Stenographisches Protokoll

635. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 15. Jänner 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

635. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Jänner 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Jänner 1998: 9.03 – 22.30 Uhr

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Tagesordnung

1. Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996)

2. Übereinkommen auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich

3. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

4. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

5. Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich

6. Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz – ArtHG)

7. 13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers

8. Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird

9. Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten (ERO) samt Anlagen

10. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit

11. Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll


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635. Sitzung / Seite 2

12. Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Ludwig Bieringer 40

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 9

Angelobung des Bundesrates Mag. Günther Leichtfried 9

Sitzungsunterbrechung 102

Personalien

Entschuldigungen 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 42

Ausschüsse

Zuweisungen 42

Fragestunde

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie 9

Dr. Michael Ludwig (846/M-BR/98); Dr. Peter Böhm, Peter Rodek

Aloisia Fischer (836/M-BR/98); Johanna Schicker, Dr. Reinhard Eugen Bösch

Monika Mühlwerth (843/M-BR/98); Wolfram Vindl, Johanna Schicker

Johann Grillenberger (847/M-BR/98); Mag. John Gudenus, Engelbert Schaufler

Engelbert Schaufler (837/M-BR/98); Johanna Schicker, Mag. Walter Scherb

Johann Kraml (848/M-BR/98); Mag. Walter Scherb, Leopold Steinbichler

Alfred Schöls (838/M-BR/98); Irene Crepaz, Monika Mühlwerth

Helena Ramsbacher (844/M-BR/98); Ing. Peter Polleruhs, Johann Payer

Josef Pfeifer (849/M-BR/98); Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Harald Himmer

Peter Rodek (839/M-BR/98); Erhard Meier, Mag. John Gudenus

Ernst Winter (850/M-BR/98); Mag. Walter Scherb, Mag. Michael Strugl

Mag. Karl Wilfing (840/M-BR/98); Stefan Prähauser, Dr. Peter Harring


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 3

Engelbert Weilharter (845/M-BR/98); Gottfried Jaud, Karl Drochter

Wolfgang Hager (851/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Therese Lukasser

Ing. Walter Grasberger (841/M-BR/98)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Peter Harring, Monika Mühlwerth und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung (1355/J-BR/98)

Begründung: Dr. Reinhard Eugen Bösch 102

Beantwortung: Bundesminister Rudolf Edlinger 104

Redner:

Dr. Peter Böhm 106

Mag. Karl Wilfing 110

Karl Drochter 113

Dr. Peter Harring 115

Monika Mühlwerth 118

DDr. Franz Werner Königshofer 119

Bundesminister Rudolf Edlinger 121

Engelbert Schaufler 124

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung 110

Ablehnung 125

Verhandlungen

(1) Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996) (III-170/BR und 5613/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 43

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 43

Franz Richau 45

und (tatsächliche Berichtigung) 73

Karl Drochter 48

Mag. John Gudenus 50

Alfred Schöls 53

Stefan Prähauser 57

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 64

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 66 und 75

DDr. Franz Werner Königshofer 71

Dr. Susanne Riess-Passer (Erwiderung) 73

Mag. Karl Wilfing 74

Ferdinand Gstöttner 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 78


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635. Sitzung / Seite 4

(2) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (767 und 984/NR sowie 5612 und 5614/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 79

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 79

Gottfried Jaud 80

Mag. Harald Repar 82

Dr. Peter Harring 84

Dr. Milan Linzer 85

Helga Markowitsch 87

Dr. Vincenz Liechtenst


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635. Sitzung / Seite 5

ein 88

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 91

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (343 und 982/NR sowie 5615/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (557 und 983/NR sowie 5616/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 91

[Antrag, zu (3) und (4) 1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Ing. Peter Polleruhs 92

Johann Grillenberger 92

Mag. John Gudenus 93

Engelbert Schaufler 94

Josef Pfeifer 95

Dr. Peter Harring 96

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 98

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (3) den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (4) 1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 99

(5) Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich (III-168/BR sowie 5617/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 100

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Helena Ramsbacher 100

Erhard Meier 125

Ing. Peter Polleruhs 128

Mag. Walter Scherb 132

Johann Kraml 133

Leopold Steinbichler 135

DDr. Franz Werner Königshofer 136

Wolfram Vindl 142

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 147

(6) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz – ArtHG) (839 und 1030/NR sowie 5618/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Walter Scherb 147

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Michael Ludwig 148

Leopold Steinbichler 149

Mag. John Gudenus 149

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 150


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635. Sitzung / Seite 6

(7) 13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers (III-167/BR sowie 5619/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 150

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Engelbert Weilharter 150

Horst Freiberger 152

Mag. Harald Himmer 155

Dr. Peter Harring 156

Dr. Michael Ludwig 157

Peter Rieser 159

Mag. Walter Scherb 161

Johann Grillenberger 161

Franz Wolfinger 163

Dr. Milan Linzer 164

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 168

(8) Beschluß des Nationalrates vom 10. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (944 und 989/NR sowie 5569 und 5620/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 169

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 169

Josef Rauchenberger 171

Dr. Vincenz Liechtenstein 176

Mag. John Gudenus 177

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 180

(9) Beschluß des Nationalrates vom 12. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten (ERO) samt Anlagen (770 und 964/NR sowie 5621/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 180

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ing. Peter Polleruhs 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 181


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635. Sitzung / Seite 7

(10) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit (859 und 1007/NR sowie 5622/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 182

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 182

(11) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll (860 und 967/NR sowie 5623/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 182

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 183

(12) Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten (945 und 968/NR sowie 5624/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 183

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Dr. Peter Böhm 183

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 185

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Dr. Peter Harring, Helena Ramsbacher und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Frage, ob das Bundesministerium für Justiz die schonungslose Aufklärung des Karawankenautobahn-Skandals verzögert und erschwert (1351/J-BR/97)

der Bundesräte Horst Freiberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, Dr. Hannes Farnleitner, betreffend die Umfahrung Großwilfersdorf, Abschnitt B65, Gleisdorfer Straße (1352/J-BR/98)


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635. Sitzung / Seite 8

der Bundesräte Jürgen Weiss, Gottfried Jaud, Ilse Giesinger, Therese Lukasser und Wolfram Vindl an den Bundeskanzler betreffend Information der Landtage über Vorhaben der Europäischen Union (1353/J-BR/98)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Bericht über den Vollzug des Hebammengesetzes (1354/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Peter Harring, Monika Mühlwerth und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung (1355/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1237/AB-BR/97 zu 1336/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen (1238/AB-BR/97 zu 1340/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1239/AB-BR/97 zu 1338/J-BR/97)


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635. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 635. Sitzung des Bundesrates.

Die Amtlichen Protokolle der 633. und 634. Sitzung des Bundesrates vom 17. und 18. Dezember 1997 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich für die heutige Sitzung niemand.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Ulrike Haunschmid und Dr. Paul Tremmel.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat. Ich ersuche die Schriftführerin um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Wie schon aus Termingründen mit Fax der Landtagsdirektion vom 29.12.1997 voraus mitgeteilt wurde, hat Herr Bundesrat Karl Hager mit 31.12.1997 sein Mandat zurückgelegt. Ich teile Ihnen dies der Ordnung halber auf diesem Wege mit und ersuche, den Ersatzmann, Herrn Bürgermeister Mag. Günther Leichtfried, einzuberufen.

Mit freundlichen Grüßen

Franz Romeder"

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich begrüße Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.07 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

 


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635. Sitzung / Seite 10

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 846/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

846/M-BR/98

Welche Position wird Österreich betreffend die Beitrittswerber zur Europäischen Union hinsichtlich der Umweltpolitik einnehmen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die bevorstehende Erweiterung der Union, die in mehreren Wellen ablaufen wird, stellt aus der Sicht der Umwelt – ich betone: gerade aus der Sicht der Umwelt – eine erhebliche Chance für Österreich dar. Aus meiner Sicht überwiegen in diesem Bereich die Vorteile besonders deutlich die Risken. Der Grund dafür ist, daß Österreich eine 1 200 Kilometer lange Grenze mit zumindest einem Teil der Beitrittswerber verbindet. Wir sind daher von den umweltpolitischen Auswirkungen in unseren östlichen Nachbarländern in besonders hohem Maße betroffen, sodaß sich Verbesserungen der Situation der Umwelt bei unseren Nachbarn auf unsere Umwelt auswirken können.

Formell kommt es durch die Gesamtübernahme des Acquis, also des Rechtsbestandes der Europäischen Union, gerade im Umweltbereich zu Verbesserungen. Ich möchte hinzufügen, daß es nicht nur um die Übernahme des Rechtsbestandes in einem ersten Schritt geht, sondern selbstverständlich auch um die Implementierung dieses Rechtsbestandes, um die Umsetzung der konkreten Rechtsakte.

Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen sagen, daß es bezüglich der Umweltgesetzgebung der Beitrittskandidaten durchaus unterschiedliche Fortschritte gibt. So ist im Bereich des Naturschutzes zum Teil ein mit unseren Standards durchaus vergleichbarer Standard gegeben, während in den Bereichen Wasser- und Luftreinhaltung die Standards als weit unter der Hälfte unserer Standards klassifiziert werden müssen.

Ich gehe jedenfalls davon aus, daß durch die Beitrittsverhandlungen – wir wollen, daß es schon während der Beitrittsverhandlungen zu einer Übernahme des Acquis Communautaire in diesem Bereich kommt – die Umsetzung all dessen, was an Umweltoptimierung bei unseren östlichen Nachbarn möglich ist, deutlich beschleunigt wird.

Ich fasse zusammen: Die Auswirkungen der sogenannten Osterweiterung würden und werden sich für Österreich in diesem Bereich so gut wie ausschließlich positiv darstellen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Werden bei den angesprochenen Verhandlungen die grenznahen Atomkraftwerke eine besondere Rolle spielen?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Das werden sie. Wir haben schon auf verschiedensten Ebenen klargemacht – auf bilateraler Ebene bei Treffen mit den Vertretern der Beitrittskandidaten, in Brüssel bei verschiedensten Veranstaltungen, an denen Umweltminister aus den Beitrittskandidatenländern teilgenommen haben –, daß es für Österreich ein besonders Anliegen ist, die Sicherheit Österreichs in dieser Richtung zu verbessern. Wir haben klargemacht, daß es unser Ziel Nummer 1


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635. Sitzung / Seite 11

ist, durch Energieeinsparung, durch einen Umstieg auf andere nachhaltige Energieträger möglichst von der Atomkraft Abstand zu nehmen – unser Ziel ist ein atomkraftfreies Mitteleuropa. Wir wissen allerdings, daß dies in manchen Fällen zumindest kurzfristig nur sehr schwer zu erreichen sein dürfte, und sagen daher dazu, daß für alle nuklearen Installationen, für alle Kernkraftwerke in Beitrittswerberländern jedenfalls zumindest dieselben Sicherheitsprinzipien anzuwenden sein sollen, die in den Mitgliedsländern der Europäischen Union angewendet werden. Das ist gewissermaßen die Mindesterfordernis.

Unser Wunsch Nummer 1 bleibt aber ein kernkraftfreies Mitteleuropa, und das bedeutet letztlich die Stillegung der Atomkraftwerke in den Beitrittskandidatenländern, wobei ich nicht verhehle, daß uns das kurzfristig vermutlich nicht in allen Fällen gelingen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Dr. Böhm, bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wird die österreichische Regierung die terminisierte Abschaltung gefährlicher, weil völlig veralteter Atomkraftwerke zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Beitritt jener ost- und südosteuropäischen Reformstaaten erheben, die solche Atomkraftwerke betreiben, oder wird zumindest – wie angedeutet – die Umrüstung auf den westlichen Sicherheitsstandard, sofern dies überhaupt möglich ist, zur Voraussetzung gemacht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie haben eine wichtige Anmerkung gemacht, nämlich: sofern das überhaupt möglich ist. Österreich hat Zweifel, ob sogenannte Hybridreaktoren, bestehend aus alter russischer und neuer westlicher Technologie – wild zusammengemischt, weil die russische Technologie zum Teil vor Jahrzehnten installiert wurde und Planungsunterlagen in vielen Fällen gar nicht mehr vorliegen, und darauf sollen Siemens, Westinghouse oder wer auch immer draufbauen –, überhaupt möglich sind.

Ganz abgesehen davon wiederhole ich folgendes: Es wird darum gehen, jedenfalls als absolutes Mindestmaß westliche Sicherheitsprinzipien einzufordern. Ich darf Ihnen sagen, daß ich mir gerade aus solchen Ländern, die als klassische Atomkraftbefürworter gelten, wie zum Beispiel Frankreich, aber auch Deutschland, etwas Unterstützung erwarte, da auch diese Länder durch einen Unfall in einem dieser veralteten Kernkraftwerke nicht nur unter Umständen betroffen wären und die niedrigen Standards auch aus deren Sicht, obwohl Kernkraftbefürworter, negativ wäre.

Bei der Durchsetzung westlicher Sicherheitsprinzipien in östlichen Kernkraftwerken sind wir keinesfalls allein. Ich gehe davon aus, daß es uns gelingen wird, diese Bedingung bis zum Beitritt dieser Länder erfüllt zu sehen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erscheint es Ihnen möglich, durch diese von Ihnen schon angesprochene österreichische Positionierung eine generelle Verringerung der Umweltbelastung aus dem Osten, zum Beispiel aus Bratislava, zu erreichen?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Zweifellos. Um ein Beispiel zu bringen, das besonders typisch ist: Schwefeldioxid, die wesentlichste Vorläufersubstanz des sauren Regens. Nur noch 5 Prozent dessen, was an Schwefeldioxid in Österreich immitiert wird, also aus dem sauren Regen kommt, stammt aus österreichischen Emissionen, der Rest, also 95 Prozent, kommen aus dem Ausland.


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635. Sitzung / Seite 12

Die Daten von unserem Umweltbundesamt, aber auch aus anderen Quellen zeigen, daß es da eine deutliche Dominanz unserer östlichen, nordöstlichen und südöstlichen Nachbarländer gibt. Österreich hat durch seine Ost-Umweltförderung in einzelnen Fällen sehr beachtliche SO2-Emissionseinsparungen – weit über 200 000 Tonnen liegend – bei einzelnen Kraftwerkstandorten in der Slowakei und in Tschechien mitfinanziert, mitbegründet. Das ist wichtig und gut, ich meine aber, daß der Beitritt dieser Länder noch weitere Verbesserungen in diesem Bereich bringen wird und daß sich die Immissionssituation, die Umweltbelastung Österreichs insgesamt, primär aber der grenznahen Region, um vieles schneller verbessern wird, als dies ohne Beitritt der Fall wäre.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke.

Wir kommen nunmehr zur 2. Anfrage, 836/M-BR/98, gestellt von Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

836/M-BR/98

Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie aus dem am 17. Oktober 1997 vom VfGH gefällten Erkenntnis zur Familienbesteuerung?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Die wesentlichste Schlußfolgerung ist jene, daß Österreichs Verfassungsrichter gesagt haben, daß die Unterhaltsverpflichtungen von Eltern für ihre Kinder grundsätzlich nicht besteuert werden dürfen. Es gibt dabei einige Einschränkungen, zum Beispiel eine Obergrenze, sodaß gut und sehr gut verdienende Familien diese Unterhaltsverpflichtungen nur bis zu einem bestimmten Wert, nämlich bis maximal 7 000 S pro Kind, steuerfrei haben müssen. Im wesentlichen ist das aber die Botschaft der Verfassungsrichter.

Ich darf Ihnen berichten, daß gestern nachmittag die beiden Koalitionspartner, die Sozialdemokraten und wir, die Verhandlungen aufgenommen haben, um innerhalb der nächsten Wochen zu einem Kompromiß zu finden, der im Rahmen einer Familiensteuerreform einerseits diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis Genüge tut und andererseits – das ist mein primäres Ziel – Österreichs Familien entlastet. Bei allen Differenzen, die vorhanden sind, die ich gar nicht leugnen möchte und die erst auszuräumen sind – das wird nicht einfach sein –, ist es als ein erster Erfolg zu sehen, daß sich die Koalitionspartner darüber einig sind, daß es für Österreichs Familien eine Entlastung von jedenfalls über 10 Milliarden Schilling geben wird. Es geht jetzt noch um den Weg, der zu beschreiten sein wird, um zu dieser Entlastung zu kommen, aber die Zielvorstellung ist klar. Ich denke, das ist als großer Erfolg für Österreichs Familien zu sehen, denn 10 Milliarden Schilling sind viel Geld, vor allem für die einkommensschwachen Familien, für Mehrkinderfamilien, Alleinerzieherfamilien, die diese Mittel dringend brauchen, um nicht zu Verlierern in unserer Wohlstandsgesellschaft zu werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Johanna Schicker.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben uns gerade erläutert, daß es gestern zu den ersten Verhandlungen gekommen ist und es jetzt nur noch um den Weg geht, den wir zu beschreiten haben, der gut für unsere Familien sein sollte.

Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Thema nur in Erinnerung rufen, daß 60 Prozent der österreichischen Familien Einkindfamilien sind, 30 Prozent Familien mit zwei Kindern und nur 10 Prozent Familien mit mehr Kindern; und von diesen 10 Prozent kann man tatsächlich nicht behaupten, daß alle unter die Armutsgrenze fallen.


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Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Warum können Sie auf den SPÖ-Vorschlag nicht eingehen, nämlich für jene Familien mit mehr Kindern einen Härteausgleich zu schaffen, der diesen auch zusteht, aber nicht die Reichen reicher zu machen?


Bundesrat
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Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich meine, daß eine Mehrkinderstaffel, die für das zweite Kind einen um 175 S pro Monat höheren Kinderabsetzbetrag als für das erste vorsieht und für das dritte Kind und für alle weiteren Kinder einen um 350 S pro Monat höheren Absetzbetrag, nicht in den Geruch kommen kann – auch nicht in Extremfällen –, irgend jemanden reicher zu machen.

Ich möchte aber die von Ihnen geäußerte Zahl schon relativieren, nämlich insofern, als von den etwas über 50 Prozent der Kinder, die in Einkindfamilien leben, ein gut Teil später Geschwister dazubekommt, sodaß von insgesamt rund 1,1 Millionen Kinder rund 300 000 Kinder permanent in Einkindfamilien aufwachsen. Die weitaus überwiegende Zahl der Familien, nämlich 800 000, sind letztlich Mehrkinderfamilien.

