Stenographisches Protokoll

632. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 20. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

632. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. November 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 20. November 1997: 9.07 – 19.23 Uhr

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Tagesordnung

1. Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 1997

2. Bericht der Volksanwaltschaft 1996

3. Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (2. Budgetbegleitgesetz 1997)

4. Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird

5. Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997)

6. Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (NS-Opfer-Gedenktag)

7. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden

8. Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesnovellen)


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 2

9. Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny und Kollegen betreffend die "Agenda 2000"

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 8

Angelobung der Bundesräte Ferdinand Gstöttner, Ulrike Haunschmid, Dr. Günther Hummer, Hedda Kainz, Johann Kraml, Uta Barbara Pühringer, Peter Rodek, Mag. Walter Scherb, Leopold Steinbichler, Mag. Michael Strugl, Franz Wolfinger 9

Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß §§ 39 und 41

Dr. Paul Tremmel 37

Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 37

Antrag auf Abhaltung einer Debatte 37

Debatte

Mag. John Gudenus 38

Dr. Paul Tremmel 38

Engelbert Weilharter 39

Ablehnung des Antrages 39

Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 1997 39

Personalien

Krankmeldungen 8

Entschuldigungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 37

Ausschüsse

Zuweisungen 37

Fragestunde

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales 10

Ernst Winter (815/M-BR/97); Monika Mühlwerth, Gottfried Jaud

Aloisia Fischer (806/M-BR/97); Irene Crepaz, Helena Ramsbacher

Monika Mühlwerth (812/M-BR/97); Peter Rieser, Hedda Kainz

Josef Pfeifer (816/M-BR/97); Dr. Paul Tremmel, Alfred Schöls


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 3

Ing. Walter Grasberger (807/M-BR/97); Josef Rauchenberger, Dr. Paul Tremmel

Helga Markowitsch (817/M-BR/97); Engelbert Weilharter, Engelbert Schaufler

Karl Pischl (808/M-BR/97); Irene Crepaz, Dr. Paul Tremmel

Engelbert Weilharter (813/M-BR/97); Franz Richau, Wolfgang Hager

Karl Drochter (818/M-BR/97); Dr. Peter Harring, Mag. Harald Himmer

Alfred Schöls (809/M-BR/97); Erhard Meier, Dr. Peter Böhm

Johann Grillenberger (819/M-BR/97); Monika Mühlwerth, Gottfried Jaud

Engelbert Schaufler (810/M-BR/97); Johanna Schicker, Gottfried Waldhäusl

Dr. Paul Tremmel (814/M-BR/97); Mag. Harald Himmer, Josef Rauchenberger

Erich Farthofer (820/M-BR/97); Engelbert Weilharter, Peter Rodek

Ilse Giesinger (811/M-BR/97); Johann Grillenberger, Dr. Peter Harring

(2) Bericht der Volksanwaltschaft 1996 (III-169-BR/97 und 5561/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 40

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 40

Erhard Meier 43

Jürgen Weiss 46

Dr. Peter Böhm 50

Johanna Schicker 51

und (tatsächliche Berichtigung) 64

Dr. Milan Linzer 53

Volksanwalt Horst Schender 55

Volksanwältin Mag. Evelyn Messner 58

Volksanwältin Ingrid Korosec 61

Engelbert Weilharter 63

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen 64

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft 43

Ablehnung 64

(3) Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienbera


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 4

tungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (2. Budgetbegleitgesetz 1997) (887 und 901/NR sowie 5559 und 5562/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 65

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. John Gudenus 65

Ing. Walter Grasberger 69

Johann Kraml 71

Engelbert Weilharter 72

Gottfried Jaud 74

Johann Payer 76

Dr. Paul Tremmel 77

Mag. Harald Himmer 79

Dr. Susanne Riess-Passer 81

und 84

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 82

Leopold Steinbichler 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und den Stimmen der Bundesräte der SPÖ, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 85

(4) Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird (605/A und 900/NR sowie 5560 und 5563/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 86

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 86

Dr. Kurt Kaufmann 89

Horst Freiberger 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 92

(5) Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997) (890 und 909/NR sowie 5564/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein 92

[Antrag, 1. den Ziffer 1 § 1 und Ziffer 16 § 43 Abs. 1 Z 10 enthaltenen Verfassungsbestimmungen gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997), keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Gottfried Waldhäusl 93

Ernst Winter 96


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 5

Peter Rodek 97

Mag. John Gudenus 99

Leopold Steinbichler 100

Dr. Peter Harring 102

Bundesministerin Eleonora Hostasch 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. den in Ziffer 1 § 1 und Ziffer 16 § 43 Abs. 1 Z 10 enthaltenen Verfassungsbestimmungen gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997), keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 106

Antrag der Bundesräte Dr. Peter Harring, Gottfried Waldhäusl und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben 93

Ablehnung 106

(6) Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (NS-Opfer-Gedenktag) (99/A(E)-BR/97 und 5565/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Milan Linzer 106

(Antrag, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen)

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach 107

Ludwig Bieringer 108

Dr. Peter Böhm 109

Karl Pischl 110

Alfred Gerstl 111

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen 112

(7) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden (507/A und 871/NR sowie 5557 und 5566/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 113

(Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Böhm 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 115

(8) Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 6

Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesnovellen) (100/A-BR/97 und 5567/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 116

(Antrag, der Bundesrat wolle beschließen, gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den nachstehenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung zu unterbreiten)

Redner:

Albrecht Konečny 116

Jürgen Weiss 118

Dr. Paul Tremmel 119

Ludwig Bieringer 121

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, der Bundesrat wolle beschließen, gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den nachstehenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung zu unterbreiten 122

(9) Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny und Kollegen betreffend die "Agenda 2000" (102/A(E)-BR/97 und 5568/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Kurt Kaufmann 122

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Helena Ramsbacher 122

Karl Drochter 126

Ing. Johann Penz 129

Mag. John Gudenus 134

Gottfried Waldhäusl 135

Albrecht Konečny (tatsächliche Berichtigung) 139

Mag. Walter Scherb 139

Dr. Paul Tremmel 139

Engelbert Weilharter 141

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 142

Entschließungsantrag der Bundesräte Helena Ramsbacher und Kollegen betreffend EU-Osterweiterung "Agenda 2000" 124

Ablehnung 142

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Bahnausbau Selzthal – Pyhrn – Linz und Selzthal – Bischofshofen" (1341/J-BR/97)


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 7

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Bundesgärten in Wien (1342/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Tod von zwei sibirischen Tigerbabys im Zoo Schönbrunn (1343/J-BR/97)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel, Dr. Susanne Riess-Passer an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Herzinfarkt – häufigste Todesursache (1344/J-BR/97)

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend fehlende Wasserrechtsbescheide für die Ennstalstraße zwischen Trautenfels und Liezen (1345/J-BR/97)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die dauerhafte Verwendung des Bundesheeres für ressortfremde Zwecke (1346/J-BR/97)


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.07 Uhr

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich eröffne die 632. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 631. Sitzung des Bundesrates vom 23. Oktober 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Herbert Platzer und Therese Lukasser.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Hager, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer.

Angelobungen

Präsident Dr. Günther Hummer: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat. Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "An die Parlamentsdirektion Wien

Betrifft: Wahl von 11 Vertretern des Landes Oberösterreich in den Bundesrat sowie die Wahl von 11 Ersatzmitgliedern.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Oberösterreichische Landtag hat am 3. November 1997 gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Artikel 29 des Oberösterreichischen Landes-Verfassungsgesetzes 1991 folgende elf Vertreter des Landes Oberösterreich und deren Ersatzmitglieder in den Bundesrat gewählt:

An 1. Stelle:

Mitglied: Dr. Günther Hummer, geboren am 17.11.1939, Hohenzellerstraße NB, 4910 Ried/I

Ersatzmitglied: Mag. Professor Gerhard Tusek, geboren am 8.6.1949, Brucknerstraße 7, 4150 Rohrbach

An 2. Stelle:

Mitglied: Hedda Kainz, geboren am 17.6.1942, Schumpeterstraße 2a, 4020 Linz

Ersatzmitglied: Dr. Kordula Schmidt, geboren am 16.8.1958, Neufelderstraße 45, 4030 Linz

An 3. Stelle:

Mitglied: Peter Rodek, geboren am 10.12.1944, 4963 St. Peter/ H.4

Ersatzmitglied: Anna Eisenrauch, geboren am 24.1.1947, Am Rosenhag 17, 4600 Wels

An 4. Stelle:

Mitglied: Mag. Walter Scherb, geboren am 9.4.1965, Lachstatt 28, 4221 Steyregg

Ersatzmitglied: Lutz Weinzinger, geboren am 20.1.1943, Pramhöhe 589, 4780 Schärding

An 5. Stelle:

Mitglied: Leopold Steinbichler, geboren am 26.2.1959, Illingbuch 1, 4861 Aurach/Hongar


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 9

Ersatzmitglied: Josef Brandmayr, geboren am 27.12. 1950, Kreuth 4, 4901 Ottnang

An 6. Stelle:

Mitglied: Ferdinand Gstöttner, geboren am 24.3.1942, Linzer Straße 96, 4780 Schärding

Ersatzmitglied: Ludwig Hofmann, geboren am 22.11.1937, Friedhofstraße 18, 5280 Braunau

An 7. Stelle:

Mitglied: Uta Barbara Pühringer, geboren am 27.4.1943, Melicharstraße 2, 4020 Linz

Ersatzmitglied: Elisabeth Freundlinger, geboren am 15.11.1953, Lobenstein 61, 4181 Oberneukirchen

An 8. Stelle:

Mitglied: Ulrike Haunschmid, geboren am 15.7.1945, Dürndorf 58, 4643 Pettenbach

Ersatzmitglied: Ing. Franz Kroismayr, geboren am 20.10.1946, Eck 4, 4845 Rutzenmoos

An 9. Stelle:

Mitglied: Johann Kraml, geboren am 25.11.1951, Gartenstraße 6/7, 4150 Rohrbach

Ersatzmitglied: Brigitte Wohlmuth, geboren am 18.7.1945, Parkstraße 213, 4310 Mauthausen

An 10. Stelle:

Mitglied: Mag. Michael Strugl, geboren am 28.8.1963, Hazodstraße 12, 4040 Linz

Ersatzmitglied: Mag. Ing. Otto Gumpinger, geboren am 24.4.1956, Elmbergweg 20, 4040 Linz

An 11. Stelle:

Mitglied: Franz Wolfinger, geboren am 19.12.1946, Bachweg 5, 4531 Kematen/Krems

Ersatzmitglied: Karl Lauss, geboren am 23.6.1940, Hörhag 7, 4121 Altenfelden

Mit freundlichen Grüßen

Angela Orthner"

Präsident Dr. Günther Hummer: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Bundesrätinnen und Bundesräte sind im Hause anwesend.

Da ich selbst angelobt werde, ersuche ich Frau Vizepräsidentin Haselbach für die Angelobung den Vorsitz zu übernehmen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderer Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Ferdinand Gstöttner.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Ulrike Haunschmid.


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 10

Bundesrätin Ulrike Haunschmid
(Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Dr. Günther Hummer.

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Johann Kraml.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Uta Barbara Pühringer.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Peter Rodek.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Mag. Walter Scherb.

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Leopold Steinbichler.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Mag. Michael Strugl.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Franz Wolfinger.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP): Ich gelobe.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für Ihr Gelöbnis. Ich gratuliere allen sehr herzlich und freue mich, daß Sie Mitglieder des Bundesrates sind, und darf den Herrn Präsidenten bitten, den Vorsitz wieder zu übernehmen. (Allgemeiner Beifall. – Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Fragestunde

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich darauf aufmerksam, daß nach Beantwortung der Anfrage der Fragesteller berechtigt ist, eine Zusatzfrage zu stellen. Danach können auch andere Bundesräte Zusatzfragen stellen, wobei in der Regel jede Bundesratsfraktion mit Ausnahme der Fraktion des Fragestellers berücksichtigt wird.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten nicht das Auslangen gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.15 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 11

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ernst Winter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

815/M-BR/97

Wie ist der derzeitige Stand bei der gesetzlichen Regelung der Gesundheitsberufe?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte.


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 12

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf zu dieser Frage darauf verweisen, daß in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen beschlossen werden konnte. Es wurde zum Beispiel das MTD-Gesetz im Jahr 1992 beschlossen, das Hebammengesetz im Jahr 1994, und ich bin sehr stolz darauf, daß mit 1. September 1997 ein neues Gesundheits- und Krankenpflegeberufegesetz in Kraft getreten ist, das das Hohe Haus heuer beschlossen hat.

Die wichtigsten Durchführungsverordnungen zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz werden voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 1998 erlassen werden, und damit wird die Vervollständigung der Rechtslage hergestellt.

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben das Krankenpflegegesetz, das wir vor nicht allzu langer Zeit hier beschlossen haben, angeführt. Ich sage auch aus Sicht der Opposition, daß das ein gutes Gesetz ist, aber es fehlt meiner Meinung nach noch eine genaue Definition des Berufsbildes der Sanitätsgehilfen und im medizinisch-technischen Bereich.

Ich frage Sie daher: Wann wird es für diese Berufsgruppen ein genau definiertes Berufsbild geben, damit Sanitätsgehilfen nicht – wie es jetzt üblich ist – in einem rechtsunsicheren Raum arbeiten müssen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es finden seit längerer Zeit Gespräche mit den einzelnen Interessenvertretungen und damit der betroffenen Berufsgruppe darüber statt, in welcher Form auch für diese Gruppe eine neue Lösung gefunden werden kann. Ich kann noch nicht konkret abschätzen, wann diese Gespräche beendet werden sein werden, aber ich bin sehr daran interessiert, Ihnen und auch anderen Abgeordneten in absehbarer Zeit von einem erfolgreichen Abschluß dieser Gespräche berichten zu können.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön. Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Gottfried Jaud, bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben gesagt, Sie werden diese Ausbildungsreform der Sanitätshilfsdienste in absehbarer Zeit dem Hohen Haus vorlegen beziehungsweise entsprechende Informationen geben. Können Sie einen Zeitraum nennen, innerhalb dessen diese Informationen beziehungsweise die Vorlagen gemacht werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bin es gewohnt, wenn ich einen konkreten Zeitpunkt nenne, daß ich diesen auch sicher einhalten werde.

Da aber die Gespräche noch nicht so weit gediehen sind, daß ich genau abschätzen kann, wann die Verhandlungen abgeschlossen sein werden, bitte ich, mir zu glauben, daß ich mich bemühen werde, Ihnen und auch anderen möglichst bald den genauen Zeitpunkt bekanntgeben zu können.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Aloisia Fischer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Heutigen Pressemeldungen ist zu entnehmen, daß man sich mit dem Nachtarbeitsverbot für Frauen beschäftigt. Meine Frage lautet:

806/M-BR/97

Wann werden Sie das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufheben?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es liegt dem Parlament ein Initiativantrag der SPÖ betreffend den Entwurf eines geschlechtsneutralen Nachtarbeitsgesetzes vor, der gleiche Bedingungen für Nachtarbeit leistende Arbeitnehmerinnen und auch Arbeitnehmer festlegt. Gleichzeitig mit der Beschlußfassung dieses Entwurfes würde das Frauennachtarbeitsgesetz aufgehoben werden. Andererseits liegt aber auch ein Initiativantrag der ÖVP zu der gleichen Materie vor.

Es hat im Vorfeld Gespräche mit den Sozialpartnern gegeben, die aber bis jetzt nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Ich habe mich aber in der Zwischenzeit sehr bemüht, dieses Thema in Gesprächen voranzutreiben, und ich werde nicht zuletzt aufgrund des seitens des ÖGB gestern bekanntgegebenen Interesses, zu einer Gesamtlösung zu kommen, sowohl mit den Sozialpartnern als auch mit den im Parlament vertretenen Parteien erneut in den nächsten Tagen Kontakt aufnehmen und mich bemühen, eine Regelung zustande zu bringen, wobei aus meiner Sicht diese Regelung in erster Linie eine Zuweisung an die Kollektivvertragskompetenz beinhalten sollte, weil damit die größtmögliche Chance gegeben ist, den Interessen der einzelnen Branchen und den dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen Rechnung zu tragen, aber auch das Interesse der Arbeitgeberseite zu berücksichtigen. Also ich verspreche Ihnen hiemit, neue Gespräche einzuleiten.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Irene Crepaz. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin! Was das Nachtarbeitsverbot bis 2001 betrifft, meine ich, daß es EU-bedingt die Nachtarbeit für Frauen geben muß. Wir Frauen traten gegen die Nachtarbeit für Frauen aus gesundheitlichen Gründen ein. Ich bin allerdings der Meinung, daß Gesundheitsschutz sowohl für Frauen als auch für Männer wichtig wäre, weil der Mensch eigentlich nicht dazu geboren ist, in der Nacht zu arbeiten.

Ich möchte nun folgende Frage stellen: Was wird in die Richtung ausgearbeitet, daß der Gesundheitsschutz auf dem Arbeitsplatz mehr um sich greift? – Weiters würde mich noch in diesem Zusammenhang interessieren: Welche Auswirkung hat die Tatsache, daß Frauen auch in der Nacht arbeiten dürfen, auf die Pensionsberechnung? Sind bei gewissen Berufen die Bestim


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mungen des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes anzuwenden, und hat dies Verbesserungen bei der Pensionsberechnung zur Folge?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Zu Ihrer zweiten Frage: Die Rechtslage ist so, daß für alle, die in den Geltungsbereich des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes fallen, egal, ob Mann oder Frau, die gleichen rechtlichen Bestimmungen und somit auch Anspruchsvoraussetzungen gelten. Sonderbestimmungen für Frauen gibt es in diesem Zusammenhang nicht, wären nicht erforderlich und auch nicht dem Gleichheitsgrundsatz entsprechend.

Was meine konkreten Vorstellungen hinsichtlich einer künftigen gesetzlichen Regelung betrifft, muß ich sagen, daß ich es in Erfüllung der Richtlinie der Europäischen Union für unbedingt erforderlich halte, daß bei Nachtarbeit Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen werden. Diese können medizinische Betreuung, aber auch entsprechende Versorgung beim Transport zur Arbeit und von der Arbeit beinhalten. Es könnte auch ein Zeitausgleich oder eine Zeitgutschrift für in Nachtstunden geleistete Arbeit gewährt werden. Auch andere Arbeitserschwernisse könnten durch Sonderregelungen kompensiert werden, wie dies bereits jetzt in sehr vielen Kollektivverträgen geregelt ist.

Ein großes Anliegen ist es mir, eine Überbrückung zu finden, bis eine komplett neue Rechtslage, also ein geschlechtsneutrales Nachtarbeitsgesetz, geschaffen werden kann. Ich könnte mir vorstellen, daß inzwischen Erfahrungen gesammelt werden könnten hinsichtlich kompensatori-scher Maßnahmen, die in den Kollektivverträgen als verpflichtend für den Fall verankert werden müssen, daß es gelingt, über die Kollektivverträge den Zugang zur Nachtarbeit für beide Geschlechter zu öffnen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich darf nur an die Bestimmung des § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung erinnern, wonach die Anfrage nur eine konkrete Frage enthalten und nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein darf. Ich bitte, dies zu beachten.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher, ihre Zusatzfrage zu stellen.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In welchem Zeitraum halten Sie die Verwirklichung der medialen Ankündigungen zur tatsächlichen gleichgeschlechtlichen Behandlung auf dem Arbeitsmarkt für möglich?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es sind bereits konkrete Initiativen im Parlament, und es wären mein ganz großer Wunsch und mein Anliegen, daß wir noch heuer zu einer Regelung kommen können. Ich kann aber heute noch nicht konkret abschätzen, ob es gelingen wird, mit allen Vertragspartnern zu einer Lösung zu kommen. Ich möchte aber mit dieser Aussage zum Ausdruck bringen, daß mir dieses Anliegen als sehr dringlich erscheint, und ich alles tun werde, um möglichst bald eine konkrete Rechtslage zu schaffen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:


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812/M-BR/97

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um in Ihrem Zuständigkeitsbereich der wachsenden Armut entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Vielleicht etwas Grundsätzliches zuerst gesagt: Armut ist ein relativer Begriff, der mit der gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung und auch dem sozialen Anspruchsniveau korreliert. Etwas, was wir im Jahre 1970 als allgemeinen Wohlstand für den Großteil der Bevölkerung betrachtet haben, kann aus heutiger Sicht dazu führen, daß bestimmte Gruppen in unserer Gesellschaft bereits als ausgegrenzt betrachtet beziehungsweise unter soziale Armut oder Einkommensschwache eingereiht werden. Ich wollte damit nur aufzeigen, daß wir unsere Ansprüche im Hinblick darauf, welche Gruppen wir als armutsgefährdet bezeichnen, doch sehr relativieren müssen, worüber ich sogar froh bin.

Wir sind leider mit der Gefahr einer wachsenden Armutsgefährdung konfrontiert. Dies betrifft insbesondere folgende Gruppen: Langzeitarbeitslose, langzeitarbeitslose Alleinverdiener und Familien mit mehreren Kindern, in denen es Arbeitslosigkeit gibt. Auch Gastarbeiterfamilien gehören zu dieser gefährdeten Gruppe. Es sind aus meiner Sicht in einem großen Ausmaß beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen, um zu erreichen, daß eben Arbeitslosigkeit mit allem, was uns nur möglich ist, bekämpft wird, daß die Qualifikationen und damit die individuellen Erwerbschancen verbessert werden.

Ich möchte auch darauf verweisen, daß unser Sozialversicherungssystem eine Reihe von Mindestsicherungsmaßnahmen in Richtung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung vorsieht, sowohl in der Pensionsversicherung – ich denke etwa an die Ausgleichszulage – als auch in anderen Formen. In Form des Pflegegeldes haben wir eine zusätzliche Leistung durchsetzen können, die die materielle Situation von pflegebedürftigen Personen doch deutlich verbessert.

Ich glaube aber, daß schon darauf zu verweisen ist, daß wir in Form von zwei Netzen die Armutsgefährdung zu bekämpfen haben: einerseits mit dem Netz der Sozialversicherung, also dem bundesgesetzlichen Bereich, andererseits durch die Sozialhilfe der Bundesländer, die individuell hilft, weil durch bundesgesetzliche Regelungen sicherlich nicht jeder einzelne Fall befriedigend gelöst werden kann. Es ist somit, wie ich meine, in beiden Bereichen eine Weiterentwicklung dort notwendig, wo Bedarf gesehen wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Gerade in bezug auf die Arbeitslosigkeit stehen wir heute vor der Situation, daß gerade große Unternehmen immer höhere Gewinne machen, aber gleichzeitig Arbeitsplätze abbauen. Frau Ministerin! Was könnten Sie Ihrer Meinung nach tun, um dem entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir haben versucht, insbesondere für die Gruppe der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sonderregelungen zu schaffen, wie zum Beispiel das Bonus-Malus-System. Gerade im Rahmen der im Nationalrat verabschiedeten Pensionsreform sind eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen, aber auch sozialversicherungsmäßigen Maßnahmen vorgesehen, um diese Gruppe besonders zu schützen und auch abzusichern.

Was das Verhalten von Teilen der Wirtschaft betrifft, teile ich Ihre Kritik. Man muß allerdings auch eine Differenzierung vornehmen, weil der Abbau von Beschäftigten in der Industrie zum Teil auch dadurch bedingt ist, daß einzelne Betriebsbereiche von Industrieunternehmen und somit auch die Beschäftigten ausgelagert – dies wird als Outsourcing bezeichnet – und dann einer


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anderen Branche, wie beispielsweise dem Handel, zugezählt werden. Es werden zum Beispiel die Fahrzeugdienste von Industrieunternehmen ausgelagert, und durch diese Maßnahmen reduziert sich auch die Anzahl der Beschäftigten in der Industrie. Aber ich teile Ihre Kritik. Wo ich dieses Verhalten anprangern kann, mache ich es auch.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Peter Rieser um die nächste Zusatzfrage.

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Wie hat sich die Armut in den letzten zehn Jahren entwickelt?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Wenn man diese Frage beantworten will, dann muß man zunächst hinsichtlich der Definition der Begriffe "Armut" und "armutsgefährdet" Klarheit schaffen. Wenn man diese Begriffe eng faßt, dann kann man sagen, daß relativ wenig Menschen von Armut betroffen sind. Bei weiter Auslegung des Armutsbegriffes im Sinne von armutsgefährdet kann man sicher von Größenordnungen von einigen Hunderttausend reden, wobei ich dies relativieren und auf das, was ich vorhin gesagt habe, verweisen möchte.

Es liegen auch verschiedene Studien von Forschungsinstituten vor. Bei der letzten Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts wurde gebeten, die Treffsicherheit und soziale Ausgewogenheit unserer Sozialleistungen zu hinterfragen. Diese Studie hat uns gezeigt, daß wir mit unseren Sozialleistungen eine sehr hohe Treffsicherheit haben. Es landen ungefähr 40 Prozent der Sozialleistungen in den untersten Einkommensbereichen und stellen somit jene soziale Gerechtigkeit her, die wir erreichen wollen. Weitere 40 Prozent erreichen die nächste Gruppe der Bezieher von niedrigen Einkommen.

Daher glaube ich, daß wir durch unser Sozialsystem doch jene Treffsicherheit bei den Sozialleistungen erzielen können, die wir wollen, und somit Familien oder Haushalte mit geringem Einkommen besonders gestützt werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Frau Bundesrätin Hedda Kainz! Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Eine Gruppe, die zweifellos armutsgefährdet ist, ist die Gruppe der Alleinerzieherinnen. Die erste Phase, in der diese Armutsgefährdung eingeleitet wird, ist sicherlich bereits die Zeit des Karenzurlaubes. Sehen Sie Chancen, im Bereich des Karenzurlaubsgeldes Verbesserungen durchzusetzen, vor allem vor dem Hintergrund, daß es doch gelungen ist, bei einer Gruppe Verbesserungen zu erreichen, nämlich bei der Betriebshilfe der Bäuerinnen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Bei der Betriebshilfe der Bäuerinnen und der Selbständigen war es so, daß diese seit der Einführung im Jahr 1982 oder 1986 nicht erhöht wurde und es angemessen erschien, um eine Anpassung an die Entwicklung des Karenzurlaubsgeldes zu erreichen, diese Erhöhung durchzusetzen.

Darüber hinaus ist mein zentraler Ansatz, Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern insofern zur Seite zu stehen, als über das Arbeitsmarktservice, über die Arbeitsmarktpolitik die Chancen der Reintegration in den Arbeitsprozeß verbessert werden. Ich bin nämlich der Ansicht, daß nicht absolute Hilfe gegeben ist, wenn versucht wird, die sonstigen Ersatzleistungen in einem gewissen Ausmaß zu erhöhen.


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Ich glaube auch, daß es in diesem Zusammenhang ganz wichtig ist, daß die familienergänzenden Einrichtungen, die Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich flächendeckend weiter ausgebaut werden. Es konnte in diesem Zusammenhang einiges erreicht werden. Wir haben nach wie vor einen hohen Bedarf in verschiedenen Regionen, und ich hoffe, daß auch die Vertreter des Bundesrates in den Ländern auf die Landespolitik Einfluß nehmen, damit dieser Bedarf abgedeckt werden kann.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen nunmehr zur 4. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Josef Pfeifer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

816/M-BR/97

Was ist im Bereich Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge geplant?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich konnte schon darauf verweisen, daß wir in verschiedenen Bereichen Initiativen entwickelt haben. Zur nachhaltigen Entwicklung und Erweiterung der Gesundheitsförderung und der Krankheitsprävention in Österreich soll noch heuer ein Bundesgesetz über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, Aufklärung und Information verabschiedet werden. Ziel dieser Initiative ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung in einem ganzheitlichen Sinn. Das ist für mich ein zentraler Ansatz, daß wir versuchen, körperliche, seelische, geistige und auch soziale Komponenten ganzheitlich zu betrachten. Auch die Verhütung von vermeidbaren Krankheiten und die Verringerung der Zahl der jährlichen Krankenstandstage hat diese Initiative Gesundheitsförderung zum Ziel.

Neben dem Strukturaufbau für Gesundheitsförderung und Prävention unter Einbindung der bestehenden Einrichtungen und der Entwicklung der integrierten Programme sowohl auf individueller Ebene als auch im Zusammenhang mit dem Lebenskontext der Menschen wird diese Initiative Gesundheitsförderung auch flankierende wissenschaftliche Programme zur Qualitätssicherung und Fortbildung in diesem Bereich umfassen. Es wird diese Initiative Gesundheitsförderung im Fonds "Gesundes Österreich" angesiedelt, einem Fonds, dessen Vertreter schon Erfahrungen mit gesundheitsfördernden Initiativen haben. Es steht für diese Initiative ein Budget in der Höhe von 100 Millionen Schilling zur Verfügung, das aus dem Umsatzsteueraufkommen der Tabakabgaben resultiert.


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehen Sie es im Sinne der Gesundheitsförderung, der Gesundheitsvorsorge, der von Ihnen bezeichneten Prävention als sinnvoll an, daß private Krankenanstalten, Sanatorien et cetera insbesondere unter der Pression der Nichtunterzeichnung oder des Auslaufens eines Vertrages mit der jeweiligen Gebietskrankenkasse dazu angehalten werden, bis zum Jahr 2000 ihre Bettenkapazität erheblich zu reduzieren, nämlich teilweise um 20 Prozent?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir sind dabei, einen Gesamtgesundheitsplan, eine gesamte Gesundheitsreform, die im vergangenen Jahr im Hohen Haus verabschiedet wurde, in die Praxis umzusetzen. In diesem Spitalsplan und auch im gesamten Gesundheitsplan ist vorgesehen, daß es zu Veränderungen bei den Bettenkapazitäten kommt, nämlich zur Reduzierung der Zahl von Akutbetten, und andererseits bedarfsorientiert Umschichtungen in Richtung der jeweils notwendigen ergänzenden Einrichtungen erfolgen.

Wenn daher diese Maßnahmen in einzelnen Bereichen in Angriff genommen wurden, entspricht das den politischen Absichten, die auch in diesem Hohen Haus formuliert worden sind, wobei die privaten Träger nur in einem gewissen Bereich eingebunden und in vielen Bereichen in ihren Entscheidungen autonom sind.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Herr Bundesrat Alfred Schöls, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben uns über weitere Reformen berichtet, wobei es nach meinem Dafürhalten auch wünschenswert wäre, daß sich auch der Hauptverband mit weiteren 100 Millionen Schilling hieran beteiligen würde.

Das ist jedoch nicht meine Frage, sondern meine Frage lautet: Planen Sie auch eine verstärkte Einbindung der Länder und der in den meisten Ländern bereits vorhandenen Vorsorgestrukturen in den geplanten reformierten Fonds "Gesundes Österreich"?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sofort nach Verabschiedung des von mir angesprochenen Gesetzes werde ich dafür Sorge tragen, daß die entsprechenden Strukturen im Rahmen des Fonds "Gesundes Österreich" und die Statuten neu gestaltet werden. Es ist aus meiner Sicht unverzichtbar, daß Länder und Gemeinden in die Umsetzung dieses Gesamtprogrammes miteinbezogen werden, und ich kann daher Ihre Frage mit einem klaren Ja beantworten.

Ich möchte aber auf Ihre erste Frage, die nicht gestellt wurde, aber doch angeklungen ist, insofern antworten, als auch die soziale Krankenversicherung durch den gesetzlichen Auftrag verpflichtet ist, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu setzen. Ich glaube aber, daß es zweckmäßig ist, daß das im Rahmen des klar definierten gesetzlichen Auftrages erfolgt und nicht im Rahmen eines Fonds, der eigentlich eine ganz spezifische Sonderaufgabe hat und sehr flexibel agieren kann.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Frau Bundesministerin! Meine Anfrage leitet über in den Bereich der Pensionsreform. Bekannt ist, daß die staatlichen Zuwendungen zu den einzelnen Pensionsversicherungssystemen ohne deren Reform dramatisch ansteigen würden, daher ist es unter anderem einfach erforderlich, zu Einsparungen zu kommen. Konkret die Frage:

807/M-BR/97

Wie hoch werden die Einsparungen durch die Pensionsreform sein?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die von Ihnen angesprochene Pensionsreform sieht sehr wesentliche Strukturveränderungen vor, die kurz-, mittel- und langfristig Auswirkungen auf die Budgets haben werden und dementsprechend mit Einsparungen und Entlastungen verbunden sind.

Ich darf Ihnen im Detail vielleicht berichten, welche Entlastungen des Bundesbeitrages für 1998 zu erwarten sind und durch welche Maßnahmen sie erzielt werden sollen. Durch die allgemeine Sozialversicherungspflicht rechnen wir mit 1,2 Milliarden Schilling, durch die Erfassung geringfügig Beschäftigter mit 0,8 Milliarden, durch den höheren Eigenfinanzierungsgrad bei den Selbständigen mit 0,5 Milliarden, durch die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage mit 0,4 Milliarden, durch die Anhebung des faktischen Pensionsalters mit 0,6 Milliarden. In Summe ergibt dies einen Betrag von 3,5 Milliarden Schilling.

Es muß natürlich dazugesagt werden, das ist, wenn man das Pensionsrecht und auch den Vertrauensschutz als eine Grundlage für alle Entscheidungen nimmt, keine Einsparung im Sinne von Reduzierung von Leistungen, sondern durch die Erfassung zusätzlicher Beitragspflichtiger ergibt sich auf der Einnahmenseite ein entsprechender Effekt.

Die Auswirkungen für den Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung haben wir in unserem Ressort zu errechnen versucht, wobei man sich schon darüber im klaren sein muß, daß eine sehr langfristige Hochrechnung mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist, weil nicht in allen Facetten vorhersehbar ist, wie sich Gesellschaft und Wirtschaft bis zum Jahr 2020 entwickeln wird. Wir haben aber unter Annahme einer Entwicklung nach den bisherigen Erfahrungen durchgerechnet, daß bei voller Wirksamkeit aller Maßnahmen im Jahr 2020 – für diesen Zeitpunkt ist das Pensionsreformkonzept praktisch konzipiert – eine nominelle Ausgabenminderung von rund 20 Milliarden Schilling zu erwarten ist.

Ich möchte aber betonen, daß wir den Schwerpunkt bewußt auf Strukturveränderungen gesetzt haben und daß durch diese Strukturveränderungen die langfristige Absicherung und auch die Harmonisierung der Pensionssysteme in entscheidendem Ausmaße beeinflußt wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Ich danke Ihnen für die Aufgliederung der voraussichtlichen Einsparungen, die durch das Reformpaket schon im kommenden Jahr zum Tragen kommen werden.

Zurzeit ist die Frage der Veränderung des Pensionssystems im Bereich der Eisenbahner in Verhandlung. Wie hoch würden Sie hier die Einsparungsgröße einschätzen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte sehr, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bedauere, Ihnen auf diese Frage keine Antwort geben zu können. Weder ist mein Ressort hiefür zuständig – daher habe ich dazu auch keine geeigneten Berechnungsgrundlagen – noch bin ich Mitglied des Verhandlungskomitees. Ich bin daher nicht in der Lage, Ihnen diese Frage zu beantworten.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Josef Rauchenberger, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben hier die langfristigen Finanzierungsformen und Maßnahmen der Pensionsreform ausgeführt, daher darf


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ich Sie fragen: Welche Auswirkungen wird das, da die Finanzierung erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wirksam wird, auf die Jugend haben?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es war eines meiner zentralen Ziele bei den Bemühungen, bei diesem Pensionskonzept zu einer gesamtpolitischen Lösung zu kommen, das Vertrauen der Jugend in unser Sozialversicherungssystem zu stärken, und ich bin davon überzeugt, daß uns dies auch gelungen ist.

Ich habe mich sehr stark dafür eingesetzt, daß unser gesetzliches Umlageverfahren auch für die Zukunft die Basis der Versorgung im Alter und auch bei Risken der Invalidität und der Berufsunfähigkeit ist und daß diese Säule – die erste Säule – der gesetzlichen Sozialversicherung auch in Zukunft die stärkste Säule bleibt und noch gestützt wird.

Ich habe keine Berührungsängste zu einem Pensionskassensystem als gewisse Ergänzung und auch keine Berührungsängste zu privater Vorsorge. Entscheidend für mich ist aber, welche Verteilungswirkung eine Förderung der zweiten und dritten Säule hätte, und genau deshalb ist für mich auch entscheidend, daß die erste Säule immer die Hauptsäule sein soll, die auch entsprechend zu fördern ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben zahlenmäßig relativ genau jene kurzfristigen Maßnahmen aufgelistet, die 1998 budgetwirksam werden, und haben diese Summe mit rund 3,5 Milliarden beziffert. Unter anderem haben Sie gesagt, die Anhebung des Pensionsalters würde 0,6 Milliarden ausmachen.

Meine Frage an Sie lautet: Wenn das schon 1998 wirksam wird, gibt es die Einschleifregelungen noch oder gibt es sie nicht mehr, die im 1. Budgetbegleitgesetz diskutiert wurden? – Das kann an und für sich nicht der Fall sein, da die Einschleifregelungen vorsehen, daß das erhöhte Pensionsalter erst nach dem Jahr 2000 Platz greift.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es treten bereits mit dem Jahr 1998 einige Maßnahmen in Kraft, die diesen budgetären Effekt mit sich bringen sollen. Es sind dies sowohl Fragen des arbeitsmarktpolitischen Bereiches, aber zum Beispiel auch die Frage der Gleitpension, also die Chance, daß die Gleitpension mit einem stärkeren Rechtsanspruch durch die Arbeitnehmerseite ausgestaltet wird, und auch verschiedene andere Maßnahmen.

Es ist aber auch jene Veränderung angesprochen, die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit betrifft, für die die Anspruchsvoraussetzungen etwas verschärft wurden, und dementsprechend ergibt sich diese Kalkulation.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Helga Markowitsch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Frau Ministerin! Meine Frage an Sie lautet:


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817/M-BR/97

Wie wird sich die für 1998 geplante Einmalzahlung auf die Einkommenssituation der Ausgleichszulagenbezieher auswirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die gewährte Einmalzahlung zusätzlich zur normalen Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze um 1,33 Prozent erfolgt. Diese zusätzliche Ausgleichszulage wird für alleinstehende Ausgleichszulagenbezieher 1 300 S und für Ehepaare 1 950 S betragen und in zwei Teilen ausbezahlt werden. Wie schon im Jahr 1997 wird eine Einschleifregelung dafür Sorge tragen, daß auch Pensionisten, deren Einkommen etwas über dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt, bis zu einem Gesamteinkommen von rund 12 900 S in abgestufter Form von der Einmalzahlung profitieren.

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter um die Zusatzfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Können Sie garantieren, daß mit dieser Einmalzahlung an Ausgleichszulagenbezieher die allgemeinen Lebenskosten abgegolten werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wenn man sich die Entwicklung der Inflationsrate der letzten Jahre – auch die der heurigen und auch der prognostizierten vom nächsten Jahr – ansieht, dann glaube ich, daß hier ein entsprechendes Äquivalent geschaffen werden konnte.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Herr Bundesrat Engelbert Schaufler, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Ich kann mit meiner Frage unmittelbar anschließen: Wie haben sich die Ausgleichszulagen in den letzten zehn Jahren im Vergleich zur Inflationsrate entwickelt?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Berücksichtigt man die Einmalzahlungen der Jahre 1997 und 1998, so kann festgestellt werden, daß das Einkommen eines alleinstehenden Ausgleichszulagenbeziehers seit dem Jahr 1988 – Sie haben den Zehnjahresabstand angesprochen – um insgesamt 61,6 Prozent gestiegen ist. Stellt man diese Entwicklung in Relation zu den Preissteigerungen laut Pensionistenindex, so bedeutet das für diesen Personenkreis eine Kaufkraftsteigerung um 27,2 Prozent. Wenn man noch etwas weiter zurückgeht und das Jahr 1970 als Vergleichsbasis heranzieht, so beträgt die Kaufkraftsteigerung in diesen 28 Jahren insgesamt 95 Prozent. Aber im angesprochenen Zeitraum waren es 27,2 Prozent.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Pischl, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine eingereichte Frage lautet:


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808/M-BR/97

Fürchten Sie einen Frühpensionierungsboom durch die Pensionsreform?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich fürchte diesen Boom nicht, und ich möchte auch begründen, warum. Die Befürchtung würde dann zutreffen, wenn es uns nicht gelungen wäre, die Verunsicherung bei den Versicherten wieder zu beruhigen und durch die Rechtsgrundlagen jetzt Klarheit zu schaffen, und wenn es nicht gelungen wäre, mit allen Reformmaßnahmen den Vertrauensschutz sehr effizient wahrzunehmen. Faktum ist, daß kurzfristig keine Maßnahmen in Kraft treten, die es mit sich bringen müßten, daß ein Boom in Richtung Inanspruchnahme von Frühpensionen entsteht.

Ich möchte aber vielleicht schon auf ein Faktum verweisen, nämlich daß 1999 und 2000 bei den Männern die starken Geburtsjahrgänge 1939 und 1940 das Pensionsalter erreichen – also ganz normal aus der Demographie heraus –, und daraus resultiert zwangsläufig eine höhere Zahl von Neuzugängen bei den vorzeitigen Alterspensionen. Es wird sich das aber wahrscheinlich insofern relativieren, als bereits ein Teil dieser Männer durch eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in Pension ist und somit nicht der volle Ansturm dieser Jahrgänge auf die Pensionsversicherungsträger erfolgen wird.

Trotzdem glaube ich, daß schon vorweg zu berücksichtigen ist, daß wir mit einem größeren Anstieg zu rechnen haben, allerdings, wie gesagt, aufgrund der demographischen Entwicklung.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Bundesministerin! Sie haben ausgeführt, Sie fürchten keinen Boom an Frühpensionisten. Meine Zusatzfrage lautet jetzt: Was werden Sie von seiten Ihres Ministeriums an Aufklärung und sonstigen Aktionen unternehmen, und zwar notwendigerweise, um diese Flucht in die Frühpension zu verhindern, da ich durch die verschiedenen Gespräche draußen einfach spüre, daß sehr viel Unsicherheit herrscht?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich werde gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern, insbesondere mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, versuchen, eine sehr persönliche, eine versicherungsorientierte, eine sehr versichertennahe Information in den einzelnen Versichertengruppen zu formulieren. Ich muß natürlich auf das endgültige Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen Rücksicht nehmen, aber mein Ressort ist dabei, entsprechende Informationen vorzubereiten, damit die Betroffenen zu Recht nicht verunsichert sein müssen.

Ich möchte noch erwähnen, daß natürlich auch die Interessenvertretungen – sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerseitig – und die einzelnen Sozialversicherungsträger selbst durch den direkten Kontakt mit ihren Versicherten gleichermaßen die Informationen vertiefen und verstärken und dazu beitragen werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Irene Crepaz, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin! Zu den Frühpensionierungen folgendes: Ich persönlich habe immer noch meine Schwierigkeiten bei den Abschlagszahlungen bei den Frühpensionisten bei langer Versicherungsdauer. Ich persönlich finde das nicht sehr gerecht, weil wir wissen, daß speziell die Frauen und die älteren Arbeitnehmer oft gar nicht anders


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können, weil sie von den Betrieben in Frühpension geschickt werden. Es liegt nicht immer in ihrem Ermessen, daß sie länger arbeiten können oder dürfen.

Gibt es Maßnahmen in Zukunft, ist daran gedacht, auch die Wirtschaft dazu zu bringen, ältere Arbeitnehmer länger zu behalten?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich möchte auf die Beantwortung von vorhin verweisen, da diese Frage schon angesprochen wurde. Ich darf vielleicht ergänzend dazu darauf Bezug nehmen, daß es durch die Verhandlungen, insbesondere mit den Interessenvertretungen der Arbeitnehmerseite, also dem ÖGB und der Arbeiterkammer, gelungen ist, politischen Konsens zu erzielen, bei den neuen Steigerungsbeträgen für Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen eine eigene Steigerungstabelle zu erstellen, wodurch die Auswirkungen wesentlich gemindert werden können.

Zum zweiten wurde auch eine Deckelung der Maximalauswirkung bei den neuen Steigerungsbeträgen vorgenommen.

Zum dritten wurden die Steigerungsbeträge nun auf 2 Prozent angehoben, was eine deutliche Verbesserung zur jetzigen Situation darstellt. Die jetzigen Steigerungsbeträge machen, grob gesprochen, 1,6 beziehungsweise 1,8 Prozent aus, und mit dieser Änderung wird doch wieder eine gerechtere lineare Entwicklung zustande gebracht.

Als ganz entscheidenden Punkt sehe ich es auch an, daß es gelungen ist – ich betrachte das als einen ganz großen Fortschritt –, daß wir es durchsetzen konnten, daß ab dem Jahr 2000 jemand dann, wenn er zum Beispiel arbeitslos ist oder er das vorzeitige Pensionsalter erreicht hat und noch nicht in Pension gehen kann oder will, das Recht hat, beim Arbeitsmarktservice eine Einbindung in ein Projekt, in eine Beschäftigung zu verlangen und sich somit auf zumindest zwölf Monate eine weitere Versichertensituation ergibt. Damit wird nicht nur erreicht, daß es nicht zu den 2 Prozent Abschlag von den Steigerungsbeträgen kommt, sondern es werden durch das Versichertenverhältnis sogar 2 Prozent Steigerungsbeträge erworben.

Mein Ziel ist es – ich glaube, daß dies ein richtiges Ziel ist –, mit derartigen Maßnahmen Druck auf die Wirtschaft zu machen, daß Arbeitnehmer länger in Beschäftigung bleiben können. Zudem hoffe ich, daß wir auch in anderen Bereichen verschiedene Maßnahmen setzen können.

Es ist, glaube ich, auch im Sinne der Menschen, die Chance zu haben, nicht vorzeitig in die Pension geschickt zu werden, sondern länger in Beschäftigung bleiben zu können, nicht zuletzt auch, wenn man sich die Entwicklung der Lebenserwartung ansieht.

Ich hoffe, daß wir mit diesem Gesamtpaket doch eine sehr ausgewogene Form gefunden haben, möchte aber ausdrücklich darauf verweisen, daß das nicht sofort in Kraft tritt, sondern erst mit dem Jahr 2000.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Erstbeantwortung zu dieser Frage ausgeführt, Sie fürchten keinen Frühpensionsboom. Darf ich daraus schließen, daß die Verhandlungen bezüglich der ÖBB-Bediensteten derzeit so laufen – die Verhandlungen sind noch im Gange –, daß das Pensionsantrittsalter der ÖBB-Bediensteten nicht hinaufgesetzt wird? Ich sage nur dazu: derzeitiges Pensionsantrittsalter bei den ÖBB: 48 Jahre, zum Vergleich in anderen Bereichen: 60 oder 65 Jahre.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Ich bitte die Antwort, die ich zuerst gegeben habe, auch auf Ihre Fragestellung zu akzeptie


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ren. Die ÖBB-Bediensteten sind nicht Gegenstand meines Ressorts, ich habe gar keine Kompetenz, hier eine politische Bewertung abzugeben. Ich bin nicht in die Verhandlungen eingebunden, und es wäre verantwortungslos, hier eine persönliche Meinung zu äußern.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

813/M-BR/97

In welchen Bereichen der Altersversorgung sehen Sie – nach den im Nationalrat soeben beschlossenen Änderungen – im Vergleich mit den im ASVG geltenden Regelungen aus Gerechtigkeitserwägungen noch Reformbedarf?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Mit der Einführung der Bemessungsgrundlage auch für die öffentlich Bediensteten ist eine wichtige weitere Etappe – es wurden schon in der Vergangenheit verschiedene Schritte gesetzt – im Prozeß der Angleichung der Pensionssysteme zum Abschluß gebracht worden.

Wenn Ihre Frage – ich spreche hier Kompetenzen des Sozialressorts an – auf Änderungen beim Pensionsrecht der Sozialversicherungsbediensteten abzielt, so möchte ich darauf verweisen, daß dieses in Kollektivverträgen geregelt ist und es somit auch Sache der Kollektivvertragsparteien ist, diesbezügliche Entscheidungen zu treffen. Ein Eingriff des Gesetzgebers in die Kollektivverträge ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht möglich, und ich würde ihn – das ist, glaube ich, auch in Ihrem Sinne – auch nicht verantworten.

Ich glaube aber auch, daß ein Eingreifen gar nicht erforderlich ist, weil ich davon informiert bin, daß der Verbandsvorstand des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger das Dienstrechtskomitee bereits beauftragt hat, Verhandlungen über gleichwertige Änderungen im Pensionsrecht der Sozialversicherungsbediensteten aufzunehmen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Beantwortung gesagt, daß eine Änderung der Kollektivverträge der Sozialversicherungsbediensteten notwendig ist, um eine Harmonisierung zu erreichen. Ich frage Sie: Wenn die Kollektivverträge geändert werden, treten Sie dann dafür ein, daß die Harmonisierung ähnlich den ASVG-Modellen erfolgt?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Ich bin gewohnt, mich nicht auf politischer Seite in Kollektivvertragsverhandlungen einzumengen. Ich habe mich, als ich noch nicht Bundesministerin gewesen bin, immer dagegen verwahrt, wenn versucht wurde, mittels Gesetze auf die Kollektivvertragsautonomie einzuwirken. Und das ist für mich weiterhin ein Thema, das ich so behandelt haben möchte, wie ich es auch als Interessenvertreter der Arbeitnehmerseite behandelt haben wollte.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.


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Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Franz Richau, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Beantwortung der Frage des Kollegen Tremmel betreffend die ÖBB Ihre Situation und Ihr Verhalten dargestellt. Ich glaube, daß in diesem Bereich dieselbe Linie gelten darf und gelten muß wie bei allen anderen, sei es ASVG, sei es Beamtenrecht. Die Antwort auf die Frage meines Kollegen Weilharter war für mich nicht ausreichend, ich darf Sie daher in diesem Zusammenhang noch um eine zusätzliche Antwort bitten.

Sie haben gesagt, in bestehende Rechte dürfe nicht eingegriffen werden. Diese Ansicht habe ich im Bereich des ASVG und auch im Bereich der Beamten vermißt, da sehr wohl in bestehende Rechte eingegriffen worden ist. Daher noch einmal die Frage: Wird es konkret im Bereich der Sozialversicherungen Änderungen geben? Ist es Ihr Wille oder Ihr Wollen, auch in diesem Bereich gegenüber dem ASVG Anpassungen durchzuführen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Ich verstehe die Frage nicht ganz. Ich habe dezidiert gesagt, ich habe keine Kompetenz, über die Verhandlungen im Bereich der ÖBB zu reden. Und ich habe auch klar gesagt, daß ein gesetzlicher Eingriff in Kollektivverträge unserem Rechtssystem aus meiner Sicht widersprechen würde.

Es gibt auch andere Gesetze – gerade das Sozialversicherungsrecht ist eines, das ein sehr dynamisches ist –, die wir permanent an die Veränderungen anpassen müssen. Aber das betrachte ich nicht als Eingriff in Rechte, sondern als Weiterentwicklung. Und ich glaube, gerade diese Pensionsreform zeigt, daß im Sinne der Versicherten eine Fülle von Maßnahmen gesetzt wurde, die die Zukunft des Pensionsversicherungsrechtes im ASVG-Bereich gleichermaßen wie im öffentlichen Dienst stärkt.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Herr Bundesrat Wolfgang Hager, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zum Thema Altersversorgung: Finden Sie, daß die Reformmaßnahme der Erhöhung des Eigenfinanzierungsgrades um jeweils 250 Millionen Schilling in der Sozialversicherung der Bauern und Gewerbetreibenden aus Gerechtigkeitserwägungen ausreichend ist?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wenn man aus der Sicht von anderen versicherten Gruppen feststellt, daß in diesem Bereich ein wesentlich günstigerer Eigenfinanzierungsgrad besteht, auch wenn man jetzt die jeweils 250 Millionen nicht berücksichtigt, dann wird diese Maßnahme sicherlich als unzureichend zu betrachten sein. Auf der anderen Seite muß ich mich schon bemühen – ich sehe das auch als meine Verantwortung –, hier Gesamtsichten wahrzunehmen.

Es ist schon festzustellen, daß wir im Bereich der Bauern mit Strukturveränderungen konfrontiert sind. Eine wachsende Gruppe an in Pension befindlichen Bauern steht einer schrumpfenden Gruppe von aktiven Bauern gegenüber. Dementsprechend stellt sich auch in der Eigenfinanzierung eine andere Situation dar, weil eben eine wachsende Gruppe von Aktiven einer gleichbleibenden oder nicht gleich stark wachsenden Gruppe von Pensionisten gegenübersteht.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


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Bundesrat Karl Drochter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

818/M-BR/97

Konnten trotz der entscheidenden Fortschritte bei der Budgetkonsolidierung die arbeitsmarktpolitischen Ziele umgesetzt werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Ich möchte das mit einem klaren Ja antworten, aber es nicht nur dabei bewenden lassen, sondern es doch noch ein bißchen näher ausführen. Die aktive Arbeitsmarktpolitik spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, gerade auch in Zeiten wirtschaftlicher Umstrukturierungsprozesse.

Beim Arbeitsmarktservice stehen zurzeit zwei Personengruppen besonders im Vordergrund, nämlich jene, die seit sehr langer Zeit aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, die Langzeitarbeitslosen, und jene, die am Arbeitsmarkt noch nicht Fuß fassen konnten, eben die Jugendlichen. Für beide Personengruppen ist es besonders wichtig, sich auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft umfassend vorzubereiten beziehungsweise sich auch diesen anzupassen. Aus diesem Grund werden eine Menge von Kursen und Schulungsmaßnahmen eingerichtet, die zielorientiert diesen Personengruppen zugute kommen sollen.

Die Zahl der geförderten Personen hat sich sehr stark erhöht. Ich möchte Ihnen dazu nur wenige Zahlen nennen:

Im ersten Halbjahr des Jahres 1996 wurden in der Arbeitsmarktausbildung insgesamt rund 65 000 Personen gefördert, im ersten Halbjahr 1997 dagegen 106 401, was einer Steigerung von 60 Prozent entspricht. Die Zahl der Arbeitsmarktinterventionen für junge Menschen hat sich mehr als verdoppelt. Die Zahl der Förderungen der Lehrausbildung konnte von 915 auf 2 064 erhöht werden, die Zahl der geförderten Berufsvorbereitung von 531 auf 1 106.

Ich glaube, anhand dieser Zahlen ist erkennbar, wie sehr sich das Arbeitsmarktservice bemüht, für diese Gruppen zu arbeiten, aber auch der ungeheure Einsatz der Beschäftigten des Arbeitsmarktservices.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ihre Fragebeantwortung zeigt eine große Aktivität Ihres Ministeriums. Meine Zusatzfrage orientiert sich am Bereich der Jugend: Wie schaut es mit der Jugendarbeitslosigkeit in Österreich aus und im besonderen mit der Lehrstellensituation, weil auch in diesem Bereich seitens der Bundesregierung, insbesondere von Ihnen und vom Herrn Bundeskanzler, besondere Initiativen gesetzt worden sind?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im ersten Halbjahr 1997 ist die Zahl der 15- bis 24jährigen Arbeitslosen – wir ziehen diese Kategorie immer zur Beurteilung heran – gesunken, und sie ist nach wie vor rückläufig. Das heißt, es zeigt sich doch der Erfolg der Bemühungen in den letzten Jahren. Wir konnten erreichen, daß wir im internationalen Vergleich eine überaus niedrige, wenn nicht sogar die niedrigste Jugendarbeitslosenrate, wenn ich Luxemburg als Sondersituation betrachte, haben. Wir haben mit 6 Prozent die niedrigste im Rahmen der EU-Staaten. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosenrate beträgt in der Europäischen Union – es ist schrecklich, das sagen zu müssen – das Dreifache, nämlich 20 Prozent.


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Ich möchte nur kurz erwähnen, daß bei dem Treffen der Arbeits- und Sozialminister der Europäischen Union die Frage der Jugendarbeitslosigkeit jedes Mal ein zentrales Thema ist. Und ich hoffe, daß man beim Beschäftigungsgipfel, der morgen stattfinden wird, gerade in der Frage der Jugend zu einer gemeinsamen Orientierung kommen wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Dr. Peter Harring, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt selbst den europäischen Gipfel zur Beschäftigungspolitik angesprochen. Die Europäische Kommission hat in den am 1. Oktober veröffentlichten Leitlinien geschrieben, daß die Absicht besteht, in den nächsten fünf Jahren 12 Millionen neue Arbeitsplätze in der EU zu schaffen und damit die Arbeitslosenrate von derzeit fast 11 Prozent, wie Sie gesagt haben, auf 7 Prozent zu senken. Mich würde interessieren: Nehmen Sie als Mitglied der österreichischen Bundesregierung diese Aussagen ernst?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Kommission hat für die politischen Beratungen einen Vorschlag vorgelegt, der einerseits verschiedene Leitlinien und andererseits auch verschiedene Methoden, wie die Beschäftigungssituation in Europa verbessert werden kann, beinhaltet, und hat darauf hingewiesen, daß mit der Umsetzung dieses Konzeptes eben jene quantifizierten Ziele erreicht werden sollen, die Sie zuerst erwähnt haben.

In der weiteren Diskussion hat sich herausgestellt, daß es besser ist, nicht mit diesen globalen Zielen in eine Gesamtdiskussion oder sogar Beschlußfassung zu gehen, sondern daß es zweckmäßiger ist, es den Nationalstaaten auch im Sinne ihrer eigenen Beurteilungskraft zu überlassen, welche quantifizierten Ziele für welche Zielgruppen formuliert werden sollen.

Es ist aber Gegenstand der morgigen Beratungen der Regierungschefs, welche Beschlußfassung getroffen werden soll. Die österreichische Position ist auf jeden Fall, dafür zu sorgen, daß wir klare Ziele und auch einen Erfolg bei dieser Beschäftigungskonferenz erreichen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wie hoch sind die Mittel, die nächstes Jahr für eine aktive Arbeitsmarktförderung aufgewendet werden, und wie schaut es dabei mit den Anteilen aus, die aus EU-Förderungsmitteln kommen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich möchte eingangs sagen, daß unsere Arbeitsmarktdaten im Vergleich zu anderen Ländern sehr günstig sind, was uns aber trotzdem nicht befriedigt, weil wir auch mit der jetzigen Situation nicht zufrieden sind.

Wir haben für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Jahr 1996 rund 5,7 Milliarden Schilling ausgegeben. Heuer werden wir rund 6,8 Milliarden Schilling für die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgeben, und wir haben damit die Mittel des Europäischen Sozialfonds voll in Anspruch genommen, liegen daher voll im Plan. Insgesamt werden inklusive der Mittel des ESF 6,8 Milliarden Schilling für 1997 ausgegeben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.


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Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Alfred Schöls, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

809/M-BR/97

Wie wird das faktische Pensionsalter durch die Pensionsreform angehoben?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Wie die Erfahrungen auch in der Vergangenheit zeigen, hängt das faktische Pensionsantrittsalter natürlich sehr stark von der Situation am Arbeitsmarkt ab. Daher knüpfen auch die jetzigen Reformmaßnahmen nicht am gesetzlichen Pensionszugangsalter an, sondern es wird versucht, verschiedenste arbeitsrechtliche und auch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einzuleiten, damit eine Trendumkehr eintritt. Bei Akzeptanz und Greifen dieser Maßnahmen sollte es zu einem Ansteigen des De-facto-Pensionsantrittsalters kommen. Eine absolut exakte Quantifizierung ist aus meiner Sicht nicht möglich, weil es doch sehr wesentlich von den Beschäftigungsmöglichkeiten, aber auch vom Verhalten der Betroffenen, wenn ich zum Beispiel an die Gleitpension denke, abhängt.

Trotzdem bin ich überzeugt, daß wir mit den Maßnahmen, die wir jetzt im Pensionskonzept umgesetzt haben, den richtigen Weg gehen und damit das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche heranführen können.

Ich möchte aber dezidiert sagen, daß ich mich immer in der Debatte dagegen ausgesprochen habe, an den gesetzlichen Altersgrenzen etwas zu ändern. Mir ist es immer um das faktische Pensionsantrittsalter gegangen.


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Danke, Frau Bundesministerin. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Ihrer Anfragebeantwortung entnehme ich, daß die in den Beratungen um die Pensionsreform genannten Zahlen, was eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters bringen würde, keine konkreten Zahlen waren, sondern eher einer Erwartungshaltung entsprochen haben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung einer Frage, die vorher gestellt wurde, verweisen, als ich gesagt habe, daß 0,6 Milliarden Schilling dafür vorgesehen wurden und welche der Maßnahmen berechtigen, diesen Ansatz im Budget zu treffen. Und ich verweise auf die Erläuterungen in der entsprechenden Gesetzesvorlage.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Herr Bundesrat Erhard Meier, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie können bei der Anhebung des faktischen Pensionsalters in jenen Fällen, in denen durch schwere Krankheitsfälle ein früherer Pensionsantritt ohne persönliches Verschulden notwendig wird, die doppelten drastischen Härtefälle für den Betroffenen, durch die Krankheit und damit durch die niedrige Pension, vor allem auch in der Folge für die mitversicherten Ehegatten – es werden meistens -gattinnen sein –, verhindert oder gemildert werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Wir haben für gerade jene Fälle, die Sie angesprochen haben, die Möglichkeit des Zuganges zur Berufsunfähigkeits- beziehungsweise Invaliditätspension. Für Betroffenheiten, die nicht im Sinne der Rechtsbestimmungen für eine BU sind, gibt es auch die Möglichkeit des Zuganges zur vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, für die aber schon Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der Versicherungsdauer erfüllt sein müssen. Und ich glaube, daß wir mit diesen beiden Bestimmungen, aber auch mit dem, was wir sonst noch an Sicherungsmaßnahmen haben, doch in fast allen Fällen eine Absicherung zustande bringen können, die existenzsichernd beziehungsweise einkommenssichernd im Sinne unserer Grundsätze des Pensionsrechtes ist.

Wir haben auch dafür Sorge getragen, daß gerade bei den Berufsunfähigkeitspensionen die Option einer anderen Steigerungstabelle gegeben ist, sodaß kurze Versicherungsverläufe, die sich sehr oft bei den Berufsunfähigkeitspensionen ergeben, nicht nachteilig zu werten sind.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin. – Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehen Sie nicht die Gefahr, daß, im Gegensatz zum angestrebten Ziel, die Übergangsregelungen geradezu einen Anreiz dafür bieten könnten, auch freiwillig in Frühpension zu gehen, umso mehr, als dies in manchen Fällen in – meines Erachtens – gleichheitswidriger Weise zu insgesamt sogar höheren Leistungen an solche Frühpensionisten führt?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, die zentrale Herausforderung der politischen Diskussion ist, zu erreichen, daß Menschen gesund, freiwillig und unter geordneten Bedingungen die normalen Alterspensionsgrenzen und das normale Pensionsalter erlangen und in Anspruch nehmen. Wenn sie die Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension mit den entsprechenden Versicherungszeiten erreicht haben, dann finde ich es richtig, wenn davon auch Gebrauch gemacht wird.

