seite 59

Dieser Bericht nimmt auch Bezug auf das Pensionssystem und sagt aus, daß im Jahr 1994 1 805 000 Bürger in Österreich eine Leistung aus dem Pensionssystem für die Altersversorgung erhalten haben. – Ein Teil davon deshalb, weil aufgrund der Arbeitsmarktlage eine vorzeitige Lösung gesucht wurde. Auf diese Art und Weise ist unser Pensionssystem auf Dauer überfordert und nicht finanzierbar, weil so der Generationenvertrag nicht stabil bleiben kann.

Wir brauchen eine Antwort auf eine Gott sei Dank höhere Lebenserwartung, aber auch auf die Verkürzung der Lebensarbeitsdauer. Im Jahr 1970 betrug die durchschnittliche Lebensarbeitsdauer 43,2 Jahre, im Jahr 1994 38,4 Jahre – bedingt durch längere Ausbildungszeiten beziehungsweise durch früheren Pensionsantritt.

Wir haben auch festzustellen, daß die Pensionsleistungen von 1970 bis 1994 um 295 Prozent gestiegen sind. Ich darf positiv anmerken, daß alle Pensionen mit Ausgleichszulage eine enorm gute Entwicklung genommen haben.

Ich finde es erwähnenswert, daß sich vor allem bei Frauen die Anrechnung der Kindererziehungszeiten und die "zweite ewige" Anwartschaft positiv auswirken, daß hinsichtlich der erbrachten Leistung der Kindererziehung eine Maßnahme gesetzt wurde, indem die Benachteiligung während des Erwerbslebens in der Pension endlich ausgeglichen wird.

Die Höhe der durchschnittlichen Pensionsleistungen beim Pensionstyp allgemeine Alterspension liegt bei Männern bei 13 400 S, bei Frauen bei 7 600 S. Der geringste Schnitt liegt bei Männern bei 7 600 S und bei Frauen bei 3 800 S, die höchste Pensionsleistung liegt bei 17 500 S für Männer und 10 400 S für Frauen – dies im ASVG-, im BSVG- und im GSVG-Bereich. Im öffentlichen Bereich sind es 30 600 S. Ohne Neid stelle ich die Frage, ob wir diesen Unterschied auf Dauer unseren Niedrigstpensionisten erklären können. Harmonisierung und neue Überlegungen bei Pensionsanpassungen sind angesagt.

Gerade im Bereich der Pensionsleistung ist unsere Bevölkerung verunsichert. Aussagen wie: Wer weiß, ob ich noch eine Pension bekomme!, sind allzuoft zu hören. Novellen in der Vergangenheit und auch Regelungen im Strukturanpassungsgesetz konnten dieses Vertrauen noch nicht stärken.

Die Bedeutung der Invaliditätspension ist offenkundig. Einige Faktoren in diesem Zusammenhang: Die Zahl der Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, unabhängig von Geschlecht und Berufsstatus, nehmen zu – besonders in der Landwirtschaft. Die Zahl der psychischen Erkrankungen nimmt zu – mögen im Hintergrund der Leistungsdruck und die Sorge um einen sicheren Arbeitsplatz stehen. Die Möglichkeit des vorzeitigen Austritts aus dem Berufsleben wird, wie schon erwähnt, bewußt zur Milderung der Arbeitslosigkeit eingesetzt. Wir müssen aber sehen, daß das Pensionssystem nicht auf Dauer beschäftigungspolitische Aufgaben übernehmen kann.

Ein Problem für die Betroffenen stellt die Ablehnung der Invaliditätspension dar, wenn keine Berufsausbildung vorhanden ist oder der erlernte Beruf nicht ständig ausgeübt wurde. Tätigkeiten, auf die verwiesen wird, sind zwar theoretisch vorhanden – zum Beispiel Portierdienst, Telefondienst, leichte Putzarbeiten oder Tische-Abräumen in einem Selbstbedienungsrestaurant –, praktisch ist die Chance, vermittelt zu werden, aber minimal. Es ist das ein besonderes Problem auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, wo auch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht vor der Abweisung schützt.

Daß wir in der Krankenversicherung 1994 schon Sorgen und Probleme hatten, sagt der Bericht auch aus. In der Fragestunde wurde aktuell auf dieses Thema eingegangen, und wir werden täglich mit aktuellen Verhandlungen und Entscheidungen konfrontiert.

In der Gesundheitsversorgungskette stellt das Krankenhaus die teuerste Einrichtung dar. Auffällig ist, daß durch moderne Techniken und Verfahren die Belegsdauer pro Patient von 12,7 Tage auf 10,6 Tage zurückging, die Kosten aber im selben Zeitraum je stationärem Patient von 27 223 S auf 43 751 S stiegen. Die Kosten je Pflegstag stiegen von 1 992 S auf 4 282 S. In


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diesem Zeitraum, in dem eine sinkende Belegsdauer festzustellen ist, stieg die Zahl des ärztlichen Personals, des Spitalspersonals um 33 Prozent.

Es ist notwendig, daß nicht nur die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen wird, sondern daß auch eine wirtschaftliche, leistungsorientierte Abrechnung der Krankenanstalten angeboten und durchgeführt wird. Es erfährt der Patient heute nicht, welche Leistungen und Kosten für ihn selbst verrechnet wurden. Da ist Transparenz angebracht! (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist richtig!)

Es muß in Zukunft auch der Mensch im Mittelpunkt stehen, was die Krankenversicherungsleistungen betrifft. Aber auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Gesundheitsfestigung sind Maßnahmen zu setzen und ist Eigenverantwortung einzufordern. Die Lösung kann nicht in Beitragserhöhungen liegen, sondern ein Miteinander der Ärzte und ein maßvoller Medikamentenbedarf könnten ein Schritt in die richtige Richtung sein. Wir in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern haben unseren Selbstbehalt und bekennen uns auch dazu. Ich kann aber dazusagen, daß der Selbstbehalt für den Krankenhausaufenthalt von 20 Prozent auf 10 Prozent gesenkt wurde.

Im Bereich der Unfallversicherung werden die Gelder im wesentlichen für Leistungen nach Arbeitsunfällen und zur Verhütung von Unfällen eingesetzt. Wenn wir aber glauben, auch in Zukunft Unfälle, die in Ausübung risikoreicher Sportarten entstehen, mit diesen Geldern abdecken zu müssen, wird uns wohl die Decke zu kurz werden.

Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist es notwendig, daß Zuerwerbsmöglichkeiten, die aufgrund der Gewerbeordnung möglich sind, auch in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen werden.

1993 wurde mit dem Bundespflegegesetz eine österreichweite einheitliche Pflegevorsorge geschaffen. Mit Beginn 1994 trat eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern für pflegebedürftige Personen in Kraft. Wir haben diesbezüglich eine Leistung für hilfsbedürftige Menschen, die es nirgendwo anders in dieser Qualität gibt. Diese Leistung, bei der jeder Pflegebedürftige selbst entscheiden kann, ob er die Pflegedienste eines Alten- oder Pflegeheimes in Anspruch nimmt oder in der gewohnten Lebensumgebung im Familienverband verbleiben kann und dort die Pflege erhalten will, ist sehr positiv.

Zum Kapitel Einkommen 1994 möchte ich die Familien ansprechen, denn der Bericht 1994 sagt klar aus, daß in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht. In fast 90 Prozent der einkommensschwachen Familien leben Kinder. Das größte Kontingent bilden 60 000 Haushalte mit zwei Kindern, gefolgt von 40 000 Haushalten mit drei und mehr Kindern. Von diesen 1,5 Millionen in Haushalten Unselbständiger lebenden unterhaltsberechtigten Kindern fallen rund 300 000 in das unterste Zehntel der Einkommensskala, das bedeutet, daß jedes fünfte Kind in benachteiligten finanziellen Verhältnissen aufwächst. Wenn wir dem Generationenvertrag gerecht werden wollen, müssen wir für die jungen, aufbauenden Familien Taten setzen!

Abschließend stelle ich fest, daß wir in diesem Jahrhundert eine ganz gewaltige Entwicklung im Sozialbereich hatten, die Erfolge nun aber sichern müssen. Sozialpolitik ist nichts Starres, sondern muß ständig angepaßt werden. Sozialpolitik muß finanzierbar sein und den Menschen dienen. Daß wir heute Wohlstand haben, ist das Ergebnis von Fleiß und Arbeit unserer Bürger. Wir haben die Pflicht, die soziale Sicherheit und das Vertrauen des Österreichers in diese Absicherung zu erhalten! (Allgemeiner Beifall.)

12.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Perl. – Bitte.

12.48

Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Im wieder sehr umfassend dargestellten Bericht über die soziale Lage für das Jahr 1994 kommt in der Einleitung, aber auch


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im Bericht selbst klar zum Ausdruck – ich möchte das hier wiederholen, verdeutlichen –, daß 1994 ein weiteres Jahr war, in dem Österreich bewiesen hat, daß ein hoher Sozialstandard und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durchaus vereinbar sind. Wichtige Grundlage – sozusagen Grundlage Nummer 1 – dafür ist eine offensive und umfassende Beschäftigungspolitik, die in Österreich weiterhin Priorität haben muß. Diese Beschäftigungspolitik muß dafür sorgen, daß Arbeit gerecht auf alle verteilt wird, auf Frauen, Männer, Jugendliche, Ältere sowie benachteiligte Personengruppen. Gute Wirtschaftsdaten mit hohem Beschäftigungsniveau sind auch die beste Voraussetzung für eine positive Entwicklung unseres Sozialsystems.

Wie der Bericht zeigt, stieg trotz eines massiven Strukturwandels in den letzten zehn Jahren die Zahl der Beschäftigten in Österreich um rund 300 000 Personen. Im Jahre 1994 betrug der Zuwachs an beschäftigten Personen rund 16 000. Im Vergleich zu anderen Staaten innerhalb der EU haben wir damit eine eindrucksvolle Arbeitsmarktbilanz.

Österreich war immer bemüht durch verantwortungsvolle Politik, dafür zu sorgen, daß niemand in Armut abgedrängt wird, niemand in Armut leben muß. Auch im Zuge der Budgetsanierung 1996 wurde dieses Ziel immer im Auge behalten – dies wird von Oppositionspolitikern jedoch gerne verzerrt dargestellt, und es wird versucht, Weltuntergangsstimmung zu erzeugen.

Es ist wichtig, mit einem hohen Beschäftigungsniveau zur Erhaltung, zur Sicherung der Kaufkraft der unselbständig Erwerbstätigen beizutragen. Eine gute Beschäftigungslage ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern durch eine gute Beschäftigungslage werden auch Bedürfnisse geweckt, und die Kaufkraft wächst. Eine Sparstrumpfmentalität würde ich Österreich nicht raten und hielte ich auch für nicht gut. – So weit, so gut, sehr geehrte Damen und Herren!

Die Personengruppe, der ich mich jetzt widmen möchte, die mir persönlich hinsichtlich ihrer beruflichen Situation nach wie vor Sorge bereitet, mit deren Problemen ich in jüngster Zeit oft konfrontiert war und noch konfrontiert bin und für die es auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen der Unterbringung gab und noch immer gibt, wenn der Arbeitsplatz – aus welchen Gründen auch immer – verloren wurde, ist die Personengruppe der älteren Arbeitslosen.

Der Bericht sagt aus, daß die Wiederbeschäftigungschancen derjenigen, die über 50 Jahre alt sind, nach wie vor schlecht sind. Ich persönlich würde sagen: Sie sind aussichtslos. 1994 waren 172 000 Langzeitarbeitslose zu verzeichnen – unter Langzeitarbeitslosen versteht man jene Personen, die über sechs Monate arbeitslos sind. Dies bedeutete einen Anstieg um rund 3 000 Personen oder 2,1 Prozent. Die Auswertung zeigt auch, daß der Anteil an Langzeitarbeitslosen mit zunehmendem Lebensalter wächst. Ab dem 50. Lebensjahr steigt der Anteil sprunghaft und macht mehr als das Doppelte des Gesamtwertes aus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt möchte ich nicht mehr sagen: So weit, so gut!, sondern: So weit, so schlecht!

Mir ist das sogenannte Bonus-Malus-System bekannt, das Bonus-Malus-System, welches im Zuge der Arbeitsmarktpolitikgesetze 1996 jüngst beschlossen wurde, zum Älteren-Sicherungspaket gehört und dem Schutz älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dienen soll. Dieses System bietet Firmen Begünstigungen bei den Lohnnebenkosten, wenn 50- bis 55jährige eingestellt werden, und ergibt vice versa eine Verteuerung, wenn Dienstnehmer mit 50 und mehr Lebensjahren gekündigt werden. Aber greifen diese Maßnahmen?

Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Fälle zeigen, daß Kündigungen bereits nach dem 40. Lebensjahr einsetzen und sich daher viele mit 45 Jahren schon zum alten Eisen zählen müssen und ab diesem Zeitpunkt nur noch schwer oder gar nicht mehr vermittelbar sind. Ich habe auf diese Tatsache bereits in der Debatte zum Sozialbericht 1993 von dieser Stelle aus hingewiesen, aber die Praxis zeigt, daß ich es heuer wiederholen kann und auch wiederholen muß: Wir müssen dieses Problem der älteren Arbeitslosen in den Griff bekommen!

Wer einmal mit diesem Problem konfrontiert war, wird mir recht geben: Es ist nicht zu beschreiben, unter welchem psychischen Druck diese Menschen stehen, wenn ihre gesamte Umgebung weiß, daß sie keine Arbeit haben (Bundesrat Dr. Schambeck: Sehr richtig!) , die Zeit


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voranschreitet, die Monate der Arbeitslosigkeit immer mehr werden, vielleicht sogar ein "wohlmeinender" Nachbar meint, der Betroffene wolle nichts finden, er sei arbeitsscheu, er müsse halt auch minderwertige Arbeit annehmen. Aber das hat auch zwei Seiten, das ist auch nicht so leicht, denn es gibt Firmen, die einen Besserqualifizierten nicht für einen minderqualifizierten Posten aufnehmen, um in den eigenen personellen Reihen keine Unruhe hineinzubekommen. (Bundesrat Dr. Schambeck: Sehr richtig!)

Des weiteren hat die Annahme minderwertiger Arbeit durch hochqualifizierte Personen doch auch eine Grenze. Es stellt sich die Zumutbarkeitsfrage, abgesehen von der Vergeudung von geistigen Ressourcen, die auch in Betracht gezogen werden müssen.

Aber auch Arbeiter und Angestellte, die nicht hochqualifiziert sind, haben fast keine Chance, ab dem angeführten Lebensjahr wieder eingestellt zu werden.

Niemand, der nicht schon Kontakt mit diesen ins Out gedrängten Personenkreis hatte, weiß, wie sich ein Mensch fühlt, der im Besitze seiner Kräfte plötzlich ohne Arbeit dasteht und quasi mit 45 Jahren keine Chance mehr sieht, Arbeit zu finden.

Auf Firmen einzuwirken, ihnen bewußtzumachen, welche Vorteile ein bereits gefestigter Mensch einbringt, sollte, ja muß unsere Aufgabe, unser Anliegen für die nächste Zeit sein. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist zweifellos das eingeführte Bonus-Malus-System. Ich hoffe, daß es greift. Die Initiative von Bundesminister Hums ist nicht hoch genug einzuschätzen und unbedingt zu begrüßen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz noch zu einem anderen Kapitel, von den älteren zu den jüngeren Arbeitnehmern, und zwar zu den Lehrlingen. Die Zahl der Lehrstelleneintritte ging laut Bericht 1994 um 1 Prozent zurück. Der Trend hat sich also verlangsamt.

Das Arbeitsmarktservice wird sowohl von den Lehrstellensuchenden als auch von den Lehrbetrieben stark frequentiert. 1994 waren rund 32 000 offene Lehrstellen gemeldet, 29 000 Lehrstellensuchende waren vorgemerkt. Der Trend dürfte sich 1995/96 noch verstärkt haben beziehungsweise verstärken.

Österreich braucht gut ausgebildete Kräfte, und ich möchte in diesem Zusammenhang zur Unterstreichung der guten Arbeitsmarktpolitik die Initiative von Bundesminister Hums anführen, daß künftig jene Lehrwerkstätten und Betriebe mit einem geringen Frauenanteil Förderungen in nicht geringer Höhe erhalten, wenn sie weibliche Lehrlinge einstellen. Dies wirkt der Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegen und erhöht das Lehrstellenangebot für Mädchen außerhalb von traditionellen Frauenberufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich habe bewußt nur zwei Bereiche aus dem Sozialbericht herausgenommen, die mir primär wichtig erscheinen. Weitere Debattenredner werden sicher noch auf die ihnen wichtig erscheinenden Bereiche verweisen.

Wichtig ist, darauf hinzuweisen, daß der Bericht klar zeigt, daß 1994 eine sehr umsichtige und von Verantwortungsbewußtsein getragene Sozialpolitik betrieben wurde, um die uns trotz der seither eingetretenen Einschnitte das Ausland beneidet. Es ist ein guter Bericht und zeigt die hervorragende Rolle Österreichs im Bereich der Sozialleistungen. Der Sozialbericht 1994 ist wieder eine umfassende, sehr aufschlußreiche Arbeit, die für uns Politiker sehr wertvoll ist und der man sehr viel Informatives entnehmen kann.

Dem zuständigen Bundesminister und den Damen und Herren der Beamtenschaft sage ich herzlichen Dank für die umfangreiche Darstellung und für die damit verbundene Arbeit. Kritisiert wird sehr oft, gedankt nur sehr selten, ich möchte es aber hier tun.

Meine Fraktion nimmt den Sozialbericht 1994 zustimmend zur Kenntnis. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Pramendorfer. )

12.58


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte sehr.

12.59

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Sozialbericht 1994 ist kein Ruhmesblatt der österreichischen Sozialpolitik, sondern eine teilweise schöngefärbte Bankrotterklärung der österreichischen Sozialpolitik. Er steht außerdem sehr spät zur Behandlung hier im Bundesrat – um nicht zu sagen, er ist bereits verstaubt und antiquiert. Der Ist-Zustand der sozialen Lage in Österreich ist zurzeit nämlich schon ein ganz anderer, als im Bericht dargestellt.

Zurzeit sind an der Tagesordnung Beitragserhöhungen statt Reformen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wird relativiert, und die Sozialversicherungen sind pleite. – Das ist in zwei Sätzen der derzeitige Zustand, die soziale Lage.

Meine Damen und Herren! Laut einer Studie der OECD stieg die Arbeitslosenrate seit 1994 um 0,3 Prozent auf rund 7 Prozent im Jahresdurchschnitt in Österreich.

Im Vergleich dazu verzeichnet Finnland einen Rückgang von 2 Prozent, Großbritannien einen jährlichen Rückgang um 0,7 Prozent, Schweden ein Minus von 0,5 Prozent, sogar Italien verzeichnet einen Rückgang der Arbeitslosenrate von 0,1 Prozent. (Bundesrätin Rösler: Da ist aber die Ausgangsposition eine ganz andere!) Ähnliche Entwicklungen, Frau Kollegin, gibt es auch in der Schweiz, in den USA und in Japan. Faktum ist, daß die Beschäftigungszahl nicht gestiegen ist, wie dies im Bericht dargestellt wird, da sich laut OECD die Arbeitslosenrate verschlechtert beziehungsweise erhöht hat. Lesen Sie "Die Presse", in der vorigen Woche wurde darüber berichtet.

Meine Damen und Herren! Allein die Insolvenzen in der klein- und mittelständischen Wirtschaft kompensieren die im Bericht dargestellte Steigerung der Beschäftigungszahl. Im Bericht ist die Rede von ungefähr 16 000, das entspricht in etwa der Insolvenzrate der klein- und mittelständischen Wirtschaft.

Meine Damen und Herren! Auch die Zahl der offenen Stellen ist laut Bericht gesunken. Sie sind deshalb gesunken, weil immer mehr Arbeitgeber zusperren mußten. Die soziale Lage am Arbeitsmarkt entspricht daher in diesem Bericht nicht einer realen Darstellung, sondern ist eben, wie gesagt, antiquiert, denn derzeit ist die Situation viel schlechter.

1990 haben 3 412 österreichische Firmen ihren Betriebssitz ins Ausland verlagert, 1995 waren es 13 529 Betriebe, wie aus einer Studie der Wirtschaftskammer hervorgeht. Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Diese Zahlen sind mehr als besorgniserregend. Diese dramatische Entwicklung müßte zumindest bei den Wirtschaftsvertretern innerhalb der ÖVP ein Wachrütteln bewirken und sie zu einer Kurskorrektur bewegen. Es handelt sich dabei nämlich nicht um Expansionen, sondern zum Teil um eine Flucht vor einem unternehmer- und wirtschaftsfeindlichen Betriebsklima in Österreich, dessen Wirtschaft und vor einer nicht-arbeitsplätzefördernden Politik in Österreich.

Meine Damen und Herren! Hierfür gäbe es genug Beispiele, ich bringe eines aus jüngster Zeit: Bei uns in Steiermark hat sich aus diesem Grund eine Firma abgesiedelt und letztlich sind die Arbeitnehmer auf der Strecke geblieben. Für die ehemaligen Arbeitnehmer müssen nun mit teurem Steuergeld Auffangssanierungsmodelle geschaffen werden, damit Vorsorge getroffen werden kann.

Hohes Haus! Daß fähige und fleißige Leute ohne eigenes Verschulden in Österreich ihren Arbeitsplatz verlieren können, glauben 90 Prozent der Arbeitnehmer. – Das geht aus einer Fessel-Umfrage hervor. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Diese Umfrage sagt aber auch aus, daß Arbeitnehmer kein Vertrauen in Ihre Sozialpolitik haben. Der Staat, in dem Fall die Regierung, schröpft und bittet die Arbeitnehmer immer mehr zur Kasse, immer mehr arbeitende und produktiv tätige Menschen werden belastet.


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Von seiten der Bundesregierung scheut man sich nicht, jene Menschen, die ihren Beitrag längst geleistet haben, erneut finanziell zu schröpfen. Ich denke dabei an die Senioren und Pensionisten. Pensionisten und kranke Menschen werden künftig durch die 20prozentige Anhebung der Rezeptgebühr erneut belastet. Im österreichischen Durchschnitt bezahlt ein Pensionist 17mal pro Jahr die Rezeptgebühr. Wenn es nach den Vorstellungen des Sozialministers geht, dann stellt das eine Mehrbelastung von 714 S pro Jahr dar für unsere Senioren, für jene Menschen, die ihren Beitrag längst geleistet haben.

Dazu, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, fehlt mir der Brief Ihres Vorsitzenden. Da müßte drinnenstehen: Damit Vranitzkys Pension gesichert ist, müssen unsere älteren Menschen 714 S mehr Beitrag im Jahr leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

1,8 Millionen Pensionisten leisten über diese Mehrbelastung 1,3 Milliarden Schilling an Rezeptgebühren. Wie schon gesagt: Eine Schröpfaktion zu Lasten jener, die ihren Beitrag längst geleistet haben.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Es zeichnet sich dasselbe Sitten- und Rollenbild auch im Gesundheitswesen ab. (Anhaltende Zwischenrufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Da will man eine Krankenscheingebühr ... (Bundesrat Wöllert: Und wie schaut das bei Ihnen aus? Zahlt der Haider seine Steuern? – Bundesrat Mag. Langer: Na freilich zahlt der seine Steuern!) Im Krankenwesen findet man genau dasselbe Sittenbild in Ihrer Fraktion. Sie tragen seit 40 Jahren in den Ländern in diesem Bereich die Verantwortung. Die Krankenkassen sind pleite. (Zwischenruf des Bundesrates Wöllert. – Bundesrat Mag. Langer: Was bitte, Sie haben Steuerhinterziehung gesagt?!)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Am Wort ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (fortsetzend): Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Im Spitals- und Gesundheitswesen zeichnet sich genau dasselbe Rollen- und Sittenbild ab. Da fordert man eine Krankenscheingebühr statt leistungsorientierter Tarife. Sie, von der Sozialdemokratie, wollen eine Beitragserhöhung um 0,3 Prozent anstatt schlanker, dynamischer Krankenkassen. Lesen Sie nach in der "Kleinen Zeitung": Baudebakel der Kasse. 28 Millionen Schilling – steirische Gebietskrankenkasse. – Wer führt die steirische Gebietskrankenkasse?

Da werden Behandlungen und Therapien zu unterschiedlichen Gebühren verrechnet. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Die Ressortverantwortung liegt bei Ihnen. Da werden die Ambulanzgebühren unterschiedlich verrechnet, die Gebietskrankenkasse zahlt andere Tarife als die Privatzahler. Dazu leistet man sich noch den Luxus, daß innerhalb der Gebietskrankenkassen sogenannte ehrenamtliche Funktionäre mit einem Jahressalär bis 340 000 S ausgestattet werden. Das ist die soziale Lage von 1996. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist es! Jawohl!) Dies ist die tatsächliche Situation, welche im Sozialbericht keine Darstellung findet, weil man von seiten der Regierungsparteien natürlich den einfachen Weg gehen will und wiederum den Bürger zur Kasse bittet.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Verschließen wir uns nicht. Lassen wir nicht zu, daß die private Krankenhausfinanzierung in Frage gestellt wird. Lassen wir nicht zu, daß diese Kosten ausschließlich zu Lasten der Länder gehen. Es kann nicht sein, daß eine Regierung die Einnahmen erhöht, die Belastungen den Bürgern überträgt, während die Pflichten bei den Ländern liegen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren der Länderkammer! Lassen wir aber auch nicht zu, daß Betriebe zusperren müssen. Lassen wir nicht zu, daß die Arbeitslosenrate permanent steigt. Akzeptieren wir daher nicht einen antiquierten, in schönfärberischer Sicht dargestellten Sozialbericht, der zu Lasten der Länder und letztlich zu Lasten unserer Landsleute geht. Lehnen wir diese Vorlage ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pirchegger. – Bitte.

13.09

Bundesrätin Grete Pirchegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Sozialbericht 1994 – etwas spät, den Beamten gilt aber dennoch unser herzlicher Dank.

Auch ich habe mich mit dem Sozialbericht auseinandergesetzt. Für mich ist es am wichtigsten, den Beschäftigungsstand zu halten, das soziale Netz zu finanzieren, gleichzeitig aber den Konsolidierungsmaßnahmen Rechnung zu tragen.

Zu diesem weitreichenden Gebiet kann man positive wie auch kritische Bemerkungen bringen. Ich komme aus der Obersteiermark, wo wir Tausende Arbeitsplätze in der Industrie verloren haben. Mit dem Verlust der Arbeitsplätze ist auch eine Abwanderung spürbar. Dies ist für die ganze Region schlimm. Jugendliche und vor allen Dingen auch das "geistige Potential" finden schwer Arbeit. Viele pendeln daher nach Graz oder Wien und nach einiger Zeit bleiben sie in der Großstadt. Für die Region sind sie verloren.

Für unsere Region sind Klein- und Mittelbetriebe, die einen enormen Beitrag zur heimischen Beschäftigung leisten, sehr, sehr wichtig. Man darf ihnen daher keine neuen Belastungen aufbürden, sondern man muß ihnen mit Hilfestellung entgegenkommen. Diesen Betrieben muß unser ganzes Augenmerk gelten.

Miteinander mehr erreichen! Das ist das Anliegen unserer Landeshauptfrau Waltraud Klasnic. Sie hat bereits im Zuge ihrer Regierungserklärung nach der Wahl zur Landeshauptfrau die Sicherung der Arbeitsplätze zum Thema Nummer eins ernannt. Denn jeder einzelne Arbeitslose erfährt ein menschliches Schicksal, das für die Politik Auftrag sein muß, miteinander über Lösungsmodelle nachzudenken und Initiativen zu setzen.

Besonders wichtig sind unserer Landeshauptfrau die Ausbildung sowie die Lebenschancen unserer Jugend. Diese Menschlichkeit hat sie vielleicht gerade hier im Bundesrat, wo sie ihre politische Tätigkeit begonnen hat, erlernt. Sie wird die Wirtschaft stärken, um Arbeit zu schaffen und um so die Zukunft zu sichern. Das ist auch die Basis für soziale Sicherheit und das ist nur durch ein Miteinander möglich.

Ich glaube, ich habe jedes Jahr bei der Debatte zum Sozialbericht auf die Nachtarbeit der Frauen hingewiesen und welche Nachteile Frauen durch das Verbot von Nachtarbeit erwachsen. Viele Frauen in unserem Bezirk haben ihre Arbeitsplätze verloren, da Betriebe auf drei Schichten umgestellt haben, um die Maschinen besser auszulasten. Viele Frauen hätten sehr gerne auch Nachtarbeit verrichtet. Da dies jedoch gesetzlich nicht möglich war, verloren sie den Arbeitsplatz. Es wäre höchst an der Zeit, dies zu ändern. Ich hoffe, daß wir nicht bis zum Jahr 2001 warten, wo es zu einer automatischen Regelung kommen wird.

Für Frauen ist diese jahrelange Forderung – gleicher Lohn bei gleicher Arbeit – noch immer nicht verwirklicht. Männer verdienen unter Berücksichtigung der Teilzeitarbeit derzeit immer noch um 27 Prozent mehr als Frauen. Ich hoffe, daß wir auch hier um einen Schritt weiterkommen. Es kann doch nicht sein, daß im Jahr 2000 der Lohnunterschied noch immer fast 30 Prozent beträgt.

Im Jahre 1994 sind auch wesentliche sozialpolitische Fortschritte wirksam geworden. Ich denke da an die Einführung der Pflegevorsorge und an die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten bei der Pensionsbemessung. Die Sozialoffensive war auf Prognosen für eine Wirtschaftsentwicklung abgestimmt, die leider nicht eingetreten ist.

Wir leben im Wohlstand, niemand will auch nur das Kleinste davon abgeben. Aber der einmal erworbene Wohlstand muß wirklich täglich neu erarbeitet werden. In der Sozialpolitik sollten alle den Mut zur Wahrheit haben, dies dient zur Sicherstellung der sozialen Entwicklung.


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Wir werden diesem Bericht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

13.15

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Mich wundert es nicht, daß die Bundesräte Kapral und Weilharter nach ihren Beiträgen zum Sozialbericht das Plenum fluchtartig verlassen haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte zu Beginn auf die Aussagen des Herrn Weilharter eingehen. Meine Quelle ist das wirtschafts- und sozialpolitische Taschenbuch, Ausgabe 1996. Kollege Weilharter hat die österreichische Arbeitslosenrate im Vergleich zu Finnland gezogen.