Ich möchte aber auch sagen, daß es aus familienpolitischer und auch sozialpolitischer Sicht nicht darum gehen kann, wo sich 90 Prozent der Familien befinden, sondern wo Bedürftigkeit und familienpolitische Notwendigkeiten gegeben sind. Das ist für mich das Wesentliche. Dabei geht es darum, anzuerkennen, daß mehr Kinder zu haben in diesem Land leider Gottes zunehmend zu einem Armutsrisiko geworden ist. Eindeutige Zahlen sagen uns, daß beispielsweise auf Basis einer Alleinverdienerfamilie das Armutsrisiko mit zwei Kindern bereits bei etwas über einem Viertel liegt – 28 Prozent dieser Familien liegen an oder unter der Armutsgrenze –, wenn eine Alleinverdienerfamilie dann drei Kinder hat, liegt das Risiko schon fast bei der Hälfte, nämlich bei rund 46 Prozent.

Daher ist es, so glaube ich, notwendig, weiterhin etwas für Mehrkinderfamilien zu tun, und ich darf daran erinnern, daß es die Koalitionspartner gemeinsam waren, die 1992/93 diese Mehrkinderstaffel aus gutem Grund eingeführt haben. Ich meine, man sollte sie jetzt nicht abschaffen, um dann wiederum etwa dieselbe Summe Geldes einem Teil der Familien zurückzugeben. Das hielte ich für den falschen Weg.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Spielt in Ihrer Überlegung die Variante des Familiensplittings auch eine Rolle? Würden Sie diese Lösung, in der sich die Steuerleistung unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens im wesentlichen an der Anzahl der Familienmitglieder ausrichtet, für verfassungskonform halten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Diese von Ihrer Fraktion immer wieder in Diskussion gebrachte Variante spielt bei unseren Verhandlungen keine Rolle, und zwar deswegen, weil wir uns – das betrifft sowohl die sozialdemokratische als auch meine christdemokratische Fraktion – frühzeitig auf eine Beibehaltung der Individualbesteuerung und auf einen Ausbau der zur Verfügung stehenden Instrumente – Absetzbeträge und ähnliches mehr – festgelegt haben.

Ich sage aber, daß das von Ihnen diskutierte Modell durchaus eine Denkvariante ist, die ich nicht als absolut unsinnig abtun will. Bloß ist es in der politischen Meinungsbildung zweckmäßig, sich auf Punkte zu einigen und letztlich auch von dem Ist-Zustand auszugehen. Der Ist-Zustand der Individualbesteuerung, den Österreich seit jetzt fast drei Jahrzehnten kennt, wird von einer breiten Mehrheit als positiv erachtet, sodaß ich unter dem Strich keine Notwendigkeit sehe, davon abzugehen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage, 843/M-BR/98, gestellt von Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

843/M-BR/98

Welche konkreten Schritte werden Sie hinsichtlich der durch das VfGH-Erkenntnis angeordneten Reform der Familienbesteuerung unternehmen, sollte innerhalb der Koalition keine Übereinstimmung über die Finanzierung der daraus entstehenden Mehrkosten von 10 Milliarden Schilling erzielt werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich gehe davon aus – ich bin nach unseren Gesprächen auch optimistischer als noch vorher –, daß die Koalition diesbezüglich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen wird und daß der Herr Finanzminister im März dieses Jahres sein Budget 1999 dem Hohen Haus unter Berücksichtigung der Familiensteuerreform 1998 vorlegen wird können. Sollte es wider Erwarten zu keinem Ergebnis kommen – ich betone deutlich: wider Erwarten –, dann würden die entsprechenden Gesetzesstellen, die der Verfassungsgerichtshof per 1. Jänner 1999 aufgehoben hat, aufgehoben bleiben.

Das würde jedenfalls eine weitgehende steuerliche Absetzbarkeit von Kinderkosten zur Folge haben und würde im Verhältnis der Steuerprogression, der unsere Bürger und unsere Steuerpflichtigen unterliegen, eben den Eltern und Familien im unterschiedlichen Ausmaß zugute kommen. Das ist aber nicht mein Ziel, sondern – ich wiederhole – ich gehe davon aus und bin optimistisch, daß es ein Ergebnis der Koalitionspartner zu diesem sehr wichtigen Punkt und Thema geben wird – und das innerhalb einiger Wochen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Sie haben davon gesprochen, daß man in dieser Frage natürlich Kompromisse wird schließen müssen, und das Geld dafür wird von irgendwo herkommen müssen. Der Herr Finanzminister hat schon begehrliche Blicke auf den Familienlastenausgleichsfonds gerichtet – Sie haben es abgelehnt, Sie haben gesagt: Hände weg vom FLAF! –, und daher frage ich Sie jetzt: Können Sie sich vorstellen, hier einen Kompromiß einzugehen, oder werden Sie in dieser Sache hart bleiben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Die Aufgabe, die der Verfassungsgerichtshof uns gestellt hat, ist die einer Familiensteuerreform. Es sind entsprechende Teile von Steuergesetzen aufgehoben worden. Ich meine daher, daß die Erhöhung der Familienbeihilfe allein keine ausreichende Antwort ist, um dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu genügen. Es geht nicht nur darum, woher jetzt diese sehr beachtliche Summe von 10 Milliarden Schilling zu finanzieren sein wird – das ist ebenso beachtlich wie schwierig –, sondern es geht auch darum, eine verfassungskonforme Lösung zu finden, und eine verfassungskonforme Lösung wird jedenfalls auch und in hohem Maße steuerliche Instrumente brauchen.

Wir wollen in diesen nächsten Wochen im Hohen Haus eine Vorlage zur Beschlußfassung bringen, die – wie der Herr Finanzminister gestern gesagt hat – mit an Sicherheit grenzender Wahr


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635. Sitzung / Seite 15

scheinlichkeit von den Verfassungsrichtern beachtet wird – in dem Sinne, daß eine neuerliche Aufhebung nicht mehr Platz greift.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfram Vindl gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die SPÖ hat sich in ihrer letzten Klubklausur sehr ausführlich mit der Frage der Familienbesteuerung befaßt. (Beifall des Bundesrates Konečny. – Bundesrätin Crepaz: Im Unterschied zu Ihnen! Wir haben uns damit befaßt!) Wie beurteilen Sie diese Vorschläge der SPÖ-Fraktion?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Danke, Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesrat! Die Vorschläge der Sozialdemokraten sind mir nicht nur auf dem üblichen Medienweg aus Salzburg mitgeteilt worden, sondern gestern gewissermaßen auch offiziell überreicht, präsentiert und interpretiert worden. Ich habe schon gesagt, daß dieser Punkt, Abschaffung der Mehrkinderstaffel, mir nicht verhandelbar scheint. Warum? – Weil diese Regelung vor vier Jahren aus gutem Grund eingeführt wurde und weil Mehrkinderfamilien unserer besonderen Hilfe bedürfen.

Darüber hinaus meine ich auch, daß, ausgehend vom Status quo, eine Familiensteuerreform, die dem ersten Kind mehr bringen würde, nämlich 500 S pro Monat, für das zweite dann nur mehr 325 S und für das dritte 150 S, den Anschein eines Malus für das zweite und dritte Kind hätte. Das ist für mich nicht nachvollziehbar und nicht statthaft.

Abgesehen davon meine ich, daß die Vorschläge der Sozialdemokraten mit einem Volumen von 9 bis 10 Milliarden Schilling – Details sind noch zu besprechen – insgesamt jedenfalls positiv zu bewerten sind, weil das eben heißt, daß sich die beiden Regierungsfraktionen in eine Richtung bewegen, die Familien um rund 10 Milliarden Schilling zu entlasten. Die Finanzierungsfrage ist eine heikle, aber es wäre auch an ein Wunder grenzend, wenn in Zeiten der Konsolidierung, in Zeiten des Haltens des Maastricht-Kurses – wir müssen ihn nicht einschlagen, wir müssen ihn jetzt halten, wir sind auf Maastricht-Kurs – 10 Milliarden Schilling sehr leicht aus dem Hut gezaubert werden könnten, aber Finanzminister Edlinger und ich sind nicht nur guten Mutes, sondern wir werden uns bemühen, zu einer Lösung zu kommen, und ich bin optimistisch, daß eine solche Lösung möglich sein wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Mein Vorredner, Herr Bundesrat Vindl, hat betont, die SPÖ hat es für wert und wichtig empfunden, sich bei ihrer Klausurtagung dieses Problems anzunehmen, des Problems der Finanzierung unserer Familien.

Ich möchte – auch im Hinblick auf die Frage meiner Vorrednerin, Bundesrätin Mühlwerth – Sie, Herr Bundesminister, darauf hinweisen, daß bekanntlich im Jahre 1999 im Familienlastenausgleichsfonds 3 Milliarden Schilling und im Jahre 2000 voraussichtlich 9 Milliarden Schilling übrigbleiben werden. Es wäre unverständlich für viele, die Hilfestellungen für die Familien nicht aus diesem Familienlastenausgleichsfonds zu nehmen, sondern neuerlich das Budget zu belasten.

Ich frage Sie nun, Herr Bundesminister: Warum man kann man das nicht trotz des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes aus dem Familienlastenausgleichsfonds nehmen, beziehungsweise warum wollen Sie es nicht tun?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Verehrte Frau Bundesrätin! Zum einen darf ich Ihnen schon sagen, daß, so erfreulich die Befassung der sozialdemokratischen Fraktion mit dem Thema Familie, Familiensteuerreform bei deren Klubklausur auch ist, hier schon auch angemerkt werden soll, daß seitens der christdemokratischen Fraktion, der ÖVP, die Vorschläge vor Jahresfrist, nämlich bei unserem Dreikönigstreffen in Goldegg im Jänner 1997, gefaßt worden sind.

Aber sei’s drum! Die Vorschläge liegen jetzt auf Tisch. (Bundesrätin Crepaz: Vor dem Urteil war das aber!) Wir haben uns schon vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes damit beschäftigt, sehr verehrte Frau Bundesrätin (Beifall bei der ÖVP), allerdings nach dem Unterbrechungsbeschluß vom Juni 1996, weil wir aus diesem Unterbrechungsbeschluß herausgelesen haben, daß es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zu einer Aufhebung der entsprechenden Steuerparagraphen kommen wird. Wir haben also vorgebaut und zu einem recht frühen Zeitraum schon unsere Position erarbeitet. Aber darum geht es nicht, sondern die Frage der Frau Bundesrätin ging in Richtung Finanzierung, FLAF und Überschüsse.

Aus meiner Sicht und entsprechend den uns vorliegenden Zahlen – das hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und da spielen geringste Abweichungen bereits eine relativ große Rolle – wird der FLAF nach Rückzahlung der Schulden im Jahr 1999 einen Überschuß von 2,8 Milliarden, im Jahr 2000 dann von 8,7 Milliarden Schilling haben. Das kann sich allerdings durchaus um einige hundert Millionen Schilling nach oben, aber theoretisch auch nach unten verändern.

Der FLAF ist keine Sparbüchse von mir persönlich – ganz im Gegenteil –, er soll auch keine Sparbüchse für irgend jemand anderen sein, sondern jeder Schilling des FLAF soll für Österreichs Familien ausgegeben werden – und das so schnell wie möglich. Die Familien brauchen es! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe daher schon vor einigen Wochen der Öffentlichkeit gesagt, daß die Familienbeihilfe, die zentrale Säule der Familientransferleistungen in Österreich, seit 1990 nicht mehr erhöht worden ist oder, besser gesagt, sie ist einmal um 100 S erhöht worden und mußte im Zuge des Sparpaketes leider Gottes wieder um 100 S gekürzt werden.

Das, was dringend not tut, sehr verehrte Frau Bundesrätin, ist daher ein Nachziehen der Erhöhung der Familienbeihilfe. Andere irgendwie vergleichbare Leistungen sind gegenüber 1990 valorisiert worden: das Karenzgeld um knapp 20 Prozent, die Ausgleichszulagenrichtsätze – also die Mindestpension, wenn Sie so wollen – um über 40 Prozent. Der Verbraucherpreisindex ist im gegenständlichen Zeitraum um gut 20 Prozent gestiegen. Es gibt sehr gute Gründe, die Familienbeihilfe zu erhöhen.

So gesehen freue ich mich über den Beschluß der sozialdemokratischen Klubklausur, die Familienbeihilfe ebenfalls erhöhen zu wollen. Dafür stehe ich zur Verfügung, bloß kann das alleine nicht die Familiensteuerreform ausmachen. Es gibt viele Experten, die meinen – auch ein heutiger Kommentar in einer großen österreichischen Tageszeitung sagt das wiederum –, allein die Erhöhung der Familienbeihilfe wäre mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verfassungskonform. Wir müssen uns daher mehr als nur das überlegen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 4. Anfrage,


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635. Sitzung / Seite 17

847/M-BR/98, gestellt von Herrn Bundesrat Johann Grillenberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

847/M-BR/98

Welche neuen Schritte planen Sie hinsichtlich der Reduktion klimarelevanter Gase nach der Konferenz von Kyoto?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ich bedanke mich herzlich für diese Frage, weil der Post-Kyoto-Prozeß sehr entscheidend sein wird. Es haben sich Amerikas Vizepräsident Al Gore und die Amerikaner insgesamt in den letzten Wochen und Monaten wahrlich nicht als sehr verantwortliche Klimaschützer betragen. Es hat Al Gore in Kyoto gesagt, daß 1997 das wärmste Jahr in der Geschichte der Menschheit, jedenfalls seitdem irgendwelche Messungen dokumentiert werden, war. Er konnte das schon drei Wochen vor dem Jahreswechsel sagen. Als ob es eines Beweises für unsere Region bedurft hätte, sind auch bei uns die Temperaturen in diesem Winter ganz außerordentlich hoch.

Es wird notwendig sein, die Beschlüsse von Kyoto voll und ganz umzusetzen, und so wie in Österreich berechnet man jetzt in allen Industrieländern dieser Welt, wie man es durchführen wird. Insgesamt bedeutet der Beschluß von Kyoto für die Industrieländer, daß bis zum Jahre 2010 gegenüber dem Stand von 1990 eine Reduktion der klimarelevanten Gase um 5,2 Prozent erreicht werden soll. Österreich selbst hat, so wie alle EU-Länder, in Kyoto eine 8-Prozent-Reduktion der sechs Treibhausgase unterschrieben.

Man muß jetzt sehr aufpassen, daß man das Kohlendioxid, also das wesentliche Treibhausgas, die beiden anderen wesentlichen Gase, nämlich Methan und Lachgas, und die drei weiteren Fluoride, die in diesem Topf enthalten sind, nicht vermengt und die Zahlen durcheinanderbringt. Alles, was in Kyoto beschlossen worden ist, bezieht sich auf diesen Korb von sechs Gasen.

Ich selbst meine, daß wir in Österreich jedenfalls an dem Toronto-Ziel festhalten sollten – wir haben das aus guten Grund mehrfach im Nationalrat, im Bundesrat, in der Regierung beschlossen; das ist eine Selbstverpflichtung, das sind wir uns selbst schuldig –, bis zum Jahre 2005 das Kohlendioxid um 20 Prozent zu reduzieren.

Ich erwarte mir für die nächsten Monate, aber spätestens bis zum Juni, daß es auf EU-Ebene zu einer Neuverteilung der Lasten – manche sagen auch: der Chancen – aus dem Beschluß von Kyoto kommt. Österreich ist innerhalb der EU-Verhandlungsposition mit einer Minus-25-Prozent-Reduktion per 2010 nach Kyoto gegangen – jetzt allerdings wiederum für drei Treibhausgase: Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Das entspricht im wesentlichen der Umsetzung des Toronto-Ziels; gemäß unserer nationalen Selbstverpflichtung allerdings bis zum Jahre 2005.

Das wird neu zu verhandeln sein. Ich erwarte mir von großen Ländern wie Großbritannien, wie insbesondere auch Frankreich nach dem dortigen Regierungswechsel – das Umweltressort wird von einer grünen Ministerin, von Dominique Voynet, geführt – verstärkte Verpflichtungen. Ich gehe auch davon aus, daß Steigerungsquoten innerhalb der sogenannten EU-Glocke, wie etwa diejenige von Portugal mit plus 40 Prozent, überdacht werden sollten, weil außerhalb der Europäischen Union kein vergleichbarer Wert für ein vergleichbares Industrieland gegeben ist. Ich meine daher, daß hart gearbeitet werden muß, um innerhalb des ersten Halbjahres 1998 zu wissen: Wie setzten wir Kyoto konkret um – in Österreich, in der Europäischen Union und auch anderswo?

Offen ist der Ratifizierungsprozeß. Das Kyoto-Protokoll im Rahmen der Klimaschutzkonvention hängt auch davon ab, ob es ratifiziert wird. Auch Österreich wird die Ratifizierung an bestimmte Bedingungen knüpfen. Ich werde dem Hohes Haus eine Ratifizierung sicher nur dann empfehlen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen, insbesondere für den Handel von Emissionszertifikaten, so gestaltet sind, daß sich nicht die einen und die anderen billig zusammenfinden und das tun, was ohnehin sonst auch getan worden wäre, sondern das muß sinnvoll sein. Die Rahmenbedingungen hiefür müssen erst noch erarbeitet werden.


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Eine Schlüsselstellung dabei wird der amerikanische Senat einnehmen. Dort stehen die Zeichen bisher nicht auf Ratifizierung. Ich bin daher froh, daß wir noch in der letzten Verhandlungsnacht in Kyoto zu eine Position gekommen sind, die den Amerikanern kein Vetorecht einräumt. Das heißt, ein Ratifizierung des Kyoto-Protokolls ist ohne Zustimmung der Amerikaner möglich. Das verbessert die Chancen, daß der Senat zustimmt, denn ein Vetorecht mit einem Zu-Fall-Bringen des Kyoto-Protokolls hätte mancher Stimme in Amerika vermutlich mehr Auftrieb gegeben. Die jetzige Situation, sehr verehrter Bundesrat, ließe die Amerikaner draußen. Das Protokoll würde in Kraft treten, die Amerikaner wären draußen, und ich hoffe, daß Sie das denn doch nicht so gerne haben möchten.

Diese Frage wird allerdings erst in den nächsten zwei, drei Jahren zu beantworten sein, weil der Ratifizierungsprozeß – nicht nur in Österreich, sondern auch anderswo – nicht innerhalb von einigen Monaten zu gestalten ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Wie groß ist der österreichische Anteil an der Emission unbestritten wissenschaftlich abgesicherter klimarelevanter Gase?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Der Österreich-Anteil liegt – wie auch nicht anders zu erwarten – im Promille-Bereich. Natürlich spielt Österreich mit einer Bevölkerung von 8 Millionen Einwohnern, obwohl es ein Industrieland ist, keine große Rolle und will auch keine große Rolle spielen. Aber wir können darauf stolz sein, daß die Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Österreich im internationalen Vergleich, sehr geehrter Herr Bundesrat, gering sind. Ein Land, das auf die Atomkraft verzichtet und mit rund 7 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr auskommt, kann auf internationaler Ebene aufstehen und sagen: Seht her, wir können das! Trotzdem haben wir viel Wohlstand, haben eine Industriegesellschaft, sind ein gutes Land im besten Sinne des Wortes!