Ich halte einen anderen Ansatz für unbedingt notwendig. Wir müssen mittels arbeitsmarktpolitischer, aber auch gesundheitspolitischer Maßnahmen dafür Sorge tragen, daß die Menschen nicht schon vor diesem Alter eine geminderte Arbeitsfähigkeit haben oder sogar berufsunfähig werden. Daraus folgt die starke Betonung des Arbeitnehmerschutzes in meinem Ressort, die Betonung der arbeitsmedizinischen Betreuung auf betrieblicher Ebene und darüber hinaus auch die Verstärkung der Prävention, die über den betrieblichen Bereich hinaus geht.

Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch mittels wirtschaftspolitischer, steuerpolitischer und bildungspolitischer Maßnahmen versuchen, für möglichst viele Menschen, die Arbeit suchen, tatsächlich Beschäftigung zu finden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Grillenberger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

819/M-BR/97

Welche Erfahrungen konnten aus der LKF-Anwendung in Österreich bisher bereits gewonnen werden, insbesondere welche finanziellen Auswirkungen waren aufgrund der Reform erkennbar?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie wissen, daß die Geschichte dieses Systems noch relativ jung ist. Obwohl die Analysen der Daten über die ersten Monate dieses Jahres noch wenig abgesichert erscheinen, läßt sich eine weitere Verkürzung der Verweildauer in den Krankenanstalten im Jahr 1997 feststellen. Ebenso nehmen die Entlassungen am Freitag weiter zu und im Gegensatz dazu am Montag weiter ab.

Festzustellen ist auch eine weitere Zunahme der Zahl der stationären Eintagesaufenthalte. Zum einen ist diese Entwicklung auf die vermehrte Leistungserbringung in Tageskliniken und zum anderen auf die pauschale Abgeltung von Spitalsambulanzen zurückzuführen. Die Ursachen für die festzustellenden Entwicklungen werden derzeit von einer Expertengruppe analysiert.

Aus meiner Sicht erfreulich ist auch eine erkennbare Verbesserung der Qualität der Daten, die nicht nur die Finanzierungsbasis, sondern auch eine wesentliche Grundlage für die Gesundheitsplanung und für die Maßnahmen der Qualitätssicherung darstellen. Sie wissen, daß wir gerade im Gesundheitsbereich sehr stark darauf angewiesen sind, auf Basis profunder Daten politische Entscheidungen zu treffen und dementsprechend auch zum Beispiel die Qualitätsstandards zu entwickeln.

Die Entwicklung der Krankenhauskosten seit Wirksamwerden der Reform mit 1. Jänner 1997 kann aber erst nach Vorliegen der Jahresdaten im Laufe des nächsten Jahres sicher und endgültig beurteilt werden. Den bisher veröffentlichten Mitteilungen einzelner Bundesländer – es sind dies Wien, Niederösterreich und auch das Burgenland – kann jedoch entnommen werden, daß aufgrund der gegebenen finanziellen Deckelung äußerst geringe Kostensteigerungen für das Jahr 1997 – das geht von 0 bis 2 Prozent – budgetiert wurden. Wir sind dabei, das weiter zu verfolgen, und werden zum geeigneten Zeitpunkt eine entsprechende Information darüber geben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Die Antwort war ausreichend. Danke.

Präsident Dr. Günther Hummer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Obwohl das System noch jung ist, ist in den letzten Wochen des öfteren in den Zeitungen zu lesen gewesen, daß die Computerprogramme, die der Abrechnung des Punktesystems dienen, zur Optimierung des Systems verwendet werden. Laut dieser Berichte werden Hauptdiagnosen, die wenig Punkte bringen, durch Nebendiagnosen, die mehr Punkte bringen, ersetzt.

Ich frage Sie, Frau Ministerin: Was werden Sie tun, um diesem kostspieligen Mißbrauch entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich konnte vorhin darauf hinweisen, daß wir in diesem Bereich teilweise Neuland betreten haben. Wir haben zwar vorweg in Vorarlberg schon Erfahrungen damit gemacht, können aber erst jetzt sehen, wie sich österreichweit die Auswirkungen dieses Systems entwickeln.

Wir haben natürlich Interesse daran, Fehlentwicklungen zu verhindern und diese rechtzeitig entsprechend zu verändern. Dafür gibt es nicht nur die Landeskommissionen, sondern auch die Bundesstrukturkommission, die die Aufgabe hat, begleitend darauf zu achten, wie die Gesund


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heitsreform und dementsprechend auch die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung in der Praxis umgesetzt werden.

Bei der Anwendung der Optimierungsprogramme werden die Krankenanstalten, was die Dokumentation betrifft, dahin gehend unterstützt, daß die richtige Hauptdiagnose beim einzelnen stationären Krankenhausaufenthalt zu treffen ist. Dabei geht es insbesondere um Hilfestellung und Informationsaustausch hinsichtlich der richtigen Auswahl von Haupt- und Zusatzdiagnosen. Für die zutreffende Auswahl der Hauptdiagnose aus medizinischer Sicht ist immer der zuständige sogenannte codierende Arzt verantwortlich, das heißt, eine aus medizinischer Sicht bedenkliche Auswahl der Hauptdiagnose darf vom Arzt nicht verantwortet werden.

Zur Sicherstellung einer korrekten – wie von Ihnen auch gefordert – Handhabung und Vorgangsweise sind in allen Bundesländern sogenannte Datenqualitätskontrollen eingerichtet, die die Übereinstimmung der gemeldeten Daten mit den Krankengeschichten überprüfen.

Wir erhalten darüber laufend Bericht und sind dabei, zu prüfen, ob die derzeitigen Vorgangsweisen jenen Erfolg und jene Objektivierung bringen, die gewünscht sind.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Herr Bundesrat Gottfried Jaud, ich bitte um die Zusatzfrage. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Frau Bundesministerin! Sie haben vorhin einiges über das Datenmaterial im LKF-System gesagt. Wie wir gehört haben, soll es in Ihrem Ministerium einen Art Geheimbericht geben, der aber dem Parlament noch nicht vorliegt. Meine Frage an Sie, Frau Ministerin: Wann werden Sie dieses Datenmaterial dem Parlament vorlegen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Dieser "Geheimbericht" ist so geheim, daß auch ich ihn nicht kenne, daher kann ich Ihnen auch nicht sagen, wann ich ihn vorlegen werde. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 12. Anfrage, die von Herrn Bundesrat Schaufler gestellt wird. Ich darf ihn um die Verlesung seiner Anfrage bitten.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

810/M-BR/97

Welche finanziellen Auswirkungen wird die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Sozialversicherung haben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die finanziellen Erläuterungen sowohl zum Begutachtungsentwurf als auch zur Regierungsvorlage, zum sogenannten ASRÄG 1997, enthalten eine ausführliche qualitative und auch quantitative Darstellung, wie sich diese Maßnahmen finanziell auswirken werden.

Kurz- und mittelfristig werden keine oder kaum Mehraufwendungen entstehen, da nur ein Bruchteil der betroffenen Personen in den kommenden Jahren in Pension gehen wird. Langfristig kann die Einbeziehung neuer Gruppen zu einem neuen Anspruch, zu einem früheren Pensionsantritt oder auch zu höheren Leistungen führen.

Im Bereich der Pensionsversicherung bedeutet dies, daß die Mehreinnahmen im Bereich des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes eine Entlastung des Bundes von rund 1,2 Milliarden


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Schilling auf Geldwertbasis 1998 bewirken werden, da wir für die nächsten Jahre nur mit einer geringen Zahl an zusätzlichen Leistungsempfängern zu rechnen haben.

Um es vereinfacht zu sagen: Die Einbeziehung bringt in erster Linie durch die Beiträge, die aufgrund der Erwerbssituation gegeben sind, eine zusätzliche einnahmenseitige Wirkung im Bereich des GSVG beziehungsweise bei den neuen Selbständigen.

Die konkreten zukünftigen Auswirkungen, wie zum Beispiel eine etwaige Erhöhung der Ausgaben für Pensionen, sind sehr schwer abschätzbar, weil die künftigen Betroffenheiten noch nicht abgeschätzt werden können.


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Eine weitere Zusatzfrage wurde aber von Frau Bundesrätin Schicker gewünscht. Ich darf sie um ihre Frage bitten.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! In die zuletzt ausverhandelte Pensionsreform wurde auch eine Bestimmung aufgenommen, die Pflegepersonen den Zugang zur freiwilligen Weiterversicherung erleichtert. Dies war zwar schon bisher der Fall, allerdings mit dem Unterschied, daß die betreffenden Personen auch den Dienstgeberbeitrag entrichten mußten.

Meine Frage: Frau Bundesministerin! Wie hoch schätzen Sie die Zahl jener ein, die diese freiwillige Weiterversicherung in Anspruch nehmen werden? Gibt es eine Studie darüber, oder gibt es Umfragewerte, wie viele Personen das in Anspruch nehmen werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich bin sehr froh darüber, daß diese neue Bestimmung in das ASVG aufgenommen werden wird. Sie beinhaltet, daß Personen – ich bin sicher, dies werden in erster Linie Frauen sein, daher war mir das ein besonderes Anliegen –, die ihre Berufstätigkeit unterbrechen, um eine Person zu pflegen, die in der Pflegestufe 5 oder darüber ist, zur Wahrung ihrer zukünftigen Pensionsansprüche ausschließlich den Arbeitnehmerbeitrag für die Pensionsversicherung zu leisten haben. Der Arbeitgeberbeitrag wird aus dem Budget der Pflegevorsorge abgedeckt.

Ich betrachte dies auch als ein Modell dafür, wie sich die zukünftigen Vorstellungen ab dem Jahr 2000 hinsichtlich der Transparenz der Mittelaufbringung im Bereich der Pensionsversicherung gestalten könnten. Es soll zu einer klaren Transparenz zwischen Beitragszeiten, Versicherungszeiten und Ersatzzeiten kommen, und man soll ersehen, aus welchen Bereichen die Beiträge resultieren.

Was die konkrete Anzahl von Personen betrifft, die diese Erleichterung in Anspruch nehmen werden, gibt es zwar keine umfassende Studie, ich rechne aber damit, daß es am Beginn einige hundert Personen sein werden. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten, aber ich sage ganz ehrlich: Auch wenn es nur einige wenige sein sollten, diesen Personen ist sicherlich sehr damit geholfen!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Waldhäusl gewünscht. – Bitte sehr.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Es gibt nicht nur die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Sozialversicherung, sondern es ist auch eine Einbeziehung aller Mitversicherten in den bäuerlichen Familien geplant. Meine Frage lautet: Wie groß ist diese betroffene Berufsgruppe, und welche finanziellen Auswirkungen wird das auf die betroffenen Familien im bäuerlichen Bereich haben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es ist beabsichtigt, bei Veränderung des Versichertenstatus sowohl in der gewerblichen Versicherung als auch in der bäuerlichen Versicherung die Subsidiarität schrittweise aufzulösen.

Ich bin sehr froh darüber, daß sich auch die Repräsentanten und Sprecher dieser Versichertengruppen im Sinne einer gesamten Fairness darüber einig waren, daß diese Bestimmung sukzessive in eine neue Rechtslage umgeleitet wird. Wir rechnen damit, daß wir bei den Betroffenen folgende Gruppen haben:

Nach unseren Unterlagen gibt es im Jahr 1999 bei den Bauern 3 250 Betriebsführer, im Jahr 2000 5 300 und im Jahr 2001 7 100. Es ist aber schwer abzuschätzen, in welchem Zeitablauf beziehungsweise wie schnell sich in diesem Bereich durch die individuelle Situation die neuen Rechtslagen für die einzelnen Betroffenen ergeben werden. Daher haben wir, wie ich meine, zu Recht lange Übergangsfristen für diese Personengruppe gewählt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen nun zur 13. Anfrage. Diese stellt Herr Bundesrat Dr. Tremmel. Ich darf ihn um die Verlesung bitten.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet wie folgt:

814/M-BR/97

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem neuen Rechnungshofbericht über die im Bundesvergleich weit überhöhten Kosten des Krankenhauswesens in Wien, insbesondere hinsichtlich "Geräteschwund", EDV-Kollaps, Nebenbeschäftigungen von Primarärzten und überhöhtem Personalstand im AKH?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Werter Herr Bundesrat! Ich bedauere, Ihnen zu dieser Frage inhaltlich keine Stellungnahme geben zu können, weil mir dieser Rechnungshofbericht bis dato nicht zur Verfügung steht, und ich daher auch keine Kenntnis vom Inhalt dieses Berichtes habe.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Ist Ihnen bekannt oder seit wann ist Ihnen bekannt, daß die Personalausstattung des Wiener AKH wesentlich über dem österreichischen Durchschnitt liegt? Warum wurden die Krankenanstalten etwa in den Bundesländern bezüglich ihres Personals wesentlich schlechter behandelt als die Wiener Anstalten? Ich füge noch im Sinne Ihrer Beantwortung bezüglich privater Sanatorien hinzu: Dort kommt man etwa durch die Reduzierung der Bettenkapazität sogar zu einem Personalabbau. Wie ist das im Sinne der Gleichbehandlung zu verstehen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Werter Herr Bundesrat! Ich meine, nur Vergleiche zwischen Vergleichbarem sind fair. Universitätskliniken wie das AKH und Spitäler mit den gleichen Leistungen werden völlig gleich behandelt und sind auch von der Regelung des Gesundheitsplanes gleich betroffen. Ich glaube aber, daß man


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632. Sitzung / Seite 33

Privatkliniken nicht mit Universitätskliniken wie das AKH in Wien oder mit den Universitätskliniken in Graz oder Innsbruck vergleichen kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Zusatzfrage? – Herr Mag. Himmer, bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sie kennen beim AKH das Hin und Her zwischen Bund und Gemeinde, wobei es natürlich in letzter Konsequenz immer darum geht, wer zahlt. Ich glaube aber, es ist dem Arzt nicht wirklich zumutbar, daß er bei jedem Handgriff überlegen muß, ob er das jetzt im Rahmen der Forschung und Lehre oder im Rahmen der Patientenbetreuung macht, um sozusagen bürokratisch dann auch immer zu wissen, was er gerade tut und wie das verrechnet wird.

Meine Frage an Sie lautet: Beabsichtigen Sie, dazu beizutragen, dieses Pingpong-Spiel zwischen Bund und Gemeinde zu beenden, und wenn ja, wie?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesrat
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Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich sehe kein Pingpong-Spiel zwischen Bund und Gemeinde Wien. Es gibt einen Vertrag, der die Rechtsbeziehungen und auch die Abwicklung der Geschäfte im AKH regelt, und beide Partner handeln vertragsgemäß.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Nächste Zusatzfrage: Herr Bundesrat Rauchenberger, bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Frage steht auch im Zusammenhang mit der schon beantworteten Frage 11 und mit den überhöhten Kosten im Krankenhauswesen. Sie haben dazu bereits ausgeführt, daß ein längerer Zeitraum benötigt wird, um die Auswirkungen des neuen Abrechnungssystems kennenzulernen beziehungsweise Veränderungen einzuleiten.

Meine konkrete Frage lautet jetzt: Was schätzen Sie, welcher Zeitraum wird notwendig sein wird, um den Codierungsschlüssel zu ändern beziehungsweise – dann, wenn der Zeitpunkt dafür gegeben ist – auf den neuesten Stand der Technik zu bringen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Werter Herr Bundesrat! Ich bin mit dieser Frage überfordert. Ich kann Ihnen leider keinen konkreten Zeitpunkt dafür nennen. Ich werde mich aber erkundigen, wie weit die diesbezüglichen Vorbereitungen sind, und werde Sie, wenn ich das erforscht habe, selbstverständlich sofort davon in Kenntnis setzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Wir kommen zur 14. Anfrage, die Herr Bundesrat Farthofer stellt. Ich darf ihn um die Verlesung bitten.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

820/M-BR/97

Wie stellt sich die Entwicklung bei den Arbeitsunfällen dar?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Auf diese Frage bin ich vorbereitet und kann Ihnen die genauen Zahlen nennen. Die Entwicklung der anerkannten Arbeitsunfälle im engeren Sinne und der Wegunfälle in den letzten Jahren sieht wie folgt aus. Ich darf Ihnen zuerst die Zahlen der Arbeitsunfälle zur Kenntnis bringen: 1994: 171 361, 1995: 163 677, 1996: 155 076. – Sie sehen, es gibt eine sinkende Tendenz, was ich als sehr erfreulich empfinde.

Ich ziehe daraus den Schluß, daß unsere Bemühungen im Arbeitnehmerschutz Früchte tragen.

Bei den Wegunfällen ist folgende Entwicklung festzustellen: 1994: 17 016, 1995: 17 965, 1996: 16 924. – Eine Erklärung für diese Entwicklung kann ich ehrlich gesagt nicht geben. Ich könnte höchstens Vermutungen darüber anstellen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin. Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! In welchen Branchen ereignen sich die meisten Arbeitsunfälle?

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Die meisten Arbeitsunfälle finden wir leider im Bereich des Bauwesens vor, was im wesentlichen arbeitsbedingt ist. Wir haben auch im Bereich des Verkehrs, und zwar bei Berufskraftfahrern, erhebliche Arbeitsunfälle, müssen aber auch im Fremdenverkehrsbereich, im engeren Sinne im Gaststättenbereich, eine überproportionale Zahl an Arbeitsunfällen feststellen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Weilharter gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Die meisten Unfälle passieren in den Haushalten. Es ist unbestritten, daß die Hauptbetroffenen die Frauen und Kinder sind. Könnten Sie sich vorstellen oder werden Sie dafür sorgen, daß die sogenannten Haushaltsunfälle auch sozialrechtlich den Arbeitsunfällen gleichgestellt werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Unfälle, die in der Freizeit passieren, werden, was den medizinischen Bereich, den Betreuungsbereich und den Gesundungsbereich betrifft, in gleicher Weise bewertet und beurteilt wie Arbeitsunfälle. Auch die Opfer von Haushaltsunfällen werden im Rahmen der Krankenversicherungsleistungen völlig gleich behandelt wie alle anderen Unfallopfer.

Der einzige Unterschied zwischen einem Arbeitsunfall und einem Unfall im Freizeitbereich ist der, daß bei einem Arbeitsunfall auch eine entsprechende Unfallrente anfällt, weil diesem Geschehen ein Versicherungsverhältnis vorgelagert ist. Ich betrachte diese unterschiedliche Auswirkung als sachlich gerechtfertigt und glaube daher, daß im Rahmen einer Wiederherstellung der Gesundheit die jetzigen rechtlichen Bedingungen für Freizeitunfälle ausreichend sind.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Rodek gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Seit nunmehr 20 Jahren gibt es die bäuerliche Unfallversicherung. Aber während sich in dieser Zeit die Land- und Forstwirtschaft rasant weiterentwickelt hat, ist die bäuerliche Unfallversicherung stehengeblieben, wobei ich festhalten und feststellen möchte, daß neben dem menschlichen Leid, das von Unfällen verursacht wird, auch große finanzielle Einbußen mit einem Unfall verbunden sind.


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Meine Frage lautet daher: Sind Sie bereit, für eine Unfallversicherung zu sorgen, die den jetzigen bäuerlichen Gegebenheiten auch Rechnung trägt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich bin immer gesprächsbereit, wenn eine Versichertengruppe aufgrund einer besonderen Betroffenheit Wünsche artikuliert. Ich bin nach Maßgabe der Möglichkeit natürlich auch daran interessiert, eine gemeinsame Lösung zu finden. – Soweit ich informiert bin, sind diesbezügliche Gespräche mit dem Sozialversicherungsträger der Bauern im Gange. Wenn ich konkret mit diesbezüglichen Überlegungen konfrontiert werde, werde ich mich selbstverständlich politisch darum bemühen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 15. Anfrage. Diese stellt Frau Bundesrätin Giesinger. Ich bitte um die Verlesung.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

811/M-BR/97

Erwarten Sie langfristig Mehrkosten in der Pensionsversicherung durch die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Sozialversicherungspflicht?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Zum ersten darf ich sagen, daß es für mich sehr wichtig gewesen ist, daß es gelungen ist, für geringfügig Beschäftigte eine Lösung zu finden. Ich möchte auch mit einigem Stolz festhalten, daß wir das erste europäische Land sind, das einerseits – ähnlich wie Deutschland – die Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung in dieser Dimension hat und andererseits für diese atypischen Arbeitsverhältnisse nun eine sozialversicherungsrechtliche Lösung gefunden hat.

Im Arbeitsrecht hatten wir bereits in der Vergangenheit eine entsprechende Lösung. Ich betone das, weil ich auch Sie bitten möchte, wenn Sie mit geringfügig Beschäftigten Kontakt haben, sie auf ihre Rechte im Rahmen des Arbeitsrechtes zu verweisen. Es ist vielfach nicht bekannt, daß auch geringfügig Beschäftigte Anspruch auf einen 13. und 14. Monatsbezug haben. Es ist vielfach nicht bekannt, daß bei entsprechend langer Beschäftigung auch Abfertigungsansprüche bestehen. Ich glaube, es wäre wichtig, wenn Sie als Bundesrätin manchmal auch aufklärend wirken könnten, weil dies sehr wichtige Schutzbestimmungen sind.

Was die Mehrkosten für die Pensionsversicherung als solche betrifft, ist aus der heutigen Sicht finanziell nicht abzuschätzen, in welcher Form sich diese Mehrkosten entwickeln werden. Kurz- und mittelfristig sehe ich aber keine oder kaum Mehraufwendungen, da nur ein Bruchteil der betroffenen Personen in den kommenden Jahren in Pension gehen wird. Andererseits war es der politische Wille, daß wir langfristig auch geringfügig Beschäftigten einen Pensionsantritt ermöglichen und daß auch sie eine Pensionsleistung bekommen.

Es stehen quasi auf der einen Seite die Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung auf der Arbeitnehmer- und auf der Arbeitgeberseite durch die Sozialversicherungspflicht bei der Lohnsumme für die geringfügig Beschäftigten und auf der anderen Seite eine perspektivische, langfristige Entwicklung: die Option, sich auch bei geringfügiger Beschäftigung Pensionsversicherungszeiten zu erwerben, sodaß Pensionslücken geschlossen werden und langfristig eigenständige Ansprüche entstehen.


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Eine direkte budgetäre Bezifferung wäre aus meiner Sicht unseriös, weil in keiner Weise derzeit abgeschätzt werden kann, wie viele der Betroffenen tatsächlich von dieser Option Gebrauch machen werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Da durch die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Pensionsversicherung mit relativ wenig Geld Beitragszeiten erworben werden können, möchte ich Sie, Frau Ministerin, fragen, wie Sie das einschätzen, wie viele Menschen Ihrer Meinung nach nun diese Form des Erwerbes von Pensionszeiten wählen und nicht mehr teuer Studienzeiten einkaufen werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Eine zahlenmäßige Antwort wäre eine reine Spekulation. Ich möchte aber zur sachlichen Seite festhalten, daß die Mindestbeitragsgrundlage in Höhe von 3 740 S für das Jahr 1997 unverändert geblieben ist. Wir haben keine neue Mindestbeitragsgrundlage für den Erwerb von Pensionszeiten eingeführt, sondern sind bei der bisherigen Mindestbeitragsgrundlage geblieben, sodaß sich aus dieser Sicht keine Änderung der Rechtslage ergibt. Die Rechtslage ist nur insofern geändert: Wenn jemand geringfügige Beschäftigungen hat, die unter dieser Mindestbeitragsgrundlage sind, dann ist der Beitrag auf Basis der Mindestbeitragsgrundlage zu bezahlen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Grillenberger gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesministerin! Nach welchen Kriterien wird die Geringfügigkeitsgrenze jährlich festgelegt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Die Geringfügigkeitsgrenze wird mit dem Aufwertungsfaktor wie auch andere Faktoren im ASVG jährlich angepaßt und wird nächstes Jahr 3 803 S betragen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Dr. Harring gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Im Augenblick könnte das möglicherweise als Beitrag zur Budgetsanierung dienen. – Dazu haben Sie gesagt: Pensionsansprüche von diesen Beschäftigen werden eher selten sein. Aber Sie haben bestimmt trotzdem berechnen lassen, wann die Höhe der ausgezahlten Pensionen die Höhe der bereits bezahlten Beiträge einholen wird, also wann sich dieses Rechenbeispiel umdreht.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Bundesrat! Wenn sie sich Versicherungsverläufe anschauen, wenn Sie sich die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt anschauen, wenn Sie also zurückblicken und manches vorausprojizieren, dann würden Sie erkennen, daß es reine Spekulation wäre, jetzt bei den Versicherten einen klaren Versicherungsverlauf bis zum Jahr 2020, 2030 oder 2040 zu errechnen.

Ich persönlich rechne, daß von den jetzt geringfügig Beschäftigten in etwa die Hälfte von einer Option der Pensionsversicherung Gebrauch machen wird. Ich gehe aber davon aus, daß nicht


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 37

ein Leben lang geringfügig beschäftigt werden wird, sondern daß nur Phasen des Lebens mit geringfügigen Beschäftigungszeiten verbunden sein werden, und dementsprechend wird sich dann für die Gesamtbemessung der Pension eine andere Auswirkung ergeben, weil sich auch andere Bemessungsgrundlagen darstellen. Eine klare Bezifferung der Auswirkungen, hochprojiziert auf das Jahr 2020, würde ich derzeit verantwortungsbewußt nicht wagen.


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke, Frau Bundesminister.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 14. November 1997 betreffend das Bundesfinanzgesetz 1998. Dieser genannte Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Den eingelangten Selbständigen Antrag der Bundesräte Dr. Hummer, Haselbach, Weiss, Bieringer, Konečny, Dr. Riess-Passer betreffend Änderung der Bundesrats-Geschäftsordnung 1988 hat der Herr Präsident dem Geschäftsordnungsausschuß zur Vorberatung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse sowie den Bericht der Volksanwaltschaft 1996 und die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Anträge 99/A (E), 100/A und 102/A (E) den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat all diese Vorlagen sowie die Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 1997 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Dr. Tremmel.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

10.54

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erhebe namens der freiheitlichen Bundesratsfraktion Einwendungen im Sinne der §§ 39 und 41 der Geschäftsordnung hinsichtlich des Punktes 3 unserer Tagesordnung.

Wenn Sie die Beratungsstücke anschauen, dann sehen Sie in den Vorlagen: 3. Budgetbegleitgesetz. Auf der Tagesordnung ist dieses als 2. Budgetbegleitgesetz genannt. Es müßte natürlich auch ein 1. Budgetbegleitgesetz geben, das teilweise im Nationalrat beschlossen wurde und von dem erhebliche Teile, nämlich die Frage der ÖBB-Bediensteten, nach wie vor in Verhandlung sind.

Wir Freiheitliche erachten es als eine Mißachtung der fundamentalen Rechte der Bundesräte, daß hier ein Stückwerk, das zwar mit dem 1. Budgetbegleitgesetz vernetzt ist, vorgelegt wird, da das 1. Budgetbegleitgesetz, in dem die maßgeblichen Punkte der Pensionsreform behandelt werden, hier noch nicht in Behandlung stand.

Ergo dessen verlange ich namens meiner Fraktion die Absetzung dieses Stückes und ersuche weiterhin, darüber eine Debatte abzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es wurde eine Debatte verlangt. Ich weise darauf hin, daß gemäß § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Redezeit eines jeden Redners in dieser Debatte auf fünf Minuten beschränkt ist.

Wir gehen in die gewünschte Debatte ein.

Wer wünscht das Wort? – Herr Bundesrat Gudenus, bitte.

10.56

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Anliegen meines Vorredners ist Ihnen bekannt, und wenn Ihnen die Würde dieses Hauses und die Würde eines Gesetzgebers noch etwas wert sein mögen, dann müssen Sie seinem Anliegen volle Unterstützung geben.

Wir können nicht ein Gesetz verabschieden, dem das vorangehende Gesetz, die Unterlage dieses Gesetzes, welches wir heute beschließen sollen, fehlt. Das wäre genauso, als ob man eine Eisenbahn kauft und noch nicht das Schienenwerk gebaut hat.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das Hohe Haus ernst nehmen und uns nicht lächerlich machen wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. Setzen Sie das Gesetz ab, bis uns das 1. Budgetbegleitgesetz und auch das zweite Gesetz, das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz, zur Begutachtung und Behandlung vorgelegen sind. Ich bitte Sie ernsthaft darum! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird weiters das Wort gewünscht? – Dr. Tremmel, bitte.

10.57

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis für meine zweite Wortmeldung.

Wir haben hier immer über die Wertigkeit des Bundesrates diskutiert. Mir liegt folgendes Werk vor: "Rechtsstaat in Österreich – Illusion oder Realität?" von Professor Theodor Tomandl.

Er schreibt unter anderem zum Bundesrat: "Er konnte trotz unzähliger Belebungsversuche weder in der Ersten noch in der Zweiten Republik jemals eine nennenswerte Bedeutung erlangen. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, daß er von denselben politischen Parteien wie im Nationalrat gesteuert wird." – Ich lege auf das vorletzte Wort "gesteuert" besonderes Augenmerk.

Meine Damen und Herren! Es würde der Würde dieses Hauses durchaus genehm sein, wenn wir dafür sorgen würden, daß es nicht wieder zu solch einem Fiasko kommt, wie es bei der StVO der Fall war. Ich sage als Schlagzeile 0,5 und 0,8 Promille.

Sorgen wir dafür, was unsere ursprüngliche Aufgabe ist, die uns der Gesetzgeber, die uns Kelsen zugeordnet hat, daß diese zweite Kammer Gesetze zu lesen hat. "Gegenzulesen" heißt es im Kommentar. Bitte machen wir das! Hier wird uns ein Stückwerk präsentiert, hier wird der Bundesrat zu einer Apportiermaschine politischer Spiele gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das, meine Damen und Herren, sollten wir ablehnen!

Bitte sorgen Sie dafür, erstens im Interesse Ihrer Integrität, zweitens im Sinne der Würde dieses Hauses und drittens im Sinne einer sinnvollen Pensionsreform, die riesige Teile der Bevölkerung betrifft, daß dieser dritte Tagesordnungspunkt abgesetzt wird und erst dann wieder auf die Tagesordnung kommt, wenn das 1. Budgetbegleitgesetz im Nationalrat endgültig diskutiert und beschlossen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Bitte, Herr Bundesrat Weilharter.

11.01

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, hinlänglich begründet und unbestritten, daß inhaltliche und vor allem sachliche Zusammenhänge zwischen 1., 2. und 3. Budgetbegleitgesetz bestehen. Ungeachtet dessen wurde auch in den Wortmeldungen der Vorredner darauf hingewiesen, daß es unverständlich und eigentlich unakzeptabel ist, wie hier mit gesetzgebenden Körperschaften umgegangen wird, indem quasi fragmentweise nur Teile von Budgetbegleitgesetzen vorgelegt werden. Letztlich sind aber die Budgetbegleitgesetze in Summe die Grundlage für die Erstellung eines Budgets.

Meine Damen und Herren! Daß wir, die freiheitliche Fraktion, dabei nicht alleine hier in diesem Saal sind, beweist auch eine gestrige Presseaussendung des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, also vom 18. November dieses Jahres. Ich zitiere wörtlich: "Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion Albrecht Konečny verurteilte Dienstag namens seiner Fraktion die Absetzung des 1. Budgetbegleitgesetzes betreffend die Pensionsreform der Beamten sowie des Sozialrechts-Änderungsgesetzes" (Rufe bei den Freiheitlichen: Ah, da schau her!) "aufgrund des Einspruchs der ÖVP von der Tagesordnung der Bundesratssitzung dieser Woche. Konečny fordert, die Beratungen der Pensionsreform sollten am 20. November im Bundesrat stattfinden."

Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Stehen Sie hinter Ihrem Fraktionssprecher, oder gehen Sie einen anderen Weg? – Entscheiden Sie sich, und stimmen Sie mit uns für die Absetzung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird weiters das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich teile Ihnen mit: Ich trage der erhobenen Einwendung gegen die Tagesordnung nicht Rechnung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Absetzung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der erhobenen Einwendung zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit. Es gilt daher die vorgeschlagene Tagesordnung. (Ruf bei den Freiheitlichen: Bewußtseinsspaltung!)

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 1997

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 1. Punkt. Das ist die Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 1997.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Oberösterreichischen Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler für den Rest des 2. Halbjahres 1997 zum Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.


Bundesrat
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Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Oberösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

2. Punkt

Bericht der Volksanwaltschaft 1996 (III-169-BR/97 und 5561/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bericht der Volksanwaltschaft 1996.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schöls übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Alfred Schöls: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Vertreter der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Ich darf namens des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus den Bericht über den Bericht der Volksanwaltschaft 1996 (III-169-BR/97) bringen.

Der gegenständliche Bericht enthält eine Darstellung der Inanspruchnahme und Tätigkeit der Volksanwaltschaft im abgelaufenen Jahr sowie einen Ausblick auf die Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft, die in einem Entwurf für eine B-VG-Novelle zur Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft enthalten sind. Der Text des Entwurfes samt Erläuterungen findet sich im Anhang 2.

Die Vorschläge der Volksanwälte betreffen folgende Bereiche:

Erweiterung der Kontrollzuständigkeit auf ausgegliederte Rechtsträger, ähnlich der Zuständigkeit des Rechnungshofes;

Aufnahme einer (erstreckbaren) Frist von vier Wochen für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte;

Teilnahme der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse beziehungsweise Unterausschüsse des Nationalrates und des Bundesrates;

Vorlage des jährlichen Tätigkeitsberichtes auch an den Bundesrat.

Im weiteren gliedert sich der Bericht entsprechend den Aufgabenbereichen der Volksanwälte. Schließlich werden die legislativen Anregungen der Volksanwaltschaft aus dem Allgemeinen Teil in einer tabellarischen Übersicht im Anhang 1 aufgegliedert.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. November 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.08

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Damen von der Volksanwaltschaft, Frau Mag. Messner und Frau Korosec! Herr Volksanwalt Schender! Herr Staatssekretär Wittmann! Es ist eine Premiere, ein durchaus positiver Punkt, daß wir heute den Bericht der Volksanwaltschaft hier vor uns liegen haben.

Noch einen positiven Punkt darf ich hier zitieren: In diesem ausgezeichneten Bericht der Volksanwaltschaft ist nicht nur formal, sondern auch materiell sehr schlüssig die Vorgangsweise der


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Volksanwaltschaft aufgegliedert. – Der Berichterstatter hat es bereits gesagt. Und wenn Sie Anhang 1 aufschlagen, dann ersehen Sie die wirklich qualifizierte Arbeit der Volksanwaltschaft. Das ist der zweite, durchaus große Lichtblick.

Jetzt komme ich zu den weniger erfreulichen Dingen. Aufgrund der sehr erfolgreichen Tätigkeit der Volksanwaltschaft hat diese einen Gesetzentwurf auf Verfassungsänderung vorgelegt, wodurch dem Bürger noch mehr die Möglichkeit gegeben werden sollte, seine Rechte erfüllt zu sehen.

Diesen Punkten wurde bis auf einen, den ich zu Anfang genannt habe, nämlich die Vorlage dieses Berichtes auch im Bundesrat, leider Gottes nicht Rechnung getragen, wie zum Beispiel einer Erweiterung der Kontrollzuständigkeit auf ausgegliederte Rechtsträger, ähnlich der Zuständigkeit des Rechnungshofes. Was spricht dagegen, daß etwa die ausgegliederten ÖBB oder andere Bereiche, die ausgegliedert wurden, durch die Volksanwaltschaft kontrolliert werden?

Gerade in der heutigen Fragestunde, in der wir Fragen an Frau Ministerin Hostasch richteten, haben wir gesehen, daß quasi ein luftleerer Raum in bezug auf die ÖBB vorhanden ist und keiner so recht weiß, was tatsächlich geschieht – das hat sich bis in die Geschäftsordnungsdebatte hineingezogen –, weil man sich innerhalb der Koalition nicht einigen kann, wie die ÖBB-Bediensteten im Vergleich zu anderen Bereichen behandelt werden sollen. Sollen sie gleichbehandelt werden, sollen sie nicht gleichbehandelt werden? Sollen privilegierte Bereiche geschaffen werden? Oder will jeder jenen Teil, über den er politisch die Hand hält, sicherstellen? – Dann, meine Damen und Herren, wäre die Pensionsreform erschöpft, und wir hätten in Kürze, in ein bis zwei Jahren, wieder eine solche. Es sollte also durchaus auch eine Kontrolle der ausgegliederten Bereiche geben können.

Die Aufnahme einer erstreckbaren Frist von vier Wochen für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte wäre durchaus genehm. In dieser Causa hat sich unter anderem der Herr Finanzminister ungebeten zu Wort gemeldet, und er hat gemeint, die Volksanwaltschaft sollte sich die Möglichkeit der Prüfung der ausgegliederten Bereiche quasi aus dem Kopf schlagen, denn das würde dem Privilegierungsgedanken diametral widersprechen, und es sei ohnedies jedem Bürger möglich, den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Das ist nur als imperialer Stil eines alten Sozialisten zu bezeichnen.

Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich doch an die Fragestunde mit dem Justizminister, in der er gesagt hat, Zivilrechtsverfahren erstrecken sich über Zeiträume von drei, vier, fünf Jahren! Wie soll jemand zu seinem Recht kommen, wenn er etwa eine finanzielle Forderung einklagt? – Da geht vorher der Betrieb in den Ausgleich oder Konkurs! Die Möglichkeit, meine Damen und Herren, daß sich der gequälte Bürger an die Volksanwaltschaft wendet, wollte man mit dieser Nichtfristgewährung möglicherweise einschränken.

Zur Teilnahme der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse und der Unterausschüsse des Nationalrates und des Bundesrates: Wenn man diesen Bericht durchsieht, meine Damen und Herren, dann erkennt man, mit welcher Akribie die Damen und der Herr der Volksanwaltschaft tätig sind. Man sollte ihnen die direkte Zugangsmöglichkeit bieten. Warum tut man das nicht?

Wenn Sie sich den Bericht der Volksanwaltschaft anschauen, dann sehen Sie darin eine Fülle von Anregungen, die hervorragend sind. Ich greife etwa das Gewerberecht heraus, bei dem auch über das Bergrecht gesprochen wird. Genau das, was die Länder, die Bürger, die Gemeinden urgieren, wird von der Volksanwaltschaft hier angemerkt, nämlich daß die Anhörrechte besser gewahrt sein sollten und daß man sich überlegen sollte, Schotter und Kies auch in das Bergrecht aufzunehmen. Noch eine weitere Anregung ist darin enthalten – man muß das nur sehr genau lesen, meine Damen und Herren –, nämlich daß eine Zusammenlegung, eine Verwaltungsvereinfachung Bergbehörde zur BH erhebliche Kosten sparen würde. All das kann man herauslesen.


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Ich nehme das Innenressort her, das Fremdenrecht. Es wird uns immer unterstellt, fremdenfeindlich zu sein. Ich mahne ein, daß es da zu sehr schleppenden Verfahren kommt und die Menschen zu Unrecht gequält werden, weil sie auf ihren Bescheid zu lange warten müssen und die Fristen der Behörden zur Beantwortung überschritten werden. Die notwendige bessere Ausstattung wird hier urgiert.

Oder ein anderer Bereich, der nicht uns zugeordnet wird, meine Damen und Herren: der Zivildienst. Auch da kommt es zu einem langen, sehr langen Beantwortungsweg durch das Bundesministerium für Inneres. Es scheinen hier gute Gedanken auf, und viel wurde gemacht. Etwa wurde das Gnadenrecht, ein Relikt aus dem Absolutismus, dem Verwaltungsverfahren zugeführt, also der Kontrolle unterworfen.

Oder im Bereich der Landesverteidigung: Wir haben es selbst im Ausschuß gehört, daß man im Sinne der Gleichbehandlung in Erwägung ziehen sollte, das Tauglichkeitsniveau herabzusetzen, um auch, wie sie früher hießen, B-taugliche zum Grundwehrdienst einzuziehen. Es ist doch ein Hohn, meine Damen und Herren, daß ein Hochleistungssportler, der dem Nationalkader angehört, untauglich für die Erfüllung der Wehrpflicht sein soll! Das kann doch nicht richtig sein. Da muß der Bürger verdrossen werden, wenn er so etwas hört. (Bundesrat Meier: Wer ist das?) Schauen Sie einmal nach, Herr Kollege Meier, Sie werden draufkommen, daß das einige sind.

Ich denke weiters an die Gott sei Dank teilweise bedankte Arbeit im Bereich der Bauverwaltung der Gemeinden, die leider in diesem Bericht nicht aufscheint. Die Volksanwaltschaft hat allerdings zugesichert, daß man sich darum bemühen wird. Da werden Anregungen wesentlich effektiver umgesetzt, als es derzeit im legistischen Bereich der Fall ist. Das geht in jeden einzelnen Bereich hinein, und die einzelnen Länder goutieren das auch sehr. Allerdings hapert es mit der Kostenabdeckung noch ein bisserl. Dazu sollte man nicht nur ein zwar sehr höfliches, aber nur ideelles Dankeschön sagen, sondern man sollte auch eine entsprechende finanzielle Unterstützung geben, wie es in einem anderen Bereich die Vorarlberger und die Tiroler gemacht haben, die einen Landesvolksanwalt eingerichtet haben. Und ich höre aus dem Bereich der Volksanwaltschaft, daß es eine sehr kooperative Zusammenarbeit gibt.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Anhang 1 des Berichtes aufschlagen, dann werden Sie, wenn Sie die Fußnoten genau studieren, ganz unten unter "Umsetzung der Anregung" lesen können: Umsetzung B: Umsetzung beabsichtigt, Umsetzung C: Umsetzung nicht beabsichtigt. – C überwiegt.

Selbstverständlich ist es auch so, daß vieles bereits herausgefallen ist. Ich höre, daß ungefähr 50 Prozent der legislativen Anregungen durch den Gesetzgeber umgesetzt wurden.

Wenn Sie die Seite 223 aufschlagen, lesen Sie: Verbrechensopfergesetz, Verbesserung des Bundesgesetzes über die Gewährung von Hilfeleistung an Verbrechensopfer. – In der ersten Spalte steht hier: 2. Was heißt das? – Im zweiten Bericht der Volksanwaltschaft, nämlich 1979, wurde dieses verständliche Verlangen, das immer wieder von allen politisch Tätigen beschworen wird, bereits formuliert. Die Anregung ist nach wie vor aufrecht – umgesetzt wurde sie nicht.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir Freiheitlichen uns entschlossen, einen Entschließungsantrag einzubringen: "Die seit 1. Juli 1977 bestehende Volksanwaltschaft hat in den nunmehr 20 Jahren ihres Bestehens eine überaus positive Entwicklung genommen und ist zu einer nicht mehr wegzudenkenden Kontroll- und" – ganz wichtig! – "Rechtsschutzeinrichtung geworden. Sie ist der Ausdruck einer dynamischen Weiterentwicklung", wie es auch in anderen Bereichen sein sollte, "des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips in unserem Lande. In diesem Prozeß werden vor allem Phänomene sichtbar, denen durch wiederholte Anpassungen der Grundordnung Rechnung getragen wurde: eine zunehmend kritische Haltung des Bürgers." – Eine verständliche kritische Haltung!

Wir haben einerseits über die Flut der Gesetze, über den Dschungel der Gesetze gegenüber den staatlichen Institutionen diskutiert und andererseits über eine konsequente Verbesserung des Rechtsschutzes, des Zuganges zum Recht, meine Damen und Herren, besonders bezogen auf die Grundrechte. Die Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft habe ich demonstrativ erwähnt. Sie


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ist als eine wesentliche Ergänzung der klassischen Kontrolle der Verwaltung in rechtlicher und politischer Hinsicht aufzufassen.

Die Verwaltung kontrolliert an und für sich der Rechnungshof, aber die Anliegen des Bürgers, meine Damen und Herren, finden bei der Volksanwaltschaft Gehör. Wenn Sie den Bericht durchsehen, dann erkennen Sie, daß immer mehr Bürger diesen Weg wählen müssen. Es ist mir durchaus bekannt, daß es manchmal in sehr einfacher Weise zu Erledigungen und Hilfestellungen für den Bürger kommt.

Deswegen, meine Damen und Herren, stellen die freiheitlichen Bundesräte folgenden

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, innerhalb von drei Monaten den Entwurf eines Bundesgesetzes zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vorzulegen, der die Umsetzung der folgenden Punkte vorsieht:

Erweiterung der Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger analog der Zuständigkeit des Rechnungshofes" – beim Rechnungshof hat man es gemacht, beim AMS, aber die anderen Bereiche, die ich genannt habe, Post, ÖBB et cetera, sind dieser Kontrolle de facto entzogen –,

"Aufnahme einer entsprechenden Frist von vier Wochen für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte an die Volksanwaltschaft" – damit es nicht mehr zu solch überheblichen Briefen, wie sie vom Finanzministerium losgelassen wurden, kommt –,

"Teilnahme der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse (Unterausschüsse) des Nationalrates und des Bundesrates,

Verpflichtung der Bundesregierung" – das scheint mir ganz wichtig zu sein –, "die Nichtumsetzung legislativer Anregungen" – Anhang 1, wie ich vorhin zitiert habe – "innerhalb von einer Frist von drei Monaten zu begründen."

*****

Meine Damen und Herren! Mit der Volksanwaltschaft haben wir ein Instrument zur Hand, bei dem der einfache Bürger noch Recht findet. Sorgen wir dafür, daß dieses Instrument, daß diese Einrichtung nicht nur zum Wohle unseres Staates, sondern zum Wohle unserer Bürger weiter verbessert wird: Treten Sie diesem Entschließungsantrag bei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters ist Herr Bundesrat Erhard Meier zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.25

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen, sehr geehrter Herr der Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es ist erfreulich, daß heute erstmals der Bericht der Volksanwaltschaft auch hier im Bundesrat zur Diskussion steht, weil der Bundesrat als jene Institution, die die Länderinteressen mitvertritt, in die Angelegenheiten, die die Volksanwaltschaft auch in Richtung Länder zu prüfen hat, involviert ist.


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Es ist auch sehr erfreulich, daß der Bericht der Volksanwaltschaft über das Jahr 1996 bereits im April des Jahres 1997 vorgelegt wurde, denn die Abgeordneten – ich glaube, beider Häuser – kritisieren, daß Jahresberichte oftmals erst im übernächsten Jahr behandelt werden. Er liegt also schon ein gutes halbes Jahr hier im Hohen Haus. Es ist nun der Bundesrat als die zweite Kammer, die ihn sogar noch vor dem Nationalrat behandelt. Ich bitte die Volksanwälte, auch anzuerkennen, daß dieses Thema im Bundesrat zur Sprache kommt.

Ich bin durchaus der Meinung, daß die Berichte der Volksanwaltschaft auch für uns wichtig sind. Der vorliegende Bericht ist ganz ausgezeichnet, wofür ich auch im Namen meiner Fraktion recht herzlich danken möchte.

Jeder demokratische Staat hat heutzutage die Einrichtung einer Volksanwaltschaft, eines Ombudsmannes oder wie immer man das nennen mag. Auch die EU hat – zaghaft beginnend – eine solche Einrichtung. Ich meine, es ist tatsächlich wichtig, daß der Bürger in einem Fall, der auf die Volksanwaltschaft zutrifft, sich an diese wenden kann, und das nicht nur hier in der Zentrale, in der Bundeshauptstadt Wien, sondern auch bei den vielen Sprechtagen der Volksanwaltschaft in allen Bundesländern in den Bezirkshauptmannschaften und darüber hinaus auch an anderen Orten.

Wir haben von den Volksanwälten gehört, daß gerade Menschen, die sonst nicht die Möglichkeit des Zugangs zur Information, der Auskunft, der Beschwerde haben, die Einrichtung und die Sprechstunden der Volksanwaltschaft besonders benützen. Ich möchte fast sagen, daß sie in diesem Sinne auch eine Sozialhilfeeinrichtung darstellen, abgesehen davon, daß gerade soziale Aspekte ein bedeutendes Kapitel in den Beschwerden und Bitten um Auskunft bei der Volksanwaltschaft darstellen. Das geht so weit – das haben wir im Ausschuß gehört –, daß auch Juristen, Rechtsanwälte in der Behandlung ihrer Fälle auf die Auskunft der Volksanwaltschaft zurückgreifen, weil sie dort eine kompetente Auskunft für ihre Verfahren erhalten können.

All das ist sehr positiv. Dieses Positive drückt sich auch darin aus, daß die Zahl der Anbringen und der Prüfungsverfahren von Jahr zu Jahr steigt. Ich meine nun nicht den zwangsläufig damit verbundenen höheren Arbeitsaufwand, der auch vorhanden ist, sondern eben die Tatsache, daß mehr Menschen von der Möglichkeit, zum Volksanwalt zu gehen, Gebrauch machen. Die prozentuellen Steigerungen in den letzten Jahren und auch vom Jahre 1995 zum Jahre 1996 sind gewaltig. Ich glaube sogar, daß, da manche Verfahren über das Jahr hinaus andauern, im Bericht noch gar nicht alle erfaßt sind, die im Jahre 1996 begonnen wurden.

Natürlich ist es auch so, daß es die Bürger oft nicht verstehen, wenn sie zum Volksanwalt, zur Volksanwältin kommen und gerade jenes Problem, das sie persönlich drückt, von der Volksanwaltschaft gar nicht behandelt werden kann. Es kommen auch Leute mit zivilrechtlichen Beschwerden zu ihnen, die natürlich auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden müssen. Das heißt, daß im Prozeß des Bestehens und des Wirkens der Volksanwaltschaft der Bürger natürlich auch darüber aufgeklärt sein und werden muß, was von der Volksanwaltschaft bewirkt werden kann, denn sonst ist er auch dort wieder enttäuscht.

Ich habe auch schon Stimmen gehört, die gesagt haben: Nicht einmal die Volksanwaltschaft kann mir helfen! Das liegt aber in der Natur der Sache und ist nicht als Klage, sondern als Feststellung zu werten, da die Bürger oft nicht wissen, welche Zuständigkeiten es gibt.

Ich möchte mich den Wünschen der Volksanwaltschaft anschließen, daß versucht werden soll, die Volksanwaltschaft den Bürgern näherzubringen und die Veranstaltungen der Volksanwaltschaft, die Sprechtage besser zu verlautbaren. Wir haben festgestellt, daß dort, wo eine Verlautbarung in entsprechendem Maße erfolgt ist – sei es nun in den Landesrundfunk- oder Fernsehanstalten oder in der lokalen Presse –, die Zahl derer, die die Sprechstunden in Anspruch nehmen, sprunghaft angestiegen ist. Das heißt also, dort, wo man es nicht so bekanntgemacht hat, wußten weniger Menschen davon, daß sie die Möglichkeit hätten, zur Volksanwaltschaft zu gehen.

Wir waren uns, so glaube ich, im Ausschuß auch ziemlich einig darüber, daß die ehemalige TV-Sendung der Volksanwaltschaft in dieser Form der Sache nicht sehr dienlich war, und ich


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möchte dem hinzuzufügen, daß sich die Volksanwaltschaft ganz korrekt und konkret nach den gesetzlichen Grundlagen mit einem Problem befaßt und man nicht aus irgendwelchen Gründen – sei es, weil es Leser gerne lesen oder Zuseher es gerne sehen – eine Art Show daraus machen sollte. Dazu sind die Arbeit der Volksanwaltschaft und auch die Anliegen, die die Bürger an die Volksanwaltschaft heranbringen, wirklich zu ernstzunehmen, was aber nicht bedeutet, daß die Veranstaltungen der Volksanwaltschaft selbst und ihre Einrichtung nicht zum Wohle einer besseren Nutzung noch mehr in den Medien erwähnt werden könnten.

Ich möchte nicht auf Details des Berichtes der Volksanwaltschaft eingehen, weil er viele gute Beispiele für das positive Wirken der Volksanwaltschaft enthält, sondern allgemein zu den im Anhang vorgetragenen Wünschen der Volksanwaltschaft eine Stellungnahme abgeben. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß sich auch die Tätigkeit der Volksanwaltschaft und der Umfang der zu prüfenden, zu kontrollierenden Institutionen noch erweitern und erhöhen werden. Der Umfang wurde dadurch eingeschränkt, daß Institutionen, die früher reine Bundesinstitutionen gewesen sind – es wurden schon die ÖBB, die Post, die Theater angeführt –, ausgegliedert wurden und damit rein rechtlich nicht mehr Bundes- oder Landesinstitutionen sind, sondern Aktiengesellschaften oder etwas anderes. Das ist also der rechtliche Hintergrund, aber das bedeutet gleichzeitig, daß jetzt die Bürger, die zu diesen Bereichen Beschwerden vorbringen konnten, von diesem Recht und dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind. Man muß einen Weg suchen, wie das in der Zukunft verbessert werden könnte, denn gerade die jetzt von mir beispielhaft genannten Institutionen erwecken noch immer den Anschein, das sei der Staat. Wenn ich mit dem Zug oder mit dem Postautobus fahre, dann habe ich das Gefühl, da ist der Staat sozusagen involviert. Aber rein rechtlich muß man feststellen, daß es eben ausgegliederte Institutionen sind, die nach dem alten Gesetz nicht mehr in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft fallen.

Ich möchte mich mit ein paar Worten mit meinem Vorredner, Herrn Dr. Tremmel, auseinandersetzen. Sie haben den Herrn Finanzminister zitiert. Ich würde empfehlen, den Ausdruck "alte Sozialisten" – unter Anführungszeichen – nicht zu gebrauchen. Man sollte überhaupt nicht Ausdrücke wie – Anführungszeichen – "alte ..." von der ideologischen Seite her einführen (Bundesrat Dr. Tremmel: Nehme ich zurück! Aber der "imperiale Stil" bleibt!), auch nicht in andere Richtungen. Ich bitte, mich da zu verstehen.

Ich glaube auch, man sollte mit diesem Ausdruck vom "gequälten Bürger", Herr Kollege, etwas anders umgehen, weil das den Anschein hat, als sitze da irgend jemand, irgendeine Behörde, die nur die Absicht hat, dem Bürger sein Recht nicht zuzuerkennen, und absichtlich Dinge begeht, die rechtlich nicht stattfinden sollten. Natürlich, wenn Dinge ewig auf die lange Bank geschoben werden und nicht in angemessenen Fristen erledigt werden, erleidet der Bürger Qual. Da stimme ich Ihnen durchaus zu. Nur sollte man, so glaube ich, nicht den Eindruck erwecken, daß Behörden oder sonstige Institutionen sozusagen mit Absicht gegen einen Bürger vorgehen und ihn dadurch quälen. Insoferne möchte ich das relativieren.

Ich kann mir vorstellen, daß in Angelegenheiten, die die Volksanwaltschaft und den Bundesrat betreffen, die Volksanwaltschaft mehr Zugang zum Bundesrat, auch zu seinen Ausschußsitzungen, erhält, weil es natürlich auch für die Abgeordneten wichtig ist, diese Fälle zu erfahren, damit sie im täglichen Umgang wissen, wo es zwickt und Probleme gibt, und in der Folge in der Gesetzgebung tätig werden und Gesetze schaffen können, die dem Bürger in vielen Fällen das Leben erleichtern. Ich glaube, darüber herrscht durchaus Einhelligkeit, daß sich die Diskussion in diese Richtung fortsetzen müßte.

Wir müssen natürlich auch bedenken, daß, je mehr wir die Arbeit ausweiten, je mehr Institutionen von der Volksanwaltschaft zur Stellungnahme eingeladen oder überprüft werden, damit auch Mehrkosten verbunden sind. Die Volksanwaltschaft klagt sicherlich mit Recht darüber, daß sie zu wenig finanzielle Mittel beziehungsweise ein enges Korsett an finanziellen Mitteln hat. Ich weiß aber auch von der anderen Seite – obwohl das nicht direkt zusammenhängt – als früherer Bürgermeister, daß die Menschen heutzutage zu verschiedensten Institutionen gehen und Klagen vorbringen – berechtigt oder unberechtigt, das möchte ich hier gar nicht werten. Sie schreiben an den Herrn Bundespräsidenten, sie schreiben an den Landeshauptmann, an die Volksan


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waltschaft, das kommt dann über die Bezirkshauptmannschaft zur Gemeinde zurück. Und es gibt kleine Gemeinden, die gar nicht den Beamtenapparat haben, um in einer entsprechenden Frist und auch wirklich sachgemäß auf solche Dinge auf diesem Weg, auf dem wieder viele Zwischenstufen eingeschaltet sind, eingehen zu können.

Das soll aber nicht bedeuten, daß ich diese Anklagepunkte oder Informationspunkte nicht auch als wichtig erachte, aber wir müssen Wege finden, um die Verwaltung dieser Kontrollen wiederum nicht zu kompliziert, zu langwierig und zu aufwendig zu machen, also irgendeinen Mittelweg zu finden, daß der Bürger zu seinem Recht kommt, aber die Verwaltungsstellen, die dazwischen liegen – auch zwischen Ihnen und der entsprechenden Stelle –, damit nicht zu sehr belastet werden.

Ich hoffe, daß die Volksanwaltschaft in Österreich wie bisher in dieser Weise – in wirklich anerkannter, neutraler Weise – weiter wirken kann, oft sich auch im Interesse des Bürgers gegen Behörden und den Staat richtend. Das muß auch das Anliegen der Volksvertreter, also der Nationalratsabgeordneten und der Bundesräte und der Landtagsabgeordneten, sein, darum ist die Verbindung wirklich gut. Die Volksanwaltschaft ist eine von Österreich institutionalisierte Stelle, die ganz korrekt, nach den Buchstaben des Gesetzes, unter Einbeziehung der notwendigen Menschlichkeit und dem Entgegenkommen jeden einzelnen Fall sehr positiv erledigen kann. Das wünsche ich auch in der Zukunft.

Wir haben gehört, daß eine gute Zusammenarbeit zwischen den Volksanwaltschaften der Bundesländer, wo es solche gibt – nämlich in Tirol und Vorarlberg –, stattfindet, und es müssen natürlich, wenn es vielleicht noch mehr werden, auch in den anderen Bundesländern, was durchaus zu begrüßen wäre, Regeln der Zusammenarbeit beziehungsweise der Kompetenzen aufgestellt werden. Es wurde in der Diskussion etwa das Schulwesen angeführt, das einerseits Landes-, andererseits Bundessache ist.

Ich glaube, in unserer immer komplizierter werdenden Zeit, mit komplizierteren Gesetzen – seien wir ganz ehrlich, auch hier in diesem Hause –, ist es umso wichtiger, wieder zu mehr Verständlichkeit zurückzukehren und eine Institution zu haben, die mithilft, in diesem Gewirr der Gesetze, der Möglichkeiten, der Zuständigkeiten dem Bürger zu helfen. Dabei wünsche ich auch der Volksanwaltschaft für die Zukunft recht viel Erfolg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

11.40

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Meine Damen und mein Herr der Volksanwaltschaft! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nachdem sich Herr Kollege Dr. Tremmel als Gegenredner in die Rednerliste eingetragen hatte, bin ich doch froh, nicht gehört zu haben, daß er gegen die Kenntnisnahme des Berichtes wäre. Das ergibt sich auch schon aufgrund der Tatsache, daß der Ausschußantrag auf Kenntnisnahme einstimmig zustande kam. Ich möchte mich für diese Geste bedanken, weil es wahrscheinlich auch sachlich unangemessen gewesen wäre, die Tätigkeit der Volksanwaltschaft durch eine Nichtkenntnisnahme des Berichtes sozusagen nachträglich zu relativieren.

Bei aller Kritik, die man gemeinsam mit der Volksanwaltschaft an den der Prüfung unterworfenen Stellen und ihrem Verhalten üben kann – aber daß wir nicht mit allen Dingen zufrieden sein können, kann kein Anlaß sein, die Tätigkeit der Volksanwaltschaft hier durch eine mangelnde Unterstützung ihres Berichtes in Frage stellen zu wollen.

Ich schließe mich dem Dank, der bei den Vorrednern schon zum Ausdruck kam, an die Volksanwaltschaft in zweifacher Hinsicht an. Zunächst einmal hat sie den Anstoß dazu gegeben, daß dieser Bericht heute hier zur Diskussion steht. Das wäre zwar nach den bisherigen Bestimmungen der Geschäftsordnung nicht ganz unmöglich gewesen, denn es wäre, wenngleich mit allerlei Verrenkungen, erlaubt gewesen, die Volksanwälte sozusagen als Auskunftspersonen im


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Ausschuß zu hören, im Sinne einer Hilfskonstruktion. Worauf wir aber auf jeden Fall verzichten hätten müssen, wäre die Anwesenheit der Volksanwälte und die Möglichkeit des Dialogs in der Sitzung des Bundesrates selbst gewesen. Ich halte die vom Nationalrat vorgenommene Änderung der Bundesverfassung in diesem Punkt für sehr wesentlich.

Ich begrüße auch, daß wir im Bundesrat nicht darauf gewartet haben, bis wir das in unserer Geschäftsordnung entsprechend umgesetzt haben, sondern daß wir uns darauf verständigen konnten, daß die Verfassung in diesem Punkt hinreichend klar und präzis aussagt, was möglich ist, sodaß wir auf die Verfassung selbst in einer tauglichen Weise zurückgreifen konnten, ohne daß sie in der Geschäftsordnung bereits umgesetzt gewesen wäre.

Mein Dank gilt auch der sehr ausführlichen Diskussion im Verfassungsausschuß. Herr Kollege Meier hat Ihnen in dankenswerter Weise einen Einblick über die wesentlichen Punkte dieser Diskussion vermittelt. Ich denke, daß das für alle Beteiligten ein Gewinn war. Ich möchte mich hier im Plenum darauf beschränken, ein paar wesentliche Dinge anzusprechen und nicht auf zahlreiche Detailfragen einzugehen, die schon erörtert wurden. Bei einem Punkt möchte ich von diesem Vorsatz allerdings abweichen, weil ihn Herr Kollege Dr. Tremmel angesprochen hat, nämlich das Bergrecht.

Es liegt auf der Hand, daß der bergmännische Abbau unter Tag immer mehr zurückgeht. Dieser Reduktion an Aufgaben der Berghauptmannschaften wird allerdings ein angestrebter Aufgabenzuwachs zu Lasten anderer entgegengesetzt, die das bisher sehr bürgernah vollzogen haben. Ich kann durchaus unterstreichen, was Herr Dr. Tremmel zur Diskussion gestellt hat, nämlich ob man die Vollziehung des Bergrechtes nicht konsequenterweise der wesentlich ortsnäheren Bezirkshauptmannschaft übertragen sollte, anstatt den umgekehrten Weg zu gehen, von den Bezirkshauptmannschaften wesentliche Teile wegzunehmen, was auch Auswirkungen auf viele andere Rechtsmaterien hat, und sie der Berghauptmannschaft, die gar nicht in allen Ländern eingerichtet ist, zu unterstellen. Dieses Anliegen kann ich voll und ganz unterstreichen.

Ich bekenne mich auch durchaus zu den Anliegen der Volksanwaltschaft, nämlich zur Verpflichtung, in angemessener Weise innerhalb einer Frist Stellung zu nehmen, und zur Möglichkeit, zu ausgegliederten Rechtsträgern auch prüfend Stellung nehmen zu können. Das ist ein Gesichtspunkt, der schon bisher die Tätigkeit der Volksanwaltschaft behindert hat. Wenn wir wissen, wie gegenwärtig Ausgliederungen in Diskussion stehen und ins Auge gefaßt werden, dann läßt sich unschwer ablesen, daß die Volksanwaltschaft in einem ganz wesentlichen Teil von ihrem Aufgabengebiet abgeschnitten werden würde.