Ich darf berichtigen: Österreich 1995: 4,6 Prozent, Prognose für 1996 4,5 Prozent. Finnland 1995: 17,2 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Prognose für 1996: 16,1 Prozent. Frankreich 1995: 11,5 Prozent, 1996: 11,3 Prozent. Er hat auch Großbritannien als Musterland hingestellt (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel ) – Herr Kollege Tremmel, ich weiß schon, daß das weh tut –: 8,4 Prozent, für 1996: 8,2 Prozent. Italien, sein Musterland, 1995: 11,9 Prozent, für 1996: 11,6 Prozent. Er hat auch die Vereinigten Staaten angeführt: 4,6 Prozent, 1996: 5,7 Prozent. Der EU-Durchschnitt beträgt für 1995 11,1 Prozent, für 1996 10,8 Prozent.

Diese Zahlen, glaube ich, beweisen, was man vom Beitrag vom Herrn Weilharter zu halten hat, welchen Wahrheitsgehalt seine Aussagen haben. Es ist auch klar erkennbar, welchen Stellenwert die Sozialpolitik bei den "F" hat: nämlich keinen. Man hört nur Halbwahrheiten und Unwahrheiten. Nun auch einige Anmerkungen zum Herrn Kollegen Bundesrat Kapral.

Ich bin ihm dankbar, daß er beim Sozialbericht auch Bilanz gezogen hat – 10 Jahre Bundeskanzler Vranitzky. Es ist ihm eigentlich in einer Nachbetrachtung nicht viel Negatives eingefallen. Und ich unterstelle ihm auch, daß er nicht der richtige Maßstab ist, um die Politik der Sozialdemokratie, der Koalitionsregierung mit der Österreichischen Volkspartei zu bewerten. Entweder kann er nicht oder darf er nicht objektiv sein. Dem einzigen, welchem eine Bewertung zusteht, das ist der Souverän, und dieser hat es am 17. Dezember sehr deutlich gemacht. Ich darf auch einige Anmerkungen ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Was wollen Sie denn vom Burgenland, liebe Herren Kollegen? Ich weiß schon, daß das weh tut, der 17. Dezember trifft Sie voll in Ihr politisches Herz. (Ruf bei den Freiheitlichen: Der 2. Juni...!) Genauso wie in den letzten Wochen und Monaten die Umfragen zu der Arbeiterkammer für Sie ein Tiefschlag gewesen sind, von dem Sie sich nicht so rasch erholen werden. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Langer: Das hätten Sie wohl gerne!)

Meine Herren! Ich weiß schon, daß Niederlagen schmerzhaft sind. Wenn sie so deutlich ausfallen, tun sie besonders weh. Ich darf der schwach negativen Bilanz des Herrn Kapral natürlich einige positive Anmerkungen anfügen. Ich verweise auf die fast nicht vorhandene Jugendarbeitslosigkeit in Österreich im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern. (Bundesrat Mag. Langer: Damit sind Sie zufrieden) Aber insgesamt – wie ich bereits vorhin zu den falschen Aufzählungen vom Herrn Weilharter gesagt habe – ist auch die Arbeitslosigkeit in Österreich im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern doch in einem Rahmen, der noch bewältigbar ist.

Lieber Herr Kollege Langer! Ich kann Ihnen auch ins Stammbuch schreiben: In den letzten zehn Jahren, in der Regierungsperiode Vranitzky, sind in Österreich über 350 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf auch in Erinnerung rufen, daß es doch einige für die Arbeitnehmer sehr wichtige Sozialminister gegeben hat: Gewerkschafter Dallinger, Geppert oder Hesoun, der mit der vierten


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Säule in der Sozialversicherung, mit dem Bundespflegegesetz .... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Langer. ) Herr Kollege, sagen Sie etwas!

Das Bundespflegegesetz – das ist Ihnen nämlich in dem Moment eingefallen – ergibt kein Defizit, und das wollten Sie aber sagen. Sie sind jedoch wenigstens so reaktionsschnell, daß Sie es merken, sollten Sie eine falsche Aussage machen – im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen.

Ich darf vielleicht noch ergänzen, daß in den letzten Jahren namhafte Investitionen unter Vranitzky gemacht wurden, die auch wesentlich zur Beschäftigung beigetragen haben, die insgesamt über 15 Milliarden Schilling ausmachen: BMW, Steyr, Siemens, GM. Wir haben eine der niedrigsten Inflationsraten, haben ein Ansteigen der Spareinlagen zu verzeichnen, haben einen harten Schilling, haben keine Abwertung im Vergleich zu jenen ... (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ein Ansteigen der Spareinlagen?) Ein Ansteigen der Spareinlagen, ja (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Wo haben Sie denn das her?) , auch dazu kann ich Ihnen die Quelle geben, Herr Kollege!

Was Ihnen von den Freiheitlichen zur Sozialpolitik einfällt, ist eigentlich nicht viel. Die prominenteste Bemerkung dazu kommt von ihrem "Führer" (Bundesrat Mag. Langer: Obmann!) , dem "Führer" der "F" – Haider –, dessen Vorbild für die Beschäftigungspolitik jene des Dritten Reiches ist.

Aber genug dazu, ich darf mich nun dem Sozialbericht 1994 widmen. Ich möchte besonders auf die Einleitung von Bundesminister Hums eingehen, der feststellt, daß Österreich auch im schwierigen Jahr 1994 bewiesen hat, daß hohe Sozialstandards und internationaler Wettbewerb durchaus vereinbar sind.

Voraussetzungen dafür sind natürlich eine offensive Wirtschaftspolitik, ebenso unverzichtbar ist eine umfassende Beschäftigungspolitik. Diese Schwerpunkte, wie unter anderem Budgetkonsolidierung, Investitionsoffensive, verstärkte Exportförderung, eine moderne Industriepolitik müssen auch in den nächsten Jahren im Zentrum unserer Politik stehen.

Durch diese ausgewogene Wirtschafts- und Sozialpolitik war es in den vergangenen Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der F, trotz eines Strukturwandels, eines globalen Wettbewerbs und der Ostöffnung möglich, den sozialen Frieden in Österreich aufrechtzuerhalten, der ein wichtiger Faktor unseres Standortes ist, und den gilt es, auch in Zukunft zu bewahren, wenn auch bei uns – ich möchte das nicht verschweigen – versucht wird, erworbene Ansprüche aus Dienstverhältnissen nicht auszubezahlen, oder gesetzliche beziehungsweise kollektivvertragliche Ansprüche und Rechte von Arbeitnehmern in Frage zu stellen.

Daß der Druck auf die Arbeitnehmer ständig größer wird, weiß ich persönlich aus vielen Gesprächen mit Betroffenen, aber auch durch Kontakte mit Betriebsräten und Personalvertretern, lieber Herr Kollege Tremmel, die Ihnen fehlen, sonst könnte die Vertretungsbilanz der Gewerkschaften und des ÖGB und der Arbeiterkammern bei den Arbeits- und Sozialgerichten keine so steigende Tendenz ausweisen.

Ich darf Ihnen versichern, daß es möglich war, in den vergangenen Jahren einige Milliarden bei diesen Gerichten zu erkämpfen, und ich persönlich davon überzeugt, daß es nur die Spitze eines Eisberges ist, was bei den Arbeits- und Sozialgerichten zur Verhandlung kommt. (Bundesrat Dr. Bösch: Das sind ja katastrophale Zustände, Herr Kollege!)

Viele Arbeitnehmer nehmen diesen Lohnraub zur Kenntnis, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben, weil Sie Angst haben, ihre Familie nicht ernähren zu können. (Bundesrat Dr. Bösch: Und das nach 25 Jahren Sozialismus!)

Lieber Kollege, ich weiß nicht, in welcher Branche Sie tätig sind, aber das ist bei dieser Diskussion unerheblich. Ich darf Sie nur darauf verweisen, daß die Ansprüche der Arbeitnehmer von den Arbeitgebern vorenthalten werden, und daß der Beklagte bei den Arbeits- und Sozial


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gerichten nicht die Sozialdemokratische Partei ist, nicht der Herr Bundeskanzler und nicht der Herr Vizekanzler, sondern der Arbeitgeber.

All diese widrigen Umstände müssen natürlich auch bei einem Sozialbericht diskutiert werden. Kollege Weilharter! Ich habe auch für Sie ein aktuelles, statistisches Taschenbuch mit, das ich Ihnen anschließend gerne übergeben werde. Sie sind nicht der erste Sprecher der Freiheitlichen Partei zum Sozialbericht, der dankenswerterweise ein so ein aktuelles Taschenbuch mit Statistiken von mir übernommen hat.

Trotz dieser Probleme war es möglich, den sozialen Ausgleich in Österreich weiterhin zu erhalten, auch die soziale Marktwirtschaft funktioniert noch. Es muß aber klar und deutlich gesagt werden, daß wir uns in einigen sehr entscheidenden Bereichen der Belastungs- und Zumutbarkeitsgrenze nähern. Ich meine damit, daß jene, die in diesem Land eine unbeherrschte aggressive neoliberale Wirtschaftspolitik betreiben wollen, dies nicht übertreiben sollen, denn mit dem Infragestellen erworbener Rechte und Ansprüche sinkt natürlich die Kooperationsbereitschaft und die Möglichkeit, noch vor uns stehende schwierige Probleme zu lösen.

Auch die Verlagerung der sozialen Verantwortung auf den Rücken der Arbeitnehmer, der nicht mehr zu übersehende Rückzug aus dem dualen Ausbildungssystem, der begonnene Rückzug von der gemeinsamen Finanzierung der sozialen Sicherheit in Österreich – aktuelles Beispiel: Krankenversicherung – führt dazu, daß eine gewisse Verunsicherung auch bei den Arbeitnehmern Platz greift. Ich glaube, es ist niemandem damit geholfen, wenn weiterhin eine solche Politik betrieben wird. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Nun einige Anmerkungen zu den Krankenkassen. In den letzten Tagen und Wochen wurde ja eher nur Negatives über sie berichtet, und ich glaube, daß es angebracht ist, einige positive Anmerkungen zu den Leistungen der Krankenversicherung zu machen, die ja 99 Prozent unserer Bevölkerung flächendeckend versorgt.

Die derzeitigen Finanzierungsprobleme der Krankenkassen sind zum großen Teil auf die Konjunkturlage, die geringere Beschäftigung und die etwas gestiegene Arbeitslosigkeit zurückzuführen. (Bundesrat Dr. Kapral: Die Beschäftigungslage ist ja gut nach Ihren Aussagen! – Bundesrat Mag. Langer: Damit sind Sie ja zufrieden, haben Sie vorhin gesagt! – Bundesrat Waldhäusl: Sie widersprechen sich da selbst! Vor 10 Minuten haben Sie etwas anderes gesagt!) Danke für Ihren Beitrag. Ich bin ja froh, daß die Mundpropaganda in der F so gut funktioniert, Herr Kollege Kapral! (Bundesrat Dr. Kapral: Dazu bedarf es keiner Mundpropaganda! Wir haben jedes Wort gehört!) Aber Sie werden doch nicht sagen, daß es keine Mundpropaganda bei Ihnen gibt!

Aber nun zur Krankenkasse: Der nun vorliegende Sanierungsvorschlag ist sicherlich ein Kompromiß, der aber fast ausschließlich von den Arbeitnehmern, von den Pensionisten, von den Kranken selbst getragen wird. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Und das gefällt Ihnen!) Herr Kollege, mir gefällt das sicherlich nicht (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Na also!) , aber Sie lachen dabei, und mir ist nicht zum Lachen zumute. Das ist der Unterschied zwischen einem Sozialdemokraten und einem verbissenen F-ler.

Positiv in dem Vorschlag von Herrn Bundesminister Hums ist sicherlich die Anhebung des gesetzlichen Anspruchs auf Krankengeld von 26 Wochen auf 52 Wochen. Ich glaube weiters, daß man auch die Leistungen der Krankenkassen zur Spitalsfinanzierung in den Vordergrund stellen muß, weil die Krankenkassen in der Vergangenheit doch wesentliche Beiträge zur Spitalsfinanzierung geleistet haben und auch in der Zukunft leisten werden.

Einige wenige Zahlen dazu: Im Jahre 1995 wurden zumindest 24 Milliarden Schilling an Pflegegebühren bezahlt, über 12 Milliarden Schilling an den Krankenanstaltenfinanzierungsfonds, und 3,8 Milliarden Schilling zahlten die Krankenkassen an Ambulanzgebühren. Auch bei den Beiträgen zum KRAZAF selbst, für den insgesamt 18 Milliarden Schilling aufgebracht wurden, kommt der überwiegende Teil, nämlich 67 Prozent oder 12,1 Milliarden Schilling, von den Krankenkassen.


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Besonders hervorzustreichen sind die Leistungen der Krankenkassen zur Gesundenuntersuchung. So wurden im vergangenen Jahr fast 580 000 Gesundenuntersuchungen von den Krankenkassen durchgeführt. Zu unterstreichen sind auch die Jugenduntersuchungen, denn über 60 Prozent der Jugendlichen sind durch diese Jugenduntersuchungen der Krankenkassen erreicht worden. Eine sehr, sehr beachtliche Zahl!

Neben den Krankenkassen muß man, glaube ich, auch erwähnen, daß sich das Mitte 1994 erlassene neue Arbeitsmarktservicegesetz besonders bewährt hat, daß durch die unmittelbare und stärkere Einbindung der Sozialpartner eine effizientere Umsetzung der angebotenen Dienstleistungen des Arbeitsmarktservicegesetzes erfolgt ist und daß es auch zu einer rascheren Vermittlung oder Besetzung der vorhandenen offenen Stellen gekommen ist. Man kann ohne weiteres sagen, daß das AMS damit einen wichtigen Beitrag leistet, daß wir in Österreich doch eine sehr gute Beschäftigungssituation haben.

Einen wesentlichen Beitrag zu der Beschäftigungssituation – das sei hier auch erwähnt – leisten die Arbeitnehmer selbst durch ihre Bereitschaft, sich ständig höher zu qualifizieren und die Herausforderungen, was Mobilität und Flexibilität betrifft, anzunehmen. Diese Bereitschaft führt zu permanenten Produktivitätssteigerungen. Nicht von ungefähr haben riesengroße Konzerne wie BMW, Siemens, GM hier Investitionen getätigt, was in der Folge natürlich ein wichtiger Faktor unseres Wohlstandes ist.

Ich glaube, es ist an der Zeit, mit den Polemiken, mit dem Miesmachen und den ständigen Verunsicherungen der Menschen und der Arbeitnehmer in Österreich aufzuhören. Wir können es uns nach wie vor leisten, auch in der Zukunft die sozial Schwachen, die Kranken, die Arbeitslosen, die alleinerziehenden Mütter und unsere älteren Bürger am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen.

Abschließend möchte ich ein sehr sensibles Thema ansprechen, und ich bedaure es auch, daß es Herrn Bundesminister Hums nicht möglich ist, heute hier zu sein, aber ich darf Herrn Bundesminister Michalek ersuchen, ihm oder seinen Beamtinnen und Beamten, die diesen vorzüglichen Sozialbericht 1994 verfaßt haben, folgendes zu übermitteln: Es geht um die Kodifikation des Arbeitsrechtes. Sie wissen, daß die Arbeiter- und Dienstleistungsgewerkschaften, mit Unterstützung der anderen Gewerkschaften, im vergangenen Mai die "Aktion Fairneß" gestartet haben. Es soll auf die Gruppe der Arbeiterinnen und der Arbeiter hingewiesen werden – insgesamt 1,3 Millionen –, die durch unterschiedliche Gesetze in wesentlichen Punkten nach wie vor benachteiligt sind.

In einer ersten Etappe könnten wir uns vorstellen, daß die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten vor allem im Bereich der Entgeltfortzahlungsansprüche, bei den Kündigungsfristen und auch hinsichtlich der Regelungen bei Arbeitsverhinderung erfolgen kann. Darüber hinaus müßte es durch eine Modernisierung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften möglich sein, auch den Schutz für atypisch beschäftigte Arbeitnehmer sicherzustellen.

In den wenigen Monaten wurden über 300 000 Unterschriften für dieses Vorhaben gesammelt. Wir erwarten daher, daß sehr rasch – jedenfalls noch innerhalb dieser Gesetzgebungsperiode – die arbeits- und sozialrechtlichen Gleichstellungen der Arbeiter mit den Angestellten erfolgen und möglich sein müssen.

In diesem Sinne recht herzlichen Dank! Ich kann natürlich auch – genauso wie meine Fraktion – dem Sozialbericht 1994 die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ursula Haubner. Ich erteile ihr dieses.

13.38

Bundesrätin Ursula Haubner (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Für mich als freiheitliche Oppositionspolitikerin gibt es


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eigentlich nichts Schöneres, als nach einem derartigen Wahrheitsfanatiker und selbsternannten Sozialpolitiker, wie es Herr Kollege Drochter ist, ans Rednerpult zu gehen.

Herr Kollege, ich vermute, daß Sie den ÖGB-Herren im "Konsum" Ihre Ideen und Ihre Zahlen und Fakten, die Sie uns heute vorgelegt haben, auch mitgeteilt haben und die ÖGB-Herren im "Konsum" gemanagt haben, denn wir wissen ja hinlänglich, was auch diesem "Konsum" geworden ist und wie "gut" er heute dasteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Damit haben Sie einen Beweis geliefert, was man von Ihrer Sozialpolitik halten kann!

Nun möchte ich aber zur Sache kommen, und zwar zum – wie es schon hinlänglich bekannt ist – Sozialbericht 1994. Ich wiederhole mich, wenn ich es wieder sage, aber ich tue es trotzdem: Es ist der Sozialbericht aus dem Jahre 1994, und wir haben bereits Juni 1996. Also es ist Schnee von gestern, ich würde sogar sagen, Schnee von vorgestern. Wie bereits mein Kollege Weilharter gesagt hat, hat es seither beträchtliche Verschlechterungen, vor allem was die soziale und die Arbeitsmarktlage betrifft, gegeben.

Meine Damen und Herren! Seit Ende April sind bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice 11,8 Prozent mehr Arbeitslose als 1995 vorgemerkt, und die gemeldeten offenen Stellen sind um 22,5 Prozent geringer als 1995. Es gibt Probleme am Arbeitsmarkt, es gibt zuwenig Lehrstellen, es gibt Probleme bei der Sozialversicherung, die auf diese Art nicht mehr finanzierbar ist – wir wissen, es wird zurzeit ein Belastungspaket Nummer 3 geschnürt, um diese maroden Sozialversicherungen zu sanieren –, und es gibt zuwenig Wohnungen und zuwenig Kinderbetreuungseinrichtungen. Da scheint es mir geradezu lächerlich zu sein, wenn man diesen Sozialbericht 1994 anschaut und darin großartig vermerkt wird, daß sich die Erwerbsquote bei Frauen um einen Zehntelprozentpunkt erhöht hat, und zwar von 63,5 auf 63,6 Prozent.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen Mitte 1996 zur Kenntnis, daß Österreich 1994 im Vergleich zum übrigen Europa eine äußerst niedrige Jugendarbeitslosigkeitsrate gehabt hat und daß das österreichische Bildungssystem diese Entwicklung sehr massiv beeinflußt hat. Ich sage Ihnen aber hier an dieser Stelle: Faktum ist 1996, daß wir sehr wohl eine hohe Jugendarbeitslosigkeit haben, aber sie ist versteckt; versteckt dahin gehend, daß Jugendliche, die die Wirtschaft nicht aufnehmen kann und will, weil es sich ja heute aufgrund der hohen Lohnnebenkosten kaum mehr ein Betrieb leisten kann, Lehrlinge aufzunehmen, auf die sogenannten weiterführenden berufsbildenden Schulen verteilt werden. Nach Abschluß ihrer Ausbildung überfluten dann diese Jugendlichen den Arbeitsmarkt und haben immer weniger Chancen, in die Berufswelt einzusteigen.

Daher finde ich, daß mit dem Vorschlag von SPÖ-Bildungspolitikern, über den ich heute in der "Presse" gelesen habe, wonach man die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr einführen will, nichts anderes erreicht werden soll, als die steigende Jugendarbeitslosigkeit zu vernebeln, womit man völlig kontraproduktive Aktionen setzt und nicht an den Kern der Sache geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Aber auch das Alter ist, wie schon vielfach angeklungen, ein bestimmender Faktor für die Langzeitarbeitslosigkeit. Frauen sind nach wie vor mehr betroffen als Männer. Bereits 1994 mußte mehr als die Hälfte der arbeitslosen Frauen mit einem Arbeitslosengeld auskommen, das den Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende – nämlich 7 500 S – unterschreitet, bei Männern waren es nur 20 Prozent. Das Schlagwort, daß die Armut zunehmend weiblicher wird, hat hier wieder seine Berechtigung.

Angesichts dieser Tatsache schafft man im Rahmen eines Belastungspaketes Nummer 2 unter anderem ein vollkommen untaugliches Bonus-Malus-System, wonach, wie die Arbeiterkammer Salzburg errechnet hat, die Kündigung einer älteren Arbeitnehmerin den Betrieb nur in etwa 5 000 S bis 8 000 S kostet, die Kündigung eines männlichen Arbeitnehmers hingegen 20 000 S bis 35 000 S. – Damit erreicht man wieder einmal das Gegenteil von dem, was man vielleicht erreichen wollte.


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Meine Damen und Herren! Wir sollten uns heute wirklich konkret fragen und konkret darüber reden, was besonders die Arbeitsmarktchancen der Frauen zusätzlich beeinträchtigt und mit welchen Angeboten gegengesteuert werden kann.

Nach wie vor vermindert die Doppelbelastung durch Familie und Beruf und die begrenzte Berufswahl die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wie aus einer internationalen Studie hervorgeht – diese Studie wurde vorwiegend im städtischen Bereich, also in den EU-Städten erhoben –, will die Mehrheit der befragten Europäerinnen – es sind immerhin 5 000 Frauen befragt worden – eine bezahlte Beschäftigung ausüben. Außerdem ging aus dieser Umfrage hervor, daß Frauen entscheidend zum Haushaltseinkommen beitragen, ihr Beitrag jedoch von der Gesellschaft generell unterschätzt wird. Außerdem wünschen sich 40 Prozent der Frauen flexible, elterngerechte Arbeitszeiten. Das heißt, die Präferenz für die Mehrheit der berufstätigen Frauen wäre die Teilzeitarbeit. Daher, meine Damen und Herren, ist Flexibilisierung am Arbeitsmarkt ein wirtschaftspolitisches Gebot der Stunde.

In diesem Zusammenhang ist aber ein wichtiges Kriterium, daß die Arbeitnehmerinnen in ein System der sozialen Sicherheit, insbesondere auch der Alterssicherung, eingebaut sind. Bis jetzt war es ja so, daß gerade sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse vorwiegend von Frauen ausgeübt wurden. Ich denke hier im besonderen an die Heimarbeit. Derzeit macht sich eine neue Form der Heimarbeit breit, die sogenannte Tele-Arbeit. Vor allem Frauen in ländlichen Gebieten, wo meist eine hohe Arbeitslosigkeit gegeben ist, greifen nach diesen Chancen. Wenn man bedenkt, daß 42 von 100 Österreichern ihren Arbeitsplatz nicht in ihrer Wohngemeinde haben und – eine Zahl aus Oberösterreich – daß zum Beispiel unsere Landeshauptstadt Linz bei 160 000 Arbeitsplätzen mit über 80 000 Einpendlern an der Spitze in ganz Österreich steht, kann man erahnen, wie wichtig es ist, daß flexible Arbeitsplätze geschaffen werden.

In diesem Zusammenhang sind natürlich die größten Vor-, aber zugleich auch die größten Nachteile die, daß durch die unscharfe Trennung zwischen Privat- und Arbeitsplatz Frauen einerseits Kinder besser betreuen können, aber andererseits auch des wichtigen Sozialkontaktes, wie er an einem herkömmlichen Arbeitsplatz besteht, verlustig gehen.

Trotzdem muß sich heute die Politik angesichts steigender Arbeitslosenraten fragen, inwieweit und unter welchen Bedingungen mit sogenannten atypischen Arbeitsverhältnissen positive Beschäftigungseffekte erzielt werden können. Die Senkung der Arbeitskosten ist sicher eine beschäftigungspolitische Maßnahme, es darf aber in Zukunft sicher nicht so sein, daß für männliche Arbeitnehmer sogenannte typische Arbeitsverhältnisse Geltung haben und für Frauen sogenannte atypische, denn die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.

Wie ebenfalls aus dem Bericht 1994 hervorgeht, waren zirka 6,6 Prozent der Frauen damals geringfügig beschäftigt – bei den Männern waren es nur 2 Prozent –, und das zunehmend im Dienstleistungsgewerbe. Die Problematik für die Frauen ergibt sich einerseits aus der geringen Entlohnung und ihrer damit zusammenhängenden verstärkten Abhängigkeit und andererseits aus der bei geringfügig Beschäftigten fehlenden sozialrechtlichen Absicherung.

Daher sind Modelle, wie sie in den USA und in Frankreich bereits funktionieren, nämlich daß durch selbständige Kleinunternehmer haushaltsnahe Dienstleistungen angeboten werden, grundsätzlich zu befürworten. Der dabei zu verwendende Dienstleistungsscheck ist für die Arbeitnehmer zugleich Arbeitsvertrag, Lohnbescheinigung und auch die wichtige Erklärung gegenüber der Sozialversicherung. Man hätte hier eine Chance, auch den privaten Haushalt als Arbeitsmarkt der Zukunft zu installieren, allerdings – das möchte ich in diesem Zusammenhang betonen – nicht ausschließlich für die Frauen, sondern sowohl für Frauen als auch für Männer.

Meine Damen und Herren! Visionen und konkrete Daten für neue Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle sind im Sozialbereich gefragt. Ich bezweifle daher auch sehr, ob das sogenannte 4. Aktionsprogramm zur Chancengleichheit von Männern und Frauen, so wie es im Sozialbericht 1994 angeführt ist, etwas bringt, vor allem, wenn man nicht weiß, wo die ersten drei Aktionsprogramme geblieben und wo die Erfolge sind, die aus diesen ersten drei Aktions

 


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programmen ersichtlich sein sollten.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß möchte ich nur feststellen, daß der vorliegende Sozialbericht für mich persönlich nur ein Nachschlagewerk über Zahlen und Fakten ist, aber über die zukünftige Entwicklung kaum etwas aussagt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.49

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile dieses.

13.50

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir heute den Bericht zur sozialen Lage 1994 diskutieren, zeigt dies sehr deutlich, wie schnell sich politische Zukunftsperspektiven verändern.

So schreibt der Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales im Geleitwort zum Sozialbericht 1994 unter anderem – darauf hat auch der Herr Berichterstatter hingewiesen; ich zitiere –: "Eine gute Wirtschaftsentwicklung mit hohem Beschäftigungsniveau ist die beste Voraussetzung für eine positive und zeitgemäße Weiterentwicklung unseres Sozialsystems." Weiters heißt es: "Der Beitritt zur Europäischen Union stellt für Österreich neue Herausforderungen und Chancen für eine zeitgemäße Weiterentwicklung des sozialen Systems dar."

Meine Damen und Herren! Dieser Bericht wurde – es wurde heute schon einige Male darauf hingewiesen – vor zirka eineinhalb Jahren geschrieben, in einer Zeit, in der man glaubte, der soziale Wohlfahrtsstaat könne auch in Zukunft in vollem Umfang gehalten oder sogar weiterentwickelt werden. Dies war meines Erachtens ein Trugschluß, denn wir haben anscheinend bereits zu dieser Zeit weit über unsere Verhältnisse gelebt.

Ich war und bin nach wie vor ein kritischer Befürworter des EU-Beitrittes. Es wäre jetzt auch falsch, den EU-Beitritt Österreichs dafür verantwortlich zu machen, daß wir hier eine veränderte Situation haben. Wir haben natürlich gerade auch im sozialen Bereich eine hausgemachte Entwicklung, und jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, und zwar nicht nur für den Sozialbereich – hier aber tut es besonders weh –, sondern auch für die allgemeine politische Entwicklung unseres Landes. Da trifft es die Bevölkerung in ihrer bisherigen sozialen Sicherheit sehr empfindlich, denn dieses soziale Netz, wie es noch im Bericht 1994 geschildert wurde, zeigt heute unübersehbare Risse.

Dazu nur einige Beispiele: Die Sparbudgets, die dringend notwendig waren – und zwar in allen Gebietskörperschaften, vor allem aber im Bundesbereich –, haben dazu geführt, daß diesen Weg auch die freie Wirtschaft gegangen ist, und dies zeigt jetzt die entsprechenden Auswirkungen auch auf unser Sozialgefüge. Das heißt, es kommt zu einem Aufnahmestopp nicht nur durch die öffentliche Hand, sondern auch in der Privatwirtschaft. Dies ist ein Dilemma für unsere Jugend, und es hat meine Vorrednerin, Frau Bundesrat Haubner, darauf hingewiesen, wie schwierig es jetzt für junge Leute ist. Sie hat es aber damit begründet, daß es wahrscheinlich – so habe ich es verstanden – nur wegen der Lohnnebenkosten eine solche Entwicklung gibt.

Ich glaube, Frau Kollegin Haubner, so einfach können und dürfen wir uns die Situation nicht machen. Was mir fehlt, ist einfach das offene Gespräch, wie wir die jungen Leute in den Wirtschaftsprozeß integrieren können, das Gespräch darüber, ob wir den Weg des dualen Ausbildungssystems in Zukunft weitergehen wollen und wie dieser Weg ausschauen sollte. Es wird, hier glaube ich, noch vielzuviel verdeckt, man versucht da und dort, irgendwie etwas zu lösen, aber im breiten Anliegen, insbesondere was die Jugend anlangt, fürchte ich, werden wir gerade im heurigen Jahr nicht das geeignete Rezept haben, diese Leute unterzubringen.

Jeder von uns, der heute in der Politik tätig ist, weiß, was in den letzten Wochen an Nachfragen und auch an – unter Anführungszeichen – "Interventionen" gekommen ist, um junge Leute im Arbeitsprozeß unterzubringen. Das ist nicht nur eine Frage, die man parteipolitisch lösen kann oder nur dem Sozialminister, dem Wirtschaftsminister oder den Interessenvertretungen über


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lassen darf, sondern diese Frage braucht das Gespräch von uns allen, aber auch die Verantwortlichkeit von uns allen.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Bereich in diesem Sozialgefüge, das meines Erachtens jetzt etwas rissig wird, bedeutet auch die Freisetzung von Arbeitnehmern, und hier insbesondere von Frauen und älteren Arbeitnehmern. Ich brauche jetzt, gerade was die Frauenarbeit anlangt, nicht ins Detail zu gehen – Frau Kollegin Crepaz und auch Frau Kollegin Haubner haben ausführlich darauf hingewiesen –, aber wir dürfen es nicht nur bei den Hinweisen lassen.