Im Vergleich dazu haben die Amerikaner Pro-Kopf-CO2-Emissionswerte von knapp 20 Tonnen; die letzte Zahl, die mir zugegangen ist, waren 19,8 Tonnen pro Amerikaner und Jahr. Das ist fast der dreifache Wert, der auf einen Österreicher entfällt. Der EU-Durchschnitt liegt bei ungefähr 10 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrates Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die weltweite Reduktion von schädigenden Einflüssen ist allen umweltbewußten Menschen ein Anliegen. Es sind jedoch auch Maßnahmen im engeren Bereich zu setzen.

Welche weitere Vorgangsweise ist auf EU-Ebene geplant?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Um das, was ich gesagt habe, näher zu präzisieren und zu verdeutlichen: Es geht jetzt darum, in den Umwelträten in den Monaten März und dann Juni zu einer Beschlußfassung zu kommen, um die Lasten und, wie ich es bezeichne, Chancenaufteilung neu zu verhandeln. Das hat im Lichte der Ergebnisse von Kyoto zu erfolgen.


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Aber mindestens ebenso wichtig ist das, was politisch auf EU-Ebene geschieht. Es ist das Minus-8-Prozent-Reduktionsziel von der Europäischen Union als Gesamtheit zu erfüllen. Es ist gut, daß es ein "Grünbuch" der Europäischen Union zum Thema "Erneuerbare Energieträger" gibt. Nicht nur, daß mit durchaus verkraftbaren Investitionsmitteln Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen werden können, ist auch die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energieträger an der Primärenergieversorgung der Europäischen Union von 6 auf 12 Prozent schon ein sehr wichtiges Medium, um das Kyoto-Ziel im Rahmen der Europäischen Union zu erreichen.

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß Österreich zirka 27 Prozent seiner Primärenergie aus erneuerbaren Energieträgern bezieht, während dieser Anteil in der Europäischen Union zirka 6 Prozent beträgt. Die Zielvorstellung liegt bei 12 Prozent.

Es wird aber auch darum gehen, beim Energieverbrauch so sparsam wie möglich vorzugehen. Vieles ist da national, noch mehr aber international zu lösen. Es wurde von mir die Initiative ergriffen, in Richtung einer Verbrauchsabsenkung der Automobile tätig zu werden. Es wird in den nächsten Monaten aufgrund dieser österreichischen Initiative zu einem Richtlinienentwurf der Kommission kommen, der ein 5-Liter-Auto bis zum Jahr 2005 ermöglichen soll.

Also es wird einen Mix von Maßnahmen geben müssen, der auf der einen Seite die Verwendung erneuerbarer Energieträger – ich erwähne vor allem die Biomasse, die wir in Österreich einsetzen, was wir in Zukunft noch stärker tun sollten – forciert und auf der anderen Seite bewirkt, daß das, was an fossilen Energieträgern natürlich weiterhin Einsatz finden muß, denn das kann nicht innerhalb von wenigen Jahren völlig umgedreht werden, so sparsam wie möglich eingesetzt wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 5. Anfrage, 837/M-BR/98, die von Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler gestellt wird. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

837/M-BR/98

Planen Sie auf Bundesebene ein Auszeichnungssystem für familienfreundliche Betriebe, wie es bereits in vier Bundesländern (NÖ, OÖ, Wien und Steiermark) in Form von Wettbewerben erfolgreich durchgeführt wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es ist richtig, daß es – in diesem Fall ausgehend von der Steiermark; das darf ich als aus der Steiermark kommender Minister in diesem föderalen Hause sagen – zur Gründung von Wettbewerben für frauen- und familienfreundliche Unternehmungen gekommen ist. Die Steiermark, Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und in Zukunft auch Salzburg führen solche Wettbewerbe durch. Ich halte das für eine gute Sache, möchte das auf die Bundesebene ausgeweitet wissen und möchte auch einen bundesweiten Wettbewerb hiezu gestalten, sodaß dann in absehbarer Zeit auch ein Bundessieger aus dem Kreise der Landessieger gekürt werden kann.

Dazu ist es, wie ich meine, aber zweckmäßig, daß man insgesamt mehr Familienfreundlichkeit in unsere Unternehmungen hineinbringt. Es ist für junge Frauen und Mütter oder auch junge Frauen, die vor dieser Entscheidung stehen, eine ganz entscheidende Sache, wieviel Verfügungsmöglichkeit sie über ihre Arbeitszeit haben, wie familienfreundlich der Arbeitsplatz ist. In dieser Hinsicht sind wir im europäischen Durchschnitt sicher nicht an vorderster Stelle. Wir wollen daher durch eine Familienauditierung, das heißt durch eine Beratung, vorgeschaltet aber durch eine Analyse, Unternehmungen zeigen, wie man mit verhältnismäßig einfachen Mitteln familienfreundlicher werden kann.


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Es ist dies auch ein Aspekt der Flexibilisierung von Arbeitszeit. Ich wiederhole: Der Schlüssel für Österreichs Frauen ist da vor allem die möglichst hohe Verfügbarkeit über ihre eigene Arbeitszeit. Moderne Formen der Telekommunikation und letztlich auch eine andere Auffassung von Leistung am Arbeitsplatz – und zwar soll nicht mehr ausschlaggebend sein, wie lange man am Arbeitsplatz anwesend ist, sondern was an Ergebnis herauskommt – sollen dies erleichtern. (Bundesrätin Crepaz: Auch die Väter werden dazu notwendig sein!)

Ich gehe auf Ihren Zwischenruf, Frau Bundesrätin, sehr gerne ein: Natürlich ist das auch auf Männer und Väter gemünzt. Aber wir wissen, daß das Karenzjahr zu 99 Prozent von Frauen in Anspruch genommen wird und die 1-Prozent-Grenze von Männern noch nicht durchschritten wurde.

Auf jeden Fall ist wünschenswert, daß die familienfreundlichen Unternehmungen für Frau und Mann dereinst dasselbe Programm offerieren können. Heute muß man aber vor allem einmal die Praxis anerkennen, die zeigt, daß Familienarbeit, Erziehungsarbeit, die Verantwortung für das Kind in hohem Maße – in zu hohem Maße, wie ich meine – bei den Frauen liegt. Daher muß man jetzt vor allem die Familienfreundlichkeit im Hinblick auf Frauen im Kopf haben – ohne aber die Männer von einer stärkeren Einbindung abhalten zu wollen. Ganz im Gegenteil! Das gehört forciert.

Zurück zu Ihrer Frage, Herr Bundesrat: Es wurden bis jetzt zehn Unternehmungen ausgewählt, die im Rahmen eines Pilotprojektes familienauditiert werden. Wir sind mit dieser Aktivität etwa gleich mit den Deutschen und den Amerikanern, und meine Vision – ich bin der Meinung, daß man auch in der Politik Visionen haben darf – ist, daß man – ich beziehe meinen Optimismus aus dem Umweltbereich – in zwei, drei, vier Jahren soweit ist, daß die Familienauditierung, so wie dies bei der Öko-Auditierung in vielen Unternehmungen heute schon der Fall ist, für viele Unternehmungen zum guten Ton gehört, wobei ich, wenn ich "Unternehmungen" sage, meine, daß es familienfreundliche Arbeitszeiten nicht nur in der Wirtschaft geben soll, sondern natürlich auch in allen Ämter, in allen Behörden, was heißt, daß kein Arbeitsplatz, auch nicht jene im Hohen Hause, davon ausgenommen werden soll.

Ich darf hinzufügen: Ich war vor einigen Tagen mit Frau Frauenministerin Prammer im Parlamentskindergarten. Das ist ein sehr wichtiges Instrument für mehr Familienfreundlichkeit in einem Unternehmen. Wo die kritische Masse von Mitarbeitern erreicht ist, sind Betriebskindergärten sehr wichtig und wertvoll, weil sich dadurch natürlich Väter und Mütter aufgrund der guten Unterbringung ihrer Sprößlinge ein bißchen leichter tun und mit gutem Gewissen arbeiten können.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich kann das, was Sie gesagt haben, nur bestätigen. Auch ich habe mich namens meiner Gemeinde an der Aktion in der Steiermark beteiligt, wurde auch mit einer Urkunde bedankt – sie ist mir erst vor kurzem zugeschickt worden –, und ich meine, es ist eine gute Einrichtung, und es wäre auch sinnvoll, sie auf Bundesebene auszudehnen beziehungsweise auch in anderen Bundesländern einzuführen.

Was ich jedoch nicht sehr gut finde, Herr Bundesminister, ist – ich habe eine diesbezügliche Unterlage – die Zusammensetzung des dafür zuständigen Bundeskomitees. Aus Gründen der Objektivierung hielte ich es für sinnvoller, wenn außer Politikern der ÖVP auch andere Persönlichkeiten diesem Bundeskomitee angehören würden. Ich wiederhole: Aus Gründen der Objektivierung hielte ich das für sinnvoller!

Herr Bundesminister! Sie stehen an der Spitze dieses Bundeskomitees. Ich darf zu dem Entschluß gratulieren, solche Wettbewerbe durchzuführen, weil dadurch einiges weitergeht. In meiner Gemeinde konnte ich nur einen kleinen Beitrag leisten: Ich habe einen Vollarbeitsplatz


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für Frauen in zwei Teilarbeitsplätze umändern können, weil Frauen durch Kinderbetreuung nicht mehr in der Lage waren, einen Vollarbeitsplatz auszufüllen. – Danke.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister!

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich darf Ihnen zu Ihrer ersten Anmerkung gratulieren. Ich bin der Meinung, daß das keine fraktionsinterne Initiative sein soll. In der Tat ist es so, daß in diesem Fall diese Initiative von einigen Aktivistinnen ausgegangen ist. Ich meine, daß man solche Initiativen – egal, woher sie auch kommen mögen – unterstützen soll, wozu ich mich gerne bereit erkläre. Es ist das eine typische Sache, bei der die Behörde aus sich heraus vermutlich nicht optimal eingesetzt wäre, nämlich die Behörde im Sinne des Familienressorts. Daher bin ich froh, daß es solche private Initiativen gibt, woher auch immer sie kommen mögen. Wir werden sie gerne fördern. Wenn Sie selbst Vorschläge einzubringen haben, so tun Sie das bitte!

Ich bin jemand, der der Fraktionszuordnung, und zwar gerade dann, wenn es um private Initiativen von Bürgern in diesem Land geht, sehr wenig Stellenwert beimißt. Ich möchte darüber hinaus darauf hinweisen, daß vieles an Politik und vieles an Unterstützung durch das Familienressort, und zwar auch die Weitergabe von Steuermitteln, in Wahrheit selbstverständlich fraktionsübergreifend geschieht. Die meisten der Initiativen, die von uns unterstützt werden, können Gott sei Dank gar nicht fraktionsmäßig zugeordnet werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Scherb.

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Telearbeit gewinnt international immer mehr an Bedeutung, weil dadurch Elternteile von zu Hause aus neben der Betreuung der Kinder arbeiten können.

Welche Bedeutung hat die Telearbeit in Österreich, und wie wird sie von Ihnen gefördert werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Ich habe schon erwähnt, daß moderne Mittel der Telekommunikation die Aufgabe, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, sicherlich erleichtern. Ich persönlich bin der Auffassung, daß die reine Telearbeit, sprich: zu 100 Prozent die Tätigkeit mittels PC und mittels Datenverbund zum Büro, auch in Zukunft nur einen geringen Prozentsatz ausmachen wird, daß aber insbesondere die Kombination aus Telearbeit zu Hause oder von wo auch immer und Anwesenheit im Büro, im Unternehmen, im Amt die Zukunft sein wird, daß also die Zukunft eher darin besteht, daß Arbeitnehmer oder insgesamt Bürger vielleicht statt, wie heute, 40 Stunden nur mehr 20, 25 Stunden irgendwann einmal in ihren Büros anwesend sein müssen und den Rest ihrer Tätigkeit sehr angenehm und bequem eben zum Teil auch von zu Hause aus ausführen können.

Meines Wissens gibt es zur reinen Telearbeit Pilotprojekte auch großer, aus dem Bereich der EDV stammender Unternehmungen. Wir werden Projekte, die an uns herangetragen werden, gerne unterstützen, werden allerdings prüfen, ob wir dafür alleine zuständig sind. Ich meine, daß da eine ressortübergreifende Unterstützung und damit auch Kofinanzierung zweckmäßig wäre.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 848/M-BR/98, die Herr


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Bundesrat Johann Kraml stellen wird. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

848/M-BR/98

Wie beurteilen Sie den Erfolg freiwilliger Umweltvereinbarungen in Österreich?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Wenn es zu ihrem Zustandekommen kommt und sie funktionieren, positiv. Ich meine, Herr Bundesrat, daß freiwillige Vereinbarungen prinzipiell zweckmäßig sind, daß es sich aber für die politische Seite immer empfiehlt – das zeigt die Erfahrung nicht nur in Österreich –, auch einen Entwurf für ordnungspolitische Maßnahmen in der Lade zu haben.

Wir haben in Österreich mehr als 20 freiwillige Vereinbarungen, die vor allem den Bereich der Rücknahme von Altmaterialien umfassen; insbesondere betrifft das Altautos, bestimmte Chemikalien wie PVC und anderes. Ich sage aber dazu, daß freiwillige Vereinbarungen alleine nicht ausreichend sind, daß sie aber im Mix einer modernen Umweltpolitik sicher einen Platz haben. Ich würde mich freuen, wenn wir zu noch mehr freiwilligen Vereinbarungen auf Branchenebene kommen würden, als es bisher der Fall war.

Das, was es in diesem Bereich in Österreich leichter macht, ist, daß man über die Kammerstrukturen alle Unternehmungen erfassen und mit einem Fachverband, mit einer Gruppe von Unternehmungen relativ rasch eine umfassende Lösung finden und dann eine Vereinbarung abschließen kann. Das ist in anderen Ländern, die diese Struktur nicht haben, nicht unbedingt der Fall.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im ersten Quartal 1997 beantragten viele private Sammel-, Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaften die bescheidmäßige Zulassung von gewerblichen und haushaltsnahen Sammelsystemen. In den jeweiligen Anträgen wurde von den potentiellen Systembetreibern schon höhere Sammelquoten und Verwertungsquoten angeboten, als von der EU zum Beispiel gefordert werden. Diese Sammelsysteme können nur dann mit einem "vernünftigen" Kostenaufwand betrieben werden, wenn die Sammel- und Verwertungsquoten realistisch festgesetzt werden.

Werden die Sammel- und Verwertungsquoten, die in den Bescheiden von Ihnen festzusetzen sind, realistisch festgesetzt werden, und wann werden die Bescheide an die potentiellen Systembetreiber ergehen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Wir bemühen uns, einerseits realistische, andererseits aber auch ambitionierte Sammel- und Verwertungsquoten festzusetzen, nehmen dabei auch auf die Realität der Wirtschaft in jeder Hinsicht Bezug. Es ist so, daß die ersten Bescheide von meinem Haus erlassen wurden, daß also die Umsetzung der Verpackungsverordnungs-Novelle in diesem Bereich jetzt Platz greift. Wir sind dem Ziel, in möglichst vielen Bereichen auch Wettbewerb und damit optimierte Leistung, hoffentlich auch niedrigere Kosten, zu bewerkstelligen, inzwischen etwas näher gekommen.

Ich wiederhole: Es sind einige Systeme bescheidmäßig zugelassen. Das ist ein Routineprozeß, der jetzt fortgesetzt wird. In diesen bin ich in gar keiner Weise involviert. Das wird durch unsere


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Experten und Beamten zügig, wie ich annehme, und im wesentlichen – vielleicht nicht in allen Bereichen, aber im wesentlichen – im Konsens mit der befaßten und betroffenen Wirtschaft erfolgen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Gibt es auch auf EU-Ebene Initiativen zu freien Umweltvereinbarungen?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Es gibt solche Initiativen, wenngleich es naturgemäß erheblich schwieriger ist, mit Wirtschaftskreisen aus 15 EU-Ländern zu derartigen freiwilligen Vereinbarungen zu kommen.

Ich meine, daß im 5. Umweltaktionsprogramm freiwillige Vereinbarungen als moderne Instrumente der Umweltpolitik auch weiter ihren Platz haben und haben werden.

Allerdings war es eine Initiative Österreichs – ich habe sie bereits erwähnt –, wegen des Nichtzustandekommens einer derartigen freiwilligen Vereinbarung zu sagen: Jetzt ist damit Schluß! Wir wollen einen Richtlinienentwurf, also gewissermaßen eine Gesetzesvorlage durch die Kommission.

Worum geht es dabei? – Die Umweltminister haben zur Jahresmitte 1996, also schon vor eineinhalb Jahren, die Kommission aufgefordert, mit dem Verband der europäischen Automobilindustrie eine freiwillige Vereinbarung über das Ziel anzustreben, bis zum Jahr 2005 das Fünf-Liter-Auto, also das Auto mit einem CO2-Verbrauch von 120 Gramm pro Kilometer, marktreif zu machen. Dies soll der Durchschnittswert der gesamten zum Verkauf stehenden Fahrzeugflotte eines Unternehmens sein. Es hat sich gezeigt, daß sich diese Verhandlungen – um es höflich zu formulieren – hinziehen und äußerst schleppend verlaufen.

Österreich hat daher vor einigen Wochen begonnen, massiv auf eine verbindliche Vereinbarung in Form eines entsprechenden Richtlinienentwurfs zu dringen. Insbesondere der im Dezember abgehaltene letzte Umweltrat des vergangenen Jahres war für mich Anlaß, eindringlich zu versuchen, die manchmal sogar aus dem grünen Bereich kommenden Umweltminister davon zu überzeugen, daß sie nicht etwa Vertreter der europäischen Automobilindustrie sind, sondern Umweltverantwortung tragen.

Dies hat mit der Beschlußfassung geendet, daß gewissermaßen noch eine letzte Nachfrist bis Ende März dieses Jahres gesetzt worden ist. Allerdings erwarte ich mir davon nicht, daß es zu einer entsprechenden freiwilligen Vereinbarung kommen wird. Meiner Ansicht nach wird die Kommission bis Mitte nächsten Jahres einen Richtlinienentwurf für das Fünf-Liter-Auto vorlegen. Dazu wird es de facto kommen.