Es ist auch bemerkenswert, daß der Nationalrat von den Anliegen der Volksanwaltschaft jene erfüllt hat, die eigentlich nicht weh tun. Daß wir hier den Bericht diskutieren können, daß die Volksanwälte Stellung nehmen können, das ist natürlich für uns alle ein Gewinn, es tut aber in Wahrheit niemandem weh. Die Tätigkeit der Volksanwaltschaft sollte aber dort, wo es notwendig und sachgerecht ist, durchaus weh tun. Daher ist der Nationalrat offenkundig den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

Es wurde schon von den Vorrednern darauf hingewiesen, daß es natürlich eine wesentliche Aufgabe der Volksanwaltschaft ist, in Einzelfällen auf Mißstände aufmerksam zu machen, betroffenen Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen und beratend tätig zu sein. Aber eine ganz wesentliche Aufgabe der Volksanwaltschaft – und diese gehört hier in dieses Haus beziehungsweise in den Nationalrat – ist es, mit Anregungen an den Gesetzgeber beziehungsweise an jene, die Regierungsvorlagen machen, heranzutreten, wenn sie den Eindruck hat, daß in Einzelfällen ein Mißstand in der Verwaltung nicht auf ein individuelles Fehlverhalten eines Beteiligten zurückzuführen ist, sondern daß die Probleme für den Bürger vom Gesetzgeber geradezu vorgegeben sind und ein vermeintliches Fehlverhalten eines Beamten für ihn persönlich aufgrund der Rechtslage unausweichlich, im Einzelfall auch vielfach unbefriedigend ist. Daher halte ich es für außerordentlich wichtig, daß auch dieser Gesichtspunkt hier bereits zur Sprache kam und daß die Volksanwaltschaft nicht müde wird, in Form einer offenen Postenbuchhaltung in ihrem Anhang auch teilweise weit zurückliegende und immer noch nicht erledigte Anregungen aufzugreifen.


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Es wurde schon darauf hingewiesen – ich bin Herrn Volksanwalt Schender für seine Information im Ausschuß dankbar –, daß es in Wahrheit mit der Erfolgsquote der Volksanwaltschaft nicht so schlecht aussieht, wie man dies auch dem Bericht entnehmen konnte, weil die Fälle, die in den Vorjahren bereits erledigt waren, nicht mehr als erledigt aufscheinen. Das bezieht sich nur auf das jeweilige Berichtsjahr, während die aus früheren Jahren stammenden unerledigten Dinge natürlich folgerichtig nach wie vor angeführt sind.

Wenn man sagen kann, die legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft haben eine ge-schätzte Erfolgsquote von 50 Prozent, dann halte ich das in Wahrheit für ganz beachtlich. Es sollte mehr sein, das ist gar keine Frage, aber ich halte das schon als ein wesentliches Indiz für eine beachtliche Wirksamkeit der Volksanwaltschaft im Bereich der allgemeinen Anregungen, die sie zu machen hat. – Ganz zu schweigen von der Erfolgsquote der Volksanwaltschaft, wenn sie in Einzelfällen für den Bürger hilfreich tätig war.

Etwas anderes ist die Berücksichtigung jener Anregungen, die die Volksanwaltschaft vorab aus ihrer Erfahrung im Begutachtungsverfahren einbringt. Hier ist die Erfolgsquote wesentlich geringer. Das ist ein Schicksal, das die Volksanwaltschaft leider auch mit dem Rechnungshof teilt, der in der Regel erfolglos darauf hinweist, daß diese oder jene Einschätzung von Folgekosten nicht nachvollziehbar sei, überhaupt fehle oder eine bestimmte Regelung einen unnötigen bürokratischen Mehraufwand mit sich bringe. Hier ist die Volksanwaltschaft in "guter Gesellschaft" – unter Anführungszeichen –, aber mit einer aus meiner Sicht nicht befriedigenden Wahrnehmung durch den Gesetzgeber, und das ist in erster Linie – der Ball liegt bei ihm – der Nationalrat. Ich denke, daß wir die Volksanwaltschaft nach Kräften unterstützen sollten, daß der Nationalrat stärker auf das eingehen sollte, was sachkundige und fachkundige Institutionen an Anregungen in die Gesetzesvorbereitungen einbringen.

Die Volksanwaltschaft ist für die Länderkammer in einer weiteren Weise beachtenswert, weil sie auch die Bundesländer einbindet. Die Bundesverfassung hat in ihrem Artikel 148i eine ganz interessante, sehr länderfreundliche Konstruktion gefunden, nämlich daß eine Stelle für den Bund eingerichtet wird, daß es den Ländern freisteht, nichts zu unternehmen, daß sie die Möglichkeit haben, die bereits eingerichtete Volksanwaltschaft des Bundes auch für ihren Bereich für zuständig zu erklären, oder als dritte Variante eigene vergleichbare Einrichtungen zu schaffen. Kein Bundesland hat darauf verzichtet. Ich halte es für wichtig, zu sagen, daß wir so etwas in unserem Bereich nicht brauchen.

Sieben Bundesländer haben gesagt, wir bedienen uns der Dienste der Volksanwaltschaft. – Ich unterstelle jetzt nicht, daß das auch von dem Gesichtspunkt geleitet gewesen wäre, weil das für die Länder nichts kostet. Zwei Bundesländer, nicht zufällig die von Wien am weitesten entfernten, haben eigene Einrichtungen geschaffen. Dieses Grundsätze festlegende, aber einen entsprechenden Spielraum für die Ausgestaltung entsprechender regionaler Notwendigkeiten und Gegebenheiten lassende Modell einer verfassungsrechtlichen Vorgabe halte ich für ganz beachtlich, und es wäre eigentlich auch ein Beispiel für viele andere Anwendungsfälle, bei denen man zu einer Verknüpfung von gemeinsamen Anliegen, gemeinsamen Zielen, einem gewissen Mindeststandard gemeinsamer Strukturen und einer durchaus sachgerechten regionalen Ausdifferenzierung je nach Einschätzung der Lage und der konkreten Möglichkeiten kommen muß.

Wir haben im Ausschuß gehört, daß es mit diesen beiden Landesvolksanwälten eine gute Zusammenarbeit gibt. Ich möchte mich auch als Vertreter des Landes Vorarlberg, das einen eigenen Landesvolksanwalt hat und erst kürzlich wieder, nachdem die Amtszeit des einen ausgelaufen ist, einen neuen gewählt hat, bei der Volksanwaltschaft dafür bedanken, daß auch aus unserer Sicht die Zusammenarbeit ganz hervorragend funktioniert.

Aus der vielfältigen Beziehungsebene mit den Ländern, aber auch mit dem Bundesrat selbst ergibt sich natürlich zwangsläufig die Rückkehr auf ein hier schon mehrfach vertretenes Anliegen, daß nämlich die Volksanwälte nicht ausschließlich nur vom Nationalrat gewählt werden sollten, sondern daß diese Wahl auch unter Einbindung des Bundesrates etwa in der Bundes


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versammlung erfolgen sollte. Das ist ein Punkt, der beispielsweise in dem uns während der Debatte übergebenen Entschließungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Tremmel fehlt.

Ich will jetzt nicht den Inhalt dieses Entschließungsantrages geringschätzen, es steht vieles drinnen, was ich gerne unterschreibe und auch unterstütze, ich möchte aber nur darauf hinweisen, daß es an sich sachgerecht wäre, die Diskussion doch in einem etwas größeren Zusammenhang zu sehen. Ich nenne nur als Beispiel die Anregung, die auch im Nationalrat bereits in Form eines Initiativantrages eingebracht wurde, daß die Mitglieder der Volksanwaltschaft nicht nur anläßlich der Behandlung ihres Berichtes an den Ausschußsitzungen teilnehmen können sollten, sondern daß sie das, wenn es ihnen sinn- und zweckmäßig erscheint, ganz allgemein tun können sollten.

Diese Ausweitung des Teilnahmerechtes wirft natürlich in der Länderkammer einige zusätzliche nicht dieses Anliegen verneinende Fragen auf, nämlich etwa, wie es um unsere eigene Teilnahmemöglichkeit an Ausschußsitzungen des Nationalrates steht, beispielsweise wenn der seltene Fall eintrete, daß wir einen Einspruch erheben. – Wer vertritt ihn dann in den Nationalratsausschüssen? – Es ist dies beispielsweise auch die Frage, daß es durchaus sachgerecht wäre, wenn wir in den Ausschüssen des Bundesrates ein gewisses Gegengewicht zu den Vertretern der Legislative der Bundesregierung hätten. Diese können natürlich nicht nur selbst teilnehmen, das ist auch erwünscht und Sinn der Sache, sondern sie können sich auch entsprechend sachkundig beraten lassen, indem sie Experten ihres Hauses beiziehen. Diese Möglichkeit, etwa sachverständige Experten aus den Ländern beizuziehen, ist uns selbst allerdings verwehrt. Also diese Frage: Wer kann Anliegen sachkundig in Ausschüsse einbringen?, ist etwas, was man durchaus breiter diskutieren sollte.

Nachdem es vielfältige Berührungspunkte der Volksanwaltschaft, ihrer Möglichkeiten mit den Ländern gibt, wäre es nach meiner Einschätzung auch sachgerecht, bevor wir uns hier so quasi in nomine der Länder mit Anliegen an den Gesetzgeber, an den Nationalrat, wenden, doch auch eine Rückkoppelung mit den Ländern herzustellen, ob sie sich mit diesem Anliegen identifizieren, ob sie es unterstützen, ob es allenfalls noch zusätzliche Gesichtspunkte gibt, etwa in der Hinsicht, daß manches vielleicht noch zu regeln wäre, was die Tätigkeit der Volksanwaltschaft für einzelne Länder betrifft. Da sind also zahlreiche Fragen offen, bei denen ich die Länder nicht vor vollendete Tatsachen stellen möchte, indem ich sage, das ist jetzt Länderstandpunkt.

Wir würden auch mit unserem Anliegen etwas mehr Gewicht bekommen, wenn wir sagen könnten, das sind Dinge, die jetzt nicht nur von einzelnen Bundesräten hier artikuliert, sondern auch von den Ländern mitgetragen werden. – Das ist das eine. Daher wäre es durchaus überlegenswert, über den Inhalt des Antrages weiterzudiskutieren, unter Einbeziehung der Länder zu klären, ob es allenfalls noch weitere Gesichtspunkte gibt, und dann gemeinsam nach Möglichkeit einen eigenen Gesetzesantrag zu formulieren. Ich halte es nämlich auch nicht für ganz befriedigend, daß wir sagen: Liebe Bundesregierung, denke für uns nach, wie man das von uns artikulierte Anliegen eigentlich umsetzen könnte! – So schwierig ist die Legistik in diesem Bereich nun auch wieder nicht. Es gibt Bereiche, bei denen wir uns nicht drübertrauen sollten, aber in diesem Bereich wäre es auch wieder nicht so schwierig, daß wir diese Aufgabe unter Zuhilfenahme von sachkundigen Leuten aus der Volksanwaltschaft oder aus den Ländern nicht selbst machen könnten.

Daher möchte ich auch anregen, daß man, wenn man sich schon zusammen mit den Ländern auf ein solches Paket von Anliegen verständigt, das möglichst auch in Form eines konkreten Gesetzesantrages macht. Ich denke, das entspricht auch einem gesunden parlamentarischen Selbstverständnis. Daher würde ich meinen, daß wir dieses Gesprächsangebot durchaus mitgeben können, aber noch weitere Gespräche wünschen und daher glauben, daß ein Beschluß in der heute vorgeschlagenen Form etwas verfrüht wäre. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

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Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Korosec! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Messner! Sehr geehrter Herr Volksanwalt Schender! Hohes Haus! Der vorliegende Bericht der Volksanwaltschaft, der erste vor dem Bundesrat, bietet zweifellos keinen Anlaß zur Kritik, auch nicht zur Kritik seitens der Oppositionspartei, enthält er doch Anforderungen an die Gesetzgebung und damit vornehmlich an die sie tragende parlamentarische Mehrheit, die weithin mit der rechtspolitischen Kritik der Opposition übereinstimmen.

Meine Fraktion hatte zunächst – das will ich offen zugestehen – Probleme damit, ob sie den vorliegenden Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen soll und kann. In bezug auf sonstige Berichte – in der Regel von Bundesministerien – hatten wir nämlich die Übung, sie dann nicht zur Kenntnis zu nehmen, wenn wir den gesellschaftspolitischen Gegebenheiten und Auswirkungen nicht zustimmen konnten, die dem entsprechenden Ressort und den von ihm getroffenen oder vielfach unterlassenen Maßnahmen zuzuordnen waren – und das unabhängig davon, ob der Bericht inhaltlich korrekt und formell sorgfältig erstellt worden war.

In bezug auf den uns heute vorliegenden Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 1997 können wir erfreulicherweise ausschließlich Positives festhalten. Er ist äußerst präzise und aufschlußreich und vom sachlichen Niveau her höchst anspruchsvoll erstellt. Auch ich darf mich dafür namens meiner Fraktion sowohl bei den Volksanwälten als auch bei ihren Mitarbeitern ganz herzlich bedanken.

Nicht minder aber entspricht er in weiten Teilen unseren kritischen Überlegungen zu den Defiziten in der Legislative wie auch in der Exekutive. Wenn wir zunächst geneigt waren, diesem Bericht unsere Zustimmung zu versagen, so waren wir allzu sehr an den unbefriedigenden Zuständen orientiert, wie sie gerade auch dieser Bericht aufzeigt. Bei näherer Betrachtung mußten wir allerdings feststellen, daß hier keineswegs dasselbe gilt wie bei vielen Berichten aus bestimmten Ressorts, ganz im Gegenteil: Die Volksanwaltschaft, die sozusagen an der Front nicht funktionierenden sozialen Zusammenlebens und von Defiziten der Gesetzgebung oder des Vollzugs der Gesetze steht, hat gerade aus ihren kritischen Befunden und negativen Erfahrungen heraus immer wieder entsprechende legistische Vorhaben und Veränderungen angeregt.

Wenn diesen in aller Regel höchstberechtigten Anliegen vom Parlament vielfach nicht entsprochen worden ist, so kann dies nicht der Volksanwaltschaft zugerechnet werden. Wir werden daher ihrem höchstprofessionellen und für die Rechtsreform äußerst anregenden Bericht im Ergebnis gerne zustimmen – dies ungeachtet des negativen Gesamtbefundes, der aber gerade der Volksanwaltschaft nicht vorzuwerfen ist. Wenn ich daher dennoch Kritik übe, so zielt diese allein auf den Gesetzgeber ab, der seine Aufgaben vernachlässigt. Gewiß mag es das Bild der realen Gegebenheiten verzerren, wenn zunächst der Eindruck entstehen mag, daß die Anregungen der Volksanwaltschaft für legislativpolitische Änderungen der Rechtslage weit überwiegend nicht umgesetzt worden sind. Denn – das wurde auch schon von meinen Vorrednern betont – über die Jahresberichte hinweg werden wohl nur die nicht erfüllten Desiderate weitergeschleppt, während die aufgegriffenen Vorschläge nicht mehr länger aufscheinen.

Selbst unter Berücksichtigung dieser erfolgten Rechtsänderungen, die der Volksanwaltschaft zu verdanken sind, verbleibt aber immer noch ein erhebliches Regelungsdefizit. Erlauben Sie mir die Hervorhebung bloß einzelner wesentlicher Vorschläge, die bis heute keine Umsetzung erfahren haben.

Vor allem möchte ich – wie schon mein Kollege Dr. Tremmel – die bereits im zweiten Jahresbericht geforderte Verbesserung der Rechtsstellung von Verbrechensopfern, das heißt der Gewährleistung von Hilfeleistungen an sie, erwähnen. Bis heute besteht lediglich ein Billigkeitsanspruch, der die Hinterbliebenen der Ermessensbeurteilung aussetzt, ob etwa der Unfall eines öffentlich Bediensteten auf Eigenverschulden beruht oder nicht. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Aber über diese konkrete Kritik hinaus verweise ich auch auf die Problembereiche und Kontrolldefizite, zu deren Behebung die Änderung der verfassungsgesetzlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen der Volksanwaltschaft erforderlich wären. Leider hat die Volksanwaltschaft diese aus Anlaß ihres 20jährigen Bestehens weitgehend vergebens eingemahnt, mit Ausnahme des erfreulichen Umstandes, daß Sie, sehr geehrte Volksanwälte, uns heute Bericht erstatten konnten. Vor allem die aus ganz unterschiedlichen rechtspolitischen Motiven erfolgten Ausgliederungen von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung an bestimmte Rechtsträger, an Gesellschaften des Handelsrechts oder Gesellschaften mit besonderer Rechtspersönlichkeit führen zu eklatanten und offenkundigen Kontrolldefiziten. Auch darauf wurde heute bereits hingewiesen.

Es ist insbesondere eine Kompetenzangleichung an die Prüfzuständigkeit des Rechnungshofes, der aufgrund eines parlamentarischen Auftrags ebenfalls eine umfassende Verwaltungskontrolle ausübt, zu fordern. Unternehmungen, Fonds, Stiftungen und Anstalten mit öffentlichen oder gemeinwirtschaftlichen Aufgaben wären dem Zuständigkeitsbereich der Volksanwaltschaft zuzuordnen. Die Kontrollzuständigkeit ist mit anderen Worten auch auf ausgegliederte Rechtsträger zu erweitern. Im selben Ausmaß muß auch die Volksanwaltschaft Empfehlungen erteilen können. Vor allem in bezug auf die Einwirkung auf die Legislative wäre es höchst begrüßenswert, wenn die Volksanwaltschaft auch an den zuständigen Fachausschüssen, in denen ihre Berichte zu behandeln sind, beteiligt werden könnte. Die Volksanwälte könnten dann dort ihre Erfahrungen aus der konkreten Verwaltungskontrolltätigkeit einbringen. Das wäre nicht zuletzt von der verwaltungsreformatorischen Aufgabe her dringend geboten.

Im einzelnen erhebe ich aber Kritik daran, daß abgesehen vom schon erwähnten Verbrechensopfergesetz insbesondere folgende legislativpolitischen Anregungen der Volksanwaltschaft vom Gesetzgeber bis heute nicht aufgegriffen worden sind. Weshalb werden bis heute bei unbegründeten Verwaltungsverfahren die Kosten nicht von der Verwaltungsbehörde getragen? – Im Strafverfahren ist dies immerhin in Fällen von Freisprüchen doch – wenn auch nur in sehr pauschaler Form – erreicht worden. Weshalb wird für psychisch Kranke und deren Angehörige keine zentrale Beratungs- und Serviceeinrichtung geschaffen? Weshalb werden keine eindeutigen Einstufungskriterien für pflegebedürftige Kinder und geistig beziehungsweise psychisch Behinderte geschaffen? Weshalb wird das strenge Antragsprinzip im Leistungsrecht der Sozialversicherung bei unverschuldeter Unterlassung der Antragstellung nicht gelockert? Kann man da noch von sozialer Rechtsanwendung sprechen?

Mit Recht hat die Volksanwaltschaft auch die Rücknahme der Verordnungskasuistik im Betriebsanlagenrecht aufgrund der Verordnungen Bundesgesetzblätter Nr. 850/1949 und Nr. 772/1995 gefordert. Ebenso mahnte die Volksanwaltschaft zur Abkehr vom strikten Parteienproporz gemäß Artikel 81 lit. a B-VG im Schulbereich. All diese Umsetzungsdefizite – ich könnte noch seitenweise weiter sprechen – sind scharf zu kritisieren. Sie sind jedoch, wie schon mehrfach betont, dem Parlament und keinesfalls der Volksanwaltschaft zuzurechnen. Diese hat sie vielmehr in überzeugender Weise aufgezeigt. Wir nehmen daher den vorliegenden Bericht mit Dank und Anerkennung zur Kenntnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr das Wort.

12.05

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Staatssekretär! Auch ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen kurz auf den Entschließungsantrag, eingebracht von Herrn Kollegen Dr. Tremmel, eingehen und kann dazu nur sagen, daß ich mich voll, auch namens meiner Fraktion, Ihren Ausführungen anschließen kann, Herr Präsident! Ich brauche dazu gar nichts weiter zu sagen. Inhaltlich hat Herr Präsident Weiss alles auf den Punkt gebracht.

Ich möchte nur noch folgendes dazu sagen, Herr Dr. Tremmel, weil ich gelesen habe, daß die Bundesregierung in diesem Antrag ersucht wird, der Volksanwaltschaft die Teilnahme an den


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Verhandlungen der Ausschüsse oder Unterausschüsse des Nationalrates und Bundesrates zu ermöglichen. Soviel ich weiß, sind Nationalrat und Bundesrat immer noch autonome Gremien, und ich meine, die Bundesregierung kann in keiner Weise Einfluß nehmen. Das beschließen die Gremien selbst.

Nun zum uns heute vorliegenden Bericht der Volksanwaltschaft 1996. Es ist schon bei meinen Vorrednern angeklungen, daß man die heutige Debatte dieses Berichtes im Plenum des Bundesrates als Premiere im Bundesrat betiteln könnte; man könnte sagen: eine gelungene Premiere mit hervorragenden Akteuren auf der Bühne, die ihre Rolle meisterlich beherrschen und mit großer Akribie, aber auch Sensibilität auf das Publikum, sprich das Volk, eingehen – so würde etwa Karl Löbl in der Sprache der Kulturkritiker resümieren. Die meisterliche Leistung des Regisseurs lag darin, diese Vorstellung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu haben, nämlich dem Bundesrat, der Länderkammer.

Meine Damen und Herren! Die Sitzung unseres Ausschusses für Verfassung und Föderalismus am vergangenen Dienstag, in der dieser Bericht behandelt wurde, wird mir lange in Erinnerung bleiben. Uns wurde mit vielen Beispielen vor Augen geführt, mit welchen Sorgen und Nöten Menschen in unserem Land konfrontiert sind, gegen die sie oft mit viel – ich möchte es so sagen – Gegenwind ankämpfen müssen, beziehungsweise wie groß das Engagement und das Einfühlungsvermögen unserer Volksanwälte bei der Lösung dieser an sie herangetragenen Fragen ist.

Wie aus dem vorliegenden Bericht zu entnehmen ist, steigt die Zahl der an die Volksanwaltschaft herangetragenen Fälle stetig an. Im Jahre 1966 wurden – einige Zahlen muß ich nennen – insgesamt 10 366 Anbringen – wie es in der Fachsprache heißt, dieser Ausdruck ist uns auch nicht so geläufig – an die Volksanwaltschaft herangetragen. Das ist eine Steigerung von 12,4 Prozent gegenüber dem Jahre 1995. Im Bereich der Beschwerdeanliegen, die zum Beispiel dem Ressort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zugeordnet waren und von Frau Volksanwältin Mag. Messner betreut werden, stieg dieser Prozentsatz um 12 Prozent von 559 auf 682 Fälle. Im Bereich der von Frau Volksanwältin Korosec betreuten Landes- und Gemeindeverwaltungsfälle betrug die Zunahme 14 Prozent, und im Aufgabenbereich von Herrn Volksanwalt Schender, zuständig für die Bundesministerien für wirtschaftliche Angelegenheiten, Inneres, Justiz, Landesverteidigung und Unterricht, lag die Steigerung ebenfalls bei rund 14 Prozent.

Ich meine, diese Zahlen zeigen, daß sich die Bürger in vermehrtem Maße ungerecht behandelt fühlen beziehungsweise sich nicht ohne weiteres mit negativen Bescheiden – aus welchen Gründen auch immer, das können wir nicht beurteilen – abfertigen lassen und deshalb den Weg zur Volksanwaltschaft suchen. Sie zeigen uns aber auch, wie wichtig diese Einrichtung für unsere Bürger ist, denn es sind – das haben wir auch im Ausschuß gehört – in erster Linie jene Leute, die es sich nicht leisten können, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden, um allenfalls zu ihrem Recht zu gelangen. Die Volksanwaltschaft ist eine Instanz ihres Vertrauens, die nichts kostet, wie Sie, sehr geehrte Frau Volksanwältin Mag. Messner, es im Ausschuß treffend formuliert haben.

Deshalb ist es umso wichtiger, daß die Volksanwaltschaft vor allem auch vor Ort ihre Leistungen anbietet. Dies geschieht bis jetzt in der Form, daß mindestens einmal im Jahr in jedem Bezirk unseres Landes ein Sprechtag abgehalten wird, zumeist in der Bezirkshauptmannschaft und seltener, so höre ich, in den Gemeinden. Ich meine auch, daß wir als Vertreter des Volkes im Bundesrat uns mehr einbringen und die Gemeinden auffordern sollten, vermehrt die Dienste der Volksanwaltschaft im Interesse der Bürger in Anspruch zu nehmen und deren Vertreter zu Sprechtagen in die Gemeinden einzuladen. Wie wir alle aus Erfahrung von unseren eigenen Sprechtagen wissen, ist bei vielen Menschen noch eine gewisse Hemmschwelle vorhanden, wenn sie zu einer Behörde gehen müssen, weil sie als sogenannte "Bittsteller" kommen.

Deshalb sollten die Volksanwälte ihre Sprechtage auch außerhalb von Bezirkshauptmannschaften durchführen; man kann ruhig in ein Gasthaus oder Kaffeehaus gehen, weil die Leute dann ungezwungener an die Sache herangehen. Dies sollte auch in kleineren Orten geschehen,


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denn dann hat die jeweilige Bevölkerung Gelegenheit, sich unmittelbar an die Volksanwälte zu wenden. Natürlich ist eine solche Reisetätigkeit nicht einfach zu bewältigen, noch dazu wenn man weiß – das war für mich eigentlich das Unfaßbare –, daß den Volksanwälten kein Dienstauto zur Verfügung steht.

Herr Staatssekretär! Diesbezüglich möchte ich jetzt auch Sie ansprechen, denn Sie sind doch für Finanzen zuständig. Man muß doch einmal sagen, daß an der falschen Stelle gespart wird. Ich könnte mir vorstellen, daß den drei Volksanwälten zumindest ein Dienstauto und ein Chauffeur zur Verfügung gestellt werden, denn sie könnten sich untereinander ausmachen, wann wer von Wien in die Bundesländer fährt. Es ist für mich unverständlich, daß da seitens der Regierung und des Finanzministeriums der Volksanwaltschaft nicht entgegengekommen wird, damit diese die Bürger noch mehr vor Ort besuchen und unterstützen kann.

Noch einmal auf den Inhalt des Berichtes zurückkommend: Ich muß leider feststellen, daß vor allem im Bereich von Sozialversicherungsangelegenheiten und Pensionsansuchen die Beschwerdehäufigkeit steigt. Das ist offensichtlich ein Zeichen – das ist heute schon angeklungen – für die immer schwieriger werdende Materie der Gesetze der Verständlichmachung von Pensionsberechnungen. Wie sehen Sie das, sehr geehrte Frau Volksanwältin?

Auch die starke Zunahme jener Fälle, die das AMS betreffen, bereitet mir Sorge. Wie könnte hier Abhilfe geschaffen werden? – Auch das ist heute schon öfter angeklungen. Ich meine, die Anregungen der Volksanwaltschaft müßten auch auf legistischer Ebene ihren Niederschlag finden.

Die Anregungen, die in den Begutachtungsverfahren gemacht werden, werden meines Erachtens ebenfalls nicht ernst genug genommen. Wir machen des öfteren in den Bundesländern die Erfahrung, daß eben diese Anregungen nicht voll in die Gesetzwerdung aufgenommen werden. All das sind Fragen, die wir uns im Bundesrat stellen müssen.

Abschließend möchte ich von dieser Stelle aus den Damen und dem Herr der Volksanwaltschaft herzlich für Ihr großes Engagement im Sinne unserer Bürger danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer das Wort. – Bitte.

12.13

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Herr Staatssekretär! Bevor ich auf einzelne spezielle Themen eingehe, möchte ich mich gerne dem Dank und den Lobeshymnen meiner Vorredner anschließen. Wir haben in den letzten Jahren sehr beeindruckende Berichte der Volksanwaltschaft bekommen; diese waren immer sehr aufschlußreich. Diese waren deswegen für uns aufschlußreich, weil wir mit der Volksanwaltschaft gleiche Zielsetzungen haben, nämlich vor allem dem sogenannten kleinen Mann Ängste und Sorgen zu nehmen, ihm zu dienen.

Daß wir nun heute hier das erste Mal auch einen Dialog mit den Volksanwälten führen, mit ihnen in eine Diskussion eintreten können, ist natürlich besonders begrüßenswert. Dafür sind wir auch sehr dankbar, und es wird uns auch hoffentlich die Bevölkerung dankbar sein, daß wir uns sozusagen in unserem gemeinsamen Bestreben kurzschließen.

Meine Damen und Herren! Wie schon erwähnt: Der sogenannte kleine Mann beschwert sich, oft scheint er mit geradezu banalen Dingen an die Volksanwaltschaft heranzutreten, wobei festzustellen ist, daß das für die Allgemeinheit vielleicht banale Dinge sind, die aber auf den einzelnen oft schwerwiegende Auswirkungen haben können, was seinen Lebensraum, seine Lebens- oder etwa seine Wohnqualität betrifft.

Weil ich selbst Betroffener bin, möchte ich mich gleich eingangs meiner Ausführungen mit dem Thema Beschattung von Hausgärten beschäftigen. Das ist ein Thema, das auch im vorliegen


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den Bericht sehr ausführlich angeschnitten wurde; auch in den letzten Berichten ist dieses Thema immer wieder erwähnt worden.

Infolge der Verbauungsdichte und im Hinblick auf die Tatsache, daß Grund und Boden immer kostbarer werden, werden auch die Baugründe immer kleiner. Mit Bedachtnahme auf den Umweltgedanken werden immer intensiver Pflanzen gesetzt, was mit der Nebenerscheinung verbunden ist, daß eine Beeinträchtigung der Nachbarn und ihrer Rechte durch übergroße, hohe Pflanzen erfolgt.

Es gibt diesbezüglich zwei Regelungsmöglichkeiten: Vor allem auf Landesebene ist man mit Ausnahme der Steiermark – die steirische Bauordnung wurde ergänzt beziehungsweise geändert – nicht zum Zug gekommen. Die Volksanwaltschaft hat sich ernsthaft bemüht, über eine Regelung, Änderung oder Novellierung des ABGB diesem Problem Herr zu werden. Ich höre, daß Gespräche mit dem zuständigen Ressortminister, dem Justizminister geführt worden sind, und würde gerne von der zuständigen Volksanwältin hören, inwieweit sich eine Lösung dieser Thematik abzeichnet.

Im fiskalischen Bereich habe ich durch meinen Zivilberuf als Notar selbst die Erfahrung gemacht, daß in den Bereichen Vermietung von Baulichkeiten beziehungsweise Verkauf von Grundstücken zur Errichtung von Baulichkeiten sehr große Rechtsunsicherheit, sehr große Rechtsunklarheit herrscht, auch in Form von Bauherrenmodellen in bezug auf die "Liebhaberei-Verordnung".

Der Bericht beschäftigt sich speziell mit der Thematik der Grunderwerbssteuerfrage, nämlich wann ein Grundstück als bebaut anzusehen ist und wann nicht. Selbstverständlich bin ich absolut für eine gesetzliche Regelung. Der Verwaltungsgerichtshof hat gewisse Richtlinien gegeben. Ich denke, daß man vielleicht auch in Form einer Verordnungsergänzung, eines Diensterlasses vorgehen könnte.

Noch schwerwiegender ist aber die Problematik bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer durch das Spannungsfeld, daß die Verlustperiode nicht anerkannt wird, aber die Gewinnperiode bei einer Vermietung von Baulichkeiten, Wohnungen, Eigentumswohnungen oder Häusern sehr wohl. Die alten Römer haben schon gemeint, das wären Löwengesellschaften, wenn, wie gesagt, nur ein Teil, nämlich die Gewinnperiode besteuert, aber die Verlustperiode mehr oder minder negiert würde und unter den Tisch fällt.

Der Verfassungs- und auch der Verwaltungsgerichtshof haben sich mit diesem Thema mehrfach beschäftigt. Die Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater haben viel zu tun. Auch Steuerwissenschafter beschäftigen sich mit diesem Thema. Wir hören, daß auch ein Diensterlaß im zuständigen Finanzministerium in Vorbereitung ist. Ich würde sowohl den anwesenden Staatssekretär, aber auch Sie, meine Damen und Herren Volksanwälte, bitten, sich der Sache anzunehmen und eine legistische Regelung voranzutreiben beziehungsweise zu erwirken.

Erfreulicherweise – das ist schon von meinen Vorrednern festgestellt worden – werden immer wieder Anregungen der Volksanwaltschaft bei der Gesetzgebung umgesetzt. Zuletzt war es die Änderung des Verteilungsgesetzes mit den neuen deutschen Bundesländern, nämlich der ehemaligen DDR.

Da gab es auch Jahre hindurch Beschwerden, weil der Restbetrag von 30 Prozent oder etwa 40 Millionen aus dem Entschädigungsverfahren allzu lange sozusagen hintangehalten worden ist, weil der sogenannte Verteilungsplan auf sich warten ließ. Aber das war dankenswerterweise eine Initiative der Volksanwaltschaft, die zum Erfolg geführt hat.

Alles in allem – ich habe es schon eingangs erwähnt –: Die Volksanwaltschaft ist heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, die Volksanwaltschaft hat quasi den Puls an den Problemen des täglichen Lebens. Wir vom Bundesrat, so glaube ich, würden uns gerne mit in diesen Dienst stellen und begrüßen außerordentlich, daß Sie hier sind und uns sozusagen zu einem Dialog zur Verfügung stehen. Ich möchte namens meiner Fraktion sagen, daß wir diesem


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Bericht selbstverständlich vorbehaltlos die Zustimmung geben werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Es hat sich Herr Volksanwalt Horst Schender zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

12.21

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als derzeitigem Vorsitzenden der Volksanwaltschaft ist es mir eine besondere Freude und Ehre, anläßlich dieser Premiere des ersten Auftretens der Volksanwaltschaft vor dem Bundesrat das Wort zu ergreifen.

Ich darf mich bei all den Rednerinnen und Rednern, die heute freundliche und anerkennende Worte über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft und über unser Wirken gefunden haben, aufrichtig bedanken. Ich darf Ihnen auch dafür danken, daß wir im Verfassungsausschuß des Bundesrates ein zweistündiges, äußerst intensives, hochinteressantes und für uns sehr informatives Gespräch führen durften, aus dem wir viele Anregungen für unsere weitere Tätigkeit und auch die Gewißheit mitnehmen konnten, daß unsere Anliegen auf großes Verständnis und viel Zustimmung bei den Mitgliedern des Bundesrates aller drei Fraktionen stoßen.

Auch die heutigen Wortmeldungen haben diesen Eindruck nur noch vertieft. Ich bedanke mich dafür ganz ausdrücklich in meinem Namen, aber auch namens meiner beiden Amtskolleginnen, die im Anschluß an meine Ausführungen auch noch aus ihrer Sicht Stellung nehmen werden.

Es ist für uns ungemein wichtig, auch bei Ihnen unsere Anliegen für den österreichischen Bürger vortragen zu dürfen. Es ist für uns deshalb ungemein wichtig, weil wir nicht nur für Prüfungen über Beschwerden über die Bundesverwaltung zuständig sind, sondern weil wir auch in sieben Bundesländern Landesvolksanwälte sind und wir in diesen sieben Bundesländern – mit Ausnahme der Bundesländer Tirol und Vorarlberg, es war schon in mehreren Wortmeldungen die Rede davon – auch die Anliegen der Gemeindebürger hinsichtlich der Gemeindeverwaltung und der Landesverwaltungen zu überprüfen haben.

Etwa 35 bis 40 Prozent unserer Tätigkeit befassen sich mit Kompetenzen der Bundesländer und der Gemeinden. Man kann also durchaus sagen, daß ein erheblicher Teil unserer Tätigkeit den Aufgaben der Landes- und Kommunalverwaltung gewidmet ist, wobei von diesem Aufgabenbereich Volksanwältin Korosec den Löwenanteil zu bearbeiten hat, während meine Wenigkeit und Frau Volksanwältin Messner überwiegend im Bereich der Bundesverwaltung tätig sind und überwiegend Kompetenzen der Bundesverwaltung zu betreuen haben.

Herr Bundesrat Dr. Tremmel hat eine Verbesserung der Arbeitsgrundlagen der Volksanwälte gefordert, was in diesem vorliegenden Bericht an den österreichischen Nationalrat im Anhang nachgelesen werden kann. Ich bedanke mich dafür, daß Sie, Herr Bundesrat, und eine ganze Reihe von anderen Rednern, auch aus den Fraktionen von ÖVP und SPÖ, diese Intentionen im Grunde genommen überwiegend positiv bewertet haben und daß Sie sich ihnen nicht entgegengestellt haben – mit Ausnahme der Bemerkung, wir könnten überfordert sein, wenn wir all das prüfen würden, was im Bereich der ausgegliederten Rechtsträger zu prüfen wäre.

Ich darf Sie beruhigen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir wären nicht überfordert, denn die Volksanwaltschaft prüft diese nunmehr ausgegliederten und auszugliedernden Bereiche schon seit 20 Jahren erfolgreich und zur Zufriedenheit der Bürger. Das glaube ich, auch sagen zu können. Nur wird uns diese Prüfzuständigkeit jetzt durch diese Ausgliederungen weggenommen. Es wird also etwas, das bisher geprüft werden konnte, unserer Überprüfung entzogen, und es entsteht in diesen neugeschaffenen öffentlich-rechtlichen Bereichen für viele Bürger ein Rechtsschutzdefizit.

Es bleibt der Bund Eigentümer und Betreiber dieser Institutionen, es werden eher nur aus budgettechnischen Überlegungen GesmbHs gegründet. Ich erlaube mir den Nebensatz – das ist auch aus zahlreichen Wortmeldungen immer wieder erkennbar –, daß man diese Ausgliederun


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gen primär deshalb vornimmt, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen und um das Bundesbudget und auch das Budget der Länder und der Gemeinden von Schuldenbelastungen zu befreien, die die Maastricht-Kriterien eher nicht erreichbar erscheinen hätten lassen, hätte man sie nämlich im Budget belassen. Daß sie jetzt ausgegliedert worden sind und in weiterer Folge noch ausgegliedert werden sollen, hat die Erfüllung dieser Kriterien erleichtert.

Das geht auch zum Beispiel aus einer Aufforderung des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters Hochmair in Oberösterreich an die Gemeinden hervor, der die Gemeinden auffordert, die Kanalisation, die Wasserversorgung und die Müllentsorgung aus den Gemeindebudgets auszugliedern – mit ebendieser Begründung. Herr Staatssekretär! Es wird ausdrücklich vom Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter betont, daß diese Begründung eine der Haupttriebfedern sei. Daher habe ich mir auch erlaubt, dieses Argument zur Sprache zu bringen, weil es von solch hoher Stelle als offizielles Argument den Damen und Herren Bürgermeistern von Oberösterreich gegenüber verwendet worden ist.

Es wird jedenfalls so sein, daß in Hinkunft Beschwerden über die Bundesforste, über die Bundesbahnen, über die Post, über die Bundestheater und viele andere ausgegliederte Bereiche nicht mehr an die Volksanwaltschaft gerichtet werden können. Nun stimmt es schon, daß die Gebarung dieser ausgegliederten Bereiche weiterhin vom Rechnungshof auf ihre rechnerische Richtigkeit, auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltung überprüft werden. Aber ob der Bürger dann mit diesen ausgegliederten Institutionen zufrieden ist, ob er mit der Behandlung durch diese ausgegliederten Bereiche auch zufrieden sein kann, das bleibt die Frage. Das ist nicht vom Rechnungshof zu bewerten und zu überprüfen.

Es werden die ausgegliederten GesmbHs, die weiterhin öffentliche Aufgaben wahrzunehmen haben, keine Bescheide mehr erstellen. Es wird auch die Möglichkeit der Berufung gegen diese Entscheidungen der ausgegliederten Bereiche nicht mehr gegeben sein. Es wird das zusätzliche – zugegebenermaßen ohnedies nicht allzu starke, unter Anführungszeichen gesetzt – "Rechtsmittel" der Beschwerde bei der Volksanwaltschaft auch noch genommen. Es entsteht also – ich glaube, das sagen zu können, und wir befürchten das sehr, auch meine beiden Amtskolleginnen teilen diese Befürchtungen durchaus – ein Rechtsschutzdefizit bei den Bürgern, weil sie in Hinkunft keine Beschwerde über die ausgegliederten Bereiche werden stellen können.

Der Herr Bundesminister für Finanzen ist heute von meinem Freund Dr. Tremmel zitiert worden. Er hat ihn natürlich, wie das seine Art ist, sehr verkürzt und etwas pointiert zitiert. Ich darf der Ordnung halber wörtlich verlesen, wie uns der Herr Bundesminister angeschrieben hat, und den einen besprochenen Satz, der von mir auch im Nationalrat – aber auch nur sinngemäß – erwähnt worden ist, wörtlich zitieren, damit kein Mißverständnis entsteht:

"Die Rechtsträger des privaten Bereiches handeln nicht mehr mit Hoheitsfunktion, sondern sind den allgemeinen Regeln des Wettbewerbes in einem offenen Markt ausgesetzt. Die Leitungsorgane treffen selbständig und eigenverantwortlich ihre Entscheidungen. Rechtsverletzungen sind von den Zivilgerichten zu ahnden."

Im Endeffekt läuft es natürlich darauf hinaus, daß man sagt: Wenn ihr Probleme mit den ausgegliederten Rechtsträgern habt, dann wendet euch an das Bezirksgericht, dann klagt euer Recht beim Bezirksgericht ein! – Das ist natürlich für den kleinen Bürger keine Hilfe, und diesen haben wir, meine Damen und Herren, in erster Linie zu vertreten. Nicht derjenige, der sich ohnedies selbst helfen kann, wendet sich überwiegend an die Volksanwaltschaft, sondern jener, der sich den Rechtsanwalt nicht leisten kann. Alte Mütter und Pensionisten wenden sich hilfesuchend an uns, weil sie mit dem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt oder der Pensionsversicherungsanstalt nicht zurechtkommen.

Jene kleinen Leute, die mit den Bescheiden der Bürgermeister hinsichtlich der Vorschreibung der Gebühren für Gemeindeabgaben nicht zurechtkommen, wollen das von uns zumindest erläutert haben und wollen von einer Institution wie der Volksanwaltschaft überprüfen lassen, ob sie von der Behörde gleichbehandelt und gerecht behandelt worden sind oder ob sie benachteiligt worden sind, wie sie meinen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vergessen Sie nicht: Es ist gar nicht so, daß wir in all den Fällen immer den Beschwerdeführern recht geben. Nur etwa 16 Prozent der Beschwerden sind berechtigt. In diesen Fällen von berechtigten Beschwerden allerdings können die Volksanwälte in 80 bis 90 Prozent der Fälle durchsetzen und erreichen, daß die Behörden ihre Entscheidungen rückgängig machen und durch rechtsrichtige ersetzen. Hier haben wir eine enorm hohe Erfolgsquote.

Bei den restlichen Beschwerdeführern, die sich nichtberechtigterweise über eine Behördenentscheidung beschwert haben, leisten wir auch und nicht zuletzt im Interesse der österreichischen Verwaltung eine enorme Aufklärungs- und Informationsarbeit. Wir erklären dem Bürger, warum der Bürgermeister, der Gemeinderat, die Landesregierung, das Ministerium so entscheiden mußte, wie sie entschieden haben, warum es korrekt war, so entschieden zu haben, und warum es sogar ungesetzlich gewesen wäre, anders zu entscheiden.

Wir begründen also in fünf von sechs Fällen den Bürgern gegenüber ausführlich, warum die Behörde so entschieden hat. Die meisten dieser Beschwerdeführer sagen nachher zu uns: Jetzt kenne ich mich endlich aus, jetzt weiß ich wenigstens, warum ich eine solch hohe Kanalanschlußgebühr bezahlen muß, warum die Behörde so entschieden hat. Jetzt kann ich wieder ruhig schlafen! – Das sagen uns viele.

Meine Damen und Herren! Diesen ruhigen Schlaf müssen sie sich ab jetzt beim Bezirksrichter holen. Daß die Leute zum Bezirksrichter gehen und dort über die Kanalgebühr eine Klage führen werden, das wage ich zu bezweifeln. Hier, so glaube ich, hofft man zu Recht, daß es die Leute scheuen werden, ihr vermeintliches Recht einzuklagen. Sie werden davor zurückscheuen, sich beschweren zu gehen. Das ist vielleicht für die ausgegliederten Rechtsträger angenehm, aber, meine Damen und Herren, ob es bürgerfreundlich ist, so mit den hilfesuchenden Bürgern zu verfahren, wage ich denn doch sehr stark zu bezweifeln.

Meine Damen und Herren! Es wird immer gesagt, es gehe einfach nicht – der Herr Bundesminister für Finanzen hat uns das auch sinngemäß mitgeteilt –, es sei nicht möglich, diese ausgegliederten Rechtsträger durch die Volksanwaltschaft überprüfen zu lassen.

Es gibt einen Präzedenzfall, nämlich das Arbeitsmarktservice. Man hat es für notwendig und richtig erkannt, über Vorschlag der Volksanwaltschaft und Antrag das Arbeitsmarktservice weiterhin, obwohl es ausgegliedert worden ist, der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft zu unterwerfen. Das funktioniert – ohne Frau Kollegin Messner vorgreifen zu wollen – klaglos. Hätte man damals im Nationalrat nicht beschlossen, diesen Bereich auch einer Kontrolle zu unterwerfen, würden all die Beschwerden über das Arbeitsmarktservice nicht möglich sein. Also ist es auch für andere Rechtsbereiche möglich, diese ausgegliederten Betriebe der Überprüfung durch die Volksanwaltschaft zu unterstellen.

Es wurde auch von der Fristsetzung von vier Wochen gesprochen, die wir beantragt und gegenüber dem Nationalrat vorgeschlagen haben. Dieser Wunsch wurde uns nicht gewährt. Man hätte uns allerdings – das muß ich gerechterweise sagen – angeboten, eine Frist in der Bundesverfassung zu verankern, und zwar eine 12wöchige Frist. Dazu haben wir alle drei einmütig gebeten, von dieser Begünstigung Abstand zu nehmen, denn eine 12wöchige Beantwortungsfrist durch die Behörden im Gesetz zu verankern, hieße, eine wesentliche Verschlechterung der jetzigen Situation herbeizuführen.

Denn jetzt wird uns üblicherweise nach zwischen vier, sechs und acht Wochen geantwortet. Nur manche wenige – ich sage jetzt: Gott sei Dank wenige – glauben, für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, daß sie sich 8, 12, 14 Monate lang zur Beantwortung von Anfragen der Volksanwaltschaft Zeit lassen können. Jene wollten wir durch eine gesetzliche Verankerung dieser Fristen durch den Nationalrat quasi unter Druck setzen können. Leider hat man uns diese Möglichkeit verwehrt.

Herr Bundesrat Meier hat sich sehr positiv zu unseren Wünsche geäußert. Ich darf mich bedanken, Herr Bundesrat! Er hat auch die Teilnahme der Volksanwälte an den Ausschüssen des Bundesrat sehr positiv bewertet, wofür ich mich auch sehr herzlich bedanke. Vielleicht könnte


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der Bundesrat ein Präjudiz schaffen und vielleicht etwas früher dran sein, so wie heute mit der Behandlung des 20. Parlamentsberichtes, als der Nationalrat. Vielleicht könnte der Bundesrat auch in der Frage der Einladung der Volksanwälte vorangehen, und vielleicht kommt der Nationalrat in ein paar Jahren irgendwann einmal nach.

Sie haben auch erfreulicherweise darauf verwiesen, Herr Bundesrat – dafür bin ich sehr dankbar –, daß wir in der Volksanwaltschaft nicht nur die Rechtmäßigkeit der Behördenentscheidungen und des Behörden-Handelns zu überprüfen haben, sondern auch die Billigkeit des Vorgehens von Behörden, nämlich das Entgegenkommen der Behörde dem Bürger gegenüber im Rahmen der gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten. Sicherzustellen, daß im Rahmen eines Entscheidungsspielraumes eine Behörde dem Bürger entgegenkommt, ist auch Sache der Volksanwälte.

Meine Damen und Herren! Es gäbe sicher noch einiges, was ich noch gerne gesagt hätte, aber ich habe jetzt einen Blick auf die Uhr geworfen und denke natürlich stets schon daran, daß ich meinen beiden Amtskolleginnen Messner und Korosec nicht die Redezeit und nicht Themen wegnehmen darf. Vor allem darf ich ihnen nicht das letzte Wort nehmen, denn wenn ein Mann das erste Wort hat – zwangsläufig ist es in diesem Jahr so, daß ein Mann den Vorsitz führt, das wird sich am 1. Juli nächsten Jahres ändern –, werden sicherlich die Damen das letzte Wort haben – bei der Berichterstattung und bei der Beantwortung Ihrer Wortmeldungen und Ihrer Anregungen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf daher zum Schluß kommen und mich nochmals ganz herzlich bei Ihnen für die sehr intensive und interessante Diskussion bedanken. Ich möchte mich auch für die unbürokratische Form der Diskussion im Ausschuß, die wir als äußerst wohltuend empfunden haben, bedanken, ebenso wie dafür, daß bei der Abwicklung einer Debatte wesentlich zweckmäßiger und effizienter vorgegangen wird als anderswo – ich sage es jetzt einmal so unklar und ungenau, Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, was ich damit meine.

Ich habe jedenfalls die Debatte als angenehm, als erbaulich und als für unsere weitere Arbeit enorm ermutigend gefunden. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Ihnen meinen aufrichtigen Dank aussprechen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

12.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Volksanwalt! Ich bitte, es nicht als Einladung, sondern als bloße Sachinformation zu verstehen, daß wir keine Redezeitbegrenzung haben. (Zwischenruf des Volksanwaltes Schender. )

Als nächster erteile ich Frau Volksanwältin Mag. Evelyn Messner das Wort. – Bitte.

12.40

Volksanwältin Hofrätin Mag. Evelyn Messner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohes Hauses! Ich möchte die Ausführungen des derzeitigen Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, Herrn Kollegen Schender, in einigen Punkten ein bißchen ergänzen, wie es den Gebräuchen bei uns im Haus entspricht. Weiters möchte ich auf einige konkrete Ausführungen aus Ihren Debattenbeiträgen eingehen.

Grundsätzlich darf ich sagen, daß wir in der Regel alle Belange, vor allem was die Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft betrifft, bei uns im Haus im voraus diskutiert haben. Zu den allgemeinen Anregungen und Ausführungen von Herrn Volksanwalt Schender möchte ich sagen, daß ich mich ihnen anschließe.

Ich möchte kurz die Ausführungen zu den ausgegliederten Rechtsträgern durch eine Zahl erweitern. Herr Volksanwalt Schender hat schon darauf hingewiesen, daß das Arbeitsmarktservice derzeit der einzige ausgegliederte Rechtsträger ist, bei dem die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft einfachgesetzlich festgeschrieben wurde. Immerhin 25 Prozent aller Beschwerdefälle aus dem Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffen das Arbeits


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marktservice. Das spricht meiner Ansicht nach dafür, daß man sich sehr ernstlich überlegen muß, was man in dieser Hinsicht weiter vorhat. Ich denke, man sollte die Leute nicht einfach nur auf den Zivilrechtsweg verweisen, denn das ist für den kleinen Mann und die einfache Frau auch eine Kostenfrage. Ich möchte auch von meiner Warte aus alle Fraktionen bitten, über diese Anregung der Volksanwaltschaft nachzudenken.

Im Anschluß daran möchte ich kurz auf die Ausweitung im Bereich der sozialen Beschwerden zu sprechen kommen. Es zeigt sich insbesondere auch an der Zahl der Beschwerden, die das Arbeitsmarktservice betreffen, sicherlich die existentielle Bedrohung, der Menschen ausgesetzt sind, wenn sie trotz eines sehr engmaschigen Sozialnetzes immer noch durch dessen Maschen rutschen. Ich glaube, daß es eine Aufgabe der Volksanwaltschaft ist – und im konkreten meine Aufgabe sowie die Aufgabe meiner Mitarbeiter, weil ich für diesen Bereich zuständig bin –, immer wieder darauf hinzuweisen, daß es im legistischen Bereich weitere Verbesserungen für diese Menschen geben sollte.

Dabei möchte ich auf ein wesentliches Problem aufmerksam machen – es wurde bereits von Herrn Bundesrat Dr. Böhm und von Frau Bundesrätin Schicker angesprochen –, und das ist die Frage des Antragsprinzips im sozialen Bereich. Es gibt dazu einen konkreten Vorschlag, und es gab auch schon einmal einen entsprechenden Ressortvorschlag im zuständigen Bundesministerium, der allerdings leider nicht Eingang in die Regierungsvorlage gefunden hat. Ich werde nicht müde werden, immer wieder darauf hinzuweisen: Es geht darum, daß soziale Leistungen, in dem Fall konkret Hinterbliebenenpensionsansprüche, nur sechs Monate lang nach dem Tod des betreffenden Bezugsberechtigten beziehungsweise des ursprünglich Anspruchsberechtigten eingebracht werden können, um rückwirkend in Kraft zu treten.

Wenn man Volksanwalt ist, erlebt man Dinge, die unter dem Motto laufen: "Sachen gibt es, die gibt es gar nicht." – Es gibt tatsächlich Menschen – vor allem sind es oft alte Frauen –, die erst später von diesem Anspruch erfahren. In einem konkreten Fall, den ich bearbeitet habe, sind bis dahin Jahre vergangen. Daher meine ich, daß von seiten des Gesetzgebers eine Rückwirkung auf fünf Jahre in Betracht gezogen werden sollte. Ich wäre sehr dankbar, wenn es Ihnen als Mitgliedern des Bundesrates möglich wäre, sozusagen ein bißchen werbend dafür einzutreten.

Denn ich denke nicht, daß sich in einem Sozialstaat wie unserem, in dem – wie ich schon gesagt habe – die Maschen sehr eng geknüpft sind, ein Informationsmangel aufgrund der regionalen Herkunft, der bildungsmäßigen Herkunft oder vielleicht auch der persönlichen Alterssituation sich so auswirken soll, daß jemand letztendlich nicht zu einem Anspruch kommt, den wir als Gesellschaft normiert haben.

Ich möchte Sie bitten, diesem Punkt des vorliegenden Berichtes – er ist nicht das erstemal aufgenommen worden und wird wahrscheinlich nicht zum letztenmal aufgenommen worden sein – besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich denke, ich werde es mit der Frage der Lockerung des Antragsprinzips im sozialen Bereich so halten wie mit dem Verbrechensopfergesetz, das heißt, ich werde solange darauf hinweisen, bis es vielleicht irgendwann einmal doch umgesetzt werden kann.

Nunmehr möchte ich kurz auf die Debattenbeiträge von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel und Herrn Bundesrat Dr. Böhm eingehen, insoweit sie das Verbrechensopfergesetz betreffen. Tatsächlich liegt dazu bereits eine Reaktion des Ressorts vor. Denn die Ressorts nehmen der Volksanwaltschaft gegenüber immer schriftlich zu den einzelnen Punkten im Bericht Stellung. In diesem Fall gibt es allerdings keine positive Äußerung, denn mit Schreiben vom 17. November 1997 stellt das zuständige Ressort fest, es sei aus fiskalischen Gründen nach wie vor nicht möglich, dabei eine Änderung vorzunehmen. Dazu möchte ich anmerken, daß die Zahl der Beschwerden meiner Ansicht nach nicht so groß ist, daß das Geld dabei tatsächlich eine Rolle spielt. Aus dem Kalenderjahr 1997 ist mir ein Beschwerdefall bei der Volksanwaltschaft bekannt, der darauf Bezug nimmt.

Ich denke, man sollte vielleicht zwei Sätze darüber sagen, aufgrund welcher Überlegungen solch eine legistische Anregung – ich kann das eher nur für den sozialen Bereich sagen – zustande


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kommt. Ich sehe da entweder die Möglichkeit, daß es gravierende Einzelfälle gibt, in denen für den einzelnen Bürger oder die einzelne Bürgerin besondere Härte besteht, sodaß man den Fall aus diesem Grund zu einer legistischen Anregung umarbeitet, oder die Möglichkeit, daß es zu einer besonderen Häufung von Beschwerden kommt und man deshalb glaubt, daß das notwendig ist – auch in dem Sinn, in dem Herr Bundesrat Dr. Linzer von den Volksanwaltschaft "am Puls der Zeit" gesprochen hat.

Ebenso muß sich die Volksanwaltschaft meiner Ansicht nach am Puls der Beschwerden der Bürger wie eine Art Hörrohr verpflichtet fühlen, den Gesetzgebern – selbstverständlich den Bundesgesetzgebern Nationalrat und Bundesrat, aber auch den Landesgesetzgebern – mitzuteilen, in welchen Bereichen es schwerwiegende oder häufigere Fälle gibt, in denen Menschen offensichtlich mit der geltenden Rechtslage nicht zu Rande kommen beziehungsweise in denen aus der geltenden Rechtslage Härten entstehen.

Ich meine, daß das eine wesentliche Aufgabe der Volksanwaltschaft ist, und ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen – Herr Bundesrat Dr. Böhm ist auf die pflegebedürftigen Kinder eingegangen –, daß ich sehr froh darüber bin – dies ist die Länderkammer –, daß die Bundesländer in ihren Landespflegegeldgesetzen nun der Anregung der Volksanwaltschaft gefolgt sind und durchwegs Härteklauseln für pflegebedürftige Kinder unter drei Jahren eingeführt haben.

Das ist eines der positiven Beispiele, und ich denke, daß es sicherlich nicht sehr viele betrifft. Aber dort, wo es Eltern betroffen hat, waren das schwerwiegende Härtefälle für die Familien. In dieser Hinsicht ist meiner Ansicht nach die Tendenz zur legistischen Anregung seitens der Volksanwälte zu verstehen.

Das ist es auch, was ich mir persönlich von einer allfälligen fallweisen Teilnahme an Ausschüssen versprechen würde. Ich denke, ich befinde mich damit in Meinungsübereinstimmung mit meinen verehrten Amtskollegen. Es ist von unserer Seite sicherlich nicht so gedacht, daß wir zu jedem Ausschuß immer etwas sagen wollen, sondern wir möchten die Möglichkeit haben, dann zu argumentieren, wenn es uns besonders wichtig erscheint.

Gestatten Sie mir noch einen Satz zum Bereich der Medienarbeit. Herr Bundesrat Meier hat die frühere Sendung "Ein Fall für den Volksanwalt" angesprochen und hat gemeint, daß es sicherlich wünschenswert ist, wenn die Volksanwaltschaft auch Medienarbeit betreibt beziehungsweise wenn über den Weg der medialen Verbreitung auch Information verbreitet werden kann, die zu besserer Aufklärung der Bürger dient. Wir haben damit, daß diese eigene Sendung nicht mehr existiert, sicherlich eine wesentliche Schiene an Informationsmöglichkeit verloren. Aber es hat wenig Sinn, Dingen von vorgestern nachzutrauern. Man sollte das Beste aus der Situation machen, und wir bemühen uns darum.

Wenn wir unsere Sprechtage in den Bundesländern abhalten, haben wir einigermaßen regelmäßig die Möglichkeit, an Servicesendungen der regionalen Hörfunkstudios teilzunehmen. Das ist in der Gestaltung zwar je nach Bundesland unterschiedlich, aber es können dadurch in relativ vielen Bundesländern die Volksanwälte vom Hörer oder von der Hörerin telefonisch direkt kontaktiert werden, zum Teil auch in Live-Sendungen, was nicht immer ganz einfach ist. Aber meiner Ansicht nach wird uns das von den Hörfunkstudios der einzelnen Landesstudios generell gerne angeboten und von unserer Seite auch gerne wahrgenommen.

Wir sind bemüht, uns auch auf den Serviceleisten des österreichischen Fernsehens so oft wie möglich auszusprechen. In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, daß Herr Kollege Schender im "Help-TV" eingeladen war. Früher waren wir auch einige Male in "Konflikte" zu Gast, aber das hat abgenommen, und die Einladungen in die "Konflikte"-Sendung stagnieren derzeit völlig. Wir werden aber jetzt des öfteren zu Statements in "Willkommen Österreich" gebeten, und auch das ist eine Möglichkeit, die wir gerne wahrnehmen.

Wir bemühen uns vor allem, über regelmäßige Pressedienste auch die Printmedien für die Arbeit der Volksanwaltschaft zu interessieren. Es sind vor allem die Bundesländer-Zeitungen, insbesondere kleinere Bundesländer-Zeitungen, die anläßlich unserer Sprechtage gerne diese


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Möglichkeit wahrnehmen, und dafür sind wir auch dankbar. Denn insbesondere die Menschen, die in der Regel auf unsere Hilfe angewiesen sind oder sie besonders brauchen, sind zugleich Leserinnen und Leser dieser regionalen Blätter. Auf diese Art und Weise versuchen wir, die Dienste der Volksanwaltschaft den Menschen noch stärker anzubieten, von denen wir meinen, daß es notwendig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Generell möchte auch ich mich für die Möglichkeit bedanken, daß wir heute das erste Mal den Bericht der Volksanwaltschaft hier im Plenum des Bundesrates präsentieren können. Auch ich möchte mich ganz persönlich für die wirklich sehr angenehme und – dieses Gefühl habe ich – sehr effiziente Diskussion im Ausschuß für Verfassung und Föderalismus bedanken. Ich denke, damit hat man ein gutes Stück Arbeit weitergebracht. Wenn Sie es auch so empfunden haben wie wir, dann – so denke ich – war das im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein wesentlicher Schritt zu ein wenig stärkerer Ausnützung demokratischer Möglichkeiten. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

12.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Ingrid Korosec. Ich erteile es ihr.

12.53

Volksanwältin Ingrid Korosec: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch für mich ist es selbstverständlich eine große Freude, im 21. Jahr des Bestandes der Volksanwaltschaft erstmals in der zweiten Kammer dabei zu sein. Die Verfassungswissenschaft sieht die Volksanwaltschaft als Hilfsorgan der gesetzgebenden Körperschaft, und eigentlich ist das erst heute, mit unserer Anwesenheit hier, so, weil die zweite Kammer bisher ausgeschlossen war.

Bevor ich auf die direkten Fragen eingehe, möchte auch ich mich recht herzlich bedanken, und zwar erstens einmal beim Ausschuß. Ich muß sagen, es war ein Vergnügen – Ausschüsse sind in der Regel nicht vergnüglich, und ich kenne das auch von der anderen Warte aus, weil ich zehn Jahre lang diesem Haus angehört habe –, es war ein Vergnügen, in diesem Ausschuß dabeisein zu dürfen und die sehr qualifizierten Fragen zu beantworten. Man hat gesehen, daß sich die Damen und Herren Bundesräte mit unserem Bericht – und damit selbstverständlich auch mit den Sorgen und Anliegen der Bürger – auseinandergesetzt haben. Dafür recht herzlichen Dank!