Gestern im Sozialausschuß hat die Frau Vorsitzende gesagt, eigentlich solle nicht der Wunsch bestehen, dieses Kapitel etwas deutlicher oder ausführlicher zu behandeln, sondern wir sollten danach trachten, dem entgegenzusteuern. Ich glaube, Frau Vorsitzende, dem ist nichts hinzuzufügen. Wir sollten gemeinsam alles tun, um dem entgegenzusteuern, damit wir kein eigenes Kapitel dafür brauchen. Nur stehen die Zeichen der Zeit tatsächlich so wie geschildert, daher muß diese Frage entsprechend ausführlich und konkret behandelt werden.

Ein weiterer Punkt: Der Leistungsdruck in den Betrieben steigt durch die personelle Einschränkung und Zunahme der Arbeit.

Weiters: Wir alle kennen die Diskussion um die Lohnnebenkosten beziehungsweise die Wettbewerbsfähigkeit. Dies führt zu einem ungeheuren Druck auf die Arbeitnehmer. Da geht es nicht mehr um Nullohnrunden, sondern auch um Reduzierung des Lohnniveaus, um den Arbeitsplatz behalten zu dürfen. Damit, meine Damen und Herren, ist eine Sache, die vor Jahren fast undenkbar war, heute einfach Realität. Leider!

Ein weiterer Punkt: In vielen Produktionssparten wird die Rute ins Fenster gestellt für eine Betriebsauslagerung, meist in ehemalige Ostblockländer, denn dort sind die Arbeitskräfte billiger. Die Frage ist allerdings, meine Damen und Herren: Ist das eine Lösung?

Man könnte noch eine beliebig Anzahl weiterer Punkte anführen.

Hohes Haus! Was ist passiert? Sind dies Ursachen oder Auswirkungen des EU-Beitrittes? Ich glaube nicht, daß man es sich so einfach machen kann und dies so einseitig erklären kann oder zuordnen darf. Vielmehr bin ich überzeugt davon, daß unser stark ausgebautes Sozialnetz viel zu starr in seinen Strukturen war und ist und deshalb einen notwendigen Umbau des Sozialsystems nicht zuließ.

Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von steigendem Wirtschaftswachstum und steigendem durchschnittlichen Wohlstand. Wir haben aber nicht reagiert und wollten politisch nicht zur Kenntnis nehmen, daß sich im Hintergrund dieser Wohlstandsentwicklung ein fundamentaler Wandel unserer Gesellschaft vollzogen hat. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen haben sich grundlegend verändert und neu strukturiert. Diese allgemeine Verbesserung der Lebenssituation mit der sozialen Absicherung führte zu einem Verlassen der traditionellen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft. Das heißt, die bisherige Solidaritätsgemeinschaft, welche häufig auch in gesellschaftlichen Hilfeleistungsdiensten bestand, wurde in Frage gestellt oder als nicht mehr notwendig erachtet; denken wir dabei an die früher vielgepriesene Nachbarschaftshilfe, denken wir an Kinder- und Altenbetreuung und so weiter. Diese Hilfeleistungen waren in der kleinen überschaubaren Gemeinschaft nun meist nicht mehr notwendig, denn der Staat hat immer mehr Schutzaufgaben, Schutzfunktionen und Verantwortung für den einzelnen übernommen. Und dies, meine Damen und Herren, kostet Geld, kostet, glaube ich, viel Geld, und es stellt sich heute die Frage: Können wir es uns noch leisten?

Hohes Haus! Einen Bereich, der im Sozialbericht nicht direkt, sondern nur allgemein aufscheint, möchte ich hier noch etwas konkreter anschneiden, nämlich die neue Armut. Dabei geht es mir nicht um Prestige oder Lebensstandard bei Ausstattungsgütern wie Auto, Fernseher oder auch Urlaub, es geht mir vielmehr um die Familienarmut, deren Leidtragende meist die Kinder sind.

Es hat schon meine Kollegin Fischer auf diesen Bereich der Familie hingewiesen, aber ich möchte diesen Hinweis noch etwas verstärken. Familien mit Kindern, besonders jenen mit mehr


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Kindern, droht diesbezüglich eine Gratwanderung, die, wie ich glaube, nicht so ohne weiteres verstanden werden kann. Diese Familien gehen eigentlich tagtäglich an der Armutsgrenze spazieren.

Meine Damen und Herren! Was ich jetzt sage, erlebe ich täglich bei meiner Arbeit im Familienreferat des Landes Tirol. Familien mit Kindern müssen bestimmt sehr oft auf wirtschaftliche Güter verzichten, aber das ist meines Erachtens nicht das eigentliche Problem der Familienarmut. Für die Familie ist Armut vielfach mit psychischen und sozialen Problemen verbunden, die sich auf die Beziehungsebene auswirken. Armut bedeutet auch Einschränkung sozialer Kontakte für alle Teile der Familie, am meisten davon betroffen sind aber die Kinder. Armut bedeutet auch die fast ständige Bedrohung mit dem Verlust von Wohnraum oder einer Überschuldung.

Für Jungfamilien ergibt sich oft ein starker Druck daraus, daß sie wählen müssen zwischen Zeitarmut, die sich ergibt, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind, oder Einkommensarmut, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die einseitige Rolle des Staates in der aktuellen Frage der Kinderbetreuung hinweisen. Die öffentliche Hand unterstützt finanziell fast ausschließlich institutionelle Kinderbetreuung, während die persönlich von einem Elternteil erbrachte Betreuungsleistung nach dem zweiten Lebensjahr oder in Zukunft – ich rechne da ab dem 18. Lebensmonat des Kindes – nicht anerkannt wird. Polemisch könnte man hier hinzufügen: Kinder in Kinderkrippen sind dem Staat viel mehr wert als Kinder, die von ihren Eltern oder von einem Elternteil betreut werden.

Hohes Haus! Der Sozialbericht bringt auch eine Darstellung über die Auswirkungen der Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung durch Frauen und Mütter auf ihre Pension. So begrüßenswert diese Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung von maximal vier Jahren pro Kind ist, sollten wir aber auch für die Zukunft überlegen – dies würde auch meines Erachtens in einen Umbau unseres Sozialsystems passen –, ob in Zukunft Frauen mit Mehrlingsgeburten nicht zusätzliche Zeiten der Kindererziehung angerechnet erhalten sollen, da für diese Frauen ein Weiterarbeiten nach der Karenzzeit fast unmöglich ist.

Ein konkretes Beispiel dazu: In Osttirol hat eine Frau Vierlinge entbunden. Im August läuft die Karenzzeit ab, und ein Zurückkehren an den früheren Arbeitsplatz ist durch die familiäre Situation undenkbar. Ein Kind war schon da, und somit hat diese Familie nun fünf Kinder. Der Vater ist Arbeiter mit einem nicht sehr hohen Einkommen und wird in Zukunft als Alleinverdiener für diese Familie sorgen müssen. Auch wenn wir keine neuen Sozialleistungen dafür einführen wollen oder dürfen, sollten wir – das aber unbedingt – darüber nachdenken, was uns die Leistung dieser Mutter wert ist, und ob in solchen Fällen nicht zusätzliche Zeiten für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vertretbar wären. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Dr. Kapral. ) Es geht nicht darum, Neues einzuführen, sondern um eine Umschichtung innerhalb unseres sozialen Systems.

Meine Damen und Herren! Noch einen Satz möchte ich aus dem Vorwort des Herrn Bundesministers zum Sozialbericht zitieren, der da heißt: Durch zeitgerechte Reformen und eine ausgeglichene Finanzierung ist auch in Zukunft unser soziales System abzusichern. – Wie ist dieser Satz zu verstehen, den der Herr Bundesminister 1995 geschrieben hat, angesichts der heutigen Situation der Gebietskrankenkassen? Warum gab es keine zeitgerechten Reformen und keine ausgeglichene Finanzierung? Ich muß heute fragen: Wer hat da versagt?

Ich hätte hier noch einige Fragen an den Herrn Bundesminister, und vielleicht ist es möglich, daß wir auf schriftlichem Weg eine Antwort erhalten.

Die erste Frage: Weshalb haben der Gesetzgeber und der Hauptverband – man kann auch sagen: der Gesetzgeber oder der Hauptverband – die Gebietskrankenkassen im Regen stehengelassen, obwohl sich das finanzielle Defizit bereits seit längerer Zeit abgezeichnet hat?


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Zweitens: Wir reden laufend von Einsparungen – diese sind richtig und notwendig. Sind aber Einsparungen nicht auch bei den großen Aufwendungen, wie Ärztehonoraren, Spitälern und Medikamenten, möglich und notwendig? Auch das würde ich gerne wissen: Welche Mittel oder gesetzlichen Möglichkeiten gibt es, in diesem Bereich einzugreifen?

Drittens: Stimmt es, daß bei den Besetzungen von Kassenstellen die Ärztekammer die wesentlich stärkere Position hat als die Krankenkassen und daß dadurch die Abschlüsse nicht immer zugunsten der Krankenkassen erfolgen können? – Wenn ja: Können wir es verändern, wollen wir es verändern, sollen wir es verändern?

Viertens: Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen – und die Medien, die Presse sind ja voll davon –, dann müssen für die Sparmaßnahmen und für die Gesundung der Gebietskrankenkassen wiederum nur die Versicherten aufkommen. Aber das ist für mich ein falscher Weg, denn in diesem Bereich – ich habe es schon angezogen – gibt es auch Partner!

Sehr geehrter Herr Bundesminister Hums! Leider Gottes konnten wir die Diskussion nicht mit Ihnen führen, aber ich habe Verständnis dafür, daß es auch andere Aufgaben gibt.

Meine Damen und Herren! Aus diesen Beispielen müssen wir doch erkennen, daß unser engmaschiges Sozialsystem brüchig wird, wenn wir nicht bereit sind, schnellstens einen Umbau zu beginnen – einen Umbau mit neuen Ideen und einer neuen sozialen Verantwortung!

In diesem Sinne nehmen wir den Bericht zur sozialen Lage 1994 zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.08

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile es ihm.

14.08

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Ausführungen des Herrn Bundesrates Drochter haben mich veranlaßt, mich noch einmal zu Wort zu melden, denn im Gegensatz zu seiner Annahme habe ich sehr wohl – es gibt nämlich solche technischen Einrichtungen im Haus – das, was er gesagt hat, gehört und mir auch gemerkt. Ich glaube, daß wir in alter sozialpartnerschaftlicher Manier, Herr Gewerkschaftssekretär Drochter, die Sache mit meinem "fluchtartigen Verlassen des Saales" bereinigen werden. Wenn ich mir nämlich die Rednerliste ansehe und mich zurückerinnere, wessen Ausführungen ich hier gehört habe, so reicht das bis zu Ihrer Kollegin Bundesrätin Perl zurück. Deren Ausführungen konnte ich leider nicht mehr anhören, weil das Hungergefühl zu groß war, und ich mir erlaubt habe, was auch andere Damen und Herren Bundesräte tun, um die Mittagszeit eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen. Aber "fluchtartig", Herr Kollege Drochter, kann man das wirklich nicht nennen. Dieser Ausdruck ist zumindest leicht übertrieben! (Bundesrat Pfeifer: Herr Kollege Kapral! Nur gute Wölfe sind hungrige Wölfe! – Allgemeine Heiterkeit!)

Herr Präsident beziehungsweise Herr Incoming-Präsident! Ich werde mir das zu Herzen nehmen. Wenn Sie im Präsidentenstuhl sitzen, werde ich mir eine wahre Fastenkur verordnen, damit ich entsprechend auf Ihr Vorgehen, auf Ihr Verhalten reagieren kann. (Heiterkeit.)

Der eigentliche Grund, warum ich mich noch einmal zu Wort gemeldet habe, ist der, daß Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, uns das Wahlergebnis vom 17. Dezember vergangenen Jahres vorgehalten haben und es quasi als traumatisches Ereignis für die weitere Entwicklung der Freiheitlichen hingestellt haben.

Ich glaube, da ist erstens einmal auch formal noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wenn Sie in den letzten Tagen die Medien verfolgt haben, so scheint es so zu sein, daß im Verfassungsgerichtshof doch die eine oder andere Überlegung angestellt wird, der Anfechtung des Wahlergebnisses vielleicht stattzugeben. Aber es hat auch schon die Burgenlandwahl gezeigt, wie weit


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Sie von der Bevölkerung für das, was Sie mit dem Belastungspaket angerichtet haben, zur Verantwortung gezogen werden. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn man hier zum Beispiel Wien nennt, so habe ich mit eigenen Augen beobachtet, mit welchem Aufwand und Einsatz Ihre Wiener Genossen die ihnen nahestehenden Wähler am Nachmittag des Wahlsonntags zu den Urnen gebracht haben. Der Brief des Herrn Bundeskanzlers, daß nur die Sozialdemokraten die ASVG-Pensionen sichern, hat da sicherlich auch seine Wirkung getan. Aber es hat nicht sehr lange gedauert. Kurz danach ist bekannt geworden, daß die ASVG-Pensionen auf dem Stand des Jahres 1995 eingefroren werden, daß im Jahr 1996 mit keiner Anpassung zu rechnen ist.

Heute – Herr Minister Hums wird uns sagen, wie weit er sich gegen seinen Kollegen, Bürgermeister und Landeshauptmann Häupl durchgesetzt hat – wurde ja endgültig die Katze aus dem Sack gelassen, was die Pensionen anlangt. Wenn nämlich der Krankenversicherungsbeitrag der Pensionisten erhöht wird, handelt es sich um eine tatsächliche Kürzung dessen, was die Pensionisten in Hinkunft bekommen. Man sieht daran sehr deutlich, wie lange solche Versprechungen des Bundeskanzlers halten, die nur aus wahltaktischen Gründen gegeben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hums. Ich erteile es ihm.

14.13

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur eine kurze Klarstellung: Es stimmt nicht, daß die Pensionen auf dem Niveau des Jahres 1995 eingefroren werden. Die Pensionen wurden im Jahr 1996 um 2,3 Prozent angehoben. Das liegt wesentlich über der Inflationsrate, die erfreulicherweise sehr niedrig ist.

Für das kommende Jahr haben wir folgendes vorgesehen: Weil mit einer sehr niedrigen Inflationsrate zu rechnen ist und weil aufgrund des Nettoanpassungssystems die Valorisierung nur in sehr geringer Höhe erfolgt wäre, haben wir auch für 1997 im Einvernehmen mit den Vertretungen der Pensionisten festgelegt, daß in einer Zeit der niedrigen Inflationsrate, die auch wirtschaftliche Konsolidierungen erfordert, im kommenden Jahr – in dem auch die heurige Anhebung um 2,3 Prozent fortwirkt – im unteren Bereich der Pensionen eine Einmalzahlung, je nachdem ob verheiratet oder unverheiratet, von 3 000 S beziehungsweise 2 000 S erfolgt. Es stimmt daher keinesfalls, daß wir 1996 die Pensionen nicht stärker angehoben hätten, als die Inflationsrate ist.

Zur Diskussion um die Krankenversicherung: Das oberste Ziel, das ich in diesem Bereich sehe, ist natürlich, vermeidbare Kosten tatsächlich zu vermeiden – Kosten im Bereich der Verwaltung, im Bereich der Spitalsfinanzierung, der Ärzteleistung, der Medikamente und so weiter. Daher habe ich in den letzten Wochen eine ganze Serie von Verhandlungen mit dem Hauptverband, mit der Ärztekammer, mit den Apothekern, mit der Pharmaindustrie und verschiedenen anderen Bereichen geführt, in denen ich dafür eingetreten bin – und das wird auch kostenwirksam –, daß zwar in diesen Zeiten die Kostenbremse vehement gezogen wird, dies aber ohne Qualitätsverlust für die Versicherten zu erfolgen hat.

Das oberste Ziel ist und wird es auch immer sein, daß wir den Fortschritt, den es in der Medizin gibt, daß wir die Neuerungen im Bereich der Diagnose, im Bereich der Therapie und jeden Fortschritt durch die Sozialversicherung allen zugute kommen lassen – ohne Rücksicht auf deren Einkommen. Diese Sicherung ist das oberste Ziel.

Im Bereich der Gebietskrankenkassen hätten wir im kommenden Jahr auch dadurch, daß die Einnahmen geringer sind, weil es aufgrund der weltwirtschaftlichen Situation eben zu geringeren Zuwächsen auch bei den Beiträgen kommt, einen Abgang von mehr als 6 Milliarden Schilling gehabt. 4 Milliarden Schilling davon werden durch Kosteneinsparungen hereingebracht, wie gesagt: im Bereich der Verwaltung, im Bereich der Ärzte, im Bereich der Medikamente. Rund


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800 Millionen Schilling werden durch gerechte Umschichtungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds getragen, weil da die gleiche Regelung beim Wochengeld wie beim Karenzgeld eintreten soll, nämlich eine Teilung von 70 zu 30.

Der Rest ist dann zur Sicherung der Qualität der Medizin von den Versicherten selbst zu zahlen. Aber wo immer ich persönlich die Möglichkeit hatte, mit den Versicherten zu sprechen, habe ich sehr hohes Verständnis gefunden. – Es sind dies die Maßnahmen im Bereich der Rezeptgebühren, im Bereich der Beitragssätze bei den Pensionisten. Diese Anhebung von 3,5 auf 3,75 Prozent erfolgt aber nur bei jenen Pensionisten, bei denen es heute nicht schon höhere Beitragssätze gibt.

Diese Anhebung um 0,25 Prozent dient der Absicherung der Qualität der Medizin. Weil wir länger leben, weil die Medizin besser wird, müssen wir eben trotz aller Kosteneinsparungen im Einnahmenbereich auch ein bißchen etwas dazu geben. Die 0,25 Prozent Anhebung bei den Pensionsbeiträgen bewirkt aber andererseits, daß diese Pensionisten von den Ausgaben, die für Aktive vorgesehen sind, wie zum Beispiel einer maßvollen Regelung bei den Krankenscheinen, ausgenommen sind.

Sie wissen, daß ich von vornherein für eine maßvolle Beitragsanhebung eingetreten bin – eine Maßnahme, die ohne Bürokratieaufwand möglich gewesen wäre. Diesbezüglich hat es innerhalb der Koalition Diskussionen gegeben. Wir haben es strikte abgelehnt – und da stehen wir zu unserem Wahlversprechen –, daß es echte Kostenbeteiligungen der Patienten gibt.

Es wird auch in Zukunft im Bereich der Gebietskrankenkassen, die ein völlig anderes System haben als andere Kassen, keine Kostenbeteiligung geben. Eine solche hätte im Bereich der Gebietskrankenkassen etwa bewirkt, daß jemand, der zum Arzt geht, dort mit einem prozentuellen Beitrag an Kosten belastet worden wäre, die er von vornherein nicht abschätzen hätte können. Außerdem hätte das einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand gebracht. Daher gibt es diese Kompromißvariante: keine Kostenbeteiligung, aber eine Beitragsgebühr für den Patientenschein, für den Krankenschein.

Diese Maßnahme ist so vorgesehen, daß sie in einem Quartal für einen Arzt einmal zu entrichten ist und daß Überweisungen – im Gegensatz zur Diskussion der letzten Stunde – weiter gebührenfrei bleiben. Das heißt, wenn jemand als Aktiver zum praktischen Arzt geht, dann ist eine Kassenscheingebühr in Höhe von 50 S im Quartal zu zahlen. Ausgenommen davon sind Kinder, Pensionisten, Menschen mit geringem Einkommen und Menschen, die von der Rezeptgebühr befreit sind, weil sie chronisch krank sind. Jede Überweisung ist frei. 50 S im Quartal, das sind pro Monat 16,60 S für die Absicherung der Qualität der Gesundheit, für die Absicherung dessen, daß wir auch in Zukunft am Fortschritt der Medizin in allen Bereichen teilhaben können. Wer diese Maßnahmen als unsozial betrachtet, hat nicht recht, ich glaube, das ist es wirklich nicht!

Gleichzeitig wurde eine echte Verbesserung im ASVG beschlossen. Dort ist heute für Krankheitsfälle nur vorgesehen, daß es 26 Wochen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld gibt. In guten Zeiten haben die Krankenversicherungen dieses Krankengeld bis zu eineinhalb Jahren erstreckt, satzungsmäßig war das möglich. Aufgrund der heutigen Situation, die natürlich die Finanzierungssicherung erforderlich macht, hatte beispielsweise die Wiener Gebietskrankenkasse bereits einen Beschluß gefaßt, daß es künftig nur für ein halbes Jahr Krankengeld geben soll. Das ist mir absolut sozial unverträglich erschienen.

Daher ist es notwendig – das wurde heute auch im Ministerrat beschlossen und wird dem Nationalrat zugehen –, daß bereits im Gesetz eine Krankengeldregelung für 52 Wochen vorgesehen ist. Keine Kasse braucht dann mehr zu fürchten, daß sie aus irgendwelchen Gründen daruntergehen müßte. Bei diesem Entwurf bleibt es nach wie vor offen, auch über diese 52 Wochen hinauszugehen, wenn es eine entsprechende Notwendigkeit und Möglichkeit gibt.

Ich stehe daher zu diesem Kompromiß. Ich betone, es ist ein Kompromiß, weil ich manche andere Regelungen für einfacher gehalten hätte, aber es ist ein Kompromiß, zu dem ich in jeder Phase stehen kann. Und auch die Pensionisten können das. Nochmals: Das ist keine Pensions


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kürzung, das ist deren Beitrag dafür, daß sie ein gutes Gesundheitssystem haben, das sich mit allen Systemen in Europa messen kann, und zwar ein Gesundheitssystem, das auch bei steigendem Alter jedem garantiert, daß er am medizinischen Fortschritt teilhaben kann.

Primär sind Einsparungen in der Größenordnung von 4 Milliarden Schilling – ich möchte sie hier nicht im Detail ausführen – sowie die Einrichtung einer Controllingstelle durchgesetzt, die künftig ein besseres Kostenmanagement im Hauptverband sicherstellen wird.

Versprechen, daß es den medizinischen Fortschritt und alle Neuerungen auch in Zukunft für alle geben kann, ohne daß man dafür auch einen kleinen Beitrag zahlt, das kann ich nicht, aber eine sozial gerechte Lösung habe ich heute dem Ministerrat vorgelegt. Der Ministerrat hat sie beschlossen. Sie wird dem Hohen Haus demnächst zugehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile es ihm.

14.22

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Sozialbericht – und wenn man ihn studiert, dann sieht man, daß er eine echte Fundgrube ist – ist leider nicht aktuell. Ich glaube, hierin sind wir uns alle einig, daß es sicherlich viel besser wäre, würden wir gegenwärtig den Bericht 1995 diskutieren können. Aber trotzdem glaube ich, daß es notwendig ist, daß wir uns ernstlich mit diesem Bericht auseinandersetzen und daß wir auch versuchen, in die Gegenwart zu blicken, um daraus Resultate für die Zukunft zu finden.

Hohes Haus! Noch mehr Menschen als befürchtet werden ihre Arbeit verlieren. Die Beschäftigung wird laut Wirtschaftsforschungsinstitut weiter sinken. 30 000 Arbeitsplätze werden heuer verlorengehen. 1997 werden es weitere 25 000 sein, Herr Bundesminister! Und die Zahl der Arbeitslosen wird laut Wirtschaftsforschungsinstitut 1996 und 1997 jeweils um weitere 20 000 ansteigen. Das heißt, in Österreich wird es Massenarbeitslosigkeit geben. Das Ziel "Arbeit für alle" darf nicht geopfert werden. Wenn auch der Staat keine Arbeitsplätze schaffen kann, so hat er Rahmenbedingungen zu setzen, und die Politik hat eine Gesamtverantwortung zu tragen, aus der sie sich nicht auf leisen Sohlen verabschieden darf. (Bundesrätin Kainz: Das ist Wirtschaftspolitik!)

Liebe Kollegin! Sie sagen, das ist Wirtschaftspolitik. Aber: Sozialpolitik, Arbeitsplatzpolitik ist auch Wirtschaftspolitik, und wir müssen das auch in einem Zusammenhang sehen. Es wäre lächerlich, meine sehr Verehrten – im Sozialbericht sind die Arbeitslosen ja auch ausgewiesen –, die vorhandene Arbeitslosigkeit mit dem Weg in die "europäische Normalität" erklären zu wollen. Die Arbeit geht uns nicht aus! Der Ertrag der Arbeit ist groß genug! Was auf die Gesellschaft und insbesondere auf die Politik zukommt, ist die Frage nach einer gerechten Verteilung von Arbeit und Einkommen.

Zuallererst, meine sehr Verehrten, geht es natürlich auch darum, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken. Wir haben alle Chancen dazu. Gewiß, mit der Ostöffnung erleben wir eine direkte Konkurrenz an unseren Grenzen, mit Arbeitskosten wie früher in Ostasien. Bestimmte Branchen sind deshalb nicht mehr konkurrenzfähig. Dieses Rad der Geschichte möchte ich aber auch nicht zurückdrehen. Es kann nicht unser Ziel sein, mit Niedriglohnländern zu konkurrieren oder Arbeitnehmer gegeneinander auszuspielen: jung gegen alt, Ausländer gegen Inländer. – Diesen Kampf, meine sehr Verehrten, verlieren wir alle! Denn niemand hat etwas davon, wenn die Kaufkraft der Arbeitnehmer – diese sind ja zum überwiegenden Teil die Konsumenten! – schwindet oder es gar neue Armut gibt.

Arbeitskosten senken, hat Kollege Pischl gefordert, und zwar die Lohnnebenkosten, nicht die Löhne. Die Lohnnebenkosten betragen hierzulande bis zu 102,3 Prozent! Damit liegen wir an der Spitze von 19 weltweit untersuchten Industrieländern. Bei den direkten Lohnkosten liegen wir an neunter Stelle und damit im Mittelfeld. (Bundesrätin Kainz: Sechs prominente Unternehmensberater verweisen das ins Reich der Märchen!) Liebe Kollegin! Mit einer Selbständigen


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quote von 6,3 Prozent liegt Österreich international weit abgeschlagen. Deutschland hat 7,9 Prozent Selbständige, Schweden 8,7 Prozent, Frankreich 8,8 Prozent, Japan 10,3 Prozent, Großbritannien 11,9 Prozent und Italien – man staune! – 24,2 Prozent. Die Italiener haben diesbezüglich nicht nur die Nase vorn, sie sind sogar meilenweit voran!

Von praxisorientierten und renommierten Wirtschaftsforschern wird behauptet, daß das Abfangen der Arbeitslosigkeit am ehesten über eine Zunahme der Zahl an kleinen und mittleren selbständigen Unternehmen funktionieren könnte, und zwar nicht als Konkurrenz bestehender Betriebe, sondern in neuen Branchen, aber insbesondere auch auf neuen Märkten. Wenn der Durchbruch gelingen soll – und er kann gelingen! –, müssen aber die kammerstaatlichen Zugangsbedingungen zum sogenannten freien Unternehmertum gründlich entrümpelt und vereinfacht werden. Bei den heutigen bürokratischen Rahmenbedingungen muß sich ein Unternehmer alleine von den zeitlichen Rahmenbedingungen her gefoppt fühlen. Wenn er etwas tun will, ist es ein Hindernislauf quer durch die Instanzen, und das kostet Nerven, Zeit und Geld. (Bundesrätin Kainz: Sagen Sie das Ihrem Wirtschaftsminister! – Bundesrat Mag. Langer: Dem alten oder dem neuen?) Ja, das werden wir ihm auch sagen, und das weiß er auch. Er vertritt ja ebenfalls diese Meinung.

Meine sehr Verehrten! Für Betriebsgenehmigungsverfahren – ich möchte hier nur das Beispiel Steiermark zitieren – werden in Zukunft drei Monate verbindlich vorgegeben sein. Wenn es binnen drei Monaten nicht erledigt ist, so gilt es.

Noch etwas ist äußerst wichtig: der Arbeitsplatz Bauernhof und die flexible Gestaltung der Gewerbeordnung für Zuerwerbsmöglichkeiten. Wir wollen im Bereich der Landwirtschaft keine Vorteile haben, aber auch keine Nachteile hinnehmen. Und ich möchte auch klar festhalten: Es gibt für uns keine "groß"- und "klein"-Diskussion. Es gibt auch keinen Klassenkampf. Aber wenn wir den Arbeitsplatz Bauernhof nicht erhalten, wird es einen neuerlichen Druck auf den Arbeitsmarkt geben! Die Lehrlinge, die manuellen Berufe sind in den letzten Jahrzehnten systematisch diskreditiert worden.

Die Rechnung, meine sehr Verehrten, liegt nun vor. Wir haben gegenwärtig 210 000 Studenten – dem stehen 120 000 Lehrlinge gegenüber. In Wahrheit stehen wir vor einer Akademikermassenarbeitslosigkeit, und wir haben in Zukunft zuwenig Lehrlinge.

Allein in der Steiermark sind die Lehrlingszahlen in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Es sind noch gerade 20 000. (Bundesrätin Crepaz: Warum? Weil die Wirtschaft keine anbietet! Deswegen!) Ich werde auch darauf zu sprechen kommen. Allein seit 1990 hat sich die Anzahl der ausbildenden Betriebe von 6 900 auf 5 900 reduziert. Vergessen wir in diesem Zusammenhang eines nicht: Österreich stand bei der Jugendarbeitslosigkeit bisher recht gut da. Europaweit sind 20 Prozent der jungen Leute in der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren ohne Job. In Österreich waren es in den letzten Jahren stets rund 5 Prozent. Jetzt nimmt die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen dramatisch zu. 8 Prozent und damit 46 300 junge Menschen bekommen keine Stelle.

Es muß dem, meine sehr Verehrten, massiv gegengesteuert werden. Unternehmen sind zu ermutigen, wieder Lehrlinge auszubilden, anstatt nur Hilfskräfte einzustellen. Entscheidend dafür ist eine Steuerentlastung: Absetzbetrag pro Lehrling oder Übernahme der Lehrlingsentschädigung während der Berufsschulzeit. Wir müssen gegensteuern.

Für einen Lehrling ist der Staat bereit, 6 000 S zu leisten, für einen AHS-Schüler 60 000 S und für einen HTL-Absolventen 92 000 S pro Jahr. Meine sehr Verehrten! Diese Zahlen sagen alles! Wir müssen daher einen gemeinsamen Weg gehen und alles unternehmen, damit es wieder attraktiv wird, einen Beruf zu erlernen.

Die Einkommensunterschiede, meine sehr Verehrten, haben sich in den letzten drei Jahrzehnten vergrößert. Frau Kollegin Fischer hat in ihren Ausführungen hier die Situation bei den Pensionen dargelegt. Das Ungleichgewicht zwischen "oben" und "unten" ist dramatisch verschärft worden. Praktisch in allen Berufsgruppen tut sich die Kluft auf: zwischen jenen, die eine starke Lobby hinter sich haben, und jenen, die immer schwach waren.