Gerade in einer Kammer des Hohen Hauses möchte ich daran erinnern, daß das Europäische Parlament noch weiter geht und nicht nur das Auto mit 120 Gramm CO2-Verbrauch pro Kilometer per 2005 eingeführt wissen will, sondern sogar von 90 Gramm ausgeht. Die Angebote der Automobilindustrie in einem Bereich von 145 oder 150 Gramm CO2-Verbrauch pro Kilometer sind aus meiner Sicht völlig ungenügend. Die Entwicklung führt dabei weg von einer freiwilligen Vereinbarung und hin zu einem Richtlinienentwurf.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 7. Anfrage, 838/M, gestellt von Herrn


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Bundesrat Alfred Schöls. Herr Bundesrat! Ich bitte Sie, die Frage an den Herrn Bundesminister zu richten.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

838/M-BR/98

Wie viele Kinderbetreuungseinrichtungen konnten im Rahmen der Vergabe der von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten 600 Millionen öS in den einzelnen Bundesländern bereits geschaffen werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Verehrter Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen sagen, daß diese Aktion sehr erfolgreich verlaufen ist und verläuft, auch was die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Bundesländern anlangt. Bis heute konnten nicht weniger als 16 199 Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Das ist nicht so viel, daß wir uns zurücklehnen und sagen können: Es ist bedarfsgerecht und flächendeckend für Kinderbetreuungseinrichtungen gesorgt worden. Aber es ist jedenfalls deutlich mehr, als man sich von der Investition dieser insgesamt 1,2 Milliarden Schilling erhoffen konnte.

Die Verteilung sieht folgendermaßen aus: Auf das Burgenland entfallen 409 Plätze, auf Kärnten 1 028 Plätze, auf Niederösterreich 6 632 Plätze – das hat auch sehr viel mit der Konzentration auf Tagesmütter und Ausbildungsprogramme in Niederösterreich zu tun –, auf Oberösterreich 1 823 Plätze, auf Salzburg 540 Plätze, auf die Steiermark 2 103 Plätze, auf Tirol 796 Plätze, auf Vorarlberg 534 Plätze und auf Wien 2 239 Plätze. Diese Betreuungsplätze stehen mehrheitlich ganztägig zur Verfügung.

Von den insgesamt 600 Millionen stehen noch 82,4 Millionen Schilling – also etwas mehr als 10 Prozent – für Förderungen zur Verfügung. Der 28. Februar ist im übrigen der seit langem festgesetzte Zeitpunkt, bis zu dem die Länder ihre restlichen Projekte einreichen müssen. Ich bin sicher, daß das geschehen wird und alle Mittel ausgeschöpft werden können.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! In den letzten Wochen war von Frau Bundesministerin Prammer gelegentlich die Aussage zu vernehmen, daß die Bundesländer anscheinend gewisse Berührungsängste gegenüber dieser Aktion haben und die Mittel nur sehr zögerlich beanspruchen. Ist dieser Vorwurf der Frau Bundesministerin Prammer gerechtfertigt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Die Realität widerspricht meiner Ansicht nach diesen Äußerungen, auch die Realität der Zahlen, die ich Ihnen genannt habe. Ich habe die Kritik nicht nachvollziehen können, daß Anträge nicht zeitgerecht eingereicht worden seien. Ganz abgesehen davon, daß solche Anträge – wie ich schon gesagt habe – noch bis 28. Februar eingereicht werden können, ist es auch nicht so, daß ein großes Land wie Wien seinen Antrag noch nicht eingereicht hätte. Denn dieser Antrag liegt seit Anfang Jänner dieses Jahres bei uns im Haus vor.

Ich habe insbesondere im Anfangsstadium diesen Prozeß selbst sehr genau verfolgt – mit der seinerzeitigen Frau Ministerin Konrad war ich mit der Ausarbeitung der Richtlinien befaßt – und kann nur sagen, daß sich die Zusammenarbeit gut angelassen hat. Im übrigen stehe ich auch den Wünschen, die seitens der Sozialdemokraten in Salzburg geäußert wurden, sehr offen gegenüber.

Etwas hat mich dabei ein wenig überrascht: Ich habe in meinen Budgetverhandlungen mit dem Herrn Finanzminister eine Prolongierung dieser Aktion 1998 und 1999 vorgeschlagen, weil ich denke, daß die Mittel dort wirklich effizient eingesetzt werden und viel für die Kinderbetreuung


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bringen. Damals konnte mir der Herr Finanzminister seine Zustimmung noch nicht geben. Mittlerweile wurde das gleiche von den sozialdemokratischen Kollegen vorgeschlagen, also hat sich dort offensichtlich die Datenlage oder etwas anderes verändert. Aber sei’s drum: Wir greifen diesen Vorschlag, nachdem unser Vorschlag vor einigen Monaten noch abgelehnt wurde, neuerlich gerne auf.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Ich persönlich bedauere immer wieder, daß Kindergärten Sache der Länder sind. Wenn ich die Lage bei uns in Tirol anschaue, kann ich immer noch die Philosophie "K-K-K" erkennen: Für "Kinder – Küche – Kirche" ist die Frau zuständig. Mit Kinderbetreuungseinrichtungen tun wir uns furchtbar schwer.

Für das Land Tirol wurden innerhalb der ersten Frist 45,6 Millionen bewilligt, aber dann wurde nur um 28,7 Millionen eingereicht. Es sind sehr viele Projekte im Land liegengeblieben. Ich kenne einige, die jetzt Schwierigkeiten haben und für die Zwischenfinanzierung praktisch schon Zinsen bezahlen müssen. Gibt es von Ihrem Ministerium aus irgendeine Möglichkeit, die bewirken könnte, daß die Länder entweder zu einem effizienteren Einreichen gezwungen werden oder andernfalls die Zinsen bezahlen? Denn dabei kommt es wirklich zu massiven finanziellen Schwierigkeiten.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Frau Bundesrätin.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, auf die Geschäftsordnung hinweisen zu dürfen. Gemäß § 63 Geschäftsordnung ist es nur gestattet, kurze Anfragen und kurze Zusatzfragen zu stellen. Ich möchte Sie daher bitten, diese Bestimmung der Geschäftsordnung einzuhalten.

Herr Bundesminister! Ich bitte um Beantwortung der Zusatzfrage.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Ihre Kritik an der Kompetenzlage ist für mich nicht nachvollziehbar, und ich teile sie nicht. Was Tirol anlangt, ist zu sagen, daß auf Ebene des Gesetzgebers mittels eines Verteilungsschlüssels klar festgelegt worden ist, welchem Bundesland welche Mittel zur Verfügung stehen. Ich gehe davon aus – und alles spricht dafür –, daß jedes einzelne Bundesland seine Mittel innerhalb der offenen Frist bis zum 28. Februar voll ausschöpfen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Bei den Kinderbetreuungseinrichtungen zeigt sich leider immer wieder, daß sie hinsichtlich ihrer Öffnungszeiten zuwenig flexibel sind. Diese Lücke könnte von Tagesmüttern geschlossen werden. Frau Ministerin Prammer hat nunmehr ein EU-Projekt namens "Cinderella" vorgestellt, ein Projekt zur Berufsausbildung für Tagesmütter mit Zukunftschancen. Es ist dessen Ziel, eine eigene Berufsgruppe Tagesmütter zu installieren. Daher frage ich Sie, Herr Minister: Können und werden Sie die Forderung unterstützen, ein Berufsbild Tagesmütter einzurichten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Ich bin sehr für Ausbildungsmöglichkeiten von Tagesmüttern und meine auch, daß dafür jede Unterstützung angemessen und am Platz ist. Ich denke aber, daß man nicht nur Fulltime-Tagesmütter mit allen sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten und Not


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wendigkeiten braucht, sondern daß es Müttern ebenso möglich sein sollte, für eine bestimmte Zeit als Tagesmutter – zusätzlich zur Betreuung der eigenen Kinder – auch andere Kinder zu betreuen.

Solange das ein Mix ist – solange man nicht sagt, daß nur noch eine Frau eine Tagesmutter sein darf, die mit dieser und jener Ausbildung und 40 Stunden pro Woche und so weiter und so fort –, solange also die notwendige Flexibilität aufrecht bleibt, bin ich für jeden Vorschlag offen, der eine optimierte Ausbildung von Tagesmüttern zur Folge hat.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 8. Anfrage, 844/M, gestellt von Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

844/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um in Hinkunft sicherzustellen, daß die Altlastenbeiträge im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes bundesweit einheitlich eingehoben werden, damit nicht so wie derzeit innerösterreichischer Mülltourismus zu billigen Deponien wie etwa Frohnleiten provoziert wird und andernorts die Mittel für Sanierungen fehlen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Es ist festzuhalten, daß die Einhebung von Altlastensanierungsbeiträgen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen – und dort der Hauptzollämter – fällt. Aber ich darf Ihnen im Falle der Deponie Frohnleiten sagen, daß wir uns in Zusammenarbeit und Absprache mit den zuständigen Stellen der Steiermark darum bemühen, daß es zu einer Einhebung der Altlastenbeiträge kommt. Eine Einigung darüber ist in greifbarer Nähe, jedenfalls was die Abführung der Beiträge anlangt.

Insgesamt haben meiner Ansicht nach die AlSaG-Novelle, aber auch die Deponieverordnung und die AWG-Novelle – 1996 beziehungsweise 1997 beschlossen – den Vollzug deutlich verbessert. Die Einnahmensituation zeigt, daß die Einhebung der Altlastensanierungsbeiträge insgesamt und bundesweit derzeit wesentlich besser funktioniert als in der Vergangenheit.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Das Problem beginnt allerdings bei der Müllvermeidung, dort sind dessen Wurzeln. Welche Maßnahmen werden Sie setzen oder welche konkreten Pläne hiezu gibt es in Ihrem Ressort, um das Problem bei den Wurzeln, bei der Müllvermeidung zu packen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Selbstverständlich ist es in der Kette der Abfallwirtschaft das erste und wichtigste Motiv, Abfall zu vermeiden. Wenn er nicht vermeidbar ist, dann gilt es, Abfall zu trennen, die stoffliche Wiederverwertung zu besorgen und erst den Teil, der danach unvermeidlich übrigbleibt, einer verantwortbaren Endbehandlung und auch Lagerung zuzuführen. Diese Kette ist mittlerweile geschlossen. Die Deponieverordnung habe ich bereits erwähnt. Es wird uns bis zum Jahr 2004 in Österreich gelingen, für die Zukunft zu gewährleisten, daß nur mehr das deponiert werden darf, was nach menschlichem Ermessen langfristig – damit meine ich wirklich: über Jahrhunderte – zu keiner weiteren Nachsorge mehr führen wird.


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Die Müllvermeidung – unter anderem bewirkt durch die Verpackungsverordnung – und insgesamt die abfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieses Landes haben dazu geführt, daß in Österreich heute deutlich verantwortungsbewußter mit Müll umgegangen wird. Wenn Sie die öffentliche Berichterstattung verfolgt haben, dann haben Sie gesehen, daß das Thema zu einem guten Teil aus den Blättern verschwunden ist. Die Österreicherinnen und Österreicher sind recht zufrieden mit dem Verhältnis zwischen den Kosten für die Müllentsorgung, den Gegebenheiten zur Mülltrennung und den Möglichkeiten der stofflichen Wiederverwertung, mit dem gesamten abfallwirtschaftlichen Regelungsregime, das wir in Österreich in guter Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgesetzgeber und den Landesgesetzgebern entwickelt haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wie ist die Entwicklung der Einnahmen aus den AlSaG-Beiträgen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Einnahmenentwicklung deutlich erfreulicher geworden ist. Das ist auch – aber keinesfalls nur – auf die AlSaG-Novelle per 1. Jänner 1997 zurückzuführen. Die Dezemberzahlen liegen mir zwar noch nicht vor, aber insgesamt sind die AlSaG-Beiträge im Jahr 1997 gegenüber 1996 um rund 50 Prozent gestiegen, von ehemals 290 Millionen Schilling auf meiner Schätzung nach rund 450 Millionen Schilling.

Ich denke, daß wir auch im Jahr 1998 eine weitere deutliche Steigerung werden erreichen können. Ich rechne mit fast 500 Millionen Schilling und für das Jahr 2000 mit AlSaG-Beiträgen in einer Größenordnung von über 800 Millionen Schilling. Ich füge aber hinzu, daß das kein Zaubermittel ist, um alles an Altlastensanierung zu finanzieren, was in Österreich finanzierungspflichtig ist. Allein die Sanierung der Fischer- und der Bergerdeponie wird Milliardenbeträge kosten. Auch wenn im Wege der Ersatzvornahme der Innenminister budgetär dafür zuständig ist, ändert das nicht viel daran, da wir das Geld dafür trotzdem aufbringen müssen.

Die AlSaG-Entwicklung ist jedoch zufriedenstellend. Wir können die anstehenden Projekte naturgemäß schneller abwickeln, als das nach dem alten Beitragseingang der Fall gewesen wäre.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Johann Payer gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben die 50prozentige Steigerung der Altlastenbeiträge positiv vermerkt. Es wurde aber schon von meinen Vorrednern angeführt, daß der Müllberg wächst, und auch heutige Tageszeitungen bringen entsprechende Headlines. Könnten Sie sich in dem Bereich eine weitere Erhöhung in den kommenden Jahren vorstellen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Auf Österreich insgesamt bezogen wächst der Müllberg nicht. Ich nehme an, daß die Zahlen aus der Steiermark, die heute in einer kleinformatigen Zeitung genannt worden sind, darauf zurückzuführen sind, daß dort aufgrund niedrigerer Deponiegebühren und infolge marktwirtschaftlicher Überlegungen mehr abgelagert wurde als in der Vergangenheit. Aber insgesamt ist der Teil, der als Restmüll in Österreich zu deponieren ist, tendentiell eher rückläufig.


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Es trifft auch nicht zu, daß wir uns eine weitere Erhöhung der Altlastensanierungsbeiträge nicht hätten vorstellen können. Aber die AlSaG-Novelle ging aus einem Kompromiß zwischen verschiedensten beteiligten Interessen hervor. Nunmehr liegt diese AlSaG-Novelle vor, und darin sind ohnehin schrittweise Erhöhungen in den nächsten Jahren vorgesehen: Die Altlastensanierungsbeiträge werden noch dazu nach ökologischen Kriterien etappenweise weiter angehoben.

Es ist aber damit zu rechnen, daß dann, wenn in Österreich – kurz gesagt – thermische Abfallverwertungsanlagen installiert sein werden, die Restmüllmenge deutlich zurückgehen wird und wir uns vermutlich seitens der Regierung und seitens des Gesetzgebers über eine Neuordnung der Finanzierung der Altlastensanierung werden Gedanken machen müssen. Aber das reicht schon in die ersten Jahre des nächsten Jahrtausends hinein und ist meiner Ansicht nach politisch jetzt noch nicht aktuell.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich rufe die 9. Anfrage, 849/M, auf. Anfragesteller ist Herr Bundesrat Bürgermeister Josef Pfeifer. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

849/M-BR/98

Inwieweit ist bei Ihrem Modell zur Reform der Familienförderung die soziale Treffsicherheit gewährleistet?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
Sehr verehrter Herr Bundesrat! Das vorliegende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geht davon aus, daß nur jene Familien entlastet werden müssen, die zurzeit Steuern auf ihre Unterhaltsverpflichtungen zu bezahlen haben. Ich habe schon sehr frühzeitig gesagt: Das allein kann es nicht sein, sondern aus familienpolitischen sowie auch sozialpolitischen Überlegungen wollen wir die Unterstützung, die wir diesen Mittelstandsfamilien zusätzlich geben wollen und geben müssen, auch den einkommensschwachen Familien geben, die in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht unbedingt in der entsprechenden Situation wären.

So gesehen ist das eine einheitliche Maßnahme für jedes Kind in Österreich. Die Vorschläge, die jetzt von den Regierungspartnern diskutiert werden, laufen auf 500 S pro Monat hinaus, das sind 6 000 S pro Kind und Jahr mehr. Das ist nicht wenig, das finde ich sehr beachtlich. Das kommt natürlich relativ einkommensschwachen Familien stärker zugute, weil es bei diesen einen größeren Anteil ihres Einkommens ausmacht. – Soviel zur sozialen Treffsicherheit respektive zur sozialen Verantwortung, innerhalb derer die in Diskussion befindlichen Vorschläge erstellt wurden.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Herr Kollege, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Was die soziale Treffsicherheit betrifft, so kann es damit nicht sehr gut bestellt sein. Man denke nur daran, daß die Entwicklung dahin gehend ist, daß immer mehr alleinerziehende Mütter in Österreich unter die Armutsgrenze sinken. Ich würde Sie bitten, mir zu sagen, was Sie an gesonderten Maßnahmen zu tun gedenken, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Ich selbst habe in meinen Vorschlag, der dann von meiner Partei – ich habe es schon zitiert – beim Dreikönigstreffen in Goldegg mitgetragen wurde, auch die Erhöhung der Alleinerzieherabsetzbeträge mitinkludiert. Es gab Meldungen, wonach auch der Regierungspartner in diese Richtung denkt, und ich meine, daß wir uns der Situation der rund 300 000 AlleinerzieherInnen – zwar groß geschrieben, aber weit über 90 Prozent dieser Alleinerzieher sind Alleinerzieherinnen – bewußt sein müssen. Es würde die Erhöhung eines Absetzbetrages respektive auch der Ausbau als Negativsteuer eine Erleichterung bringen, weil ein Absetzbetrag immer nur demjenigen zugute kommt, der Steuern zahlt. Der oder die besonders Einkommensschwache hat von einem Absetzbetrag nichts, wenn dieser nicht auch als Negativsteuer ausbezahlt wird. Das ist bei den Kinderabsetzbeträgen nach meinem Vorschlag absolut der Fall. Beim Alleinverdienerabsetzbetrag gibt es jetzt eine Grenze. Über die Verschiebung dieser Grenze nach unten kann man aus meiner Sicht durchaus diskutieren.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wann kann aus der Sicht des Familienlastenausgleichsfonds die Familienbeihilfe erhöht werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat, ab 1999. Wir haben Ersparnisse in Höhe von 2,8 Milliarden Schilling. Die Erhöhung der Familienbeihilfe um 100 S erfordert finanzielle Mittel von rund 2 Milliarden, was ab 1999 denkbar ist. Ich meine, daß die Diskussion in die Richtung geht, daß spätestens im Jahr 2000, aber vielleicht – aus meiner Sicht durchaus hoffentlich – auch im Jahr 1999 bereits ein erster Schritt zu setzen wäre.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 10. Anfrage, 839/M, gestellt von Herrn Bundesrat Peter Rodek an den Herrn Bundesminister. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie sind in einer Anfrage bereits auf Kyoto eingegangen. Trotzdem möchte ich Sie fragen:

839/M-BR/98

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Klimaschutzkonferenz in Kyoto?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Unter dem Strich beurteile ich sie positiv. Wenn man weiß, mit welcher Ausgangsposition die Amerikaner nach Kyoto gegangen sind, nämlich eigentlich plus minus null, und dann waren es minus zwei, und mit welcher Position Länder wie Japan und Australien nach Kyoto gekommen sind, dann war es ein Erfolg.