Recht herzlichen Dank sagen möchte ich auch für das Lob für uns – wer hört Lob nicht gerne! – und für unsere Mitarbeiter. Wir werden diesen Dank gerne weitergeben. Ich möchte besonders hervorheben, daß es in der Volksanwaltschaft ausgezeichnete Juristinnen und Juristen gibt. Das ist die Voraussetzung für ihre Tätigkeit, aber genauso wichtig ist – insbesondere bei dieser Arbeit – ein besonders ausgeprägtes soziales Gewissen, und das ist bei unseren Mitarbeitern in reichem Maß gegeben. Auch daher herzlichen Dank für Ihr Lob!

Grundsätzlich verstehen wir Volksanwälte uns als Serviceeinrichtung zur Wahrung der Bürgerrechte, als eine Einrichtung, die das Parlament beschlossen hat, die aber – das tut uns weh – vom Parlament nicht in dem Ausmaß genützt wird, als sie genützt werden könnte. Ich möchte daher auch herzlichen Dank sagen für alle Unterstützung, die uns in diesem Bereich von Ihnen gegeben wird. Denn jede Form der Zusammenarbeit, jedes Gespräch, das wir führen können – ob es um Einzelfälle geht oder um Fälle, die viele betreffen –, steht im Interesse der Bürger dieses Landes.

Nun zu ein paar konkreten Fragen. Zunächst zu Herrn Bundesrat Weiss bezüglich Bergrechts: Diese Berggesetznovelle ist noch in Begutachtung. Die Volksanwaltschaft – in dem Fall Kollege Schender, weil es sein Bereich ist – hat genau die Anliegen, die heute vorgebracht wurden, in der Begutachtung bekanntgegeben. Vielleicht gibt es noch die Möglichkeit, nach der heutigen Diskussion näher darauf einzugehen.

Heute wurde sehr viel von Ausgliederungen gesprochen. Ich möchte jetzt nicht wiederholen, wie wichtig es wäre, daß wir bei Ausgliederungen die Prüfkompetenz behalten. Aber ich finde es ein bißchen zynisch, wenn man sagt, daß in solchen Fällen eben das Bezirksgericht konsultiert wer


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den möge. Abgesehen von den Kosten und abgesehen davon, daß der kleine Bürger oder die kleine Bürgerin sich scheut, zu Gericht zu gehen, frage ich Sie: Ist die Unfreundlichkeit einklagbar, die den Bürger möglicherweise auch belastet? – Dazu muß ich sagen, daß wir über diese Feststellungen des Finanzministeriums sehr erstaunt waren.

Frau Kollegin Messner hat die Öffentlichkeitsarbeit bereits erwähnt. Wir sind sehr dankbar, wenn wir Ihre Unterstützung haben, insbesondere wenn wir in den Ländern unsere Sprechtage abhalten. Wir sind sehr viel in Österreich unterwegs. Es wäre schön, wenn Sie uns dabei auch noch unterstützen könnten; es kann nie zuviel sein: Tue Gutes und rede darüber! – Wenn die Bürger wissen, daß wir kommen und für sie da sind, dann werden sie auch davon Gebrauch machen. Wenn sie aber erst zum letztmöglichen Zeitpunkt, nämlich an dem Tag, an dem wir schon dort sind, eine kleine Anzeige in der Zeitung lesen, dann ist eine Konsultation oft gar nicht mehr möglich. Daher sind wir für jede Unterstützung dankbar.

Frau Bundesrätin Schicker hat vorgeschlagen, wir sollten die Sprechtage auch auf unkonventionellen Plätzen abhalten. Ich freue mich sehr darüber, Frau Bundesrätin, weil ich das tue, und zwar aus der Überzeugung heraus, daß eine Schwellenangst vorhanden ist. Dazu ein praktisches Beispiel, meine Damen und Herren Bundesräte: Es kann durchaus vorkommen, daß sich ein Bürger oder eine Bürgerin über einen Beamten der Bezirkshauptmannschaft beschweren will. Welch eine Hürde ist es, sich dort anzumelden und zu sagen: Ich möchte zum Volksanwalt oder zur Volksanwältin kommen!

Daher gehen wir – neben den Terminen, die wir in den Bezirkshauptmannschaften haben – auch in Kaffeehäuser oder Gasthäuser. Ich werde am Montag und Dienstag nächster Woche in Vorarlberg sein und mich in der Mittagspause in einem Kaufhaus aufhalten. So etwas wird sehr gerne angenommen, und oft sagt uns der Bürger oder die Bürgerin: Ich wäre nicht ins Amt gekommen, aber hier im Kaffeehaus redet es sich leichter. – Deshalb gebe ich Ihnen durchaus recht, und möglicherweise – wenn es die Zeit erlaubt – werden wir das auch noch ausdehnen.

Herr Bundesrat Dr. Linzer hat das Problem der Beschattung von Hausgärten angesprochen. Gerade dieses Beispiel ist geeignet, die ganze Bandbreite unserer Tätigkeit zu veranschaulichen. Denn wir sehen unsere Aufgabe nicht nur darin, die Vollzugsdefizite, welche die Bürgerinnen und Bürger belasten, oder die Vollzugsfehler von Behörden aufzuzeigen, sondern jede Kontrollinstanz hat auch die Aufgabe, reformatorische Anmerkungen zu machen. Das ist sehr wichtig und entscheidend. Auch dazu ein offenes Wort: Das Wirken im nachhinein ist wichtig und notwendig, aber wir müssen auch sagen, daß die Kontrolle manchmal auch wirkungslos ist. Auch das soll hier aufgezeigt werden.

Ich werde bei fast jedem Sprechtag innerhalb und außerhalb Wiens auf die Beschattung der Hausgärten angesprochen; gerade deshalb muß man das aufzeigen. Wir haben es gemacht. Wir haben es in den Berichten aufgezeigt. Die Landesgesetzgeber versuchen es, soviel ich weiß – auch das Burgenland –, allerdings mit einer Maßnahme, die auch nicht so zielführend ist. Denn: Der Erlaß einer Verordnung, aufgrund derer im ganzen Ort kein lebender Zaun über zwei Meter hoch sein darf, ist auch nicht gerade sehr sinnvoll. Das ist vielleicht in 80 Prozent der Fälle gar nicht notwendig, wahrscheinlich nur in 20 Prozent der Fälle. Aus diesem Grund meinen wir, daß es eine bundesgesetzliche Regelung im ABGB geben muß – das wäre im § 422 – oder eine Novellierung des § 364 Abs. 2. Damit wäre dies individuell lösbar und auch zivilrechtlich einklagbar.

Es wurde in den Berichten aufgezeigt, aber wir haben kein Gehör gefunden. Erst durch ein persönliches Gespräch mit Justizminister Michalek haben wir erreicht, daß nächste Woche ein Orientierungsgespräch mit allen Experten von Länderebene, Wissenschaft, Justizministerium und Volksanwaltschaft stattfinden wird. Ich hoffe, daß wir dann bald zu einer Lösung kommen werden.

Stichwort: Bauherrenmodell. – Auch diesbezüglich haben wir Vorschläge gemacht. Derzeit ist der Finanzminister nicht bereit, auf unsere Vorschläge einzugehen. Er hat uns dies mitgeteilt.


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Bei der Novelle DDR hatten wir Erfolg. Aber auch da möchte ich auf folgendes hinweisen: Es geht um 136 Millionen Schilling, die die österreichische Republik 1990 für die Verteilung an Geschädigte bekommen hat. 70 Prozent wurden ausbezahlt, 30 Prozent nicht. Seit Jahren weist die Volksanwaltschaft darauf hin, daß man die 30 Prozent zur Auszahlung bringen soll. Immer wieder ist dies negiert worden – Papier ist geduldig, darauf steht es geschrieben, aber es ist nichts geschehen.

Ein Gespräch mit Finanzminister Edlinger im Sommer dieses Jahres – ich war persönlich bei ihm und habe dies aufgezeigt – hat dazu geführt, daß es nun eine Novelle gibt, die bereits beschlossen ist, die auch im Bundesrat bereits beschlossen wurde. Damit wird dieses Problem in den nächsten Monaten gelöst sein.

Was will ich damit sagen? – Dasselbe, was meine zwei Vorredner auch sehr klar zum Ausdruck gebracht haben: Überall dort, wo man die Möglichkeit hat, im persönlichen Gespräch auf die Probleme aufmerksam zu machen, gibt es rasche Lösungen. Das heißt, wenn wir die Möglichkeit haben, bei Ihnen in den Ausschüssen, bei Nationalratsausschüssen persönlich anwesend zu sein – und zwar nur dort, wo wir etwas zu sagen haben, das ist nicht in jedem Ausschuß der Fall –, dann bin ich davon überzeugt, daß vieles rascher gelöst werden kann – nicht im Interesse von uns, sondern im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Denn als Volksanwältin sehe ich meine Aufgabe ausschließlich darin, im Auftrag von Ihnen für die Menschen in diesem Land zur Verfügung zu stehen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.04


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte sehr.

13.04

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Die Ausführungen des Herrn Präsidenten Weiss, aber vor allem auch der Frau Kollegin Schicker haben mich dazu veranlaßt, eine Klarstellung vorzunehmen. Sie haben in Ihren Wortmeldungen sinngemäß beklagt, daß die Bundesregierung für den Entschließungsantrag die falsche Adresse sei.

Ich darf Sie darüber informieren, daß 95 Prozent der Gesetze auf Regierungsvorlagen fußen und daher selbstverständlich für die Thematik der Volksanwaltschaft die Regierung die richtige Adresse ist.

Meine Damen und Herren! Die zweite Klarstellung meinerseits: Ich bedauere es, daß beide Fraktionen – ÖVP und SPÖ – sehr wohl die Sinnhaftigkeit der Volksanwaltschaft und deren Weiterentwicklung in Form eines Entschließungsantrags erkennen, aber nicht die Bereitschaft haben, dieser Entschließung beizutreten.

Meine Damen und Herren! Genau das ist die Situation, wie wir sie über die Volksanwaltschaft beklagen. Dort, wo wir entscheidend sind, dort, wo wir Instrumentarien in der Hand haben und letztlich die Volksanwaltschaft damit ausstatten könnten, dort fehlt es Ihnen wieder an Mut, Nägel mit Köpfen zu machen, also die Volksanwaltschaft weiterzuentwickeln.

Meine Damen und Herren! Dritter Punkt: Wenn es Ihnen darum geht, daß dieser Entschließungsantrag von uns Freiheitlichen stammt, Sie also Berührungsängste mit uns haben – wir haben kein Problem –, dann schenken wir Ihnen die Patronanz beziehungsweise die Vaterschaft für diesen Antrag, aber nur, wenn Sie bereit sind, das Instrument der Volksanwaltschaft wirklich weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren! Ich halte abschließend fest: Wenn Sie Ihren Beitrag selbst ernst nehmen, dann schlagen wir Ihnen vor: Wir übertragen beziehungsweise schenken Ihnen diesen Entschließungsantrag betreffend den Ausbau der Menschenrechte und der demokratischen Einrichtungen. Ich sage noch einmal: Wir haben keine Berührungsängste, wenn es darum geht, die Volksanwaltschaft weiterzuentwickeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.07


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Frau Bundesrätin Johanna Schicker hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich erteile Ihr unter dem Hinweis auf die Redezeitbegrenzung von fünf Minuten das Wort.

13.07

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Danke, Herr Präsident! Lieber Kollege Weilharter! Ich kann dir diesen Erfolg leider nicht gönnen. Ich bin da mißverstanden worden, oder ich habe mich nicht richtig ausgedrückt.

Ich habe in bezug auf den Entschließungsantrag nur gesagt, daß es mir nicht bekannt ist, daß es Sache der Regierung sei, zu entscheiden, ob die Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse sowohl des Nationalrates als auch des Bundesrates teilnehmen können. Nur das habe ich gesagt, denn das sind zwei autonome Gremien.

Ich lasse mir jetzt, wenn wir auch sonst freundschaftlich sehr gut verkehren, nicht unterstellen ... (Rufe: Aha!)  – Wir sind zwei Steirer! Ich lasse mir das aber trotzdem nicht unterstellen. Das hat mit der Gesetzwerdung – ob es nun Gesetze über Regierungsinitiative oder über Initiativanträge des Nationalrates betrifft – nichts zu tun. Das allein war meine Aussage. Ich bitte dich, das zur Kenntnis zu nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher abgelehnt.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Einkommensteuergesetz 1988, das Feuerschutzsteuergesetz 1952, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz, das Parteiengesetz, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Familienberatungsförderungsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das Bundesgesetz, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz erlassen werden, geändert werden (2. Budgetbegleitgesetz 1997) (887 und 901/NR sowie 5559 und 5562/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: 2. Budgetbegleitgesetz 1997.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend das 2. Budgetbegleitgesetz 1997.

Der Kurs der Budgetkonsolidierung, wie er in den von der Bundesregierung vorgelegten Entwürfen eines Bundesfinanzgesetzes 1998 und 1999 vorgezeichnet ist, erfordert budgetwirksame Änderungen einer Anzahl von Bundesgesetzen.

Die Änderungen der verschiedenen Bundesgesetze werden auf das 1. Budgetbegleitgesetz 1997, das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 und auf das gegenständliche 2. Budgetbegleitgesetz 1997 aufgeteilt.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 18. November 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

13.10

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Aufforderung des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, können wir Freiheitliche nicht nachkommen.

Mit diesem Budget und mit dem heute zu behandelnden Begleitgesetz verhält es sich so wie mit dem Euro: versprechen, vertrösten, verschweigen.

Ich bin sehr froh, daß ich den Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion, Bundesrat Konečny, zu diesem Thema zitieren darf. Er forderte – das wurde schon bei der vorangegangenen Debatte zitiert – die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes, weil durch die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes eine völlig unnötige Verunsicherung in weiten Kreisen der Bevölkerung entstehen könnte.

Herr Bundesrat Konečny bezieht sich dabei auch auf eine Aussage des Zweiten Nationalratspräsidenten, Dr. Heinrich Neisser, der seine eigene Partei aufgrund dieser Vorgangsweise, nämlich des Nichtbehandelns der vorangegangenen Begleitgesetze, schärfstens kritisiert hat. Bundesrat Konečny erinnerte auch ÖVP-Obmann Andreas Khol an dessen eigene Worte, Khol habe noch am 5. November der Opposition in einer Aussendung vorgeworfen, sie würde mit Geschäftsordnungstricks die Pensionsreform, die wir dringend brauchen, verhindern wollen. In der gleichen Aussendung erklärte Khol, daß dafür gesorgt werde, daß diese Reform auch zeitgerecht durchgebracht werde. – Das wollen wir einmal sehen, nicht wahr? Denn, wenn es durchgehen sollte, bleiben der Verwaltung nur noch sieben Werktage in der Weihnachtszeit; ob das glückt, ob die Verhandlungen über die Bundesbahnpensionen nächstes Wochenende erfolgreich abgeschlossen werden können, das steht noch in den Sternen.

Wir behandeln heute ein Begleitgesetz, welches eigentlich auf die derzeit nicht vorhandenen vorangegangenen Begleitgesetze aufbauen müßte. Es ist kein Zufall, daß sich gerade in der letzten Zeit einige hochbekannte Kapazitäten der juridischen Fakultät mit der Gesetzwerdung und der Gesetzgebung in Österreich auseinandersetzen. Zum Beispiel wird Professor Schwind –am 17. 11. 1997 – zitiert: Der Gesetzgeber ist völlig überfordert. – Meine Damen und Herren! Wir sind die Gesetzgeber! Lassen wir uns überfordern? Von wem? Wer zwingt uns, diese Überforderung annehmen zu müssen?


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Es wird uns, ebenfalls von Professoren, auch EU-Blindheit vorgehalten. Das kann man natürlich in zwei Richtungen deuten, aber ich nehme zur Kenntnis: EU-Blindheit wird uns vorgeworfen.

Oder: Professor Tomandl wird am 13. 11. 1997 zitiert: Wo es zuviel Recht gibt, gibt es keines mehr. Die Gesetzgebung ist zu kasuistisch, sie geht auf jeden Einzelfall ein. Dies gehört nicht unbedingt zu unserem heutigen Thema, aber wir behandeln eine Abfolge von Gesetzen, nicht nur ein Budget. Meine Damen und Herren! Wie hier, in diesem Hohen Haus, Gesetze gemacht werden, ist unter jeder Kritik. Das muß gesagt werden. Wenn junge Studenten aus der Universität hierherkämen, würden sie das Lehrbeispiel vorgesetzt bekommen, wie man die Umsetzung der gelernten Juristerei nicht betreiben darf, leider aber betreiben kann. Das ist für mich eine Tatsache. Wir alle sind hier nicht Juristen, das ist auch gar nicht notwendig, aber in allen unseren Stäben gibt es Juristen und in den Ministerien auch. Man kann eigentlich sagen: Der gesamte Rechtsstaat ist durch diese Vorgangsweise, durch diese jahrelange schlampige Behandlung im rechtlichen Bereich, in Gefahr.

Das Recht ist für den Bürger, aber auch für uns Politiker oftmals – wahrscheinlich sehr oft – nicht mehr verständlich, sondern bestenfalls für eine eingeweihte Klasse von Schriftgelehrten, was aber nicht heißt, daß diese Schriftgelehrten wiederum die Universitätsprofessoren sind; im Gegenteil: Diese möchte ich davon ausnehmen, sie kritisieren diese Vorgangsweise.

Unter anderem gehört zu diesen Vorgangsweisen das heute zu besprechende Gesetz. Als ob Professor Tomandl dieses Gesetz vor Augen gehabt hätte, kritisiert er die steigende Quantität, mit der die Wirksamkeit abnimmt. Wir behandeln ein Gesetz, und in diesem Gesetz werden 19 Gesetze novelliert, also im Grunde genommen behandeln wir heute 19 Gesetze, die in dieser Form nicht mehr lesbar sind. Ich möchte niemanden fragen, wie er das macht. Der Volksanwalt ist die Folge davon, weil man die Gesetze nicht mehr richtig interpretieren kann.

Professor Tomandl kritisiert auch die mangelhafte Formulierfähigkeit des Gesetzes, die auch ein Ergebnis von Kompromissen ist, wobei nichts gegen Kompromisse gesagt wird; sie sind absolut notwendig. Aber ein Kompromiß muß tragbar und juridisch haltbar sein, sonst ist er nur noch ein Kompromiß, um einen Termin einzuhalten, um als Gesetzgeber vermeintliche Leistungen zu erbringen, die letztendlich, wie sich herausstellen wird, keine Leistungen sind.

Es sind in dieser Folge auch die Richter zum Ersatzgesetzgeber aufgerufen, um die Mehrdeutigkeit, die in unseren geschaffenen Gesetzen herrscht, aufzuheben, um Klarheit zu schaffen. Das ist eine Aufwertung zu einem Richterstaat, den wir bei allem Respekt vor den Richtern auch nicht wollen.

Dann weist er auf die nicht funktionierende Gewaltenteilung hin, die uns allen bewußt ist: Die Parteien kontrollieren die Gesetzgebung und die Verwaltung. Da können wir sagen: natürlich, warum nicht? Wir sind Parteien, wir sind Österreicher. Nur: Bei uns wird in diesen Dingen übertrieben.

Ich meine – und dies trifft auch auf dieses Gesetz zu –, die Minister haben kein echtes Interesse an Einsparungen, kein Interesse, die Gelder anderweitig einzusetzen oder ins nächste Jahr zu transferieren, da sie nicht frei sind. Es ist dies ein Problem – nicht nur in Österreich –, daß ein Minister bestraft wird, wenn er sparsam war, weil er dann im nächsten Jahr diesen verringerten ausgegebenen Budgetanteil bekommt. (Zwischenruf.)  – Vielfach ist es so, Herr Kollege, wir wissen, es wird leicht generalisiert, wenn man hier am Rednerpult steht, aber Sie haben recht: Es ist nicht immer der Fall, aber oftmals ist es der Fall, man wird dazu gezwungen, mehr auszugeben. Wer in einem Ministerium arbeitet, weiß es. Oft wird gesagt: Paß auf, die Abteilung kriegt es nicht mehr, wenn sie es nicht heuer auch ausgibt. Dann würgt man halt, und irgendwo gibt man das Geld dann aus. – Nicht unsinnig, aber es ist oft nicht notwendig.

Heute sprechen wir über ein Gesetz voller Kasuistik, voller Kompromisse, voller Gelegenheitsregeln, und es ist auch ohne Sorgfalt erstellt worden. Wir wissen gar nicht, welches Gesetz wir heute behandeln, meine Damen und Herren! Ist es das 2. oder das 3. Budgetbegleitgesetz? Wer das hier mit Sicherheit sagen kann, dem schüttle ich in Dankbarkeit die Hand, denn es ist in


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unserer Tagesordnung als 2. Budgetbegleitgesetz genannt, aber in den Vorlagen des Nationalrats steht: 3. Budgetbegleitgesetz.

Was behandeln wir also eigentlich? – Am Inhalt ändert sich nichts, das gebe ich zu. Aber das ist reiner Zufall, muß ich schon fast sagen, aber es sind zwei verschiedene Budgetbegleitgesetze, die wir hier heute behandeln. Warum das so ist, konnte mir niemand im Hohen Haus erklären. Ich führe es aber nicht auf einen Druckfehler zurück, das muß ich schon sagen, denn das gibt es auch hie und da, und die sind vielleicht am ehesten entschuldbar.

Präsident Neisser erkennt das gegenseitige Mißtrauen als Grundlage unserer Gesetzgebung. Ja, das wird wahrscheinlich so sein, und zwar möglicherweise am ehesten zwischen den Koalitionspartnern, denn wir Oppositionsparteien tun uns da ein wenig leichter, wir können unser Mißfallen offen ausdrücken, die Koalitionsparteien müssen sich mit der einen Hand tatschkerln, während sie sich mit der anderen bereits auf den Rücken klopfen. Dieses Mißtrauen könnte auch zu einem dieser Kompromisse führen, die ich angeführt habe, die nicht tragbar sind und die eigentlich eine richterliche Auswertung der Umsetzung der Gesetze erfordern.

Sollten jemals die Bürger diesen heute zu behandelnden Gesetzestext lesen, müßten sie zumindest die Ehrlichkeit dieses Gesetzes bezweifeln.

Ich komme noch auf die Ehrlichkeit dieses Gesetzes zurück, welches Einsparung und so weiter behandelt.

Es werden, wie ich schon sagte, in diesem Gesetz 19 Gesetze mehr oder minder novelliert, mehr Artikel 3 und Artikel 10 dieses Gesetzes, minder die Artikel 5, 17, 18 und 19, wobei sich die Worte mehr oder minder auf die Textstellen beziehen, nicht auf die finanziellen Auswirkungen. Es erzeugt schon ein Gesetz eine Gesetzesflut, welche den vermeintlichen Vorteil bietet, daß die Lückenhaftigkeit durch mangelnde Rechtssicherheit überdeckt wird. Oder, um mit Norbert Leser zu sprechen, es ist dieses Gesetz mit den 19 Gesetzesnovellen eine De-facto-Kapitulation des Parlaments gegenüber der Regierung. Bitte, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, kapitulieren Sie! Wir von der Opposition kapitulieren nicht. Das möchte ich hier klar gesagt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als budgetpolitische Zielsetzungen nennt das Bundesfinanzgesetz 1998, daß es – das ist interessant – das erklärte und prioritäre Ziel der Träger der österreichischen Budgetpolitik ist, an der Wirtschafts- und Währungsunion ab Eintritt in die dritte Stufe, also per 1. Januar 1999, teilzunehmen. Es hat mich immer schon gefreut, daß wir uns, wenn wir ein Gesetz machen oder ein Budget erstellen, an einer für mich nicht akzeptablen Oberbehörde orientieren. Wir stehen hier als österreichischer Gesetzgeber, aber nicht als Unterläufel für die EU. Man behandelt uns hier, als ob wir Unterläufel der EU wären. Ich wehre mich dagegen. Wehren Sie sich nicht, das fällt auf Sie zurück.

Dem Wirtschaftsstandort Österreich sollen durch eine Wirtschaftsoffensive, durch eine Technologie- und Exportoffensive Impulse gegeben werden. – Das ist ein weiterer Beweggrund. Wer es merkt, merkt es eben. Aber man liest in der Zeitung vielfach anderes. (Bundesrat Payer: Neueste Wirtschaftsdaten!)

Drittens: Die Verteilungsgerechtigkeit soll sozial und ausgewogen im Vordergrund stehen. Ich glaube, das ist ein berechtigter Wunsch. Ob es in diesem Bundesfinanzgesetz und seinen Begleitgesetzen gelingen wird, wage ich ehrlich zu bezweifeln.

Die Einnahmen sollen durch Adaptionen gesteigert werden. – Ich glaube eher, die Einnahmen werden durch Steuerfindung gesteigert.

Der Staat soll schlanker und effizienter gemacht werden, und die Ausgaben sollen eingebremst werden.

In der heutigen Ausgabe der "Presse" können wir lesen, daß Schulden unsozial und ungerecht sind, denn sie wachsen wie der Krebs. Die Schulden einer Generation belasten voll die kom


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mende Generation. Es werden folglich weiterhin Lasten der Gegenwart auf die Zukunft abgeschoben. – Auch das wird mit diesem Gesetz erreicht. Die Sparsamkeit steht nicht im Vordergrund. Wir erkennen daher in diesem Gesetz eine Pflichtübung und das Schaffen von Druckerschwärze.

Das Bundesfinanzgesetz 1998 sowie die dazugehörenden Begleitgesetze sind nicht nachvollziehbar, unter anderem deshalb nicht, weil zwei Begleitgesetze noch gar nicht behandelt sind. Es werden budgetwirksame Änderungen in 19 Bundesgesetzen vorgenommen. Wir müssen diese gemeinsam mit dem noch nicht zum Gesetz gewordenen 1. Budgetbegleitgesetz, die Beamtenpensionen betreffend, und dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz sehen, die uns noch nicht vorliegen, was unser Kollege Konečny sowie einige Kollegen auch im Nationalrat sehr richtig erkannt haben. Er hat verlangt, daß man das daher im Bundesrat nicht behandeln sollte. Allerdings wollte er dies heute aus irgendwelchen Gründen, die mir nicht bekannt sind – er ist sonst ein sehr korrekter Mensch, und er kennt diese Sachen –, nicht eingestehen.

Kommen uns nicht Zweifel, ob die dort vorgeschlagenen Maßnahmen als Reform bezeichnet werden können und langfristig zur Sicherung der Pensionen beitragen werden? Die Ähnlichkeit mit den vielen Sozialversicherungsgesetz-Novellen – es sind jetzt schon 53 – scheint mir bald erkennbar zu sein. Ist diese Regierungsvorlage als Fortsetzung des BKK – Budgetkonsolidierungskurs – der Bundesregierung erkennbar? – Ich glaube nicht. Dazu gehört einmal mehr festgehalten: Die Staatsschulden und dieses Defizit wurden von dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, und von ihren farbgleichen Vorgängern verursacht. Die vorgegebene Konsolidierung der Staatsfinanzen beruht auf Steuer- und Abgabenerhöhungen, zum Großteil zumindest.

Anläßlich der Strukturanpassungsgesetze 1996 wurde seitens der Bundesregierung festgestellt, daß es sich zu zwei Dritteln um ausgabenseitige und zu einem Drittel um einnahmenseitige Maßnahmen handelt. Das tatsächliche Verhältnis beträgt jedoch günstigstenfalls 50 zu 50.

Ein Expertenhearing, welches hier im Haus am 22. Oktober stattfand, ist uns dazu noch in Erinnerung. Um diesen – wie die Regierung meint – erfolgreichen Kurs zu flankieren, sind in dieser Vorlage natürlich vermeintliche richtungsweisende Vorgaben enthalten.

Erstens wird der Katastrophenfonds neuerlich zur Kasse gebeten. Wie oft noch? Dieser Fonds schreit förmlich nach einer Reform. Er wird doch als Melkkuh für die Budgetkonsolidierung mißbraucht.

Die Gebührensätze werden im Durchschnitt um bis zu 50 Prozent erhöht. Die längst fällige Gebührenreform, die den Arbeitsaufwand berücksichtigen soll, wie es auch die Arbeiterkammer fordert, ist nicht in Sicht. Es ist ein Glück, daß die Bundesverwaltungsabgabenordnung, welche Amtshandlungen des Bundes bis zu 1 900 Prozent verteuert, noch nicht wirksam ist. Noch nicht!

Bei der Forderung nach einer Förderung von sogenannten Kleinmedien zeigt man sich sehr zugeknöpft.

Steuerguthaben dürfen nunmehr nach der Novelle des Bundeshaushaltsgesetzes § 16 kassamäßig verbucht werden. Dies bringt 15 Milliarden Schilling. Ob Eurostat dazu eine nachvollziehbare Entscheidung trifft, ist noch nicht ausgemacht. Es ist dies ein unverzinster Kredit des Steuerzahlers an den Staat. Es ist dies auch ein herrliches Beispiel für die sogenannte kreative Buchhaltung.

Als positiv will ich die Nichtvalorisierung der Parteienförderung werten.

Daß § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes, der die Darstellung der finanziellen Auswirkungen von zwischenstaatlichen Vereinbarungen novelliert, und Artikel 15 a der Bundesverfassung, Vereinbarungen mit den Ländern, erweitert werden und präziser sein sollen, wird uns und soll uns freuen, wenn es zutrifft.


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Das Ziel der Bundesregierung, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung mit diesem Budget und den Begleitgesetzen zu erreichen, scheint mir nicht gegeben zu sein. Es ist möglich, eine punktgenaue Landung in der Währungsunion zu erreichen – vielleicht, vielleicht auch nicht. Eines kann ich Ihnen jedoch versprechen: Diese Währungsunion, die demnächst in einen Euro münden soll, wird folgendes bewirken: Dieser Euro wird weich sein, er wird zu einem Zentralstaat führen, und er wird die Arbeitslosigkeit erhöhen. Ob Sie das wollen, bezweifle ich. Ich glaube, wenn Sie guten Menschenverstandes sind, werden Sie es ablehnen. Wir Freiheitlichen lehnen diesen Gesetzesvorschlag ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu der aufgeworfenen Frage, ob der Verhandlungsgegenstand richtig bezeichnet sei oder allenfalls ein Druckfehler unterlaufen wäre, möchte ich folgendes festhalten:

Verhandlungsgegenstand im Bundesrat sind die Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates in der von diesem gewählten Bezeichnung. Diese lautet ganz zweifelsfrei "2. Budgetbegleitgesetz". Als solches scheint es in der Tagesordnung und auch im Bericht des Ausschusses auf.

Daß Regierungsvorlagen, die dem Gesetzesbeschluß des Nationalrates zugrunde lagen, ursprünglich eine andere Bezeichnung, nämlich im konkreten Fall "3. Budgetbegleitgesetz", trugen, ist für uns rechtlich unerheblich. Der Irrtum mag darauf zurückzuführen sein, daß im Aviso, also der Vorinformation über die möglichen Gegenstände der Tagesordnung, die Änderung der Bezeichnung noch nicht bekannt war und daher in diesem Aviso das noch in der Formulierung, die der Regierungsvorlage vorangestellt war, enthalten war. – Ich hoffe, dieses Mißverständnis damit aufgeklärt zu haben.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile es ihm.

13.30

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Ausführungen zum vorliegenden Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 konzentrieren sich auf jenen Teil, der das Katastrophenfondsgesetz 1996 betrifft. Mein Vorredner meinte, dieses Gesetz und die Mittel, die darin vorgesehen sind, wären eine Melkkuh. Ich darf als einer, der aus dem südlichen Niederösterreich kommt, wo heuer beträchtliche Schäden durch Hochwasser entstanden sind, festhalten, daß wir sehr froh waren und sind, daß es diese Melkkuh, wie Sie sie bezeichnet haben, gibt, weil sie vielen Menschen die Not lindern geholfen hat. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist gerade das, was ich gesagt habe! Ich habe gemeint, daß er nicht von uns gemelkt werden soll! Sie haben jetzt die Möglichkeit, daran Kritik zu üben! Ich habe es so gesagt! – Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Gudenus! Wenn Sie es so gemeint haben, dann würde ich Sie bitten, das auch so zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Waldhäusl: Sie haben es nicht verstanden!)

Sie werden mit Sicherheit die Gelegenheit haben, das hier einmal genauer zu erläutern und zu erörtern. Für meine Begriffe war das, was Sie gemeint haben, so zu verstehen, daß Sie das als Melkkuh sehen, und Sie haben auch Melkkuh gesagt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wir lehnen ab, daß es eine Melkkuh ist!)

Kollege Gudenus! Ich hoffe, Sie zweifeln nicht daran, daß es erforderlich ist, daß die Möglichkeiten, die es mit dem Katastrophenfondsgesetz gibt und die noch verbessert werden müssen, den Menschen in großem Umfang zur Verfügung stehen. Ich nehme schon an, daß Sie daran nicht zweifeln. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Ich komme nun zu den inhaltlichen Teilen, dazu, wie es angepaßt worden ist. Es handelt sich in erster Linie um eine Ausweitung der Form der Katastrophenschäden. Zu den schon bisher im Gesetz erwähnten Katastrophen wie Hochwasser, Erdrutsch, Vermurung, Lawinen und Erdbe


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ben kamen Schneedruck, Orkan, Bergsturz und Hagel hinzu. Es kam also zu einer Ausweitung der Schadenspalette, für die die Gebietskörperschaften Anträge an den Fonds stellen können.

Eine weitere Novität besteht darin, daß laut vorliegendem Beschluß die finanziellen Mittel nicht mehr nur für die Förderung von Hagelversicherungsprämien, sondern auch für Frostversicherungsprämien herangezogen werden können.

Als für meine Begriffe wichtigen dritten Teil der inhaltlichen Form dieser Anpassung möchte ich erwähnen, daß nicht in Anspruch genommene Fondsmittel jährlich einer Rücklage zuführbar sind, die mit 400 Millionen Schilling pro Jahr begrenzt ist. – Soweit der inhaltliche Teil, der doch, wie mir notwendig zu sein scheint, ausreichend beleuchtet werden sollte.

Das Katastrophenfondsgesetz ist sicher viel mehr als nur dürres Gesetzeswerk. Ich meine, daß das Vorhandensein dieses Katastrophenfonds so etwas wie einen unsichtbaren Schutzschirm für Menschen darstellt, die jederzeit von Naturkatastrophen bedroht sind. Es können Naturkatastrophen von heute auf morgen in einem derart hohen Ausmaß über uns hereinbrechen, daß es so wie heuer – wir haben es heuer am eigenen Leib verspüren müssen – sogar für ältere Menschen unvorstellbar war.

Wir Niederösterreicher haben – das habe ich eingangs schon gesagt – den Segen dieser gesetzlichen Einrichtung heuer im vollen Ausmaß gespürt. Sie wissen, daß große Teile unseres Bundeslandes mit voller Härte von den Hochwasserereignissen betroffen waren. Der Bezirk Lilienfeld, meine unmittelbare Heimat, glich mit seinen beiden Haupttälern, dem Traisental und dem Gölsental, einem Binnensee. Es wurden Familien evakuiert. Viele Betriebe – das möchte ich Ihnen auch vor Augen führen – sind im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Untergang gestanden.

Der Soforteinsatz von Feuerwehren, Rettungsorganisationen und auch anderen vielen freiwilligen Helfern und Helferinnen, aber auch – und das ist ganz besonders zum Tragen gekommen – die Nachbarschaftshilfe, das Helfen in der Nachbarschaft, waren die wesentlichen Faktoren, die dazu geführt haben, daß die Not gelindert werden konnte.

Wieder zurückkommend auf den Katastrophenfonds möchte ich sagen, daß dieser einen wesentlichen Teil der finanziellen Linderung für die Familien und die Betriebe übernahm. Es waren 30 Prozent der Schadenssumme, die von den Kommissionen auf Gemeindeebene festgestellt wurde. Diese 30 Prozent wurden als Direktanweisung vom Land Niederösterreich für die Betroffenen bereitgestellt. Für Härtefälle und für Betriebe, die existentiell gefährdet waren, kamen noch größere Finanzhilfen zum Tragen.

Ich möchte an dieser Stelle auch den Medien danken, die zu diesem Zeitpunkt nicht nur in der Berichterstattung tätig waren, sondern von sich selbst aus in Alleinverantwortung oder in Zusammenarbeit mit dem Bundesland Niederösterreich mit finanziellen Beiträgen geholfen haben und den Menschen direkt die entsprechenden Mittel zukommen ließen. In Summe kamen aus der Zusammenarbeit zwischen den Medien und dem Bundesland Niederösterreich zusätzlich 35 Millionen Schilling zu den Katastrophenfondsmitteln, die 250 Millionen Schilling ausgemacht haben, wie in der vergangenen Woche bekanntgegeben worden ist, hinzu.

Heute können wir sagen, daß der Katastrophenfonds eine rasche und vor allem – das möchte ich besonders betonen – sehr unbürokratische Möglichkeit der Handhabung für die Bundesländer bietet.

An den Schluß meiner Betrachtungen möchte ich aber noch eine Spezialität stellen, die während des Hilfseinsatzes unserer Feuerwehren an mich herangetragen wurde. Es werden nämlich Helfer in der Not – das sind die Feuerwehrleute, die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen sind die ersten, die zur Hilfe bereit sind – im Katastropheneinsatz ungleich behandelt, und zwar in der Form, daß bestimmte Berufsgruppen einen vollen Lohnausgleich bekommen, wenn sie sich im Katastropheneinsatz befinden, während andere Berufsgruppen keinerlei Möglichkeit eines Lohnausgleiches haben. Einige hatten sogar die Sorge, daß ihr Katastropheneinsatz unter Um


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ständen vom Arbeitgeber beziehungsweise der arbeitgebenden Organisation kritisch gesehen werden könnte, weil sie im Betrieb fehlen.

Wenn heute in diesem Raum schon mehrmals die Begriffe "kleiner Mann", "kleine Frau" und "kleiner Bürger" verwendet worden sind, dann gestatten Sie mir auch dazu eine Anmerkung. Ich persönlich mag diesen Begriff nicht, er entspricht auch nicht meinem Sprachgebrauch, weil ich meine, daß die Tatsache, daß jemand als klein bezeichnet wird, automatisch ein gewisses Maß von Überheblichkeit zum Ausdruck bringt. Mir ist heute aufgefallen, daß dieser Begriff sehr oft im Zusammenhang mit dem Bericht der Volksanwaltschaft verwendet wurde. Ich möchte das als Überlegung an Sie weitergeben, mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Es waren bei den Hochwassereinsätzen im Bezirk Lilienfeld und darüber hinaus in erster Linie die sogenannten kleinen Leute, die vor Ort geholfen haben. Ich möchte hier noch deutlich sagen, daß wir politisch Verantwortlichen es den Menschen schuldig sind, darauf hinzuwirken, daß sie auch ein gewisses Maß an Gleichbehandlung während des Katastropheneinsatzes erfahren.

Sie sollten im Katastropheneinsatz abgesichert werden, sie sollten unter gleichen Voraussetzungen in den Hilfseinsatz gehen können, es sollte – ich habe diesbezüglich auch einen Vorschlag weitergeleitet; konkret an das Bundeskanzleramt –, glaube ich, sinnvollerweise während der Einsatztage eine Möglichkeit geben, daß man aus Mitteln des Arbeitsmarktservices oder unter Umständen auch aus Mitteln des Katastrophenfonds den Ausgleich schaffen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich nutzte zuvor die Möglichkeit, mit Frau Bundesministerin Hostasch ein kurzes Gespräch zu führen, weil vom Bundeskanzleramt dieser Vorschlag an die Frau Bundesministerin weitergeleitet wurde, und ich durfte erfahren, daß dieser Vorschlag bereits in Behandlung steht, damit dieses bestehende Unrecht möglichst rasch gutgemacht werden kann.

Ich meine daher, daß es uns allen gut ansteht, in dieser Richtung unterstützend tätig zu werden, und darf die Zustimmung der ÖVP-Fraktion zum vorliegenden Beschluß des Nationalrates feststellen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.42

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

13.42

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden 2. Budgetbegleitgesetz ergeben sich in 19 Bereichen Änderungen, die dazu beitragen werden, das Budget auf dem richtigen Kurs zu halten.

In allen europäischen Ländern steht die Budgetkonsolidierung an erster Stelle, Österreich, meine Damen und Herren, war in den letzten Jahren im Bereich der Konsolidierung äußerst erfolgreich. Mit "äußerst erfolgreich" meine ich, daß das Ziel mit wesentlich geringeren negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung und das Wachstum erzielt worden ist, als das in manchen anderen Ländern der Fall ist.

Mir ist schon klar, daß all diese Erfolge der FPÖ nicht gefallen können, weil Zahlen und Fakten eben einmal etwas anderes sagen, als sie immer wieder glaubhaft zu machen versuchen.

Die Umstellung der haushaltsmäßigen Verrechnung der Steuerguthaben auf ein striktes Kassenprinzip ermöglicht, daß das österreichische Budget mit jenen anderer europäischer Länder besser vergleichbar wird.

Meine Damen und Herren! Im konkreten gibt es Änderungen im Gerichtsgebührengesetz. Hier wird im wesentlichen das Ziel verfolgt, die einzelnen Gerichtsgebühren im Hinblick auf die gestiegenen Aufwendungen der Gerichte anzuheben und gleichzeitig Gebührenbefreiungen und Gebührenbegünstigungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, aufzulassen. Es ist dies sicherlich die


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sofort spürbarste Maßnahme für die Bevölkerung. Allerdings ist hierzu anzumerken, daß es die letzte Tarifanpassung im Jahr 1984 gegeben hat.

Positiv anzumerken ist die Förderung der politischen Bildungsarbeit und die Publizistikförderung, die im wesentlichen auf dem Stand von 1997 gesichert werden konnten. Mehrfachförderungen einer Zeitschrift sind in Hinkunft nicht mehr möglich.

Ebenfalls sehr wichtig erscheint mir, daß künftig periodische Druckschriften, die den gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie und den Rechtsstaat zum Inhalt haben, von jeglicher Förderung ausgeschlossen sind.

Änderungen im Finanzausgleichsgesetz betreffen einen Vorwegabzug von 100 Millionen Schilling zugunsten der Präventivmedizin. Weitere Umschichtungen sollen den Einnahmenausfall kompensieren, von dem der Bund durch die Senkung der Straßenbenützungsabgabe betroffen ist. Außerdem sind die Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder zur Förderung der Landwirtschaft für die Jahre 1999 und 2000 geregelt.

Das Bundeshaushaltsgesetz regelt jetzt die finanziellen Auswirkungen neuer gesetzlicher Maßnahmen. Bisher war das teilweise mangelhaft oder fehlte überhaupt. Zur Stärkung des Kostenbewußtseins und auch aus Gründen der gebotenen Transparenz sind auch die Kosten, die in der Verwaltung beim Gesetzesvollzug entstehen, von Bedeutung.

Es ist dies eine ganz normale betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise. Der Begriff "finanzielle Auswirkungen" ist daher als Oberbegriff zu verstehen, der sowohl Ausgaben und Einnahmen als auch Kosten und Erlöse umfaßt. Hinzu kommt, daß die Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer Maßnahmen bedarf. Dies trifft nicht nur den Bundesbereich, sondern auch die Länder.

Beim Familienberatungsförderungsgesetz wird die Finanzierung der Beratungsstellen flexibler gehandhabt – das heißt, weg von den starren Obergrenzen, hin zur Förderung je nach Bedarf. In den letzten Jahren sind von einzelnen Beratungsstellen besondere Schwerpunkte gesetzt worden, die dann aufgrund des vorgegebenen starren Finanzrahmens nicht mehr zu finanzieren waren. Mit der Gesetzesänderung soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, mehrere Standorte, die für sich alleine die Förderungskriterien nicht erfüllen, gemeinsam als Familienberatungsstellen zu fördern. Damit wird auch an kleinen Standorten eine entsprechende Flexibilität erreicht.

Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bringt eine Gleichstellung der gebührenrechtlichen Situation beim Liegenschaftserwerb.

Budgetkonsolidierung, meine Damen und Herren, geht nicht von heute auf morgen, sondern nimmt einen gewissen Zeitraum in Anspruch, in dem von Zeit zu Zeit regelnd eingegriffen werden muß. Der Herr Bundesminister hat im Nationalrat bereits darauf hingewiesen, daß eine radikale Trendumkehr völlig unmöglich ist, da gewaltige Veränderungen im sozialen Gefüge unseres Staates die Folge wären.

Meine Damen und Herren! Wir sind mit den heute zu beschließenden Maßnahmen auf dem richtigen Weg. Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden 2. Budgetbegleitgesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.47

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

13.47

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Budgetbegleitgesetz ist nicht nur ein Traumbüchlein des Finanzministers, sondern die Ermächtigung durch das Parlament, den Bürger weiterhin abzukassieren.


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Traumbüchlein ist es deshalb, weil nicht klar ist, was im 1. und im 3. Budgetbegleitgesetz stehen wird, und darüber hinaus das Budgetdefizit mit 67 Milliarden prognostiziert wurde und kein Finanzminister der Zweiten Republik jemals das prognostizierte Ziel erreicht hat.

Meine Damen und Herren! Gerade bei den Prognosen der derzeitigen Regierung braucht man gar nicht mißtrauisch zu sein (Ruf bei der ÖVP: Bravo!) , sondern sich nur die getätigten Aussagen der letzten Zeit und die getätigten Versprechungen der Regierenden in Erinnerung zu rufen. Ich denke dabei an Regierungsaussagen im Jahre 1994. Damals wurde von der Regierung gesagt, der Euro kommt nicht automatisch, heute sagen dieselben Regierer, der Euro kommt automatisch. Oder: Die Abschaffung des Schillings wird in Österreich entschieden. Heute dieselben Regierer: Eine Volksabstimmung über den Euro wie in England, Schweden oder Dänemark ist Pflanzerei, Volksverdummung, ein Wahnsinnsstreich und so weiter. Oder: Der Euro kommt nicht so schnell. Wiederum dieselben Regierer: Der Schilling wurde bereits 1994 abgeschafft. – Man braucht also nicht mißtrauisch zu sein, sondern sich nur die Aussagen der Regierenden in Erinnerung zu rufen.

Dasselbe, meine Damen und Herren, gilt auch für das Budget und für die Budgetbegleitgesetze. Auch hier könnte man sagen: Ich hör’ die Botschaft wohl, mir fehlt der Glaube!, um nicht, da immer prognostiziert, das prognostizierte Ziel aber nie erreicht wurde, zu sagen: Wer immer lügt, dem glaubt man nicht, weil er nie die Wahrheit spricht. (Bundesrat Mag. Himmer: Aufpassen! – Bundesrat Richau: Darum glaubt dem Haider keiner mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich wertfrei, also unbeeinflußt von diesen Versprechungen der Regierenden, mit dem vorgelegten Budgetbegleitgesetz befaßt und auseinandersetzt, so genügen die einfachen Grundrechnungsarten, um festzustellen, daß es sich hier nur um ein utopisches Ziel handelt. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Kollege Payer! Mir kommt es beim vorliegenden Budgetbegleitgesetz so vor, als ob jemand, der bei einer Bank Schulden hat, wieder zu dieser Bank geht, ein neues Konto eröffnet, einen Kredit in der Höhe seiner Schulden aufnimmt und zu erklären versucht, er sei schuldenfrei. Denn, meine Damen und Herren, in diesen Budgetbegleitgesetzen sind die Regelungen der ÖBB und deren Abgänge, die Defizite der Post und manch anderer verstaatlichten Betriebe nicht miteingerechnet, daher kann es sich beim prognostizierten Budgetdefizit nur um eine Vision des Finanzministers handeln.

Meine Damen und Herren! Einnahmenseitig – damit bin ich wiederum beim Budgetbegleitgesetz – erinnert mich das vorgelegte Budgetbegleitgesetz an Baron Münchhausen, und zwar nicht deshalb, weil dieser von einer Kugel zur anderen Kugel gesprungen sein soll, sondern was den Wahrheitsgehalt seiner Geschichten betrifft. So hat uns etwa eine Frau Ederer einen Tausender mehr im Monat versprochen. Und, meine Damen und Herren, Sie werden es kaum glauben: Diesen Tausender mehr im Monat gibt es – aber in Form einer Belastung für den Bürger und als Mehreinnahme für den Finanzminister. (Rufe bei der SPÖ: Aber geh! – Bundesrat Dr. Tremmel: Nur ein Tausender?)

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP! Wenn dem nicht so wäre, dann hätten Sie von den Regierungsparteien nicht mit diesem Budgetbegleitgesetz einer Erhöhung der Gerichtsgebühren zugestimmt.

Und wenn dem nicht so wäre, meine Damen und Herren von der Koalition, dann hätten Sie nicht mit diesem Budgetbegleitgesetz einer generellen Gebührenanhebung um 50 Prozent zugestimmt.

Und, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, wenn dem nicht so wäre, dann hätten Sie nicht auf die Feuerschutzsteuer und auf die Versicherungssteuer zurückgegriffen, die ohnedies wiederum an die Konsumenten weitergegeben und auf diese abgewälzt wird.

Und, meine Damen und Herren, wenn dem nicht so wäre, dann hätten Sie von den Regierungsparteien nicht bei den Bausparern die Prämien ein Jahr hinausgeschoben und gleichzeitig den staatlichen Zuschuß wiederum zu Lasten der Sparer gekürzt.


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Und, meine Damen und Herren, wenn dem nicht so wäre, dann hätten Sie auch nicht das Agrarbudget in koalitionärer Eintracht gekürzt.

Meine Damen und Herren von der ÖVP und SPÖ! Wenn dem nicht so wäre, dann hätten Sie die Sozialversicherungsbeiträge für Bauern und Gewerbetreibende nicht erhöht. (Bundesrat Payer: Wir haben Gerechtigkeit geschaffen!)

Und, meine Damen und Herren, Kollege Payer, wenn dem nicht so wäre, daß Sie den Bürger mit diesen Budgetbegleitgesetzen abkassieren wollen, dann hätten Sie ohnedies dafür gesorgt – und da bin ich bei der sozialen Gerechtigkeit und beim sozialen Ausgleich – und zugestimmt, daß die Kaste der Politiker, der Sozialversicherungsbediensteten, der Nationalbank und einiger anderer Bereiche nicht wiederum von der Harmonisierung in der Pensionsfrage ausgenommen ist. (Bundesrat Payer: Die Politiker sind eine eigene Kaste?)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn dem nicht so wäre, hätten Sie sich nicht geweigert, eine Steuerreform durchzuführen, die einen innovativen Investitionsschub bewirkt und die vor allem motivierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer schafft.

Statt dessen, meine Damen und Herren, haben Sie mit diesem Budgetbegleitgesetz den Beschluß gefaßt, der Regierung einen Persilschein auszustellen, mit dessen Hilfe sie weiterhin abkassieren kann, ohne den sozialen Ausgleich zu beachten. Darüber hinaus blockieren Sie mit dem beschlossenen Budgetbegleitgesetz auch eine wirtschaftliche Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Ungeachtet all dieser sehr wichtigen Fragen, die Sie anscheinend nicht berühren, wäre es sinnvoll, doch die Budgetbegleitgesetze in einer Einheit zu betrachten. Wir alle hätten mehr Budgetwahrheit, und es wäre auch für den Finanzminister vernünftiger und vor allem auch realistischer, sein prognostiziertes Ziel zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Vorgangsweise, daß Sie mit dem vorliegenden Budgetbegleitgesetz nur einen Teil zur Beschlußfassung vorgelegt haben, dient nur einem Ziel: Ohne Wenn und Aber, ungeachtet der eigenstaatlichen Situation, in eine Währungsunion zu gehen! Dazu, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist Ihnen jedes Mittel, jeder Weg recht, auch wenn der Bürger und Steuerzahler dabei auf der Strecke bleibt.

Wir, die Freiheitlichen, geben uns für einen solchen Weg nicht her. Daher werden wir auch die vorliegende Regierungsvorlage, das vorliegende Budgetbegleitgesetz, beeinspruchen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Überraschend! – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.55

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

13.55

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Mit dem vorliegenden Budgetbegleitgesetz wird sich niemand zum Sonnenkönig krönen lassen können. Die Zeiten, in denen die Steuergelder mit beiden Händen ausgegeben wurden und der Staat sich maßlos verschuldet hat, sind endgültig vorbei. Eine unverhältnismäßig hohe Verschuldung führt in allen Bereichen, ob im Staat oder im Privaten, früher oder später in die Armut. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und unser Wille, bei der Einführung der neuen Währung, des Euro, dabeizusein, verpflichtet uns, die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Damit verpflichten wir uns, auch für die Zukunft eine vernünftige Schuldenpolitik zu machen.

Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte daran erinnern, daß es 1995 die Volkspartei war, die in ihrer Verantwortung für Österreich eine Trendwende in der Budgetpolitik herbeigeführt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist schon wieder vorbei!) Ich möchte auch daran erinnern, daß die Regierungsmitglieder der Österreichischen


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Volkspartei den vom Regierungspartner SPÖ 1995 vorgelegten Budgetentwurf nicht akzeptierten. Trotz langwieriger Verhandlungen gelang es nicht, den Regierungspartner SPÖ davon zu überzeugen, daß wir alle mit einer weiteren Schuldenpolitik ärmer werden. Erst die Neuwahlen zum Nationalrat brachten dann eine Trendwende. (Bundesrat Payer: Das ist aber eine sehr eigenartige Sicht der Dinge, die Sie da haben!) Jeder kann ja dazulernen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege Payer! Wer ist jetzt schuld?)

Die neue Regierungskoalition beschloß behutsame Sparmaßnahmen und ein Sparpaket für zwei Jahre. Alles Tun der Regierung wurde damals wie auch heute von der Opposition heftig kritisiert. Rückblickend kann man aber heute schon sagen, daß durch die Sparmaßnahmen niemand spürbar ärmer geworden ist, die vorgesehenen Budgetziele jedoch voll eingehalten wurden.

Die Änderung im Finanzausgleich kann auch von den Ländern und Gemeinden akzeptiert werden. Die Gemeinden erhalten 1,8 und die Länder 4 Milliarden Schilling mehr.

Mit einer Neuverschuldung von 2,6 Prozent wird Österreich die diesbezüglichen Maastricht-Kriterien erfüllen und zu den ersten Staaten gehören, die den Euro einführen. Nur: Ein Budgetspielraum für Sondermaßnahmen kann mit einer Neuverschuldung von 2,6 Prozent nach meiner Auffassung noch nicht erreicht werden. Solange die Neuverschuldung höher ist als das Wirtschaftswachstum, geben wir Geld aus, das unsere Nachkommen erst verdienen müssen. Ziel muß es also sein, längerfristig die Neuverschuldung dem Wirtschaftswachstum anzupassen beziehungsweise die Neuverschuldung geringer zu halten als das Wirtschaftswachstum ist.

Ich verwende hier absichtlich das Wort "Neuverschuldung", denn das Wort "Defizit", das meistens gebraucht wird, wirkt eher verharmlosend und täuscht über die Tatsache hinweg, daß die Schulden ständig anwachsen.

Zur Erfüllung des vom Finanzminister erstellten Budgets ist es auch notwendig, daß hier im Bundesrat die weiteren Budgetbegleitgesetze beschlossen werden. Diese Budgetbegleitgesetze wurden vom Bundesrat heute deshalb nicht auf die Tagesordnung genommen, weil es für den Bereich der österreichischen Staatsdiener noch keine gerechten, gleichwertigen Gehalts- und Pensionsbedingungen gibt. (Beifall des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Ich persönlich – und wenn ich hier in die Runde sehe, glaube ich, daß ich auch einige Zustimmung dafür erhalten werde – möchte heute ankündigen: Ich werde diesen Budgetbegleitgesetzen nur dann die Zustimmung geben, wenn für alle Staatsdiener, Beamte und ÖBB-Bedienstete, gleichwertige Gehalts- und Pensionsbedingungen dem Bundesrat zur Beschlußfassung vorgelegt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn der Nationalrat nicht die politische Kraft besitzt, für Gerechtigkeit in den Staatsbetrieben zu sorgen, dann dürfen jedenfalls wir hier im Bundesrat nicht zulassen, daß die einen bis zum 60. Lebensjahr arbeiten, während andere mit 53 Jahren auf Mallorca überwintern, wobei aber beide Gruppen von Steuergeldern, die von Österreichern – und zwar von allen Österreichern! – erwirtschaftet werden, bezahlt werden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Also heute nicht zustimmen!)

Seit Wochen berichten viele Zeitungen darüber, daß der Bundesrat diesen Budgetbegleitgesetzen nicht zustimmt, wenn die ÖBB-Pensionen nicht 1 : 1 den Beamtenregelungen angepaßt werden. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir hier im Bundesrat einer ÖBB-Pensionsregelung zustimmen, die nicht auch ein Pensionsalter von 65 beziehungsweise 60 Jahren wie für die Beamten vorsieht, dann geben wir uns der Lächerlichkeit preis! (Bundesrat Dr. Tremmel: Jawohl!)

Österreich steht 1998 aufgrund der EU-Präsidentschaft im Mittelpunkt Europas und damit auch im Mittelpunkt der Welt. Ich bin deshalb froh, daß der Finanzminister ein gutes Budget vorlegen kann. Zu einem wohlhabenden, sicheren Land gehören auch gesicherte Finanzen. Auch für die Qualität als auszuwählender Wirtschaftsstandort ist eine sichere Finanzpolitik von besonderer Bedeutung. Ich hoffe deshalb, daß der Nationalrat die Pensionskonsolidierung der Staatsange


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stellten beschließt und es so meiner Fraktion im Bundesrat ermöglicht, den weiteren Budgetbegleitgesetzen unsere Zustimmung zu geben. Ich und meine Fraktion werden diesem 2. Budgetbegleitgesetz gerne die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Gebt ihr jetzt die Zustimmung oder nicht?)

14.04

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile es ihm.

14.04

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich werde jetzt aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, und nach der Rede des Kollegen Jaud fällt mir das viel leichter!

Natürlich hätte meine Fraktion liebend gerne heute das 1. Budgetbegleitgesetz behandelt. Aber leider wollte der Koalitionspartner verzögern und dessen Behandlung auf den 18. Dezember verschieben. Das ist sein parlamentarisches Recht. Ich bin aber überzeugt, daß sich in der ÖVP jene durchsetzen werden, denen die Pensionsreform wirklich am Herzen liegt. Kompromißbereitschaft ist notwendig.

Sie haben heute einige Male die Presseaussendung des Kollegen Konečny zitiert und haben es so dargestellt, als ob diese ein Alleingang wäre. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Ich kann jedoch hier feststellen: Die gesamte SPÖ-Fraktion bekennt sich zu dieser Presseaussendung. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nur Ihre konkludente Unterstützung in Form von Applaus hat gefehlt!) Herr Kollege! Sie erwarten doch nicht, daß wir uns in ein Bett legen! – Mit einer Koalition ist es oft so wie mit einer Ehe: Wir haben eine Koalition mit der ÖVP, und da kann man kleine Fehler hie und da auch verzeihen, wie das Verzeihen eben auch zu einer Ehe gehört! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Die Scheidungsraten steigen aber ständig!)

Meine Damen und Herren! Ich komme zu den vorliegenden Gesetzesbeschlüssen, die zirka 20 Artikel betreffen. Vom Inhalt her sind diese – das wurde schon gesagt – unterschiedlich. Doch all diese Novellen haben ein gemeinsames Ziel, und dieses Ziel lautet: Der Kurs der Budgetkonsolidierung wird fortgesetzt. Denn mit den fortgesetzten Reformmaßnahmen wird es gelingen, wieder budgetpolitischen Spielraum zu erlangen und die Konvergenzkriterien für die öffentlichen Haushalte nicht nur 1997, sondern auch in den Jahren 1998 und 1999 zu erfüllen.

Die Herbstprognose der EU-Kommission, die vor zirka einem Monat veröffentlicht wurde, beweist das sehr eindrucksvoll: So werden 1997 13 EU-Länder ein Defizit von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder weniger haben. Für Österreich sagt die Kommission 2,8 Prozent voraus. – Zum Bereich der Verschuldung: Österreich wird 1998 laut EU-Kommission ein Defizit von 2,6 Prozent aufweisen. Das Wirtschaftswachstum insgesamt soll von 2,6 Prozent im heurigen Jahr auf 3,0 Prozent im Jahr 1998 und auf 3,1 Prozent im Jahr 1999 steigen. Dies wird unter anderem zu sinkender Arbeitslosigkeit führen.

Im Bereich des Bundeshaushaltsgesetzes werden in dieser Novelle Maßnahmen gesetzt, die bewirken sollen, daß von der Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen und den Kommunen ein noch strengeres, betriebswirtschaftliches Denken auch in den öffentlichen Bereich eingebracht wird. Die Stärkung des Kostenbewußtseins in der Verwaltung wird also sehr nachhaltig festgeschrieben.

Es werden auch Maßnahmen gesetzt, die bewirken sollen, daß das österreichische Budget mit den Budgets anderer europäischer Länder besser vergleichbar ist. – Die Vorteile, die sich aus dieser Harmonisierung ergeben, sind nicht von der Hand zu weisen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die für die Bevölkerung am meisten spürbare Maßnahme ist sicherlich die Änderung des Gebührengesetzes 1957. Das Schwergewicht der im Gebührenbe-reich vorgeschlagenen Änderungen liegt in der Anhebung der festen Gebührensätze. Hiebei ist aber zu berücksichtigen, daß seit dem Jahre 1984 keine Tarifanpassung mehr erfolgt ist. Die Erhöhung der festen Gebührensätze trägt den seit der letzten Anhebung dieser Gebührensätze


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geänderten Wert- und Preisverhältnissen Rechnung und dient als Maßnahme zu höherer individueller Beteiligung an den gestiegenen Verwaltungskosten und zur Verbesserung des Finanzierungsspielraums im budgetpolitischen Bereich. Eine Indexanpassung nach 13 Jahren ist – wie ich meine – sicherlich vertretbar. (Bundesrat Weilharter: Es handelt sich um eine Steigerung um 50 Prozent!) Es ist eine Indexanpassung nach 13 Jahren, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren! In der Vorlage für dieses Budgetbegleitgesetz werden auch die Parteiförderung, die Förderung der politischen Bildungsarbeit, die Förderung der Publizistik und die Klubfinanzierung geregelt. Konkret heißt das: Für die Jahre 1998 und 1999 sollen diese Förderungen im wesentlichen auf den Stand des Jahres 1997 eingefroren werden. Im Rahmen der Budgetkonsolidierung halte ich das für richtig und notwendig und für ein für die Bevölkerung gutes politisches Zeichen.

Gleichzeitig erlaube ich mir aber auch eine persönliche Anmerkung: Ich glaube, daß eine Demokratie Parteien braucht. Und Parteien benötigen finanzielle Mittel, um ihren demokratischen Auftrag erfüllen zu können. Dabei scheint es mir unbedingt notwendig zu sein, daß bei der Verteilung dieser Mittel aus der öffentlichen Hand 100prozentige Transparenz herrscht. Die öffentliche Parteifinanzierung ist demokratiepolitisch sicherlich besser als die Finanzierung seitens privater Geldgeber, die dafür natürlich ein entsprechendes Lobbying erwarten. Daher wird es meiner Meinung nach in Zukunft notwendig sein, auch in diesem Bereich nach 1999 Indexanpassungen durchzuführen.