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Es ist an der Zeit, meine sehr Verehrten, auch die Einkommenspolitik zu ändern – nicht radikal und mit Brachialgewalt, sondern behutsam und beharrlich. Wenn in einer aufsehenerregenden Studie erst vor wenigen Tagen dezidiert nachgewiesen wird, daß die Lebenseinkommen zwischen einzelnen Berufsgruppen um Millionenbeträge differieren, dann sollten wir ernsthaft unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit darangehen, langfristig das System merkbar zu ändern.

Konkrete Vorschläge sind: Fixbeträge bei den Lohnerhöhungen in den nächsten drei Jahren. (Bundesrätin Kainz: Die KV-Politik überlassen Sie jenen, die es können!) Die Lebensverdienstkurve ist neu anzulegen: am Anfang besser bezahlen und nach der Mitte abflachen. Auch Einkommenseinbußen im Bereich der Landwirtschaft sind auszugleichen. Die Ausgleichszahlungen, die unsere Bauern bekommen, sind kein Geschenk dieses Staates und auch kein Geschenk Gottes, sondern das ist ein Beitrag, der vereinbart wurde.

Meine sehr Verehrten! Das klassische Bild des Normalarbeitnehmers trifft in Wirklichkeit immer weniger zu. Wir treten für eine Flexibilisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein. Wir bekennen uns aber auch gleichzeitig zum Schutz des Arbeitnehmers gegen Willkür in der Zeitverwendung.

Ein wichtiger Punkt – man muß ihn ansprechen, weil damit auch Arbeitsplätze in Verbindung zu bringen sind – ist meiner Meinung nach die Teilzeit. Obwohl die Nachfrage vieler Arbeitnehmer, vor allem von Frauen und Kindern, aber zunehmend auch von älteren Personen, nach besser qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen steigt, ist das Angebot dafür in Österreich nach wie vor sehr gering. Die Teilzeitquote liegt bei 10 Prozent der Erwerbstätigen – im Gegensatz etwa zu den Niederlanden, wo es 36 Prozent sind. Die Erhöhung der Teilzeitquote von 10 auf 15 Prozent innerhalb von vier Jahren ist anzustreben. Das würde bedeuten laut Berechnung der Wirtschaft, daß 150 000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.

Meine sehr Verehrten! Abschließend möchte ich auch zur Teilung von Arbeit etwas sagen. Arbeitsteilung ist für viele undenkbar, und sie ist in vielen Bereichen tatsächlich nicht machbar. Aber es ist nicht wahr, daß gar nichts geht. Im Gegenteil: Es gibt für wichtige Bereiche seriöse Berechnungen für einen behutsamen Weg der Arbeitsteilung. Man könnte Überstunden in Arbeitsplätze umbauen – 30 000 könnten damit geschaffen werden – und Mehrfachbesetzungen in bestimmten Branchen vornehmen, zum Beispiel acht Lehrerjobs mit neun besetzen.

Diese zwei Beispiele sind ein Solidarmodell einer tatsächlich realisierbaren Arbeitsteilung. Es ist ein Schritt auf dem Weg vom Lohnpakt zum Solidaritätspakt, der dringend geboten erscheint.

Wer den Wirtschaftsstandort Österreich als einen herausragenden Platz in die Zukunft führen will, wird flexibel, unternehmerisch denkend und risikobereit ans Werk gehen müssen. Es gilt, von liebgewordenen Traditionen Abschied zu nehmen und bereit zu sein, ein Leben lang zu lernen und sich auch weiterzuentwickeln.

Trotz aller Probleme gibt es in Österreich einen noch nie dagewesenen Wohlstand. Das Selbstbewußtsein ist angebracht, daß der Kuchen, den es zu verteilen gibt, für alle reicht. Die Problemstellung für die nächsten Jahrzehnte ist eine gerechte Verteilung des Wohlstandes. Wir sind in unserer täglichen Arbeit nahezu ausschließlich mit Soll und Haben konfrontiert. Doch geht es nicht um viel mehr? Nämlich um Sein und Sinn? Und es ist für mich eine Überlebensfrage unseres Gesellschaftssystems. – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP.)

14.38

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile dieses.

14.38

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! An und für sich habe ich mir vorgenommen, Kollegen Eisl ein paar Worte zu seinen Ausführungen über die Landarbeiterkammern mitzugeben. Ich würde die F-Fraktion bitten, ihn vielleicht hereinzuholen,


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dann werde ich diese an das Ende meiner Ausführungen verlegen. (Bundesrat Dr. Bösch: Machen Sie das selber, Herr Kollege!) Er wird es jedenfalls, auch wenn er die Flucht ergriffen hat, nachlesen können, was im Protokoll zu dieser Sache stehen wird.

Etwas spät diskutieren wird diesen Bericht über die soziale Lage. Aber ich glaube an und für sich, es ist nie zu spät, über die soziale Lage grundsätzlich zu diskutieren, auch wenn, wie meine Vorredner schon zum Ausdruck gebracht haben, ein bißchen die Aktualität fehlt. Aber wir können sie ja in die Diskussion hereinbringen, und das habe ich eigentlich vor. Ich werde auch auf manche Veränderungen zu vorgelegten Vorberichten hinweisen, aber möchte doch auch die Momentsituation anklingen lassen.

Ich werde mich auch wie im Vorjahr mit der Arbeitsinspektion als erstes befassen und darf zu diesem Bereich vorweg doch einige positive Feststellungen treffen. Im Jahr 1993 wurden 56 000 Betriebe kontrolliert, 1994 waren es etwas weniger, nämlich 55 100. Dennoch handelt es sich bei diesen Betrieben um solche, die mehr Arbeitsplätze haben, sodaß insgesamt 954 500 Arbeitsplätze de facto kontrolliert wurden. Das sind um 13 000 mehr als im Vorjahr.

Positiv ist mir aufgefallen, daß die Zahl der Arbeitsunfälle insgesamt um 5 Prozent zurückgegangen ist. Besonders positiv kann ich aber hervorstreichen, daß bei den tödlichen Arbeitsunfällen ein Rückgang von 15 Prozent zu verzeichnen ist, wobei für diesen Bereich angemerkt werden muß, daß etwas mehr als 50 Prozent aller tödlichen Unfälle keine Arbeitsunfälle im eigentlichen Sinne sind. Es handelt sich hier im wesentlichen um Wegunfälle, und der Verkehrsbereich ist bedauerlicherweise mit einem sehr hohen Unfallsrisiko verbunden.

Bei den Übertretungen im Sinne des Verwendungsschutzes ist auch im Gastgewerbe – dieses führt ja immer diese Liste an – ein Rückgang der Übertretungen von 21 Prozent feststellbar. Das ist an und für sich erfreulich, wobei aber zu sagen ist, daß das Gastgewerbe nach wie vor jene Branche ist, bei der nach wie vor die meisten Beanstandungen vorzufinden sind.

Ein Fünftel aller Beanstandungen wegen Übertretung des Verwendungsschutzes entfällt nach wie vor auf den Handel – er ist also auf Platz zwei –, obwohl auch hier ein Rückgang um 19 Prozent feststellbar ist.

Insgesamt wendet sich etwas zum Besseren. Ich hoffe, daß sich dieser Trend in der nunmehr wirtschaftlich angespannteren, schwierigeren Zeit nicht umkehrt.

Hinsichtlich – und das ist eine große Aufgabe der Arbeitsinspektion – der illegalen Beschäftigung wurden 1994 um 900 Betriebe weniger kontrolliert, also um rund 10 Prozent weniger. Bedauerlicherweise mußte festgestellt werden, daß bei 2 800 Betrieben illegal Beschäftigte vorhanden waren. Insgesamt wurden 6 200 illegale Ausländer beschäftigt.

Ich möchte jetzt keine Hochrechnung anstellen, aber wenn man, wie es im Bericht verzeichnet ist, von 213 000 Betrieben ausgeht – einschließlich der Bundesdienst- und -baustellen –, so wurden etwa 4 bis 5 Prozent der Betriebe kontrolliert. Hochgerechnet würde das eine ganz enorme Zahl von illegal Beschäftigten ergeben. Aber das wäre eine Milchmädchenrechnung, und die ist in dieser Art sicherlich nicht zulässig, da sich die Kontrolltätigkeit der Arbeitsinspektion grundsätzlich auf Schwerpunktbetriebe verlagert hat, sodaß die als grundsätzlich legal arbeitend bekannten Betriebe gar nicht erst kontrolliert wurden.

Dennoch: Die illegale Beschäftigung in unserem Land ist in manchen Bereichen ein Krebsgeschwür, wo alles getan werden muß, damit eine Zunahme verhindert wird. Im Ausschuß konnte ich doch in Erfahrung bringen, daß sich 1995 die Tendenz als fallend darstellt. Wir dürfen nicht vergessen: Durch illegale Beschäftigung entgehen der Sozialversicherung Beiträge, dem Finanzministerium Steuermittel. Insgesamt werden durch solche Vorgangsweisen ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen. Es kann und darf ja nicht so sein, daß der legal arbeitende Unternehmer einen Auftrag nicht erhält, weil ein anderer mit Schwarzarbeitern ihm diesen wegschnappt. Das ist Mißbrauch und ist grundsätzlich zu verurteilen und abzustellen!


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Ein weiteres Thema – es wurde heute schon sehr viel dazu gesprochen – ist die Arbeitslosigkeit. An und für sich stellt der Bericht erfreulicherweise fest, daß in den letzten zehn Jahren eine Zunahme der Beschäftigten in Österreich um rund 300 000 zu verzeichnen ist. Dennoch ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt besorgniserregend.

Auch das Berichtsjahr 1994 kann grundsätzlich einen Zuwachs von 16 000 beschäftigten Personen aufweisen. Das ist aber zuwenig, wenn man den Zuwachs der Wohnbevölkerung gegenüberstellt. Diese hat im Jahre 1994 um 38 000 zugenommen.

Meine grundsätzliche Einstellung zum Problem der Arbeitslosigkeit ist folgende: Mir persönlich ist schon einer zuviel, der arbeiten möchte und keine Arbeit bekommt oder seine Arbeit verliert. Man muß sich einmal grundsätzlich in die Lage des betroffenen Menschen versetzen, der arbeitswillig ist, dem vielleicht erklärt wird, er wird nicht mehr gebraucht. Für diesen bricht doch eine Welt zusammen, ganz zu schweigen von finanziellen und sozialen Schwierigkeiten, die ihn und seine Familie erwarten.

Obwohl wir in Österreich im Verhältnis zur Europäischen Union mit unserer Arbeitslosenrate noch relativ günstig liegen, haben wir alles daranzusetzen, daß kein Zuwachs mehr zu verzeichnen ist. Das Wichtigste, das wir tun müssen, ist, Vollbeschäftigung wiederzugewinnen. Dazu sind aber Maßnahmen zu setzen, wobei noch zu beachten ist, daß mittel- und langfristig mit einer Zunahme des Arbeitskräfteangebotes in Österreich zu rechnen ist. Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen rechnet im Durchschnitt mit 10 000 Personen mehr pro Jahr. Dabei ist auch mit zu bedenken, daß es nach wie vor aufgrund der laufenden Strukturänderungen in der Land- und Forstwirtschaft zu einem weiteren Abwandern aus der Land- und Forstwirtschaft kommen wird, von Selbständigen und Unselbständigen. Es gilt daher vorrangig, alle Möglichkeiten zu nutzen, vorerst einmal kurzfristig wirksame Maßnahmen zu setzen, damit die Beschäftigung als solche stabilisiert und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit gestoppt wird. Mittelfristig sind Maßnahmen zu setzen, um der österreichischen Wirtschaft Impulse zu geben, damit die Beschäftigung gesteigert werden kann, damit die von mir angesprochenen zusätzlichen Arbeitskräfte auch Beschäftigung finden.

Es muß daher investiert werden in Infrastrukturmaßnahmen, in Weiterbildung, damit wir die Nase vorne haben. Ebenso ist das Exportvolumen zu steigern. Und da haben wir doch – weil heute manchmal Nachteiliges über den EU-Beitritt berichtet wurde – durch den EU-Beitritt ein beachtliches Ergebnis zustande gebracht: Das Exportvolumen ist um 8 Prozent gesteigert worden; da liegen wir über unserem Nachbarland Deutschland und weit über der Schweiz.

Im Bereich der Ausbildung gilt es, der Facharbeit eine höhere Wertschätzung zukommen zu lassen. Es muß aber auch die Arbeitsmarktverwaltung beziehungsweise das Arbeitsmarktservice den jungen Menschen helfender entgegentreten als bisher. – Dazu ein kleines Beispiel aus meinem Umfeld: Ein Lehrling aus meiner Umgebung sucht einen Lehrplatz. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es ihm nicht, einen zu finden. Daraufhin kommt er zu mir, und ich versuche, über das Arbeitsmarktservice nachschauen zu lassen, wieviel offene Stellen in dem gewünschten Bereich vorhanden sind. In der Bezirksstelle ist mir gesagt worden: Da haben wir nichts. Als ich dann darauf hingewiesen habe, daß die EDV-Anlagen vernetzt sind, kam die Antwort: Ja, da könnten wir durchschauen. Schlußendlich hat sich gezeigt, daß in Wien 40 freie Stellen im gewünschten Bereich vorhanden sind. Diese Stellen müssen also etwas flexibler werden.

In manchen Bereichen wird es aber auch notwendig sein, daß die Arbeitnehmer etwas flexibler werden. Damit rede ich aber keiner kapazitätsorientierten Arbeitszeit das Wort. Ich meine, eine flexiblere Arbeitszeit, wenn sie notwendig ist, kann nur in Verbindung mit mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer zustande kommen. Ich glaube aber auch, daß das von den Sozialpartnern erarbeitete Papier für Maßnahmen zu einer beschäftigungspolitischen Offensive eine Reihe von guten Überlegungen beinhaltet, wie diesem Problem der zunehmenden Arbeitslosigkeit entgegengetreten werden kann.


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Mir ist in den letzten Tagen – ich habe ihn hier – ein Artikel im "Kurier" in die Augen gesprungen, und ich habe ihn mir etwas genauer angesehen. Überschrift: "Gründerzeit fehlen Gründer", Untertitel: "Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollen verstärkt Unternehmen geschaffen werden. Österreicher sind lustlos." – Ich zitiere:

Aus der Studie einer Marktforschungsfirma ergeben sich nüchterne Zahlen. Nur etwas mehr als ein Fünftel der jüngeren Generation, nämlich 22 Prozent, hat einmal daran gedacht, sich selbständig zu machen. Einmal daran zu denken ist natürlich noch lange kein konkretes Unternehmen. Die Studie folgert weiter, daß die Hälfte den Gedanken, selbständig zu werden, gleich wieder aufgibt, sodaß lediglich 11 Prozent der jungen Österreicher zwischen 18 und 49 Jahren bereit sind, ihren Arbeitsplatz selbständig zu schaffen und zu gestalten. Die Studie gibt die Schuld an dem mangelnden Interesse der Österreicher nicht nur dem schwach entwickelten Risikobewußtsein, sondern auch den eher mäßigen Rahmenbedingungen für Unternehmensgründer und Jungunternehmer. Schlußendlich die Forderung der Autoren: Sollten in den nächsten Jahren keine entscheidenden strukturellen und mentalen Veränderungen eintreten, dann ist für die nahe Zukunft, zumindest in Österreich, keine postindustrielle Gründerzeit zu erhoffen.

Das heißt für uns in der Politik, nachzudenken, Rahmenbedingungen zu schaffen, daß junge Menschen mit Verantwortung und etwas Risikobewußtsein darangehen, Unternehmen aufzubauen. Wir sollten in Österreich nie vergessen und zur Kenntnis nehmen, daß es gerade die kleineren und mittleren Betriebe sind, die Arbeit schaffen und Arbeitsplätze halten.

Ein Zweites: Mir ist eine Grafik in die Hände gefallen, aus der ersichtlich ist, wie hoch der Etat für Forschung und Entwicklung in Österreich im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist. Österreich liegt unter dem EU-Durchschnitt, und es liegen acht Länder von den 15 EU-Ländern vor uns. Wir haben wohl eine leichte Steigerung von 1989 auf 1993 zu verzeichnen, aber die liegt bei 5 Hundertstel Prozentpunkten. Unser Wert liegt bei 0,7 Prozent, und wenn ich mir die Spitzenwerte in der Europäischen Union ansehe, die bei 1,2, 1,3 Prozent liegen, dann muß ich sagen, da haben wir noch etwas zu tun, da haben wir Nachholbedarf, wenn wir vorne bleiben wollen, wenn wir Vollbeschäftigung wiedererringen wollen.

Nun zu einem weiteren Bereich, zum Bereich der Sozialversicherung, bei dem ich mir selbstverständlich aufgrund der laufenden Diskussionen den Krankenkassenbereich herausgenommen habe. Ich habe der "Parlamentskorrespondenz" vom 13. Juni des laufenden Jahres entnommen, daß Herr Sozialminister Hums Lösungen im Bereich der Krankenkassen in der Form suchen möchte, daß die Qualität der Gesundheitsvorsorge – das ist heute schon zum Ausdruck gekommen – aufrecht bleibt und nicht gemindert wird, und er möchte das hauptsächlich durch Kostensenkungen lösen. – So die "Parlamentskorrespondenz".

Die Zeitungen haben aber anders berichtet. Und de facto wissen wir heute, daß der vorhandene Selbstbehalt bei Medikamenten – so bezeichne ich das – von 35 S auf 42 S erhöht und eigentlich ein neuer Selbstbehalt bei jedem Krankenschein pro Quartal in der Höhe von 50 S eingeführt werden wird. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß das Problem der Krankenkassenfinanzierung sich auch anders, nämlich ohne die beiden genannten Maßnahmen, hätte lösen lassen.

Ich gebe nur eine Anregung zum Nachdenken: In Summe beträgt der Beitragssatz der Arbeiter 7,9 Prozent. Bei den Angestellten sind es 6,8 Prozent, bei den Beamten 7,1 Prozent und bei den Pensionisten 3,5 Prozent – dieser wird jetzt auf 3,75 Prozent angehoben. – Das vielleicht zum Nachdenken.

Ich kenne die Unterlagen der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse über Jahre sehr gut. Aus denen ist ersichtlich, daß beispielsweise die Arztkosten alljährlich etwa um den doppelten Prozentsatz angestiegen sind als die Lohnsteigerungen der Dienstnehmer. Das ist auch etwas zum Nachdenken. Und des weiteren ist, wenn ich richtig informiert bin, der Durchschnittspreis für Medikamente in Österreich wesentlich höher als in anderen EU-Staaten. Hier sind Einsparungspotentiale vorhanden, die man ansprechen muß, mit Vehemenz ansprechen muß.


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Es wurde auch manchmal ins Gespräch gebracht, man solle die österreichischen Sozialversicherungsanstalten zusammenlegen, zu einem einzigen riesigen Institut. Ich meine, daß solch große Institute kaum mehr kundenfreundlich sein könnten, der Versicherte in die Anonymität gedrängt würde – und anonyme Versicherte sind unzufriedene Versicherte. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Ich stehe für die österreichische Form der Selbstverwaltung und Aufteilung in der Art, wie wir sie vorfinden. Hier haben wir keinen Handlungsbedarf, um dieses Wort einmal zu strapazieren. Die Selbstverwaltung ist eine vernünftige Art der Führung und wird sich auch in den kommenden Jahrzehnten bewähren. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ. – Bundesrat DDr. Königshofer: Für die Funktionäre, für die Bonzen! Drinnen sitzen und kassieren!)

Herr Kollege! Sie werden sich gleich noch einmal aufregen müssen. (Bundesrat DDr. Königshofer – auf Bundesrat Mag. Himmer weisend –: Hier sitzt ja der Bonzenquäler!) Ich habe nämlich nicht nur den Sozialbericht als Fundgrube für mich entdeckt, sondern auch die Berichte des Nationalratsausschusses für Arbeit und Soziales.

Ich habe einen Antrag eines ehemaligen F-Abgeordneten und nunmehr Liberalen gefunden, der grundsätzlich falsche Begriffe dort verwendet und die Gesetzeslage unrichtig zitiert. Dafür tragen Sie keine Verantwortung. (Bundesrat Waldhäusl: Deswegen ist er ja nicht mehr bei uns!) Besonders aber hat mich irritiert der Entschließungsantrag von Dr. Haider. Ich zitiere aus dem Bericht – und ich bitte gerade die F um Aufmerksamkeit –:

"Langzeitarbeitslose, die – aus welchen Gründen immer – überhaupt keine Beschäftigung finden können und damit letztlich Sozialhilfe beziehen, sollten (ebenso wie andere Sozialhilfebezieher, die dazu geeignet sind) von den Gemeinden für gemeinnützige Arbeiten herangezogen werden können."

Verehrte Kollegen von der F: Das ist Zwangsarbeit! Das lehnen wir ab! Das ist nicht Sozialpolitik, wie wir sie sehen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das gibt es bereits in Berlin! In der halben EU gibt es das!)

Ich darf Ihnen ganz locker sagen: Ich erwarte mir von der F keine arbeitnehmerfreundliche Sozialpolitik. Die haben wir von ihr noch nicht erlebt, und es wird sie auch nicht geben.

Obwohl Herr Kollege Eisl noch immer nicht da ist, möchte ich doch noch ein paar Sätze zu ihm sagen. (Bundesrat Dr. Kapral: Er hört Ihnen aufmerksam zu!) Es ist ja bekannt, daß die F die gesetzlichen Interessenvertretungen abschaffen möchte. Ich kenne die Anträge, nur jetzt sind Sie still geworden, weil die Arbeitnehmer Österreichs gezeigt haben, daß sie zu ihren gesetzlichen Interessenvertretungen stehen. Aber nicht nur diese: Auch die Interessenvertretungen der Selbständigen haben Zustimmung erfahren wie kaum andere Organisationen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen noch sagen: Wenn Herr Kollege Eisl die Landarbeiterkammern in Frage stellt, dann kennt er – das habe ich ihm in einem Zwischenruf schon gesagt – die Bundesverfassung nicht. Wenn er als Bundesrat die Kompetenzaufteilung, die in der Landwirtschaft bei den Ländern liegt, zentralisieren möchte, dann bin ich nur mehr verwundert. Es ist aber eigentlich die Politik, die wir seitens der F kennen: ziel- und planlos. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.59

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Langer. Ich erteile ihm dieses.

15.00

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe, daß Kollege Drochter, nachdem er den Plenarsaal fluchtartig verlassen hat, nun wieder zurückgekehrt ist. Ich kann Ihnen daher persönlich sagen, daß es zwar Ihr gutes Recht ist, aus diversen Broschüren Unterlagen für Vergleiche auf die Art und Weise heranzuziehen, daß Sie auch wirklich an das geschönte Bild


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glauben können, das Sie uns hier malen. Sie ändern damit jedoch, Kollege Drochter, nichts an der derzeitigen Situation in Österreich: Wir haben derzeit die höchste Staatsverschuldung, die höchste Arbeitslosenrate, die höchste Insolvenzrate und die höchsten Lohnnebenkosten – in Europa seit 1945. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie damit zufrieden sind, Kollege Drochter, dann ist das Ihre Angelegenheit. Sie werden das aber vor Ihrem Wähler zu verantworten haben. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß der 17. Dezember für die Sozialdemokratie das zweitschlechteste, für die Freiheitlichen hingegen das stimmenstärkste Wahlergebnis seit 1945 gebracht hat. (Bundesrat Wöllert: Das kann man verschieden interpretieren!)

Wenn Sie nicht zu den Informierten dieses Hauses gehören und wenn es Sie interessiert, dann darf ich Ihnen sagen, daß der "Konsum"-General Gerharter seine Abfertigung – 27 oder 30 Millionen Schilling – stillschweigend bereits erhalten hat. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, Kollege Drochter! Und das sollten Sie auch Ihrem Wähler erklären. – Aber im Prinzip tun Sie mir ja leid, weil Sie eigentlich nur das zu vertreten haben, was Ihr großer Vorsitzender als Linie vorgibt. (Bundesrat Drochter: Gerne!)

Zu Kollegen Schaufler möchte ich folgendes sagen (Bundesrat Waldhäusl: Er hat den Saal fluchtartig verlassen!): Wenn die Arbeiterkämmerer stolz auf ihre Methode sind, von Betrieb zu Betrieb wandern zu müssen, um eine Almosenspende in Form einer Unterschrift zu bekommen, und zwar nicht mit der Fragestellung nach der Art der Mitgliedschaft, sondern ob es Arbeiterkammern überhaupt geben soll oder nicht, dann muß ich sagen: Es ist ein Armutszeugnis, wenn Sie das Ergebnis als großen Erfolg bezeichnen! (Bundesrat Drochter: 90,2 Prozent!) Wir wissen doch ohnedies, daß es letztlich nur darum gegangen ist, daß sich die Arbeiterkämmerer einen Persilschein holen wollen, daß sie nicht bereit sind, in der Struktur etwas zu ändern, daß sie nicht bereit sind, für ihre Zwangsmitglieder eine tatsächliche Leistungsänderung oder Strukturänderung herbeizuführen.

Die Diskussion – jetzt komme ich zum eigentlichen Thema – über den Sozialbericht 1994, der an sich überholt ist, hat dadurch an Aktualität gewonnen, daß der Herr Sozialminister hier anwesend ist und bekanntgegeben hat, was sich heute im Ministerrat hinsichtlich der aktuellen Diskussion betreffend die Finanzierung der Krankenkassen ergeben hat.

Eine Erkenntnis bringt uns allerdings der Sozialbericht 1994 tatsächlich: Er läßt erkennen, daß die Situation bei den Krankenkassen vorhersehbar war. Hatten wir bei den Gebietskrankenkassen im Jahre 1993 bereits einen Abgang von einer halben Milliarde Schilling, so hat sich dieser im Jahre 1994 auf über 1 Milliarde Schilling gesteigert. Eine vergleichbare beziehungsweise im prozentuellen Ausmaß noch größere Steigerung des Abganges hat sich bei der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten ergeben. Nur die Versicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat noch positiver abgeschnitten als im Jahr zuvor.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das bedeutet, daß die Bundesregierung und der damals verantwortliche Bundesminister die Situation der Krankenkassen und die Entwicklung zwar gekannt, jedoch keine Maßnahmen ergriffen haben, um strukturell gegenzusteuern. Und das, meine Damen und Herren, ist ein weiteres Beispiel für die Nachlässigkeit, mit der Sie von der SPÖ-ÖVP-Koalition die Probleme Österreichs behandeln und mit welch mangelnder Verantwortung Sie mit dem Geld des Bürgers und Steuerzahlers umgehen.

Es wird Ihnen erinnerlich sein: Die große Koalition, also Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von der ÖVP, sind im Jahre 1986 unter der Prämisse und der Behauptung angetreten, die Probleme Österreichs gemeinsam zu lösen. – In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, daß wohl Sie als große Koalition das größte Problem Österreichs sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn statt kleiner sind die Probleme größer geworden! Es fehlt Ihnen Problemlösungskompetenz in den entsprechenden Bereichen, und es herrscht keine Bereitschaft zu strukturellen Reformen, sondern nur Abkassierermentalität. Statt sich hinzusetzen, nachzudenken und strukturelle Lösungen zu finden, kommt bei Ihnen immer nur eines zum Tragen, nämlich der


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Griff in die Taschen der Steuer- und Beitragszahler. Das trifft dann hauptsächlich auch noch diejenigen, die sozial schwach sind.

Ich denke, das ist zu einfach, denn diese Lösung erfordert nicht viel Nachdenken: Das Budget läuft aus dem Ruder: Was machen Sie? – Sie belasten! Die Krankenkassen können nicht mehr finanziert werden: Was machen Sie? – Sie belasten wieder! Es kommt zur Einführung der Krankenscheingebühr und zur Erhöhung der Rezeptgebühr und der Versicherungsbeiträge.

Herr Bundesminister! Es nützt in dem Fall nichts, wenn Sie sagen: Es sind eh nur 0,25 Prozent! – Das ist ein weiteres Beispiel in der endlosen Geschichte der versprochenen und gebrochenen Wahlversprechen. Ihr Bundeskanzler Vranitzky hat in seinem Schreiben an die Pensionisten dargelegt, daß er keine Leistungen kürzen und schmälern wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das hat höchstens der Weihnachtsmann gesagt!)

In der Zwischenzeit sind bei einigen die Freibetragsbescheide sistiert worden, sie bekommen also im Endeffekt weniger heraus. Es erhebt sich daher in Anbetracht dieser neuerlichen Belastung die Frage, wie lange eigentlich das Wort eines Bundeskanzlers, das Versprechen des österreichischen Bundeskanzlers gilt.

Die Gefahr, die dahintersteht, hat der Wiener Bürgermeister Dr. Häupl offenbar erkannt. Denn er hat – das lese ich in der Zeitung – die Wahlversprechen der SPÖ aus dem Nationalratswahlkampf ausdrücklich eingemahnt. Und ihm zur Seite trat Herr Stadtrat Dr. Rieder, der dafür ist, den eingeschlagenen Weg zu stoppen und nachzudenken.

Für uns erhebt sich nun die Frage: Hat Herr Bürgermeister Häupl als Mitglied des Parteipräsidiums der SPÖ diesen Maßnahmen zugestimmt, wie er seinerzeit der Autobahnmaut und dem Autobahnpickerl zugestimmt hat, tut er jetzt nur in der Öffentlichkeit und nach außen hin so, als ob er sich gegen die Maßnahmen, die Sie vorschlagen, gegen die Belastungen der Bevölkerung und des Beitragszahlers stark mache, macht er nur nach außen hin einen großen Wirbel, während er nach innen den Maßnahmen zustimmt? (Zwischenruf des Bundesrates Hager. )

Sehr geehrter Herr Kollege! Die Gründe hiefür sind wohl sehr durchsichtig, denn die Wahlen in Wien stehen bevor. Daher wage ich zu behaupten, daß Dr. Häupl in diesem Fall als "roter Häuptling mit gespaltener Zunge" spricht. Er braucht die Stimmen, vor allem die der Pensionisten, denn diese haben die letzte Nationalratswahl mit entschieden, auch unter der Vorgabe des alten Gespenstes, nämlich des Rentenklaus. Aber jetzt demaskieren Sie von der Sozialdemokratie sich jedoch: Sie sind nicht mehr die Beschützer der Pensionisten, sondern werden – im Gegensatz zu Ihrem Wahlversprechen – nun selbst zu denjenigen, die den Pensionisten etwas wegnehmen.