Es war auch ein Erfolg für die Europäische Union, und zwar deswegen, weil wir uns nach der Sondergeneralversammlung der UNO "Rio plus fünf" in New York im Juni letzten Jahres weiter als Umweltgroßmacht etabliert haben und hier federführend und meinungsbildend sind. Wenn Sie daran denken, daß der EU-Vorschlag von minus 15 Prozent für drei Gase per 2010, was auf sechs Gase umgerechnet etwa minus 11 bis 12 Prozent bedeutet, lautet und daß wir mit minus 8 Prozent für die Europäische Union, minus 7 Prozent für die Amerikaner und minus 6 Prozent für den besonders bewegungsunfähigen Gastgeber Japan nach Hause gekommen sind, so


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meine ich, daß Kyoto auch deswegen ein Erfolg war, weil es ein weit über alle Erwartungen hinausgehendes weltweites Medienecho gegeben hat.

Die Bewußtseinsbildung in Sachen Klimaschutz ist überaus wichtig. Die Menschen müssen einmal verstehen, was Klimaschutz ist. Es wäre nicht lustig, wenn es wärmer würde. Es hätte katastrophale Auswirkungen, wenn wir nichts tun, wenn wir in den nächsten Jahrzehnten nicht unsere gesamten Energieverbrauchsgewohnheiten umstellen würden. So gesehen beurteile ich Kyoto unter dem Strich als Erfolg, weil es das Öffnen einer Türe war – zwar nur einen Spaltbreit, aber sie ist einmal offen. Wir werden sie in den nächsten Jahren weiter öffnen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Verehrter Herr Minister! Meine Frage schließt an Ihre Ausführungen an. Wie können die derzeit doch noch unbefriedigenden Ergebnisse von Kyoto bezüglich der Verminderung von Schadstoffbelastungen insofern verbessert werden, als die Industriestaaten von ihrem hohen Standard nur ungern abgehen wollen, während die Dritte-Welt-Staaten diesen Standard erreichen wollen, zum Beispiel bei Autos oder anderen Emissionen? Wie sehen Sie die Chancen für Verbesserungen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Sie sagen völlig richtig, der Schlüssel sind nicht nur die Industriestaaten, sondern auch die Entwicklungsländer. Klimaschutz muß vor allem Platz greifen in Ländern wie China mit 1,2 Milliarden Menschen, in Ländern wie Indien, insgesamt in den Entwicklungsländern wie auch in den Schwellenländern. Es ist klar, daß auch diesen Ländern eine industrielle und damit eine soziale Entwicklung möglich sein soll, wie wir sie durchgemacht haben. Man sollte nur versuchen, ihnen die Irrwege, die wir mit dem ausufernden Verbrauch von Energie und Ressourcen insgesamt beschritten haben, zu ersparen. Es müßten aber die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen.

Um es auf Zahlen zu reduzieren: Experten sagen, daß, um hier nachhaltig zu agieren, CO2-Emissionsquoten pro Kopf auf die Weltbevölkerung gerechnet von drei bis vier Tonnen erzielt werden müssen. Es hat deshalb Japans Premierminister Hashimoto in Kyoto auch gesagt, die Industrieländer werden zwei Drittel ihrer Emissionen reduzieren müssen. Österreich wird unter Umständen auch mit der Hälfte auf drei bis vier Tonnen kommen, die Amerikaner werden weit darüber hinaus gehen müssen, und das läßt einen gewissen Spielraum für Länder wie China, Indien und andere offen. Aber die Energiezukunft ist nur dann nachhaltig, wenn wir die Pro-Kopf-CO2-Emissionen innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf diesen Wert von drei bis maximal vier Tonnen einpendeln können.

Die derzeitige Entwicklung ist im übrigen ganz anders. Die Amerikaner hätten bis zum Jahre 2010 ein CO2-Verbrauchsplus von nicht etwa plus 10 oder plus 15 Prozent, sondern nach ihren eigenen Berechnungen von rund plus 30 Prozent. Sie müssen aber jetzt minus 7 Prozent auf Basis 1990 erbringen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Sie erwähnten eben die USA, welche möglicherweise in Zukunft eine Erhöhung ihres CO2-Ausstoßes haben werden, und dies, obwohl die USA schon jetzt ein Viertel des weltweiten CO2-Ausstoßes verursachen. Welchen Sinn hat bei solchen Aussichten eine Ratifizierung, wobei Sie auch noch nicht näher spezifizierte Rahmenbedingungen erwähnen, beziehungsweise welchen Sinn haben


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Sanktionen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind und von denen die Staaten, welche ihn ratifizieren, betroffen wären?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Die Ratifizierung hat den Sinn, daß das Kyoto-Protokoll in nationale Gesetzeskraft übergeht. Sanktionen sind im Kyoto-Protokoll keine vorgesehen. Es war wohl – darauf beziehen Sie sich, nehme ich an – in Diskussion, auch konkrete Sanktionen festzulegen. Es ist im Völkerrecht bisher nicht üblich, über die Ächtung eines Rechtsbrechers hinausgehende Sanktionen zu formulieren, wie mir Experten sagen. Innerhalb der Europäischen Union gibt es für Fehlverhalten konkrete, auch finanzielle Sanktionsmechanismen, für das Kyoto-Protokoll nicht.

Aber ich meine, daß im Hinblick auf die Ausgangssituation Kyoto ein wichtiger erster Schritt war und daß vielleicht auch die Hoffnung nicht ganz unrealistisch ist, daß die Amerikaner umdenken. Dazu sind die Amerikaner deutlich rascher bereit als wir Europäer. Wenn dort einmal umgedacht wird, wenn die Meinung einmal umschwenkt, dann schwenkt auch die Politik um, und ich kann der Administration Clinton-Gore nur wünschen, daß sich die öffentliche Meinung in den USA wendet.

Lassen Sie mich als Zeichen von Optimismus hier erwähnen, daß es kein Zufall sein kann, wenn der Chief Executive Officer von British Petroleum, also gewissermaßen der Generaldirektor von BP, wenn der Chef von Shell Deutschland und wenn drittens auch die OMV hier in Österreich zu Kyoto ja gesagt haben, uneingeschränkt ja gesagt haben, und wenn auf der anderen Seite ein Unternehmen wie Shell heute zu den größten Waldbesitzern der Erde gehört. Wenn solche Unternehmungen nicht nur Lippenbekenntnisse in Richtung erneuerbare Energieträger abgeben, sondern konkrete Investitionsentscheidungen treffen, dann glaube ich, wendet sich die ganze Geschichte, und ich glaube, daß letztlich auch in den USA diese Kehrtwendung trotz der Schwierigkeiten im Senat, trotz der öffentlichen Meinung in den USA, wo der Benzinpreis ein mindestens ebenso sensibles Thema ist wie bei uns in Österreich, möglich sein wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nunmehr zur 11. Anfrage, 850/M. Es ist die des Herrn Bundesrates Ernst Winter. – Bitte.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

850/M-BR/98

Welche Schwerpunkte setzt Ihr Ressort im Bereich der Jugendpolitik?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Wir setzen eine Reihe von Schwerpunkten. Ich beginne mit dem Thema Sekten.

Wie aktuell dieses Thema und wie wichtig der Schutz unserer Jugend vor den Sekten ist, zeigt, daß sich fast 2 Prozent der Österreicher zu einer Mitgliedschaft in einer Sekte bekennen – 1,8 Prozent sind es genau. Es ist dies das Ergebnis einer Umfrage mit nicht weniger als 4 500 Österreichern, sodaß die Signifikanz und die Richtigkeit dieser Daten – leider, sage ich dazu – in hohem Maße gegeben sind. Das heißt, daß nicht, wie wir uns das eigentlich erwartet hätten, 50 000 Österreicher Sektenmitglieder sind, sondern wir vom bis zu dreifachen Wert von 150 000 Österreichern ausgehen müssen.

Umso wichtiger ist, daß ich in Folge einer Entschließung des Nationalrates vor etwas mehr als Jahresfrist mit der Broschüre "Sekten – Wissen schützt" einen ersten Schritt gesetzt habe. Diese Broschüre war überaus erfolgreich, wir halten derzeit bei 350 000 Stück Auflage.


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Ich möchte weiters – diesbezügliche Gespräche mit Ihnen als Koalitionspartner laufen derzeit – eine Bundesstelle für Sekteninformation und -dokumentation einrichten. Es ist gelungen, durch eine Aufstockung der Mittel der Familienberatungsförderung Schwerpunktsetzungen für Sektenberatung in so gut wie allen Bundesländern in auf Sektenberatung spezialisierten Familienberatungsstellen zu schaffen. Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten – nicht nur von mir und nicht nur aus meinem Ressort –, die sich mit dem Thema Sekten beschäftigen.

Wir widmen uns zweitens dem besonders aktuellen Thema Suchtprävention. Wir wollen Mut machen zum Neinsagen, wir wollen zum Neinsagen auffordern. Auch da ist mein Ressort nicht das einzige, das sich mit diesem Thema beschäftigt, aber es ist mit eines der zuständigen. Wir planen 1998 eine Sensibilisierungskampagne zu diesem Thema, wir unterstützen aber auch Bildungsprojekte, schicken Experten in Schulen für Vorträge über Suchtpräventionsmaßnahmen, weil Vorbeugung immer – so auch in diesem Fall – viel besser als Heilung ist.

Ein dritter Schwerpunkt ist der Kampf gegen die Gewalt in der Gesellschaft im allgemeinen und gegen die Gewalt in der Familie im speziellen. Es ist ein umfassender 25-Punkte-Katalog von der Bundesregierung beschlossen worden, in den aus meinem Jugendressort eine Vielzahl von Punkten miteingebracht wurde. Es sind neben den Frauen leider Gottes auch viel zu oft Kinder Opfer familiärer Gewalt – auch familiären sexuellen Mißbrauches, einer besonders üblen Form der Gewalt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Fortführung des internationalen Jugendaustausches, insbesondere im Rahmen der beiden EU-Programme "Jugend für Europa" und "Europäischer Freiwilligendienst".

Was die traditionelle Jugendarbeit betrifft, so soll diese auch nicht vergessen und muß erwähnt werden. Das gilt für die Kooperation mit dem Bundesjugendring und dem Bundesjugendplan. Wir sind weiterhin beim österreichischen Jugendsingen, beim österreichischen Jugendredewettbewerb, den Jugendtheatertagen, der allgemeinen Jugendinformation dabei. Wir sind weiters verantwortlich für die mobile Jugendinformation, die sich sehr bewährt hat und die von uns ausgeht. – Herr Bundesrat! Das war ein Abriß ohne Anspruch auf Vollständigkeit über unsere Jugendarbeit.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine sehr bedeutende und vermögende amerikanische Sekte plant laut Medienberichten in nächster Zeit eine dreimonatige Image- und Werbekampagne in den österreichischen Zeitungen. Wie werden Sie konkret auf diese Kampagne reagieren?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Sie planen es leider nicht nur, sondern diese Plakate gibt es schon, jedenfalls im Raum Wien. Ich bedaure das sehr. Man muß allerdings aus rechtsstaatlicher Position sagen, Scientology ist zwar als Kirche nicht anerkannt – dagegen werde ich mich auch nach Kräften wehren –, aber es ist ein Verein, der nicht verboten ist, und so lange weder der Verein als solcher verboten ist noch die Werbung in irgendeiner Form rechtlich zu beeinspruchen ist, solange können wir rechtlich wenig dagegen tun.

Ich habe den neugewählten Präsidenten der Zeitungsherausgeber, Dr. Dasch, zu einem Gespräch eingeladen und werde in diesem Gespräch, das, wie ich hoffe, schon in den nächsten Tagen stattfinden kann, ventilieren, ob sich Österreichs Zeitungsherausgeber nicht im Rahmen einer Selbstbeschränkung dagegen aussprechen könnten, Inserate von Scientology zu schalten. Das müßte natürlich von den Zeitungsherausgebern auch auf alle anderen Medienträger und entsprechenden Teile der Werbewirtschaft ausstrahlen. Ich bemühe mich darum, daß die zuständigen Bereiche der Wirtschaft in diesem Land in einer Art Selbstbeschränkung schlicht und


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ergreifend keine Werbeeinschaltungen von Scientology annehmen. Ob ich dieses Ziel erreichen kann, weiß ich nicht, bemühen werde ich mich aber gerne.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im zweiten Halbjahr steht Österreichs EU-Ratspräsidentschaft an. Welche jugendpolitischen Vorschläge gibt es für die EU-Präsidentschaft?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
Sehr verehrter Herr Bundesrat! Wir haben uns frühzeitig um die Festlegung von Themen für unsere Präsidentschaft bemüht. Es gibt in Bereichen, die keine zentrale Bedeutung auf EU-Ebene haben, etwas mehr Spielraum als zum Beispiel im Bereich der Umwelt. Im Bereich der Umwelt werden wir das, was an Arbeit geleistet wird, fortsetzen. Wir werden Dossiers übernehmen, weiterentwickeln, aber wir sind Moderator in der Präsidentschaft und können nur in einem beschränkten Ausmaß unseren rotweißroten Stempel aufdrücken. Da wird es im Bereich der Jugendpolitik etwas einfacher sein.

Die zwei Themen, zu denen wir uns entschlossen haben, sind auf der einen Seite Mitbestimmung, Partizipation – weniger verständlich, aber international gebräuchlicher – und auf der anderen Seite Prävention, Vorbeugung. Und da gehört das von mir angeschnittene Suchtthema – nicht allein, aber auch – dazu.

Wir haben zu einem recht innovativen Instrument gegriffen, was die Hereinnahme der Jugend in diesen EU-Vorbereitungsprozeß betrifft – man soll nicht nur über Mitbestimmung reden, sondern sie auch leben. Ich habe ein Jugendforum gegründet, konstituiert, das nur zu einem Viertel aus Vertretern der verbandlichen Jugendarbeit besteht und zu drei Vierteln aus jungen Menschen aus ganz Österreich, die sich gemeldet haben und einfach mitmachen wollen. Sie sind vernetzt, sie treffen sich alle paar Monate, und sie sind miteingebunden.

Österreich war eines der ganz wenigen Länder – ich glaube, eines von vier Ländern –, die in Kyoto eine eigene Jugenddelegation mithatten: zwei junge Menschen, einen jungen Burschen und ein junges Mädel, die dort mit uns mit dabei waren, und einen Vertreter aus diesem zwölfköpfigen Jugendforum.

Formell hoffe ich, daß wir im Rahmen einer Ratssitzung eine Entschließung des Rates zum Thema Partizipation und Mitbestimmung der Jugend erreichen werden. Auch das ist keinesfalls selbstverständlich. Es gab unter der luxemburgischen Präsidentschaft erstmals nach zwei Jahren wieder eine formelle Tagung des EU-Jugendministerrates.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen jetzt zur 12. Frage, 840/M, die Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing formuliert. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als Weinviertler Mandatar freue ich mich, daß wir gerade auch durch Ihre Bemühungen und Anstrengungen heute zwei Nationalparks in dieser Region haben. Meine Frage lautet:

840/M-BR/98

Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Entwicklung bei den österreichischen Nationalparken dar? Welche Entwicklungen werden diese in Zukunft nehmen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Entwicklung im Bereich der Nationalparke ist durchaus erfreulich, sie ist vor allem im Jahr 1997 erfreulich gewesen. Wir haben am Nationalfeiertag 1997 den Staatsvertrag zur Begründung des Nationalparkes Thayatal unterschreiben können. Es ist der Nationalpark Donauauen ein Jahr zuvor mittels Staatsvertrag gewissermaßen ins Leben gerufen worden, und wir haben inzwischen auch noch den Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich ins Leben rufen können. Damit konnten drei zusätzliche Nationalparke geschaffen werden, die das jetzige Spektrum abrunden. Wir verfügen in Österreich nunmehr über fünf Nationalparke, wenn ich den Nationalpark Hohe Tauern und den Nationalpark Neusiedlersee/Seewinkel noch in Erinnerung rufen darf.

Es gibt ein weiteres, aus meiner Sicht konkretes Nationalparkprojekt, das wir vor Augen haben, und zwar das Nationalparkprojekt Gesäuse in meiner steirischen Heimat. Ich gehe davon aus, daß sich für dieses Projekt in den nächsten Wochen ein Nationalpark-Verein konstituiert, der sich auch unter unserer Mitwirkung zusammenfinden soll. Zu diesem Nationalparkprojekt wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Sie soll Ende 1998 abgeschlossen werden. Auch da werden wir so vorgehen wie bei allen anderen Projekten, nämlich in engster Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Land und letztlich auch in Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Bevölkerung – mit den Einheimischen, wie wir sagen –, weil ein Nationalpark nur dann in Frage kommt und Zukunft hat, wenn jedenfalls eine breite Bevölkerungsmehrheit vor Ort den Nationalpark akzeptiert und ihn sich wünscht.

Ich darf Ihnen noch berichten, daß die internationale Anerkennung für den Nationalpark Kalkalpen und den Nationalpark Donauauen gesichert scheint, sodaß wir in Österreich dann drei Nationalparke mit internationaler Anerkennung haben, nämlich die Nationalparke Neusiedlersee/Seewinkel, Donauauen und Kalkalpen. Bei zwei Nationalparken, dem Nationalpark Hohe Tauern und dem Nationalpark Thayatal werden wir diesen Weg – Schritt für Schritt, aber doch mit diesem Ziel – noch beschreiten.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein. Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Inwieweit gibt es in Ihrem Ministerium Überlegungen hinsichtlich allfälliger Erweiterungen bestehender oder Adaptierungen neuer Nationalparks in Salzburg?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Ich habe schon gesagt, daß es konkrete Überlegungen zu einem Nationalparkprojekt Gesäuse in der Steiermark gibt. Es gibt darüber hinaus Überlegungen in Richtung eines Nationalparks Kalkhochalpen – das wäre ein Salzburger Projekt. Allerdings sind diese Überlegungen in den letzten Monaten etwas in den Hintergrund getreten. Ich sage gleich dazu, daß es am jeweiligen Land liegt, die Geschwindigkeit zu bestimmen, mit der ein bestimmtes Projekt vorangetrieben werden soll. Dies ist jedenfalls meine Analyse, die die jetzige Situation aus meiner Sicht wiedergibt.

Was den Nationalpark Hohe Tauern betrifft, habe ich schon gesagt, daß wir uns Schritt für Schritt in Richtung internationaler Anerkennung bewegen sollten. Das ist gerade im Land Salzburg ein nicht unsensibles Thema. Wir sind einerseits bemüht, auf die ortsansässige Bevölkerung, auf die Bauernschaft, aber auch auf die Jägerschaft Rücksicht zu nehmen, und andererseits sind wir auch bemüht, auf internationaler Ebene tätig zu sein und dort ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, daß man das, was an zum Teil jahrtausendealter Kulturlandschaft im Bereich der Alpen insgesamt, aber insbesondere eben im Bereich der Hohen Tauern vorhanden ist, berücksichtigen und schützen muß.