Abschließend möchte ich sagen: Dieses 2. Budgetbegleitgesetz ist in Summe ein gutes Paket, mit dessen Hilfe es möglich sein wird, die Konsolidierung unseres Staatshaushaltes fortzuschreiben, die gute Beschäftigungssituation zu erhalten beziehungsweise auszubauen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich zu steigern. Durch dieses Paket wird der budgetpolitische Handlungsspielraum vergrößert und ein Beitrag zur längerfristigen Finanzierung unseres Sozialstaates geleistet. – Aus diesen Gründen wird die SPÖ-Fraktion keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.11

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich ferner Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

14.11

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Es ist dies ein Tag, an dem man sich wundert.

Herr Kollege Jaud! Ich stimme den Ausführungen in Ihrer Wortmeldung in weiten Teilen zu: Die Aufgabe eines Parlamentariers ist es, eine Gesetzesmaterie in ihrer Komplexität zu sehen und im gegenständlichen Fall natürlich alle Budgetbegleitgesetze zumindest zu kennen. Weiters wäre es notwendig, diese dann gemeinsam zu beschließen. – Ich gebe Ihnen völlig recht, und ich unterstreiche das!

In einem Punkt verstehe ich Sie jedoch nicht ganz: Wir haben hier einen Antrag nach §§ 39 und 41 der Geschäftsordnung eingebracht, und dieser Antrag ist – wie oftmals – , obwohl die Argumente schlüssig schienen und auch nicht entkräftet wurden, in der Minderheit geblieben. – Wir wollten hier eigentlich kein parteipolitisches Spiel betreiben! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir wollten vielmehr ein wenig die Ehre des Bundesrates retten! (Bundesrat Rauchenberger: Jetzt müssen Sie aber selbst lachen! – Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Herr Kollege Payer! Sie dürfen lachen, denn Sie lachen – wie ich vermute – über Ihre eigenen Spielchen!

Ich wurde in meiner Meinung dann ein bißchen unschlüssig: Denn ich habe in den Unterlagen geblättert, die ich gestern erhielt, und – siehe da! – entdeckte darunter auch das 1. Budgetbegleitgesetz. Ich habe hurtig darin zu blättern begonnen und fand die Bestimmungen betreffend die Lehrer, die Beamten, den ASVG-Bereich et cetera. Einen Bereich habe ich allerdings nicht gefunden, auch im Entwurf nicht: den Bereich der ÖBB.


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Mittlerweile ist schon offenkundig, daß man sich betreffend dieser Materie in einer koalitionären Spannung befindet. Ich weiß nicht, ob in diesem Zusammenhang der Vermittlungsausschuß einberufen werden wird, damit man mit dieser Materie zu Rande kommt. Aber Spaß beiseite, meine Damen und Herren: Sie sind nach wie vor die Parlamentarier – ebenso wie die Damen und Herren Nationalräte – , die diese Gesetze initiieren und beschließen! Im Lichte dessen muß ich Ihnen die Frage stellen: Wieso lassen Sie sich das vorlegen?

Ich habe heute schon das Buch von Herrn Professor Tomandl zitiert, gemäß welchem einerseits der Nationalrat zu einer Abstimmungsmaschinerie und andererseits wir zu einer Apportiermaschinerie beziehungsweise zu parteipolitischen Taktikspielchen degradiert werden.

Die "Oberösterreichischen Nachrichten" titeln heute: "Bundesrat als Spielwiese für Parteitaktik." In diesem Artikel heißt es – ich zitiere – : "Der Bundesrat, jene im politischen Hinterhof angesiedelte zweite Kammer des Parlaments, bekommt wieder einmal zu spüren, was er gilt – wenig. Es sei wohl ,verständlich und legitim’, sagt Günther Hummer, ,ein politisch beschicktes Organ wie den Bundesrat für ein solches taktisches Manöver einzusetzen. Zumal wir nun einmal in einem Parteienstaat leben, der sich in allen Verästelungen unserer Verfassung manifestiert.’" – Das ist ein sehr offenes Bekenntnis zum Parteienstaat!

Weiter ist in diesem Artikel in den "Oberösterreichischen Nachrichten" zu lesen: ",Andererseits’, wendet der Präsident des Bundesrates ein, ,geht das natürlich an den Aufgaben und Zielen einer Länderkammer vorbei.’" – In diesem Punkt bin ich nicht seiner Meinung, denn die Budgetbegleitgesetze belasten mit ihren Auswirkungen natürlich in einem außerordentlichen Ausmaß auch die Länderbudgets und werden sie auch in Zukunft belasten. – Ich komme dann noch auf die Konvergenzkriterien zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Zur politischen Vorgangsweise: Am 2. Dezember tagt der Verkehrsausschuß. Sie müßten diese Materie also nächste Woche zuweisen. Am 11. 12. tagt das Plenum des Nationalrates. Im Hinblick darauf frage ich Sie, meine Damen und Herren, ob Sie das der Öffentlichkeit gegebene Versprechen einhalten können, die Pensionsreform inklusive Budgetbegleitgesetze über die Bühne zu bringen. – Ich nehme an, daß Sie das aufgrund dieser Terminvorgabe nicht schaffen werden! Dann seien Sie aber zumindest so ehrlich und sagen Sie der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, daß in diesem Zusammenhang das parteitaktische Spiel im Vordergrund steht und die Demokratie ein noch wesentlich größeres Dilemma erleiden wird als etwa bei der StVO-Novelle oder bei der Kfz-Novelle, Stichwort: 0,5 oder 0,8 Promille. – In diesem Fall geht es wirklich ums Eingemachte.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, nun ein bisserl auf diese Materie zu sprechen zu kommen. Kollege Payer hat gesagt, daß wir uns hinsichtlich der Budgetsanierung auf gutem Kurs befinden. Er hat gemeint, es sei ein gutes Paket, abgesehen von formalen Dingen, die nicht stimmen, daß zum Beispiel "3. Budgetbegleitgesetz" auf der Vorlage steht, während es auf unserer Tagesordnung als "2. Budgetbegleitgesetz" bezeichnet wird. – Prüfen wir also, ob wir auf gutem Kurs sind!

Die Konvergenzkriterien – so wurde gesagt – seien erfüllt. – Ich frage Sie, Herr Staatssekretär: Beträgt unsere Gesamtverschuldung nunmehr 60 oder 65 Prozent im Vergleich zum BIP? Oder: Beträgt die Neuverschuldung 2,6 Prozent oder schon etwas über 4 Prozent? Zu dem Defizit in Höhe von 67,3 Milliarden Schilling kommen dazu: 1 Milliarde Schilling: GSVG/Landwirtschaft – höhere Versicherungsbeiträge; 4,5 Milliarden: Tabak-/Einfuhrumsatzsteuer – Zigaretten; 1,5 Milliarden Schilling: Versicherungssteuer – vorgezogene Einhebung; 1,2 Milliarden Schilling: Stempelmarken – Gebührenerhöhung um 50 Prozent; 1,8 Milliarden Schilling: Bausparen – Senkung der Prämie; 15,8 Milliarden Schilling: Steuerguthaben aus Einnahmen – sehr fein, hier werden sehr brave und ordentliche Einkommensteuerpflichtige zur Kasse gebeten! –; 3 Milliarden Schilling: Sonderdividende der Oesterreichischen Nationalbank; 3,1 Milliarden Schilling: Sistierung der Freibeträge für 1998; 3 Milliarden Schilling: 5prozentiger Zuschlag zur ESt- und KÖSt-Vorauszahlung; 6 Milliarden Schilling: Nichtanerkennung der Verlustvorträge bei den Vorauszahlungen; 9 Milliarden Schilling: ASFINAG Ausgliederung; 7,2 Milliarden Schilling: Zahlung des


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AMS an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger; 3 Milliarden Schilling: AMS/AL – zu geringe Arbeitslosenzahlen; 2,2 Milliarden: AMS/Entfall der Abgabenabdeckung.

Meine Damen und Herren! Das würde nach unserer Rechnung ein Defizit in Höhe von 129,6 Milliarden Schilling ergeben. In zwei ganz wichtigen Punkten haben wir also die Konvergenzkriterien nicht erfüllt, es sei denn, Sie können hier Besseres sagen oder diese Rechnung widerlegen.

Meine Damen und Herren! Außerdem ist man sich auch intern nicht klar darüber, wie man hier vorgehen soll. Am 17. Oktober dieses Jahres schreibt Frau Landeshauptmann-Stellvertreter Prokop: Der niederösterreichische Landessportrat hat in seiner Sitzung vom 13. Oktober 1997 zur beabsichtigten Änderung des Glücksspielgesetzes in der Fassung soundso einstimmig folgende Resolution gefaßt: Mit der gegenständlichen Novellierung des § 20 Abs. 2 Glücksspielgesetz wird die Valorisierung der Sportförderung für weitere zwei Kalenderjahre ausgesetzt und die Sportförderung nicht wie vorgesehen ab 1. Jänner 1998, sondern erst ab 1. Jänner 2000 valorisiert.

Wenn man dann in diesem Budgetbegleitgesetz betreffend das Glücksspielgesetz nachliest, stößt man auf den Satz: Aussetzung der Valorisierung der Sportförderung bis 1999. – Man hat dem Rechnung getragen, aber negativ.

Meine Damen und Herren! Auf Dauer, so wie das seinerzeit bei den EU-Begleitgesetzen und auch beim Euro der Fall war, werden Sie mit diesen Maßnahmen nicht durchkommen. Ich frage Sie heute: Wann haben wir die nächste Pensionsreform? Wie viele Budgetbegleitgesetze werden wir noch beschließen? Ich frage Sie: Wie oft wird dieses föderative Gremium des Bundesrates noch mißbraucht werden können? Ich frage Sie: Wie lange haben Sie noch Geduld?

Meine Damen und Herren! Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie heute sagen, wir wollen diese Koalition gegenüber dieser lästigen Opposition bewahren. Dieses Verständnis habe ich durchaus, aber, bitte, Sie sollten Verständnis dafür haben, meine Damen und Herren, daß es hier um mehr geht als um die Erhaltung der Koalition! Es geht darum, daß die Staatsfinanzen endlich in Ordnung gebracht werden. Es geht darum, daß der Bürger der Politik wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit abnimmt. Es geht darum, meine Damen und Herren – Sie bezeichnen uns immer als EU-Gegner –, daß wir uns tatsächlich in der EU behaupten können. Es geht darum, zu hinterfragen, warum die Länder England, Dänemark, Schweden beim Thema Euro gesagt haben, vorerst warten wir ab. – Nur wir marschieren forschen Schrittes und dürfen auch noch dafür zahlen.

Meine Damen und Herren! Bedenken Sie dies: Hier geht es um wesentlich mehr als um die Erhaltung der Koalition! Bedenken Sie unsere Staatsschuld! Es geht darum, ob wir im Gefüge Europas überhaupt noch ernst genommen werden und ob der Bürger uns überhaupt noch glauben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Uns schon! Nur den Freiheitlichen nicht!)

14.23

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile es ihm.

14.23

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir haben in den letzten beiden Jahren, so glaube ich, keine unwesentliche Budgetkonsolidierung zusammengebracht. Wenn ich erinnern darf: Im Jahr 1995 hat Kollege Staribacher, um einmal jemanden zu erwähnen, der niemandem stark abgeht, 117 Milliarden Schilling als Defizit im Budget verbuchen müssen. Wir haben im Jahr 1997 das Defizit auf 68 Milliarden gesenkt.

Wenn heute diskutiert wird, daß im Jahr 1994 von seiten der Bundesregierung nicht klargemacht worden sei, daß wir mit dem Beitritt zur Europäischen Union den Schilling aufgeben, so kann ich dem nicht folgen, weil in dem blauen Büchlein mit den etwa 300 Seiten, das von der


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Opposition sehr kritisiert worden ist, zum Beispiel auch gestanden ist, daß sehr wohl eine Währungsunion kommen wird.

Es ist sogar vom Parteiobmann der Freiheitlichen, Haider, bei einer Pressekonferenz noch knapp vor der Abstimmung, bei der 15 Punkte gebracht worden sind, die gegen eine Integration in die Europäische Union sprechen, als elfter Punkt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, angeführt worden, daß es den Schilling nicht mehr geben wird. Das ist aber damals von den Freiheitlichen nicht als ein solch interessanter Punkt angesehen worden, den man stärker thematisieren müßte, denn damals waren Themen wie die Schildläuse im Joghurt, die Lieferung des Wassers nach Spanien und der Goldreserven in irgendeine andere Gegend wichtigere Themen.

Ich habe den Eindruck, das Schilling-Thema hat man sich sehr bewußt aufgehoben, weil man gesehen hat, man kann die Integration Österreichs in die Europäische Union nicht verhindern. Warum also ein so griffiges Thema wie den Schilling dann noch vor der Abstimmung vor die Säue werfen, wo man die Niederlage doch schon kommen gesehen hat? Das hat man sich für später aufgehoben.

Meiner Meinung nach ist die einzige Kontinuität in der Europapolitik der Freiheitlichen das ständige Wechseln der Meinung. Das ist das einzige, was für mich kontinuierlich daran ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich glaube, alle Fraktionen hier – da schließe ich die Freiheitlichen mit ein – kennen die Aussagen des Parteivorsitzenden Haider, als er gesagt hat, daß Österreich am Weg ist, ein Armenhaus zu werden, wenn Österreich nicht den Weg in die Europäische Union geht. Er war damals einer der Vorkämpfer ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Das hat er nicht gesagt!) – Verteidigen Sie ihn jetzt nicht! Er verteidigt Sie ja auch nicht. – Auf jeden Fall war er einer der ersten, der das zum Teil sehr richtig argumentierend vorgebracht hat.

Es wundert aber, so glaube ich, hier niemanden, daß es auch Dr. Haider war, der für einen weichen Euro eingetreten ist und der heute denselben weichen Euro, den er jetzt kommen sieht, als die große Gefahr hinstellt. (Bundesrat Dr. Harring: Das ist ein kompletter Unsinn, was Sie da erzählen! Das ist ja keine Märchenstunde!)  – Ich glaube, Ihre Kollegin hat sich schon zu Wort gemeldet. Sie wird es sich als Kampagnenleiterin ohnehin nicht nehmen lassen, das dann darzustellen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist schlicht und einfach unwahr, was Sie da sagen!) Okay, Sie sagen, es ist unwahr. Ich kann mich auf jeden Fall daran erinnern (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann beweisen Sie es!), daß in der Sendung "Zur Sache" die Journalistin Rossmann Ihren Parteivorsitzenden darauf aufmerksam gemacht hat, daß er eigentlich einmal für einen weichen Euro war, und er hat dem nicht einmal widersprochen. Aber wir können uns einmal gemeinsam dieses Video anschauen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie müssen weniger Soletti essen beim Fernsehen und mehr zuhören!)

Ich glaube, es ist wirklich nicht notwendig, Frau Kollegin, eine massive wissenschaftliche Forschung zu betreiben, um widersprüchliche Aussagen Ihres Parteivorsitzenden an die Oberfläche zu bringen. Das ist, glaube ich, wirklich nicht notwendig! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Das ganze Budget ist ein Widerspruch zur Regierungspolitik!)

Ich erkenne auch Ihre Warnungen vor der Zukunft. Was Sie zusammenbringen, ist, daß Sie immer insbesondere vor der Zukunft warnen. Es wird der Euro kommen, es wird dann auch diese Regierung noch geben, und ich zweifle auch nicht daran, daß es die Freiheitlichen dann noch geben wird. Ich sehe jetzt schon vor meinem geistigen Auge die abenteuerlichen Argumentationen, die kommen werden, wenn es darum geht, einen Grund für irgendein Problem zu finden. Alles Negative in Österreich wird dann auf den Euro zurückzuführen sein. Alle Probleme in Österreich, bis hin zum Regenwetter in Kärnten, werden dann mit dem Euro begründet werden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das Budget ist in Schilling erstellt, nicht in Euro, Herr Kollege!)

Daher glaube ich, es ist schon sehr süffisant, wenn gerade Dr. Tremmel, der es sehr wohl versteht, Wichtiges auf den Punkt zu bringen, einen Moment in die Diskussion einbringt, der da lautet: jetzt einmal nicht parteipolitisch gedacht. Dazu muß ich sagen, mag schon sein, daß wir


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mitunter auch blauäugig und naiv sind, aber so auf der Nudlsuppe dahergeschwommen ist, glaube ich, in diesem Hohen Haus niemand, daß er Ihnen abnehmen würde, daß es den Freiheitlichen einmal nicht um diese Sache geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es gibt ein interessantes Element, das die zweite Kontinuität bei den Freiheitlichen neben dem ständigen Ändern ihrer Meinung darstellt, das sich wie ein roter Faden durch ihre Politik zieht, nämlich daß Sie sehnsüchtig darauf warten, wann Sie gemeinsam mit einer der beiden Regierungsparteien gegen die andere stimmen können. Aber dann gibt es doch leider immer wieder Gespräche zwischen den Regierungsparteien, die versuchen, gemeinsam die Probleme zu lösen und für dieses Land etwas weiterzubringen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ist das eine Faschingsrede, die Sie hier halten, Herr Kollege! Mit der Nummer können Sie beim Villacher Fasching auftreten! Das ist ein Kabarett, das Sie hier machen!)

Ja? Glauben Sie das? Ich glaube auch, daß ich beim Villacher Fasching durchaus lustiger wäre als manche Ihrer Kollegen. Das heißt aber nicht ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Es ist beachtlich, daß Sie sagen, daß Sie noch hin und wieder miteinander reden!) – Wir reden sogar sehr häufig miteinander, weil wir gezwungen sind, miteinander zu reden, weil wir in der Diskussion mit Ihnen nicht sonderlich sensationell vorankommen.

Wie auch immer, liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei, ich habe das, was ich zum Ausdruck bringen wollte, zum Ausdruck gebracht, nämlich Ihre zwei großen Kontinuitäten, ständig die Meinung zu wechseln und gerne einmal mit einem gegen den anderen Regierungspartner zu stimmen. Sie sehen das alles anders, wunderbar, fein, großartig!

Was ich sonst noch zu dem Gesetz anmerken wollte, ist – das haben auch schon Vorredner gesagt –, daß die Nichtvalorisierung der Parteien- und Klubförderung ein wichtiges politisches Zeichen in Zeiten des Sparens darstellt. – Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.33

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer gemeldet.

Ich weise darauf hin, daß eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken.

Ich erteile Frau Bundesrätin Frau Dr. Riess-Passer das Wort.

14.33

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Himmer! Um Ihrem Gedächtnis ein bißchen auf die Sprünge zu helfen: Sie haben behauptet, es wäre vor der Volksabstimmung 1994 seitens der Regierung klargemacht worden, daß ein Ja zum Beitritt auch ein Ja zum Euro bedeutet. Die freiheitliche Fraktion hier hat in diesem Hause 14 Tage vor der Volksabstimmung eine dringliche Anfrage an den Herrn Finanzminister gestellt, die Staatssekretär Ditz wie folgt beantwortet hat, und ich bitte Sie, dies im Protokoll nachzulesen ... (Bundesrat Ing. Penz: 1994 hat es den Euro noch gar nicht gegeben!) – Sie können dann herauskommen und Ihre Weisheiten verbreiten.

Herr Staatssekretär Ditz hat damals gesagt: Es gibt keinen Automatismus, der Euro wird nicht automatisch eingeführt. Wir werden ein Vetorecht haben, wenn wir in der Europäischen Union sind. Jeder, der etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit. – Jetzt frage ich Sie: Hat Herr Staatssekretär Ditz den Vertrag nicht gelesen, oder hat er ihn nicht verstanden, oder hat er bewußt die Unwahrheit gesagt?

Die ÖVP hat im Nationalratswahlkampf 1995 in ganz Österreich den Schilling plakatiert und geschrieben: Harter Schilling – starke Wirtschaft! Ich garantiere, hat Herr Vizekanzler Schüssel gesagt, daß der Schilling erhalten bleibt, damit die Sparguthaben der Österreicher sicher sind.


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Jetzt frage ich Sie: Hat Herr Vizekanzler Schüssel den Vertrag nicht gelesen, oder hat er ihn nicht verstanden, oder war es schlicht und einfach Betrug am Wähler? Herr Kollege Himmer! Darauf hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Bemerkung erlauben Sie mir noch, weil Sie gesagt haben, wann es die Freiheitlichen noch geben wird, auch dazu möchte ich tatsächlich berichtigen: Die Freiheitlichen wird es noch geben, wenn die ÖVP nur mehr in den Geschichtsbüchern dieser Republik zu finden sein wird. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.36

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer. Ich erteile es ihm.

14.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Hoher Bundesrat! Das zur Diskussion stehende Gesetz ist ein ganz wesentlicher Schritt in Richtung weiterer Budgetkonsolidierung, eine, wie ich meine, Mischung sehr ausgewogener und maßvoller Anpassungen. Sie sind maßvoll, denn zum Beispiel die Gebühren nach über zehn Jahren mit der Inflation anzupassen ist für mich vertretbar. Das Bausparen an den gesunkenen Zinssatz auf den Weltmärkten anzupassen ist für mich durchaus vertretbar. So sind auch viele andere Maßnahmen, die in diesem Gesetz genannt werden, durchaus als sehr zielführend zu bezeichnen im Sinne einer schrittweisen, aber doch sehr konsequenten Budgetkonsolidierung.

Es ist nicht richtig, daß im Zuge dieser Budgetkonsolidierung nur kurzfristige Maßnahmen angesprochen werden. Diese Bundesregierung bekennt sich sehr wohl auch zu einer strukturellen Budgetpolitik, und diese kommt in erster Linie in den beiden weiteren Budgetbegleitgesetzen zum Ausdruck. Diese Bundesregierung bekennt sich dazu, auch Maßnahmen zu setzen, die erst die Budgets der Jahre 2003 und folgender entlasten werden, denn wir sehen es als unsere Verantwortung an, schon heute die Weichen für das nächste Jahrzehnt zu stellen.

Alle diese Maßnahmen werden dazu verhelfen, auch das Budget 1998 zu einem Erfolg werden zu lassen. Auch schon das Budget 1996 ist wie geplant eingetroffen. Ich kann Ihnen versichern, daß auch das Budget 1997, obwohl es hier sehr viele andere Stimmen gegeben hat, sehr wohl in der geplanten Höhe einzuhalten sein wird. Ich kann die anderen Rechnungen, die hier für 1998 angeführt wurden, nicht nachvollziehen, sondern ich muß auf die vorliegenden, sehr seriös ausgearbeiteten Zahlen verweisen.

Genauso sorgfältig, wie wir die Budgetpolitik betreiben, im Rahmen derer wir versuchen, mit einer sehr verantwortungsvollen, langfristig ausgelegten Konsolidierung dieses Land weiter auf Erfolgskurs zu halten, genauso sorgfältig bereiten wir uns auf die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion vor. Es ist richtig, daß diese Wirtschafts- und Währungsunion für Österreich nicht automatisch kommt. Wir können nur dann Mitglied dieser Wirtschafts- und Währungsunion werden, wenn wir die Konvergenzkriterien erfüllen. Und ich bin stolz darauf, daß es uns ganz offenbar gelingt, diese Kriterien, wie sie im Maastricht-Vertrag definiert werden, auch zu erfüllen.

Wir sind eines jener Länder, die schon am längsten stabile Wechselkurse haben, und daher haben wir Interesse, eine Stabilität auf dem Währungsgebiet nicht nur gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in einem größeren Europa zu erreichen. Aber ich bin stolz, daß wir mit dieser stabilen Wechselkurspolitik schon viel früher begonnen haben. Ich bin stolz, daß wir, was die Inflation betrifft, zu den besten Ländern gehören, wir haben eine der niedrigsten Inflationsraten, wiewohl aber auch anzuerkennen ist, daß viele andere frühere Weichwährungsländer heute eine niedrige Inflation erreicht haben.

Ich bin stolz darauf, daß wir in Österreich einen geringen Zinssatz haben, wiewohl aber anzuerkennen ist, daß im Zuge der Konvergenzbemühungen in Europa auch viele andere Länder einen sehr niedrigen Zinssatz erreicht haben.


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Ich bin auch stolz darauf, daß wir unser Budgetdefizit heuer deutlich unter 3 Prozent senken, und ich bekenne mich zu der Zielsetzung, die Budgets weiter zu konsolidieren, mit oder ohne Maastricht-Vertrag, denn wir sollten das Defizit, die Neuverschuldung auf einen Satz reduzieren, der unter der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes liegt, um unsere relative Verschuldung, also die Schulden in Prozent des Bruttoinlandsproduktes, zu senken. Wir sind aber auf dem besten Weg, auch dieses Ziel zu erreichen.

Der Euro, der heute sehr oft erwähnt wurde, hat ohne Zweifel Vor- und Nachteile. Es gilt, diese umfassend darzustellen, und ich bekenne mich dazu. Ich sage aber mit der gleichen Klarheit dazu, daß unter dem Strich und nach Abwägung all dieser Vorteile und Nachteile der Euro für ein Land, wie Österreich es ist, ein deutlicher Vorteil ist. Ich zähle hier nur zwei Gründe dafür auf.

Zum einen ist Österreich ein kleines exportorientiertes Land. Fast die Hälfte der Arbeitsplätze in Österreich hängt direkt oder indirekt von der Exportwirtschaft ab. Wir sind mit der Bundesrepublik Deutschland aufs engste verbunden, 37 Prozent unserer Exporte gehen in dieses Land. Rund zwei Drittel unserer Exporte gehen in die Europäische Union, daher sind wir an stabilen Bedingungen, besonders an stabilen Exportbedingungen, im Handel mit diesen Ländern essentiell interessiert.

Der Euro selbst bringt an sich keine Arbeitsplätze, und er vernichtet auch keine. Aber er hilft dagegen, daß andere Länder Abwertungen dazu verwenden, um sich kurzfristig Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und damit unsere Wirtschaft zu schädigen, wie das in den Jahren 1993 und 1995 sehr wohl der Fall war. Das wollen wir in Zukunft vermeiden, und zwar dadurch, daß wir uns in Richtung Wirtschafts- und Währungsunion bemühen.

Zum zweiten stellt das Aufgehen des Schillings im Euro eine logische Fortsetzung unserer Hartwährungspolitik dar. Wir haben uns schon vor zwei Jahrzehnten dazu bekannt, daß für uns, für unser Wirtschaftswachstum eine Hartwährungspolitik die beste Politik ist. Wenn nun sogar die Vertreter der größten europäischen Länder, die Deutschen, die Franzosen, meinen, daß sie eine Stabilitätspolitik in einer solchen Wirtschafts- und Währungsunion besser verfolgen können, daß sie damit auf den Weltmärkten erfolgreicher sein können, dann sollte auch ein kleines, exportorientiertes Land, wie Österreich es ist, nicht draußen stehen, sondern dabeisein, denn wir haben, wie ich meine, ein essentielles Interesse daran, unsere bisherige erfolgreiche Währungspolitik auch im nächsten Jahrtausend fortzusetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.44

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile es ihm.

14.44

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Ruttenstorfer hat soeben wesentliche Eckdaten zur Budget- und Währungspolitik in unserem Bundesland darlegt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Welches Bundesland?!) Ich meinte: Bundesstaat.

Eines ist, wie ich meine, beim vorliegenden Budgetgesetz ganz wesentlich: Frau Kollegin Riess-Passer! Du hast vorhin einige Details im Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen Himmer angesprochen beziehungsweise hast du das ganz anders als er dargestellt. Dazu muß ich mit aller Klarheit sagen: Ich vermeide es jetzt, den vom Kollegen Himmer angesprochenen Zickzackkurs fortzusetzen, weil dies den Zeitrahmen sprengen würde. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Du brauchst nur meine Frage zu beantworten!)

Ich darf aber vorweg eine klare Aussage festhalten. Es war Bundesparteiobmann Haider, der der Bundesregierung immer vorgeworfen hat, wir säßen in puncto Europapolitik in der Schlafwagenabteilung. Das ist eine unwidersprochene Aussage von ihm. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dort sitzen wir auch noch immer!) Ich verstehe nicht, warum man heute die Fakten verkennen und sich mit England messen möchte. Anscheinend erkennt man, daß das harte Nein zum Euro doch verkehrt war, und möchte ein bißchen einschwenken. So wie man bezüglich der EU-Ent


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scheidung gesagt hat: Na ja, das war schon richtig, aber man hätte härter verhandeln sollen!, so möchte man anscheinend auch jetzt einschwenken und sagen, man sollte sich an den Engländern orientieren.

Wir Österreicher werden die Einführung des Euro nicht aufhalten, aber wir müssen uns ansehen, mit welchen Ländern – ich denke, an vorderster Stelle ist Deutschland zu nennen – wir vorwiegend Handel und Exportwirtschaft betreiben. (Bundesrat Waldhäusl: Italien wäre auch wichtig!) Natürlich, Herr Kollege!

Ich darf noch einen Punkt anführen. Die Koalitionsparteien sind nicht zu hochnäsig, um gute Vorschläge von der Opposition anzunehmen, wenn sie brauchbar sind. Es ist nur müßig, im nachhinein immer alles als schlecht darzustellen. Eine positive Anregung hätte ich aber: Man sollte beim Budget mit der Einsparung der ständigen unnötigen Sondersitzungen beginnen! Erst vor kurzem gab es – im Zuge des Wahlkampfes – eine Sondersitzung zum Thema Arbeitsplatzvernichtung, und gestern haben wir eine zum Thema Euro erleben müssen.

Ich bin der Ansicht, daß es wirklich eine Verhöhnung der Demokratie in diesem Land, der Plenarversammlungen und Sitzungen ist, wenn Bundesparteiobmann Haider eine Sondersitzung verlangt, aber selbst nur dreieinhalb von 46 Plenarsstunden in diesem Hause anwesend ist. Ich denke, hier gilt es anzusetzen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

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Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer. Ich erteile es ihr.

14.46

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Leo! Ich fange jetzt noch einmal mit dem Thema von vorhin an, weil du offensichtlich nicht ganz verstanden hast, worum es dabei geht.

Es hat vor der Volksabstimmung 1994 über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union seitens der österreichischen Bundesregierung, der auch die ÖVP angehört, eine Reihe von Versprechungen an die österreichische Bevölkerung gegeben. Da gab es zum Beispiel das Versprechen, es werde durch den Beitritt 30 000 neue Arbeitsplätze geben. Das war eines der Versprechen. – Wir wissen heute, was dabei herausgekommen ist, nämlich genau das Gegenteil: Seit 1995 sind 24 000 Arbeitsplätze verlorengegangen.

Dann hat es das Versprechen gegeben, jeder österreichische Haushalt werde sich 1 000 S pro Monat ersparen, weil alles so viel billiger werden würde. – Das war der berühmte Ederer-Tausender, auf den wir alle bis heute noch immer warten.

Dann hat es das Versprechen gegeben, der Transitverkehr würde eingedämmt, denn wir könnten dann in der Europäischen Union mitreden. Wir hätten dann etwas zu sagen. – Das Gegenteil ist passiert.

Dann hat es geheißen, das anonyme Sparbuch bleibt erhalten. Wir garantieren ... (Rufe bei der SPÖ: Blutläuse! Blutschokolade!) – Ich weiß schon, daß euch das unangenehm ist, aber das ist nun einmal eine Tatsache. Wir garantieren, hat es geheißen, ... (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Unruhe im Saal.) – Ich stehe so lange hier heraußen, bis ihr mich reden laßt.

Wir garantieren, haben SPÖ und ÖVP damals gesagt, daß das anonyme Sparbuch erhalten bleibt. – Wo ist denn das anonyme Sparbuch heute?! – Heute stehen wir vor dem Europäischen Gerichtshof, der sagt: Selbstverständlich ist das nicht mit dem Vertrag vereinbar.

Dann hat es geheißen (neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP) – ich kann das ewig fortsetzen, wenn ihr nicht ruhig seid –, wir garantieren, daß es keine genmanipulierten Lebensmittel in Österreich geben wird. – Mehr als eine Million Österreicher haben ein diesbezügliches Volksbegehren unterschrieben. Aber das ist euch völlig Wurscht, davon wollt ihr nichts mehr wissen.


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Dann hat es geheißen: Wir garantieren, daß der harte Schilling erhalten bleibt. – Ich wiederhole ausdrücklich, es hat geheißen: Wir garantieren, der harte Schilling bleibt erhalten! Es wird zu keiner automatischen Einführung der Währungsunion in Österreich kommen. Österreich hat ein Vetorecht. Niemand kann gezwungen werden, teilzunehmen. Selbstverständlich werden die Österreicher zu dieser Frage befragt werden!, und so weiter und so fort.

Frau Schaumayer, damals Nationalbankpräsidentin, eurer Fraktion auch nicht gerade ferne stehend, hat gesagt: Das ist überhaupt keine aktuelle Frage. Diese Frage stellt sich irgendwann in Jahrzehnten, später irgendwann einmal. In mehreren Jahrzehnten, in der fernen Zukunft werden wir uns mit dieser Frage befassen. Alle Österreicherinnen und Österreicher können sicher sein, wir werden den Schilling nicht aufgeben! – Und es hat geheißen, alle, die jetzt behaupten, der Schilling sei in Gefahr, oder wir müßten am Euro teilnehmen, sagen die Unwahrheit.

Lieber Kollege Steinbichler! Du hast vorhin von einer Verhöhnung der Demokratie gesprochen. Dazu sage ich dir: Eine Verhöhnung der Demokratie ist es, den Österreichern unter falschen Voraussetzungen die Zustimmung zum Beitritt zur Europäischen Union abzuringen und dann hinterher zu sagen: Ätsch, reingefallen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ätsch, reingefallen!, sagt ihr nämlich, indem die österreichische Bundesregierung in der Person der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner heute hergeht und sagt, die Österreicher hätten den Vertrag genauer lesen sollen, darin ist alles gestanden. Hätten sie eben genauer lesen sollen!

Ich frage euch: Welcher Bürger hat denn diesen Vertrag in die Hand bekommen, ganz abgesehen davon, daß er 1 400 Seiten hat? Welcher Bürger hatte denn überhaupt die Chance, diesen Vertrag zu lesen? (Bundesrat Dr. Böhm: Absurd!)

Hast du den Vertrag gelesen, lieber Leo? – Das bezweifle ich entschieden. (Bundesrat Waldhäusl: Gelesen hat er ihn schon, aber verstanden hat er ihn wahrscheinlich nicht! – Heiterkeit.) Hast du den Vertrag gelesen? Hast du einmal ein paar ruhige Stunden, ein paar ruhige Tage dazu benützt, um diese 1 400 Seiten durchzulesen, und zwar sorgfältig durchzulesen? – Ich bezweifle das aufgrund deiner Aussagen sehr, ich stelle es entschieden in Abrede.

Wenn du nämlich den Vertrag gelesen hättest, dann wüßtest du selbstverständlich, daß es nach wie vor die Möglichkeit einer Verschiebung gibt, dann wüßtest du auch, daß Herr Staatssekretär Ditz und alle, die etwas ähnliches behauptet haben, offensichtlich die Unwahrheit gesagt oder, wie manch anderer offensichtlich auch, den Vertrag nicht richtig gelesen haben.

Aber so geht es jedenfalls nicht, daß man hinterher sagt: Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern? Jetzt wird drübergefahren! Die Meinung der Bürger dieses Landes interessiert uns überhaupt nicht! – Das , lieber Kollege Steinbichler, ist eine Verhöhnung der Demokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird (605/A und 900/NR sowie 5560 und 5563/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bausparkassengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten Verzetnitsch, Stummvoll und Genossen eingebracht.

Diese Änderung soll die Flexibilität des Bauspargeschäftes erhöhen und zu einem verstärkten Mitteleinsatz im Wohnungsbau beitragen. Neben einigen bauspartechnischen Adaptierungen sind auch Verbesserungen für den Bausparkunden durch Kosteneinsparung und erhöhten Konsumentenschutz vorgesehen.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 18. November 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

14.54

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Novelle zum Bausparkassengesetz bringt tatsächlich eine Reihe von Vorteilen für die Bürger beziehungsweise Bausparer.

Ich erwähne nur ganz kurz und auszugsweise einige dieser Vorteile, zum Beispiel die Möglichkeit der Übertragung von Bausparverträgen auf Lebensgefährten und nicht nur, wie bisher, auf Ehegatten.

Ich erwähne die Möglichkeit der Bausparkassenfinanzierung auch bei Miet- und Genossenschaftswohnungen. Ich halte das deshalb für besonders wichtig, weil die Finanzierung von Eigentumswohnungen bei einem angenommenen Quadratmeterpreis von, sage ich einmal, 30 000 S für junge Familien mit einer 80 Quadratmeter großen Wohnung zum Preis von rund 2,5 Millionen Schilling fast überhaupt nicht mehr möglich ist. Daher ist es sicher sinnvoll, daß man die Erweiterung geschaffen hat, auch Mietwohnungen über die Bausparkasse finanzieren zu können.

Ich meine, daß die Möglichkeit der Finanzierung des Grund- und Baukostenanteils bis 300 000 S ebenfalls etwas sehr Positives ist, ebenso die Möglichkeit für die Bausparkassen, in Zukunft auch unbesicherte Darlehen zu vergeben, weil man dadurch den Bürgern zumindest teilweise die Kosten der Eintragungsgebühren erspart. Ich meine, daß es angesichts der gestiegenen Preise auch besonders wichtig und positiv ist, daß die Höchstsumme eines Bauspardarlehens jetzt 1,9 Millionen mal zwei, also 3,8 Millionen Schilling, beträgt.

Zum § 7 Absatz 1 möchten wir aber doch eine kritische Bemerkung machen. Bisher ist es traditionell so gewesen, daß es bei Gebührenänderungen der Bausparkassen die Notwendigkeit der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde, durch das Finanzministerium gegeben hat. Das ist nun ersatzlos gestrichen worden. Ob der Konsumentenschutz allein ausreicht, die gleiche Wirkung zu erzielen, wagen wir zu bezweifeln. Offensichtlich hat sich hier die Lobby der Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen durchgesetzt, sie war offenbar stärker.


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Meine Damen und Herren! Der wesentlichste Punkte ist aber § 2 Absatz 4, in dem den Bausparkassen nun die Möglichkeit eingeräumt wird, längerfristige Wertpapieremissionen zu begeben, sich also Refinanzierungsmittel zu verschaffen. Das war bisher nur bis zu einer Dauer von sechs Jahren möglich. In diesem Punkt haben die Bausparkassen also die volle Bankkonzession erhalten.

Meine Damen und Herren! Man müßte eigentlich hellhörig werden, wenn man das im Zusammenhang mit der Novellierung der Bestimmungen zum Einkommensteuergesetz und der vorhin von meinem Vorredner angesprochenen Kürzung der Bausparprämien betrachtet. Da ist offensichtlich ein Gegengeschäft gemacht worden, und zwar hat man im Gegenzug die Kürzung der Bausparprämie von 600 S auf 513 S ohne weiteres akzeptiert. Der Herr Staatssekretär hat zwar gemeint, das hänge mit den sinkenden Zinsen zusammen, aber ich weise darauf hin, daß die Bausparprämien nie mit der Höhe des Zinsfußes in Zusammenhang gebracht worden sind, und zwar schon seit 1945 nicht.

Man hat also die 600 S-Prämie zu Lasten der Bürger auf 513 S reduziert, und die Arbeitsgemeinschaft der vier österreichischen Bausparkassen hat sich merkwürdigerweise völlig ruhig verhalten, und zwar sicherlich deshalb, weil diese als Gegengeschäft die Emissionsmöglichkeit beim Wertpapiergeschäft erhalten haben.

Dieses Durchsetzen von Lobbies ist etwas, was uns Freiheitlichen bei allen Finanzgesetzen in letzter Zeit leider immer mehr und mehr auffällt. Ich erinnere nur etwa an die letzte Debatte hier im Hohen Bundesrat, als wir über das Genossenschaftsrevisionsgesetz debattiert haben. Es ist bezeichnend, daß in allen Entwürfen zu diesem Gesetz zunächst bestimmte Passagen enthalten waren und erst in der allerletzten Phase, erst in der Phase, in der sich die Regierung damit beschäftigt hat, in der die Gesetzesvorlage in den Ausschuß gekommen ist, diese Passagen wieder herausgenommen worden und große, wichtige Änderungen in die Vorlagen hineingekommen sind. Es heißt dann, das sei politisch motiviert, das sei eine politische Frage und eine politisch-pragmatische Lösung.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, es läßt für die Zukunft nichts Gutes erwarten, wenn man sich immer mehr von sachlich richtigen Lösungen absentiert und im letzten Augenblick dann etwas tut, was politisch motiviert ist.

Es gibt offensichtlich – das stellen wir bei diesen Finanzgesetzen leider immer wieder fest – ein Netzwerk von Lobbyisten, bei dem man nicht richtig durchsieht, ein Netzwerk, dem sicherlich auch Spitzenbeamte und Politiker – vor allem von den Regierungsparteien – angehören, ein Netzwerk, das von diesen Politikern zwar nicht begünstigt, aber doch auch nicht abgestellt wird.

Ich darf Ihnen zur Erläuterung dessen nur ein kleines Beispiel liefern. Jeden Tag, jede Woche erhalten viele Österreicher per Post Einladungen zu bestimmten Spitzenseminaren, die in Österreich veranstaltet werden. Ich nenne nur ein einziges Beispiel, könnte aber auch viele andere Beispiele dafür aufzählen. Das ist nur eines von vielen. (Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer spricht mit Frau Bundesministerin Hostasch, die soeben auf der Regierungsbank Platz genommen hat .) – Normalerweise müßte das den Herrn Staatssekretär im Finanzministerium irgendwann einmal interessieren.

Das Beispiel, das ich nennen möchte, ist ein Spitzenseminar mit dem Titel "Steueroptimierung im Konzern 1998". Diese Veranstaltung findet im Jänner 1998 statt. Die Seminarkosten betragen pro Tag zirka 11 000 S.

Meine Damen und Herren! Dort geht es darum, folgende Fragen zu besprechen – ich zitiere aus dem Prospekt –: Wo sind die derzeitigen Prüfungsschwerpunkte der Finanz? In welchen Bereichen hat die Finanzverwaltung ihre Prüfungsmethoden verfeinert? Wie bereiten Sie sich generell und gezielt auf die Betriebsprüfung vor? – Sie sollten das Seminar nicht versäumen, wenn mögliche Schwachstellen in Ihrer umgesetzten Steuerstrategie zu erheben sind. Sie sollten das Seminar nicht versäumen, wenn Sie wissen wollen, wie Sie komplexe Gestaltungsvarianten Ihrer Konzernsteuerung dokumentieren und Vorsorge für Beweise treffen.


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Meine Damen und Herren! All das wäre an sich noch nicht so schlimm, das ist ein vernünftiges Seminar. Aber wenn Sie, Herr Staatssekretär, dann in der Liste der Referenten finden, daß der Prüfer der Sondergruppe für Auslandsbeziehungen in der Großkreditprüfung beim Finanzamt Wien, Finanzamt für Körperschaften, mit dabei ist, daß der Leiter der Prüfungsabteilung des Finanzamtes Wien, Referent der EU-Projektgruppe, mit dabei ist, dann ändert das die Situation.

Ich nenne heute bewußt keine Namen, denn in der letzten Debatte habe ich mir erlaubt, einige Namen zu nennen, und drei Tage später ist mir mein Debattenbeitrag von einem Präsidenten der Raiffeisengruppe bei einem freundschaftlichen Mittagessen serviert worden – auf die Art: Was hast du dir erlaubt, im Hohen Haus zu erzählen? – Dummerweise war aus dem Absender des Briefes mit dem betreffenden Debattenbeitrag ein Hinweis auf den ÖVP-Klub zu entnehmen. Offensichtlich werden die Reden, die kontroversiell sind, österreichweit verschickt, und dann muß man sich als freier Abgeordneter noch dafür rechtfertigen! (Bundesrat Bieringer: Von uns war das sicher nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege! Auch wenn Sie das nicht stört, so muß ich Ihnen doch sagen, mich stört das! Darum nenne ich heute keine Namen. (Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer spricht noch immer mit Frau Bundesministerin Hostasch. )

Ich frage Sie aber, meine Damen und Herren: Warum interessiert das den Herrn Staatssekretär nicht, wenn der Leiter der Grundsatzabteilung der Steuerabteilung des Bundesministeriums für Finanzen unter den Referenten aufscheint, wenn der Vorstand des Finanzamtes für Körperschaften in Wien, der früher der Leiter der Betriebsprüfung, der Großkreditprüfung gewesen ist, wenn diese Spitzenherren aufscheinen? – Ich möchte betonen, ich habe nichts gegen diese Herren und dagegen, daß sie ihr Wissen weitervermitteln. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren im Hohen Haus: Haben Sie nicht auch das Gefühl, daß es da gleiche und gleichere gibt? – Es gibt Leute, die diese Seminare besuchen und 11 000 S für ein Tagesseminar bezahlen. – Dabei rede ich noch gar nicht davon, daß die Referenten ein Honorar bekommen, aber selbstverständlich ist auch das der Fall. – Aber mit "Gleiche und Gleichere" meine ich folgendes: Die Damen und Herren werden darüber aufgeklärt, wie sie sich richtig verhalten sollen, um bei der Betriebsprüfung ordentlich abzuschneiden.

Ist das nicht eine Aufgabe der Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, daß jeder Österreicher, jedes österreichische Unternehmen so aufgeklärt wird, daß es nicht notwendig ist, solche Seminare über Steueroptimierung im Konzern zu besuchen? – Das frage ich Sie, Herr Staatssekretär!

Diese Verknüpfung, dieser Lobbyismus ist abzulehnen. Es gibt immer wieder Leute, die mir erzählen, wie stolz sie darauf sind, daß es ihnen gelungen ist, im Weg des Lobbyismus – durch Klinken-Putzen, wie man es immer wieder nennt – Ergebnisse zu erzielen – vorbei am Nationalrat, vorbei am Bundesrat.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen stellen diese Entwicklung bei den Finanzgesetzen fest, und ich sage Ihnen, das ist ein sehr schlechtes Zeichen für die Zukunft. Wir wären sicherlich gut beraten, einmal etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Wir von der Opposition haben keine andere Möglichkeit, als das hier aufzuzeigen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir betrachten es als unsere Aufgabe, Ihnen, meine Damen und Herren, bei der Beratung von Finanzgesetzen, wie sie heute eben über das Bauspargesetz stattgefunden hat, diese Verbindung zwischen der Kürzung der Prämie einerseits und dem vollen Wertpapieremissionsrecht andererseits zur Kenntnis zu bringen, damit Sie etwas hellhöriger werden und in Zukunft darauf achten, daß solche Dinge, die letztlich zu Lasten aller Österreicherinnen und Österreicher gehen, vielleicht in Hinkunft hintangehalten werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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15.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kaufmann. – Bitte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Kremser Messe! – Heiterkeit.)

15.04

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Kollege Harring! Ich schätze Sie als Finanzexperten außerordentlich, aber die Begründung, die Sie heute dafür geliefert haben, daß diese Gesetzesnovelle abzulehnen ist, war sehr an den Haaren herbeigezogen. Sie haben, so glaube ich, schon alle Argumente aufbieten müssen, die Sie kennen, um etwas Negatives an dieser Novelle zu finden – zumal es im Nationalrat in der zweiten Lesung einen Fünfparteienantrag auf Änderung dieser Novelle gegeben hat. (Bundesrat Dr. Harring: Bei der ersten Lesung nur drei Parteien!) Das heißt, daß es mit Unterstützung der Freiheitlichen zu diesen Änderungen gekommen ist. Der einzige Grund von Ihrer Seite, dieses Gesetz abzulehnen, war eigentlich nur, daß die Bausparprämie reduziert wird.

Meine Damen und Herren! Diese Novelle zum Bausparkassengesetz bietet Gelegenheit, ein paar grundsätzliche Bemerkungen über das Bausparkassenwesen in Österreich zu machen. Man kann dabei, wie ich meine, von einer regelrechten Erfolgsstory sprechen, die es in Österreich in diesem Bereich seit 1945 gegeben hat. Es sind in diesen letzten Jahrzehnten mehr als 5 Millionen Verträge mit einer Sparsumme von nicht weniger als 200 Milliarden Schilling abgeschlossen worden.

Die Änderung dieses Bausparkassengesetzes ist nicht zuletzt durch die Diskussion über die Reduzierung der Bausparprämie durch Finanzminister Edlinger quasi losgetreten worden. Trotzdem meine ich, daß das Ergebnis, das zwischen den Bausparkassen und dem Finanzministerium ausgearbeitet wurde, durchaus ansehnlich ist. Es ist ein sehr erfreuliches Ergebnis und umfaßt einen der wichtigsten Punkte, nämlich daß die Bausparprämie nunmehr zwischen 3 und 8 Prozent floatet, je nach Sekundärmarktrendite.

Was die Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Bausparkassen anlangt, kann man sagen, daß sie vor mehr als 50 Jahren gegründet wurde und daß diese Arbeitsgemeinschaft heute das Sprachrohr von mehr als 5,2 Millionen Bausparern ist. – Ich meine, diese Zahl muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wir haben in Österreich 5,2 Millionen Bausparer!

Wir haben in Österreich auch ein entsprechend gutes Bausparklima. Ich kann mich noch daran erinnern, daß ich als Student in den siebziger Jahren meinen ersten Bausparvertrag abgeschlossen habe. Damals war es allerdings so, daß es keine Prämie, sondern nur steuerliche Begünstigungen gab. Das wurde später geändert. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Richtig, das ist dann auf Prämien geändert worden.

Ich habe damals, als wir als Jungfamilie unseren Hausstand gegründet haben, festgestellt, daß ich mit diesem Bausparkredit keine Althaussanierung durchführen, sondern praktisch nur einen Neubau finanzieren kann: Er dient primär im ländlichen Raum als Eigenheim.

Es hat dann relativ lange gedauert – eigentlich fast 30 Jahre –, bis nunmehr diese Konditionen für die Bausparer – ich betone: zugunsten der Bausparer – verändert wurden, und wir können froh und stolz sein, daß wir heute diesem Gesetzentwurf zustimmen können.

Es geht dabei darum, daß nunmehr nicht nur der Kauf von Eigenheimen und Eigentumswohnungen finanziert werden kann, sondern auch Eigenmittelersatzdarlehen für Genossenschaftswohnungen oder auch für geförderte Mietwohnungen, und daß die Geringfügigkeitsgrenze von 100 000 S auf 300 000 S angehoben wird. Dadurch können die bei den Bausparkassen angesparten Mittel nunmehr auch für die Althaussanierung verwenden werden, was enorm wichtig ist, besonders im östlichen Teil Österreichs. Während im Westen – aber auch im ländlichen Raum im Osten Österreichs – mehr die Eigenheime im Vordergrund stehen, ist es vor allem für Wien und ganz allgemein für den städtischen Raum enorm wichtig, daß nunmehr ein verstärkter Mitteleinsatz im Wohnungsbau erwartet werden kann.

60 Prozent aller Österreicher sehen im Bausparen die beliebteste Sparform in Österreich. Das Wifo weist nach, daß Bausparen die effizienteste und kostengünstigste Wohnbauförderung überhaupt ist. Daß das Bausparen heute noch attraktiv ist, zeigt die Halbjahresbilanz 1997, wonach im ersten halben Jahr Finanzleistungen in der Höhe von 18 Milliarden Schilling aus dem


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Bereich der Bausparkassen getätigt wurden. Damit konnten 20 000 neue Wohneinheiten geschaffen werden. Wenn man dies auf Arbeitsplätze umlegt, kann man sagen, daß es dadurch möglich war, 70 000 Arbeitsplätze zu sichern.

Meine Damen und Herren! Noch im Dezember erwarten die Bausparkassen die erste Million Wohneinheit, die sie finanzieren. Das heißt, es wird im Dezember im Bereich ein historisches Ereignis erwartet.

Mit dieser Novelle wird mehr Flexibilität für die Bausparer sowie verstärkter Mitteleinsatz im Wohnbau erreicht. Aber auch dem Konsumentenschutz wird Rechnung getragen, indem nunmehr die effektive Verzinsung ausgewiesen werden muß. Das heißt, es kann künftig der Bausparer zwischen den einzelnen Bausparkassen entsprechend vergleichen.

Ich glaube, es ist auch wesentlich – das haben auch die Vorredner erwähnt –, daß es nunmehr für die Bausparkassen die Möglichkeit der Wertpapieremissionen gibt, daß die Einschränkung der Laufzeit und die Einschränkung auf Schuldverschreibungen wegfällt, somit den Bausparkassen neue Möglichkeiten für Finanzmittel gegeben werden.

Auch wurden die Möglichkeiten des Garantiegeschäftes entsprechend dem Bankwesengesetz neu geregelt. Es gibt neue Sicherstellungsformen. Das heißt, es können auch Gemeinden entsprechende Haftungen übernehmen, was gerade im städtischen Wohnbaubereich, was gerade im genossenschaftlichen Wohnbaubereich sehr wichtig ist.

Wie gesagt, es wird nunmehr dem Konsumentenschutz Rechnung getragen, indem den Bausparkassen die Darstellung der Veränderung der Kreditzinsen beziehungsweise der echten Kosten gesetzlich vorgeschrieben wird.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß diese Novelle wesentlich dazu beitragen wird, die Wohnbauleistungen zu verbessern, das Ost-West-Gefälle zu mildern. Es ist so, daß im Westen mehr Eigenheime finanziert werden und im Osten aber die Bausparer leben. Rund 4 Millionen der 5 Millionen Bausparer kommen aus dem städtischen Bereich. Für diese bestehen nunmehr neue Möglichkeiten der Althaussanierung oder der Finanzierung entsprechender Genossenschaftswohnungen im städtischen Bereich.

Mit unserem Ja zur Novelle zum Bausparkassengesetz legen wir, so glaube ich, alle ein Bekenntnis zum Eigentum ab. Es sind heute das Bausparen – Sie brauchen nur in der Finanzbeilage der "Presse" von vor wenigen Tagen nachzulesen – durch die Verzinsung mit 5,9 Prozent noch immer eine der attraktivsten Sparformen in Österreich.

Ich möchte Frau Kollegin Riess-Passer beruhigen: Es ist auch geplant, wenn der Euro ab 1. 1. 1999 eingeführt wird, daß die förderbare Beitragsleistung auf 13 800 S erhöht und damit an 1 000 Euro angepaßt wird. Das heißt, es ist also schon vorgesehen, daß mit Einführung des Euro eine entsprechende Anpassung erfolgt.

Ich glaube, mit dieser Novelle legen die Regierungsparteien ein Bekenntnis zum Eigentum ab. Es ist ein gemeinsamer positiver Schritt. Es sind Anreize für die Sparer gegeben. Daher können wir dieser Novelle gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

15.14

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Juli des heurigen Jahres gab es von Finanzminister Edlinger und der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Bausparkassen eine gemeinsame Presseinformation, mit Schlagzeilen versehen, wie etwa "Bausparkassen mit Bausparreform zufrieden" oder "Bausparsystem wird nicht weiter beschnitten, sondern


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sinnhaft weiterentwickelt" oder "Bausparen bleibt attraktive Sparform und wird wirkungsvollstes Instrument der Wohnbaufinanzierung".

Hohes Haus! Die heute zu beschließende Vorlage, mit der das Bausparkassengesetz geändert wird, hat diese Prämissen zum Inhalt und ermöglicht eine dynamische Weiterentwicklung der Bausparidee.

Meine Vorredner sind bereits auf die geplanten Änderungen im Detail eingegangen, jedoch möchte auch ich einige Punkte aus unserer Sicht erwähnen.

Wenn man bedenkt, daß es in Österreich über 5 Millionen Menschen gibt, die sich für diese Sparform entschieden haben, dann kann man die Attraktivität der Bausparkassen erkennen. Mit der vorliegenden Novelle wird das Bausparsystem langfristig abgesichert, und die Bevölkerung wird das Bausparen weiterhin vertrauensvoll in Anspruch nehmen.

Mit der Bindung der Bausparprämie an die Kapitalmarktrendite ist gewährleistet, daß es in Zukunft keine Prämiendiskussionen geben wird, die von möglichen kurzfristigen Überlegungen bestimmt sind, sondern daß sich die Prämie an der Gesamtentwicklung des Kapitalmarktes orientiert und somit nicht isoliert in Frage gestellt werden kann.

Meine Damen und Herren! Der Bausparvertrag ist die beliebteste Sparform der kleinen Leute, und durch dieses Gesetz wird eine attraktive Rendite langfristig gesichert. (Bundesrat Waldhäusl: "Kleine Leute" soll man nicht mehr sagen! – Bundesrätin Markowitsch: Herr Kollege Waldhäusl hat es sich gemerkt!) Soll man nicht sagen? – Ich darf es trotzdem tun.

Meine Damen und Herren! Das Wifo hat in einer Studie festgestellt, daß die Förderwirkung des Bausparsystems in der langfristigen Darlehensbereitstellung für die Wohnbaufinanzierung zu begünstigten und konstanten Finanzierungskonditionen besteht. Aus der Sicht der Förderwirkung sind nicht die Empfänger der Bausparprämien die Begünstigten, sondern die Darlehensnehmer. Die staatliche Prämie wirkt daher ausschließlich als Anreiz für diese Sparform.

Damit bin ich beim zweiten Punkt, nämlich bei den Bauspardarlehen. Rund 800 000 Menschen haben in Österreich ein Bauspardarlehen. Diese Kredite ergeben ein Volumen von zirka 170 Milliarden Schilling. Das sind zirka 45 Prozent aller in Österreich vergebenen Wohnbaukredite.

Der Vorteil der Bausparfinanzierung ist der konstante Darlehenszinssatz von 6 Prozent über die gesamte Laufzeit. Diese Verzinsung mag nach dem jetzigen Kreditzinsniveau nicht sehr verlockend ausschauen, aber die kalkulierbare, fixe Höhe der Darlehenskosten stellt sich vor allem für die Klein- bis Mittelverdiener als beruhigend dar.

Diese Bauspardarlehen können künftig bei Ehepaaren bis zu 3,8 Millionen Schilling ausmachen. Bis jetzt waren es 1,9 Millionen Schilling. Wenn man sich diese Summen vor Augen führt, dann kann man sich vorstellen, welche positiven Auswirkungen das auch auf die Beschäftigungssituation hat. Die Bausparkassen haben errechnet, daß bei einer Finanzierung von 1 Milliarde Schilling pro Jahr zirka 2 000 Arbeitsplätze im Baugewerbe beziehungsweise im Baunebengewerbe gesichert werden. Wenn man das nun auf das gesamte Bauspardarlehensvolumen hochrechnet, ergibt sich ein gewaltiger Beschäftigungsimpuls.

Meine Damen und Herren! Als weitere wichtige Änderung möchte ich die Anhebung der Höchstgrenze für unbesicherte Bauspardarlehen von derzeit 100 000 S auf künftighin 300 000 S erwähnen. Damit kann man etwa die erforderlichen Eigenmittel für Genossenschaftswohnungen finanzieren. Aber sehr positiv wird sich diese Regelung vor allem auf die Sanierungs- und Renovierungstätigkeiten auswirken. Das bedeutet wiederum zusätzliche Beschäftigung in der Baubranche.

Hohes Haus! Abschließend möchte ich nochmals auf die eingangs erwähnte Presseinformation zurückkommen und den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Bausparkassen, Herrn Generaldirektor Josef Rapp, zitieren. Er sagte:


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"Stellvertretend für die fünf in Österreich tätigen Bausparkassen und stellvertretend für die 5,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher kann ich festhalten, daß es eine gelungene Bausparreform ist. Sie signalisiert eine hohe Wertschätzung der politischen Kräfte in diesem Land für unser seit Jahrzehnten bewährtes Bausparsystem, das nicht zu Unrecht als Vorbild in Europa bezeichnet wird. Die Bausparförderung ist nach wie vor die effizienteste Form der Wohnbauförderung und die Bausparfinanzierung ein nicht wegzudenkendes Finanzierungsinstrument. Wir von den Bausparkassen werden alles daransetzen, das Beste aus diesen neuen Rahmenbedingungen zu machen." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Lob an die politisch Verantwortlichen ist der Beweis erbracht, daß diese Novelle positive Auswirkungen für die österreichische Bevölkerung hat. Die sozialdemokratische Fraktion wird daher dieser Vorlage gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? (Bundesrat Meier: Nein, danke!)  – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997) (890 und 909/NR sowie 5564/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Dr. Vincenz Liechtenstein : Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997).

Durch den gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates sollen die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes im erforderlichen Umfang sinngemäß übernommen werden. Dies erfolgt durch:

Änderungen der Vorschriften betreffend Finanzplan und Jahresabschluß,

Neufassung der Haushaltsgrundsätze,

Schaffung einer Verordnungsermächtigung zur Festlegung von Tarifen für das Qualitätslabor,


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Ermächtigung der Agrarmarkt Austria zur Übernahme von Aufträgen, die im engen sachlichen Zusammenhang mit dem Wirkungsbereich der AMA stehen,

Auflösung der bestehenden Pensionsrückstellungen zur Finanzierung des Verwaltungsaufwandes der Agrarmarkt Austria bei gleichzeitiger Übernahme der Haftung durch den Bund,

Aktualisierung der Datenübertragungsbestimmungen.

Da die in Ziffer 1 § 1 und Ziffer 16 § 43 Abs. 1 Z 10 enthaltenen Verfassungsbestimmungen die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung einschränken, bedürfen diese gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 18. November 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. den in Ziffer 1 § 1 und Ziffer 16 § 43 Abs. 1 Z 10 enthaltenen Verfassungsbestimmungen gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997), keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

15.18

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Wir Freiheitlichen werden heute dieses AMA-Gesetz ablehnen und bringen daher einen Einspruchsantrag ein, der folgendermaßen lautet:

Antrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 6. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird (AMA-Gesetz-Novelle 1997), wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erheben."

Begründung:

1. Per Verfassungsbestimmung werden Rechtsbestimmungen gesetzt, die trotz ihrer inhaltlichen Fragwürdigkeit von keinem Höchstgericht und vom Gesetzgeber selbst nur mit Zweidrittelmehrheit aufgehoben werden können.

2. Während für die gesamte österreichische Bevölkerung ein Pensions-Sparpaket geschnürt wurde, übernimmt die Republik Österreich die Garantie der vollen Pensionsansprüche ehemaliger Agrarfonds-Bediensteter und -Verantwortlicher.

3. Der aus Bauern- und Konsumentengeldern stammende Pensionsfonds, der bisher in der AMA treuhändisch gehortet wurde, betrug laut Pressemeldungen im Oktober noch zirka 400 Millionen Schilling, wurde jedoch vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in einer Anfragebeantwortung vom 4. 11. 1997 per 1. 7. 1993 mit lediglich 288,24 Millionen Schilling beziffert und soll nun zur Finanzierung der AMA-Verwaltungskosten des Jahres 1998 herangezogen werden.