Das kann Häupl natürlich nicht brauchen, denn das vermindert seine Wahlchancen. Die Lösungen, die er vorschlägt – das muß ich sagen –, beinhalten allerdings auch keine echte Reform und keine geänderten Strukturlösungen. Ihm fällt auch nur das Abkassieren ein, und zwar, damit die Sozialdemokraten ein bißchen besser dastehen, mit Hilfe der Neidgenossenschaft. Denn er möchte zum ersten gleich die Höchstbemessungsgrundlage anheben, und zwar auf mehr als das Doppelte, und zum zweiten möchte er die Wirtschaft, aber auch die Arbeitnehmer wieder belasten, indem er einer Beitragserhöhung das Wort redet. Damit würden sich aber die Lohnnebenkosten erhöhen, die Wirtschaft wäre in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, und der Wirtschaftsstandort Österreich innerhalb Europas wäre noch mehr belastet. Weiters würden das Arbeitseinkommen kassiert – weil auch bei den Arbeitnehmern Beiträge kassiert werden sollen – und daher auch die Kaufkraft vermindert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Na selbstverständlich! Das sage ich ja: Arbeitseinkommen und daher Kaufkraft werden vermindert. (Bundesrat Bieringer: Das mußt du dazu sagen, damit wir es wissen!)

Abgesehen von den direkten Belastungen, die auf die Beitragszahler zukommen, gibt es in dem geschnürten Paket noch etwas, was leider ebenfalls Böses für die Zukunft erwarten läßt: 850 Millionen Schilling werden jetzt aus dem Familienlastenausgleichsfonds zu den Krankenkassen transferiert, dafür darf sich Herr Familienminister Bartenstein, der bei diesen Verhand


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lungen schon wieder einmal umgefallen ist, für die Familien jährlich 350 Millionen Schilling ersparen, die er nicht mehr an die ÖBB zahlen muß. Es besteht eine halbe Milliarde Schilling Differenz. Nunmehr ist eine halbe Milliarde Schilling weniger in diesem Familienlastenausgleichsfonds, der bisher defizitär war. Da frage ich mich wirklich: Wie soll dieses Loch gestopft werden, wenn nicht durch weitere Belastungen offenbar der Wirtschaft?

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann nur warnen: Die österreichische Wirtschaft, aber auch die österreichischen Bürger, Steuer- und Beitragszahler vertragen keine weiteren Belastungen! Wir Freiheitlichen werden diese mit aller Vehemenz und allen zu Gebote stehenden legalen Mitteln zurückweisen. Wir Freiheitlichen müssen aber auch eine derart einfallslose, belastende, sozial unausgewogene und für die Österreicher schädliche Sozialpolitik mit allem Nachdruck ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.14

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Rockenschaub hat das Bedürfnis.

15.14

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Hohen Haus eine betrübliche Mitteilung machen: Die Krankenkassenreform, von der wir heute gehört haben, wird nicht kommen, auch wenn der Ministerrat diese heute so beschlossen hat. Ich glaube trotzdem nicht, daß diese so kommen wird. Denn in der SPÖ ist gegen die Wiener SPÖ noch nie etwas gegangen. Und wenn heute in der Zeitung steht: "Unausgewogen, ungeeignet: Wiens SPÖ lehnt ab", dann kann ich doch nicht annehmen, daß die Wiener Bundesräte der Sozialdemokratie ihrem Landeshauptmann und Parteivorsitzenden in den Rücken fallen werden! Das haben wir in 50 Jahren hier noch nicht erlebt, daher habe ich Grund zur Annahme, daß das nicht stattfinden wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Perl. ) Das wird in dieser Weise nicht stattfinden! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

50 S Krankenscheingebühr, Kollege Schaufler, waren in Ihrem Wahlprogramm! Es ist daher geradezu köstlich zu hören, wie Sie die Erreichung Ihres Wahlprogrammes hier am Rednerpult beklagen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, wie Sie hier die 50 S beklagen, offensichtlich aber die Verdoppelung der Krankenbeiträge für die Pensionisten vorschlagen. – Anders konnte ich Ihre Prozentzahlenspiele nämlich nicht verstehen.

Einiges ist hier durcheinandergegangen. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren parlamentarischen Beratungen zu dieser Frage: Werden sich noch weitere Kollegen finden, die die Umsetzung eigener Programme und Wahlforderungen hier dann beklagen werden? – Und ganz spannend wird es werden, wenn sich herausstellen wird, wie es die Kollegen aus Wien mit ihrem Parteivorsitzenden halten.

Herr Kollege Schaufler! Gegen einen Untergriff möchte ich mich noch wehren: Sie haben das Wort "Zwangsarbeit" in den Mund genommen und damit einen freiheitlichen Vorschlag gemeint, nämlich die gemeinnützige Arbeit in Gemeinden für Dauerarbeitslose. – Ich darf den Bundesrat informieren: Diese Idee haben wir Freiheitlichen abgekupfert – das gebe ich offen zu –, und zwar von ihrer Schwesterpartei, der Christlich-Demokratischen Union: In Berlin wird das über Betreiben des dortigen Bürgermeisters seit längerem praktiziert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.17

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen .

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird (20 und 164/NR sowie 5181/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit (103 und 178/NR sowie 5182/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit (104 und 179/NR sowie 5183/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (105 und 180/NR sowie 5184/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (118, Zu 118 und 181/NR sowie 5185/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (119, Zu 119 und 182/NR sowie 5186/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (120, Zu 120 und 183/NR sowie 5187/BR der Beilagen)


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13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (121, Zu 121 und 184/NR sowie 5188/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (122, Zu 122 und 185/NR sowie 5189/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (123, Zu 123 und 186/NR sowie 5190/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (124, Zu 124 und 187/NR sowie 5191/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird,

ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit,

ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit,

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit,

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit,

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit,

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit,

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit,


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Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit,

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Republik Kroatien über Soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung zu den Punkten 6 bis 16 hat Frau Bundesrätin Michaela Rösler übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung, Frau Bundesrätin.

Berichterstatterin Michaela Rösler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe zu Beginn den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird.

Mit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens für Österreich am 1. Jänner 1994 hat sich auch das zwischenstaatliche Recht im Bereich der sozialen Sicherheit wesentlich geändert, insbesondere die Sicherstellung der innerstaatlich gebührenden Pension. Darüber hinaus hat die mit 1. Juli 1993 wirksam gewordene Pensionsreform eine Änderung der nationalen Rechtslage gebracht, die eine Durchführung der bisher vorgesehen gewesenen zwischenstaatlichen Pensionsberechnungsmethode erheblich erschwert.

Das für den Bereich der Sozialversicherung maßgebende EG-Recht sieht als wesentlichen Grundsatz vor, daß nach innerstaatlichem Recht erworbene Ansprüche nicht gemindert werden dürfen. Unter Bedachtnahme auf diesen Grundsatz ist Österreich bestrebt, auch in jenen bilateralen Beziehungen, die nicht vom EG-Recht erfaßt werden, die innerstaatlich gebührende Pension sicherzustellen. Diesen Bestrebungen wurde in der dem gegenständlichen Beschluß als Anlage angeschlossenen Zusatzvereinbarung mit der Regierung von Quebec Rechnung getragen.

Weiters wird in dieser Zusatzvereinbarung die zwischenstaatliche Pensionsberechnungsmethode wesentlich dadurch vereinfacht, daß für die österreichische Leistung nunmehr ausschließlich die österreichischen Versicherungszeiten maßgeblich sind (sogenannte "Direktberechnung").

Weiters sieht die Zusatzvereinbarung die formale Anpassung einzelner Abkommensbestimmungen an die geänderte Rechtslage vor.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe nun den Bericht über den Beschluß betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Bereits mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, hat Österreich das Recht der EG im Bereich der sozialen Sicherheit übernommen. Im Bereich der Pensionsversicherung sieht die in diesem Bereich maßgebende Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 als wesentlichen Grundsatz vor, daß nach innerstaatlichem Recht erworbene Ansprüche nicht gemindert werden dürfen. Unter Bedachtnahme auf diesen Grundsatz ist Österreich bestrebt, auch in jenen bilateralen Beziehungen, die nicht vom EG-Recht erfaßt werden, die innerstaatlich gebührende Pension (sogenannte "Alleinpension") sicherzustellen.

Darüber hinaus hat die mit 1. Juli 1993 wirksam gewordene Pensionsreform eine Änderung der nationalen Rechtslage gebracht, die eine Durchführung der bisher vorgesehen gewesenen zwischenstaatlichen Pensionsberechnungsmethode erheblich erschwert.

Das gegenständliche Zusatzabkommen sieht zusammenfassend im wesentlichen vor:


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die Sicherstellung der Alleinpension, sofern ein Pensionsanspruch nach innerstaatlichem österreichischen Recht besteht,

die zwischenstaatliche Pensionsberechnung in allen anderen Fällen durch Direktberechnung und

eine formale Anpassung einzelner Abkommensbestimmungen an die geänderte Rechtslage in beiden Staaten.

Bei einem Inkrafttreten der Direktberechnung mit 1. Juli 1996 ergeben sich finanzielle Einsparungen von 185 000 S im Jahre 1996, 985 000 S, 1 490 000 S und 1 990 000 S in den Jahren 1997 bis 1999.


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Das vorliegende Zusatzabkommen ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Bereits mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, hat Österreich das Recht der EG im Bereich der sozialen Sicherheit übernommen. Im Bereich der Pensionsversicherung sieht die in diesem Bereich maßgebende Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 als wesentlichen Grundsatz vor, daß nach innerstaatlichem Recht erworbene Ansprüche nicht gemindert werden dürfen. Unter Bedachtnahme auf diesen Grundsatz ist Österreich bestrebt, auch in jenen bilateralen Beziehungen, die nicht vom EG-Recht erfaßt werden, die innerstaatlich gebührende Pension (sogenannte "Alleinpension") sicherzustellen.

Darüber hinaus hat die mit 1. Juli 1993 wirksam gewordene Pensionsreform eine Änderung der nationalen Rechtslage gebracht, die eine Durchführung der bisher vorgesehen gewesenen zwischenstaatlichen Pensionsberechnungsmethode erheblich erschwert.

Das vorliegende Zusatzabkommen sieht zusammenfassend im wesentlichen vor:

die Sicherstellung der Alleinpension, sofern ein Pensionsanspruch nach innerstaatlichem österreichischen Recht besteht,

die zwischenstaatliche Pensionsberechnung in allen anderen Fällen durch Direktberechnung und

eine formale Anpassung einzelner Abkommensbestimmungen an die geänderte Rechtslage in beiden Staaten.

Bei einem Inkrafttreten der Direktberechnung mit 1. Juli 1996 ergeben sich finanzielle Einsparungen von 670 000 S im Jahre 1996, von 1 480 000 S, 1 760 000 S und 2 040 000 S in den Jahren 1997, 1998 und 1999.

Das vorliegende Zusatzabkommen ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit.

Im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Vorbereitung des EWR beziehungsweise des Beitritts Österreichs zur EU wurden im Mai 1992 Verhandlungen mit Deutschland aufgenommen, um ein EG-konformes neues Abkommen vorzubereiten.

Das geltende Abkommen erfaßt derzeit alle Personen – unabhängig von deren Staatsangehörigkeiten –, die den Rechtsvorschriften im Bereich der Sozialen Sicherheit eines oder beider Staaten unterliegen oder unterlagen.

Mit dem Inkrafttreten des EG-Rechts aufgrund des Inkrafttretens des EWR-Abkommens sind für die Beziehungen zwischen beiden Staaten im Bereich der Sozialen Sicherheit seit 1. Jänner 1994 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme zur Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung dieser Verordnung maßgebend.

Allerdings werden bestimmte Personengruppen (insbesondere Staatsangehörige eines Nicht-EG/EWR-Staates) und einige Detailbereiche von den oben erwähnten EWG-Verordnungen nicht erfaßt. Das geltende bilaterale Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen beiden Staaten bleibt jedoch weiterhin anwendbar.

Diese Rechtslage kann aber einerseits in Einzelfällen für die Betroffenen zu positiven oder negativen Auswirkungen und andererseits zu einer kaum zu bewältigenden Belastung der mit der Anwendung betrauten Versicherungsträger führen.

Somit werden durch das vorliegende Abkommen die Regelungen der EWG-Verordnungen auf die bisher nur vom Abkommen betroffenen Detailbereiche und Personengruppen für anwendbar erklärt.

Das vorliegende Zusatzabkommen ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.


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Ich erstatte nun den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Die zur Budgetkonsolidierung erforderlichen Maßnahmen sehen unter anderem vor, daß an Anspruchsberechtigte, deren Kinder ständig im Ausland wohnhaft sind, keine österreichische Familienbeihilfe zu gewähren ist. Da das auf die Beziehungen zur Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendete bilaterale Sozialversicherungsabkommen mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien einer solchen Regelung entgegensteht, sieht der vorliegende Beschluß eine Kündigung des erwähnten Abkommens vor.

Den Erläuterungen des Beschlusses ist weiters zu entnehmen, daß die oberwähnte Einsparungsmaßnahme im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien 165 Millionen Schilling jährlich beträgt und bereits für das zweite Halbjahr 1996 budgetiert ist.

Bei einem Außerkrafttreten des Abkommens sind bereits laufende österreichische Pensionen jedenfalls weiter zu gewähren. Im Fall eines vertragslosen Zustandes wären gewisse Interessen österreichischer Staatsbürger betroffen. Es sind dies insbesondere:

Entfall des Krankenschutzes (Sachleistungen durch öffentliche Gesundheitseinrichtungen beziehungsweise "Kassenärzte") bei vorübergehendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Jugoslawien;

Entfall der Verpflichtung des Partnerstaates zur Überweisung von Pensionen nach Österreich;

Nichtberücksichtigung der im Partnerstaat erworbenen Versicherungszeiten zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine österreichische Pension (insbesondere Wartezeit).

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Bei den folgenden Berichten, die die Tagesordnungspunkte 11 bis 16 betreffen, geht es um dasselbe Thema, nämlich wieder um die Kündigung der Abkommen mit den gleichen Folgen für die Staaten, die vorhin bereits in der Tagesordnung erwähnt wurden und die ich jetzt nicht mehr wiederholen möchte. Es ist überall der gleiche Inhalt, beziehungsweise die einzige Änderung sind die Beträge der Einsparungsmaßnahmen.

Der Sozialausschuß stellt daher nach der Beratung der Vorlagen am 24. Juni auch für die restlichen sechs Berichte den Antrag , keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

Präsident Johann Payer: Ich danke der Berichterstattung für die Berichte. Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile dieses.

15.31

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Der Herr Bundesminister ist jetzt hinausgegangen. Meine Damen und Herren! Die Berichterstattung hat schon gezeigt, daß diese Materie einerseits sehr gleichförmig, andererseits aber trotzdem von Inhalten bestimmt ist, die österreichische Staatsbürger berühren, aber auch Menschen berühren, die in Österreich ihre Berufstätigkeit ausüben.

Wir haben es in diesem Block mit jenen Verträgen und Vertragsänderungen zu tun, die österreichischen Staatsbürgern im Ausland gewisse Rechte garantieren. Das ist jener Block, der im Westen angesiedelt ist. Zum Teil sind auch Anpassungsformulierungen notwendig, die aufgrund


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der EU-Situation entstanden sind. Es werden dort bilaterale Abkommen durch EG-konforme Regelungen ersetzt. Es werden damit Ansprüche gesichert und auch Vereinfachungen herbeigeführt. Das ist eine Situation und eine Änderung, die sicher begrüßenswert sind, auch wenn die finanziellen Auswirkungen vielleicht nicht von allzu großer Bedeutung sind.

Der zweite Block der angesprochenen Vertragsänderungen ist sicher etwas anders zu sehen, und ich gehöre nicht gerade zu jenen, die immer und jederzeit alles kritisieren, aber ich denke, daß trotzdem einige Bemerkungen zu diesen Vertragsänderungen angebracht sind, auch wenn sie unter dem Druck der Budgetkonsolidierung zustande gekommen sind.

Diese Vertragsänderungen betreffen aber vor allem Bestimmungen, die die Situation von Österreichern auch beeinträchtigen können, weil sie doch gewisse Risken aufgrund ihrer Urlaubsinanspruchnahme entstehen können, vor allem in jenen Ländern, die als traditionelle Urlaubsländer der Österreicher eine Bedeutung haben, wie zum Beispiel die Türkei und die jugoslawische Adriaküste.

Diese Änderungen sollen einen beabsichtigten und von mir auch voll akzeptierten Spareffekt im Bereich der Familienbeihilfen für die im Ausland lebenden Kinder von Ausländern, die in Österreich ihre Berufstätigkeit ausüben, bringen. Ich behaupte, daß sie nicht alle freiwillig gekommen sind, daß wir einen großen Teil von ihnen in Zeiten, in denen wir sie gebraucht haben, auch geholt haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich werde es mir heute wirklich verkneifen, auf Zwischenrufe einzugehen. Ich möchte eines vorweg feststellen, damit ich Ihnen diese Zwischenrufe erspare: Ich rede hier nicht dem Mißbrauch das Wort, sondern ich rede jenen Maßnahmen das Wort, die den Mißbrauch vernünftig eingrenzen. Das soll der Tenor meiner Aussagen sein.

Einerseits gibt es diesen Spareffekt, der zu akzeptieren ist, der richtig und notwendig ist, andererseits aber entstehen damit beträchtliche Risken für solche Österreicher, die sicher nicht zu den Luxusurlaubern gehören. Diese Länder gehören, wie ich schon ausgeführt habe, zu den preisgünstigen Urlaubsländern, und wenn dort jetzt der Krankenversicherungsschutz fehlt, so ist das sicher für Österreicher eine beträchtliche Erhöhung des Risikos. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es ist meines Erachtens die Tendenz zu beachten, die jetzt aus diesen Änderungen entsteht, und es ist doch ersichtlich, daß undifferenzierte Notwendigkeiten oder Maßnahmen, die eigentlich zur Mißbrauchsverhinderung gedacht sind, Risken beinhalten, die im ersten Schritt vielleicht zuwenig bedacht werden.

Ich glaube nämlich, daß bei der Einschränkung beziehungsweise beim Wegfall der Auszahlung der Familienbeihilfe für die angesprochenen Kinder nicht in erster Linie der Einsparungseffekt im Vordergrund gestanden hat, sondern daß ein bißchen der Mißbrauch Vater des Gedankens war, und das ist etwas, was mir persönlich immer sehr weh tut. Diese Tendenz möchte ich sehr kritisch betrachten. Natürlich gibt es Fälle – ich denke, das ist unumstritten –, bei denen in den Heimatländern Bestätigungen ausgestellt werden, die nicht der Tatsache entsprechen. Ich glaube aber, daß die Situation einzuschränken gewesen wäre. Man hätte eine Lösung in die Richtung treffen können, daß man die Geldwertsituation in den angesprochenen Ländern als Grundlage zur Auszahlung der Familienbeihilfe genommen hätte, um dieser Situation entgegenzuwirken. Man muß dies auch vor dem Hintergrund sehen, daß jene Menschen, die gerechtfertigte Leistungen verlieren, jene, die tatsächlich Kinder in ihren Heimatländern zu erhalten haben, durch ihre Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds einen gewissen Anspruch auf die Auszahlung eines angemessenen Betrages zum Erhalt ihrer Kinder geltend machen könnten.

Wie gesagt, ich sehe dieser Tendenz, die so sehr den Mißbrauch im Vordergrund hat, mit Sorge entgegen, weil sie Auswirkungen auf andere Bereiche hat. Grundsätzlich sind mir der Mißbrauch und die Annahme des Mißbrauches persönlich überhaupt sehr lästig, um es so auszudrücken. Ich glaube, daß es andere Maßnahmen geben müßte, die fälschungssichere Bestätigungen ermöglichen, die aber auch das Auslaufen der Verträge und das Risiko für den angesprochenen Kreis der Österreicher einschränken.


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614. Sitzung / Seite 95

Ich hoffe, daß die nun eingeleiteten Verhandlungen mit den betroffenen Ländern noch zu vernünftigen Vorgangsweisen führen werden, um beiden Bereichen auch eine notwendige Absicherung zu geben. Ich denke, daß diese Kompromißlösungen auch ganz besonders notwendig sind im Hinblick auf unsere Vorstellungen, in Europa zusammenzuwachsen, Harmonisierungsbestrebungen herbeizuführen, sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich Grundlagen zu erarbeiten, um diese Harmonisierung herbeizuführen. Andererseits haben wir einen Anachronismus vor uns, der sich in den angesprochenen Auswirkungen dokumentiert.

Ich möchte der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß es gelingt, diese Ecken und Kanten in den Verhandlungen herauszubringen. Aus diesem Grunde gibt meine Fraktion dem Antrag, gegen die Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, die Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Königshofer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

15.39

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach den etwas heftigeren Debatten im Zuge des Sozialberichtes ist es mir jetzt eine wahre Freude, den Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion und von der ÖVP-Fraktion recht herzlich zu gratulieren, daß sie mit diesen Beschlüssen eine langjährige freiheitliche Forderung in die politische Realität umsetzen werden (Beifall bei den Freiheitlichen), eine Forderung, für die Sie uns auch jahrelang beschimpft und politisch geprügelt haben. Wir sind froh, daß es heute so kommt und daß auch Sie zu dieser Einsicht gelangt sind, daß es vernünftig wäre, die Sache auf diese Art und Weise zu regeln.

Begründungen dafür gibt es viele, wir haben sie jahrelang genannt, Sie, Frau Kollegin Kainz, haben auch schon vom berühmten Sozialmißbrauch gesprochen, der im Ausland wahrscheinlich noch häufiger und öfter vorkommt als im Inland. Mit der Streichung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende ausländische Kinder kommen Sie damit einer Forderung nach, die wir seit Jahren aufgestellt haben.

Sie kommen aber erst jetzt aufgrund des Drucks der budgetären Sachzwänge darauf, die Maßnahme zu setzen und die Dinge so zu regeln. Ich glaube, die Sachzwänge und die budgetären Nöte werden noch sehr viel in Ihrer zukünftigen Politik bewegen.

Laut Regierungsvorlage macht die Einsparung dieser Kinder- oder Familienbeihilfe, wie sie jetzt heißt, rund 601 Millionen Schilling pro Jahr aus. Auf Basis dieser Zahlen sollte man einmal ein bißchen rechnen. Wenn man diese Summe nur für zehn Jahre hernimmt, dann macht das einen Betrag in der Höhe von rund 6 Milliarden Schilling aus. Ich kann mich erinnern, daß das Loch im Familienlastenausgleichsfonds ähnlich groß ist.

In der heutigen "Kronen-Zeitung" gibt es ein Zitat zur Gleichbehandlung, das ich Ihnen bringen darf – ich zitiere –: Schließlich bedeutet die Streichung der Familienbeihilfe für die in der Türkei lebenden Gastarbeiterkinder keine Ungleichstellung, denn für Kinder von Österreichern, die im Ausland leben, beispielsweise während einer Schulausbildung, gibt es ebenfalls keine Kinderbeihilfe. So hält es übrigens auch die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. – Ende des Zitates.

Meine Damen und Herren! Damit sind wir schon soweit, daß wir uns dafür entschuldigen müßten, wenn wir für die eigenen Staatsbürger etwas einführen, das wir nicht sofort auch jedem Ausländer zukommen lassen wollen. Aber das ganze kommt aus dem EU-Recht, stammt vom Prinzip der Gleichbehandlung, das dann auf Schleichwegen durch Übereinkommen mit Drittstaaten auch für die Bürger dieser Drittstaaten, zum Beispiel der Türkei, eingeführt wird. Wenn ein türkischer Staatsbürger, der hier in Österreich arbeitet, zum Beispiel seine Kinder in die Bundesrepublik Deutschland nachkommen läßt, dann wird es für den österreichischen Staat so sein, daß die Kinder- und Familienbeihilfe wieder auflebt, denn dann ist diese Zahlung von unserem Staat aus zu leisten.


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614. Sitzung / Seite 96

Ich bin aber nach wie vor der Meinung, daß ein Staat in erster Linie für seine eigenen Bürger dasein sollte, für seine eigenen Familien und für seine eigenen Kinder. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nach Kündigung dieser Sozialabkommen mit den Balkan- und Levantestaaten kommen jetzt aber wieder neue Ideen bei politischen Träumern einer mulitkulturellen Gesellschaft auf. Sie denken sich, wenn wir jetzt schon nicht mehr die Kinderbeihilfe hinunterschicken können, dann könnten wir ja die Kinder heraufholen. Das sogenannte "Integrationspaket" von Einem/Khol, von Herrn Minister Einem und Klubobmann Khol, forciert die sogenannte Familienzusammenführung in Zukunft in der Weise, daß die Angehörigen, Frauen und Kinder, vermehrt nach Österreich zuziehen sollten. Wir Freiheitlichen sind auch für eine Familienzusammenführung, wir nehmen niemandem das Recht, mit seiner Familie zusammenzuleben, es hat jedermann die Möglichkeit, sich zu seiner Familie zu begeben. Aber es besteht kein Anspruch und kein Recht, die Familie in ein Land nachkommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich lese Ihnen aus der heutigen "Presse", Dienstag, 25. Juni 1996, ein Zitat vor. Straßburg – dort ist der Sitz des Europäischen Gerichtshofes –: Familiennachzug nicht bevorzugt. Hier heißt es – ich zitiere –: Daß es jedoch einen menschenrechtlichen Anspruch auf Familiennachzug für jeden Ausländer geben soll – in Österreich leben 700 000 Fremde –, dafür findet sind in der gesamten Judikatur kein Beweis, auch wenn es in der politischen Diskussion mehrfach behauptet wird. – Ende des Zitates. (Bundesrätin Kainz: Es gibt auch menschliche Aspekte!)

Meine Damen und Herren! Was würde denn dieser Familiennachzug à la longue die österreichischen Staats- und Sozialbudgets kosten? – Wenn man bedenkt, daß in fünf Jahren in etwa 90 000 bis 100 000 Ausländer legal nach Österreich zuziehen würden, und wenn man einmal im Bericht des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nachschaut, wieviel ein Versicherter pro Jahr die Sozialversicherungen kostet, nämlich im Schnitt 20 000 S, dann kann man sich ausrechnen, daß 100 000 neue Bürger die Sozialbudgets, vor allem die Krankenkassenbudgets, im Jahr mit zirka 2 Milliarden Schilling zusätzlich belasten würden. Es kämen aber nicht so viele Zahlungen in die Kassen hinein, weil die Kinder noch nicht erwerbstätig sind, aber es würde sicher ein gewisser medizinischer Nachholbedarf bestehen.

Deshalb glaube ich, daß Sie uns in vielen Fragen der Ausländerpolitik auch in Zukunft folgen werden, nicht nur bei der Streichung der Kinder- und Familienbeihilfe. Sie werden draufkommen, daß es in Zukunft notwendig sein wird, die Illegalen im Lande zu erfassen und, wenn notwendig, abzuschieben. Sie werden auch draufkommen, daß es in Hinkunft notwendig sein wird, ausländische Arbeitslose, deren Zahl auch schon mittlerweile im Jahresschnitt zwischen 20 000 und 30 000 schwankt, mittels Anreize in die Heimat rückzuführen sollte. Denken Sie nur daran, daß ein Arbeitsloser pro Jahr 200 000 S kostet, mal 20 000 sind auch das 4 Milliarden Schilling Belastung für das Budget.

Damit könnten Sie, wenn Sie diese Dinge in Zukunft auch noch umsetzen, mehr Sicherheit im Land erzielen, mehr Einsparungen erzielen, wie bei den Kinderbeihilfen, wie bei den Arbeitslosenunterstützungen, und letztendlich auch mehr Glaubwürdigkeit in der Ausländerpolitik erreichen. Wir Freiheitlichen geben daher den vorliegenden Beschlüssen auch im Bundesrat gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 97

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 98

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke, dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Die nächste Abstimmung betrifft den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Die nächste Abstimmung betrifft den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch hier ist Stimmeneinhelligkeit gegeben.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Einlauf

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers Dr. Johannes Ditz und Betrauung mit der Fortführung der Geschäfte durch Bundesminister Dr. Johann Farnleitner.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens. – Bitte.


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614. Sitzung / Seite 99

Schriftführerin Ilse Giesinger:
"Ich beehre mich, mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 19. Juni 1996, Zl 800.410/4/96, über meinen Vorschlag gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag vom gleichen Tag gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Dr. Johann Farnleitner zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ernannt.

Mit besten Grüßen

Bundeskanzler Vranitzky"

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Verlesung des Schreibens des Herrn Bundeskanzlers.

Fortsetzung der Tagesordnung

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Juni 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG) (182/A und 166/NR sowie 5175 und 5192/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen in unserer Tagesordnung fort und gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz).

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Perl übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Gertrude Perl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Friedrich Verzetnitsch, Fritz Neugebauer und Genossen am 7. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht.

Die betriebliche Interessenvertretung für die Arbeitnehmer der Post und Telekom Austria AG ist derzeit gesetzlich nicht geregelt.

Gemäß § 15 Abs. 2 Poststrukturgesetz unterliegt die Post und Telekom Austria AG unter anderem nicht den Bestimmungen des II. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes beziehungsweise des Bundes-Personalvertretungsgesetzes. Das Poststrukturgesetz enthält dazu im § 19 Abs. 2 die Regelung, daß die Personalvertretung der bei der Post und Telekom Austria AG sowie bei Tochterunternehmen, an denen die Post und Telekom Austria AG zumindest mehrheitlich beteiligt ist – diese sind an und für sich nicht von der Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 2 Poststrukturgesetz erfaßt –, beschäftigten Bediensteten unter Berücksichtigung der betrieblichen Besonderheiten durch besonderes Bundesgesetz zu regeln ist.

Die Personalvertretung der bisher im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten Bediensteten unterlag nicht den Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes; Grundlage ihrer Tätigkeit war vielmehr der sogenannte "Figl-Erlaß." Es ist – gerade auch im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Betriebsübergang – davon auszugehen, daß die zum Zeitpunkt der Ausgliederung, das ist der 1. Mai 1996, bestehenden Personalvertretungsorgane nicht nur in ihrer Existenz, sondern auch hinsichtlich ihres Aufgabenbereiches unverändert weiterbestehen.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 100

Die Betriebsübergangsrichtlinie – die grundsätzlich auch für den öffentlichen Bereich, ausgenommen den Bereich der Hoheitsverwaltung gilt – sieht nämlich in Artikel 5 explizit vor, daß die Rechtsstellung und Funktion der Arbeitnehmervertreter erhalten bleiben, sofern der Betrieb das Unternehmen in seiner Identität im wesentlichen unverändert bleibt. Entsprechend dieser Richtlinienbestimmung wird im III. Teil des Beschlusses (§ 75) auch vorgesehen, daß die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetze bestehenden Personalvertretungsorgane bis zur regulären Beendigung ihrer Tätigkeitsdauer am 31. Dezember 1998 im Amt bleiben.