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Die Alpen sind und werden – Gott sei Dank – seit Jahrtausenden bevölkert, bewirtschaftet und bejagt. Jene Regeln, die weltweit in Regionen Anwendung finden, in denen keine oder kaum Bevölkerung da ist und es kaum jemals eine Bewirtschaftung gegeben hat, sind nur schwer auf diesen alpinen Nationalpark Hohe Tauern anzuwenden. Das Fernziel bleibt die internationale Anerkennung, aber der Weg dorthin wird ein schrittweiser sein, und auf die Sensibilitäten der jeweiligen Bevölkerung wird Rücksicht zu nehmen sein, und zwar in sehr hohem Maße.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Danke. – Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Dr. Peter Harring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Auch ich beurteile die Entwicklung bei den österreichischen Nationalparken durchaus positiv, vor allem weil sich die Zusammenarbeit zwischen dem Naturschutz des Landes und der Förderung des Bundes in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Ich gehe aber davon aus, daß es nichts gibt, was man nicht noch besser machen könnte, daher wundert mich Ihre persönliche Zurückhaltung, was das Kärntner Anliegen hinsichtlich des Gebietes der Nockberge betrifft. Das ist eine solch wunderschöne Landschaft, daß ich mich eigentlich schon seit längerer Zeit darüber wundere, daß Sie sich gerade bei den Nockbergen so zurückhalten. Gut, Sie haben gesagt, Sie sind ein steirischer Minister, daher liegt Ihnen das Gesäuse vielleicht näher, aber ich möchte Sie trotzdem fragen, wie Sie zu diesem Anliegen Kärntens stehen.

Ich möchte ferner an die Wortmeldung des Kollegen Prähauser anschließen: Im Zusammenhang mit einer EU-Förderung bin ich davon überzeugt, daß die Anerkennung der IUCN, dieser internationalen Kommission für diese Angelegenheiten, gerade was den Nationalpark Hohe Tauern betrifft, sehr wichtig wäre. Ich frage Sie: Muß man diese Anerkennung für die Zukunft wirklich vergessen? Denn wenn diese Kommission sagt, daß das gesamte Gebiet eines Nationalparks frei von menschlicher Nutzung sein muß, dann gehe ich davon aus, daß das dort nie möglich sein wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Die IUCN sagt nicht "frei von jeglicher Nutzung", sondern es heißt, daß 75 Prozent der Nationalparkfläche außer wirtschaftlicher Nutzung gestellt sein müssen. Aber auch das ist ein schwierig genug zu erreichendes Kriterium.

Was die Nockberge anlangt, möchte ich betonen: Ich bin zwar ein begeisterter Steirer, aber auch ein begeisterter Kärnten-Urlauber. Ich verbringe nicht nur in den letzten Jahren regelmäßig meinen Sommerurlaub in Kärnten, sondern gehe auch gemeinsam mit den Kindern in Kärnten Schifahren, und zwar in Bad Kleinkirchheim. – Das Schifahren betreiben sie allerdings auch getrennt vom Vater, und zwar aus zeitlichen Gründen, weil man in Wien bekanntlich auf die Bundesländersemesterferien herzlich wenig Rücksicht nimmt.

Wenn man also auf der einen Seite am Millstätter See und auf der anderen Seite in Bad Kleinkirchheim urlaubt, dann beinhaltet das auch Ausflüge in die Nockberge. Ich kenne und schätze sie, ich bewandere sie und befahre sie, weiß aber auch gleichzeitig das Urteil unserer Experten zu schätzen, das da lautet: Es sind die Nockberge in einem Ausmaß Kulturlandschaft, bewirtschaftetes Almwirtschaftsgebiet, daß eine Anerkennung durch die IUCN sehr wenig wahrscheinlich wäre. Und es ist unser Prinzip, sehr verehrter Herr Bundesrat, Nationalparkprojekte nur dann vom Bund aus zu fördern, wenn eine IUCN-Anerkennung zumindest möglich erscheint.

Wie Sie wissen, ist der Naturschutz vom Prinzip her und nach der Verfassungslage Landessache. Nur im Bereich der Nationalparke oder noch höherrangiger wissenschaftlicher Reservate – wir haben zum Beispiel den Rotwald am Dürrenstein in Niederösterreich als phantastisches Projekt in ein Live-Programm integrieren können – wollen und können wir in diese Richtung gehen. Ich bedauere das zwar auf der anderen Seite, aber ich sage das, wenn ich in der Region bin, offen: Es macht keinen Sinn, den Leuten in der Region Nockberge vorzugaukeln, daß eine Integration in unser Bundes-Nationalparkprojekt-Programm möglich wäre. Ich sehe diese Möglichkeit aus heutiger Sicht nicht.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 13. Frage, 845/M, die Herr Bundesrat Engelbert Weilharter formuliert. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

845/M-BR/98

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um im Rahmen der Diskussion um die Osterweiterung der EU Österreichs Sicherheitsinteressen hinsichtlich der Atomkraftwerke durchzusetzen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, diese Frage schon bei einer der vorhergehenden Fragen beantwortet zu haben. Ich darf nochmals festhalten und wiederholen, daß Österreich auf mehreren Ebenen, in vielerlei Hinsicht und bei allen sich bietenden Gelegenheiten – besonders im Zuge der Beitrittsverhandlungen der jetzt definierten Beitrittskandidaten – klargemacht hat, daß für uns eine unabdingbare Voraussetzung für die Osterweiterung die Erreichung von zumindest westlichen Sicherheitsprinzipien für mittel- und osteuropäische Kernkraftwerkstandorte ist.

Wir haben auch klargemacht, daß ganz abgesehen davon unser primäres Ziel ist, auch durch Kooperation mit diesen Ländern, auch durch Beratung bei Energiesparprojekten und so weiter, Atomkraftwerke schlicht und ergreifend verzichtbar zu machen und damit dem Ziel eines kernkraftfreien Mitteleuropas einen großen Schritt näherzukommen. (Beifall des Bundesrates Ing. Grasberger. )

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Als sich der größte europäische Atomstromproduzent, die Electricité de France, an der ESTAG beteiligt hat, wurde auch in der Steiermark davon gesprochen, daß einem Atomstromtransport und Atomstrombezug nun nichts mehr im Wege stehe. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Warum haben Sie als Umweltminister sich dazu verschwiegen, und wie ist Ihre Position in dieser Frage?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Ich habe mich dazu nicht verschwiegen. Es ist unter anderem in den "Salzburger Nachrichten", aber auch in der "Kronen Zeitung" nachzulesen, daß ich sehr wohl angemerkt habe, daß die Glaubwürdigkeit der Antiatompolitik Österreichs primär darauf beruht, daß wir einen zumindest ausgeglichenen Saldo an Stromimporten und -exporten haben. Strom hat kein Mascherl, auch Atomstrom nicht.

Wir importieren Atomstrom, das ist schon seit vielen Jahren Realität. Die EdF ist auch nicht der einzige Atomstromerzeuger. Auch alle anderen Gesellschaften, die in den letzten Monaten immer wieder als Partner österreichischer Stromgesellschaften in Diskussion waren, erzeugen Atomstrom, zum Beispiel die Bayernwerke und auch die RWE. Aber ich konzediere, daß die Electricité de France eine besonders weitgehende Position in dieser Frage einnimmt und insgesamt Frankreich als das Atomstromland der Welt gilt.

Wir werden also darauf achten müssen, daß die Strom-Import/Exportbilanz unseres Landes eine ausgeglichene bleibt und daß wir nach Möglichkeit soviel Strom aus Wasserkraft exportieren, was wir an Atomstrom importieren. Dann wird, wie ich glaube und hoffe, die Basis für eine engagierte Antiatompolitik Österreichs weiter aufrecht bleiben. Aber ich rechne schon damit,


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daß ich bei Gelegenheit in Brüssel von meinen Kollegen im Umweltministerrat auf den von Ihnen angezogenen Sachverhalt angesprochen werde.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Kernkraft im Zusammenhang mit der Klimapolitik, vor allem auch im Hinblick auf die Verhandlungen von Toronto und Kyoto?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Verehrter Herr Bundesrat! Es ist das gewissermaßen ein Bedrohungsszenario. Ich sage das auch deshalb, weil die erste Reaktion Japans auf das Ergebnis von Kyoto war, daß man überlegt hat, wieviel Kernkraftwerke man denn in Japan bauen müsse. Auf der anderen Seite sind auch Stimmen laut geworden, die sagen, die Kernkraft sei eine CO2-neutrale Technologie. – Das stimmt zwar für den Routinebetrieb, aber für die Installation und die Entsorgung ganz sicherlich nicht.

Meine Antwort lautet daher: Ich glaube das nicht. Ich habe das auch bei meiner Rede in Kyoto gesagt. Sehr verehrter Herr Bundesrat! Während Reden im Plenum bei derart großen Tagungen eher die Routine darstellen und die echten Verhandlungen anderswo ablaufen, haben mir bei meiner klaren Absage an die Kerntechnologie als Ersatz für fossile Energietechnologie nicht nur österreichische Vertreter, sondern auch Vertreter anderer Länder Applaus gespendet. Ich hoffe daher, daß es nicht nur wir Österreicher ablehnen, die Kerntechnik quasi als CO2-neutrale Technologie an die Stelle der fossilen Energietechnologie zu setzen. Ich lehne das ganz dezidiert und bestimmt ab. (Beifall des Bundesrates Ing. Grasberger. )

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ich unterstütze Ihren Wunsch, in Europa eine atomfreie Zone einzurichten. Solange wir diese aber nicht haben, sind natürlich auch größere Störfälle nicht ausgeschlossen. Sie haben schon erwähnt, daß unsere östlichen Nachbarländer Atomkraftwerke haben, die sehr sensibel sind.

Meine Frage lautet: Sind die bestehenden Sicherheitssysteme auf dem letzten technologischen Stand, und sind wir in Österreich, die wir von einem derartigen Risikofall unmittelbar betroffen wären, auch darauf vorbereitet, einem solchen zum Schutz unserer Bevölkerung zu begegnen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Die Bundesregierung hat in der Folge von Tschernobyl verstärkte Anstrengungen unternommen, um zumindest Frühwarnsysteme zu installieren, und zwar gemeinsam mit möglichst vielen unserer Nachbarländer, mit möglichst vielen jener Länder, in denen aus unserer Sicht besonders unsichere Kernreaktoren, zum Teil sogar vom Typ Tschernobyl, installiert sind. Wir waren dabei zum guten Teil erfolgreich und haben mit einigen Nachbarländern automatisch funktionierende Installationen eingerichtet. Das heißt, wenn es dort zu erhöhten Strahlenbelastungen kommt, dann gibt es hier eine entsprechende Meldung.

Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir auch mit der Ukraine in den letzten Monaten ein bilaterales Strahlenschutzabkommen abgeschlossen haben und es die Verpflichtung gibt, uns im Falle einer Störung frühzeitig zu warnen, um Zustände wie im Jahr 1986 zu vermeiden. Nach dem Unglück von Tschernobyl wurde erst über in Schweden erfolgte Messungen eines radioaktiven Fallouts die Katastrophe ruchbar und einige Tage später erst wirklich bekannt – jedenfalls Tage, nachdem der radioaktive Fallout zum guten Teil auch Österreich erreicht hat.


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Solche Frühwarnsysteme gibt es also. Darüber hinaus gibt es in Österreich noch die Bevorratung der entsprechenden Institutionen – sprich: Apotheken – mit Kaliumjodid-Tabletten. Das heißt, es würden im Katastrophenfall sehr rasch in diesem Fall die jüngeren Menschen dazu aufgefordert werden, durch die Einnahme von Kaliumjodid-Tabletten die Einlagerung von Jod 131 – das ist, glaube ich, die Nummer dieses Isotops – zu vermeiden. Das ist ein zweiter Aspekt der Vorsorgepolitik, wenn Sie so wollen, in Richtung Vermeidung von größeren Schäden an der österreichischen Bevölkerung, wenn es zu einer Katastrophe à la "Tschernobyl 2" kommen sollte, was wir allesamt nicht nur nicht hoffen, sondern was tunlichst nie passieren möge!

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 14. Frage, 851/M, die Herr Bundesrat Wolfgang Hager formuliert. – Bitte.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

851/M-BR/98

Inwieweit ist die bewährte Sachleistung Schülerfreifahrt durch entsprechende Verträge zwischen den Verkehrsunternehmungen und Ihrem Ressort weiterhin gesichert?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Diese Sachleistung Schülerfreifahrt ist absolut gesichert. Ich habe in den vergangenen Monaten bewußt in einzelnen Fällen Verträge gekündigt. Es ist in jedem Fall, ohne daß dies nachteilige Folgen für Schüler und Lehrlinge gehabt hätte, gelungen, so rechtzeitig zu Vertragsabschlüssen zu kommen, daß Nachteile, wie gesagt, ausgeschlossen waren. Gleichzeitig haben wir Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe für den Bund – respektive den Familienlastenausgleichsfonds als den Financier der Schülerfreifahrt – erzielen können.

Ich bin jetzt bestrebt, das, was ich mit Minister Scholten, aber auch bereits mit dem damaligen Finanzminister Klima vereinbart habe, ebenfalls umzusetzen, nämlich Österreichs Schüler und Lehrlinge spätestens ab dem Schuljahr 1998/99 – sprich: ab September dieses Jahres – in Österreichs Verkehrsverbünde zu integrieren. Das ist das primäre Ziel, weil es nicht angeht, daß Österreichs Schüler und Lehrlinge weiter sozusagen Menschen zweiter Klasse bleiben und von den Vergünstigungen der Verkehrsverbünde keine Vorteile haben dürfen.

Ich möchte das aber in Verbindung mit Einsparungseffekten auch für den FLAF machen. Ich meine, daß die Verhandlungen, die zurzeit hinter den Kulissen der Öffentlichkeit geführt werden, auf gutem Weg sind, und hoffe, mit meinem Hauptverhandlungspartner, Kollegen Einem, in absehbarer Zeit zu einem Abschluß zu kommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Das Nahverkehrsfinanzierungsgesetz, das hoffentlich bald eine lange und schwere Geburt hinter sich haben wird, wird, wie angekündigt, im Februar zur Begutachtung ausgesandt. Welche Auswirkungen wird dieses Nahverkehrsfinanzierungsgesetz auf die Schülerfreifahrten haben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Ich würde Sie bitten, Fragen bezüglich dieses Gesetzentwurfes an den zuständigen Kollegen Einem zu richten. Aber ich möchte nicht verhehlen, daß eine Klärung der Fi


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nanzierung und der Finanzquellen für den österreichischen Nahverkehr natürlich auch positive Auswirkungen auf die Schülerfreifahrt haben sollte.

Wir geben zurzeit jährlich rund 3,5 Milliarden Schilling für die Schülerfreifahrt aus. Mit Ausnahme der großen Ballungsräume, vornehmlich Wiens, ist die Schülerfreifahrt der Hauptfinancier des ländlichen Nahverkehrs. So gesehen werden wir von diesem Gesetz in hohem Maße betroffen sein und erhoffen uns davon auch gewisse Fortschritte, jedenfalls mehr Klarheit. Ich bin aber nicht in der Lage, heute über nähere Details zu sprechen, ich kenne diesen Gesetzentwurf einfach nicht.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke. Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Therese Lukasser gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1995 wurde die Heimfahrtbeihilfe des Bundes für Schülerinnen und Schüler, die zum Zwecke des Schulbesuches in einer Zweitunterkunft außerhalb des Wohnortes untergebracht werden müssen, abgeschafft.

Der Tiroler Landtag hat nun im November 1997 eine entsprechende Förderaktion beschlossen, die bis zum Inkrafttreten einer bundesgesetzlichen Änderung befristet ist. Meine Frage, Herr Bundesminister: Sind Maßnahmen geplant, die gewährleisten, daß Kinder, die aus entlegenen Gebieten stammen, durch einen Fahrtkostenzuschuß eine adäquate Ausbildung erhalten können, zumal Schülerinnen und Schüler, die am Hauptwohnsitz eine Ausbildungsstätte besuchen, weiterhin in den Genuß der Schülerfreifahrt gelangen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Ich möchte mich hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Fristsetzung sicherlich nicht in einem Lehnsessel – bildlich gesprochen – zurücklehnen und sagen: Wenn das Land Tirol und wenn die Länder das ohnehin tun, braucht es der Bund nicht zu tun. – Nein, im Gegenteil! Ich bin mit der Familiensprecherin des Koalitionspartners, Frau Abgeordneter Dr. Mertel, übereingekommen, die Heimfahrtbeihilfe in einem vernünftigen Ausmaß wieder zu gewähren.

Ich halte die Abschaffung derselben für einen Fehler, denn auf der einen Seite bietet man in Österreichs Städten den Schülern, aber auch Lehrlingen sehr bequeme Möglichkeiten an, bequem von der Annehmlichkeit her, aber auch von der Finanzierung her, auf der anderen Seite achtet man aber in den alpinen Regionen Österreichs auf die Realität zuwenig. Die Schüler, die Lehrlinge haben in diesen Gebieten weite Wege, müssen oft in Heimen wohnen und sind entgegen der früheren Praxis am Wochenende nicht selten gezwungen, nach Hause zu fahren, weil die Heime und die Internate am Wochenende geschlossen sind.

Es gibt also diese prinzipielle politische Vereinbarung mit der Frau Abgeordneten Mertel, sobald Möglichkeiten im FLAF bestehen, diesbezüglich wieder etwas zu tun. Konkret stelle ich mir das Jahr 2000 für eine solche Initiative vor. Das ist auch mit ein Grund, warum ich mich gegen alle Versuche verwahren muß, den Familienlastenausgleichsfonds so – unter Anführungszeichen – "auszuräumen", daß auf Jahre familienpolitischer Spielraum verlorengeht. Es geht nicht nur um die Heimfahrtbeihilfe, es geht auch um eine dann wieder notwendige Valorisierung von Leistungen wie Karenzgeld, Wochengeld. Wir brauchen dort Spielraum, es ist eben nicht möglich, alles und noch darüber hinaus eine Familienbeihilfenerhöhung, die dann als Familiensteuerreform gelten soll, aus diesem Bereich zu finanzieren, das geht einfach nicht.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 15. Anfrage, 841/M-BR/98, des Herrn Bundesrates Ing. Walter Grasberger. – Bitte, Herr Bundesrat.


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Bundesrat Ing. Walter Grasberger
(ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

841/M-BR/98

Welche Beschäftigungseffekte wurden durch die Förderungen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft im Jahr 1997 ausgelöst?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Es war das Jahr 1997 im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft ein absolutes Rekordjahr. Knapp 5,9 Milliarden Schilling wurden aus Finanzausgleichsmitteln, das heißt, zu knapp einem Drittel aus Länder- und Gemeindequelle, in diesem Bereich investiert. Über den normalen Beschäftigungseffekt von rund 14 000 bis 15 000 Arbeitsplätzen hinaus konnten im Jahr 1997 über 7 000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden.