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4. Zumindest die quasi-privatwirtschaftliche Tätigkeit der AMA und ihrer Tochtergesellschaft Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. mit Hilfe der gesetzlich festgeschriebenen bäuerlichen AMA-Beiträge entzieht sich der parlamentarischen Kontrolle.

*****

Wir haben diesen Antrag eingebracht und hoffen auf Zustimmung zu diesem Einspruchsantrag, weil wir darin die Möglichkeit sehen, die Bauern vor weiteren Angriffen durch die Regierung, durch den Gesetzgeber zu schützen.

Nun inhaltlich ein paar Worte zum AMA-Gesetz. Zusätzlich zu dem gestellten Antrag geht es viel mehr noch um die Pensionsrücklagen. Ob es sich jetzt um 400 Millionen Schilling oder nur um 288 Millionen Schilling handelt, ob dieser Betrag woanders verwendet wurde, das bedarf sicherlich einer Aufklärung.

Doch eines ist mir als bäuerlichem Berufsvertreter sehr wichtig, nämlich festzustellen, daß es sich da ausschließlich um Konsumenten- und Bauerngelder handelt, meine Damen und Herren! Diese Gelder der Fonds wurden eben aus Beiträgen der Konsumenten und aus Beiträgen der verarbeitenden Industrie, sprich Mühlen et cetera, einbezahlt. Jeder, der sich ein klein wenig mit dieser Problematik beschäftigt, weiß ganz genau, daß der Betrag, den die Mühlen bei der Vermahlung von Weizen vorgeschrieben bekommen haben, von den Erzeugerpreisen abgezogen wurde.

So handelt es sich letztendlich wiederum um Bauerngelder, die – versteckt in diesen Maßnahmen – den Bauern von den Politikern entzogen wurden. Es versteckt sich der Bauernbund, die gesamte Bundesregierung hinter diesem Geldentzug gegenüber den Bauern. Man kann sogar sagen, sie stehlen so Bauerngelder.

All das, meine Damen und Herren, wird damit legalisiert. Jetzt werden diese Gelder umgeschichtet. Diese 400 Millionen Schilling werden zur Verwaltung in der AMA verwendet. Eine Frage im Ausschuß wurde von Beamten des Ministeriums auch richtig beantwortet: Würde diese Umschichtung im Jahr 1998 nicht stattfinden, hätte das Agrarbudget des Ministeriums um diese 400 Millionen Schilling erhöht werden müssen.

Man kann also auch sagen, daß aufgrund dieser Umschichtung im Agrarbudget letztendlich wieder Bauerngelder gekürzt wurden. Das ist sicherlich nicht im Interesse der heimischen Bauern und kann daher von uns Freiheitlichen nicht gutgeheißen werden. Wir verurteilen diese Maßnahmen von ÖVP und SPÖ aufs schärfste.

Ein weiterer Punkt ist die Tierkennzeichnungsverordnung, die jetzt EU-weit ihren Niederschlag findet und gegen die es schon sehr heftige Beschwerden und Einsprüche gibt. Ich spreche von der Milchwirtschaft, von den Zuchtbetrieben. Da wird umgestellt. Die bisherige Kennzeichnung war die Tätowierung und eine angebrachte Ohrmarke. Jetzt stellt man auf EU-System um. Zwei Ohrmarken reichen aus, es gibt keine Tätowierung mehr. Ich spreche nicht alleine von der Möglichkeit, daß damit der Manipulation wieder Tür und Tor geöffnet wird. Das wird auch von Zuchtverbänden unterstrichen.

Ich glaube, durch diese Maßnahme aufgrund des Beitritts zur EU, den ihr uns alle so eingeredet habt – diesem Ruf sind leider Gottes viele Bauern gefolgt, und sie sagen jetzt schon, diese haben uns "hineintheatert" –, haben wir einen Schritt zurück gemacht. Von einer guten Regelung, von der bestehenden Möglichkeit, die Kontrolle zu sichern, sind wir abgegangen. Das ist nicht im Sinne einer ordentlichen Politik, wie wir Freiheitlichen sie uns wünschen würden.

Ein weiterer Punkt, was die Tierkennzeichnung betrifft, sind eben diese Ohrmarken. Es sind zirka 2 Millionen Stück erforderlich. Mir wurde im Ausschuß Gott sei Dank bestätigt, daß es sich um einen Investitionsbetrag in der Höhe von 14 Millionen Schilling für diese 2 Millionen Ohrmarken handelt. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. ) Passen Sie genau auf, Herr Kollege Penz! Sie haben im Ausschuß auch nicht aufgepaßt, sonst hätten Sie gehört, wie der


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Vorsitzende der AMA den Betrag von 14 Millionen Schilling genannt hat. Aber ich bedanke mich trotzdem für Ihren Einwand. Es zeigt, daß Sie sich nicht an den Klubzwang halten, Kollegen Waldhäusl nicht zu unterbrechen. Das freut mich.

Meine Damen und Herren Kollegen des Bundesrates! Diese Investition in der Höhe von 14 Millionen Schilling wurde nicht in Österreich getätigt – nein. Die Ohrmarken wurden in Frankreich angekauft, und laut Auskunft im Ausschuß wurde dieser Ankauf deswegen nicht in Österreich durchgeführt – und jetzt passen Sie genau auf –, weil das Sicherheitsrisiko bei den inländischen Produkten angeblich zu hoch gewesen ist. Die österreichischen, die heimischen Betriebe sind nach Auskunft der AMA nicht in der Lage, qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen. Das, meine Damen und Herren, verurteile ich, denn unsere heimische Wirtschaft ist sehr wohl in der Lage, gleich gute – ich sage sogar: bessere – Produkte als andere EU-Staaten zu produzieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen machen bei dieser Politik nicht mit! (Ruf bei den Freiheitlichen: Bei der Autobahnvignette haben sie es gleich gemacht!) Ja, bei der Autobahnvignette wurde es ebenfalls so gemacht. Und das mit Unterstützung der ÖVP, der Wirtschaftspartei in diesem Staat! – Ich sage Ihnen: Sie haben Ihre Kompetenz im Wirtschaftsbereich und im Agrarbereich längst abgegeben. Es ist traurig, solche handelnden Personen an der Spitze des Staates zu haben, das geht auf Kosten der Bauern, auf Kosten der heimischen Betriebe. Das, meine Damen und Herren, sind Anschläge auf die Steuerzahler in unserem Bundesstaat! (Bundesrat Ing. Penz: Und Sie haben die Kompetenz übernommen!)

Ein weiteres Problem, meine Damen und Herren, das sich immer wieder im Zuge von Diskussionen um die AMA zeigt, sind die Schwierigkeiten und Probleme, die unsere bäuerlichen Kollegen bei der Abwicklung der vielen Anträge haben. Frau Ministerin! Da Sie heute Bundesminister Molterer vertreten, würde ich Sie bitten, ihm einen konkreten Fall zu übermitteln, der heute in diesem Haus aufzeigen soll, wie Bauern durch Formalfehler um Beträge bis zu 150 000 S gebracht werden. Die Bauern füllen im Frühjahr den Mantelbogen, das Formular, den Flächenbogenantrag aus, dann gibt es ... (Ruf bei der ÖVP: Dann sollen sie die Beratung der Bauernkammer in Anspruch nehmen!)

Der Einwand kommt hier gerade richtig: Sie sollen die Beratung der Bauernkammer in Anspruch nehmen. Dieser Fall zielt leider Gottes darauf ab. Der Bauer hat die Beratung der Kammer in Anspruch genommen, und trotzdem ist es passiert. (Bundesrat Steinbichler: Welche Kammer, welcher Fall? Name, Adresse!) Trotzdem, meine Damen und Herren! Bei dieser Fülle an Bürokratie ist es unmöglich, daß nicht auch Menschen in der Kammer irren – und vor allem Ihre Kollegen in der Kammer irren immer öfter! (Bundesrat Steinbichler: In welcher Kammer dezidiert, und welcher Fall, dann kann man das überprüfen!)

Herr Kollege! Dieser Fall liegt bereits beim Ministerium, und da wird nicht jemand wie Sie prüfen. Da prüft der Minister selbst!

Meine Damen und Herren! Diesem Landwirt ist – das ist bereits per Bescheid beeinsprucht worden – ein Schaden in Höhe von 150 000 S entstanden, weil er im Lagerhaus, wo er Raps verkauft hat, von den zuständigen Herren ein Formular bekommen hat, wonach er irrtümlicherweise statt für Industrieraps einen Vertrag für herkömmlichen Raps unterschrieben hat. Obwohl er nachweislich richtig geliefert hat, wurde dieser Vertrag vom Lagerhaus der AMA übermittelt, und dieser Bauer kämpft jetzt um 150 000 S. – Das, meine Damen und Herren, ist ein Betrag in einer Höhe, in der es um das Überleben des Bauern geht – durch einen Formalfehler! Wenn dieser Landwirt vorsätzlich etwas Falsches macht, dann, meine Damen und Herren, ist es völlig richtig, daß Strafen verhängt werden. Doch für Formalfehler, die trotz einer Kontrolle der Kammer, trotz der Kontrolle in anderen Bereichen passieren können, eben weil Irren menschlich ist, sollte bei der AMA eine Institution eingerichtet werden, die genau kontrolliert. Denn bei Formalfehlern, meine Damen und Herren, müssen wir für unsere Bauern eintreten.

Kollege Penz lacht immer nur dazu. Kollegen Penz ist es egal, ob ein Bauer 150 000 S verliert oder nicht. (Bundesrat Ing. Penz: Sie kennen das Gesetz nicht! Die Kammer hat keine Kontroll


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funktion!) Er ist Asphaltbauer, er ist in Wien, er vertritt längst nicht mehr die Bauern. Kollegen Penz sind die Bauern egal. Er hat es in diesem Hause schon des öfteren bewiesen. Ihm sind die Bauern schon längst egal. Ihm geht es darum, daß der Bauernbund nicht weiter verliert, doch das Bauerneinkommen, meine Damen und Herren, ist dem österreichischen Bauernbund schon längst egal! (Bundesrat Bieringer: Das ist kaum auszuhalten, was Sie sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir Freiheitlichen werden jedoch trotz eurer Attentate auf meine Berufskollegen weiterhin für diese Berufsgruppe kämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

15.35

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Waldhäusl! Ich habe mir vorgenommen, auf deine Worte nicht einzugehen. (Bundesrat Waldhäusl: Dann halt dich dran!) Ich möchte aber trotzdem einiges dazu sagen.

Wir haben gestern im Ausschuß den Bericht gehört. Wir haben darüber diskutiert, auch über den Auftrag bezüglich der Ohrmarken in Höhe von 13 Millionen Schilling, der nach Frankreich vergeben wurde. Wir erfuhren, daß es in Europa nur zwei bis drei renommierte, erfahrene Firmen gibt (Bundesrat Waldhäusl: Das stimmt eben nicht!), und es wurde darauf Rücksicht genommen, daß man in Österreich nur das geringste Risiko in Kauf nimmt.

Kollege Waldhäusl! Ihr, die Freiheitlichen, betreibt diese Politik. Wir alle haben heute schon gehört: 70 Prozent unserer Exporte liefern wir in den EU-Raum. Würde von seiten der EU so gedacht, dann können wir uns vorstellen, wie es in Österreich zugehen würde!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zum Beschluß vorliegende AMA-Gesetz-Novelle 1997 stellt im wesentlichen eine Adaptierung im Bereich der Buchhaltung der AMA dar. Von der bisherigen Form der Bilanzlegung nach dem Rechnungslegungsgesetz werden in Zukunft die Grundsätze der Kameralistik, die auch vom Bund angewendet werden, übernommen. Ebenso wird die AMA zur Übernahme von Aufträgen, die im engen Zusammenhang mit dem Wirkungsbereich der Agrarmarkt Austria stehen, ermächtigt – beispielsweise von den Ländern. Und ich hoffe, daß dies einiges an Symboleffekten bringen wird.

Es handelt sich bei dieser Novelle also grundsätzlich um eine notwendige Anpassung, die in einer modernen Verwaltung von Zeit zu Zeit vorgenommen werden muß. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige grundsätzliche Anmerkungen erstens zur allgemeinen Tätigkeit und zweitens zu Verbesserungsmöglichkeiten, speziell im AMA-Marketingbereich, machen.

Die Agrarmarkt Austria hat als Marktordnungsstelle und Agrarmarketingeinrichtung am 1. 7. 1993 ihre Tätigkeit aufgenommen. Durch die AMA werden nahezu alle agrarischen Fördermittel ausbezahlt. Im obersten Organ der AMA, dem Verwaltungsrat, sind mit den Sozialpartnern alle beteiligten Berufsgruppen, vom Bauern bis hin zum Konsumenten, vertreten. (Bundesrat Waldhäusl: Zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt!) Nicht unerwähnt lassen möchte ich, daß sowohl der österreichische Rechnungshof als auch der europäische Rechnungshof laufend die Abwicklung der vorher genannten Maßnahmen prüfen. Kollege Waldhäusl! Das wird dir hoffentlich bekannt sein!

Nun zu meinen Anmerkungen zum AMA-Marketing. Diverse Vorkommnisse, die zum Teil auch in den Medien breiten Raum gefunden haben, vermitteln nicht gerade den Eindruck, daß seitens der AMA für Marketing, vor allem von den Verantwortlichen, tatsächlich alles unternommen wird, um positive Konturen und Merkmale der Vorzüge österreichischer Agrarprodukte deutlich und werbewirksam hervorzuheben. Vor kurzem wurde – das ist eigentlich schade – auf einem Lebensmittel, das laut Lebensmitteluntersuchungsanstalt gentechnisch veränderte Bestandteile beinhaltet, ein Biogütezeichen der Agrarmarkt Austria entdeckt.


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Davor, am 29. 8. 1997, wurde in einem fleischverarbeitenden Betrieb in Westösterreich, der das AMA-Gütesiegel trug, ausländisches Rindfleisch sichergestellt.

Vor einigen Tagen war der Direktor der AMA-Marketing in einer Vorabendsendung des österreichischen Fernsehens, in der er vor laufender Kamera behauptete, daß dort, wo das AMA-Gütezeichen angebracht ist, 100 Prozent österreichische Ware beinhaltet sind. Aufgrund eines Anrufes während der Sendung mußte er vor laufender Kamera diese Aussage wieder zurücknehmen und zugeben, daß das AMA-Gütezeichen auf nur 70 Prozent österreichischen Inhalts der Produkte abgestimmt ist.

Ich will keine weiteren Beispiele dieser Art aufzählen. Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, wie wichtig in Zeiten wie diesen Marketing auch im Bereich der agrarischen Produkte ist. Gerade deshalb glaube ich, daß wir – darum ersuche ich auch den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft – uns verstärkt um professionelles Marketing der österreichischen Agrarwirtschaft zu bemühen haben. Es kommt den Bauern, der verarbeitenden Industrie, dem Handel und auch den Konsumenten zugute. Meine Fraktion wird dieser Gesetzesänderung die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rodek. – Bitte.

15.42

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch eine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Waldhäusl. Ich verstehe Ihren heutigen Redebeitrag nicht ganz (Bundesrat Waldhäusl: Waren Sie herinnen?), denn Sie haben vorgestern im Ausschuß angefragt, wie es mit diesen 460 Millionen Schilling Pensionsrückstellungen ausschaut. Sie haben die Antwort erhalten, daß das keine Bauerngelder, sondern Gelder von den Konsumenten sind, und heute sagen Sie genau das Gegenteil. (Bundesrat Waldhäusl: Ich glaube nicht alles!) Also das verstehe ich nicht.

Außerdem haben Sie die Antwort erhalten, daß diese Gelder von den Pensionsrücklagen auf Verwaltungsgelder umgeschichtet werden. Dadurch werden sie im Landwirtschaftsministerium frei und können zusätzlich für die Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Das haben Sie im Ausschuß erfahren (Bundesrat Waldhäusl: Nein, so ist das nicht beantwortet worden!), aber heute haben Sie wieder genau das Gegenteil gesagt! (Bundesrat Ing. Penz: Das war schon vor zwei Tagen!) Er kann es sich nicht zwei Tage merken!

Zu Kollegen Winter auch noch eine Anmerkung bezüglich des AMA-Gütesiegels für Sojagranulat – er ist leider schon hinausgegangen. Es hat sich dabei um ein Gesundheitsprodukt aus Soja gehandelt. Die Proben wurden bereits im April des heurigen Jahres gezogen – das fällt in die Zuständigkeit der Frau Gesundheitsministerin Prammer –, und erst im November sind die Ergebnisse verlautbart worden, also ein halbes Jahr später. So kann es auch nicht sein, daß das so lange dauert! Daher ist es nicht gerechtfertigt, der AMA den Schwarzen Peter zuzuschieben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß es sehr notwendig ist, zu wissen, wenn man über einen Beschluß zur AMA-Gesetz-Novelle 1997 redet – vielleicht ist auch hier im Hohen Haus ein gewisser Aufklärungsbedarf notwendig –, welche Aufgaben die AMA eigentlich hat. Ich erlaube mir daher, ganz kurz die Aufgaben der Agrarmarkt Austria darzustellen.

Die Agrarmarkt Austria ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit Sitz in Wien und drei Außenstellen: in Linz, in Graz und in Innsbruck. Diese sind, vereinfacht gesagt, beauftragt, die EU-Marktordnungen und die Interventionen zu vollziehen. Sie hat diese Tätigkeit als Marktordnungsstelle und Agrarmarketing-Einrichtung bereits am 1. Juli 1993 aufgenommen und hat praktisch die früheren Fonds wie zum Beispiel Getreidefonds oder Milchwirtschaftsfonds abgelöst. Eigenartigerweise trauern noch sehr viele diesen Fonds nach, obwohl sie während ihres Bestandes stark kritisiert wurden und auch umstritten gewesen sind.


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Ich glaube, daß die Landwirtschaft und auch der Konsument keinen schlechten Tausch gemacht haben, denn die wichtigsten Aufgaben sind sowohl für den Produzenten wie auch für den Konsumenten von immenser Bedeutung. Ich denke nur an die Maßnahmen zur Qualitätssteigerung, an die Förderung des Agrarmarketings, vor allem aber auch an die Abwicklung der Förderungsmaßnahmen.

Betrachten wir das Geschäftsjahr 1996. In diesem Jahr wurden alleine von den Landwirten 370 000 Anträge für Ausgleichszahlungen gestellt, wofür ein Fördervolumen von 21 Milliarden Schilling bewegt wurde. Tausende Beilagen und Korrekturen mußten bearbeitet werden, um die entsprechenden Abrechnungen durchführen zu können.

Kollege Waldhäusl! Eines ist sicherlich richtig: Es hat im ersten Jahr der Mitgliedschaft bei der Europäischen Union beträchtliche Probleme gegeben, und die AMA und die Landwirte haben sich zum Teil gegenseitig das Leben schwer gemacht. Aber so wie Sie aus Einzelfällen zu schließen, daß das ganze System in Frage zu stellen ist, das geht, so glaube ich, doch etwas zu weit. Denn man hat aus diesen Fehlern gelernt und 1996 die Anträge nicht mehr in dezentralen Erfassungsstellen gestapelt, sondern die Erfassung der Antragsdaten den Bezirksbauernkammern und den Landwirtschaftskammern übertragen. Das war auch besonders wichtig, weil die Auszahlungen nunmehr auf Basis detaillierter Parzellenangaben erfolgen. Durch den direkten Kontakt der Landwirte mit den Fachkräften der Kammern konnten mit Beratungen die häufigsten Fehlerquellen bereits an Ort und Stelle ausgeschaltet werden. Dafür möchte ich an dieser Stelle besonders den Angestellten in den Bezirksbauernkammern und den Landwirtschaftskammern danken.

Mir ist daher die Forderung des freiheitlichen Vizepräsidenten der Kärntner Landwirtschaftskammer, Abgeordneten Reichhold, die dieser im Landwirtschaftsausschuß des Nationalrats gestellt hat, völlig unverständlich, nämlich daß die Landwirtschaftskammern nicht mehr Einreichstellen für die bereits erwähnten 370 000 Anträge sein sollen. Ja wer denn dann?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo könnten unsere Bauern denn besser beraten werden als bei den Bezirksbauernkammern? – Ich glaube, wir handeln im Interesse der Bauern, wenn wir danach trachten, daß die Kammer weiterhin als Anlauf- und Beratungsstelle in den sicherlich schwierigen Fragen der EU-Ausgleichszahlungen fungieren kann.

Da außerdem im kommenden Jahr das sogenannte ÖPUL 1998 nicht nur für vier Jahre, sondern für weitere fünf Jahre die Förderungen garantiert und daher auch die Beratung hinsichtlich des Umstieges vom ÖPUL 1995 auf ÖPUL 1998 notwendig ist, müssen die Kammern ihre Funktion als Anlauf- und Einlaufstellen beibehalten können.

Natürlich würden wir alle Kammern nicht mehr brauchen, wenn es nach dem Bundesobmann der Freiheitlichen geht, denn da würde es auch bald keine Bauern mehr geben. Sie brauchen nur die Zeitschrift "trend" vom Oktober dieses Jahres zur Hand zu nehmen. Dort hat er auf die Frage, ob es gerechtfertigt sei, 60 Prozent – und jetzt lachen Sie, Herr Kollege Waldhäusl, aber da wird den Bauern das Lachen vergehen, wenn das kommt (Bundesrat Waldhäusl: Sie machen das schon lange! Sie ziehen ihnen das Geld aus der Tasche!)  – der EU-Subventionen für den Agrarbereich aufzuwenden, folgende Antwort gegeben: Die FPÖ ist grundsätzlich gegen Subventionen und im Gegenzug für niedrigere Steuern. Wo ein fairer Wettbewerb herrscht, braucht die Wirtschaft keine Subventionen. (Bundesrat Waldhäusl: Das sind ja keine Subventionen! Wissen Sie, was eine Subvention ist und was eine Ausgleichszahlung?)

Ja, ich weiß es, aber Ihr Bundesobmann weiß es nicht! Ich komme jetzt genau darauf zu sprechen. Ich frage mich, Herr Kollege Waldhäusl, wo dieser faire Wettbewerb innerhalb der Landwirtschaft ist. Wo können denn Österreichs Bauern aufgrund ihrer geographischen und klimatischen Verhältnisse mit den Gunstlagen in Holland, in Dänemark oder gar in Übersee konkurrenzieren? (Bundesrat Waldhäusl: Wer wollte denn in die EU? Sie haben gesagt, daß dort Milch und Honig fließen!)

Herr Kollege Waldhäusl! Jetzt komme ich darauf: Es sind daher – da gebe ich Ihnen recht – keine Subventionen. Aber Ihr Bundesobmann weiß es nicht. Es sind keine Subventionen, die die


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Landwirtschaft erhält, sondern eben Ausgleichszahlungen: Ausgleichszahlungen für die erschwerten Produktionsbedingungen (Bundesrat Waldhäusl: Sie haben das Schlaraffenland versprochen! Und was ist gekommen?) und ein Beitrag zur ökologischen Lebenssicherung unserer Bevölkerung, wie es unser Bundesparteiobmann Schüssel in ebendiesem Interview zur gleichen Frage ausgedrückt hat. Unseren Bauern sind diese Zahlungen, Kollege Waldhäusl, versprochen worden. Sie sind gerechtfertigt, und wir stehen auch dazu. (Bundesrat Waldhäusl: Warum kürzt ihr sie dann jährlich?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob Sie es glauben oder nicht: Die AMA ist ein Garant dafür, daß unsere Bauern die vorgesehenen EU-Mittel optimal ausschöpfen können. Sie wird in Zukunft noch weitere Aufgaben übernehmen müssen – ich denke nur an die Agenda 2000, da haben Sie völlig recht. Sie wird in naher Zukunft – auch wenn Sie es kritisieren – die Abwicklung der Rinderkennzeichnung übertragen bekommen, mit der es möglich sein wird, auch zum Vorteil der Produzenten gegen Importware das Rindfleisch vom Supermarkt bis zum Bauernhof zurückzuverfolgen, was in Zeiten von BSE besonders wichtig ist.

Die AMA muß aber die gesetzlichen Voraussetzungen und die rechtlichen Möglichkeiten vorfin-den, um die ihr gestellten Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können. Das schließt einen gewissen Handlungsspielraum mit ein, zum Beispiel für Kreditaufnahme, setzt aber auch – was Sie kritisiert haben – genaueste Kontrolle über die Gebarung voraus. Mit dieser uns vorliegenden Gesetzesnovelle werden nunmehr die notwendigen Rahmenbedingungen und die Verfassungsbestimmungen dafür geschaffen. Unsere Fraktion wird daher gerne ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Prähauser. )

15.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

15.51

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Dieses Gesetz erfüllt uns, wie Sie gemerkt haben, mit einiger Sorge. Wenn wir alle zueinander ehrlich sind, so glaube ich, daß auch in den beiden anderen Parteien insbesondere die Bauernvertreter ebenso sorgenerfüllt sind hinsichtlich der Entwicklung in der österreichischen Landwirtschaft. Es ist nicht befriedigend, wenn man sagt, die einzigen Produkte, die die AMA nicht mitverwaltet, sind der Wein und die Bananen. Das sind nicht die spezifisch österreichischen Schwergewichtsprodukte, wobei der Wein nicht unterschätzt werden darf.

Wir erkennen, daß trotz mehrfacher Umwandlung und einer Gesetzesnovelle von den Fonds zur AMA – oft von einer Gesetzesnovelle der AMA zu einer weiteren Gesetzesnovelle der AMA – die Situation der österreichischen Landwirtschaft bemitleidenswert ist. Sie werden doch nicht in Abrede stellen – Sie können es gar nicht und werden es auch nicht wollen, Sie werden es ebenso bedauern wie wir –, daß gerade in dieser Zeit, in der die AMA eingeführt wurde, der Getreidepreis um die Hälfte, der Preis der Milch um ein Drittel und der Preis von Fleisch um 20 bis 25 Prozent gefallen sind. Das sind wesentliche Bereiche, die den österreichischen Bauern das Leben und das Überleben ermöglichen. (Bundesrat Rodek: Wo sind die Ausgleichszahlungen?)

Die Arbeitsmarktsituation, Herr Kollege, ist dergestalt, daß vom Hof abwandernde Bauern in Österreich nicht vom Arbeitsmarkt aufgenommen werden können. Es muß jede Intention der bäuerlichen Vertreter dahin gehen, die Bauern und deren Angehörigen auf dem Hof, auf dem Land zu halten.

Nun wird das durch die Politik nicht gerade erleichtert, das wissen wir schon. Der internationale Wind weht uns entgegen, ob wir EU-Mitglied sind oder nicht. Das nehmen wir durchaus zur Kenntnis. Aber wir sind jetzt EU-Mitglied, und er weht uns, obwohl wir drinnen sind, entgegen. Diese Kritik ist da. Wir können sie nicht wegschaffen. Die Bauern sind Leidtragende einer Politik, für die wahrscheinlich nicht einmal der österreichische Landwirtschaftsminister ein Verschulden trägt. Aber er trägt, so wie die Bauernvertreter insbesondere der ÖVP, Mitschuld daran, daß die Situation für die österreichischen Landwirte ohne Zukunftsaussicht ist.


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Warum sind in den letzten zwei bis drei Jahren so viele Bauern abgewandert? – Es muß doch einen Grund geben. Der Grund muß doch vorhanden sein! Sie können mir jetzt sagen, Herr Kollege, sie sind weggegangen – mit oder ohne AMA. Faktum ist, daß hinsichtlich der Agrarmarkt Austria der damalige Minister Fischler in den österreichischen Landwirten hohe Erwartungen geweckt hat. Als man die AMA am 24. Juni 1992 gegründet hat, hat er von Synergieeffekten gesprochen und davon, daß die Organisation gestrafft und ein schlagkräftiges Unternehmen für die Bewältigung der Zukunft vorhanden sein wird. Wir freiheitlichen Vertreter der Landwirte vermissen, daß diesen Worten, die wahrscheinlich sogar ehrlich gemeint gewesen sind, echt Schmalz beigelegt worden ist, damit etwas daraus wird. Wo ist das schlagkräftige Unternehmen für die Bewältigung der Zukunft? (Bundesrat Ing. Penz: Wir haben vier Fonds gehabt, die zusammengeführt worden sind!)

Ich gebe Ihnen schon recht, sie sind zusammengeführt worden. Aber ich sage Ihnen, die Aktionen des damaligen Ministers Fischler haben dieses Unternehmen nicht in der Form gestärkt, daß ein schlagkräftiges Unternehmen für die Bewältigung der Zukunft entstanden wäre. (Bundesrat Ing. Penz: Wenn man innerhalb von kurzer Zeit 380 000 Anträge bearbeiten kann, wenn man 20 Milliarden Schilling auszahlen kann, dann ist das doch eine schlagkräftige Organisation! Seien Sie doch nicht mieselsüchtig!)

Schauen Sie, ich bin nicht mieselsüchtig, Herr Kollege, und ich verstehe, daß Sie diese Organisation verteidigen. Ich gehe nämlich davon aus, daß Sie es ehrlich meinen und dieser Organisation zum besten gereichen wollen. Aber dann lassen Sie nicht zu, daß mit 400 Millionen Schilling Pingpong gespielt wird. Es werden 400 Millionen Schilling, die eine Pensionsrücklage sind, an den Staat ausgezahlt, damit er die Verwaltung der AMA weiterfinanzieren kann – mit einem Budgetzuschuß von weiteren 60 Millionen Schilling. Eine knappe halbe Milliarde Schilling werden im kommenden Jahr für Zwecke der AMA zur Verfügung stehen. Das ist doch kein Kleingeld! Und die Pensionen werden von der Regierung garantiert. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist ja zum Vorteil der Bauern und nicht zum Vorteil der AMA!)

Ob es zum Vorteil der Bauern ist, das, Herr Kollege, muß erst bewiesen werden. Wir können nicht behaupten, daß es ein Nachteil war, daß die AMA eine Pensionsrücklage in der Höhe von 400 Millionen Schilling hatte. Wo war da der Nachteil für die Bauern? War es ein Nachteil für die Bauern, daß die AMA eine Pensionsrücklage in der Höhe von 400 Millionen Schilling hatte? – Nein. Also warum löst man etwas, das eine positive Situation begründet hat, auf, um etwas zu schaffen, von dem man behauptet, es wird positiv sein?

Es gelingt Ihnen heute nicht, diese Beweisführung hier vorzunehmen. Ich kann Ihnen nur glauben, daß Sie guten Willens sind, daß es gelingen wird. Wir als Opposition müssen da doch kritischer sein. Der gute Wille steht noch nicht für die Tat. Da diese Tat noch nicht erfolgt ist und eine Situation geschaffen wird, die diesen Erfolg nicht sicherstellt, Herr Kollege, meine Damen und Herren, müssen wir dieses Gesetz zum Schutz der Bauern vor Ihnen auch zurückweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

15.57

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zur vorliegenden AMA-Gesetz-Novelle wurden von meinen Vorrednern bereits wesentliche Aspekte eingebracht. Herr Kollege Gudenus! Ich darf vielleicht vorweg anmerken: Nicht mit der Einführung der AMA sind die Preise um 50 Prozent gefallen, das war eine generelle Systemumstellung! Durch die Umstellung auf die AMA sind diese geprügelten Fonds der Getreidewirtschaft, der Milchwirtschaft, der Fleischwirtschaft, die von der Freiheitlichen immer kritisiert wurden, abgeschafft worden, und ich denke, die AMA muß jetzt leider diese (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl )  – Kollege Waldhäusl, zuhören – Prügelknabenrolle übernehmen. Aber es war eine grundsätzliche Systemumstellung, und es ist nicht fair, wenn man die reduzierten Preise ohne Ausgleichszahlungen darstellt.


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Ganz positiv zu erwähnen ist die gute Zusammenarbeit der AMA mit den Landwirtschaftskammern, aber ganz besonders mit den regionalen Bezirksbauernkammern. Ich kann aus eigener Erfahrung für den Bezirk Vöcklabruck sprechen. Gerade in der Erfassung ist gewährleistet, daß auf regionale Themen – diese haben wir doch in unseren Produktionsgebieten – bestens abgestimmt eingegangen werden kann.

Kollege Waldhäusl! Du hast heute das Beispiel mit 150 000 S gebracht. Ich möchte das klarstel-len, damit kein falscher Eindruck entsteht: Es muß sich um einen Großbauern handeln, wenn er aus dem Rapsanbau 150 000 S bekommt!

Herr Kollege! Ich möchte folgendes festhalten: Ich möchte mir nicht irgend etwas Anonymes anhören. Ich bitte um Namen und Adresse des genannten Bauern, denn ich bin gerne bereit, auch wenn er nicht in meinem Bezirk, in meinem Bundesland liegt, der Sache auf den Grund zu gehen, weil ich anhand der guten Zusammenarbeit des Ministerium mit der AMA beweisen kann – davon sollten wir reden –, daß 98 Prozent der Fälle von vornherein positiv gelöst werden.

Bei all jenen Fällen, bei denen es Probleme gab, ist noch immer ein gangbarer Weg gefunden worden. Eines möchte ich klar festhalten: Wenn ein Mitarbeiter einen Fehler macht, dann ist das nachvollziehbar, da jeder Mitarbeiter seinen Antrag abzeichnen muß, und bisher hat das problemlos funktioniert. Es ist allerdings in der Praxis oft so, daß man dann einen Mitarbeiter als Prügelknaben hernimmt. Aber ich bin gerne bereit, Herr Kollege, wenn Sie mir Namen und Adresse nennen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich bitte Sie, nicht anonym zu beschuldigen! (Bundesrat Waldhäusl: Das macht schon der Minister!)

Eine weitere wichtige Aufgabe der AMA ist die zentrale Markt- und Preisberichterstattung über in- und ausländische Märkte für Agrarprodukte, um einen ordentlichen Überblick zu bekommen. Auch das wird hervorragend gemacht. Folgende Ziele der Agrarmarkt Austria – entschuldigen Sie den einen oder anderen Sprachfehler, ich muß mich erst an meine neuen Zähne gewöhnen – wurden umgesetzt: korrekte Abwicklung der EU-Maßnahmen, rasches flexibles Reagieren auf neue Aufgaben, möglichst wenig interne Administrationen – gerade unter Vorstandsvorsitzenden Plank sind hier Verbesserungen erzielt worden – und Vereinfachung der Abläufe in der Verwaltung für Landwirte beziehungsweise Wirtschaftsbeteiligte. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Herr Kollege! Hören Sie sich diese wichtigen Punkte an, das wird Ihnen sicherlich bei der nächsten Rede für eine fachliche Interpretation helfen. (Bundesrat Waldhäusl: Haben Sie schon etwas Wichtiges gesagt?)

Die externen Prüfungen – das können Sie nicht beurteilen, weil Sie nicht zuhören – in der Agrarmarkt Austria (Bundesrat Waldhäusl: Das ist schwierig, da zuzuhören!) durch die Revision des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, durch den österreichischen Rechnungshof und durch den Europäischen Gerichtshof gewähren, daß es zu keinen Ungereimtheiten kommt und alles nachvollziehbar ist. (Bundesrat Waldhäusl: Die Marketing kann auch der Rechnungshof prüfen?)

Die AMA erfüllt eine wesentliche Aufgabe in der öffentlichen Bewerbung der bäuerlichen Produkte und in der Nachvollziehbarkeit der bäuerlichen Qualitätsproduktion. Erinnern wir uns an das Marketing, an die Öffentlichkeitsarbeit, die immer wieder in Fernsehserien geschaltet wurde. Ich betone noch einmal, daß ich bereits in meiner letzten Rede in diesem Haus die Probleme, die die Landwirtschaft mit der medialen Berichterstattung, mit Beschuldigungen hat, erwähnt habe.

Ich bin dankbar, daß sich der Konsumentenschutz um die Überprüfung der Bauernmärkte bemüht, so wie das gestern zum Beispiel der Fall gewesen ist. Die AK hat gestern eine Studie vorgestellt. Auch ich habe immer darauf hingewiesen – wir hatten auch im eigenen Bezirk solche Mißbräuche –, daß Bauernbutter, Bauernfleisch, Bauerngeselchtes, Bauernbrot manchmal von den Händlern mißbräuchlich angeboten werden. Und ich bin dankbar – das ist leider zuwenig herausgekommen –, daß es sich hier vorwiegend um Wiener Bauernmärkte gehandelt hat. (Bundesrat Ing. Penz: Sogenannter!) – Sogenannte, richtig, Herr Kollege Penz! Ich selbst habe


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am Linzer Bauernmarkt bemängelt, wie unhygienisch manche Marktfahrer ihre Produkte hinter den Autos auspacken. Das geht so nicht! Ich nehme für mich in Anspruch, daß wir auf unseren deklarierten Bauernmärkten in der Erzeugung nachvollziehbare Produkte verkaufen und daß auf unseren Bauernmärkten die Hygiene in bester Ordnung ist. Ich bitte die Konsumenten, davon verstärkt Gebrauch zu machen.

Neu geregelt mit dieser Novelle wird auch die Tierkennzeichnung. Natürlich gibt es bei den Bauern auch diesbezüglich Kritik, weil es eine Mehrbelastung in Form von Arbeit ist. Aber ich denke, auch zum Schutz der Bauern brauchen wir diese Kennzeichnung. (Bundesrat Waldhäusl: Die Tätowierung war besser!) Wir haben aufgrund des BSE-Skandals, aufgrund diverser Berichte gelernt – in den heutigen Zeitungen kann man schon über die vorgefallenen Mißbräuche im Fleischhandel lesen –, daß es für den ehrlichen Produzenten notwendig und wichtig ist, daß die Erzeugung der Produkte für den Konsumenten nachvollziehbar sein muß. (Bundesrat Waldhäusl: Ein Rückschritt, Herr Kollege!)

Unter diesen Aspekten, unter diesen positiven Weiterentwicklungen der Arbeit der AMA ist meine Fraktion gerne bereit, diese Novelle zu befürworten. (Beifall bei der ÖVP.)

16.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

16.05

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier eine Stellungnahme der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern zur Frage der Begutachtung des Gesetzes, und zwar zum Ministerentwurf. In § 34 Abs. 3 steht – das ist wichtig, weil es unsere Meinung bestätigt –: Die Auflösung der Pensionsrückstellungen führt in der Folge auch zu einem Einnahmenentgang aus Zinsen, die bisher die zu leistenden Ansprüche weitestgehend abgedeckt haben. Das heißt, man hat offensichtlich allein aus dem Zinsendienst die Ansprüche, die für die Pensionszahlungen notwendig waren, abdecken können. Das heißt, der Finanzminister hat seine Freude dabei gehabt, das aufzulösen und dem Budget zuzuweisen. Wie Sie aber wissen, meine Damen und Herren, kann man das leider nur ein einziges Mal machen. Der Bund hat dafür die Haftung übernehmen müssen und hat sich verpflichtet, in Hinkunft die Verwaltungsausgaben zu bezahlen. Es ist dies eine Lösung, die einmal gut war, aber auf die Dauer nicht sehr viel bringt.

Interessant ist die Stellungnahme des Herrn Präsidenten Nationalrat Schwarzböck zu § 21. Ich muß Ihnen vorlesen, was er schreibt, weil die Zeit ohnedies so wenig lustig ist. Der Herr Präsident schreibt:

Im ersten Absatz werden den Organen die "Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit" vorgegeben, während der zweite Absatz die "Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes" auferlegt. – Und jetzt bekommt der Präsident anscheinend Probleme. Offensichtlich handelt es sich hier – ich zitiere weiter – um zwei verschiedene Begriffe für ein gleiches Verhalten. Sollte mit diesen Formulierungen jedoch etwas nicht Erkennbares bezweckt werden, wäre eine entsprechende Klarstellung zumindest in den Erläuterungen sinnvoll, weil der derzeitige Erläuterungstext im Gegenteil ausführt, daß keine differenzierte Vorgangsweise beabsichtigt sei, obwohl zwei verschiedene Diktionen zur Anwendung kommen.

Herr Kollege Penz! Vielleicht könnten Sie, weil Sie offensichtlich auch nicht wissen, was er damit meint, den Herrn Präsidenten aufklären. Die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit – ich habe immer geglaubt, das weiß jeder – sind Begriffe, die im Bundeshaushaltsgesetz drinnenstehen, diese sind auch einzuhalten, wenn der Rechnungshof prüft. Und dann, wenn die AMA privatwirtschaftlich tätig wird, ist die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes heranzuziehen. – Das steht im Gesetz. Das heißt, der Präsident hat sich also offensichtlich in der Sache selbst überhaupt nicht vertieft, und er kennt sich offensichtlich nicht so aus, wie es eigentlich sein müßte.


Bundesrat
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Und das setzt sich fort, Herr Kollege Penz, auch beim AMA-Gesetz. Daß der Bundesminister gerne ein Durchgriffsrecht auf diese AMA hätte, ist eigentlich klar, denn da hätte er einen relativ starken Einfluß. Und jetzt kommen wir schon zu § 1, zu dieser – so sage ich jetzt einmal – Zauberformel der Republik: Verfassungsklausel. Das heißt, das, was man mit Zweidrittelmehrheit beschließt, ist immer gültig, ganz egal, ob es jetzt richtig oder falsch ist. Mittels einer Verfassungsbestimmung fahren wir drüber, das paßt dann schon.

Das heißt, für diese Agrarbürokratie – das ist der Grund, warum wir so kritisch eingestellt sind – wird alles getan und für die Bauern zuwenig. Das heißt, es gibt für die Agrarbürokratie jede Menge an Zauberformeln: alle Jahre wieder! Aber als wir Freiheitlichen gesagt haben, daß wir den so schwer bedrohten Bauernstand mit einer Verfassungsbestimmung absichern wollen, hat man gesagt: Das hat keinen Sinn, das brauchen wir nicht. Das heißt, Ihnen ist es wichtiger, die Bürokratie zu sichern als die Bauern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß der eigentliche Anlaß eine Geldbeschaffungsaktion war, das habe ich, glaube ich, schon hinreichend begründet, und zwar durch die Einverleibung des Pensionsfonds ins Budget, aber auch durch die Umstellung vom Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr. Damit hat man ein halbes Jahr gewonnen, um gewisse Dinge regeln zu können, die man sonst vielleicht nicht regeln hätte können.

Der Handlungsbedarf vor Beendigung der Funktionsperiode des Vorstandes, vor der Umstellung des EU-Förderungssystems auf die "Agenda 2000" ist schon einigermaßen verdächtig, meine Damen und Herren!

Offene Fragen gibt es natürlich auch zu den Mitarbeitern dieser AMA. Die Bediensteten genießen einen Sonderstatus, weil sie laut AMA-Gesetz Angestellte sind. Das heißt, sie haben das Recht auf Abfertigung bei Beendigung des Dienstverhältnisses.

Es gibt aber auch eine Sonderverordnung aus dem Jahr 1996, daß die Entlohnung wieder nach dem Beamten-Dienstrecht erfolgt. Auch für zahlreiche EDV-Mitarbeiter gibt es Sonderverträge. Herr Kollege Penz! Ich glaube, wie all das funktionieren soll, ist ziemlich undurchsichtig. (Bundesrat Ing. Penz: Es funktioniert bestens!) Das glaube ich, Herr Kollege Penz! Es funktioniert bestens für die Bürokratie in der AMA. Ich gebe Ihnen recht. In der AMA wird es derzeit wahrscheinlich 440 Mitarbeiter geben, und es werden immer mehr. Aber die Zahl der Bauern wird immer weniger! Herr Kollege Penz! Erklären Sie uns, was das für einen Sinn hat! Die Bürokratie wird immer stärker, aber die Zahl der Bauern wird immer weniger. Sie müssen doch einsehen, daß das kongruent funktionieren müßte. Das ist in keiner Weise logisch.

Daher haben wir auch an den Herrn Landwirtschaftsminister einige Fragen gestellt. Davon sind noch sehr viele offen. Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube nicht, daß Sie diese heute beantworten können, denn es hat sich auch der Landwirtschaftsminister einigermaßen schwer dabei getan.

Die erste Frage lautete: Wie viele Personen aus dem ehemaligen Vorgängerfonds der AMA – Sie wissen, meine Damen und Herren, dies sind der Milchwirtschaftsfonds, Getreidewirtschaftsfonds, Mühlenfonds und die Vieh- und Fleischkommission samt der Unterkommission – haben einen Anspruch auf eine Pension aus den Fondsrücklagen? Wie viele der pensionsberechtigten Personen beziehen bereits eine Fondspension? Sind darunter auch Mitglieder des Verwaltungsrates? – Das hätte uns sehr interessiert. Welche Vorstandsmitglieder beziehungsweise ehemaligen Vorstandsmitglieder der AMA bekleiden welche Funktion in der AMA-Tochter, der Agrarmarkt Austria-Marketinggesellschaft? – Auch das ist uns nicht klar!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist einfach interessant und wichtig für uns, zu wissen: Hat die AMA überhaupt seit der Gründung dieser Gesellschaft jemals eine Bilanz vorgelegt? Welche Wirtschaftstreuhänder – wenn es überhaupt welche gegeben hat – haben die jeweiligen Bilanzen gegengezeichnet? In welcher Höhe sind Mittel der einzelnen Geschäftsjahre von 1995 an von der AMA der Tochter, der Agrarmarkt Austria, überwiesen worden?


Bundesrat
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Meine Damen und Herren! Steht die Dringlichkeit der AMA-Gesetz-Novelle nicht in irgendeinem Zusammenhang mit der Ankündigung der EU-Kommission, in Hinkunft Ungereimtheiten bei der Vergabe von EU-Mitteln im Agrarbereich schärfer kontrollieren zu wollen?

Herr Kollege Penz! Sie brauchen das nicht mitzuschreiben. Ich gebe Ihnen dann meine Unterlagen, damit Sie diese haben. (Bundesrat Ing. Penz: Ich höre Ihnen gerne zu!)

Und die letzte Frage war: Könnte man parallel zum laufenden Bauernsterben nicht auch die Bürokratie schrittweise reduzieren?

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Die AMA und die Tochtergesellschaft, die Agrarmarkt Austria-Marketinggesellschaft, sind ein unkontrollierter und anscheinend auch nicht kontrollierbarer Staat im Staate. Es kommen dort immer wieder alle bekannten Personen aus der Sozialpartnerschaft vor. Die AMA ist für uns eines der zahlreichen Beispiele einer aus der Sicht einer korrekten Haushaltsführung mißglückten Ausgliederung aus dem Bundeshaushalt, weil diese AMA damit der parlamentarischen Kontrolle – das müßte Sie alle interessieren – entzogen ist.

Die AMA-Verantwortlichen haben also versucht, sich der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Es ist bemerkenswert, daß sie – ich sage es jetzt einmal so – auch mit Bauerngeldern und unter Zuhilfenahme prominenter Anwälte immer wieder gegen Privatpersonen Prozesse führen. Auch das ist etwas, was sehr unverständlich ist!

Ich glaube, ich habe genügend Gründe angeführt, die es logisch erscheinen lassen, daß wir von den Freiheitlichen dieser Vorlage nicht zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesministerin.

16.14

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich bemühen, zumindest einige der in der Diskussion aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Ich werde sicherlich nicht auf alle in vollem Ausmaß – auch aus zeitökonomischen Gründen – eingehen können, aber ich glaube, daß es doch wichtig ist, zu einigen Fragen eine Klarstellung vorzunehmen.

Es wurde von zwei Rednern die Frage der Verfassungsbestimmung angesprochen, und ich möchte eines ganz klar festhalten: Das AMA-Gesetz ist nicht der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof entzogen, sondern es handelt sich hier um § 1, die Schaffung einer eindeutigen Kompetenzgrundlage, die zusätzlich zu der im Artikel 10 des Bundes-Verfassungsgesetzes enthaltenen Bundeskompetenz notwendig ist und die den Gepflogenheiten unserer Verfassungsbestimmungen entspricht.

Es wurde auch die Frage hinsichtlich der Bauern und der Pensionsrückstellungen angesprochen und der Verdacht geäußert, daß Bauerngelder für die Pensionsrückstellungen herangezogen wurden. Die Pensionsrückstellungen wurden aus den Mitteln der Verwaltungskostenbeiträge Milch und Getreide, die nicht von den Bauern zu leisten sind, finanziert. Daß in vertraglich vereinbarte und gesicherte Pensionen nicht ohne weiteres eingegriffen werden kann und soll, entspricht, glaube ich, auch dem Grundverständnis der Damen und Herren Abgeordneten des Bundesrates. Dementsprechend hat auch der Bund die Haftung für die Pensionen übernommen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus wurden die Beträge zu den Pensionsrückstellungen angesprochen. Die zitierten 288 Millionen waren Pensionsrückstellungen zum 1. Juli 1993, also zum Zeitpunkt der Schaffung der AMA. Jetzt, 1997, liegt dieser Betrag bei etwa 400 Millionen Schilling. Vielleicht kann durch diese Information eine Unsicherheit beseitigt werden. (Bundesrat Dr. Harring: 1 Million pro Mitarbeiter!)


Bundesrat
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Es entspricht den versicherungsmathematischen und rechtlichen Voraussetzungen, jene Rückstellungen zu bilden, die aus betriebswirtschaftlichen und handelsrechtlichen Gegebenheiten notwendig sind. Darüber hinaus darf ich auf die Ausführungen in der Regierungsvorlage verweisen und auch auf die Beratungen im Ausschuß, weil da ausreichend Auskunft gegeben wurde.

Ich möchte aber doch auch noch auf die parlamentarische Kontrolle zu sprechen kommen, weil auch erwähnt wurde, daß die Kontrolle des Rechnungshofes nicht ausreichend gegeben sei. Laut § 20a des AMA-Gesetzes unterliegt die gesamte AMA-Gebarung der Kontrolle des Rechnungshofes, und damit ist für die AMA und die AMA-Marketing-GesmbH auf diesem Wege die parlamentarische Kontrolle gegeben. Ich glaube, damit auch für jene Damen und Herren, die diesbezüglich Bedenken hatten, eine klare Auskunft gegeben zu haben.

Es wurden jetzt von Herrn Bundesrat Harring einige Fragen gestellt. Ich möchte nur zu einigen wenigen, aber doch wichtigen Stellung nehmen.

Es wurde gefragt, welche Wirtschaftstreuhänder, wenn es welche gegeben hat, die jeweiligen Bilanzen gegengezeichnet haben und ob es diese Bilanzen überhaupt gegeben hat. Ich darf Ihnen folgendes berichten: Es gab eine Eröffnungsbilanz zum 1. 7. 1993, die von der KPMG Alpen-Treuhand GesmbH erstellt wurde. Es gab einen Jahresabschluß zum 31. 12. 1993, der von Price Waterhouse gegengezeichnet wurde, einen Jahresabschluß zum 31. 12. 1994, der ebenfalls von dieser Wirtschaftsprüfungskanzlei gegengezeichnet wurde. Gleichermaßen gilt dies für den Jahresabschluß zum 31. 12. 1995. Der Jahresabschluß zum 31. 12. 1996 wurde von der TPA Control WPrüfungs GmbH gegengezeichnet. Ich hoffe, daß diese Ausführungen für Sie interessant gewesen sind.

Es wurde auch auf die Mitarbeitersituation Bezug genommen. Ich möchte die Fragestellung noch einmal wiederholen: Wie viele Personen aus den ehemaligen Vorgängerfonds der AMA haben Anspruch auf eine Pension aus den Fondsrücklagen, die bis jetzt von der AMA treuhänderisch verwaltet werden? – Es sind dies aus dem Getreidewirtschaftsfonds 129, aus dem Milchwirtschaftsfonds 223 und aus dem Mühlenfonds 8. Insgesamt sind dies 360.

Es ist auch die Frage gestellt worden, wie viele pensionsanspruchsberechtigte Personen im Verwaltungsrat der AMA saßen oder sitzen und den AMA-Vorstand kontrollieren und wann sich die Zusammensetzung im Verwaltungsrat ändert? – Sehr geschätzte Damen und Herren! Es sitzen und saßen niemals ehemalige Fondsbedienstete mit Anspruch auf Zusatzpension in diesem Rat. Ich glaube, auch das ist eine wichtige Klarstellung.

Als letztes möchte ich auch noch eine Information zu folgender Frage geben: Wie viele der Pensionsanspruchsberechtigten beziehen bereits eine Fondspension, und sind darunter auch Mitglieder des Verwaltungsrates? – Es sind dies zum 31. 10. 1997 aus dem Getreidewirtschaftsfonds 59 Pensionsbezieher, aus dem Milchwirtschaftsfonds 128, aus dem Mühlenfonds 5, in der Gesamtheit sind dies 192. Darunter sind keine Mitglieder des Verwaltungsrates.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wurde mir von Ihnen, Herr Bundesrat, zuerst die Bitte übermittelt, ich möge an den Herrn Landwirtschaftsminister einen konkreten Fall weitergeben und ihn bitten, hier tätig zu werden. Ich konnte aus den Ausführungen aber nicht erkennen, welcher konkrete Fall dies ist und habe daher auch nicht die Möglichkeit, dieses zu tun. Trotzdem habe ich Ihren Ausführungen entnommen, daß dieser Fall bereits im Landwirtschaftsministerium von kompetenten Beamten und dem Herrn Bundesminister behandelt wird; und ich weiß diesen Fall daher in den besten Händen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall. – Danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Dr. Peter Harring, Gottfried Waldhäusl und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzesbeschluß des Nationalrates. Der vorliegende Beschluß enthält in Z 1 § 1 und in Z 16 § 43 Abs. 1 Z 10 Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen. Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den in Z 1 § 1 und in Z 16 § 43 Abs. 1 Z 10 enthaltenen Verfassungsbestimmungen die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, den zitierten Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (NS-Opfer-Gedenktag) (99/A(E)-BR/97 und 5565/BR der Beilagen)


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung: Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, NS-Opfer-Gedenktag.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Milan Linzer: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den eben erwähnten Selbständigen Antrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer und andere. Dieser Bericht sowie der angeschlossene Entschließungsantrag liegen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher den Antrag, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile es ihr.

16.24

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Jahr 1997, das europäische Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, neigt sich dem Ende zu. In Schulen mit engagierten Lehrern und Schülern, in Vereinen und Organisationen wurde in vielfältiger, phantasievoller Weise und vor allen Dingen verantwortungsbewußt an zahllosen Projekten zu diesem Thema gearbeitet. Österreich kann stolz darauf sein, was in diesem Jahr vor allem junge Menschen an Bewußtseinsarbeit zustande gebracht haben.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber und dankbar dafür, daß nun noch vor Ausklang dieses Jahres von beiden Häusern des österreichischen Parlaments – vor kurzem vom Nationalrat, heute vom Bundesrat – ein Zeichen gesetzt wird, das über dieses eine Jahr hinaus wirken soll – für mich ist es selbstverständlich – und natürlich auch wirken wird. Die Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus kommt der Überlegung entgegen, daß nur die Kenntnis des Geschehenen die Menschen in die Lage versetzt, gegenwärtige Situationen und Stimmungen richtig zu deuten und mögliche Konsequenzen daraus zu ersehen.

Als Bedenktag wurde der 5. Mai, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen gewählt. Über 200 000 Menschen aus verschiedensten Ländern Europas wurden in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern gequält, gedemütigt und nahezu die Hälfte von ihnen zu Tode geschunden. Das ist so grauenhaft, in seinen Dimensionen so unfaßbar, daß das Begreifbarmachen eine ungeheuer große Herausforderung ist. Das erfordert auch sehr viel Verantwortungsbewußtsein.

Meine Damen und Herren! Für alle Zeiten wird in den Geschichtsbüchern der Welt stehen, daß im 20. Jahrhundert Verfolgung und Mord begangen wurden von Menschen, die behaupteten, Träger einer neuen Kultur zu sein. Wie sollen und werden künftige Generationen diesen unsäglichen Tiefstand jemals begreifen können? – Dieser Frage müssen wir uns alle stellen. Daher ist die Initiative für diesen Gedenk- beziehungsweise Bedenktag so unglaublich wichtig, denn dadurch wird Bewußtsein geschaffen. Nur das richtige Bewußtsein, die eigene Betroffenheit, kann uns befähigen, heutigen widerwärtigen Erscheinungen entgegenzutreten.

Niemals darf vergessen werden, daß, schon lange bevor die Vernichtung der Juden begann, jüdische Mitbürger immer neuen Schikanen ausgesetzt waren. Viel zu wenige haben damals verstanden, daß dies der Anfang vom Ende war. Die allmähliche Gewöhnung an Niederträchtigkeiten, die diesen Mitbürgern angetan wurden, hat beim Wegschauen geholfen, und das Wegschauen hat es wiederum ermöglicht, das nicht wissen zu müssen, was man nicht wissen wollte.

Die Lehre daraus muß sein – und sie soll eben am 5. Mai der Jugend nahegebracht werden –: Jedermann kann und muß auf die alltäglichen Ausgrenzungen und Diskriminierungen reagieren, ebenso auf Gewalt in der Familie und gegenüber Schwächeren. Denn das meiste Unrecht beginnt im kleinen, und dort läßt es sich noch bekämpfen. Die Erziehung zu Toleranz, zur Achtung der Menschenwürde und zu demokratischem Verhalten, die Vermittlung von entsprechenden Leitbildern an die Jugend ist unverzichtbar für ein Klima, in dem Bewußtsein und Praxis der Menschenrechte gedeihen können.

Meine Damen und Herren! Wie notwendig die Erziehungsaufgabe ist, die den zukünftigen Bedenktagen innewohnen soll, möchte ich anhand einiger, weniger Zahlen belegen. Nach einer im Jahre 1995 durchgeführten Umfrage möchten 24 Prozent der Österreicher Juden lieber nicht als Nachbarn haben. In derselben Umfrage lehnen 42 Prozent Zigeuner als Nachbarn ab. Bei Türken waren es 39 Prozent und bei Kroaten 31 Prozent.


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Das heißt doch – und ich muß es leider sagen –, daß der Boden, auf dem Unmenschliches gedeihen kann, immer noch fruchtbar ist. Da vernebeln doch noch immer Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus und Xenophobie die Hirne von gar nicht so wenigen und versteinern ihre Herzen.

Weil wir aus den Leiden der Vergangenheit wissen, daß Unkenntnis Angst verschlimmert, daß Unkenntnis die unsinnigsten Behauptungen möglich macht, daß Unkenntnis es den Zauberlehrlingen so einfach macht, Menschen zu mißbrauchen und zu verführen, sollen wir den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen nützen, um ein Bekenntnis gegen Gewalt und Rassismus abzulegen.

Meine Damen und Herren! Es muß erkennbar gemacht werden, was es bedeutet, wenn ganze Gruppen von Menschen ausgegrenzt werden. Es muß erkennbar gemacht werden, was es bedeutet, wenn Schmähungen und Diffamierungen Platz greifen, denn heute gilt die Ausrede nicht mehr, man hätte nicht ahnen können, wohin das führen werde. Die Erinnerung an die finsterste Nacht, die jemals über Österreich hereinbrach, erfüllt uns mit Abscheu, aber auch mit Verehrung und Respekt für jene, die unerträgliches Leid mit Würde getragen haben, die nicht nach Rache gerufen haben, sondern durch Mahnung und Aufklärung dazu beitragen, daß Ähnliches nie wieder geschieht.

Wir trauern um alle Toten dieser Zeit der Verblendung und des Unrechts. Jenen, die die Wunden der Vergangenheit noch in sich tragen, bieten wir die Hand mit der Bitte um Versöhnung und Vergebung. Wir müssen und wir werden bereit sein, all unser Wissen und Können und all unsere Fähigkeiten für die Menschlichkeit und Unverletzlichkeit der Menschenwürde einzusetzen – im Interesse der Menschen, die hier leben, und im Interesse des Ansehens Österreichs. (Allgemeiner Beifall.)

16.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer das Wort.

16.33

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Besetzung Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland begann für Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher ein ungeahnter – und bis heute niemals dagewesener – Leidensweg für Juden, Christen, Andersdenkende und Andersfühlende, aber auch für Hunderttausende Soldaten, die nicht gefragt, sondern an ihren Einsatzort befohlen wurden. Der Untergang Österreichs bedeutete für diese Menschen und ihre Familien den Untergang ihrer Existenz.

Ich habe der heutigen Ausgabe der steirischen Wochenzeitung "Korso", einem Interview, das mein Freund Bundesrat Alfred Gerstl gegeben hat, folgendes entnommen, und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich zitieren: Ganz gleich, auf welcher Seite meine Generation gestanden ist, sie war eine geschundene Generation. Hätte es nicht Elend und Not gegeben, wäre der Nationalsozialismus mit seiner Brutalität nicht zum Zug gekommen. – Und auf die Frage, wie Entwicklungen wie in den dreißiger Jahren zu verhindern sind, antwortete Alfred Gerstl: Man muß der Jugend helfen, daß sie nicht in ausweglose Situationen gerät, ohne dabei ihren revolutionären Gärungsprozeß zu unterbrechen. Nur humanistisch inspirierte Einflußnahme ist erlaubt. Zwei Erziehungsmittel seien, so Gerstl, dabei besonders wichtig: Sport im Sinne der Erziehung zur Beherrschung der eigenen Aggressivität und die Kinderphilosophie: Schon Kinder sollen ihre Fähigkeit zur Argumentation entdecken, um ihre Lebensprobleme und Gedanken kreativ verarbeiten zu können. – Zitatende.

Wenn wir dies allein machen und unseren Jugendlichen vermitteln, meine ich, wird es auch zum Guten beitragen. Dazu dient auch unser gegenständlicher Entschließungsantrag, und ich würde Sie, meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates, höflichst ersuchen, diesem Ihre Zustimmung zu erteilen.


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Uns erschien aufgrund einer Anregung des Europäischen Parlaments die Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus für unbedingt notwendig. Was ist daher naheliegender, als den 5. Mai als Gedenktag einzuführen, also jenen Tag, an dem im Jahre 1945 der letzte Gefangene aus dem KZ Mauthausen entlassen wurde? – Aus jenem KZ, das 1938 gegründet wurde, das etwa 210 000 Gefangene aus vielen europäischen Staaten aus den verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Gründen, aber auch aus rassistischen oder anderen Gründen inhaftiert hatte.

Stimmen wir für diesen Gedenktag, und stimmen wir damit für einen Tag der Mahnung! Für einen Tag der Mahnung deswegen, damit wir aufzeigen, daß sich der Faschismus in unserer Heimat niemals mehr wiederholen soll! (Allgemeiner Beifall.)

16.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort.

16.37

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir stehen heute vor einem bemerkenswerten Beschluß. Zum einen geht es darum, sich vor den Opfern des Nationalsozialismus zu verneigen und ihnen Respekt zu erweisen, und um ein Zeichen dafür zu setzen, daß sie nicht vergessen sind, wie auch dafür, daß wir aus einer äußerst leidvollen Geschichte gelernt haben.