Der gegenständliche Beschluß lehnt sich in der Gliederung stark an die Regelung des Arbeitsverfassungsgesetzes an.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kapral. Ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.

15.59

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf gleich eingangs feststellen, daß – so wie dies auch im Entwurf zum Ausschußbericht festgehalten ist – meine Fraktion diesen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ablehnt, das heißt, dem Antrag zuzustimmen, nicht beitritt. Durch einen bedauerlichen Irrtum ist im Ausschuß eine einstimmige Zustimmung erfolgt. Wir werden hier im Plenum aber gegen diesen Gesetzesbeschluß stimmen.

Die betriebliche Interessenvertretung für die Arbeitnehmer der Post und Telekom Austria AG ist derzeit gesetzlich nicht geregelt, so heißt es jedenfalls in der Begründung zu einem Initiativantrag, der am 7. Mai im Nationalrat eingebracht wurde.

Weiters heißt es dort: "Die Personalvertretung der bisher im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten Bediensteten unterlag nicht den Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes; Grundlage ihrer Tätigkeit war vielmehr der sogenannte ,Figl-Erlaߒ".

Bedauerlicherweise wird nicht weiter ausgeführt, auf welcher Rechtsgrundlage dieser basiert beziehungsweise welches rechtssystematische Instrument ein "Figl-Erlaß" ist. Ich nehme an, daß die Bezeichnung auf den seinerzeitigen Bundeskanzler und späteren Außenminister Figl zurückzuführen ist. Jedenfalls entnimmt man diesen beiden Zitaten, daß die Organisation der Personalvertretung im Bereich der Post beziehungsweise, so wie es jetzt heißt, Post und Telekom AG einer Neuregelung bedarf, und das wird auch von meiner Fraktion gar nicht bestritten.

Dieser Initiativantrag ist im Gleichklang mit dem an sich anerkennenswerten Bemühen einer Ausgliederung, einer Neustrukturierung, einer gesellschaftsrechtlichen Neuordnung des gesamten Bereichs der österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung, wie ja die seinerzeitige Bezeichnung war, entstanden. Es hat den Anschein, als ob die Zustimmung im Bereich der Koalition zu diesem Initiativantrag dadurch belohnt wurde, daß von sozialdemokratischer Seite entgegen den ursprünglichen Ansichten der Österreichischen Volkspartei zugestanden wurde, mit der neugegründeten Post und Telekom AG an die Börse zu gehen und daher nicht nur eine Organisationsprivatisierung durchzuführen, sondern zumindest einen ersten Schritt in Richtung einer echten, auch eigentumsmäßigen Privatisierung zu setzen.

Das, was hinsichtlich der Betriebsverfassung im Bereich der Post nunmehr vorgesehen ist, liest sich gut, und zwar heißt es auch hier in der Begründung: Von der Verwendung des für den öffentlichen Bereich typischen Begriffs Personalvertretung wurde zugunsten des für den Bereich der Privatwirtschaft gängigen Begriffs der Betriebsverfassung abgegangen. – Das liest sich schön, hört sich schön an und ist an sich ein richtiger Ansatz. Was aber dabei herausgekommen ist, ist – verzeihen Sie den Ausdruck – ein Monstrum, ein gigantischer Aufbau von verschiede


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nen Personalvertretungsinstitutionen über Zentralausschuß, Vertrauenspersonenausschuß – ich werde jetzt in der Schnelligkeit nicht alle Ausdrücke finden und wiederholen. Jedenfalls ist das ein Stufenbau, der den Verdacht hervorruft, es ginge nur um die Frage, wie viele Vertreter der in den diversen Ausschüssen tätigen Personalvertrauensmänner tatsächlich vom Dienst freigestellt sind und damit natürlich die Post belasten, denn auch da sieht das Gesetz eine sehr großzügige Regelung vor.

Der Sinn der Ausgliederung der Post insgesamt kann aber nur dann gegeben sein, wenn dadurch ein konkurrenzfähiges Unternehmen entsteht. Es wäre das naheliegende Ansinnen an den Gesetzgeber gewesen, daß er nicht ausschließlich im Interesse der Postbediensteten eine gigantische Hierarchie, einen gigantischen Stufenbau von Instanzen zur Vertretung der Personalinteressen aufbaut, sondern eine kleine, schlagkräftige Personalvertretung oder eben nach privatwirtschaftlicher Diktion einen Betriebsrat schafft, der sehr wohl in der Lage ist – das sei völlig unbestritten –, die Interessen der Belegschaft nach innen und nach außen zu vertreten, und er sollte nicht in einer denkbar aufwendigen Konstruktion möglichst viele Posten schaffen, bei der die Betreffenden durch eine Dienstfreistellung Aktivitäten entfalten könnten.

Wieweit es um die Schlagkraft der jetzt neu geschaffenen Personalvertretungen bestellt ist, ergibt sich aus zwei APA-Meldungen von heute, die allerjüngstes Datum sind und über Dienst nach Vorschrift in Wiener Postämtern berichten, wobei es Herr Dörfler sehr eilig hatte, zu versichern, daß es sich bei dieser Aktion Dienst nach Vorschrift in einigen Wiener Postämtern ausschließlich um eine reine Wiener Angelegenheit handle und das auf Differenzen zwischen dem Personalmanagement der Wiener Post und der Personalverwaltung in Wien beruhe. – Ich weiß nicht, was der Unterschied zwischen Personalmanagement und Personalverwaltung ist, außer daß es sich beim einen um einen englischen Begriff und beim anderen um einen deutschen handelt. Ich glaube, es sollte auch die Personalvertretung einbezogen sein. Zumindest bei Lektüre dieser beiden Meldungen erhebt sich bei mir der Eindruck, daß die Personalvertretung gar nicht hinter den Aktionen steht, die von den Bediensteten, zumindest in fünf Wiener Postämtern, mit der Begründung des zu erwartenden Arbeitsanfalls und der Tatsache gestartet wurden, daß es zu Einsparungen kommt. Immerhin werden 7 500 Dienstposten im Laufe der nächsten Zeit nicht mehr besetzt beziehungsweise abgebaut, wobei der sogenannte natürliche Abgang in erster Linie berücksichtigt wird, aber 7 500 werden bei 30 000 Beschäftigten im gesamten nicht so rasch natürlich abgehen. Ich frage mich letztendlich, wozu es dann einer solch umfassenden Vorschrift über den Aufbau einer Personalvertretung, sprich Betriebsverfassung bei der Post, bedarf.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Gedanken erwähnen. Ich glaube, alle der hier vertretenen Fraktionen haben schon des öfteren davon gesprochen, daß es notwendig ist, zu einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff zu kommen, das heißt, die Unterscheidung in Angestellte und Arbeiter, die faktisch doch schon eine der Vergangenheit angehörende ist, einmal fallenzulassen. Bei dieser Regelung hinsichtlich der Personalvertretung der Post ist eine gute Gelegenheit versäumt worden, kein Sonderrecht für einen kleinen Bereich, der hoffentlich bald zur Gänze dem privatwirtschaftlichen Sektor zuzuzählen ist, zu schaffen, sondern es wurde wieder einmal eine Sonderregelung, eine sehr aufwendige und schwierig konstruierte Sonderregelung geschaffen, die diesem Bemühen nach einer Vereinheitlichung des Arbeitnehmerbegriffs entgegensteht.

Meine Fraktion sieht sich daher nicht in der Lage, dem Antrag, diesem Gesetzesbeschluß zuzustimmen, zu folgen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Wilfing. – Bitte.

16.10

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich darf auf meinen Vorredner Dr. Kapral antworten, da ich darin Übereinstimmung feststellen kann, daß wir beide dem Grundsatz "mehr


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Privat weniger Staat" huldigen und daher diese Ausgliederung der Post und verschiedenste privatwirtschaftliche Maßgaben in diesem Bereich begrüßen.

Gleichzeitig muß ich aber auch darauf hinweisen, daß eine privatwirtschaftliche Arbeit nur dann möglich sein kann, wenn die Mitarbeiter motiviert sind. Mitarbeiter werden nur dann motiviert sein, wenn sie Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten an einem Unternehmen haben.

Ich glaube, es ist daher nur recht und billig, daß legistische Maßnahmen getroffen werden, um diese Mitwirkungsmöglichkeiten auch in Zukunft zu garantieren. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder eine eigene Lösung zu schaffen oder nach dem Arbeitsverfassungsgesetz oder nach dem Personalvertretungsgesetz zu gehen. Da wir uns bei diesen Bestimmungen im wesentlichen mit dem Arbeitsverfassungsgesetz decken, aber auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß die neue Post Aktiengesellschaft auch andere Möglichkeiten haben muß, sollte man diesem Gesetz die Zustimmung geben und das Post-Betriebsverfassungsgesetz auch hier im Bundesrat mit Mehrheit beziehungsweise mit Einhelligkeit beschließen.

Ich glaube, gerade für die Zukunft ist es notwendig, Mitgestaltungsmöglichkeiten nicht nur anzubieten, sondern auszubauen. Wir von der Österreichischen Volkspartei werden daher diesem Post-Betriebsverfassungsgesetz die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

16.12

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Kollegen Kapral möchte ich nur ganz kurz eingehen, er hat nämlich Birnen und Äpfel vermischt. Ich unterstelle ihm nicht, daß er das bewußt gemacht hat. Er kommt von der Industriellenvereinigung. Wie soll er sich da in der Interessenvertretung der Arbeitnehmer auskennen und Verständnis dafür aufbringen?!

Es ist auch nicht so, wie er meint, daß eine Monsterorganisation gegründet wird, daß es zu unzähligen überflüssigen Organisationseinheiten der Belegschaftsvertretung gekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kapral. ) Es sind auch keine Posten geschaffen worden, und es gibt auch nicht mehr Freistellungen als sonstwo.

Das Post-Betriebsverfassungsgesetz ist erforderlich geworden, da weder die Regelungen im Arbeitsverfassungsgesetz noch im Bundes-Personalvertretungsgesetz ausgereicht hätten, den jetzigen betrieblichen Besonderheiten der Post und Telekom Austria AG sowie deren Tochterunternehmen gerecht zu werden. Auch die schon zitierte "Figl-Erlaß"-Lösung vom 17. Juli 1946 ist längst überholt und paßt auch nicht.

Aber bereits bei der Beschlußfassung des Poststrukturgesetzes am 18. April 1996 im Nationalrat wurde Herr Bundesminister Hums ersucht, ein Bundesgesetz zur Regelung der Personalvertretungsangelegenheiten in die Wege zu leiten. Das ist nun auf Initiative des Präsidenten Verzetnitsch und des Vizepräsidenten Neugebauer geschehen. Die sachliche Rechtfertigung ist daran zu erkennen, daß das vom Betriebsverfassungsgesetz betroffene Unternehmen, die Post Telekom Austria AG, Tätigkeiten verrichten kann, die von anderen Unternehmen nicht erledigt werden können. Diese besonderen Verhältnisse werden mit dem nun vorliegenden Post-Betriebsverfassungsgesetz übersichtlich und zweifelsohne eindeutig geregelt.

Das nun zu beschließende Gesetz – das ist schon von meinem Vorredner unterstrichen worden – sichert den gewählten Belegschaftsorganen die für sie unverzichtbare Mitbestimmung, besonders zu einem Zeitpunkt, da es zu großen betrieblichen Umgestaltungen auf vielen betrieblichen Ebenen kommt. Daß die Belastungen für die Kolleginnen und Kollegen im Postdienst, vor allem in der "gelben Post" fast unerträglich sind, ist von Kollegen Kapral angeführt worden. In manchen Postämtern gibt es aufgrund der Beschlüsse der Personalvertretung und mit Zustimmung der Post Dienst nach Vorschrift. Das heißt, daß keine Überstunden gemacht werden, um dem notwendigen Personalbedarf den notwendigen Druck zu verleihen. Dieses Gesetz wurde


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außerdem im Einvernehmen mit der Belegschaftsvertretung der Gewerkschaft Post, der Arbeiterkammer und dem ÖGB erarbeitet. Es hat sich bisher in dieser schwierigen Umstellungsphase als richtig erwiesen, da es doch eine gewisse, nicht zu übersehende Unsicherheit, aber auch Ängste bei den Beschäftigten gibt. Es ist wichtig und richtig, daß sie bei dieser Umgestaltung in die Verantwortung miteinbezogen werden und daß sie regelmäßig über die Entscheidungsabläufe informiert werden.

Es war uns auch wichtig, daß jene Rechte, die wir durch das Bundesgleichbehandlungsgesetz erreicht haben, nun auch für die Beschäftigten bei der Post Telekom Austria AG wirksam werden und daß die gleichen Mitbestimmungsrechte auch für die behinderten Beschäftigten Gültigkeit haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Post-Betriebsverfassungsgesetz ist eine gelungene Mischform des Arbeitsverfassungsgesetzes beziehungsweise des Bundes-Personalvertretungsgesetzes. Grundsätzlich wird damit eine bestehende Gesetzeslücke geschlossen. Die SPÖ im Bundesrat kann diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17


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614. Sitzung / Seite 104

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (13 und 135/NR sowie 5193/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5194/BR der Beilagen)

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5195/BR der Beilagen)

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (191/A und 142/NR sowie 5196/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 18 bis 21 hat Herr Bundesrat Schaufler übernommen. Ich darf ihn bitten, die Berichte zu bringen.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Beschluß betreffend Änderungen des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes sieht insbesondere folgende Regelungen vor:

Das Dienstverhältnis wird auf Antrag des Landeslehrers erst nach einer Dienstzeit von sechs Jahren im provisorischen Dienstverhältnis definitiv.

Die Entlassung wegen mangelnden Arbeitserfolges kann ausgesprochen werden, wenn über den Landeslehrer zweimal aufeinanderfolgend die Feststellung getroffen worden ist, daß er den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat.

Eine "negative" Leistungsfeststellung ist nur möglich, wenn eine zweimalige nachweisliche Ermahnung erfolgt ist. Weiters kommt es zu einer Verkürzung des Beurteilungszeitraumes für eine neuerliche Leistungsfeststellung, wenn bereits eine "negative" Leistungsfeststellung vorliegt.

Weiters sind bestimmte Fristverkürzungen vorgesehen, um Verfahrensabläufe in bezug auf das Leistungsfeststellungsverfahren zu straffen.

Bei der Bestellung von Lehrern und Leitern sollen die Länder die Möglichkeit erhalten, für den Bereich des jeweiligen Bundeslandes die näheren Bestimmungen über das Verfahren und die Auswahlkriterien von Bewerbern durch Landesgesetzgebung festzulegen. Auch die Festlegung zusätzlicher Auswahlkriterien soll möglich sein.

Schließlich enthält der Gesetzesbeschluß

sonstige dienstrechtliche Anpassungen an das Beamten-Dienstrechtsgesetz, die nicht in Zusammenhang mit der Besoldungsreform stehen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Beschluß des Nationalrates betreffend Änderungen des Schulorganisationsgesetzes wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Höchtl, DDr. Niederwieser und Genossen am 7. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht.

Durch diese Änderung des Schulorganisationsgesetzes ist nun die Überlassung von Teilen der Liegenschaft für nichtschulische Zwecke zulässig, sofern dadurch die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule nicht beeinträchtigt wird.

Gemäß den Bestimmungen sind jedoch Überlassungen für sportliche und künstlerische Zwecke sowie für Zwecke der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens im Sinne des Bun


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des-Sportförderungsgesetzes, des Kunstförderungsgesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens vorrangig zu behandeln.

Weiters wird der Grundsatz festgelegt, daß für die Überlassung von Teilen der Liegenschaft ein angemessenes Entgelt im Sinne des § 64 Abs. 3 des Bundeshaushaltsgesetzes einzuheben ist. Die Angemessenheit soll sich aus den am freien Markt geltenden Kriterien ergeben, sohin in erster Linie durch die örtliche Lage (ortsübliches Entgelt), durch die Ausstattung sowie durch Angebot und Nachfrage.

Ausnahmen von diesem Grundsatz

Einhebung eines kostendeckenden Beitrages (zum Beispiel Heizung, Beleuchtung, Reinigung und besondere Ausstattung) von jenen, die durch die obgenannten Förderungsgesetze begünstigt sind.

Je nach Zweck der Überlassung (Interesse der Schule) darf ein Betrag bis zur Höhe des Betriebsaufwandes eingehoben werden. Diese Formulierung beinhaltet somit auch eine völlig kostenlose Überlassung bis hin zu einer Überlassung gegen Ersatz der Mehraufwendungen (Betriebsaufwand).

Hier sollen insbesondere (auch privat organisierte) Veranstaltungen für Schüler und der Schule umfaßt sein.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste Beschluß des Nationalrates betreffend Änderungen des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes, dem ein Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Höchtl, DDr. Niederwieser und Genossen vom 7. Mai 1996 zugrunde liegt, hat Änderungen des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes zum Inhalt.

Die Überlassung von Teilen der Liegenschaft ist für nichtschulische Zwecke zulässig, soferne dadurch die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule nicht beeinträchtigt wird.

Weiters wird der Grundsatz festgelegt, daß für die Überlassung von Teilen der Liegenschaft ein angemessenes Entgelt im Sinne des § 64 Abs. 3 des Bundeshaushaltsgesetzes einzuheben ist. Die Angemessenheit soll sich aus den am freien Markt geltenden Kriterien ergeben, sohin in erster Linie durch die örtliche Lage, durch die Ausstattung sowie durch Angebot und Nachfrage.

Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen nominiert. So darf beispielsweise je nach Zweck der Überlassung ein Beitrag bis zur Höhe des Betriebsaufwandes eingehoben werden. Es soll damit auch privaten Organisatoren, insbesondere Elternvereinigungen, ermöglicht werden, für die Schüler der Schule am Nachmittag Lern- oder Betreuungsangebote – etwa auch unter Verwendung von Lehrern – zu schaffen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Der nächste gegenständliche Beschluß des Nationalrates betreffend Änderungen des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Höchtl, DDr. Niederwieser und Genossen am 7. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht.

Da in einer Novelle zum Schulorganisationsgesetz für Bundesschulen vorgesehen werden soll, daß Teile der Schul- oder Heimliegenschaft für schulfremde Zwecke an Dritte überlassen werden können, soll im Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz dem Schulerhalter – Land, Gemeinde oder Gemeindeverband – diese Möglichkeit ebenfalls eingeräumt werden, wenn die Aufrechterhaltung eines ordentlichen Schulbetriebes – Verwendung für Schulzwecke im Sinne des § 12 Abs. 3 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes – dadurch nicht beeinträchtigt wird.


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Im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist keine Frist zur Erlassung von Ausführungsgesetzen durch die Länder vorgesehen. Somit ist eine Zustimmung des Bundesrates im Sinne des Artikels 15 Abs. 6 B-VG nicht erforderlich.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir setzen die Debatte fort, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ursula Haubner. Ich erteile ihr dieses.

16.25

Bundesrätin Ursula Haubner (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Gerade rechtzeitig zum Schulschluß wird uns die sage und schreibe 29. Novelle des Landeslehrer-Dienstrechtes vorgelegt, eines Dienstrechtes, das immer unübersichtlicher wird und daher eine Wiederverlautbarung des Gesetzes dringend notwendig machen würde.

Eine Stellungnahme der Tiroler Landesregierung lautet daher auch dahin gehend – ich zitiere –: Wie dieses Gesetz enthält auch die nunmehrige Novelle wiederum Übergangsbestimmungen, die zum Teil über Jahre hindurch eine Parallelität von alter und neuer Rechtslage bewirken. Die damit einhergehende weitere Verkomplizierung führt nicht zuletzt zu zusätzlichen Kosten bei der Vollziehung, die die Länder belasten. – Zitatende.

Einer der zentralen Punkte dieser Novelle ist aber auch die Leiterbestellung auf Zeit und die sogenannte Objektivierung. Die von uns Freiheitlichen seit Jahren erhobene Forderung der Ernennung von Schulleitern auf Zeit, wobei wir als Maßzahl immer fünf Jahre angenommen haben, verfolgte die Absicht, den Schulleiter nach Ablauf seiner Direktorentätigkeit wieder mit der konkreten Arbeit in der Klasse zu konfrontieren, um den Bezug zum Schulalltag nicht zu verlieren. Nicht war und ist es jedoch unsere politische Absicht, Schulleiter nur auf einen bestimmten Probezeitraum zu ernennen, um ihn dann nach dieser Bewährungsfrist mit einem Freibrief auszustatten. Es erscheint mir aber auch eher unwahrscheinlich, daß ein Direktor, dem nicht grob rechtswidriges Verhalten nachgewiesen werden kann, nach vier Jahren von seiner Funktion abberufen wird.

Fünf Jahre haben wir Freiheitlichen deshalb vorgeschlagen, weil internationale Erfahrungen zeigen, daß fünf Jahre ein hervorragender und geeigneter Zeitraum für eine optimale Umsetzung der Persönlichkeit eines Managers ist.

Hier sind wir, sehr geehrte Frau Bundesministerin, sicher einer Meinung, daß wir gerade als Direktoren keine politisch besetzten Posten brauchen, sondern Menschen mit pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten, die den Anforderungen im heutigen Bildungssystem gerecht werden. Was die Zielsetzung einer transparenten und objektiven Verleihung von Leiterstellen betrifft, impliziert aber die vorliegende Novelle das Eingeständnis, daß die derzeit in den Bundesländern sehr unterschiedlich angewendeten Verfahren anscheinend nicht objektiv waren. Es handelt sich für mich bei dieser Novellierung ausschließlich um eine Scheinobjektivierung, weil sie in dieser Form unklar und unscharf ist und weil in dieser Vorlage zu viele Möglichkeiten enthalten sind.

Es besteht nach wie vor die Gefahr, daß im alten Schema der proporzmäßigen Vergabe nach dem Prinzip vorgegangen wird: Nach außenhin machen wir es optisch schön, aber hinten sind die kleinen Rettungsanker gegeben. – Wie äußert sich das? – Zum Beispiel ist durch die zusätzliche Festlegung von Auswahlkriterien die Möglichkeit gegeben, mit einem bestimmten Zuschnitt auf eine bestimmte Personengruppe, die gleichsam den politischen Gegebenheiten entspricht, jene Kandidaten zu erhalten, die man haben möchte.


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Auch die Tiroler Landesregierung gibt in dieser Richtung wieder eine sehr klare Stellungnahme ab – ich zitiere wieder –: Es ist davon auszugehen, daß die Möglichkeit, bereits in der Ausschreibung zusätzliche fachspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten festzulegen, zumindest dem Anschein nach die Gefahr von auf bestimmte Personen abgestellte Ausschreibungen in sich birgt. – Zitatende.

Wir Freiheitlichen sind für eine echte Schulautonomie. Dazu gehören unter anderem Möglichkeiten budgetärer Eigenständigkeit. Bezüglich der Schulraumüberlassung muß es aber klare Richtlinien geben, denn sonst zeichnen sich gerade mit Sportvereinen, die jetzt schon Turnsäle in Schulen benützen, Konflikte ab. Ich frage mich: Was geschieht zum Beispiel mit unbezahlten Rechnungen, die an die Direktion einfach zurückgeschickt werden, so wie das in Oberösterreich schon geschehen ist? Sollen Direktionen in Hinkunft Geld eintreiben müssen?

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Vor dem Hintergrund, daß es im Herbst aufgrund der Sparmaßnahmen zirka 6 000 arbeitslose Lehrer geben wird und daß rund 50 000 Schüler dieses Schuljahr nicht positiv abschließen werden, können nur echte Reformen die zukünftige Bildung mit Hilfe zufriedener und engagierter Pädagogen sicherstellen.

Wir Freiheitlichen werden daher dem Antrag, die Beschlüsse des Nationalrates nicht zu beeinspruchen, nicht beitreten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.30

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Platzer. Ich erteile ihm dieses.

16.30

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich verstehe manche Kritik, die meine Kollegin nicht nur als Bundesrätin, sondern auch vom Standpunkt der Schule aus hier vorgebracht hat. Ich meine aber, man sollte nicht unbedingt gleich alles ausgießen, denn es steckt auch in diesen Gesetzen einiges Positives – aber auch ich werde einen Kritikpunkt nennen, der mir am Herzen liegt.

Es sind vier Gesetze, zu denen ich in dieser Debatte reden darf, und ich möchte mich vor allem mit Punkt 18 der Tagesordnung befassen.

Im neuen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz gibt es die Änderung, daß Lehrer erst nach sechs Jahren provisorischer Anstellung definitivgestellt werden können. Weiters geht es um die Formen der Leistungsfeststellung und auch um die Möglichkeiten der Entlassung wegen mangelnder Leistung. Es geht aber auch um die Anpassung an die Besoldungsreform. – So weit, so gut, möchte man meinen.

Es stellt sich allerdings die Frage der Bestellung von Schulleitern etwas weniger einfach dar. Direktoren werden künftig zunächst für einen Zeitraum von vier Jahren bestellt. Ich weiß nicht, ob es so wichtig ist, ob es vier Jahre oder fünf Jahre sind; fünf Jahre würden mir persönlich auch keine besonderen Probleme bereiten.

Voraussetzung für die definitive Bestellung nach diesen vier Jahren sind die Bewährung als Direktor und die erfolgreiche Teilnahme an Schulmanagementkursen.

Dem Schulforum beziehungsweise dem Schulgemeinschaftsausschuß wird das Recht eingeräumt, binnen drei Wochen ab Erhalt der Bewerbungen eine begründete schriftliche Stellungnahme abzugeben.

All das hört sich vernünftig an, auch die Möglichkeiten der Nichtdefinitivstellung von Direktoren, obwohl ich mir das, wie das auch Kollegin Haubner gemeint hat, in der Praxis nicht sehr gut vorstellen kann. Ich nehme an, es wird das auch nicht oft vorkommen.

Es sind nun also die Bundesländer am Zug. Ich maße mir gar nicht an, über die Gepflogenheiten in anderen Ländern hier zu reden – ich weiß, es gibt verschiedene Modelle –, aber ich


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kenne die Vorgangsweise bei Leiterbestellungen in Niederösterreich ganz genau. Ich bin schon seit 25 Jahren Mitglied im Bezirksratskollegium, war vier Jahre Fraktionssprecher im Kollegium des Landesschulrates, bin immer noch Ersatzmitglied und darf – ich möchte fast sagen: muß – dort noch manchmal an Sitzungen teilnehmen.

Bei uns in Niederösterreich gibt es Bewerbungen, in denen objektive Qualifikationen und alle Fortbildungsmaßnahmen aufgelistet sind. Nach der Stellungnahme des Schulforums gehen die Bewerber zum sogenannten Hearing, also zum Anhörungsverfahren. Dort wird von einer Kommission unter Beiziehung eines Personalberatungsbüros eine objektive Bewertung vorgenommen. Diese Bewertung wird dann den Kollegialorganen des Bezirksschulrates und des Landesschulrates übermittelt. Das ist die Vorgangsweise, und man könnte meinen, alles nehme seinen objektiven Lauf, dies umso mehr, als Herr Landeshauptmann Pröll – ich möchte fast sagen: wie ein Wanderprediger – immer wieder verkündet: Politik hat in der Schule nichts zu suchen! Parteipolitik muß aus der Schule fliegen!

Ich habe keinerlei Veranlassung, die Intentionen des Herrn Landeshauptmannes anzuzweifeln. Ich glaube, er meint es, wie er es sagt. Es dürfte sich aber bei manchen handelnden Personen noch nicht herumgesprochen haben, was der Herr Landeshauptmann in diesem Bereich haben will. (Bundesrat Dr. Harring: Herr Kollege! Was glauben Sie, wie das in Wien und in Kärnten ist? – Umgekehrt!) Ich weiß es nicht. Ich kenne mich nur in Niederösterreich aus. (Bundesrat Dr. Harring: Fragen Sie einmal die sozialistischen Referenten!)

Es gibt also verschiedene Gerüchte darüber, wie es zu manchen Bestellungen kommt, Gerüchte, die ich hier nicht näher ausführen möchte. Es ist aber tatsächlich so, glauben Sie es mir – Herr Bundesrat Penz müßte das bestätigen, wenn er heute hier wäre, denn er vertritt ja mehr oder weniger in Permanenz beim Landesschulrat für Niederösterreich den Herrn Landeshauptmann –, daß manchmal – das geschieht aus verschiedenen Gründen, die ich gar nicht bewerten möchte – nicht unbedingt der vom Personalberatungsbüro festgestellte bestgeeignete Kandidat an die erste Stelle gereiht wird, manchmal werden eben auch weniger gut geeignete Personen an die erste Stelle gereiht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. – Bundesrat Mag. Langer: Mit dem richtigen Parteibuch!)

Ich weiß und betone auch: Diese Bewertung durch das Personalberatungsbüro ist sicher nicht immer das Gelbe vom Ei. Es ist so, daß das für die Bewerber, die dorthin kommen, wahrscheinlich eine Ausnahmesituation ist, daß das eine Prüfungssituation darstellt, und es mag sich mancher dort nicht so darstellen oder dort nicht so entsprechen, wie er es an und für sich könnte. (Bundesrat Dr. Harring: Das Beste ist das richtige Parteibuch!) Selbstverständlich gibt es aber auch andere Intentionen – zum Beispiel die Arbeit in einer Gemeinde, das soziale Umfeld –, die mitspielen.

Tatsache ist, daß es gerade in letzter Zeit – Zeitungsleser haben das wahrscheinlich mitbekommen – verschiedene Bestellungen oder Reihungen gegeben hat, die man nicht goutieren kann. Bei diesen Reihungen durch das Landesschulratskollegium geht als nächste Instanz die Landeslehrerkommission ans Zeug, und da, wie wir alle wissen, die Landeslehrerkommission so besetzt ist wie die Landesregierung, ist meistens klar, wie eine Bestellung ausfällt.

Ich erwarte mir an und für sich ein Machtwort des Herrn Landeshauptmannes Dr. Pröll an die handelnden Personen, damit sein Steckenpferd Objektivierung kein Papiertiger bleibt.