Durch den über den 3,9-Milliarden-Routinesockel der Siedlungswasserwirtschaft hinausgehenden Betrag, also diese 2 Milliarden, konnten noch einmal etwas über 7 000 Arbeitsplätze geschaffen werden, sodaß der Gesamtbeschäftigungseffekt dieser 5,9 Milliarden Schilling mit rund 21 700 zu bemessen ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Die Zeit für die Fragestunde ist erschöpft.

Ich würde den Herrn Bundesminister bitten, die 16. Anfrage, die nicht mehr zum Aufruf gelangt, in schriftlicher Form zu beantworten. Ich werde dann allen Mitgliedern des Hohen Hauses diese schriftliche Beantwortung zukommen lassen.

Ich bedanke mich nochmals bei Ihnen, Herr Bundesminister!

Antrittsansprache des Präsidenten

11.07

Präsident Ludwig Bieringer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie in der Bundesverfassung vorgesehen, erfolgte mit Jahresanfang der Wechsel im Vorsitz des Bundesrates an das Bundesland Salzburg. Als erstgereihter Bundesrat des Landes Salzburg habe ich die Ehre, als Präsident der Länderkammer zu fungieren. Ich freue mich darüber und bin dem Salzburger Landtag hiefür sehr dankbar.

Gleichzeitig hat der Landeshauptmann von Salzburg, Dr. Franz Schausberger, von seinem oberösterreichischen Amtskollegen Dr. Josef Pühringer den Vorsitz in der Landeshauptmännerkonferenz übernommen.

Bei dieser Gelegenheit gestatten Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß ich meinem geschätzten Vorgänger und Freund, Dr. Günther Hummer, für seine ausgezeichnete Amtsführung ein herzliches und aufrichtiges Danke sage und ihm zu dem gestern von Herrn Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil verliehenen "Großen silbernen Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich" sehr herzlich beglückwünsche. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Antrittsansprachen des Präsidenten des Bundesrates sollen Grußworte, Dankesworte und auch Worte über die politischen Ziele der Präsidentschaft enthalten. Lassen Sie mich vorerst Grußworte an Sie alle, im besonderen an meine beiden Stellvertreter, Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach und Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss, sowie an die beiden Fraktionsvorsitzenden, Kollegen Albrecht Konečny und Frau Dr. Susanne Riess-Passer, richten, und ich darf Sie bitten, auch mit mir als Präsident in der gewohnten, guten Atmosphäre zusammenzuarbeiten.


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Ich grüße alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesratsdienstes, an der Spitze Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda. Ich entbiete den anwesenden Damen und Herren der Zuhörerschaft ebenfalls einen herzlichen Willkommensgruß. Ich darf meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß viele meiner politischen Weggefährten hier anwesend sind. Ich darf mich sehr herzlich bei ihnen allen bedanken, daß sie gekommen sind und mir die Ehre geben, während meiner Antrittsrede anwesend zu sein.

Ich bedanke mich besonders herzlich beim langjährigen Bundesrat Karl Pischl, dem ich ebenfalls sehr herzlich zu dem vom Herrn Bundespräsidenten verliehenen Titel "Professor" von dieser Stelle aus gratulieren möchte. (Allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich, daß zwei meiner treuen Weggefährten aus dem Bundesland Salzburg, mein Bezirksparteiobmann, der ehemalige Bundesrat und Landtagsabgeordnete Wolfgang Saliger und Herr Bundesrat außer Dienst Ing. Georg Leberbauer mit seiner Gattin, in unserer Mitte weilen. Es freut mich ganz besonders, daß der Generalkonsul der Seychellen, der langjährige Bundesrat Dkfm. Dr. Karl Pisec, ebenfalls hier anwesend ist. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich bei meiner ersten Antrittsrede als Präsident des Bundesrates am 4. November 1993 stellvertretend für alle unsere Ehepartner bei meiner damals und heute anwesenden Gattin für das Verständnis bedankt, das sie mir für meine nicht immer leichte Aufgabe entgegengebracht hat, und vor allem für die vielen Entbehrungen, die sie in Kauf nehmen mußte – genauso wie andere Politikergattinnen auch. Das darf ich mit der gleichen Herzlichkeit heute wiederholen. (Allgemeiner Beifall.)

Hohes Haus! Ich halte nichts davon, bei Antrittsreden einen Wunschkatalog vorzulegen, gestatten Sie mir daher, daß ich nur einige Bemerkungen mache.

Das Jahr 1998 bringt mit der Vorsitzübernahme Österreichs bei der Europäischen Union zweifelsohne einen neuen Einschnitt in die österreichische Geschichte. Gehen wir davon aus, daß es gerade in diesem Jahr endlich so weit sein möge, daß der im Nationalrat liegende Entwurf der Bundesstaatsreform noch vor der Vorsitzübernahme von Österreich in der EU beschlossen wird. Es sei einigen ins Stammbuch geschrieben, daß man im Großen leichter etwas erreicht, wenn im Kleineren alles in Ordnung ist.

Aus dieser Sicht darf ich – bescheiden, wie wir nun einmal geworden sind – drei Forderungen des Bundesrates, Uralt-Forderungen, wiederholen und nochmals einbringen:

Erstens: Es ist hoch an der Zeit, daß der Nationalrat den erreichten Minimalkonsens über die Bundesstaatsreform in Verhandlung nimmt und beschließt.

Zweitens möchte ich die Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Rechte und der Arbeit des Bundesrates von meinem Freund Dr. Hummer, wie er sie anläßlich seiner Abschiedsrede als Präsident zusammengefaßt hat, aufgreifen. Er hat die Einführung eines Stellungnahmerechtes des Bundesrates zu Gesetzesinitiativen und Volksbegehren eingefordert. Dafür liegt im Nationalrat der Antrag 100/A-BR/97 vor. Weiters hat er die Teilnahme von Bundesräten mit beratender Stimme an Verhandlungen der Ausschüsse des Nationalrates sowie die Verpflichtung des Nationalrates, Gesetzesinitiativen des Bundesrates in Beratung zu nehmen, vorgeschlagen.

Nach diesem Antrag sollen auch offensichtliche Schreib- und Rechenfehler sowie sinnstörende Fehler in den Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates im Zuge der Beratungen des Bundesrates im Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuß des Nationalrates korrigiert werden können. Aber daran, so scheint mir, müßten eigentlich die Regierung und der Nationalrat von sich aus ein besonderes Interesse haben, um solche kleinen, aber in der Auswirkung unangenehmen Pannen reparieren zu können.

Das Stellungnahmerecht möchte ich besonders herausstreichen. Nicht nur, weil ich diesen Antrag gemeinsam mit den Bundesräten Dr. Günther Hummer, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Albrecht Konečny und Dr. Susanne Riess-Passer unterschrieben habe, sondern weil ich diesen Antrag für besonders aktuell und für eine geradezu notwendige Ergänzung zum Konsul


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tationsmechanismus halte. Denn der Konsultationsmechanismus soll sich auf das Verfahren bis zur Regierungsvorlage beschränken. Im parlamentarischen Verfahren, also im Rahmen der Vorberatungen in den Ausschüssen des Nationalrates, sollte daher der Bundesrat die Vertretung der Länderinteressen wahrnehmen. Das wäre, wie ich schon gesagt habe, eine wichtige, sinnvolle und notwendige Aufgabe des Bundesrates.

Ausdrücklich mache ich darauf aufmerksam, daß dies von uns aber Reaktionsschnelligkeit, viel an Koordination und natürlich Sachkompetenz erfordert. Dies erfordert von uns auch – und zwar jetzt – eine sehr gründliche Vorbereitung, um die Rahmenbedingungen, also die erforderlichen praktikablen Regeln in der Geschäftsordnung, so zu gestalten, daß wir möglichst unkompliziert sehr rasch reagieren können, und es erfordert Gespräche mit dem Nationalrat und eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Ländern.

Drittens: Schließlich erwarte ich, daß die Präsidialkonferenz des Nationalrates bei der Termingestaltung auf die Sitzungstermine des Bundesrates Rücksicht nimmt und der Nationalrat nicht, so wie es jetzt wieder am 17. 12. vorgesehen ist, zur gleichen Zeit wie der Bundesrat tagen will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, wenn wir das erreichen wollen, liegt viel Arbeit vor uns. Packen wir sie gemeinsam an! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind drei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ludwig Bieringer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Einlauf und Zuweisung

Präsident Ludwig Bieringer: Den eingelangten Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996 habe ich dem Sozialausschuß zur Vorberatung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen über die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Beschlüsse des Nationalrates und den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich – Sicherheitsbericht 1996 –, den Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1996 und den 13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Ludwig Bieringer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Riess-Passer, Dr. Har


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ring, Mühlwerth und Kollegen betreffend verfassungskonforme Reform im Familienlastenausgleich an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1996) (III-170/BR und 5613/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht der Bundesregierung beinhaltet einen Beitrag des Bundesministeriums für Inneres sowie einen Beitrag des Bundesministeriums für Justiz. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht enthält eine Reihe von Statistiken, ich möchte hier nur exemplarisch eine Zahl herausstreichen, nämlich jene, daß bei der Gesamtzahl aller strafbaren Handlungen ein Minus von 0,2 Prozent zu verzeichnen ist. Im übrigen wird in diesem Bericht noch angemerkt, daß erstmals seit 1987 die Aufklärungsquote der Gesamtkriminalität wieder über 50 Prozent und jene der Verbrechen über 30 Prozent beträgt.

Namens des Rechtsausschusses, der diese Vorlage am 13. Jänner 1998 beraten und eine Kenntnisnahme mit Stimmenmehrheit beschlossen hat, stelle ich den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

11.20

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Herren Minister! Wir diskutieren heute den Sicherheitsbericht über das Jahr 1996, also den Sicherheitsbericht vom vorletzten Jahr. Ich räume aber ein, daß wir dieses Exemplar bereits im Jahr 1997 zugeschickt bekommen haben und daß es auch möglich gewesen wäre, den Bericht 1996 schon im vorigen Jahr zu debattieren. Meine Herren Minister! Das ist im Verhältnis zu den Jahren vorher durchaus ein Fortschritt, und wir sind auch sehr dankbar dafür. Auch die Tabellen scheinen, soweit wir es sehen konnten, diesmal nicht vertauscht zu sein. Sie brauchen sie, so glaube ich, nicht zu korrigieren.

Meine Herren Minister! Zu einigen Schwerpunkten aus freiheitlicher Sicht im Sicherheitsbericht 1996: Einen wichtigen Bereich nimmt auch in diesem Berichtsjahr wieder die organisierte Kriminalität ein. Während laut Sicherheitsbericht 1994 – das muß man sich vor Augen halten – der Anteil an der Gesamtkriminalität noch 20 bis 25 Prozent betragen hat, ist er mittlerweile auf 30 bis 35 Prozent angewachsen. Wie im Bericht zu lesen ist, sind unsere Sicherheitsbehörden in diesem Bereich mit einer zunehmenden Entwicklung konfrontiert.

Das organisierte Verbrechen verfügt über nahezu unbegrenzte Geldmittel und Logistik, nützt die neuesten Technologien und Kommunikationsschienen, es ist übergreifend, international verflochten und voll mobil. Die organisierte Kriminalität – so schreiben Sie, meine Herren Minister – begeht Wirtschaftsdelikte, internationale Kfz-Verschiebungen, Schutzgelderpressungen, organi


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sierte Einbruchsdiebstähle in Gebäude und Kfz sowie organisierte Taschendiebstähle, betreibt Prostitution, Menschenhandel, Geldwäsche und Suchtgifthandel. Im Rahmen der allgemeinen Gewaltkriminalität sind ethnisch geschlossene Tätergruppierungen vermehrt festzustellen.

Im Bereich der Wirtschaftskriminalität sprechen Sie in diesem Jahresbericht vom Bankwesengesetz als einem tauglichen Instrument zur Bekämpfung der Geldwäscherei. Wenn, meine Herren Minister, diese Tauglichkeit auch zutreffen mag, so scheint dieses Instrument doch da und dort zu zögernd eingesetzt zu werden. Denn wie könnte es sonst sein, daß sich für jeden Bürger sichtbar in den letzten Jahren geradezu ein Netz von kriminellen Stützpunkten im Rahmen von gastronomischen Einrichtungen und Handelsgeschäften aller Art über das gesamte Bundesgebiet gelegt hat? – Entweder sind die Gesetze nicht ausreichend, oder sie werden nicht richtig angewandt.

Meine Herren Minister! Es muß uns darum gehen, das Festsetzen von kriminellen Organisationen von Grund auf zu verhindern. In diesem Zusammenhang sind eben nicht nur die strafrechtlichen und bankwesengesetzlichen, sondern auch die fremdenrechtlichen und aufenthaltsgesetzlichen Regelungen konsequenter zu vollziehen. Diese Konsequenz ist erforderlich, wenn ich lese, mit wem wir es hier zu tun haben: mit Tätergruppierungen aus dem ehemaligen Ostblock, deren Spezialitäten im Suchtgifthandel, in der Kfz-Verschiebung und im Menschenhandel liegen, mit Straftätergruppierungen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, die im Bereich der Eigentumskriminalität besondere Geschicklichkeit entwickelt haben, mit türkischen kriminellen Organisationen, deren Betätigungsfeld sich unter anderem auf den Suchtgift- und Waffenhandel, die Erpressung und die Schutzgeldeintreibung erstreckt, mit asiatischen kriminellen Organisationen, die sich vor allem mit Dokumentenfälschung, Schlepperei, Schutzgelderpressung und Geldwäsche befassen.

Meine Damen und Herren! Dagegen wirkt die altbekannte Mafia aus Italien, wie Sie sie in Ihren Berichten neben anderen Verbrechergruppen erwähnen, die schwergewichtsmäßig "nur" – unter Anführungszeichen – mit Betrügereien in Zusammenhang zu bringen ist, geradezu harmlos.

Meine Herren Minister! Setzen Sie gerade in diesem Bereich wirkungsvolle Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität, solange der Staat solchen Mächten gegenüber überhaupt noch handlungsfähig ist. Die Statistik zur Kriminalität von Fremden unterstreicht diese Position leider Gottes besorgniserregend. Um die Entwicklung im Bereich der Fremdenkriminalität zu erkennen, muß man sich vor Augen halten, daß der Anteil von Fremden an der Gesamtkriminalität 1975 noch 9,4 Prozent betrug und bis zum Jahre 1996 auf 19,5 Prozent angewachsen ist, sich also im wesentlichen verdoppelt, bei den Verbrechen sogar verdreifacht hat.

Beim Anteil an allen strafbaren Delikten war im Jahre 1996 bei bewaffnetem, gewerbsmäßigem und Bandendiebstahl ein Anteil von 52,1 Prozent Fremder ausgewiesen, beim räuberischen Diebstahl waren es 36,6 Prozent, bei Diebstahl von Kraftwagen 59,3 Prozent, bei Diebstahl von Gegenständen aus Kfz 49,2 Prozent und bei Verbrechen gegen die Sittlichkeit immerhin 20,4 Prozent. Das Delikt erpresserische Entführung, bei dem es im Berichtsjahr 1995 noch einen 62,5-Prozent-Anteil an Fremden gab, haben Sie in diesem Jahr weggelassen.

Meine Damen und Herren! In einen Zusammenhang mit den erschreckenden Steigerungen, die dieser Bericht leider Gottes dokumentiert, ist auch nach wie vor die Suchtgiftkriminalität zu stellen und damit ein Bereich, bei dem es im wesentlichen um den Schutz unserer Jugend geht. Die Zahl der Anzeigen wegen Zuwiderhandlungen von Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes ist immerhin im Jahre 1996 gegenüber dem Vorjahr um 23,7 Prozent gestiegen. Der Anteil von Fremden ist in diesem Bereich besonders hoch. So wurden 74 Prozent – meine Damen und Herren, 74 Prozent! – des sichergestellten Kokains, 78 Prozent des sichergestellten Heroins und immerhin noch 32 Prozent der sichergestellten Cannabisprodukte bei Fremden vorgefunden.

Wenn man weiß, daß heute im Europäischen Parlament eine Abstimmung stattfinden wird, bei der es darum geht, den Verkauf leichter Drogen völlig zu liberalisieren und schwere Drogen über


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den Krankenschein zugänglich zu machen, dann, glaube ich, sind konsequente Haltungen auf nationaler Ebene notwendiger denn je. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Bereich, der nach wie vor beunruhigen muß, ist jener der Schlepperei. Die Zahl der wegen dieses Delikts aufgegriffenen Personen betrug im Jahre 1996 – so entnehme ich Ihrem Bericht – 1 282 Personen. Dieses Delikt, meine Damen und Herren, bringt den Betroffenen Leid und Elend, meist auch den Verlust von Hab und Gut und treibt diese Menschen in die Illegalität der Aufenthaltsgesetze der Länder, in die sie sich flüchten. Der größte durch Zahlen belegbare Migrationsdruck auf Österreich erfolgte dabei durch Personen aus den Balkanrepubliken, gefolgt von Kurden aus der Türkei und dem Nahen Osten sowie Personen aus Rumänien.

Herr Innenminister! Gerade die kürzlich erfolgte Einwanderung kurdischer Flüchtlinge über Italien hat die leider Gottes nach wie vor gegebene Untauglichkeit europäischer Strukturen vor Augen geführt. Es war nicht nur die Vereinbarung von Schengen unbrauchbar, sondern es erwies sich auch die Unfähigkeit der EU-Mitgliedsländer, im Rahmen des Asylrechtes einen gemeinsamen effizienten Weg zu gehen. Es zeigte sich auch die politische Unfähigkeit der EU, zu verhindern, daß auf dem Rücken von vorgeschobenen Frauen und Kindern politische Auseinandersetzungen, ja sogar Kriege vom Nahen Osten nach Europa importiert werden.

Meine Herren Minister! Hier sehen wir Freiheitlichen Handlungsbedarf für vernünftige Länder, und unseres sollte eines davon sein.

Meine Damen und Herren! Meine Herren Minister! Wir Freiheitlichen erkennen im Sicherheitsbericht 1996 durchaus an, daß für das Berichtsjahr da und dort in Ihrer Statistik eine günstigere Zahl als im Vorjahr zu liegen kommt. Zurückzuführen ist das aber unter anderem auch auf den massiven politischen Druck von uns Freiheitlichen über mehrere Jahre hinweg; ein Druck, der, so glaube ich, im Sinne der Sicherheitspolitik nicht nachlassen sollte.

Die Maßnahmen, meine Herren Minister, die Sie in den von mir skizzierten Bereichen in den letzten Monaten und Jahren gesetzt haben, sind nach unserem Dafürhalten nach wie vor unzureichend. Wir Freiheitlichen werden deshalb Ihrem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

11.30

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich stellt der Sicherheitsbericht 1996 mit den darin enthaltenen Statistiken und verschiedenen Feststellungen eine wesentliche Grundlage für die Diskussion dar und soll zugleich auch Schlußfolgerungen ermöglichen und uns allen Beispiele aufzeigen, wo Fehler gemacht wurden und wo die Bewältigung der derzeitigen Situation in Angriff genommen werden kann. Ich möchte mich auf zwei wesentliche Punkte beschränken, weil beide eine sehr negative Entwicklung aufzeigen und uns auch noch vor größere Probleme stellen werden.