Zum anderen stehen wir aber auch deshalb vor einem bemerkenswerten Beschluß, weil wir heute gemeinsam diesen symbolischen Akt setzen, und weil "gemeinsam" dabei heißt, daß dies über Parteigrenzen hinweg geschieht; über Parteigrenzen hinweg, die in der Vergangenheit – das darf nicht verschwiegen werden – leider auch Gräben und Klüfte aufwiesen. – Dies sowohl zwischen den gegenwärtigen Regierungsparteien, deren Gegensatz – korrekt: zwischen ihren historischen Vorgängern – in der Ersten Republik und auch noch zu Beginn der Zweiten Republik eine offene Wunde war, und dies bei aller Versöhnungsbereitschaft, die bereits in Gefangenschaft und Emigration vorbereitet worden war, als auch zwischen diesen beiden und dem sogenannten Dritten Lager, das nach dem untypischen Zwischenspiel des VdU in der Freiheitlichen Partei einen relativ späten – und wie wir meinen letztlich doch eigenständigen – Nachfolger gefunden hat.

Ich persönlich meine und – wie ich hoffe: wir alle meinen –, daß diese historischen Gegensätze, die auch mit in die Irre und in die düstersten Zeiten geführt haben, in dauerhafter Weise überwunden sind. Das heißt nicht, daß ich in vordergründigem Optimismus und naiver Fortschrittsgläubigkeit annehme, daß es überhaupt keine geschichtlichen Rückschläge mehr geben könnte. Wir haben dies jüngst schmerzlich in nicht allzu ferner Nachbarschaft erfahren müssen.

Verübeln Sie es mir aber dennoch nicht, wenn ich von der Geschichtsphilosophie Hegels, die ich freilich in vielen Punkten nicht teile, zumindest soviel übernehme, daß ich davon überzeugt bin, daß es – gewiß nicht im linearen Aufstieg, aber doch à la longue – so etwas wie einen "Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit" gibt.

Von da her denke ich auch, daß wir uns – um noch einmal Hegel zu zitieren – auch von der "Raserei der Negation" endgültig verabschiedet haben. Nicht zuletzt deshalb begrüße ich auch, daß als Jahrestag des heute vorzusehenden Gedenktermins der 5. Mai gewählt worden ist. Welcher andere Tag böte sich dafür eher an als jener, an dem sich die Tore des Konzentrationslagers Mauthausen, des größten auf österreichischem Boden mit den höchsten Opferzahlen – sie wurden bereits genannt –, zu einer wahren Freiheit öffneten und sie nicht mehr länger bloß im Zeichen der zynisch formulierten Devise: "Arbeit macht frei" standen.

Die Ehrlichkeit, mit der ich persönlich den vorliegenden Antrag akzeptiere, mit der ihm meine Fraktion zustimmt, mit der wir alle ihn gern annehmen, sofern das Adjektiv "gern" im höchst tristen und betroffen machenden Zusammenhang des historischen Anlasses überhaupt paßt, gebietet freilich auch Offenheit für andere, der Intention nach vergleichbare Anliegen. In diesem Sinne hoffe ich künftig vermehrt auf das Verständnis unserer Kollegen dafür, daß meine Frak


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tion eine vornehme Verpflichtung darin sieht, sich gleicherweise auch gegen das Vergessen der Opfer der Verfolgung und der Vertreibung altösterreichischer Volksgruppen deutscher Zunge zu stellen und für die Wahrung der Rechte ihrer verbliebenen Reste einzusetzen.

Ich stelle hier bewußt keinen historischen Kausalzusammenhang her, ich lehne sogenannte wechselseitige Aufrechnungen von Schuld, wie freilich auch jede Kollektivschuld der einen oder der anderen Seite als politisch wie rechtlich und moralisch verfehlt entschieden ab, wie ich auch keinerlei unsachliches Junktim diesbezüglich einfordere.

Unverzichtbare Position muß aber jedenfalls die folgende sein: die Unteilbarkeit der Grund- und Menschenrechte. Die Wahrung dieser auch für die altösterreichischen Volksgruppen beziehungsweise Minderheiten mit deutscher Muttersprache wird freilich bei anderer Gelegenheit einzumahnen sein. Wir Freiheitlichen haben das insbesondere in die Diskussion um die Osterweiterung der Europäischen Union eingebracht.

Heute aber geht es nicht darum; denn für einen Gedenktag für sämtliche Opfer von Gewalt und Diskriminierung wegen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk oder einer Rasse – sei es in unserem eigenen engeren historisch-räumlichen Verantwortungsbereich, sei es europa- oder gar weltweit – ist die Zeit offensichtlich noch nicht reif. Heute wollen sich alle österreichischen Gesinnungsgemeinschaften in dem gemeinsamen Anliegen verbinden – meine ist dazu vorbehaltlos bereit, sich hinter die Opfer des Nationalsozialismus zu stellen –, und sie alle leiten daraus die rechtsethische Verpflichtung ab, sowohl die schweren Verletzungen der Menschenrechte in der Vergangenheit nach Möglichkeit zu lindern – soweit das überhaupt möglich ist –, als auch Maßstäbe und Garantien dafür zu gewinnen, um vergleichbare Verstöße in der Zukunft jedenfalls zu verhindern.

Um dieser beiderseitigen, vergangenheits- wie vor allem auch zukunftsorientierten, Zielvorstellung willen stimmen wir dem vorliegenden Entschließungsantrag zu. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile ihm das Wort.

16.44

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich aus zwei Gründen kurz zu Wort gemeldet, da ich einerseits zum Ausdruck bringen möchte, daß ich mit großer innerer Überzeugung diesem Selbständigen Antrag zur Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zustimmen werde. Dieser Antrag bringt für mich zum Ausdruck: Niemals vergessen!

Gleichzeitig verbinde ich mit diesem Antrag aber auch die Verpflichtung der Bewußtseinsbildung, daß unser demokratisches System keine Selbstverständlichkeit ist und jede und jeder aufgerufen ist, seinen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung dieses demokratischen Systems zu leisten.

Als Grundlage für diese Bewußtmachung eines unseligen Zeitabschnittes unserer Geschichte, insbesondere unserer heranwachsenden Jugend gegenüber, brauchen wir ein neues Wertenetz von Verantwortung, Mut und vor allem Toleranz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Grund meiner Wortmeldung ist folgender: Ich möchte heute die Gelegenheit dazu nützen, um mich von Ihnen zu verabschieden. Ich scheide mit Ende dieses Monats als Mitglied des Bundesrates und somit aus dem Hohen Haus aus, um mich in meinem Zivilberuf als Leiter des Familienreferates im Land Tirol voll und ganz der Umsetzung eines neu beschlossenen Familienpaketes in der Größenordnung von zirka 100 Millionen Schilling zu widmen.


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Hohes Haus! Ich hatte das große Glück des Vertrauens, diesem Hause fast 22 Jahre angehören zu dürfen. Bei meiner Verabschiedung – und das möchte ich heute somit machen – geht es mir vor allem aber auch darum, Dank sagen zu können: Dank zu sagen für die Mit- und Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg – war es im Nationalrat oder war es hier im Bundesrat –, Dank zu sagen für die doch faire Auseinandersetzung, auch wenn sie in manchen Bereichen emotional geführt wurde – vor allem, wenn es um kontroversielle Materien und Themen ging.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, jeder von uns hier hat gewußt, wie weit man gehen kann, und ich mußte nicht erleben – aus meiner Sicht –, daß man mit Untergriffen gearbeitet hat. Dieses Bild bringt meiner Meinung nach eine sehr positive Entwicklung in Richtung politischer Kultur, und ich kann nur wünschen, daß bei allen Unterschiedlichkeiten in Meinungen und Auffassungen dieser Weg in einer Art Vorbildfunktion, die wir dringend brauchen, weiter beschritten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dank sagen möchte ich den jeweiligen Präsidenten und Vizepräsidenten, den jeweiligen Fraktionsführern in diesem Hause, vor allem Dank sagen möchte ich aber meiner Fraktion, der Österreichischen Volkspartei, für die Freundschaft und Kameradschaft, die ich hier erleben durfte. Mein ganz besonderer Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedensten Bereichen dieses Hauses. Sie alle sind für mich – so sehe ich es zumindest – die guten und stillen Geister im Hintergrund, um diese verantwortungsvolle Arbeit hier überhaupt leisten zu können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen alles Gute für Ihre zukünftige politische Arbeit hier im Hause, aber vor allem auch in Ihrem privaten Lebensbereich. – Danke. (Allgemeiner heftiger Beifall.)

16.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Dem gemeinschaftlichen Beifall ist nicht viel hinzuzufügen, er spricht für sich selbst. Wir wünschen dir alles Gute und werden dich in guter Erinnerung behalten, lieber Karl!

Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Gerstl. – Bitte.

16.50

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich auch hier sage, daß ich vieles erlebt habe, aber nicht nur in der NS-Zeit, sondern schon als 6jähriger Bub, also 1929. Damals spuckte ich wegen eines Hustens auf die Tafel und bekam von der Lehrerin eine Watschen, und sie sagte: Hinaus, du Judenbengel! – In Wirklichkeit sind meine Eltern 1923 zum Katholizismus konvertiert, nachdem mein Vater eine Anstellung gebraucht hatte und diese mit mosaischem Glauben nicht bekommen hätte.

Ich war gestern in der Politischen Akademie, wo alle Parteien vertreten waren. Ich hatte dort ein für mich unauslöschbares Erlebnis. Es gab eine Debatte zu dem Thema: der Weg Österreichs zu einer echten demokratischen Reife. Die Diskussion, die dort stattfand, hat mir gezeigt – bei Wahrung jeder eigenständigen politischen Überzeugung –, daß die Menschen aufeinander zugehen. Dafür war ich dankbar.

Ich bin dankbar dafür, daß es zu diesem Gedenktag kommt, aber wir haben auch einen Gedenktag, nämlich den Sonntag. Wer hält sich denn daran, die christliche Glaubenslehre einzuhalten? – Ich glaube nur daran, daß alles wirksam greifen wird, wenn es uns gelingt, der Jugend einen neuen Weg zu zeigen. Ich danke dir, Kollege Bieringer, daß du einen solchen aufgezeigt hast.

Ich möchte aber in Erinnerung bringen, daß ich hier in diesem Hause einmal gesagt habe: Um einer bösartigen Geisteshaltung wirksam begegnen zu können, müssen wir bei unseren Jüngsten mit einer besseren Methode der Lehre über zwischenmenschliches Verhalten beginnen. Ein vereintes Europa der Vaterländer, in dem die Regionen unter Wahrung ihrer kulturellen


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Eigenständigkeit befruchtend für Europa wirken sollen, braucht aufgeklärte Menschen. Je früher wir bei unserer Jugend beginnen, desto nachhaltiger wird ihr Wesen eine humanistische Gedankenwelt bestimmen.

Schon am 1. August 1990 erlaubte ich mir eine Ministeranfrage betreffend den neuen Forschungszweig Kinderphilosophie in Österreich einzubringen. Es war vergeblich. Schon Kinder sollen ihre Fähigkeit zum Argumentieren entdecken, um ihre Lebensprobleme und Gedanken kreativ verarbeiten zu können. Es wurden bereits erstaunliche Ergebnisse erzielt, vor allem in den USA. Nicht nur im Lesen und Rechnen zeigten die Kinder bessere Resultate, sondern sie wurden auch in ihrem Sozialverhalten toleranter und offener.

Vielleicht hätte man doch einmal im Wege der Toleranz in den Talmud hineinschauen sollen, dann hätte man erkannt, warum – wenn man oft in Amerika mit Juden zusammenkommt – diese als erstes fragen: Wie geht es dir? Wie kann ich dir helfen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Unterstützen Sie diese Initiative zur Einführung der Kinderphilosophie in allen Schulen! Das wäre wichtig, denn dann würden auch nicht Tage wie der vorgestrige Tag vergessen werden, nämlich der 55. Todestag einer der besten Tenöre der Welt, nämlich Joseph Schmid, der von deutschen Offizieren an die Schweizer Grenze gebracht und hinübergeschoben wurde und dann in einem Lager in der Schweiz verreckte.

Dann würde auch nicht vergessen werden, daß "Mein Kampf" nicht 1943, sondern 1923 geschrieben wurde, und die ganze Welt schwieg, obwohl darin alles stand.

Dann würde auch nicht vergessen werden, daß die Nürnberger Gesetze nicht 1943, sondern 1935 geschrieben wurden und nur deutsche Offiziere, wie Oberst Beck, aus Protest zurückgetreten sind. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus auf Annahme der beigedruckten Entschließung ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus ist somit angenommen .

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden (507/A und 871/NR sowie 5557 und 5566/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und das Strafgesetzbuch geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Dr. Michael Ludwig:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesbeschluß trägt dem Umstand Rechnung, daß die für Untersuchungsausschüsse relevanten Verfahrensbestimmungen in einem Anhang zum GOG zusammengefaßt werden sollen, um Querverweisungen und die damit verbundenen Probleme mit der sinngemäßen Anwendung von anderen Gesetzen zu vermeiden.

Nachdem der Bericht schriftlich aufliegt, werde ich von einer weiteren Verlesung Abstand nehmen und stelle namens des Rechtsausschusses den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

16.57

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dem vorliegenden Gesetzesvorhaben wird meine Fraktion nicht zustimmen. Diese Ablehnung beruht – das lege ich bewußt offen – entscheidend darauf, daß die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht als Recht der parlamentarischen Opposition anerkannt worden ist. Zwar räume ich ein, daß dieser allerdings zentrale Einwand nicht unmittelbar die Frage betrifft, ob es dem Nationalrat gelungen ist, adäquate Verfahrensregeln für solche Untersuchungsausschüsse zu entwickeln.

Meine Fraktion lehnt also diese Vorlage zweifellos primär deshalb ab, weil eben die Einsetzung von Ausschüssen der parlamentarischen Opposition nicht als Minderheitenrecht eingeräumt worden ist. Davon unabhängig bestehen aber durchaus auch Bedenken gegenüber zahlreichen konkreten Verfahrensbestimmungen. Gewiß ist die Angleichung der Ausschußprozedur an rechtsstaatliche Verfahrensgesetze im Grundsatz voll anzuerkennen.

Im einzelnen hebe ich aber folgende Kritikpunkte hervor:

Wieso wird im Interesse des Rechtsschutzes der Auskunftspersonen neben der Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson auch ein eigener Verfahrensanwalt geschaffen? Wird einem Vorsitzenden eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterstellt, daß er seine Aufgabe nicht gesetzmäßig zu vollziehen vermag, daß er auch Grund- und Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Prinzip eines fairen Verfahrens, zu beurteilen und zu wahren nicht in der Lage ist? Welch erstaunlicher Mißtrauensvorschuß!

Genügt nicht wenigstens eines der beiden Korrektive? – Als Vertrauensperson kann immerhin auch ein Rechtsanwalt beigezogen werden. In keinem sonstigen Verfahren, ob Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren, kann eine Auskunftsperson oder ein Zeuge einen Rechtsbeistand beziehungsweise einen Rechtsanwalt einschalten. Warum dann dies nur in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen?

Nimmt man an, daß hier keine rechtsstaatlichen Garantien gewahrt werden? Hält man umgekehrt die hier einvernommenen Personen, zumeist mehr oder weniger hochrangige Politiker oder höhere bis höchste Beamte der Ministerialbürokratie, für schutzwürdiger als sonstige Zeugen oder Auskunftspersonen in anderen behördlichen Verfahren, obwohl es dabei zumeist um gerichts- beziehungsweise behördenunerfahrene Personen geht?

Das vorrangig verankerte Prinzip, daß niemand sich selbst belasten muß, gilt im Strafverfahren zweifellos. Es ist eng mit dem Anklageprinzip beziehungsweise mit der Unschuldsvermutung verbunden. Insoweit eine strafrechtliche Verantwortung in Betracht kommt, verstehe ich die in der vorliegenden Geschäftsordnung vorgenommene Einschränkung der Wahrheitsfindung. Hingegen gilt dieser Grundsatz im Zivilprozeß keineswegs. Vielmehr ist dort die uneingeschränkte


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Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht der Parteien, insoweit nicht Aussageverweigerungsgründe in sehr engem Ausmaß vorliegen, maßgeblich, ganz unabhängig davon, ob das der dieser Pflicht unterliegenden Partei schadet oder nützt. – Insofern es in Untersuchungsausschüssen nicht um strafrechtlich relevante Tatbestände geht, sehe ich daher keine Notwendigkeit, die Wahrheitspflicht der Auskunftspersonen ebenso wie im Strafprozeß zu lockern.

Auch die Parallele zum Beweisbeschluß des zivilgerichtlichen Verfahrens trifft meines Erachtens nur sehr begrenzt zu. Denn dieser rein prozeßleitende, das heißt jederzeit abänderbare und den Richter nicht bindende Beschluß strukturiert zwar zweifellos das Beweisverfahren, er grenzt aber keineswegs die Entscheidungsgrundlage ab. Vielmehr ist es ganz unbestritten, daß das Gericht auch für die Entscheidung erhebliche Beweisergebnisse zu berücksichtigen hat, die weder im Beweisbeschluß noch im expliziten Tatsachenvorbringen der Parteien oder in diesbezüglichen Beweisanträgen gedeckt sind.

Mit anderen Worten: Auch darüber hinausreichende Beweisergebnisse sind dem Urteil zugrunde zu legen. Richtig ist lediglich, daß ein Beweisbeschluß des Untersuchungsausschusses im Untersuchungsauftrag des Nationalrates legitimiert sein muß. Dieser deckt sozusagen den Gegenstand des Untersuchungsverfahrens und steckt damit seinen rechtlichen und tatsächlichen Rahmen ab.

Zum Beweisverfahren ist festzuhalten, daß es sich nur zum Schein dem gerichtlichen Verfahren anpaßt. Bereits in bezug auf die Erlangung von beweis- und entscheidungsrelevanten Urkunden bleibt die vorliegende Verfahrensordnung weit hinter dem Standard gerichtlicher Prozeßordnungen zurück. Die Vorlagepflicht müßte zumindest in dem Ausmaß gesichert sein, das dem Zivilprozeß entspricht.

Bei aller Anerkennung des angestrebten Zieles, die neuen Regeln an der Rechtsstaatlichkeit zu orientieren, ist es erstaunlich, daß im Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse Beweismittelverbote etabliert sind, die bislang im gerichtlichen Verfahren keineswegs anerkannt sind.

Einem Gesetzgeber, der sich bis heute nicht dazu durchringen konnte, in rechtsstaatlichen Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden so weitgehende Beweisverbote zugunsten privater Verfahrensparteien, also zum Schutze des Bürgers, zu erlassen, steht es meines Erachtens schlecht an, solche Verbote erstmals und gerade in parlamentarischen Untersuchungsverfahren vorzusehen, bei denen es – wie schon gesagt – vorwiegend um den Schutz von Politikern und Angehörigen der Hochbürokratie geht.

Hinsichtlich des Entschlagungsrechtes folgt § 7 den Bestimmungen über das zivilgerichtliche Verfahren; aber welchen? – Bezug genommen wird hier wieder auf die weitergehenden Aussageverweigerungsgründe für Zeugen, nicht aber auf die eingeschränkteren für Prozeßparteien. Nun wird eine Auskunftsperson im Regelfall zweifellos eher einem Zeugen entsprechen. Überall dort, wo die Untersuchung unmittelbar auf die politische Verantwortung bestimmter Personen abzielt, diesen also zwar nicht formell, aber materiell quasi Parteistellung zukommt, läge doch eher der Verweis auf die geringeren Aussageverweigerungsgründe für Parteien nahe.

Weshalb es einer Zweidrittelmehrheit des Ausschusses bedarf, um an der Vernehmung eines öffentlich Bediensteten festzuhalten, wenn die Dienstbehörde die Vertraulichkeit der Aussage verlangt, ist unerfindlich. Soll damit die parlamentarische Mehrheit eine Behörde beziehungsweise ihre Repräsentanten, weil sie ihr politisch nahestehen, vor der Aufdeckung von Fehlverhalten schützen können?

Gegen die Klarstellung, daß auch Lebensgemeinschaften die Angehörigeneigenschaft bewirken, erhebe ich keinen Einwand. Erneut stört mich daran bloß, daß dies für den Zivilprozeß unverändert nicht gilt.

Die Belehrung von Vertrauenspersonen über die strafrechtlichen Folgen der Bestimmung, das heißt Anstiftung von Auskunftspersonen zu einer falschen Beweisaussage, müßte meines Er


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achtens zumindest dann entfallen, wenn es sich dabei um einen Rechtsanwalt oder einen gleich qualifizierten Berater handelt; denn diese bedürfen wohl einer solchen Belehrung nicht.

Daß Fragen nur im Umfang des Beweisthemas zulässig sind, entspricht – wie schon erwähnt – nicht den gerichtlichen Verfahrensordnungen, zumindest nicht für den Fall, daß sie dennoch für den Untersuchungsgegenstand erheblich sind. Ein Beweisbeschluß kann unzureichend formuliert oder durch die Beweisergebnisse überholt sein.

Nicht sachgerecht ist auch, daß die Ablehnung von Sachverständigen wegen Befangenheit nur vor der Abgabe des Gutachtens zulässig sein soll. Was gilt dann, wenn der Ablehnungsgrund erst nachträglich bekanntgeworden ist?

Keinesfalls kann ich der Anordnung zustimmen, daß Personen, die eine falsche Beweisaussage abgelegt haben, dann ein Strafausschließungsgrund zugute kommt, wenn sich die Untersuchung des Ausschusses gegen sie gerichtet hat. Sie könnten sich ohnehin auf einen entsprechenden Aussageverweigerungsgrund berufen. Das Argument, daß die Entschlagung einer solchen Person als Schuldeingeständnis interpretiert werden könnte, reicht für eine weitergehende Privilegierung nicht aus. Denn zum einen wäre ein solcher Schluß rechtlich unzulässig, mag er auch faktisch und psychologisch naheliegen, und zum anderen wird erneut ein vergleichbarer Schutz Parteien und Zeugen im Zivilprozeß keineswegs zuteil.

Sowohl wegen dieser zahlreichen Bedenken – ich könnte noch einige weitere auflisten – gegen wesentliche Bestimmungen der neuen Verfahrensregelungen als auch wegen des schon aufgezeigten demokratiepolitischen Mangels, daß die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht als Recht der qualifizierten parlamentarischen Minderheit konzipiert worden ist, werden wir diese Vorlage ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesnovellen) (100/A-BR/97 und 5567/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Günther Hummer, Anna-Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesnovellen).


Bundesrat
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632. Sitzung / Seite 116

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Karl Pischl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Karl Pischl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus.

Die genannten Bundesräte haben am 18. November 1997 den Antrag 100/A-BR/97 eingebracht und wie folgt begründet:

"Mit der gegenständlichen Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz soll durch die Einfügung eines neuen Artikels 41a eine verfassungsrechtliche Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen und Volksbegehren geschaffen werden. Eine detaillierte Ausformulierung erfolgt durch einen neuen § 23a in der Geschäftsordnung des Bundesrates."

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 18. November 1997 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des gegenständlichen Antrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus somit den Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den nachstehenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung unterbreiten:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 geändert wird:

Artikel 41a lautet:

"Artikel 41a (1) Gesetzesvorschläge und Volksbegehren sind gleichzeitig an die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates zu verteilen.

(2) Der Ausschuß des Bundesrates, dem ein Gesetzesvorschlag oder ein Volksbegehren zugewiesen wurde, kann hiezu bis zum Abschluß der Beratungen im Ausschuß des Nationalrates eine Stellungnahme beschließen.

(3) Nähere Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung des Bundesrates."

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

17.10

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein netter Zufall, daß ich – wenn ich das richtig gesehen habe – nach der letzten Berichterstattung des Kollegen Pischl hier ans Rednerpult komme. Ich möchte diese Gelegenheit dazu nützen, Ihnen, Herr Kollege, namens meiner Fraktion für eine gute, kollegiale Zusammenarbeit in vielen Sitzungen und auch bei Auseinandersetzungen zu danken und Ihnen alles Gute zu wünschen! (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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Meine Damen und Herren! Demokratie entwickelt sich im Normalfall und unter friedlichen Bedingungen nicht in großen Sprüngen, sondern in vielen kleinen Schritten. Je stabiler ein politisches System ist, desto seltener sind große Sprünge notwendig, und desto öfter sind es die kleinen Schritte, die die politische Gesellschaft voranbringen.

Der vorliegende Antrag beinhaltet keinen großen Sprung, jedoch einen wichtiger Schritt für das Element Bundesrat im österreichischen politischen und Verfassungssystem. Wenn sich – soweit ich das absehen kann – alle in diesem Haus vertretenen drei Parteien für diesen Antrag aussprechen, dann ist das auch der Ausdruck dessen, daß wir bei allen Differenzen im Politischen und bei allen Differenzen auch über die Richtung, die die Entwicklung des Bundesrates nehmen soll, in einigen Punkten – und das ist einer davon – eine gemeinsame Auffassung haben.

Ziel dieser Initiative ist es, den Bundesrat aus der unangenehmen Position des Beschließers im Gesetzgebungsprozeß – wie ich diese Rolle bezeichnen möchte – ein wenig herauszuführen. Wir alle wissen, daß wir im Prozeß der Gesetzwerdung erst in der Endphase verfassungsgemäß eingeschaltet werden und daß wir bei der Entscheidung, die wir zu treffen haben, sehr oft unter starkem politischen Druck stehen, weil durch ein Nein des Bundesrates, durch einen Einspruch oder eine Nichtzustimmung ein Gesetz, das in vielen Teilen richtig und notwendig sein mag, verzögert wird. Der Geltungsbeginn mit 1. Jänner und 1. Juli hat für die Verwaltung eine gewisse Bedeutung. In Anbetracht dessen stellen wir wegen einer Differenz im Detail das Gesetz sehr oft aus guten Gründen nicht in Frage, obwohl es wert wäre, darauf hinzuweisen, daß die eine oder andere Bestimmung aus unserer Sicht nicht der Weisheit letzter Schluß ist.

Der vorliegende Vorschlag, bezüglich welchen wir den Nationalrat um eine Beschlußfassung ersuchen, ist ein Versuch, aus dieser unserer Rolle des Letzten im Prozeß ein bißchen auch die Rolle desjenigen zu machen, der an einem Dialog beteiligt ist.

Es gibt keine Verpflichtung, die an unsere Stellungnahme gebunden ist. Es gibt keine Möglichkeit zur Sanktion außer die, die wir auch heute schon hätten, nämlich gegebenenfalls dann doch Einspruch zu erheben. Ich glaube aber, daß in einer lebendigen Demokratie ein solcher Dialog allein schon manches in Bewegung bringen kann.

Wenn die Ausschüsse des Bundesrates nach Beschluß des vorliegenden Vorschlages die Möglichkeit haben, zu einem im Nationalratsausschuß noch nicht behandelten Gesetz Stellung zu nehmen, wenn wir die Möglichkeit haben, am Beginn des Detailprozesses und des Ausfeilens von Einzelbestimmungen auch unsere Vorschläge und unsere Meinung einzubringen, dann erwarten wir selbstverständlich, daß das nicht als eine lästige Komplikation im politischen Prozeß betrachtet wird, sondern als ein Beitrag unter vielen. Es gibt Begutachtungsverfahren, und es besteht die oftmals heftig genützte Möglichkeit, daß der Nationalrat während seiner Ausschußberatungen an Gesetzen feilt. All das ist selbstverständlich. In diesem Prozeß soll es von unserer Seite eine Möglichkeit geben, nicht nur privat und in den einzelnen Fraktionen Standpunkte zur Geltung zu bringen, sondern auch im gewissermaßen sichtbaren, offiziellen Prozeß.

Die Verfassungsordnung wird damit nicht entscheidend geändert. Die berühmte und als Formulierung schon kaum mehr anhörbare "Aufwertung des Bundesrates" wird damit allein sicherlich nicht stattfinden. Aber es ist nicht Ausdruck einer resignierenden Bescheidenheit, wenn ich diese Initiative, von der ich hoffe, daß sie im Nationalrat Zustimmung finden wird, dennoch positiv beurteile, sondern eben meine Überzeugung – beziehungsweise, wie ich glaube, unsere gemeinsame Überzeugung –, daß wir aus der gewonnenen Erfahrung heraus schrittweise zu einem flexibleren und daher auch den Bundesrat stärker berücksichtigenden politischen Prozeß kommen sollen.

Diese Initiative – ich hoffe, wir halten das in dieser Debatte heute auch so – sollte nicht in ihrer Bedeutung durch irgendwelche Copyright-Ansprüche geschmälert werden. Wir haben uns zu dieser gemeinsamen Initiative entschlossen, weil wir glauben, daß wir, wie auch unsere Debatten immer wieder zeigen, in vielen Fällen auch in dieser frühen Phase Wertvolles zur Gesetzgebung beitragen können. Ich würde mir sehr wünschen, daß wir, wenn es dieses Stellungnahmeverfahren einmal gibt, dieses klug und pointiert nützen, nicht als Bekräftigung irgend


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welcher Meinungen der Opposition oder der Regierung, sondern in weiser Konzentration auf unsere eigentliche Aufgabe, die darin besteht, Interessen aus den Ländern zu transportieren, und zwar in Konzentration auf Themenbereiche, in denen wir uns aus guten Gründen besonders sattelfest fühlen, weil diese Probleme näher an unserer Arbeit sind als an jener der Nationalräte. Das soll kein neues Element der Demonstration sein, sondern ein Element der konstruktiven Entwicklung von verständlichen, zielführenden und exekutierbaren Gesetzen. (Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinn wird meine Fraktion diesen Beschluß selbstverständlich unterstützen, und ich bin guter Hoffnung, daß wir bald in diesem Haus zur Kenntnis nehmen können, daß die Bundesverfassung in diesem Sinn geändert wurde und daß es an uns ist, die entsprechenden Regeln für die Nutzung dieses Rechtes in der Geschäftsordnung und in der politischen Praxis aufzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

17.19

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Kollege Konečny veranlaßt mich gelegentlich naturgemäß zum Widerspruch, heute jedoch lediglich zur Bekräftigung und Ergänzung.

Ich kann ihm völlig zustimmen, daß es natürlich übertrieben wäre, im heutigen Gesetzesantrag einen gewaltigen Reformschub für den Bundesrat zu sehen, zumal es sich lediglich um die Wiederholung bereits gefaßter Gesetzesanträge handelt. Wir haben bereits mit Gesetzesantrag vom 23. Juni 1994 dieses Stellungnahmerecht erfolglos gefordert.

Man muß dem Nationalrat allerdings zugute halten, daß relativ rasch nach Einbringung dieses Antrages die Gesetzgebungsperiode beendet war. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr der Einbindung dieses Antrages in einen umfassenderen Antrag vom 23. März 1995.

An diesen von uns eingebrachten Anträgen ist – wenn man es genau unter die Lupe nimmt – auch ein bißchen ablesbar, welchen Schwankungen der dem Bundesrat mögliche Reformwille unterliegt.

Der zitierte Gesetzesantrag vom März 1995 hatte neben dem Stellungnahmerecht dieser Art auch eine Verstärkung unseres Stellungnahmerechtes im Rahmen der Mitwirkung an der Willensbildung der Europäischen Union zum Gegenstand. Eine Korrekturfunktion: Ich füge nur ein, daß die Kundmachungen "Druckfehlerberichtigung des Bundeskanzlers" häufig darüber hinausgehen, da auch bereits im Gesetzgebungsverfahren geschehene redaktionelle Fehler in einer nicht ganz sachgerechten Weise unter die Obhut dieser Druckfehlerberichtigung genommen werden. Das ist an sich kein sehr wünschenswerter, aber ein pragmatisch notwendiger Zustand.

Es war darin das Recht des Bundesrates enthalten, eine Volksbefragung veranlassen zu können, weiters auch eine Beteiligung an der Wahl des Präsidenten des Rechnungshofes sowie der Volksanwälte. Bei früheren Gesetzesanträgen des Bundesrates hatte überdies das Zustimmungsrecht zum Finanzausgleichsgesetz Einvernehmen gefunden. Wie bereits kurz dargestellt, unterliegt der mögliche Konsens Einflüssen, die nicht unmittelbar in unserer Hand liegen. Man kann resignieren und mit Bert Brecht sagen: Die Verhältnisse sind nun mal so.

Wir müssen uns selbstverständlich auch dessen bewußt sein, daß wir auf die Weise der notwendigen kleinen Schritte nicht zu der von uns immer wieder geforderten, bei anderen angemahnten großen Reform kommen werden, wenn wir sie selbst nicht artikulieren. Ich denke auch, daß die Willensbildung in uns selbst nicht immer mit dem notwendigen Tempo mithält, das uns an sich von außen vorgegeben ist. Immerhin hat es seit der Einigung über den Inhalt dieses Antrages im Frühjahr relativ lange gedauert, bis er jetzt beschlossen werden kann.


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Dahinter steht allerdings auch eine große und immer wieder schwankende Bandbreite möglicher anderer Reformvorschläge. Diese reichen von einer Akzentuierung der zweiten Kammer schlechthin bis zu einer stärkeren Akzentuierung des Gesichtspunktes der Vertretung der Bundesländer, damit die Kraft des außerparlamentarischen Faktischen nicht an uns vorbei und auch über uns hinweggeht.

Veranlaßt durch das 2. Budgetbegleitgesetz möchte ich zwar nicht als Vorschlag in die Debatte einbringen, aber an die Möglichkeit des Bundesrates erinnern, bei Sammelnovellen auch zu einzelnen Teilen solcher Novellen Einspruch erheben zu können. Wir stellen vermehrt fest, daß der Nationalrat – großteils, aber nicht immer veranlaßt durch Regierungsvorlagen – zu der an sich in den legistischen Richtlinien nicht gerne gesehenen Technik der Sammelnovelle greift. Das ist in manchen Fällen nicht, in anderen durchaus zu beanstanden.

Wir werden damit faktisch in unserem Einspruchsrecht stark eingeschränkt, denn es macht selbstverständlich einen Unterschied, ob wir 19 einzelne Gesetzesbeschlüsse zu beraten und zu behandeln haben oder ob diese 19 in einem einzigen Paket zusammengefaßt sind, das wir eben nur als Ganzes beeinspruchen und zurückverweisen können. Wir sind daher häufig in der unangenehmen Situation, daß man 18 Gesetzesbeschlüssen durchaus zustimmen kann, aber einem davon nicht. Dann steht man vor der schwierigen Situation der Güterabwägung, wie man sich im konkreten Fall verhalten soll.

In solchen Fällen wäre es sachgerecht – insbesondere wenn diese Technik überhandnimmt –, daß man sich wieder auf diesen Vorschlag besinnt und sagt: Es wäre sachgerecht, wenn ein Gesetzesbeschluß schon in mehrere Gesetzesbeschlüsse geteilt ist, damit man in diesem Fall auch einzelne Teile beeinspruchen könnte.

Herr Kollege Konečny hat schon darauf hingewiesen, daß man – auch bei allem, was ich vorhin hinsichtlich der Größe des kleinsten gemeinsamen Nenners gesagt habe – die Bedeutung dieses Schrittes nicht geringschätzen sollte. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Fortschritt, der unsere Rechte des Einspruches beziehungsweise der Zustimmungsversagung in der Praxis erst richtig handhabbar macht. Demgemäß ist auch die Erfahrung in Deutschland, wo der Bundesrat seinen wahren Einfluß ebenfalls nicht durch das Zustimmungsrecht gewinnt, sondern dadurch, daß er mit diesem Recht im Rücken – aber nicht ständig in der Hand – vorab entsprechende Gesichtspunkte der Länder, aber auch allgemeinerer Art einbringen kann.

Das ist ein Mangel, den wir bisher in unsere Arbeit hatten und der damit behoben werden sollte. Ich schließe mich der Hoffnung von Kollegen Konečny an, daß wir angesichts der einhelligen Zustimmung zu diesem Antrag wohl mit Fug und Recht davon ausgehen können, daß die Meinungsbildung im Nationalrat sich nicht in eine andere Richtung entwickeln wird.

Mit der Erwirkung eines Rechtes ist es selbstverständlich noch nicht getan. Wir haben bereits jetzt im Rahmen der Verfassungsrechtsordnung ein beachtliches Betätigungsfeld. Unsere Grenzen sind also nicht durch die Verfassungsordnung, sondern im wesentlichen durch die Verfassungswirklichkeit gesetzt. Das ist ein Spannungsverhältnis, das auch an unserem Hause nicht spurlos vorbeigeht.

Ich möchte zum Schluß kommen und an etwas anknüpfen, das Erich Kästner einmal so treffend gesagt hat: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

17.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

17.26

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Namens meiner Fraktion, der freiheitlichen Fraktion, möchte auch ich mich bei Kollegen Pischl bedanken, besonders dahin gehend, daß ich im Rahmen eines relativ langen Beobachtungszeitraumes unter anderen auch an Kollegen Pischl feststellen konnte, daß


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nicht Stürmen und Drängen allein zum Ziel führt, sondern das kooperative Gespräch. Dafür, Herr Kollege, darf ich Ihnen persönlich und – wie ich annehme – auch namens meiner Fraktion recht herzlich danken. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft, daß Sie, ohne es nach außen hin zum Ausdruck zu bringen, weiterhin so erzieherisch in ihrem "neuen" alten Beruf wirken können. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Die Debattenbeiträge zum Tagesordnungspunkt 6 von meinem Freund Gerstl, von Herrn Pischl, von Klubobmann Bieringer, von meinem Fraktionsfreund und Freund Dr. Böhm und von Frau Haselbach haben ebenso etwas in mir wachsen lassen. Kollege Konečny hat es bereits zum Ausdruck gebracht, daß der Dialog, das Miteinander-sprechen-Wollen – die Betonung liegt auf "Wollen" – eigentlich der günstigere und bessere Weg zum Erfolg ist, weil sich letztlich keiner irgendwo in eine Ecke gedrängt fühlt. Wir wollen das berücksichtigen, und ich bitte Sie, die anderen Damen und Herren des Bundesrates, das auch zu tun.

Zur Initiative selbst möchte ich sagen, daß ich es ebenso wie mehrere Vorredner sehe: Es ist nicht der gewaltige Schritt, aber es ist ein Ansatz, ein – das ist besonders wichtig – gemeinsamer Ansatz, daß dem Bundesrat im Rahmen der Bundesgesetzgebung schon im Vorverfahren die Möglichkeit eingeräumt werden soll, politische Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen abzugeben. Dadurch erfährt der Bundesrat eine verstärkte Einwirkung auf das Gesetzgebungsverfahren in seiner Gesamtheit. Sofern wir das nutzen, meine Damen und Herren, erfährt der Bundesrat dadurch auch eine Aufwertung seiner Bedeutung.

Selbstverständlich gibt es nicht immer nur klares Wasser und gut vergorenen Wein. Auch in diesem Fall ist ein kleiner Wermutstropfen dabei. In den vorliegenden Erläuterungen heißt es: Dabei ist jedoch zu beachten, daß er – der Bundesrat, der Ausschuß – dieses Recht nur solange ausüben kann, solange die Beratungen im Nationalrat noch andauern.

Das ist an und für sich eine klare Feststellung, denn wenn eine Vorlage im Nationalrat beschlossen wird, kommt sie soundso in den Bundesrat. Aber es könnte dabei zu zeitlichen Pressionen kommen. Diese zeitlichen Pressionen – ich erwähnte sie jetzt nur – sollten letztlich nicht dazu führen, dieses Recht, das erst vom Nationalrat beschlossen werden muß, einzuschränken.

Etwas sehr Bedeutendes ist meiner Ansicht nach in dieser Initiative vorhanden. Die Oppositionsparteien, die Minderheiten im Parlament ringen um Minderheitsberichte im Bereich der Ausschüsse, hier in diesem Bereich – dafür an die Antragsteller ein Dankeschön. Hier ist etwas enthalten: Über die gewöhnliche Art der Einberufung eines Ausschusses hinaus wird einer Minderheit von einem Viertel der Mitglieder eines Ausschusses das Recht eingeräumt, die Einberufung eines Ausschusses zur Fassung von Stellungnahmen innerhalb von acht Tagen zu verlangen. Diesem Verlangen hat der Vorsitzende zu entsprechen.

Danke sehr! Das ist tatsächlich ein Recht, wie es auch einer Minderheit zukommen sollte – und wenn es nur eine Minderheit von Bundesrätinnen und Bundesräten wäre.

Diese Initiative berechtigt mich aber auch zu der Hoffnung, daß die Idee der Reform des Bundesrates neue Schubkraft erhält. Bedenken Sie – ich möchte jetzt nicht in meinen normalen Gesprächston hineinkommen, jedoch Sie bitten –: Seinerzeit wurde über das "Perchtoldsdorfer Paktum" gesprochen, das unterschrieben und besiegelt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Das "Perchtoldsdorfer Paktum" vom Oktober 1992 ist leider nie in Kraft getreten. Ich erinnere jetzt nicht daran, wie oft hier beschworen wurde, daß, wenn dieses nicht erfüllt wird, wir dieser oder jener Materie, die den Bundesrat zu passieren hat – seien es auch Begleitgesetze zur EU gewesen –, nicht unsere Zustimmung geben wollen.

Aber man erfährt hier doch Neues, wenn etwa der Klubobmann – ich sage das durchaus mit Achtung – der sozialdemokratischen Fraktion im Nationalrat sagt, man sollte neuen Anlauf nehmen, sieben große Gruppierungen hernehmen und auch die Bereiche des Föderalismus überdenken. Vielleicht setzt sich dieses Denken bis zu uns hierher durch, und es entsteht wieder eine gemeinsame Initiative.


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Ohne irgendwie mahnen zu wollen: Wir haben genug gesprochen, und ich denke, diese gemeinsame Initiative könnte ein weiterer Weg sein, daß wir zu einem verbesserten und erhöhten Reformwerk für den Bundesrat an und für sich und für die Bedeutung dieses Gremiums kommen. Das verbinde ich mit dem vorliegenden Antrag.

Ich danke nochmals den Antragstellern für diese Initiative und darf sagen, daß meine Fraktion dem selbstverständlich zustimmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

17.34

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum gegenständlichen Antrag hat mein Fraktionskollege Vizepräsident Jürgen Weiss bereits gesprochen. Daß ich mich zu Wort melde, hat den Grund, daß ich als Fraktionsobmann der Österreichischen Volkspartei einem langjährigen Weggefährten und Freund meinen Respekt, meine Hochachtung und meine größte Wertschätzung bekunden möchte.

Ich mache das sehr gerne, weil Karl Pischl, ein unheimlich "starker" Freund und ein unheimlich geschätzter Mitarbeiter der ÖVP-Fraktion – dabei nehme ich mir die Freiheit heraus, dies im Namen der gesamten ÖVP-Fraktion zu sagen –, dem Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei wertvollste Dienste erwiesen hat.

Karl Pischl war von 24. 11. 1972 bis 4. 6. 1979 Mitglied des Bundesrates. Er war von 1979 an, nach dem Ausscheiden aus dem Bundesrat, Abgeordneter zum Nationalrat und hatte diese Funktion bis November 1990 inne. Von 5. 4. 1994 bis 30. 11. 1997 war er wiederum Mitglied des Bundesrates.

In seiner bescheidenen Art hat Karl Pischl immer nur zugearbeitet und ist jedem Kollegen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Er war lange Jahre Verkehrssprecher der Österreichischen Volkspartei und hat gerade in dieser schwierigen Materie sehr viel geleistet und auch sehr viel eingebracht. Auch dafür darf ich dir, lieber Freund Karl, sehr herzlich danken.

Dein sehnlichster Wunsch, eine Familienförderung, die auch familiengerecht ist, im Bundesland Tirol einzuführen, ist in Erfüllung gegangen. Mit deiner Geradlinigkeit hast du gesagt: Ich will, daß diese Familienförderung 100prozentig greift, daher bedarf es meines 100prozentigen Einsatzes. Das war auch der Grund dafür, daß du dein Mandat zur Verfügung gestellt hast. Dies ist eine hervorragende Tat, die man nicht genug unterstreichen kann, und sie zeigt einmal mehr deinen hohen Charakter und deine hervorragenden Eigenschaften.

Ich danke dir daher im Namen der ÖVP-Fraktion und im eigenen Namen sehr herzlich für alles, was du für uns, für das Land Tirol und für diese Republik geleistet hast. Wir alle wissen das und werden es auch in Hinkunft zu schätzen wissen. Ich werde noch Gelegenheit haben, dich im Rahmen einer Fraktionsveranstaltung zu verabschieden. – Herzlichen Dank, Karl Pischl! (Allgemeiner Beifall.)

17.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich auch von hier aus die Gelegenheit wahrnehme, Herrn Kollegen Pischl für alles, was er in diesem Hause geleistet hat, sehr herzlich zu danken und ihm sehr herzlich alles Gute für die Zukunft zu wünschen. Ich hoffe, daß wir ihn bei vielen Gelegenheiten immer wieder sehen werden und daß der Bundesrat auch von Zeit zu Zeit seinen guten Rat bekommen kann. Alles Gute, Herr Kollege! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus ihre Zustimmung geben, den gegenständlichen Gesetzesvorschlag gemäß Artikel 41 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterbreiten, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus ist somit angenommen.

9. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny und Kollegen betreffend die "Agenda 2000" (102/A(E)-BR/97 und 5568/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny und Kollegen betreffend die "Agenda 2000".

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Kaufmann übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Kurt Kaufmann: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Die Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konečny und Genossen haben am 17. November 1997 einen Entschließungsantrag betreffend die "Agenda 2000" eingebracht und damit begründet, daß die Europäische Kommission im Rahmen der "Agenda 2000" ihre Vorschläge und Perspektiven für die weitere Entwicklung der Europäischen Union und ihrer zentralen Politikbereiche präsentiert hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die unterzeichneten Bundesräte betrachten die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Mittel- und Osteuropa als eine Chance, die in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht bestehende Spaltung Europas zu überwinden.

Meine Damen und Herren! Es liegt Ihnen der Bericht des Ausschusses vor, sodaß ich nur den Antrag zu stellen brauche.

Am 18. 11. wurde dieser Entschließungsantrag im Verfassungsausschuß behandelt und mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, die beigedruckte Entschließung anzunehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Ich halte fest, daß der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus den Antrag gestellt hat, der Bundesrat möge die beigedruckte, Ihnen bekannte Entschließung annehmen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

17.41

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die "Agenda 2000", ein von der EU-Kommission vorgelegtes Dokument, behandelt die Fragen des künftigen Finanzrahmens und des Finanzierungssystems der Union für den Zeitraum 2002 bis 2006 unter Berücksichtigung der EU-Osterweiterung.


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Die Osterweiterung spielt eine wesentliche, wenn nicht eine zentrale Rolle in dieser "Agenda 2000". Man muß auch festhalten, daß es sich um Beitrittskandidaten handelt, die ausnahmslos zukünftige Nettoempfänger sind.

Die "Agenda 2000" wird unter folgenden Hintergründen präsentiert:

Erstens: Die Arbeitslosigkeit ist in den 15 EU-Mitgliedstaaten mit 18 Millionen Arbeitslosen unannehmbar hoch. Dennoch ist die Tendenz weiterhin steigend. Ich zitiere Jean-Claude Juncker zum Beschäftigungskapitel: Es handelt sich um Worthülsen, und alle bisherigen Beschäftigungsgipfel haben nichts gebracht.

Zweitens werden zu hohe Erwartungshaltungen an die EU-Strukturfonds gerichtet. Diesbezüglich zitiere ich Herrn Bernhard Friedmann, den Präsidenten des Europäischen Rechnungshofs, der folgendes sagt: Mit Mitteln des Strukturfonds hätten seit 1989 etwa 6 Millionen Arbeitsplätze entstehen müssen. – Allerdings kann der Herr Präsident diese 6 Millionen Arbeitsplätze nirgends finden.

Drittens: Sparpakete in Verbindung mit fiskalpolitischen Kunstgriffen, wie zum Beispiel die Eurosteuer in Italien, die Goldverkäufe in Belgien und große Einschnitte bei Sozialleistungen in ganz Europa zur Erreichung der Konvergenzkriterien dokumentieren die finanziellen Engpässe der nationalen Haushalte von zumindest 14 der EU-Mitgliedstaaten.

Deutschland verlangt eine faire Lastenverteilung in Europa und will künftig seine Zahlungen an Brüssel reduziert haben. Das ist einem Bericht aus dem "Spiegel" 31/1997 zu entnehmen.

Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner gibt folgendes zu – das entnehme ich der "Presse" vom 2. 8. 1997 –: Beim deutschen Weg, netto weniger zahlen zu wollen, werde ich mich gerne anschließen.

Anders hingegen spricht unser Finanzminister Edlinger, der eine Herabsetzung der EU-Mitgliedsbeiträge für völlig unrealistisch hält – das habe ich dem "Kurier" vom 31. 7. 1997 entnommen –, aber Luxemburg und Dänemark, die das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der 15 EU-Mitgliedstaaten haben, sind Nettoempfänger. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Als vierten Punkt möchte ich festhalten: Vier Jahre, nachdem der Binnenmarkt offiziell gegründet wurde, ist er erst zu 50 Prozent komplett. Nur 65 Prozent, meine Damen und Herren, der bereits bestehenden Gesetze wurden bisher auch in allen Mitgliedstaaten umgesetzt. Die Steuerharmonisierung – eine wesentliche Voraussetzung, damit die Funktionsfähigkeit des gemeinsamen Marktes überhaupt funktioniert – ist weiterhin ausständig.

Der Amsterdamer Vertrag hat keine Antwort auf die Institutionsfrage gebracht, obwohl gerade dies der Mittelpunkt der Reform und die primäre Zielsetzung dieser Regierungskonferenz gewesen wäre.

Und als sechsten und letzten Punkt möchte ich anführen: Die geplante EU-Osterweiterung wird die Bevölkerung um mehr als ein Viertel, das heißt, auf nahezu 500 Millionen anwachsen lassen; jedoch beachten Sie bitte folgendes: Das gesamte Bruttoinlandsprodukt wird jedoch nur um knapp 5 Prozent wachsen.

Die "Agenda 2000" sieht weiterhin vor, daß die bisherige Eigenmittelobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht überschritten wird. Festzuhalten ist jedoch, daß der Haushalt der EU in den letzten Jahren hinter den Ausgabenfonds zurückgeblieben ist, daß, gemessen an den tatsächlichen Zahlungen – 1997 waren es 1,17 Prozent des Bruttosozialproduktes –, die finanzielle Vorschau nur 1,23 Prozent betrug. Demnach bedeutet dies eine beabsichtigte zukünftige Ausschöpfung des Ausgabenplafonds, eigentlich eine reale Beitragserhöhung.

Was dies für Österreich konkret bedeutet, wurde bisher nur spekulativ in den Raum gestellt. Und da möchte ich den sozialdemokratischen Abgeordneten Herbert Bösch zitieren, der meint: Österreich müßte jährlich 8 Milliarden Schilling mehr zahlen.


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Abgeordneter Bösch führt folgende Faktoren dieser Mehrbelastung an: Mit der Erweiterung soll der Finanzrahmen des EU-Budgets voll ausgeschöpft werden. Das heißt, Österreich müßte 3 bis 4 Milliarden Schilling pro Jahr mehr ins EU-Budget einzahlen als bisher. Budgetrückflüsse von unverbrauchten EU-Geldern können nicht mehr erfolgen.

Als weiteren Punkt führt Kollege Bösch an: Die geplante Reform des Strukturfonds führt dazu, daß die Österreicher um ein Drittel weniger Transferleistungen zu bekommen haben, was zirka 3 Milliarden Schilling weniger ausmacht.

Fritz Breuss prognostiziert eine zusätzliche Belastung für Österreich von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das wären weitere 2,5 bis 3 Milliarden Schilling jährlich.

Der sozialdemokratische Nationalratskollege Cap hat am 12. November 1997 im Plenum des Nationalrates – er gehört nämlich zu den Skeptikern – folgendes gemeint betreffend die Frage der EU-Osterweiterung, und zwar nicht, weil er auch – wie wir – nicht will, daß es zu einer ökonomischen und politischen Integration der Oststaaten kommt, sondern weil er Angst hat – wie wir auch –, daß alles zu schnell geht.

Auch die Konsequenzen dieser Osterweiterung müßten laut Kollegen Cap diskutiert werden. Selbstverständlich werde es sich auswirken, sagt auch Herr Cap im Nationalrat, auf Österreich, da wir uns in einer Nettozahlerposition befinden. Er sagt wörtlich: Auch die betroffenen Länder sollten bedenken, welche Konsequenzen es für die industrielle und wirtschaftliche Infrastruktur hat, wenn die Erweiterung zu schnell vor sich gehen wird.

Die sozialen und ökologischen Niveaus sind, wie wir alle wissen, nicht ausgeglichen.

Ich möchte noch aus einer Arbeiterkammerstudie zitieren, die folgende Berechnungen anstellt, was mich persönlich wirklich sehr interessiert hat: Der Ost-Lebensstandard steigt langsamer als angenommen. Berechnungen der Arbeiterkammer zeigen, daß sich das Wirtschaftswachstum in den beitrittswilligen Ostländern langsamer entwickelt als angenommen.

Eine Fortrechnung der Entwicklung der letzten vier Jahre ergibt, daß die Oststaaten in mehr als 30 Jahren erst die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf erreichen werden. Unter der günstigen Annahme, daß die Nachbarstaaten ein jährliches Wirtschaftswachstum von 6 Prozent und Österreich von 2 Prozent haben, wäre es in jedem Fall so, daß erst sehr lange nach dem angepeilten Beitritt im Jahre 2002 ein Lebensstandard erreicht würde, der halb so hoch wie der österreichische ist.

Dies würde aber eine Gefahr für den österreichischen Arbeitsmarkt bedeuten, da die Anreise für Hunderttausende Arbeitspendler in die Grenzregion bestünde. – Das zitiere ich aus der Arbeiterkammerstudie von Herrn Tumpel.

Portugal, Griechenland und Spanien hatten zum Zeitpunkt ihres Beitritts ein durchschnittlicher Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 46 Prozent des europäischen Durchschnitts. Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei, meine Damen und Herren, erreichen erst laut der Arbeiterkammerstudie in mehr als 30 Jahren die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandsproduktes, Slowenien erst innerhalb von zehn Jahren nach dem Beitritt von 2002.

Wir Freiheitlichen bringen aus all diesen und noch vielen anderen Überlegungen folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird, um die Europäische Union überhaupt erweiterungsfähig zu machen, ersucht, in den zuständigen Organen und Gremien der EU entsprechende Initiativen zu ergreifen und in Österreich vor einer allfälligen EU-Erweiterung konkrete Maßnahmen zu setzen, und zwar:


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Sicherung und Schaffung der Arbeitsplätze durch Maßnahmen wie: entscheidende abgabenrechtliche Entlastung des Faktors Arbeit; Erweiterung der Möglichkeiten für flexiblere Formen bei Arbeitsverträgen unter Wahrung des sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schutzes; Beseitigung von Hemmnissen und Schaffung von Anreizen für Fortbildungsmaßnahmen von Arbeitnehmern; attraktivere Ausgestaltung der Lehre zur Ausbildung von Jugendlichen; Bekämpfung der Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit durch möglichst rasch einsetzende Ausbildung; Umschulung oder andere die Beschäftigungsfähigkeit fördernde Maßnahmen; Verbesserung der Chancengleichheit für Frauen beim Zugang zum Arbeitsmarkt; ein Zurückdrängen passiver Leistungen bei Arbeitslosigkeit zugunsten aktiver Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen

Stärkung der Wirtschaftskraft Österreichs durch Maßnahmen wie: Erleichterung der Gründung und Führung von kleineren und mittleren Unternehmen durch klare, dauerhafte und berechenbare Vorschriften sowie Abbau bürokratischer Hemmnisse; aufkommensneutrale Steuerreform, die die Arbeitskosten und die nichtentnommenen Gewinne entlastet; rasche Anhebung der Ausgaben für Forschung und technologische Entwicklung; Beseitigung der kalten Progression

Spezifische Instrumente und Maßnahmen zur Unterstützung der österreichischen Grenzgebiete zu den MOE-Ländern

Tatsächliche Verwirklichung und volle Umsetzung des Binnenmarktes

Langfristige Harmonisierung der Steuersysteme, insbesondere der Umsatz- und Verbrauchssteuern

Generelle Reformen des bestehenden Rechtsbestandes (klare Definition der Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten) sowie der Strukturen und Mechanismen der Union, um neue Formen der Integration zu entwickeln, zumal kosmetische Änderungen der Kompetenzverteilung oder die Beschlußquoren in den Unionsorganen neuen Herausforderungen nicht gerecht werden können

Tatsächliche Verwirklichung und Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips als Erforderlichkeitsprinzip, um die Interessen der Regionen zu stärken und zentralistischen Tendenzen entgegenzuwirken

Reduktion der österreichischen Nettozahlungen an die Europäische Union

Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union durch Rückführung der Kompetenzen an die Mitgliedstaaten (Renationalisierung der GAP)

Reform der Struktur- und Kohäsionsfonds der Europäischen Union mit der verbindlichen Verpflichtung, daß die Mittel aus diesen Fonds ausschließlich für Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen verwendet werden

Verbesserung der Instrumentarien zur Bekämpfung des Betrugs und der Korruption in der Europäischen Union

Verschiebung des Beginns der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion."

*****

Meine Damen und Herren! Wir laden Sie recht herzlich ein, sich nach genauem Durchlesen vielleicht unserem Entschließungsantrag anzuschließen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.54

Präsident Dr. Günther Hummer: Der von den Bundesräten Ramsbacher und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.


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Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Karl Drochter das Wort. – Bitte.

17.54

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, daß die "Agenda 2000" ein Situations- und Zustandsbericht ist, der wichtig ist, um die Verhandlungen mit unseren Nachbarländern in Ost- und Mitteleuropa beginnen zu können. Die "Agenda 2000" stellt die Empfehlung der Europäischen Kommission zu einer Erweiterung der EU um die ehemaligen osteuropäischen Nachbarländer sowie den daraus folgenden Reformen in der EU-Politik dar. Diese Formulierung zeigt schon, daß Handlungsbedarf gegeben ist – auf nationaler und auch europäischer Ebene.

Die Analyseergebnisse basieren auf recht detaillierten Beschreibungen der politischen und wirtschaftlichen Lage in den Reformstaaten, einer Bewertung des Niveaus der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes und der Beurteilung der jetzigen Fähigkeiten der Beitrittsländer, diese auch in der Folge umzusetzen. Ich begrüße daher grundsätzlich eine weitere Integration der mitteleuropäischen Länder in die EU als wesentlichen Beitrag zu einem friedlichen und stabilitätsorientierten Europa, das wiederum die Basis für einen europäischen Sozialraum darstellen wird.

Auch bei einer positiven Beurteilung einer Erweiterung dürfen die Probleme und die Anpassungsschwierigkeiten, die sich aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsniveaus der Beitrittskandidaten und der Mitgliedstaaten ergeben, nicht unterschätzt werden. Aufgrund der geographischen, kulturellen und historischen Nähe ist Österreichs Betroffenheit von einer Erweiterung besonders groß. Der gesamte heimische Arbeitsmarkt ist betroffen, besonders jedoch die Grenzregionen in Oberösterreich, Niederösterreich, dem Burgenland und auch der Steiermark. Ebenso wirken sich die bestehenden Niveauunterschiede zwischen Sozial- und Umweltstandards in den benachbarten Regionen stärker auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit aus.

Ich habe eingangs schon gesagt, daß es sich um einen Befund, um einen Situationsbericht, handelt. Ich möchte daher nicht darauf verzichten, auch den einen oder anderen kritischen Punkt anzumerken. So bleiben in der "Agenda 2000" die Folgen einer Erweiterung für die einzelnen Mitgliedstaaten in der Gesamtdarstellung völlig unbeleuchtet. Die finanzielle Machbarkeit der "Agenda 2000" ist auf der ihr zugrunde liegenden Wachstumsprognose mit äußerster Vorsicht zu beurteilen. Die Nettozahlerposition Österreichs würde sich sowohl durch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ausnutzung der vorgesehenen Eigenmittelobergrenze als auch aufgrund der zu erwartenden geringeren Rückflüsse aus den Strukturfondsmitteln erheblich schwieriger gestalten. Schon aufgrund dieser grundsätzlichen Kritik an der Stellungnahme der EU-Kommission sehen wir einen erheblichen Handlungsbedarf für unsere Regierung, aber auch für die EU selbst.

Nun einige Anmerkungen zur sozialen Dimension der Osterweiterung. Ich bin grundsätzlich der Meinung, daß diese soziale Dimension eine vorrangige Rolle zu spielen hat. Die Einführung des europäischen Sozialmodells muß die Grundlage jeder Heranführungsstrategie der Beitrittsländer bilden. Ich habe schon am Montag im Ausschuß gesagt, daß ich der Meinung bin, daß neben den Kopenhagener Kriterien – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit – noch ein zusätzliches soziales Kriterium in die Prüfung der Beitrittsfähigkeit dieser Länder Eintritt finden muß, da es nach meinem Dafürhalten unverzichtbar ist.

Die Übernahme der sozialen Mindeststandards der EU stellt die absolute Mindestanforderung an die Beitrittskandidaten dar.

Die Kommission soll als Grundlage für die Erweiterungsdiskussion ein Weißbuch zur sozialen Lage und zur Sozialpolitik der Beitrittskandidaten erarbeiten. Auch das ist, wie ich meine, eine berechtigte Forderung.

Einige Anmerkungen zur Einführung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und zur Beschäftigungspolitik: Die Einführung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darf keine negativen Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt haben. Freizügigkeit ist nur bei einer relativen Angleichung des Lohnniveaus und Aufbau vergleichbarer sozialer Schutzniveaus zwischen den


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Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern denkbar. Schon allein aus diesem Grunde ist in der ersten Phase des Beitrittes der Länder Ost- und Mitteleuropas die Einführung der Freizügigkeit bei uns auszuschließen.

In der Folge soll eine schrittweise und flexible Einräumung der Freizügigkeit ermöglicht werden. Hiezu sind objektive Kriterien festzulegen, die im Rahmen eines regelmäßigen Verfahrens überprüfbar sein sollen. Es ist sicher notwendig, für manche Grenzregionen Österreichs regionale Schutzklauseln für gefährdete Branchen vorzusehen. Ich trete auch für die Einbindung der Beitrittsländer in die Ausarbeitung einer gemeinschaftlichen Beschäftigungsstrategie ein. Finanzielle Hilfen sind im Rahmen der Heranführungsphase zu gewähren. Sie sind in erster Linie für die Schaffung und Stabilisierung von Arbeitsplätzen einzusetzen.

Wir müssen davon ausgehen, daß in den Ländern Mittel- und Osteuropas der soziale Dialog nicht so funktioniert wie in den Ländern, die bereits Mitglied der Europäischen Union sind. Der soziale Dialog ist die Gesprächsfähigkeit zwischen Regierung, Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Diese Dialogfähigkeit braucht vor allem faktisch handlungsfähige, rechtlich abgesicherte und unabhängige Interessenvertretungen. Diese sind eine Voraussetzung für die Teilnahme am europäischen Dialog und müssen daher auch von den Ländern Mittel- und Osteuropas für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewährleistet sein. Sie sind es derzeit noch nicht.

Es soll aber auch darauf gedrängt werden, daß die Regierungen der Beitrittsländer die Sozialpartner in ihre Politiken, Maßnahmen und vor allem in ihre Informationstätigkeiten im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Beitritt oder den bevorstehenden Verhandlungen einbeziehen.