Kollegin Haubner hat gesagt – ich weiß nicht, wie sie es gemeint hat –, daß politische Besetzungen nicht zum Zug kommen sollen. Ich meine, es ist keine Schande, einer Partei anzugehören. Daß jemand einer politischen Partei angehört oder angehört hat, soll und darf kein Grund dafür sein, daß er an seinem beruflichen Aufstieg behindert wird. Bei einer echten Objektivierung muß auch klar sein, daß es egal ist, ob und welcher Partei jemand angehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich begrüße, daß nun den Schulerhaltern – den Direktoren bei Bundesschulen, den Schulerhaltern bei Pflichtschulen – die Möglichkeit eingeräumt wird, Schulliegenschaften unbürokratisch zu vermieten. Es ist klar, warum: Es geht einfach nicht an, daß das Unterrichtsbudget in Wirklichkeit andere Budgets – das Sportbudget,


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das Kulturbudget – mitfinanziert. Es ist diese Regelung sehr gut. Das, was bisher an Hindernissen aufgebaut war, bis man einmal sämtliche Stellungnahmen, Genehmigungen hatte, war wirklich sagenhaft. Ich beglückwünsche daher alle Institutionen, die Sportvereine, die Volkshochschulen und alle anderen Vereine, die in die Schulen hineinwollen, dazu, daß es diese Erleichterung jetzt gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Wir alle wollen eine moderne Schule, in der alle Beteiligten – Lehrer, Schüler und Eltern – zufrieden sind. Ich zitiere meinen ehemaligen Landesschulinspektor Pfeiffer, der zur Schule gemeint hat, es handle sich um vier "L": Leben, Liebe, Lernen, Leistung. – Dazu tragen auch die verbesserten Autonomiemöglichkeiten bei.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich könnte mir durchaus noch mehr Autonomiemöglichkeiten in der Schule vorstellen und meine, daß die Lehrer auch wüßten, mit dem gewonnenen Freiraum richtig umzugehen. Denn Lehrer sein heißt, auch ein guter Mensch zu sein, der seine Kinder auf das Leben vorbereitet – ich würde sogar meinen, Schule muß Leben sein. Lehrer sein heißt aber auch, mit vielen Neidkomplexen fertigzuwerden – das müssen auch Politiker.

Ich möchte also durchaus eine Lanze für die Lehrer brechen und einen Dichter zitieren, der mir sehr am Herzen liegt. Es war Erich Kästner, der geschrieben hat: Weil sich die Staaten nur Lehrer um 300 Mark leisten können, bleiben ihre Völker so dumm, daß sie sich Kriege um 3 000 Milliarden leisten müssen. – Ein Zitat von Erich Kästner.

Ich meine, die vorliegenden Gesetze sind positiv, sind ein richtiger Schritt in die Zukunft, und ich sehe eigentlich keinen Grund, hier Einspruch zu erheben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.41

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Therese Lukasser. – Bitte, Frau Bundesrätin.

16.41

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir zu den Schwerpunkten der vorliegenden Novelle des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes einige Anmerkungen. Die Berichterstattung und meine Vorredner nannten bereits die einzelnen Bereiche – ich darf mich kurz fassen.

Auch ich, Herr Kollege Platzer, war sieben Jahre lang Mitglied des Kollegiums des Landesschulrates und habe auch einige Bestellungen selbst miterlebt, trotzdem muß ich sagen, mit § 26a – Ernennung von Schulleitern – wird einem vielseitigen Wunsch Rechnung getragen beziehungsweise eine Lücke geschlossen. Dabei wurde wie im § 4 Abs. 6 auch im § 26 Abs. 7 auf den derzeit geltenden Terminus "Rücksichtswürdigkeit im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse" verzichtet. Ich begrüße diese Neuerung, nicht nur, weil mir persönlich aufgrund dieses Passus eine Leiterstelle verwehrt wurde, sondern weil über Jahre, Jahrzehnte bestens geeignete Kolleginnen, die man als Doppelverdienerinnen abqualifizierte, dadurch gesetzeskonform den Kürzeren zogen.

Dazu paßt der uns heute vorgelegte Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1995. Er zeigt dieses Problem sehr deutlich, und ich darf wörtlich zitieren – Seite 12 unten –: "Dieser Diskriminierungstatbestand stellt sich nach wie vor als schwerwiegendes Problem dar, weil bei Nichtberücksichtigung einer entsprechend qualifizierten Frau diese zwar einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, die angestrebte Position jedoch dem erfolgreichen, wenn auch schlechterqualifizierten männlichen Bewerber erhalten bleibt. Der im Gleichbehandlungsgesetz nach oben hin begrenzte Schadenersatz in der Höhe der Differenz von vier Monatsentgelten steht zudem oft in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Schaden, den die betroffene Frau langfristig erleidet." – Soweit das wörtliche Zitat.

Es ist gut, daß nun jene Zeiten der Vergangenheit angehören, in denen die Kinderzahl eines Bewerbers Leiterbestellungen beeinflußt hat. In der Volksmeinung ist dies allerdings noch sehr stark verankert: Letzte Woche beklagte sich ein Vater bei mir, seine Tochter bekäme keine


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Stelle als Lehrerin, und er schlug allen Ernstes vor, im Ort sei eine Frau mit fünf Kindern, deren Mann habe ein gutes Auskommen, diese solle doch daheim bleiben.

Dem von Frau Haubner geäußerten Vorwurf, den Ländern werde nun die Möglichkeit eröffnet, die von ihnen erlassenen Ausschreibungen auf bestimmte Personen und Personengruppen zuzuschneiden, kann ich nicht folgen. Wenn etwa bei der Ausschreibung der Leiterstelle für eine Musikhauptschule als zusätzliches Kriterium spezielle Erfahrung und Ausbildung auf musischem Sektor gefordert wird, sehe ich dies als unumgängliche Notwendigkeit – auch, wenn sich ein älterer Kollege, der in den letzten 20 Jahren Oberlehrer in einem Polytechnischen Lehrgang war, ungerecht behandelt fühlt.

Weiters wird in der Vorlage dem Wunsch der Schulpartner Rechnung getragen. Abs. 1 des § 26a ermöglicht es dem Schulforum, bei Bewerbungen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Das geschah in vielen Fällen auch bisher schon, nur wurde von der Schulaufsicht immer erklärt, dies sei wohl eine Meinungsäußerung zugunsten dieses oder jenes Bewerbers, der aber keine Parteienstellung zukomme. – Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Auch bisher erfolgten Bestellungen letzten Endes aufgrund solcher Stellungnahmen.

Die Bestimmungen des Abs. 2 – die zeitliche Begrenzung der Schulleiterernennung – sind ebenfalls positiv zu sehen; und ob das jetzt vier oder fünf Jahre sind, wird nicht so wichtig sein. Es gibt genug Beispiele dafür, daß ein hervorragender Lehrer noch lange kein guter Schulleiter sein muß.

Schulmanagementkurse, die etwa Schulrecht, Schulverwaltung und Schulorganisation, Leitung, Mitarbeiterführung, Kommunikation und Kooperation sowie Konfliktmanagement und anderes beinhalten. Diese Kurse und berufsbegleitenden Weiterbildungslehrgänge werden von den Pädagogischen Instituten seit Jahren angeboten, nur: Angenommen wurden sie nicht immer von denen, die sie nötig gehabt hätten. Daß die erfolgreiche Teilnahme nun eine Voraussetzung für den Wegfall der zeitlichen Begrenzung ist, kann ich im Sinne der Kolleginnen und Kollegen nur begrüßen. Die bereits erfolgreiche Absolvierung solcher Kurse könnte ja auch ein Plus bei Leiterbewerbungen und -bestellungen sein.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Schuljahr 1996/97 wird sich die Organisationsstruktur der Hauptschulen in einigen wesentlichen Punkten ändern. Neue Stundentafeln mit einem gekürzten Pflichtstundenangebot, dafür aber einem wesentlich breiteren Autonomierahmen haben zu pädagogischen Diskussionen an den Schulstandorten geführt. Ein neues Berechnungsmodell für die den Schulen zuzuweisenden Lehrerstunden – das sogenannte Normstundenmodell – berücksichtigt nun die Anzahl der Schüler, die eine Schule besuchen, als wesentlichen Berechnungsfaktor. Am Ende dieses Diskussionsprozesses wird ein Schulkonzept stehen, das als äußere Organisationsform die schulautonome Stundentafel wählt und ihre Freiräume entsprechend einsetzt.

Aus pädagogischer Sicht bringt die neue Stundentafel interessante Aspekte für die Arbeit unserer Hauptschulen.

Für kritische Anmerkungen bezüglich Kürzungen in einzelnen Fächern darf ich ein Beispiel anführen: Die Schülerliga meiner ehemaligen Schule gewann in den letzten Wochen den Landesmeistertitel. Als ich gratulierte, sagte der Direktor voll Stolz: Wir haben bei insgesamt zehn Turnstunden – statt zwölf – mehrere Sporthauptschulen ausgeschaltet und im Endspiel gegen eine Sporthauptschule gewonnen. – Qualität ist eben mehr als Quantität.

Eine Bitte wurde auch an mich herangetragen, und ich möchte sie an Sie, Frau Bundesministerin, weiterleiten: Für Sprengelhauptschulen mit schwierigen Verkehrsbedingungen wäre die autonome Entscheidungsmöglichkeit wichtig, die nunmehr um sechs Wochenstunden gekürzte Stundentafel so zu erstellen, daß die Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse jeweils gleich viele Wochenstunden haben, um den täglichen Unterrichtsschluß weitgehend zum gleichen Zeitpunkt festsetzen zu können. Ein früherer Unterrichtsschluß bringt zum Beispiel den Kindern der ersten Klassen keinen Vorteil, weil die Schulbusse nur einmal am Tag Rückfahrten durchführen, und deshalb müssen alle bis zum spätesten Unterrichtsschluß warten.


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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In die erwähnten neu eröffneten Möglichkeiten flossen Erfahrungen aus vielfältiger langjähriger Schulversuchsarbeit ein, die nunmehr ins Regelschulwesen übernommen wurden.

Ich habe von dieser Stelle aus mehrmals über die Tiroler Landhauptschule gesprochen und am 29. April 1993 an den damaligen Bundesminister für Unterricht und Kunst Dr. Rudolf Scholten folgende Sätze gerichtet – ich zitiere –: "Diese unmittelbar am Erleben des Schülers anknüpfende Schulform mit ihrer großen Flexibilität und dabei stattgefundenen Lehrplanentrümpelung wurde von Ihnen, Herr Bundesminister, mehrmals als Musterbeispiel für das Konzept einer autonomen Schule gewürdigt. Es wäre zu prüfen, ob es nicht an der Zeit wäre, das Schulversuchsmodell Landhauptschule in das Regelschulwesen überzuführen. Ich glaube, daß dies sogar aufkommensneutral zu machen wäre." – Ende des Zitats.

Heute freue ich mich, daß die engagierte Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen einen Teil der positiven Schulentwicklung darstellt.

Lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassen: Die zu beschließende Novelle enthält noch eine Reihe weitreichender Regelungen für das österreichische Schulsystem, die es wert wären, hier näher erläutert zu werden. Die Veränderungen der Gesellschaft erfordern eine Kurskorrektur der Schule, eine Korrektur der Bildungsziele, eine Erneuerung der Lernkultur, eine Korrektur des Lehrerbildes und der Schulorganisation.

Vom lebenslangen Lernen haben bereits mehrere Kollegen gesprochen – ich erspare es Ihnen, schließe mich aber der Aussage des Landesschulratspräsidenten von Oberösterreich, Herrn Dr. Johannes Riedl, an, der sagt: Schulpolitik erfordert ein Maß an politischer Verantwortung, die über die Zielflagge der nächsten Wahl hinausreicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Im Namen meiner Fraktion danke ich allen, die in langen Verhandlungen Ausdauer und Kompromißbereitschaft gezeigt haben.

Wir von der ÖVP werden der Vorlage gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Prasch. )

16.52

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer. Ich erteile es Ihnen, Frau Bundesministerin.

16.53

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß heute im Bundesrat zwei Gesetzesvorlagen nicht beeinsprucht werden, die sehr wichtig für die Schule sind. Zum einen das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, durch das bei der Auswahl der Kandidaten an die erste Stelle die persönliche und fachliche Eignung gestellt wird, an die zweite Stelle die Zeit, die seit der Bewerbung, seit dem Eintritt in den Beruf vergangen ist. Die Zeit spielt nicht mehr eine solch große Rolle wie die fachliche und persönliche Eignung. Das finde ich besonders wichtig!

Das zweite, das ich besonders wichtig finde, ist die verstärkte Möglichkeit zur Objektivierung. Meine Damen und Herren! Ich habe selbst in verschiedenen Gremien der Landesschulbehörden gearbeitet und weiß sehr wohl, daß versucht wird, überall nach objektiven Kriterien vorzugehen. Nun wird es ermöglicht, daß das Land selbst seine objektiven Kriterien festlegt, vor allem auch, daß verschiedene Methoden angewandt werden. Es gibt sowohl das strukturierte Hearing als auch die Möglichkeit, ein Personalberatungsbüro einzuschalten. Ich glaube, wir sollten etwas Vertrauen in die Länder haben und es den Ländern überlassen, welche Art sie zur Objektivierung anwenden.

Das dritte, das mir besonders wichtig ist, sind die Direktoren auf Zeit. Ich meine, daß ein Rotationsprinzip, wie es manchmal diskutiert wird – alle drei, alle vier, alle fünf Jahre automatisch einen neuen Direktor –, sicher nicht der Stein der Weisen wäre. Durch eine allzu häufige Rota


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tion wird Inkompetenz zum System (Bundesrat Dr. Schambeck: Blendend!), das hat sich bei verschiedenen Rotationsvorschlägen auch in Parlamenten schon gezeigt. Ich meine daher, daß wir Direktoren haben müssen, die bei fachlicher Eignung langfristig die Qualität der Schule sichern.

Auch noch wichtig ist es mir, daß die Schulpartner in die Beurteilung einbezogen werden.

Zum zweiten Gesetz, das heute von Ihnen nicht beeinsprucht wird, ist zu sagen, daß dieses Gesetz zum ersten Mal den Schulen eine zweckgebundene Gebarung ermöglicht. Das heißt, Schulen können Einnahmen haben, können diese Einnahmen selbst verwalten, können damit auch Kosten decken.

Ich möchte ganz klar feststellen, daß dieses Gesetz als Gesetz für den Sport gemacht wurde – entgegen verschiedenen landläufigen Darstellungen. Es hat sich nämlich gezeigt, daß durch Überforderung der Schulen von außen – von Vereinen, von Sportvereinen und anderen Vereinen – die Kosten dermaßen gestiegen sind, daß manche Schulen sich schon überlegt und gefragt haben: Können wir es uns überhaupt noch leisten, jeden Abend, jeden Nachmittag, jedes Wochenende Sportvereine und andere Vereine in unsere Schule hineinzulassen, da wir ja die Kostensteigerung aus dem Schulbudget zahlen müssen? – Um es eben den Sportvereinen auch in Zukunft zu ermöglichen, in den Schulen ihre Stunden abzuhalten, haben wir diese Gesetzesvorlage geschaffen, wonach den Sportvereinen wirklich nur die anfallenden Kosten verrechnet werden dürfen. Ich meine, das ist eine gute, zielführende und zukunftsweisende Regelung.

Meine Damen und Herren! Mit diesen beiden Gesetzesvorlagen sind wir wieder einen Schritt weiter in der Autonomie der Schulen. Wir haben die Autonomie beim Schulzeitgesetz eingeführt, bei den Schulveranstaltungen, im pädagogischen Bereich, wie es von meiner Vorrednerin gerade beleuchtet wurde. Die Tiroler Landhauptschule war ein großes Vorbild im Bereich der pädagogischen Autonomie.

Es gibt die Autonomie nun auch im finanziellen Bereich, noch nicht so ausgebaut, wie ich es mir wünsche, aber es ist der erste Ansatz dafür vorhanden.

Ich meine, daß es uns mit gemeinsamen Anstrengungen bei den nächsten Gesetzesvorlagen, die ja bereits in Begutachtung sind, auch gelingen wird, in der Schule jene Autonomie zu verwirklichen, durch welche die Schule Schwerpunkte setzen kann, durch welche die Schulen Profil gewinnen können, durch welche aber auch die Qualität in der Schule gewahrt bleibt und gefestigt wird.

Ich danke den Bundesräten und Bundesrätinnen, die diese wichtigen Gesetzesvorlagen nicht beeinspruchen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.57

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird (81 und 139/NR sowie 5197/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird (82 und 140/NR sowie 5198/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird (83 und 141/NR sowie 5199/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend Fünfter Zusatzvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zum Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 1960 (101 und 152/NR sowie 5200/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 bis 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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614. Sitzung / Seite 114

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird, und

Fünfter Zusatzvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zum Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 1960.

Die Berichterstattung über die Punkte 22 bis 24 hat Herr Bundesrat Engelbert Schaufler übernommen.

Die Berichterstattung über Punkt 25 hat Herr Bundesrat Gottfried Jaud übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß sieht vor, daß zufolge des am 21. Dezember 1995 abgeschlossenen Fünften Zusatzvertrages mit der Katholischen Kirche der in § 20 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche vorgesehene Fixbetrag nach dem Grundsatz der Parität ebenfalls in demselben Ausmaß von etwa 21,52 Prozent angehoben werden soll.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste gegenständliche Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird, sieht vor, daß zufolge des am 21. Dezember 1995 abgeschlossenen Fünften Zusatzvertrages mit der Katholischen Kirche der in § 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche vorgesehene Fixbetrag nach dem Grundsatz der Parität ebenfalls in demselben Ausmaß von etwa 21,52 Prozent angehoben werden soll.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste gegenständliche Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird, sieht vor, daß zufolge des am 21. Dezember 1995 abgeschlossenen Fünften Zusatzvertrages mit der Katholischen Kirche der in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft vorgesehene Fixbetrag nach dem Grundsatz der Parität ebenfalls in demselben Ausmaß von etwa 21,52 Prozent angehoben werden soll.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke Herrn Bundesrat Schaufler und darf Herrn Bundesrat Jaud um die Berichterstattung bitten.

Berichterstatter Gottfried Jaud: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses.


Bundesrat
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Wegen der in den letzten Jahren eingetretenen Geldwertminderung wurde vom Heiligen Stuhl im Hinblick auf die bisherige vereinbarungskonforme Praxis das Verlangen gestellt, den in Artikel II Abs. 1 lit. a des Kirchlichen Vermögensvertrages vom 23. Juni 1960, BGBl. Nr. 195/1960, genannten Fixbetrag neuerlich zu erhöhen.

Unter sinngemäßer Heranziehung der ersten vier Zusatzverträge (BGBl. Nr. 107/1970, Nr. 220/1976, Nr. 49/1982 und Nr. 86/1990) wurde der zuletzt vereinbarte Fixbetrag von 158 Millionen Schilling jährlich auf 192 Millionen Schilling im vorliegenden Fünften Zusatzvertrag erhöht.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .


Bundesrat
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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 23. Mai 1996 betreffend Fünfter Zusatzvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zum Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 1960.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

26. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1996

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung: Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1996.

Mit 1. Juli 1996 geht der Vorsitz des Bundesrates auf das Bundesland Kärnten über. Zum Vorsitz berufen ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Josef Pfeifer.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Es liegen hinsichtlich der zwei Vizepräsidenten Wahlvorschläge aller drei im Bundesrat vertretenen Fraktionen vor.

Artikel 36 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz sieht vor, daß im Vorsitz des Bundesrates die Länder halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge wechseln. Als Vorsitzender fungiert der an erster Stelle entsendete Vertreter des zum Vorsitz berufenen Landes; die Bestellung der Stellvertreter regelt die Geschäftsordnung des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates hat der Bundesrat anläßlich jedes Wechsels im Vorsitz gemäß Abs. 1 aus seiner Mitte zwei Vizepräsidenten zu wählen. Die Wahlen sind nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts – d’Hondtsches Verfahren – mit der Maßgabe durchzuführen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht der Fraktion des Präsidenten angehören darf.

Die Grundprinzipien der Bundesverfassung sowie der Geschäftsordnung des Bundesrates, aber auch die sich damit befassende Literatur gehen bei der Wahl dieser Funktionäre von einer klaren Zweiteilung aus:

Zunächst wird bei der Wahl des Präsidenten das föderalistische Grundprinzip unserer Verfassung zum Ausdruck gebracht, indem der Vorsitz halbjährlich zwischen den Ländern – unabhängig von deren Größe – wechselt.

Völlig getrennt davon wird die politische Kontinuität in der "Leitung" des Bundesrates durch die Vizepräsidenten verwirklicht, welche nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts – also nach Stärke der Fraktionen – zu wählen sind.

Die Interpretation der gegenständlichen Bestimmungen ergibt klar, daß ein Vorschlagsrecht für die Vizepräsidenten den beiden stärksten Fraktionen im Bundesrat zukommt. Darüber hinaus hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber eine Spezialbestimmung in die Richtung geschaffen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht von jener Fraktion gestellt werden soll, welcher der Präsident angehört. Hier wurde eine klare Stellvertretungsregelung in die Richtung normiert, daß


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der Präsident nicht durch den Vizepräsidenten derselben Fraktion vertreten werden soll, sondern von jenem Vizepräsidenten, den die andere der beiden stärksten Fraktionen stellt.

Weiters sieht § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, daß diesbezügliche Wahlvorschläge zu ihrer Gültigkeit der Unterstützung von mehr als der Hälfte der Bundesräte, denen ein Vorschlagsrecht zukommt, unterfertigt werden müssen.

Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß der Wahlvorschlag der ÖVP-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1996 sowie jener der SPÖ-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1996 den Bestimmungen der Geschäftsordnung genügen und daher zur Wahl zu stellen sind.

Der Wahlvorschlag der freiheitlichen Fraktion – diese ist die drittstärkste Fraktion des Bundesrates – ist daher nach meiner Rechtsauffassung unzulässig. Er genügt nicht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und ist daher zurückzuweisen.

Ich stelle daher die Frage, ob sich gegen die Zurückweisung dieses Wahlvorschlages Einwendungen erheben. – Es ist dies der Fall.

Herr Bundesrat Dr. Tremmel hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung zur Geschäftsordnung bezieht sich auf § 49 Abs. 3: Ich verlange eine Debatte über die Geschäftsordnung des Bundesrates.

Dieses Begehren darf ich, wie folgt, begründen: Der Herr Präsident hat in seinen Erläuterungen unter anderem § 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates zitiert: Der Bundesrat hat anläßlich jedes Wechsels im Vorsitz gemäß Abs. 1 aus seiner Mitte zwei Vizepräsidenten sowie mindestens zwei Schriftführer und mindestens zwei Ordner zu wählen. Die Wahlen sind nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes – das d’Hondtsche Verfahren ist in Klammer angeführt – durchzuführen.

Dieses Verhältniswahlrecht hat eine sehr starke Tradition im Parlamentarismus, ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Grundsätzlich steht fest und ist völlig unbestritten, daß das Präsidium unter anderem aus dem Präsidenten und den beiden Vizepräsidenten besteht.

Ich bitte Sie, meine Erläuterungen zur Kenntnis nehmen, die sich mit dem d’Hondtschen Verfahren, also der Inkarnation des Verhältniswahlrechtes, befassen. Dieses Verfahren wurde bereits 1918 angewendet. Wenn wir dieses auf den Bereich des Bundesrates umlegen, meine Damen und Herren, dann ergibt sich folgendes Bild (Der Redner präsentiert eine Tabelle, die die für die einzelnen Fraktionen gültigen Teilungszahlen ausweist.):

Das ist die Darlegung des d’Hondtschen Verfahrens, meine Damen und Herren! Sie teilen die Summe je nachdem durch zwei, durch drei oder durch vier. Der Präsident steht aufgrund ganz eindeutiger Bestimmungen der SPÖ zu. Die ÖVP stellt daher den ersten Vizepräsidenten. Wenn Sie nun die Teilungszahl der FPÖ anschauen, werden Sie erkennen, daß der Freiheitlichen Partei der zweite Vizepräsident zusteht, weil die ÖVP den ersten Vizepräsidenten stellt (Bundesrat Dr. Prasch: So ist es!) und weil, meine Damen und Herren, in der Geschäftsordnung ganz eindeutig ausgeführt ist, daß die Fraktion, die den Präsidenten stellt, keinen Vizepräsidenten stellen kann. (Bundesrat Mag. Tusek: Nicht den ersten!) – Nicht den ersten Vizepräsidenten, ich danke, das ist ein richtiger Einwand.

Wenn nun, wie der Herr Präsident in seinen Darlegungen gesagt hat, in der Praxis die zwei stärksten Fraktionen Anspruch auf den Vizepräsidenten haben, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren – ich gebe Ihnen ein sehr einfaches Beispiel –: Was ist – in der Folge wird das sicherlich eintreten –, wenn die derzeit hier noch drittstärkste Fraktion in einem Landtag die stärkste Fraktion sein wird? – Dann wird der dort Erstgenannte und Erstgereihte im Landtag


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gewählt. (Bundesrat Dr. Prasch: Exakt!) Daher stimmt diese Interpretation bereits nicht mehr, meine Damen und Herren!

Warum machen wir das, meine Damen und Herren? – Wir glauben – das hat überhaupt nichts mit den einzelnen Persönlichkeiten zu tun, denen ich persönlich große Achtung entgegenbringe –, daß der Parlamentarismus nur dann leben kann, wenn die entsprechenden verfassungsmäßigen Bestimmungen bedacht werden. Das d’Hondtsche Verfahren – es wurde richtigerweise auch vom Herrn Präsidenten die Verfassungsbestimmung des Artikels 36 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 zitiert – sieht eben nach diesem Aufteilungsschlüssel des Verhältniswahlrechtes vor, daß in diesem Fall der freiheitlichen Fraktion der zweite Präsident zusteht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Es gibt keinen zweiten Präsidenten!)

Es gibt ein Präsidium, und dieses ist als Einheit zu sehen – das ist auch in der Verfassung enthalten, meine Damen und Herren!

Wir können an und für sich nicht darüber hinweg diskutieren, es sei denn, meine Damen und Herren, wir beugen die Verfassung. Die freiheitliche Fraktion wird es sich vorbehalten, diesbezüglich eine entsprechende Prüfung durchzuführen. Pro forma erfolgt hier die Wahl des Präsidenten, auch wenn er im Landtag vorgeschlagen und gewählt wurde; durch Ihre Zustimmung erfolgt als konkludente Handlung auch die Wahl des Präsidenten, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe.)

Wir können nicht über die Verfassung diskutieren. Die Verfassung ist ein festgeschriebenes Recht. (Bundesrat Bieringer: Sie sind doch schon viele Jahre hier im Bundesrat! Haben Sie schon einmal einen Präsidenten gewählt?) Herr Kollege Weiss! Sie wissen ganz genau, daß die Verfassung und vor allem die Wahlgesetze – ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – wörtlich auszulegen sind. Es hat zum Beispiel Wahlen in Pamhagen, im Burgenland, gegeben, die aus einem solchen Grund wiederholt werden mußten, weil eben die Erkenntnis nicht entsprechend ausgelegt wurde.

Meine Damen und Herren! Aus allgemeiner politischer Sicht möchte ich darauf hinweisen, daß dies heute im Nationalrat auch so gehandhabt wird. Bedenken Sie doch, daß hier ein Recht, das im Nationalrat bereits gehandhabt wird – unserer Meinung nach –, verfassungsmäßig zu Recht akklamiert wird. Es würde niemand verstehen, daß in diesem Fall das Verhältniswahlrecht, das durch das d’Hondtsche Verfahren verfassungsmäßig gesichert und festgeschrieben ist, nicht angewendet werden sollte.

Deswegen, meine Damen und Herren, schlagen wir die Person des Dr. Kapral vor, weil er den Kriterien, die eine Präsidentschaft verlangt, entspricht. Er hat die entsprechende Ausbildung, er hat das entsprechend breite Wissen, und Sie werden nicht bestreiten, daß er mit vielen seiner Ausführungen auch bei Ihnen recht behält. Er ist also eine durchaus geeignete Persönlichkeit, hier diesen Vorsitz mit wahrzunehmen.

Ich weise Sie sehr höflich, jedoch bestimmt darauf hin – um von der Person wegzukommen –: Bitte prüfen Sie genau, meine Damen und Herren – wir werden diesen Schritt jedenfalls einleiten, wenn es diesbezüglich keine andere Möglichkeit gibt –, ob es nicht besser und gescheiter wäre, uns das unserer Meinung nach zustehende Recht, den zweiten Präsidenten zu stellen, zu geben.

Abschließend, meine Damen und Herren, stelle ich nochmals gemäß § 49 Abs. 3 den Antrag, darüber eine Debatte durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.20

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat Tremmel hat laut Geschäftsordnung den Antrag gestellt, eine Debatte durchzuführen.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen .


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit .

Es ist eine Debatte durchzuführen.

Gemäß § 49 Abs. 3 GO beschränke ich die Redezeit jedes Redners auf fünf Minuten.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. Ich erteile es ihm.

Debatte über die Wahl der beiden Vizepräsidenten

17.21

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesrat Tremmel hat mehrfach den Satz gebraucht: Der FPÖ stehe dieses Recht zu. – Ich möchte sagen, Recht ist das, was in der Verfassung und in der Geschäftsordnung steht und nicht das, was Sie sich selbst nehmen. Das ist das eine. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das andere ist – es wurde in einem Zwischenruf schon darauf hingewiesen –, daß Sie selbst schon lange genug den Wechsel im Vorsitz miterlebt haben, um zu wissen, daß sich der Vorsitz aus der Verfassung und ohne weiteres Dazutun des Bundesrates ergibt, der Präsident macht lediglich Mitteilung darüber, wer das im nächsten Halbjahr sein wird. Es erfolgt nicht einmal eine Kenntnisnahme dieser Mitteilung, das wäre in der Verfassung auch gar nicht vorgesehen.

Nun zur Sache selbst. Sie haben hier eines Ihrer berühmten Taferln – diesmal mit dem d’Hondtschen Verfahren – vorgezeigt. Sie haben allerdings mitten unter Ihren Ausführungen aufgehört. Sie haben dargestellt, daß – gesetzt den Fall, es sind drei Mandate zu vergeben – das erste der ÖVP aufgrund der Teilungszahl 26 zusteht, das zweite der sozialdemokratischen Fraktion mit der Teilungszahl 25, und beim dritten – da hätten Sie fortsetzen sollen – haben sowohl die Freiheitlichen als auch die ÖVP, deren Teilungszahl 13 beträgt, denselben Anspruch.

Nun trifft diese Geschäftsordnung im Gegensatz zu anderen Regelungen des d’Hondtschen Verfahrens keine Aussage darüber, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist. Es gibt ja genügend Beispiele, bei denen ein Losentscheid gilt oder subsidiär eine Stimmenzahl herangezogen wird. Eine solche Regelung trifft die Geschäftsordnung nicht – offenkundig unter Rücksichtnahme darauf, daß es parlamentarische Praxis ist, daß in einem solchen Kollisionsfall mangels näherer Regelungen der Geschäftsordnung das Mehrheitsprinzip subsidiär zur Anwendung zu kommen hat. Das heißt, die stärkere Partei hat den größeren Anspruch.