Man sollte sich auch mit der Konsumentenpolitik auseinandersetzen. Es entsteht die Gefahr, daß es zu einer Stimmenverschiebung in Richtung niedrige Konsumentenschutzniveaus kommt, wodurch ich das hohe Niveau, das wir in Österreich so gerne für uns in Anspruch nehmen, gefährdet sehe. Es dürfen auch nicht allzu lange Übergangsfristen vereinbart werden, weil das sicherlich auch für Österreich von besonderer Bedeutung ist.

Es ist auch angebracht, einige Anmerkungen zur Umweltpolitik zu machen. Übergangsfristen bei der Übernahme vom EU-Recht im Umweltbereich müssen so kurz wie möglich gehalten werden.

In der eingebrachten Entschließung wird die Umweltpolitik nur mit einem Wort erwähnt, und zwar in Punkt fünf in der letzten Zeile. Ich erlaube mir, hier kritisch anzumerken – auch zu der Entschließung, zu der ich stehe –, daß dieser Hinweis zu wenig ist, weil ich der Meinung bin, daß der Umweltpolitik in Europa eine viel größere Bedeutung beigemessen werden muß und daß Umweltverschmutzung keine Grenzen kennt, weder in der Luft noch zu Wasser. Daher muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Umweltpolitik auch in Zukunft eine größere Bedeutung beigemessen werden muß, auch in den Ländern Ost- und Mitteleuropas. Besonders die Kfz-Emissionen in den Beitrittsländern sind an das europäische Niveau anzugleichen.

Auch einige Anmerkungen zur Energiepolitik: All diese Nachbarländer haben Atomkraftwerke. Sie sind nicht auf dem letzten technischen Stand. Es müssen daher diese Länder angehalten werden, Investitionen mit europäischer, internationaler Unterstützung zu tätigen, um ihren Sicherheitsstandard zu erhöhen.

Wenn man sich mit der Erweiterung der EU auseinandersetzt, muß man sich auch mit der Verkehrspolitik beschäftigen. Ich bin in einer östlichen Region Österreichs zu Hause und stelle seit Jahren fest, daß der Straßengütertransitverkehr aus dem Osten täglich stärker wird. Daher ist die Beibehaltung der Kontingentierung beziehungsweise die Einbeziehung der ost- und mitteleuropäischen Länder in das Öko-Punkte-System erforderlich. Förderungsmittel der Europäischen Union sollten vorrangig in die Schienen- und Binnenwasserinfrastruktur sowie in den Kombinierten Verkehr investiert werden.

Auch einige Anmerkungen zur Industriepolitik und Nahrungsmittelindustrie. In der Zeit vor dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder sind weitere einseitige Zugeständnisse im Be


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reich der landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte von entsprechenden Gegenleistungen – Marktöffnung für diese Waren auch in den Beitrittsländern – abhängig zu machen.

Wir haben in unserer Entschließung sehr großes Augenmerk auf den letzten Punkt gelegt – ich möchte das auch unterstützen, um nicht mißverstanden zu werden –, nämlich auf die Sicherung der Arbeitsplätze auf dem Bauernhof. Ich meine aber, daß ebendiese Sicherheit auch jenen Kolleginnen und Kollegen zu gewähren ist, die in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie beschäftigt sind. Ich glaube, wir sollten nicht solche Unterschiede machen, weil sie zu viel Unmut und Mißverständnissen führen könnten.

Es seien mir noch einige Anmerkungen zur Struktur- und Regionalpolitik erlaubt. Ich glaube, daß eine besondere Förderung für jene österreichischen Regionen vorzusehen ist, deren Entfernung weniger als 100 Kilometer zu einem der neu beitretenden Länder ist. Dies sollte nicht als Kritik, sondern als Wunsch aufgefaßt werden. Es sollte ein österreichisches und ein EU-Programm sein.

Falls in anderen Nettozahlerstaaten Ziel-1-Gebiete erhalten bleiben, darf auch dem Burgenland dieses nicht aberkannt werden. Das muß eine ganz konkrete Forderung sein.

Eine grundlegende Reform der gegenwärtigen Ziel-1-Länder- und Kohäsionsstaatenförderung in Richtung einer nachhaltigen ökologischen und beschäftigungspolitischen Entwicklung ist unbedingt erforderlich.

Auch als Nichtbauer erlaube ich mir, zur Agrarpolitik die eine oder andere Anmerkung zu machen. Kollege Waldhäusl! Die Nettozahlerposition Österreichs verschlechtert sich aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik auch ohne Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa. Wir schlagen daher eine Senkung der Agrarleitlinie vor. Ganz besonders sollten Förderungsmittel für Arbeitsplatzmaßnahmen im ländlichen Bereich eingesetzt werden. (Bundesrat Waldhäusl: Steht das auch im Antrag?) – Das steht in der "Agenda 2000", Kollege Waldhäusl! Ich will nicht den Dialog mit Ihnen führen und Sie fragen, ob Sie die "Agenda 2000" kennen. Wenn Sie sie haben wollen, stelle ich sie Ihnen gerne zur Verfügung. (Bundesrat Waldhäusl: Ihr habt einen Entschließungsantrag eingebracht!) Herr Kollege! Ich spreche zur "Agenda 2000", das ist der Entschließungsantrag. Sie könnten ihn lesen, es steht in den ersten drei Zeilen. Ich gehe davon aus, daß Sie des Lesens mächtig sind.

Einzelne Mitgliedsstaaten müßten daher entsprechend ihrem ausgewiesenen Bruttoinlandsprodukt, wie zum Beispiel Dänemark, sowie unter Berücksichtigung ihres realen Bruttoinlandsproduktes – informeller Sektor, zum Beispiel Italien – stärker zur Finanzierung herangezogen werden.

Durch größere Umschichtungen im EU-Haushalt – Agrarbudget, Eindämmung der betrieblichen Förderlizitation, Reduktion der Förderung für Straßenbau, Vereinfachung der Prozeduren – müßten mehr Mittel für beschäftigungswirksame Maßnahmen freiwerden.

Es sei mir erlaubt, auf eine ganz gefährliche Tendenz in den Mitgliedsstaaten, aber auch in den Beitrittsländern hinzuweisen. Im Bereich der direkten Steuern werden sogenannte Steueroasen errichtet, um sich so erhebliche Vorteile im ohnehin scharfen Standortwettbewerb zu verschaffen. Ich glaube, diese müßten unterbunden werden.

Ich habe mir erlaubt, zur gemeinsamen Entschließung von SPÖ und ÖVP einige kritische Anmerkungen zu machen. Ich konnte den Ausführungen von Kollegin Ramsbacher von der Freiheitlichen Partei nur lauschen. Mir liegt ihr Entschließungsantrag schriftlich nicht vor.

Ich habe aber die dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei, die gestern im Nationalrat behandelt worden ist, zur Hand genommen. Viele Punkte aus der dringlichen Anfrage sind auch im Entschließungsantrag enthalten. Ich muß auch darauf hinweisen, daß die Bundesräte der FPÖ eine gute Abschreibübung gemacht haben, indem sie Stellungnahmen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Bundesarbeitskammer kopiert haben. Dies sind die wertvolleren Teile Ihrer Entschließung, die auch zu realisieren sind.


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Wir Sozialdemokraten werden natürlich dieser unsere gemeinsamen Entschließung die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.16

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Johann Penz. Ich erteile es ihm.

18.16

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Goethe-Institutes sagte: "Stellen wir uns ein Europa vor, das seine Chancen nutzt, um glaubhafte und perspektivische Lösungen für seine hausgemachten Probleme zu entwickeln. Wenn es den Menschen der Prosperitätsinsel Erde nicht gelingt, ihren Wohlstand für Chancen der befriedigten Existenz zu nutzen – wer sonst hat eine Chance dazu?"

Bewußt möchte ich dieses Diktum von Hilmar Hoffmann an den Beginn meiner Ausführungen stellen, weil es die enorme Herausforderung, die historische Verpflichtung und die einmalige Chance, der wir uns an der Jahrtausendwende gegenüber sehen, treffend charakterisiert.

Heute dürfen wir, und zwar mit berechtigtem Selbstbewußtsein, darauf verweisen, daß unsere österreichische Entscheidung, der Europäischen Union beizutreten, richtig und weitblickend war. Wir sind in einer Phase zur Europäischen Union gestoßen, die von ungeheurer Dynamik, aber auch von umsichtigem Gestaltungswillen unsererseits gefordert wird.

In dieser entscheidenden Phase für die Zukunft Europas sitzen wir nicht auf der Zuschauergalerie und müssen Entwicklungen mitverfolgen, sondern wir sind Mitakteure des Geschehens auf der Bühne, haben – um bei diesem Bild zu bleiben – Anteil am Drehbuch, an der Regie und auch an der Umsetzung. Nicht über unsere Köpfe hinweg wird entschieden, sondern aufgrund unserer Entscheidungen wird das Europa der Zukunft gebaut. Das ist wahrlich eine große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.

So wie dieser Bundesrat auch schon in der Vergangenheit wegweisende Initiativen zur Europäischen Integration gesetzt hat, soll auch der heutige Entschließungsantrag parlamentarisch den Rahmen abstecken, der die österreichische Bundesregierung als Bundesstaat und die österreichische Position im bevorstehenden Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß leiten soll.

Bei den am 16. Juli 1997 dem Europäischen Parlament vor der Kommission vorgelegten Entwicklungsperspektiven, also der "Agenda 2000", geht es vor dem Hintergrund der Beitrittsansuchen der mittel- und osteuropäischen Länder und dem bereits 1994 zugesagten Verhandlungsmandat für Zypern um eine dreifache Herausforderung: Wie können die Politikbereiche der Union so gestärkt und reformiert werden, daß die Erweiterung möglich und gleichzeitig Wachstum, mehr Beschäftigung und bessere Lebensbedingungen für die Bürger Europas geschaffen werden? Wie können die Beitrittsverhandlungen geführt und gleichzeitig die Beitrittskandidaten wirksam auf den Beitritt vorbereitet werden? Wie können die Erweiterung, die Vorbereitung auf die Erweiterung und der Ausbau der internen Politikbereiche der EU finanziert werden?

Diese Fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegen auf dem Tisch, dazu auch Analysen, aus denen die Kommission auch Antworten ableitet, wobei hinzugefügt werden muß, daß nicht alle vorliegenden Analysen zwingend und schlüssig sind und es daher nicht die eine Antwort schlechthin gibt. Die "Agenda 2000" ist eine Stellungnahme der Kommission, die jetzt eben in und durch den politischen Diskussionsprozeß, zu dem auch dieser Entschließungsantrag einen aktiven Beitrag leisten soll, zu den eingangs erwähnten glaubhaften und perspektivischen Lösungen entwickelt werden muß – glaubhaft und perspektivisch nicht nur für die Bürger der heutigen 15 Mitgliedstaaten der Union, die diesen Prozeß mittragen müssen, sondern auch für die Menschen jener Länder, deren Hoffnung Europa ist.


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Die Hoffnung Europa ist die Hoffnung, daß dieses Werk des Friedens durch den fortschreitenden Integrationsprozeß diesen Kontinent unumkehrbar und für immer von der Geißel der nationalen Auseinandersetzungen, auch der nationalen Kriege, befreit.

Dieser weitergehende Integrationsprozeß liegt gerade im Hinblick auf unsere geographische Einbettung auch im österreichischen Eigeninteresse, und das bestimmt auch die Position, die wir in dieser Entschließung zur Erweiterung bezogen haben.

Die Kriterien, die dafür gelten, sind seit vier Jahren als Latte gelegt. Zu den politischen Grundlagen zählen die demokratische und die rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschen- und Grundrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten. In wirtschaftlicher Hinsicht müssen wir die beitrittswilligen Staaten über eine funktionierende Marktwirtschaft hin entwickeln, die auch im innergemeinschaftlichen Wettbewerb bestehen kann. Drittens geht es um die Fähigkeit der Länder, alle Verpflichtungen aus dem EU-Vertrag und die darauf basierenden gemeinschaftlichen Vorschriften, also den Acquis Communautaire, nicht nur in nationales Recht umzusetzen, sondern diese auch in der Praxis anzuwenden.

Aus der Sicht der Kommission, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist durchaus eine Einschätzung mit Augenmaß –, erfüllt derzeit noch kein einziges beitrittswilliges Land alle wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Den Anforderungen am nächsten kommen – sieht man vom Sonderfall Zypern ab – Ungarn, die Tschechische Republik und Slowenien als drei Nachbarstaaten Österreichs sowie Polen und Estland, mit denen daher auch Beitrittsverhandlungen bei einer Erweiterungsrunde ins Auge gefaßt werden.

Nicht vom wirtschaftlichen Profil her, sondern hinsichtlich der politischen Kriterien hält die Kommission hingegen die Slowakei für noch nicht reif für eine Mitgliedschaft. Es läge aber ebenso im Interesse unseres Nachbarlandes wie im Interesse von gutnachbarschaftlichen Beziehungen, würden die Mängel hinsichtlich der politischen und institutionellen Stabilität behoben und hinsichtlich der Achtung von demokratischen Grundsätzen zweifelsfrei entkräftet, damit der für 1998 von der Kommission angekündigte Bericht zu einer positiven Einschätzung führen kann.

Mir scheint in diesem Zusammenhang ein Wort von Romano Guardini besonders empfehlens- und bedenkenswert, der sagte – ich zitiere –: "Europa ist vor allem eine Gesinnung." – Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben diese Länder, die Reformstaaten, in einem atemberaubenden Tempo und in einer Zeitspanne von nicht einmal einem Jahrzehnt – auch das soll einmal anerkennend zum Ausdruck gebracht werden – gewaltige Leistungen vollbracht. Man kann sie daher nicht mit Spanien und Portugal, wie es heute gemacht wurde, vergleichen. Daß eine derartige Phase nicht immer evolutionär verläuft, sondern solche Umwälzungen auch von Verwerfungen und Rückschlägen begleitet sind, zeigen auch die Entwicklungen und die Diskussionen dieser Tage in der Tschechischen Republik oder in Polen.

Für die potentiellen Beitrittskandidaten, aber auch für die Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Lettland und Litauen, denen die Tür zur Europäischen Union durch eine Partnerschaft für den Beitritt offen ist, kommt der intensivierten, aber behutsamen Heranführungsstrategie und den finanziellen Hilfen zur Vorbereitung auf einen Beitritt – in der ersten Phase wesentlich vom PHARE-Programm bestimmt und mit rund 300 Milliarden Schilling dotiert – auch eine sehr große Bedeutung zu.

Umgekehrt ist aber ebenso klar: Die von den Beitrittsländern geforderten Anstrengungen müssen hauptsächlich von ihnen selbst getragen werden. Das gilt, Herr Kollege Drochter, auch hinsichtlich der sozialen und der umweltpolitischen Mindeststandards, so wie wir das auch im Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht haben.

So unzweifelhaft sinnvoll und vorteilhaft eine Erweiterung für den Frieden, die Stabilität und die Prosperität in Europa sind, so wenig dürfen die sozialen Probleme, die regionalen Ungleichgewichte, die Herausforderungen für die industrielle und landwirtschaftliche Umstrukturierung, die damit sowohl für die derzeitigen Mitgliedstaaten wie auch für die Beitrittskandidaten verbunden sind, außer acht gelassen werden. Und elementar geht es auch um die sogenannten Erweiterungskosten.


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Aus österreichischer Sicht heißt das: Die Kosten einer Erweiterung müssen alle 15 Staaten solidarisch tragen. Nettozahler wie Österreich dürfen nicht weiter belastet werden. Wir müssen im Gegenteil bemüht sein, den möglichen Rückfluß aus der Europäischen Union maximal zu nutzen.

Auch aus niederösterreichischer Sicht freue ich mich deshalb nicht nur über die ÖPUL-Aufstockung in der Landwirtschaft, sondern auch darüber, daß Niederösterreich bei der Umsetzung der EU-Regionalförderungsprogramme eine Spitzenposition einnimmt: Bis Mitte 1997 wurden bereits 39,3 Prozent des Gesamtfördervolumens von 4,8 Milliarden Schilling der bis Ende 1999 laufenden beiden EU-Programme – nämlich Ziel 2 und Ziel 5b – in Anspruch genommen. Der Österreich-Durchschnitt liegt bei 36,8 Prozent, nur im Burgenland, das als Ziel-1-Gebiet eine Sonderstellung hat und auch einen Startvorteil bei der Programmumsetzung gehabt hat, liegt der derzeitige Ausschöpfungsgrad der vorgesehenen Fördergelder bei 43,9 Prozent, also wesentlich höher. Unter den sieben Ziel-2- beziehungsweise Ziel-5b-Bundesländern liegt jedoch Niederösterreich klar an der Spitze. Die anderen Bundesländer liegen zwischen 28,3 und 36,4 Prozent bei der Ausnützung dieser Fördergelder.

Mit einem Förderungsaufwand von 1 883 Millionen Schilling, davon 717 Millionen Schilling aus Strukturfondsmitteln der Europäischen Union und mehr als 1 Milliarde Schilling an nationalen Mitteln, wurden bis Mitte 1997 in den niederösterreichischen Zielgebieten insgesamt rund 2 400 Projekte unterstützt. Auf diese Weise wurden in den strukturschwächeren Landesteilen Investitionen in der Höhe von rund 9 Milliarden Schilling in Gang gesetzt.

Die geplante Osterweiterung, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf aber zu keiner Benachteiligung der heimischen Wirtschaft führen, was gezielter Übergangsregelungen und Übergangsfristen, etwa hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Dienstleistungsfreiheit oder der Gemeinsamen Agrarpolitik bedarf – mit dem erklärten Ziel, Wettbewerbsverzerrungen hintanzuhalten. Gleichzeitig sind zudem Programme und Initiativen zu fördern und zu forcieren, die auf grenzüberschreitende Entwicklungsgemeinschaften ausgerichtet sind.

Der Ansatz, die Zahl der Zielgebiete zu reduzieren und mit einer Vereinfachung der Verwaltungsabläufe zu kombinieren, ist grundsätzlich vernünftig, wenn dabei auch weiterhin den unterschiedlichen Problembereichen im städtischen und ländlichen Gebiet Rechnung getragen wird. Einen Grundsatz dabei möchte ich aber ebenso unterstreichen: Auch Nettozahler wie Österreich dürfen von der Europäischen Union eine vernünftige Beteiligung erwarten.

Deshalb ist eine massive Verringerung der Strukturfondsmittel, wie sie da und dort auch diskutiert wird, abzulehnen, vielmehr ist die Beibehaltung einer großräumigen Förderungskulisse aus der Sicht Österreichs unverzichtbar, um eine kontinuierliche Weiterführung bewährter regionalpolitischer Strategien zu gewährleisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht erst die Pläne einer Erweiterung, sondern auch die Vorbereitung auf die Wirtschafts- und Währungsunion haben die Fragen der Beschäftigungspolitik, die durch den Amsterdamer Vertrag auch einen zentralen Stellenwert erhalten haben, in den Vordergrund gerückt, denn ein hohes Beschäftigungsniveau ist eine gemeinschaftliche Herausforderung, die vor allem im Interesse vieler junger Menschen und Langzeitarbeitsloser engagiert verfolgt werden muß. Die unterschiedliche Situation in den Mitgliedstaaten – Österreich gehört, ohne unsere Probleme beschönigen zu wollen, zu jenen mit hoher Beschäftigung und vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit – macht unterschiedliche nationale, aber koordinierte Strategien notwendig. Das bringt die von Österreich bezogene Position für den laufenden EU-Beschäftigungsgipfel auch unmißverständlich zum Ausdruck.

Es geht, ähnlich wie bei den Maastricht-Kriterien, um eine Selbstverpflichtung der Mitgliedsländer, sich neben dem globalen Ziel der Senkung der Arbeitslosigkeit auch strukturelle Ziele zu setzen und ihre nationale Praxis dann einer gemeinschaftlichen Überprüfung zu unterwerfen. Und wie bei den Maastricht-Kriterien heißt das: Welche Wege und welche Maßnahmen gewählt werden, um dieses Ziel zu erreichen, liegt im nationalen Interesse. Darauf, daß es überprüfbar erreicht wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommt es aber an.


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Im ersten Halbjahr 1998 müssen die diesbezüglichen Pläne der Mitgliedsländer vorliegen, und unter österreichischem Vorsitz – das stellt durchaus auch eine große Herausforderung für die eigenen Anstrengungen dar, auf die im Entschließungsantrag auch Bezug genommen wird – steht in einem Jahr die erste Überprüfung an.

Zur österreichischen Beschäftigungssituation möchte ich an dieser Stelle auch auf einen wesentlichen Beitrag verweisen, den die österreichische Land- und Forstwirtschaft dazu leistet. Diesbezüglich bin ich mit Kollegen Drochter einer Meinung, denn die knapp 300 000 Arbeitskräfte in der heimischen Land- und Forstwirtschaft sichern – so das Ergebnis einer statistischen Untersuchung der Oberösterreichischen Landesregierung – insgesamt ebenso viele Jobs in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Das heißt mit anderen Worten: Insgesamt sind es fast 600 000 Arbeitsplätze, die mit dem Agrarbereich und seiner Entwicklung in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.

Daher sitzen wir in einem gemeinsamen Boot. Jeder Arbeitsplatz, der im unselbständig erwerbstätigen Bereich verlorengeht, bedeutet auch eine Gefährdung des Arbeitsplatzes auf dem Bauernhof, denn rund 250 000 Beschäftigte stehen in direktem Zusammenhang mit der Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Produkte, voran in der Fleisch- und Milchverwertung, wesentlich aber auch im Holzverarbeitungs- und im Beherbergungsbereich. Weitere 24 000 Arbeitsplätze werden durch die jährlichen Investitionen auf dem Bauernhof ausgelöst, von denen das Gros auf Erzeugung von landwirtschaftlichen Maschinen sowie auf den Hoch- und Tiefbau entfällt. In den vorgelagerten Bereichen rechnet man mit weiteren 36 000 Jobs, die von der Landwirtschaft abhängen; massiv etwa in den Sektoren Futtermittelproduktion und Veterinärwesen. Kurzum: Mit jedem Arbeitsplatz Bauernhof ist unmittelbar ein nichtlandwirtschaftlicher Job verknüpft und – ich darf es noch einmal wiederholen – auch umgekehrt.

Der agrarische Beitrag zur Sicherung der außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze im Lande ist beachtlich. 1995 haben die österreichischen Bauern um 41,7 Milliarden Schilling bei Industrie und Gewerbe Futtermittel, Düngemittel, Brenn- und Treibstoffe, Maschinen- und Gebäudeinvestitionen eingekauft. Gerade in Zeiten angespannter Arbeitsmärkte sichern intakte ländliche Räume mit einer wirtschaftlichen und gesunden Land- und Forstwirtschaft als Basis Existenzen und Einkommen für Tausende Familien.

Daher ist auch die Sicherung der Arbeitsplätze auf dem Bauernhof, die Zukunft der Landwirtschaft und die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik von zentraler Bedeutung. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ist aber ein ganz wesentlicher Teil der "Agenda 2000" – auch deshalb, weil im Zusammenhang mit den Finanzierungserfordernissen und unter Hinweis darauf, daß 50 Prozent des EU-Budgets für die Landwirtschaft aufgewendet werden, oft begehrliche Blicke auf den Agraranteil im EU-Budget geworfen werden.

Wahr ist aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Landwirtschaft den einzig vergemeinschafteten Bereich in der Europäischen Union darstellt. Wahr ist zudem auch, daß der Anteil der Landwirtschaft insgesamt im Bereich der Europäischen Union und hinsichtlich der Budgetposition in den Mitgliedstaaten EU-weit betrachtet nur 1,99 Prozent beträgt, also nicht einmal 2 Prozent. Hält man sich diese Tatsachen vor Augen, ist die in der Entschließung geforderte Absicherung der gegenwärtigen Finanzierungsregeln der Gemeinsamen Agrarpolitik und die Absicherung der agrarischen Strukturförderung mehr als legitim.

Es geht bei der Bewertung der "Agenda 2000" aus bäuerlicher Sicht um eine klare Richtungsentscheidung von nicht nur bäuerlicher, sondern von gesamtgesellschaftlicher Dimension. Es geht nämlich um die Fragen: Wie wollen wir die Pflege des Landes haben? Wie sollen Qualität und Sicherheit bei Nahrungsmitteln erreicht werden, wenn es nicht mehr die Bauern machen?

Welchen Preis hat dann die Qualität und die Sicherheit der Nahrungsmittelproduktion? Soll die Entwicklung der Agrarpolitik nur mehr durch den Preis, durch den Markt gesteuert werden, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, oder sollen die bewährten Instrumente der Agrarpolitik weitergeführt werden?


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Es stellt sich somit schlicht die Schlüsselfrage, welche Identität der europäischen Landwirtschaft künftig zugedacht werden soll, und unsere österreichische Antwort darauf ist eindeutig: Wir wollen keine Renationalisierung der Agrarpolitik, weil damit neuerlich eine Konkurrenzsituation zu wirtschaftlich und strukturell bessergestellten Ländern eintritt, wir wollen aber, daß die multifunktionale und nachhaltige Aufgabenstellung einer flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft, wie sie in Österreich existiert, als Leitbild für die EU-Landwirtschaft Anwendung findet, auch mit Rücksicht auf Umwelt- und Tierschutzanliegen. Wir wollen im Kontrast zum liberalistischen Modell, daß der Kommission in der "Agenda 2000" vorschwebt, eine europäische Landwirtschaft, die auf die Zusammenhänge von Mensch, Agrarproduktion, ländlichen Regionen, Beschäftigung und die Rolle Europas auf dem Weltmarkt Rücksicht nimmt.

Wir hoffen daher, daß bei dem am 12. und 13. Dezember in Luxemburg tagenden Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit der Definition eines eigenständigen Modells der europäischen Landwirtschaft auch im Sinne der heutigen Entschließung Rechnung getragen und diese anerkannt wird, denn in der vorliegenden Form sind die Vorstellungen der Kommission nicht verkraftbar und daher auch unakzeptabel.

Um Ihnen eine Vorstellung zu geben, meine Damen und Herren: Die in der "Agenda 2000" vorgeschlagene Senkung der institutionellen Agrarpreise für Getreide um 20, für Rindfleisch um 30 und für Milch um 10 Prozent würde aufgrund der bisherigen Erfahrung der heimischen Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie auf dem Binnenmarkt voll auf die Erzeugerpreise durchschlagen. Die Erlöse würden gemäß der "Agenda 2000" unter den strukturellen und natürlichen Produktionsbedingungen, die in Österreich nun einmal Realität sind, die variablen Kosten in der heimischen Agrarproduktion nicht mehr decken. – Mit verheerenden Folgen!

Bei einer Bewertung der Vorschläge der Kommission durch die Experten wurde festgestellt, daß wir im Bereich der österreichischen Landwirtschaft bei voller Umsetzung der vorliegenden "Agenda 2000" in Summe für die Märkte Getreide, Ölsaaten, Milch, Milchprodukte und Rinder 1,6 Milliarden Schilling jährlich gegenüber dem derzeitigen Stand verlieren würden. Da sind die zusätzlichen Ausgleichszahlungen und Prämien bereits gegengerechnet.

So, meine Damen und Herren, geht es nicht! So kann die "Agenda 2000" nicht umgesetzt werden!

Auch deshalb ist es wichtig, daß wir ebenso aktiv wie konstruktiv als Mitbeteiligte und Mitbetroffene die neuen Weichenstellungen, um die es bei den Beratungen des europäischen Rates im Dezember geht, nun beeinflussen sowie glaubhafte und perspektivische Lösungen einbringen können.

Daher ersuche ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum vorliegenden Entschließungsantrag im Wissen um die Mitverantwortung (Bundesrat Dr. Tremmel: Es liegen zwei vor, Herr Kollege!), die wir als zweite Kammer dieses Parlaments im Rahmen unserer selbständigen Mitwirkung in EU-Angelegenheiten bewußt eingefordert haben, um Ihre Zustimmung. Ich bitte Sie auch, den Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei abzulehnen, weil er nicht auf die "Agenda 2000" eingeht und jene Punkte, die die "Agenda 2000" betreffen, in unserem Entschließungsantrag enthalten sind, darüber hinaus eine Vermischung des Vertrages von Amsterdam beinhaltet und, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wirtschafts- und Währungsunion in der dritten Stufe nicht Gegenstand der "Agenda 2000" ist. (Bundesrat Weilharter: Sie haben Berührungsängste, Herr Kollege! Sagen Sie es offen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als abgetrenntes Organ einer großen Gemeinschaft charakterisierte der überzeugte Europäer Richard Coudenhove-Calergi in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts sein und unser Heimatland. Jetzt am Ende dieses Jahrtausends tut sich nach einer Epoche der Gewalt und des Leidens ein neuer Horizont auf, die historische Chance, in einer großen Gemeinschaft organisch und nachbarschaftlich in Frieden und Freiheit eingebettet zu sein. Nützen wir daher diese Chance, weil sie vielleicht einmalig ist! Nützen wir sie in Verantwortung für unser Land und für die Zukunft unserer Kinder und auch Enkelkinder! Handeln wir als verantwortungsbereite und verantwortungsfähige Europäer!


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In dem Sinn bitte ich Sie nochmals um die Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.42

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

18.42

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben von Herrn Kollegen Penz die mit viel Engagement vorgetragene Rede über seinen und des Kollegen Konečnys Entschließungsantrag vernommen, ebenso konnten wir Herrn Kollegen Drochter vernehmen. Ich vermeinte, einen anderen Entschließungsantrag von Ihnen vor mir zu haben, meine Herren! Denn Ihre Sorgen, die Sie ausdrücken, geben nicht den Inhalt des Entschließungsantrages wieder. (Zwischenruf.)

Diese Aussagen, die Sie getroffen haben, haben mich in weiten Bereichen stark beeindruckt, und ich vermeinte schon, daß ich Sie dazu gewinnen könnte, den Entschließungsantrag von uns zu unterzeichnen. Ich weiß natürlich, daß sich diese Erwartung nicht erfüllen wird. Sie kann sich einmal erfüllen, heute aber nicht.

Es ist gut, wenn Sie sagen, Herr Kollege Penz, daß wir Akteure sind. Es ist gut, wenn aus Ihren Worten Sorge herauskommt. Ich finde es hervorragend, daß wir für Europa, für die Zukunft zu Entscheidungen kommen müssen, daß wir glaubhafte, perspektivische Lösungen anbieten müssen. Natürlich müssen wir die Nachbarstaaten dabei einbeziehen. Es muß uns um den Schutz der Arbeitsplätze gehen. Ebenso hat Kollege Drochter nachempfindsam und einfühlend die regionalen Schutzklauseln erwähnt. Er hat die Differenz im sozialen Niveau erkannt, ebenso daß Dialogfähigkeit geschaffen werden muß. Sehr wichtig sind die nicht zu langen Übergangsfristen, insbesondere im Umweltbereich, und die Kontingentierung von Standort- und Wettbewerbsproblemen. Ich halte diese Punkte für besonders wichtig.

Sie haben ambitionierte Absichten, meine Kollegen und Kolleginnen, die Sie aber mit ungeheuerlich teigigen Formulierungen schmälern: Sie setzen sich ein, Sie werden als vorrangiges Ziel betrachten ..., Sie werden darauf achten, Sie werden eintreten, dafür Sorge tragen, berücksichtigen, darauf hinwirken, vorschlagen und sich einsetzen.

Meine Damen und Herren! Was sollen diese zarten Wörter für ein solch ernstes und doch kräftig zu behandelndes Thema? – Da fehlt Ihnen der Mumm vor der eigenen guten Absicht. Sagen Sie: Wir verlangen! (heftig und auf das Rednerpult schlagend), und nicht: Wir werden darauf achten, und wir bitten! – Spielen Sie nicht den Brüsseler Vorzugsschüler, und machen Sie nicht "auf Hascherl"! So geht das doch nicht. Sonst werden wir Opfer der EU und unserer Nachbarstaaten. (Bundesrat Bieringer: Hat’s mich jetzt g’rissen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Der Unterschied Ihres Entschließungsantrages zu unserem liegt in diesen teigigen, müden Wörtern. Im Gegensatz zu uns: Wir fordern konkrete Maßnahmen! Wir wollen diese Maßnahmen! Punkt, aus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Sie sagen eindeutig, Sie ersuchen!)

Schauen Sie weiter nach, Sie müssen dann sehen, daß darin steht: Es sind konkrete Maßnahmen zu setzen, und zwar ... Dann gibt es bei uns 12 Punkte, die jeder nachvollziehen kann! (Bundesrat Konečny: Ganz runter! – Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) – Bei uns tönt es fast wie ein Tagesbefehl, wie ein Befehl zum Aufbruch nach Osteuropa, den wir aber erst dann erfüllt haben wollen, wenn diese Punkte durchgegangen sind.

Bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie waren bei den Karmeliterinnen oder in einer Klosterschule und haben dort nette, sanfte Worte gelernt. Gerade bei Ihnen, Herr Kollege Drochter, hätte ich mir doch gedacht, daß Sie gemeinsam mit Kollegen Konečny mehr auf den Putz hauen werden und daß dabei etwas herauskommt. (Bundesrat Drochter: Das ist Ihnen überlassen!) Aber das ist doch eine müde Suppe geworden, die Sie gemacht haben. Diese müde Suppe müßte Sie veranlassen, unsere kräftige Argumentation zu unterstützen und zu sagen, wenn wir schon nicht


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das eigene gut formuliert haben, nehmen wir das Freiheitliche, das ist diesmal kräftig und überzeugend! Machen wir doch das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sehe, daß Sie in einer Zwickmühle sind, hat doch heute schon unser Wiener Landeshauptmann, Bürgermeister Häupl, EU-Gelder gefordert, die über das Grenzgebiet hinaus gegeben werden sollen, also für die Nachbarstaaten, für das Grenzgebiet zu Österreich. Das ist eine überhastete Osterweiterung, die er da verlangt. Der Wirtschaftsstandort Wien ist in Gefahr. Die vielen Arbeitslosen in Wien – das wissen Sie besser als ich, Herr Kollege Drochter – werden durch solche Äußerungen des Bürgermeisters in Frage gestellt. Das können Sie doch nicht verantworten!

Ich kann nur sagen, durch solche Aussagen, wie sie heute der Wiener Landeshauptmann getätigt hat, macht er sich mitschuldig am Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österrreich. Wir haben 230 000 Arbeitslose in Österreich, und er trägt mit dazu bei, daß diese Zahl nicht kleiner wird. Diese Zahl wird ansteigen, und wir werden diese Arbeitslosen hoffentlich als Wähler bekommen.

Es gibt dazu noch einen Wiener Landtagsbeschluß: Osterweiterung nur mit starken Einschränkungen. – Sehen Sie, das ist das, was Sie gesagt haben. Sie haben so vernünftig gesprochen, Herr Kollege Drochter, daß ich es nicht glauben kann, daß Sie diesen Antrag ihrer Fraktion und der ÖVP mitunterschreiben. Sie stehen auch nicht drauf. Lassen Sie es bleiben, und unterschreiben Sie bei uns. Sie sind ein kluger Mann. Machen Sie es!

Österreich ist insofern Opfer der Europäischen Union, als die spezifischen Absprachen, die bilateralen Absprachen von Staat zum Nachbarstaat, von Österreich zu unseren Nachbarstaaten verunmöglicht werden. Man muß elastische Absprachen treffen. Es geht nicht an, daß nur das, was die EU vorschreibt, gemacht werden darf. Wir wissen viel besser, was unseren Nachbarstaaten wohl tut und wo wir ihnen entgegenkommen können, als die Brüsseler Zentralregierung. Das kann nicht funktionieren. Das heißt, es kommt zwangsläufig auf ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten heraus. Aber was gibt den Nachbarstaaten die Gewähr, daß sie überhaupt auf dem Fahrzeug mit mehreren Geschwindigkeiten sitzen? – Ihre Vorgangsweise ist dazu angetan, daß diese nie und nimmer dazu kommen.

Meine Damen und Herren! Lehnen Sie bitte den Antrag von Kollegen Penz und von Kollegen Konečny unter Rücksichtnahme auf die Österreicher, aber auch unter Rücksichtnahme auf unsere Nachbarstaaten ab! Ich ersuche Sie: Treten Sie unserem Antrag bei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.50

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Gottfried Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

18.50

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Werte Kollegen des Bundesrates! Auch ich möchte in der Diskussion über die "Agenda 2000" und über die vorliegenden zwei Entschließungsanträge das Problem ein wenig aus der Sicht der Landwirtschaft erklären und wesentliche Kritikpunkte aufzeigen. Ein Vorredner, Kollege Drochter, hat das bereits schon versucht. Er hat dann gesagt, er kennt sich in der Landwirtschaft nicht aus. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Das lasse ich so im Raume stehen. (Bundesrat Drochter: So gut wie Sie schon, Herr Waldhäusl!)

Seitens der ÖVP hat Kollege Penz einige Anmerkungen zur Landwirtschaft gemacht, auf die ich später noch eingehen werde.

Beginnen möchte ich mit dem Entschließungsantrag der ÖVP, in dem in den letzten drei Absätzen Worte vorkommen wie: vorzuschlagen, dafür einsetzen, vielleicht ein wenig, ein bißchen mehr, der Preisverfall soll nicht so stark sein, aber ein bißchen werden wir wahrscheinlich doch nachgeben müssen, Absicherung der gegenwärtigen Finanzierungsregeln, für die Strukturförderung einsetzen. Vielleicht doch ein bissel oder nicht, wir wollen das eigentlich schon, aber


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wir wissen noch nicht, was die anderen machen. – All das sind sehr weiche Formulierungen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das ist der ÖVP-Entschließungsantrag. Haben Sie ihn auch nicht gelesen? – Das ist so wie bei der ÖVP, Drochter hat ihn auch nicht zum Lesen bekommen. Sie auch nicht? – Weil ihn Penz geschrieben hat.

Schauen Sie, bei uns ist das so, wir sind eine demokratische Partei, bei uns kann jeder den Entschließungsantrag lesen, und wenn ... (Bundesrat Rauchenberger: Lesen schon, aber mitreden darf er nicht!) Ich kann schon lesen. (Bundesrat Rauchenberger: Lesen schon, aber nicht mitreden darf er!) Das weiß ich nicht, ob er mitreden kann. Fragen Sie Drochter, ob er mitreden durfte. Er hat das kritisiert, was Konečny gefordert hat. Da merkt man, wie demokratisch die Sozialpartner und die Sozialdemokratische Partei sind. Diese machen miteinander einen Antrag, und dann kritisiert der eigene ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, ihr habt ihn miteinander gemacht. ÖVP und SPÖ machen miteinander einen Antrag. Ihr macht immer miteinander einen Antrag. Nur Sie wissen nicht, was darin steht, und Drochter weiß nicht, was darin steht. Aber das sind wir von Ihnen gewohnt.

Ich möchte bezüglich Ihres Antrages kurz Präsident Schwarzböck zitieren. Er gehört Ihrer Partei an, ist als Präsident der oberste Bauernvertreter und hat sich im "Kurier" vom 4. 8. bezüglich "Agenda 2000" geäußert. Er ist im Gegensatz zu euch doch ein wenig weiter gegangen. Ihr, Kollegen der ÖVP und der SPÖ, habt eben außer "vorzuschlagen", "einzutreten" und "ein bißchen etwas zu probieren" nicht mehr zusammengebracht. Schwarzböck – das unterstreiche ich – hat gesagt:

Die Pläne von Kommissär Fischler zur EU-Agrarpolitik im Rahmen der "Agenda 2000" sind für die Bauern inakzeptabel. Um überhaupt zu verhandeln, brauchen wir ein neues Konzept, verlangt Schwarzböck, ein neues, kein auf diesem Papier aufbauendes, meine Damen und Herren! Schwarzböck verlangt ein neues Konzept. – Ihr sagt: Nein, wir können mit dem alten arbeiten. Man sieht, daß sich Kollege Schwarzböck mit Kollegen Penz oder Kollegen Bieringer nicht abgesprochen hat.

Ich stehe hier eindeutig auf der Seite von Schwarzböck und sage, im Interesse der Bauern soll ein neues Konzept vorgelegt werden.

Schwarzböck weiter: Die Vorschläge seines Parteifreundes Fischler, die Preise für Rinder, Getreide und Milch drastisch auf Weltmarktniveau zu senken und die Bauern durch Ausgleichszahlungen in weitere direkte Abhängigkeit zu bringen, seien nicht zu verkraften. – Das sind freiheitliche Worte. Bei der Debatte über den Grünen Bericht habe ich hier das gleiche gesagt: Wir bringen die Bauern mit dieser Politik in die Abhängigkeit! Schwarzböck sagt es ebenfalls. Dann arbeiten wir gemeinsam in diese Richtung.

Schwarzböck weiter: Er fürchtet, daß durch eine EU-Politik, die nur auf Konkurrenzfähigkeit und Marktanteile abzielt, wie es eben bei diesem Konzept der Fall ist, das größte Kulturgut, die Landwirtschaft, verkommt. Abschließend meint Schwarzböck: So würde das Bauernsterben weiter beschleunigt, ganze Regionen veröden.

Das, meine Damen und Herren, hat Rudolf Schwarzböck gesagt. Ich stehe eindeutig hinter ihm. Auch ich fordere wie er ein neues Konzept. Ich will nicht wie ihr aufbauend auf dem von Kommissär Fischler vorgelegten Papier etwas verändern, sondern im Interesse der Landwirtschaft neu verhandeln. (Bundesrat Ing. Penz: Was wollen Sie? Eine Renationalisierung oder ein neues Konzept? Wissen Sie das, oder wissen Sie es nicht?) – Herr Kollege Penz! Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich, was ich will, und darüber bin ich glücklich!

Der Generalsekretär der PRÄKO, Dipl.-Ing. Astl, hat auch über die "Agenda 2000" gesprochen, und auf meine Frage, wie die finanziellen Auswirkungen nach dem momentanen Stand des Papiers sein werden, hat er auch wie Kollege Penz von diesen 1,6 Milliarden Schilling gesprochen, hat aber hinzugefügt, daß es sich nur um die abschätzbaren Kosten handelt; die nicht abschätzbaren betragen noch einmal 1,6 Milliarden Schilling. Im Falle einer EU-Osterweiterung


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verdoppelte sich dieser Betrag. – Also man kann mit weit über 6 Milliarden Schilling rechnen, die als Einkommensverluste auf die Landwirtschaft niederprasseln werden. Diese Einkommensverluste, meine Damen und Herren, sind in diesem Bereich nicht mehr tragbar.

Kollege Cap von der SPÖ wurde bereits von einer Vorrednerin zitiert. Ich möchte noch einmal wiederholen, wie er die Reform des Agrarsystems in der EU sieht: Bei dieser Reform wird Österreich eindeutig die Nettozahlerposition noch stärker treffen. Und ein Wort zu Polen: Ich brauche nur an Polen zu denken – zitiert Cap –, und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. (Bundesrat Rauchenberger: Mir auch, wenn ich Ihnen zuhör’!) Dann heißt es weiter: Sie wird Auswirkungen auf das Agrarsystem, aber auch auf die Kosten und damit selbstverständlich auf die Nettozahlerposition haben.

Ihr Kollege Cap zitiert die "Agenda 2000". Es freut mich, daß es doch noch einige wenige in Ihrer Fraktion gibt, die auch kritisch die Meinung sagen dürfen und die für die Bauern eintreten und sagen, wie die Situation tratsächlich ist. Von meinem Vorredner wurde Häupl zitiert – das ist das Schlimmste! Da hätte ich erwartet, daß die ÖVP-Kollegen aufschreien, denn Häupl hat gefordert, daß eben das Interreg-Programm für Regionen an der östlichen EU-Grenze aufgewertet werden solle, und zwar zu Lasten der Agrarförderungen.

Da sagt die ÖVP nichts: Macht ja nix, den Bauern geht es ja nicht ab. Wir stimmen zu. Die Bauern werden weniger. Unsere Funktionäre werden mehr – in der AMA, in der Kammer. Wir schauen, daß wir bleiben, und es paßt schon wieder. – Das ist die Politik der ÖVP, und diese Politik verurteilen wir! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Sie sind ja selbst Kammerfunktionär!)

Im Gegensatz zu Ihnen bin ich ein Kammerfunktionär, der auch noch zu den Bauern gehen darf. Ich darf mich sehen lassen. Bei Ihnen ist es so, daß Ihnen diese schon die Rüben und die Erdäpfel "um den Schädel schmeißen"! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Das gibt es ja net! – Bundesrat Ing. Penz: Sie müssen sich einmal anschauen!) Wollen Sie rausgehen? Wollen Sie rausgehen, Herr Kollege Penz, und wollen Sie etwas sagen? – Das ist kein Problem. Dann versteht man Sie.

Werte Kollegen! Kollege Penz hat erklärt, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen eine "Agenda 2000" bei den Verhandlungen im Dezember für Österreich, für die Landwirtschaft akzeptabel wäre. Er hat aber eines nicht berücksichtigt: In der Zeit, als wir noch verhandelt haben, hat bereits der EU-Ministerrat über diese "Agenda 2000" beraten und abgestimmt. Da, meine Damen und Herren, kommt jetzt etwas zum Vorschein.

Die Forderung des Kollegen Penz hat der ÖVP-Minister von Dienstag auf Mittwoch schon abgelehnt. Von den 15 Mitgliedstaaten hat sich nur Spanien bei diesen Vorschlägen quergelegt. Der österreichische Vertreter hat diesem Papier bereits zugestimmt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Ungeheuerlich!) Ungeheuerlich! Hier sind wieder die österreichischen Interessen verraten worden. (Bundesrat Ing. Penz: Lesen Sie sich das durch, was beschlossen worden ist!) Herr Kollege Penz! Ich habe das Papier, das beschlossen worden ist, und darin steht das eindeutig. (Bundesrat Ing. Penz: Lesen Sie es noch einmal, vielleicht verstehen Sie es dann! – Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege Penz! Das habt ihr bei den EU-Beitrittsverträgen auch gemacht!)

Das einzige, worauf sich die Kommission einigen konnte – ich lese daraus vor –, war folgendes: Ohne vorerst zu den Vorschlägen der Kommission für die Neuorganisation der Strukturfondsinvestition Stellung nehmen zu wollen, sprach sich der Rat außerdem dafür aus, nach Mitteln und Wegen zur Festlegung einer klar erkennbaren Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes zu suchen.

Er sucht erst! Allen anderen Dingen haben 14 Agrarminister, darunter auch der österreichische, zugestimmt. Sie haben zugestimmt, daß eine 30prozentige Preisreduktion auf Kosten der Bauern stattfindet. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist unwahr, was Sie sagen!) Meine Damen und Herren! Das ist der größte Verrat in der Geschichte dieser Republik an den Bauern! (Beifall bei Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Sie sagen einfach die Unwahrheit!)


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Es heißt weiters, daß die Agrarleitlinie, in welcher all diese Maßnahmen stehen, unbeschadet dessen, was sie abdeckt, grundsätzlich und unter Beibehaltung der derzeitigen Berechnungsmodalitäten als Höchstgrenze aufrechterhalten werden muß. Mehr als 30 Prozent nehmen sie uns nicht. Aber sie haben gesagt, 30 Prozent werden die Bauern schon verlieren.

Heute gibt Molterer in einer APA-Meldung noch etwas bekannt. Wir haben von den Strukturfonds gesprochen. "Bedauert hat Molterer" – so wörtlich –, "daß es nicht gelungen sei, eine mehrheitsfähige Meinung zur künftigen Finanzierung der ländlichen Strukturpolitik zu finden". – Da haben wir es! Sie sind gescheitert.

Kollege Penz steht hier und verkündet Forderungen, die sein Kollege von Dienstag auf Mittwoch abgelehnt hat. Er ist gescheitert. Meine Damen und Herren! Das ist das wahre Gesicht dieser Freunde! (Rufe bei der SPÖ: "Freunde"! – Bundesrat Konečny, zu Bundesrat Ing. Penz: Jetzt werden Sie mir suspekt, wenn Sie sein "Freund" sind!)

Meine Damen und Herren! Anders sieht das der deutsche Landwirtschaftsminister, der noch immer scharfe Kritik äußert. Er sagt, die finanziellen Belastungen für die Bauern und Steuerzahler durch diese geplante Reform der EU-Agrarpolitik seien nicht akzeptabel. Wir werden den Bauern und den Steuerzahlern nicht verständlich machen können, daß durch diese Reform auch national erhebliche finanzielle Belastungen auf uns zukommen werden. – Das sagt der deutsche Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir in Österreich werden es unseren Steuerzahlern auch nicht erklären können, warum sich die Beiträge erhöhen werden und sie dadurch mit Mehrkosten in allen Belangen rechnen müssen. Es wird wieder zu Belastungspaketen kommen, da ist man von links und rechts fleißig beim Schnüren: Der Bürger muß zahlen! – Sie sind wahre Meister dieses Faches!

Spanien verhinderte eine Einigung über diese Agrarreform, und so müssen nun die Staatschefs im Dezember darüber entscheiden. Spanien hat es nicht zugelassen, daß die 15 Mitgliedstaaten durch eine Preisreduktion von 30 Prozent die Osterweiterung finanzieren. Es steht auf dem Standpunkt: Dieses Geld muß bei den 15 Mitgliedstaaten bleiben. Es darf nicht sein, daß dieses Geld für die Osterweiterung verwendet wird. Dieses Geld gehört den Nettozahlern. (Bundesrat Payer: Haben Sie nicht schon einmal überlegt, warum die Spanier das machen?)

Zu den letzten Medienmeldungen: "Molterer zufrieden": Er ist damit zufrieden, obwohl um 30 Prozent gekürzt wird. Die "Salzburger Nachrichten" haben die Haltung etwas kritisch kommentiert: Die Spanier sind die wahren Sieger, Österreich ist umgefallen. Jeder Bezug auf die von der EU-Behörde vorgeschlagenen Details, wie die Senkung der Preise um 30 Prozent, fehlt. – Meine Damen und Herren! Das ist wirklich eine Katastrophe!

Abschließend – so steht es auch im "Standard" – wird wieder bestätigt: Die Kommission hatte vorgeschlagen, die garantierten Preise um diese 30 Prozent zu reduzieren. Es soll damit die EU-Osterweiterung finanziert werden.

Meine Damen und Herren! Das hat ein mutiger Spanier noch verhindern können. Im Dezember werden die Staatsoberhäupter darüber entscheiden. Ich kann hier nur zum Schutze der Steuerzahler, der Bauern und der heimischen Wirtschaft sagen: Hoffentlich hat dann noch jemand den Mut der Spanier und kämpft für unsere Anliegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.06

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, daß eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Ich erteile Herrn Bundesrat Konečny das Wort.

19.06

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Es tut mir leid, jetzt muß ich Sie auch tatsächlich berichtigen. Der ursprüngliche Anlaßfall war Kollege Gudenus. Ich bitte Kollegen Gudenus, aber auch Sie, Herr Präsident, zur Kenntnis zu nehmen, daß es in Österreich Familiennamen unterschiedlicher Herkunft gibt. Ich bitte Sie, wenn Sie mich aufrufen und wenn Sie mich zitieren, den Namen zu verwenden, den ich tatsächlich führe. Er ist tschechischen Ursprungs und heißt "Konečny". Ich bitte, als ein Stück zwischenmenschlicher Respektierung eine Verballhornung dieses Namens zu unterlassen.

19.07

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb. – Bitte.

19.07

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte Sie über folgenden einstimmigen Beschluß des Oberösterreichischen Landtages vom 10. 4. 1997 informieren und bitte, daß dieser Beschluß von seiten des Bundesrates in bezug auf die "Agenda 2000" Berücksichtigung findet. Dieser Beschluß hat zum Inhalt, daß die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Tschechischen Republik verschoben werden, bis der Bau des Atomkraftwerkes Temelin gestoppt, auf eine Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes verzichtet und auch das dort geplante Atommüllager nicht errichtet wird.

Bei der gestrigen Sitzung des Oberösterreichischen Landtages wurde erneut einstimmig von ÖVP, SPÖ, FPÖ und diesmal auch den Grünen – der vorhergehende Beschluß war auch einstimmig, aber da waren die Grünen noch nicht im Landtag; mittlerweile sind auch die Grünen im Landtag, und jetzt ist wieder ein einstimmiger Beschluß gefaßt worden – beschlossen, daß der Landeshauptmann als Vertreter des Landes Oberösterreich bei der Integrationskonferenz der Länder aufgefordert wird, der gemeinsamen Länderstellungnahme zur "Agenda 2000" nur dann zuzustimmen, wenn die vom Oberösterreichischen Landtag vorher genannte Resolution vom 10. April 1997 "Forderung betreffend des Atomkraftwerkes Temelin" vollinhaltlich Berücksichtigung findet.

Ich bin verwundert, daß solche Beschlüsse des Oberösterreichischen Landtags und überhaupt von Landtagen gerade hier in der Länderkammer des Parlamentes nicht von vornherein Berücksichtigung finden, und ich stelle hiemit den Antrag, daß dieser Beschluß Berücksichtigung finden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.09

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte sehr.

19.10

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wortmeldung des Herrn Mag. Scherb zeigt, daß eigentlich vieles in bezug auf die "Agenda 2000" übersehen wurde. Auch Ihr koalitionärer Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, ist ein Zeichen dafür. Sie haben es in Möglichkeitsform gesagt und es vermieden, imperative Formulierungen zu finden, aber Sie haben genau gewußt, wo der Mangel dieser "Agenda 2000" liegt. Wenn man die Punkte durchsieht, dann erkennt man, daß genau diese Punkte die Mangelerscheinungen dieser "Agenda 2000" beinhalten.

Ich möchte hier einige Formulierungen zu einer sehr gravierenden Frage, die Kollege Drochter angeschnitten hat, nämlich zur Beschäftigungspolitik, mit den Wahrnehmungen und die Äußerungen maßgeblicher Funktionäre der EU vergleichen und zum Besten geben.

In Ihrem Entschließungsantrag heißt es: Die Bundesregierung wird ersucht, auf EU-Ebene weiterhin dafür einzutreten, daß der Beschäftigungspolitik Priorität zukommt und sie bei den Gemeinschaftspolitiken der EU Berücksichtigung findet. – Unsere Formulierung dazu lautet – sie ist auch noch begründet –: Der Bundesrat wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ebenso


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ersucht, konkrete Maßnahmen zu setzen, und zwar Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen mittels Maßnahmen, die Ihnen Kollegin Ramsbacher aufgezählt hat.

Wie steht man jetzt zu diesen Gedanken in der EU? – Abgesehen davon, daß Gewerkschaftsvertreter nach Luxemburg gejettet sind, um dort zu demonstrieren, darf ich Ihnen hier folgendes vorhalten: Die Arbeitslosigkeit in den 15 EU-Mitgliedstaaten mit 18 Millionen Arbeitslosen ist unannehmbar hoch. Dennoch ist die Tendenz steigend.

Ein in den Amsterdamer Vertrag aufgenommenes Beschäftigungskapitel kommentiert Jean-Claude Juncker als Worthülse und stellt fest, daß alle bisher verabredeten Beschäftigungsinitiativen in Essen, in Madrid, in Turin, in Florenz und in Dublin nichts gebracht haben. Die Beschäftigungspolitik, so meinte er, sei in erster Linie nationale Aufgabe. Andere maßgebliche Politiker sagen das auch, etwa in Deutschland. "Zu glauben, daß es jetzt dieser luxemburgischen Ratspräsidentschaft gelingen könnte, bis zum Oktober oder Dezember eine geniale Beschäftigungsstrategie zu entwerfen, wäre engelhafter Optimismus." – "Spiegel" Nr. 27/1997.

Oder: Die hohe Erwartungshaltung an die EU-Strukturfonds, mit einem neuen horizontalen Ziel Nummer drei Arbeitsplätze zu schaffen, erscheint als übertrieben. Der Präsident des Europäischen Rechnungshofes Bernhard Friedmann resümiert: Viel Geld, doch keine Jobs! Friedmann stellt fest: Mit Mitteln der Strukturfonds hätten seit 1989 etwa 6 Millionen Arbeitsplätze entstehen müssen. Diese Arbeitsplätze kann ich nirgendwo entdecken. Friedmann adaptiert darüber hinaus die Position der freiheitlichen Agrarpolitiker, wenn er erklärt: Wenn die Mitglieder einen Teil der direkten Beihilfen, Herr Kollege Penz, selbst tragen, beeinflußt dies auch die Zahlungen der Nationalstaaten an die EU, die ihre EU-Beiträge um diese Summe reduzieren wollen. – "Focus" Nr. 31/1997.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute in einem weiteren Punkt Ihres Entschließungsantrages erklären, sich bei den Verhandlungen über die "Agenda 2000" dafür einzusetzen, daß die vorgesehenen EU-internen Reformmaßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der Nettozahlerposition Österreichs führen, so kann ich Ihnen dazu sagen: Entweder haben Sie die Vorausschau Ihres Finanzministers Edlinger nicht gelesen, der gesagt hat, bis zum Jahr 2004 wird sich der Nettozahlbeitrag Österreichs von 13 Milliarden Schilling auf 27 Milliarden Schilling erhöhen, oder Sie sagen hier bewußt die Unwahrheit, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. )  – Herr Kollege Penz! Sie können sich dann noch einmal zu Wort melden. (Bundesrat Ing. Penz: Das hat Ihnen Dr. Schüssel erklärt! Unter der Voraussetzung, daß die Agenda so umgesetzt wird!) Ja, ich habe es Ihnen erklärt.

Ich habe Ihnen erklärt, Herr Kollege Penz, was in Ihrem Entschließungsantrag steht: sich bei den Verhandlungen über die "Agenda 2000" dafür einzusetzen, daß die vorgesehenen EU-internen Reformmaßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der Nettozahlerposition Österreichs führen. Das haben Sie ganz eindeutig ausgedrückt. Entweder kennen Sie das nicht, was der Finanzminister gesagt hat, oder Sie wollen es nicht kennen, oder Sie verschweigen es!

Ich sehe die gleiche Situation wie bei den EU-Begleitgesetzen. Sie schlittern mit einem durchaus gutgemeinten Entschließungsantrag in eine Situation, aus der wir, Österreich insgesamt, möglicherweise nicht mehr herauskommen.

Zum Schluß noch zur Osterweiterung. Niemand möchte irgend jemanden ausschließen, aber es ist die Realität zu berücksichtigen. Und die Realität sieht wie folgt aus: Mit der geplanten Osterweiterung wird die Bevölkerung um mehr als ein Viertel auf nahezu 500 Millionen anwachsen (Bundesrat Konečny: Haben Sie dasselbe Manuskript wie Kollegin Ramsbacher?)  – Herr Kollege, hören Sie nur kurz zu, bitte! –, das Gesamt-BIP jedoch nur auf knapp 5 Prozent. Das müssen wir bezahlen, bitte! Irgendwer muß es bezahlen, wenn Sie schon die Nettozahlposition Österreichs nicht verringern wollen.

Die demographische Struktur der Union wird sich in den kommenden 25 Jahren dramatisch verändern. So wird die Zahl derjenigen, die über 60 Jahre alt sind, um 37 Millionen zunehmen, während die erwerbstätige Bevölkerung um 13 Millionen sinkt. Damit werden auch die Renten-


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und Sozialversicherungssysteme stärkerer Belastung ausgesetzt. So kann auch nicht von der Hand gewiesen werden, daß die Familienzusammenführungen et cetera aller Gruppen von Personen aus den Beitrittsländern, die derzeit ihren Wohnsitz in der Europäischen Union unterhalten, eine gewisse Belastung für die Sozialversicherungssysteme und für die Infrastruktur sowie für den Arbeitsmarkt mit sich bringen. Dieser Problematik ist sich auch die EU-Kommission bewußt, und sie hat das auch zum Ausdruck gebracht. Allerdings hat sie auch darauf keine Antwort gegeben.

Meine Damen und Herren! Wir sollten darauf die Antwort finden, daß wir hier sinnvoll vorgehen und daß Sie nicht einfach sinnlos einen Entschließungsantrag von uns, der durchaus gutgemeint ist, der meiner Meinung nach konkreter ist als der Ihre, abschmettern. Es wäre hoch an der Zeit, Herr Kollege Konečny – ich habe Ihren Namen hoffentlich jetzt richtig ausgesprochen (Bundesrat Konečny: Sie machen Fortschritte, zumindest in dieser Hinsicht!)  –, daß man nicht nur ein schnoddriges Wort hier hört. Sie haben 24 Stunden Zeit, zu überlegen. Überlegen wir gemeinsam! Das wäre sehr gut.

Es geht heute nicht um unsere Fraktion, es geht nicht einmal um Ihre oder um Ihre. Es geht darum, daß wir endlich nicht nur hier im Bundesrat eine gemeinsame Initiative entwickeln, sondern daß wir auch aufzeigen, daß wir diese "Agenda 2000", die vom Grundsatz her nicht schlecht ist, aber überdacht und mit Gefühl angegangen werden muß, zu einem Erfolg bringen wollen. Auch das wollen wir haben, und bitte unterstützen Sie uns dabei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.19

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile es Ihnen.

19.19

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze sei noch einmal der Bereich "Agenda 2000" und die Situation in der Landwirtschaft zusammengefaßt. Ich halte fest, daß die Sorge der freiheitlichen Fraktion im Hinblick auf die Landwirtschaft ist, daß in dieser "Agenda 2000" zuwenig und nicht explizit die Existenzsicherung der heimischen Landwirtschaft behandelt und ausgewiesen wird. Ich halte aber auch fest, daß es nicht die Sorge unserer Bauern ist, daß sie einem neuen Wettbewerb ausgesetzt werden, sondern die Sorge geht dahin, daß künstlich geschaffene Märkte die Chancengleichheit der heimischen Landwirtschaft verschlechtern.

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Kollege Scherb hat in sehr beeindruckender Art und Weise den einstimmigen Beschluß des Oberösterreichischen Landtages und die Aufforderung im Hinblick auf die "Agenda 2000" dargelegt. Ich schlage daher der sozialdemokratischen Fraktion, aber auch der Österreichischen Volkspartei vor, da neue Vertreter des Oberösterreichischen Landtages hier sind, die Abstimmung für diese Vertreter freizustellen. Es ist nicht zu klären, ob diese Resolution und dieser Beschluß eine Bring- oder Holschuld für den Bundesrat, also für die Länderkammer, sind, sondern es wird darüber zu befinden sein, ob wir eine echte Länderkammer sind oder nicht.

Daher noch einmal meine Aufforderung an die sozialdemokratische Fraktion und an die ÖVP: Machen Sie es doch Ihren neuen Kollegen in der Länderkammer nicht so schwer! Geben Sie die Abstimmung frei, damit sie dem Beschluß des Oberösterreichischen Landtages Rechnung tragen können, und zwar in der Form, daß sie Ihrem Entschließungsantrag, der sehr weit gefaßt ist, nicht zuzustimmen brauchen, um Ihrem eigenen Landtag Rechnung tragen zu können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.21

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


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632. Sitzung / Seite 142

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus auf Annahme der beigedruckten Entschließung ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ramsbacher und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend EU-Osterweiterung "Agenda 2000" vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend EU-Osterweiterung "Agenda 2000" ist daher abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 17. Dezember 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 16. Dezember 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.23 Uhr