Soweit zu diesem Punkt, der jedoch als Schlußfolgerung in sich selbst schon nicht zutreffend ist. Es ist aber auch die Voraussetzung gar nicht gegeben. Es sind nämlich nicht drei Mandate zu vergeben – dem steht schon der Wortlaut der Geschäftsordnung entgegen –, sondern lediglich zwei. Bei den Schriftführern hingegen könnten es drei sein. Daß beide Regelungen hinsichtlich der Reihenfolge im selben Satz und Sinnzusammenhang stehen, deutet ja schon darauf hin, daß bei den Schriftführern nichts anderes gemeint sein kann als bei den Vizepräsidenten. Bei den Schriftführern gibt es ja bekanntlich keinen vorsitzenden Schriftführer, den man einrechnen könnte.

Nun gehen Sie davon aus, daß die Geschäftsordnung quasi implizit aussagen wolle, daß der Vorsitzende einzurechnen wäre. Das wäre eine mögliche Variante, die auch in Landtagsgeschäftsordnungen zu finden ist, in denen es heißt, die Landtagsvizepräsidenten werden unter Einrechnung des Präsidenten aus seiner Fraktion gewählt. Das ist eine positive, klare Aussage, die aber in unserer Geschäftsordnung fehlt. Das heißt, in der Geschäftsordnung ist bewußt eine solche Regelung nicht enthalten. Daraus folgt zwingend – das entspricht ja eigentlich Ihren Intentionen –, daß der Präsident aus dieser fraktionellen Zurechnung ausgeschlossen ist. Das ist etwas, von dem ich glaube, daß es richtig ist, weil es ein gewisses Gegengewicht zur Gliederung des Bundesrates in Fraktionen ist, worüber man durchaus geteilter Meinung sein kann. Sie akzentuieren ja – mit meiner Sympathie – die Meinung, daß man dieses Fraktionsdenken in der


Bundesrat
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parlamentarischen Praxis ein bißchen zugunsten des Länderdenkens in den Hintergrund treten lassen sollte. Aber dann sollten Sie diesen Gesichtspunkt in einem Fall, in dem es tatsächlich von großer Bedeutung ist, bei sich selbst anwenden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.25

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Wöllert. Auch ihn mache ich darauf aufmerksam, daß ich die Redezeit mit fünf Minuten beschränkt habe.

17.25

Bundesrat Karl Wöllert (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident und Herr Kollege Weiss haben bereits in sehr effizienter Form alle Argumente, vor allem auch die mathematischen Hintergründe, die sich bei dieser Wahl darstellen, angeführt. Ich erlaube mir, zusätzlich noch ein paar politische Hintergründe als Argumentation einzubringen.

Die heute von der Freiheitlichen Partei vom Zaun gebrochene Diskussion über die Position der Vizepräsidenten des Bundesrates ist von mannigfaltigen und vordergründigen Facetten geprägt. Da ist einmal festzustellen, daß es der immer wieder selbst ernannten "Postenabbaupartei", der Freiheitlichen Partei Österreichs – oder Bewegung (Bundesrat Eisl: Wollen Sie sie selbst abbauen?), wie auch immer –, heute ganz offensichtlich nur darum geht (Rufe bei den Freiheitlichen: Bauen Sie sie ab!) , endlich wieder einmal einen hohen Posten des Staates in dieser Republik zu ergattern. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, es muß Ihnen unangenehm sein, die Wahrheit zu hören. Aber wenn Sie erlauben, darf ich sie Ihnen trotzdem servieren.

Da spielt ganz offensichtlich bei Ihnen weder der Wille des Gesetzgebers zur Kontinuität beziehungsweise zur föderalen Notwendigkeit eine Rolle, ganz zu schweigen von der Rücksichtnahme auf Stärkeverhältnisse, die durch Wahlen entstehen. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Sie sind in diesem Lande nur die Dritten und nicht mehr.

Nehmen Sie aber bitte auch zur Kenntnis, daß die Länderkammer dieses Parlaments geprägt ist von Kontinuität und von Seriosität. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es ist ja hochinteressant, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, daß die Begriffe Kontinuität und Seriosität bei Ihnen auf Gelächter stoßen. Das sollte man sich merken. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Die Kontinuität besteht darin, daß die Freiheitliche Partei ständig wächst!) Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß diese Kontinuität und diese Seriosität bisher von Persönlichkeiten getragen wurden, wie etwa von den Vizepräsidenten Professor Schambeck oder Strutzenberger, und von diesen viele Jahre hindurch praktiziert wurden. Nehmen Sie aber bitte auch zur Kenntnis, daß eine Persönlichkeit, wie sie Frau Vizepräsidentin Haselbach darstellt, diese Kontinuität zum Wohl und im Interesse unseres Staats auch in Zukunft fortsetzen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Wahl der Vizepräsidenten des Bundesrates ist nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes vorzunehmen. Das ist, glaube ich, auch in Ihren Reihen unbestritten. Ob es Ihnen nun paßt oder nicht: Diese Positionen sind nach der Stärke der gewählten Fraktionen zu vergeben, und Sie sind in diesem Haus nur die drittstärkste Fraktion und damit nicht in der Lage, den Antrag auf Bestellung einer Vizepräsidentin oder eines Vizepräsidenten des Bundesrates zu stellen. Und nichts deutet, wenn wir die letzten Nationalratswahlen Österreichs betrachten, darauf hin, daß sich daran langfristig etwas ändern wird. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, Sie haben im Burgenland in Wirklichkeit nur eine Winzigkeit aufgeholt, wenn ich Ihnen das sagen darf. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Waldhäusl: Und Sie haben eine Winzigkeit verloren!) Sie haben sich seit vielen Jahren bemüht und das jetzt endlich erreicht (Bundesrat Dr. Prasch: Und das genügt schon!) , aber das ist ja keine Sensation gewesen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Peng!) Wissen Sie, auch Ihr "Peng!" ist nicht unbedingt Beweis für eine seriöse Art, hier einzugreifen. (Bundesrat Waldhäusl: Ihre Zeit ist um!)

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie nach vergeblicher Suche nach einer Dritten Republik glauben, daß Sie den Willen des Gesetzgebers, so wie er sich jetzt darstellt, brechen können,


Bundesrat
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dürfen wir Ihnen sagen, das wird Ihnen ganz sicherlich nicht gelingen, denn der österreichische Parlamentarismus ist nicht zuletzt auch durch seine Geschäftsordnungen fundiert und erreicht damit ein stabiles System, ein beispielhaft gutes System. Österreich ist vor allem in der Zweiten Republik mit genau diesem System gut gefahren – egal, ob Ihnen das paßt oder nicht.

Präsident Johann Payer (das Glockenzeichen gebend): Den Schlußsatz bitte. Gleiche Regeln für alle.

Bundesrat Karl Wöllert (fortsetzend): Selbstverständlich! Ich komme schon zum Schluß.

Was in dieser Stunde von der Freiheitlichen Partei hier verlangt wird, das würde ich eher als die klassische Form von Scheinheiligkeit betrachten. Auf der einen Seite Postenschacher, Privilegien und anderes anzuprangern und auf der anderen Seite mit hängender Zunge hinter Posten herzujagen, das ist nicht unbedingt das Nonplusultra einer glaubwürdigen Politik.

Meine Damen und Herren! Genau das ist es, was uns bewegt, im Interesse der österreichischen Politik und der Kontinuität Ihrem Antrag eine Absage zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Prasch: 6 Minuten! 7 Minuten!)

17.32

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Doch!) – Dr. Rockenschaub, bitte. Ich darf Sie ebenfalls auf die Redezeitbeschränkung aufmerksam machen. (Bundesrat Waldhäusl: 10 Minuten! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

17.32

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident!

Präsident Johann Payer: Ich darf kurz noch einmal unterbrechen! – Herr Bundesrat (zu Bundesrat Waldhäusl gewendet) , wenn Sie meine Vorsitzführung kritisieren, unzulässigerweise kritisieren, dann besteht die Gefahr, daß ich nochmals zu dem Mittel des Ordnungsrufes greifen muß. Ich möchte das nicht machen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sind Sie der Papst und unfehlbar?)

Bitte, Herr Rockenschaub. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sind Sie der Papst? Gilt für Sie das Unfehlbarkeitsdogma?) – Ich versuche, die Verhandlungen, die Diskussion ordnungsgemäß über die Runden zu bringen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das gelingt Ihnen aber nicht!) – Herr Bundesrat Rockenschaub ist am Wort. (Bundesrat Waldhäusl: Das ist ja ein Wahnsinn!)

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (fortsetzend): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sollten die Emotionen hier zurücknehmen, was mir allerdings ursprünglich, als ich die Rede meines oberösterreichischen Kollegen Wöllert anhören mußte, auch schwergefallen ist.

Lieber Kollege Wöllert! Das war wirklich unnötig, eine Geschäftsordnungsdebatte derart hochzustilisieren. Ich habe gegen Schluß nur noch darauf gewartet, daß das als parlamentarischer Putsch bezeichnet wird – das ist schon in der Luft gelegen –, was sich die freiheitliche Fraktion erlaubt, nämlich eine Geschäftsordnungsbestimmung, die – vielleicht herrscht hierüber Einigkeit – nicht sonnenklar ist, die nicht völlig klar ist, zur Diskussion zu stellen. Man kann sie interpretieren. Die Meinung des Präsidenten ist die, daß nur zwei Mandate zu vergeben sind. Wenn man davon ausgeht, dann hat die freiheitliche Fraktion selbstverständlich keinen Vorschlagsanspruch. Wenn man interpretiert, es gäbe drei Mandate zu wählen, dann hätte die freiheitliche Fraktion ranggleich mit der Österreichischen Volkspartei ein Vorschlagsrecht, über das man reden könnte. Darum geht es und um nicht weniger und um nicht mehr. Es geht nicht um die Dritte Republik, es geht nicht darum, Gespenstergeschichten an die Wand zu malen.

Apropos Dritte Republik: Am Tag, an dem der alte und neue Landeshauptmann Stix aus dem Burgenland die Direktwahl des Landeshauptmannes fordert – die Bürgermeisterdirektwahl, ein Kerngebiet der Dritten Republik, haben wir schon unter Dach und Fach –, am Tag, an dem Ihr Landeshauptmann im Burgenland das in der Öffentlichkeit fordert – das ist die nächste Stufe zu


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diesem Dritte-Republik-Konzept, also mehr Zeitung lesen, Kollege Wöllert –, wieder einmal dieses Gespenst an die Wand zu malen, noch dazu in Kombination mit einer im Grunde genommen trockenen Geschäftsordnungsdebatte, ist das wirklich weit hergeholt. Da hätten wir uns von Ihrer Fraktion etwas mehr Fairneß erwartet, wenn wir hier ein geschäftsordnungsmäßiges Problem erörtern wollen.

Wenn es soweit kommt, daß die Freiheitlichen nicht das Recht haben sollen, einen Geschäftsordnungsparagraphen hier auszudiskutieren, ohne daß sie als Putschisten gegen den Rechtsstaat an die Wand genagelt werden, dann wird sich dieses Klima hier herinnen ganz schlimm verschärfen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Wöllert .) Das war, Herr Kollege Wöllert, eindeutig aus den Zwischentönen Ihrer Wortmeldungen herauszuhören. Ich bedaure das, und ich ersuche Sie, in Zukunft, wenn wir hier über die Geschäftsordnung diskutieren wollen, nicht Argumente zu bringen, die mit der Sache nicht das geringste zu tun haben.

Die freiheitliche Fraktion wird mit Sicherheit eines nicht tun: Wenn einwandfrei geklärt ist – im übrigen müssen wir uns ohnedies der Mehrheit beugen –, daß nur zwei Mandate zu vergeben sind – das war früher nie ein Thema; weil wir diese d’Hondtsche Zahl eben nicht hatten, ist die Diskussion und die Überlegung darüber nicht aufgetaucht; ich kann mich erinnern, Herr Präsident Schambeck, in einem Vier- oder Sechsaugengespräch haben Sie zumindest einmal bestätigt, daß man darüber reden kann, wie hier vorzugehen ist, daß es ein Diskussionsthema ist (Bundesrat Dr. Schambeck: Von einem Diskussionsthema habe ich nie gesprochen! Das weise ich zurück!) –, wenn also mittlerweile klargestellt sein sollte, daß nur zwei Mandate zu vergeben sind, dann werden wir das zur Kenntnis nehmen, dann gibt es nichts weiter zu diskutieren. Darum geht es uns.

Es geht uns hier nicht um den Mißbrauch von Geschäftsordnungsmöglichkeiten, und es geht uns schon gar nicht darum, parlamentarische Spielregeln zu diskreditieren oder ähnliches. Diesbezüglich würde ich zumindest die Kollegen von der Volkspartei bitten, uns dieses Diskussionsrecht zu gewähren und nicht mit derartigen Untergriffen zu arbeiten. Sie haben es nicht getan – im angenehmen Gegensatz zu Kollegen Wöllert –, und insofern danke ich der ÖVP wenigstens für die Diskussionsbereitschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.38

Präsident Johann Payer: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Dr. Kapral, bitte.

17.38

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Auch ich hatte gehofft, daß es möglich sein müßte, hier in diesem Haus eine Geschäftsordnungsdebatte so abzuführen, wie es ihr zukommt, ohne daß hier Unterstellungen und Untergriffe angewandt werden, die mit der Sache selbst nichts zu tun haben.

Ich hatte mir auch erhofft, daß ich auf solche Vorwürfe – ich werde es wahrscheinlich auch in weiterer Folge nicht tun – nicht eingehen muß. Aber zu dem, was Herr Bundesrat Weiss vorhin in seiner Stellungnahme vorgebracht hat, muß ich doch etwas sagen.

Natürlich benützt er eine Auslegung der Geschäftsordnung, die zu seinen Gunsten spricht. Die Kernfrage ist meiner Meinung nach, ob der Präsident, obwohl er einem formalen Wahlakt hier im Bundesrat nicht unterliegt, sondern nur einem indirekten Wahlakt im jeweiligen Landtag, was die Zusammensetzung und das Verhältnis im Präsidium im Verhältnis Präsident, zwei Vizepräsidenten anlangt, mitgerechnet wird oder nicht.

Unserer Meinung nach legt jene Wortfolge, in der es heißt, daß der jeweilige erste Vizepräsident nicht der Fraktion des Präsidenten angehören kann, den Schluß nahe, daß der Präsident sehr wohl, was die Zusammensetzung des Präsidiums anlangt, und damit bei der Anwendung des Verhältniswahlrechtes des d΄Hondtschen Systems mitzurechnen ist.

Ich bin überzeugt, daß es im Lande eine Instanz geben wird, die feststellen wird, welche Auslegung der Geschäftsordnung vorzunehmen ist, die, glaube ich – da pflichten mir jene Damen


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und Herren in diesem Hause bei, die zu dem Bereich der Juristen zählen –, keineswegs eindeutig und klar ist und in einigen Punkten Züge aufweist, die darauf schließen lassen, daß die Autoren dieser Geschäftsordnung und letztlich der Gesetzgeber, der Bundesrat selbst, seinerzeit bei der Beschlußfassung davon ausgegangen sind, daß es hier im Bundesrat auf Ewigkeit nur zwei Fraktionen geben wird und gar nicht an die Möglichkeit gedacht haben, daß eine weitere Fraktion nur in die Nähe einer Zahl kommen könnte, die ihr einen Anspruch auf eine Vorsitzführung, auf eine Vizepräsidentschaft einräumt.

Es ist also so, daß diese Geschäftsordnung in einigen Punkten nicht klar ist und Interpretationen unterschiedlicher Art zuläßt, sodaß es dringend notwendig wäre, eine Revision vorzunehmen, eine Revision, die sehr wohl auch dem Umstand Rechnung tragen muß, daß es hier und heute eine Fraktion gibt, die eine Stärke erreicht hat, die es ihr erlaubt, auch solche Ämter zu übernehmen.

Aber wenn man uns letztendlich hier unterstellt, wir streben Ämter an, die uns nicht zustehen, dann bin ich der letzte, der dagegen opponiert, daß man dieses Amt überhaupt abschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.42

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm dieses und mache ihn ebenfalls auf die Redezeitbeschränkung aufmerksam. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Jetzt kommt der Verfassungsexperte! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Prasch: Interessanterweise schweigt Professor Schambeck bis dato! Der große Verfassungsexperte! – Neuerliche Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Schambeck: Ich rede für mich selbst!)

17.42

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie glauben, zur Geschäftsordnung des Bundesrates kann nur ein Jurist oder ein Verfassungsexperte reden, dann weiß ich nicht, wo Sie diese Weisheit hernehmen. Für mein Dafürhalten kann jeder, der sich mit der Geschäftsordnung ein wenig befaßt und der ein bißchen eine Ahnung vom d’Hondtschen System hat, eine Stellungnahme dazu abgeben. Und das lasse ich mir von Ihnen sicher nicht streitig machen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Dr. Kapral! Wenn Sie sagen, daß die Geschäftsordnung geändert gehört, weil es, als die Geschäftsordnung beschlossen wurde, nur zwei Parteien gegeben habe, dann stimmt das einfach nicht. Aus der mir vorliegenden Geschäftsordnungsnovelle aus dem Jahre 1988, die während der Präsidentschaft meines Freundes Helmut Frauscher beschlossen wurde, geht eindeutig hervor, daß damals bereits drei Parteien gewesen sind. Die FPÖ war damals bereits in diesem Hohen Haus vertreten (Bundesrat Mag. Langer: Mit einem Mandat!) , aber darum geht es mir nicht.

Wenn Sie heute sagen, es sei nach dem d’Hondtschen System vorzugehen, dann müßte die Teilungsziffer 1 immer der stärksten Fraktion gehören. Theoretisch müßte dann immer die Österreichische Volkspartei, weil sie die stärkste Partei ist, den Präsidenten stellen. Wenn Sie die Bestimmungen der Geschäftsordnung ordnungsgemäß auslegen, dann werden Sie bemerken, daß ausschließlich die zwei Vizepräsidenten nach dem d’Hondtschen System zu wählen sind. Und das zurzeit bestehende Mandatsverhältnis sieht eindeutig vor, daß die Österreichische Volkspartei den ersten Vizepräsidenten und die Sozialdemokratische Partei den zweiten Vizepräsidenten stellt.

Wir haben sicher nichts dagegen, wenn Sie den Verfassungsgerichtshof oder wen immer anrufen wollen, damit das eindeutig geklärt wird. Wir sind felsenfest davon überzeugt, daß wir richtig handeln und heute auch richtig abstimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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17.45

Präsident Johann Payer: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Bitte. Auch Sie mache ich auf die Redezeitbeschränkung aufmerksam.

17.45

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte kurz Stellung nehmen zu dem Vorwurf beziehungsweise zu der Androhung, daß ich einen Ordnungsruf bekommen könnte, und zwar aufgrund dessen, daß ich mir erlaubt habe, korrekt festzustellen, daß die Redezeit des SPÖ-Bundesrates sehr wohl über fünf Minuten gelegen ist. Ich habe zehn Minuten gesagt, wenn es nur neun gewesen sein sollen, ist es auch in Ordnung.

Diese Auslegung von Ihnen, Herr Präsident, ist, glaube ich, Rechtfertigung genug, daß ich dieses Thema hier sehr wohl zum Anlaß nehme, zu behaupten, daß unsere heutige Forderung nach einer objektiven Vorsitzführung auch unter einem Freiheitlichen berechtigt ist und für dieses Haus eine Bereicherung wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46

Präsident Johann Payer: Herr Kollege Waldhäusl! Sie werden verstehen, daß ich mich mit dieser Wortmeldung nicht auseinandersetze. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Schambeck .)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich habe bereits meine Rechtsauffassung dargelegt. Ich komme, wie gesagt, den Einwendungen der Freiheitlichen Partei nicht nach und lasse daher über die Frage der Zurückweisung des Wahlvorschlages der freiheitlichen Fraktion abstimmen .

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für die Zurückweisung des Wahlvorschlages der freiheitlichen Fraktion sind, um ein Handzeichen. – Dies ist die Mehrheit .

Der Wahlvorschlag der freiheitlichen Fraktion ist somit zurückgewiesen .

Ich gehe daher nunmehr in den Wahlvorgang selbst ein.

Es liegt jeweils nur ein Wahlvorschlag vor. Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen und die Wahl der übrigen zu bestellenden Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates durch Handzeichen vornehmen lassen.

Wahl der Vizepräsidenten

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur Wahl des ersten Vizepräsidenten des Bundesrates.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich nehme die Wahl an und danke für das mir geschenkte Vertrauen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Die Bundesrätinnen und Bundesräte der freiheitlichen Fraktion verlassen den Sitzungssaal.)

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur Wahl des zweiten Vizepräsidenten des Bundesrates.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit . (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die Wahl an und danke Ihnen für das Vertrauen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Johann Payer: Ich gratuliere den beiden Vizepräsidenten von dieser Stelle aus auf das herzlichste.

Wahl der Schriftführer

Präsident Johann Payer: Wir kommen nun zur Wahl der beiden Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesrätinnen Ilse Giesinger und Helga Markowitsch für das zweite Halbjahr 1996 zu den Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Ich nehme die Wahl an und danke für Ihr Vertrauen.

Präsident Johann Payer: Helga Markowitsch.

Bundesrätin Helga Markowitsch: Ich nehme die Wahl gerne an.

Präsident Johann Payer: Ebenfalls meine Gratulation. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Ordner

Präsident Johann Payer: Wir kommen nunmehr zur Wahl der drei Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesräte Ludwig Bieringer, Erich Farthofer und Dr. Paul Tremmel für das zweite Halbjahr 1996 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. (Bundesrätin Crepaz: Ich bitte um separate Abstimmung!)

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, daß Bundesrat Ludwig Bieringer im zweiten Halbjahr als Ordner fungieren soll, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dafür sind, daß Erich Farthofer zum Ordner gewählt werden soll, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die wollen, daß Dr. Paul Tremmel Ordner ist, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Ludwig Bieringer.

Bundesrat Ludwig Bieringer: Ich nehme die Wahl an.

Präsident Johann Payer: Erich Farthofer.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach: Erich Farthofer hat mitgeteilt, daß er die Wahl annimmt.

Präsident Johann Payer: Dr. Paul Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Ich nehme die Wahl an. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Johann Payer: Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 1186/J bis 1188/J, eingebracht wurden.

Schlußansprache des Präsidenten

Präsident Johann Payer: Da dies meine letzte Sitzung als Präsident des Bundesrates ist, ersuche ich Sie, noch einige Minuten dazubleiben. Ich möchte kurz Bilanz über dieses Halbjahr ziehen.

Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Am Ende der letzten unter dem Vorsitz des Bundeslandes Burgenland abgehaltenen Sitzung des Bundesrates möchte ich, wie gesagt, ein wenig Rückschau halten und auch ein wenig Ausblick geben.

Ich glaube, daß wir gemeinsam ein großes Arbeitspensum erledigt haben. Dafür möchte ich mich heute ganz persönlich bedanken, bedanken vor allem bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz, namentlich bei Herrn Vizepräsidenten Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck und Frau Vizepräsidentin Anneliese Haselbach, aber auch bei den zwei Fraktionsvorsitzenden, die im Präsidium vertreten sind, bei Herrn Albrecht Konečny und Herrn Dr. Peter Kapral von der Freiheitlichen Partei.

Wir waren nicht immer einer Meinung. Es gab inhaltliche Differenzen, es gab schwierige Terminkoordinationen und differierende Meinungen zur Erstellung der Tagesordnung, zur Tagesordnung selbst. Aber all diese Differenzen wurden im Geiste des gegenseitigen Respekts und unter Wahrung eines kollegialen Umgangstons ausgetragen. Vor allem für diese Kollegialität sage ich heute am Ende meiner Präsidentschaft ein herzliches Dankeschön.

Ich möchte es aber nicht verabsäumen, auch jenen zu danken, die im Hintergrund ihre Arbeit verrichten und deren Tätigkeit wir Politiker unbedingt brauchen, nämlich die Beamtenschaft. Die Beamten haben oft unter Zeitdruck und mit großem persönlichen Engagement mitgeholfen, daß wir hier im Plenum zu einem reibungslosen oder fast reibungslosen Ablauf der Sitzungen gekommen sind.

Daher allen Beamten dieses Hauses ein aufrichtiges Dankeschön! Namentlich möchte ich mich bei Herrn Bundesratsdirektor Dr. Labuda für seine Loyalität und seine umsichtige Tätigkeit bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Der Schwerpunkt unserer legistischen Arbeit waren natürlich die verschiedenen Strukturanpassungen, die aufgrund der angestrebten Budgetkonsolidierung notwendig geworden sind. Daß


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dabei der zeitliche Rahmen, der uns zur Verfügung stand, nicht immer optimal war, ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Wenn man sich jedoch mit den Stenographischen Protokollen beschäftigt – ich ersuche Sie, das vielleicht auch zu tun –, dann merkt man erst, wie sachlich fundiert eigentlich der größte Teil der Reden war. Gleichzeitig waren diese Diskussionsbeiträge aber auch mit der notwendigen rhetorischen Emotion ausgestattet und mit persönlichen Emotionen und Erfahrungen angereichert, sodaß ich mir folgendes Urteil erlaube: Wir haben hier im Bundesrat nicht Pflichtübungen abgespult, wie es uns hie und da von den Medien vorgeworfen wird, sondern unseren Beitrag zur Lebendigkeit, zur Weiterentwicklung, zur Offenheit der Demokratie geleistet.

Danken möchte ich aber auch – das ist vielleicht etwas ungewöhnlich – der Protokollabteilung für die große Unterstützung während der letzten Monate, namentlich Herrn Wolfgang Izmenyi. (Allgemeiner Beifall.) Ich habe die Protokollabteilung wirklich gefordert und mehr als tausend Bürgerinnen und Bürger – vor allem natürlich aus meinem Bundesland – zu den verschiedensten Anlässen und Gelegenheiten in das Hohe Haus gebracht.

Die Einführung, daß jeder Präsident die Möglichkeit hat, sein Bundesland durch Ausstellungen im Parlament zu präsentieren, halte ich für ganz ausgezeichnet. Diese Einführung gibt dem jeweiligen Präsidenten die Möglichkeit, unser parlamentarisches System einer breiten Bevölkerungsschicht näherzubringen und auch mediale Aufmerksamkeit zu erringen.

Mein Dank gilt natürlich auch der Chefin des Protokolls, die mir Herrn Izmenyi immer wieder zur Verfügung gestellt hat. Frau Dr. Alsch-Harant, ein herzliches Dankeschön! (Allgemeiner Beifall.)

Mit ein wenig Stolz behaupte ich, daß in den vergangenen sechs Monaten durch verschiedene Einladungen hierher ins Parlament in den regionalen Medien eine sehr ausgedehnte und positive Berichterstattung über den Bundesrat erreicht wurde. Ich rege daher persönlich an, daß auch alle zukünftigen Präsidenten diese Möglichkeiten, die die Vorsitzführung mit sich bringt, sehr extensiv nützen sollten.

Ein Gespräch der neun Landtagsdirektoren, zu dem ich gemeinsam mit dem Vorsitzenden des EU-Ausschusses, Herrn Ing. Penz, geladen habe, hat mir gezeigt, wie unterschiedlich zum Beispiel EU-Vorlagen, aber auch Gesetzesvorlagen, die der Bundesratsdienst aussendet, bearbeitet werden.

In meiner Antrittsrede im Jänner habe ich zwei Punkte besonders hervorgehoben, nämlich die Gehaltspyramide von Politikern und die Bundesstaatsreform. Beide Forderungen sind in Angriff genommen.

Warnend möchte ich zur Gehaltspyramide meine Stimme erheben und hier feststellen: Jeder Mandatar braucht eine finanzielle Unabhängigkeit. Ein ständiges Hinunterlizitieren erhöht keinesfalls die Qualität der politisch Handelnden. Es ist nicht notwendig, daß wir andauern aus populistischen Gründen bei jeder Gelegenheit ein Armutsgelübde ablegen.

Den verantwortlichen Verhandlern erlaube ich mir den Rat zu geben, auch darauf zu achten, daß neben einem transparenten Gehaltsschema, das unbedingt notwendig ist, auch die Höhe der Politikereinkommen so gestaltet wird, daß die von mir bereits angesprochene Unabhängigkeit gewährleistet bleibt. Politiker dürfen nicht Lobbyisten für einflußreiche Firmen werden.

Zur Bundesstaatsreform: Sie wird in Angriff genommen und soll eine neue Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bringen. Hand in Hand damit müssen eine Verwaltungsreform und ein Bürokratieabbau erfolgen. Die Bundesstaatsreform darf meiner Meinung nach aber nicht so verstanden werden, daß sich einzelne Verwaltungseinheiten – ich verwende zur besseren Erklärung hier ein Bild – die Rosinen herauspicken und das unattraktive Verpackungsmaterial, die Hülle der Rosinen, übrigbleibt. Es geht bei dieser Bundesstaatsreform um ein Gesamtpaket, das das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen hat.

Meine Anregung als scheidender Präsident geht auch dahin, bei kommenden Verhandlungen zur Bundesstaatsreform auch die Gesetzgebung – ich meine damit Nationalrat und Bundesrat –


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stärker einzubinden. Beim letzten Versuch in Perchtoldsdorf waren leider nur Landeshauptmänner und Regierungsvertreter die Hauptbeteiligten. Bei einem Seminar, das in der Vorwoche seitens der Föderalismusforschung veranstaltet wurde, hat es positive Signale in die richtige Richtung, zum Beispiel seitens des Klubobmannes Kostelka, gegeben.

Meine Damen und Herren! Aufgabe des Bundesrates muß es sein, den Länderfuß in der Bundesgesetzgebung zu behalten, zu stärken. Daher wird es notwendig sein, daß sich der Bundesrat entsprechend den im Koalitionsabkommen angeführten Konsultationsmechanismen in den kommenden Debatten einbringt. Wir müssen trachten, die mediale Wirkung des Bundesrates zu erhöhen.

Ich habe daher die Vorarbeiten zur Herausgabe einer Broschüre über die Länderkammer gemeinsam mit dem Bundesratsdienst, gemeinsam mit dem Präsidium in Auftrag gegeben, und ich ersuche meinen Nachfolger, Herrn Bundesrat Pfeiffer aus Kärnten, diese Arbeit gemeinsam mit der Präsidiale fortzusetzen.

Die internationalen Kontakte, die ich in meiner Amtszeit pflegen durfte, China, San Marino, Ungarn, haben mir sehr klar und deutlich vor Augen geführt, welch großes Ansehen unser österreichischer Parlamentarismus in der Welt hat. – Pflegen wir auch in Zukunft diese guten Kontakte!

Abschließend sage ich Ihnen allen für Ihren Einsatz und Ihr Engagement ein herzliches Dankeschön. Ich freue mich, daß ich Sie auch in Zukunft in meiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates weiterhin begleiten darf. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 12. Juli 1996, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 9. Juli 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 18.05 Uhr