Zum ersten: Wie schon im Sicherheitsbericht 1995 feststellbar war, hielt 1996 und 1997 und wird auch 1998 der Zuzug illegaler Emigranten in steigender Höhe anhalten. Ich brauche nur die Situation in Kärnten zu betrachten, wo sich die Lage so dramatisch veränderte, daß es allein bei der Aufgriffsquote von illegalen Grenzgängern zu einer Steigerung von 65 Prozent gekommen ist. Wenn allein in meinem Bezirk 690 Personen angehalten werden, so heißt das für mich, daß wir in diesem Zentralraum, dem Schnittpunkt von internationalen Eisenbahn- und Autobahnverbindungen nach allen Richtungen in unserem Bundesgebiet, die Schengen-Kriterien noch nicht vollständig erfüllen – dies deshalb, weil ein großer Teil der aufgegriffenen Personen aus den ehemaligen Ostländern in unser Bundesgebiet einreisen konnte, aber auch deshalb, weil ich der Überzeugung bin, daß noch nicht alle Möglichkeiten einer besseren Überwachung eingesetzt werden. Ich meine, daß es unbedingt und zwingend erforderlich sein wird, mehr Personal hiefür einzusetzen.


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Umso verwunderlicher erscheint mir aber – ich möchte sogar sagen, den einschreitenden Beamten gegenüber ist es ein Hohn –, daß, wie ich gestern aus den Medien erfahren konnte, im Bereich des Wissenschaftsministeriums für heuer 1 000 Planstellen freigegeben werden und in den nächsten zwei Jahren noch 2 000, während im selben Augenblick die Beamten an der Grenze durch Überstunden bis an die Grenze der Möglichkeiten ihrer persönlichen Belastung ausgenützt werden. Neben dieser extremen Belastung der Beamten werden aber auch zusätzlich – diese Entwicklung erscheint mir ganz gefährlich – die Dienststellen im Landesinneren durch Personalzuteilungen an die Grenze ausgehöhlt. Daß dadurch das persönliche Sicherheitsempfinden der Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen wird, erscheint mir bedenklich.

Ich weiß, daß ein nicht geringer Teil der Problematik auf eine geringe Flexibilität und in bestimmten Bereichen auch auf fehlerhafte innerbetriebliche Strukturen zurückzuführen ist. Ich meine aber, daß nur ein genügend großer Personaleinsatz und Verbesserungen in der technischen Ausstattung diese Fehler beheben können. Wenn auch den internationalen Bestrebungen und Anforderungen fast ganz – ich sage deshalb "fast ganz", weil meiner Meinung nach entgegen der anfänglichen Euphorie die Kriterien noch nicht ganz erfüllt werden – entsprochen wird, so darf doch die Sicherheit des Staates und der darin lebenden Bevölkerung nicht zu lange strapaziert werden.

Ein zweiter Punkt, der in vielen Bereichen in den ersten eingreift und mit diesem in unmittelbarem Zusammenhang steht und von Dr. Bösch schon erwähnt wurde, ist der Bereich der organisierten Kriminalität und der Suchtgiftkriminalität. Auch da erscheinen mir persönlich – im Wissen, wie viele Beamte eingesetzt werden, im Wissen, welches technische Gerät eingesetzt wird – der Personaleinsatz und der Einsatz von technischen Geräten noch zu gering. Wenn man die statistischen Zahlen betrachtet, wonach der Anteil der Fremdenkriminalität an der Gesamtkriminalität 19,5 Prozent beträgt, im Bereich der Verbrechenskriminalität sogar 31,5 Prozent, und wenn man zugleich weiß, daß in Kärnten für beide Bereiche nur 12 bis 14 Beamte zur Verfügung stehen, dann erscheint mir die Frage nach dem Warum leicht beantwortbar. Wenn man dazu die Diskussion hinsichtlich der Freigabe von leichten Drogen, die Dr. Bösch ebenfalls erwähnt hat, hernimmt, wenn man dazu bedenkt, daß es im gesamten Bundesgebiet im vergangenen Jahr 230 Drogentote gab und trotzdem nicht mehr, sondern ebenso viele Beamte für die Bekämpfung eingesetzt werden, so erübrigt sich auch hier diese Frage. Ich meine, daß wir uns im gesamten Bereich der beiden Deliktsgruppen zu stark auf das Agieren bei Anlaßfällen konzentrieren und dabei der ureigensten Aufgabe der Exekutive, nämlich dem Überwachen, der Verhinderung von Vorbereitungshandlungen sowie der Präventivtätigkeit im gesamten, zuwenig Augenmerk schenken.

Ich erkenne die Leistung im zuständigen Ministerium an, meine aber, daß der allgemeine Spargedanke nicht vor die Sicherheit des Staatsbürgers gestellt werden darf und die Leistungen der vollziehenden Beamten nicht zu stark ausgenützt werden sollten. Ich stelle fest, daß, den Zahlen aus dem Sicherheitsbericht 1996 folgend, eine stärkere Personalzuführung an die Gesamtexekutive unabdingbar notwendig erscheint und eine zeitgerechte und den heutigen Verhältnissen angepaßte Ausstattung mit technischen Geräten zur Erhaltung und Verbesserung des Sicherheitsstandards für die österreichische Bevölkerung wie auch dem internationalen Standard entsprechend als selbstverständlich gelten sollte. Man muß auch unbedingt – meines Wissens sind die Anfänge bereits gegeben – die derzeit durchgeführte Belastungsstudie für die Exekutive überdenken und auch die Belastungsbewertungen den neuen Gegebenheiten anpassen.

Ohne eine handlungsfähige Exekutive gibt es keine innere Sicherheit. Die Arbeit unserer Exekutive ist die Grundlage der Sicherheit in Österreich und damit auch die Grundlage unseres hohen internationalen Sicherheitsstandards und dessen Anerkennung. Gerade im Wissen um die Daten aus dem Sicherheitsbericht 1996 und die damit verbundene Kriminalitätsentwicklung und die bekannten Entwicklungen im Jahre 1997 sowie die vielen in Zukunft auf uns zukommenden Gefahren scheint es mit besonders wichtig zu sein, daß sich die gesamte Politik in den schwierigen öffentlichen Auseinandersetzungen vor die Exekutive stellt. Wenn wir erwarten, daß Frauen und Männer für unsere Sicherheit den Kopf hinhalten, dann müssen wir auch den Mut haben, sie in schwierigen Situationen zu verteidigen. Die notwendige Personalzuführung, die


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Ausstattung mit technischen Geräten sind der jeweiligen Situation, den jeweiligen Anforderungen und den verhinderbaren Bedrohungen anzupassen.

Politische Verlegenheitshandlungen und mangelnde Flexibilität sind fehl am Platz und ein Vergehen an der Sicherheit der Bevölkerung unseres Staates. Wir haben die politische Pflicht, allen Bürgern unseres Staates ein Leben in Freiheit, in Sicherheit sowie ohne Bedrohung, die verhinderbar ist, zu garantieren. Wir müssen mit allen Mitteln jede Form der Kriminalität und Gewalt und jede Bedrohung unseres rechtsstaatlichen Prinzips bekämpfen.

Gerade an dieser Stelle möchte ich aber auch einen sehr persönlichen Appell an die Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei in diesem Hohen Haus richten. Ich erkenne Ihre Arbeit und Ihr Wirken in sehr vielen Bereichen auf allen Ebenen an. Ich fordere Sie aber auf, endlich mit Ihrer Politik der Destabilisierung und der Radikalsprache, die von gewissen Personen ausgeht, aufzuhören.

Ich gehöre – ich möchte hier symbolhaft jene Mütze herausnehmen, die einen Teil der Exekutive symbolisiert (der Redner legt die Mütze auf das Rednerpult)  – zu jener Spezies, die einen Teil der Exekutive vertritt. Ich gehöre zu jenen grauen und grünen Mützenträgern in der Exekutive, die laut Aussage Ihres Obmannes am Sonntag in der "Kleinen Zeitung" als "Mafia" bezeichnet werden. Liebe Frau Kollegin Riess-Passer, als "Mafia"! Die Bezeichnung "Mafia" reicht mir. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Nein, nein! – Weiterer Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist unrichtig! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wenn Sie schon zitieren, zitieren Sie vollständig!)

Geschätzte Damen und Herren! Wenn jemand, der in diesem Haus nur bei 29 von 39 Sitzungen anwesend war, bei diesen Sitzungen insgesamt nur zu 25 Prozent anwesend war und dafür 170 000 S im Monat kassiert, wenn jemand, der am 15. Jänner 1996 zum stellvertretenden Obmann des Außenpolitischen Ausschusses gewählt wurde und seit damals an keiner Sitzung teilgenommen hat, dann die Frechheit besitzt, die Führung dieses Landes als verrottet, korrupt und geldgierig zu bezeichnen – so zu lesen in der "Kleinen Zeitung" vom 12. Jänner 1998, Ihrem ominösen Tag in Graz ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wenn alles, was in der Zeitung von der ÖVP steht, stimmt, dann diskutieren wir darüber!)  – Ja, Sie haben es doch immer so gemacht! Ich mache nur Ihren Teil. Ich nehme einfach die Maske herunter, ich möchte einmal die Maske herunterziehen, Frau Kollegin! Die Maske ist weg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sage jetzt bewußt folgendes: Wenn jemand die Exekutive – das sind mehr als 30 000 Beamte – als "Mafia" bezeichnet (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist unrichtig! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist unwahr!) , wenn jemand denjenigen, der erhebt, um dieses schwarze Schaf zu stellen, als "korrupt" und als "Komplizen des Verbrechertums" bezeichnet – in allen Medien ist das gestanden, Frau Kollegin, ich weiß das aus den Medien, aber Sie können es selbstverständlich berichtigen (Bundesrat Dr. Böhm: Deshalb ist es wahr? – Bundesrätin Mühlwerth: Weil es in der Zeitung steht, ist es wahr?)  –, wenn jemand den durch die Suspendierung wegen des angeblichen Datenmißbrauchs entfallenden Lohn des Beamten aus dem Sozialtopf der FPÖ bezahlt, wenn jemand erhebende Beamte als "Komplizen des Verbrechertums" bezeichnet, dann hat er für mich jeden Anspruch, als Vertreter der Rechtsstaatlichkeit und jeglicher Form demokratischen Verhaltens zu gelten, verloren. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ihre Behauptungen sind falsch und unwahr!) Sie können das selbstverständlich berichtigen, Frau Kollegin!

Solche Aussagen sind aufs schärfste zu verurteilen. Datenmißbrauch, Unterdrückung von Beweismitteln, Mißbrauch der politischen Immunität sind für mich Vergehen im Bereich der Offizialdelikte und wären von Amts wegen zu verfolgen. Ich nehme mit Verwunderung und Erstaunen zur Kenntnis, daß diesbezüglich speziell seitens des Justizministeriums, aber teilweise auch seitens des Innenministeriums großer Handlungsbedarf besteht – Handlungsbedarf bezüglich des Problems des angeblichen Datenmißbrauchs in Salzburg, Handlungsbedarf bezüglich der Aussagen Dr. Haiders, daß er in jedem österreichischen Bundesland die Möglichkeit habe, Daten zu bekommen, Handlungsbedarf bezüglich der Aussagen des Salzburger Polizisten, daß er von Linken verfolgt werde und gegen den Polizeidirektor von Salzburg etwas in der Hand habe beziehungsweise die "Bomben" hochgehen lassen werde.


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Ich meine – damit komme ich zu meinen vorherigen Ausführungen zurück –, daß wir uns vor unsere Exekutive stellen müssen, um jene Mehrheit zu schützen, die ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle unserer Bevölkerung erledigt. Abschließend möchte ich mich bei allen Frauen und Männern der Exekutive für ihre ausgezeichnete Arbeit in allen Bereichen bedanken und ihnen mitteilen, daß ich stolz darauf bin, daß wir in Österreich eine ausgezeichnete Exekutive haben, die funktioniert, die ehrlich arbeitet, und auch darauf stolz bin, daß ich dieser angehören darf. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

11.42

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich kann zwar nicht, so wie mein Vorredner, Kollege Richau, mit einem Exekutivkapperl oder mit einem Taferl aufwarten (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist kein Kapperl, sondern eine Mütze!), aber ich möchte umso deutlicher die Behauptung von Bundesrat Bösch zurückweisen, daß das Innenministerium oder das Justizministerium oder die Minister Schlögl und Michalek auf den Druck der FPÖ reagiert hätten. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und Beifall des Bundesrates Steinbichler. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der uns heute vorliegende Sicherheitsbericht 1996 gibt Aufschluß über die Kriminalität unseres Landes, berichtet aber auch über die umfassenden, großteils erfolgreichen Vorbeugungsmaßnahmen. Er gibt zum einen Auskunft über die Aufklärung von Kriminalfällen im Jahre 1996, zum anderen setzt er sich mit der Rechtspflege, der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften und mit der Erledigung der Straffälle bei Gericht auseinander. Den beiden Herren Bundesministern und ihrer Beamtenschaft ist dafür zu danken, daß sie zwei so umfangreiche Bereiche in so konzentrierter und übersichtlicher Form in einem gemeinsamen Bericht zusammenfassen konnten.

Als politisch Verantwortlicher in diesem Lande muß man zweifellos anerkennen, daß es sowohl dem Innenministerium, aber auch dem Justizministerium gelungen ist, wesentliche Schritte, die in der Regierungserklärung des Jahres 1996 angekündigt wurden, bereits in die Tat umzusetzen. Dies wird für unsere Bürgerinnen und Bürger täglich in positiver Weise spürbar. Daher sollen wir eigentlich stolz darauf sein, daß die Bevölkerung steigendes Vertrauen in unsere Exekutive, in unsere Justiz hat.

Österreich ist darüber hinaus auf dem besten Weg, nicht nur eines der sichersten Länder Europas zu bleiben, sondern diese Sicherheit auch gegen die internationale organisierte Kriminalität, wie Autoschieber, Drogenkartelle, Menschenhandel, Schlepperunwesen, Wirtschaftskriminalität, weiterhin auszubauen. Durch den raschen und konsequenten Ausbau des Grenzdienstes der Gendarmerie und den Einsatz des österreichischen Bundesheeres war es auch möglich, im Jahr 1996 die illegalen Grenzübertritte deutlich zu reduzieren. Sicherlich hat dazu auch der Einsatz modernster technischer Hilfsmittel sowie neuer Ermittlungsmethoden und vor allem die verbesserte Zusammenarbeit in Europa, aber auch die bessere Zusammenarbeit mit unseren osteuropäischen Nachbarländern beigetragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun einige Anmerkungen zum Rechtsextremismus in Österreich! Im Jahre 1996 kam es zu insgesamt 290 Delikten mit rechtsextremen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Hintergründen. Davon konnten über 140 Fälle aufgeklärt werden.

Was aber besonders positiv zu erwähnen ist, ist die Tatsache, daß auch die Zahl der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz stark rückläufig gewesen ist, ebenso die rechtsextremistisch motivierten Schmier- und Klebeaktionen. Ich glaube, daß da die allgemeine breite Informations- und Aufklärungsarbeit ihren Beitrag dazu geleistet hat.

So erfreulich diese Entwicklung auch ist, darf sie uns dennoch nicht ruhen lassen. Wir müssen vor allem im Bereich der Pflichtschulen und der Berufsschulen auch weiterhin unsere Informa


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tions- und Aufklärungsarbeit fortsetzen. Obwohl erfreulicherweise auch die Anzahl der Jugendbanden, die solche Delikte begangen haben, stark rückläufig ist, muß man doch auch anmerken, daß die Anzahl der jugendlichen Täter steigend ist.

Nun einige Anmerkungen auch zum Linksextremismus in Österreich: Das linksextreme Spektrum umfaßt neben autonomen, anarchistischen, antifaschistischen Gruppen lose Personengruppen sowie konspirativ agierende Gruppen, die bei den verschiedensten Kundgebungen oder Demonstrationen erkennbar sind. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die allgemein bekannten drei Anschläge auf Mineralölfirmen in Graz erwähnen. Zu schweren Ausschreitungen ist es in Salzburg anläßlich der "Chaos-Tage", 28., 29. September, gekommen. Aber auch in diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, daß die Salzburger Sicherheitsbehörde jederzeit Herr der Lage gewesen ist (Beifall bei SPÖ und ÖVP) und die Verantwortung der jetzt in der Öffentlichkeit von der FPÖ gescholtene Beamte getragen hat. Bei diesen "Chaos-Tagen" wurden insgesamt 32 österreichische und ein deutscher Staatsbürger festgenommen.

Die Einschätzung und die Beurteilung der linksextremen Szene in Österreich lautet, daß diese weder aufgrund ihrer Anhängerzahl noch aufgrund ihres Gewaltpotentials eine Gefahr für die Österreicherinnen und Österreicher oder für die staatliche Sicherheit darstellt.

Ich möchte mich nun einer ganz anderen Problemstellung widmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem aktuellen Thema beginnen und in diesem Zusammenhang an die Flüchtlingsschiffe erinnern, die aus der Türkei nach Italien gekommen sind – mit sehr vielen Kurden, älteren Personen, Frauen und Kindern, an Bord. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Flüchtlingsströme verweisen, die vor Monaten aus Albanien nach Italien gekommen sind. Damals ist es unserem Bundeskanzler a. D. Vranitzky in vorbildlicher Weise gelungen, mit den Streitteilen in Albanien doch eine weitgehende Befriedung dieses Landes zu erzielen.

Die Bewältigung solcher Flüchtlingsströme bedarf aber einer größtmöglichen europäischen Zusammenarbeit. Die Ursachen solcher Flüchtlingsströme sind mit einer gemeinsamen europäischen Willensbildung schon im Entstehungsland abzustellen. Es können doch nicht am Ende des 20. Jahrhunderts noch immer ältere Menschen, Frauen und Kinder, überwiegend aus religiösen, politischen Gründen und vielleicht aufgrund ihrer rassischen Herkunft, aus ihrem Heimatland vertrieben werden. Oft bleibt diesen Menschen gar kein anderer Weg offen, als sich, um ihr Leben zu retten, den kriminellen Schleppern auszuliefern – um den Preis ihrer letzten Ersparnisse und einer unsicheren Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den ungebrochenen Zustrom Zigtausender von illegalen Migranten nach Europa stehen einige Staaten Europas vor großen Problemen, so auch Österreich. Die Migranten, die aus Osteuropa, Afrika, dem Nahen und Fernen Osten kommen, dringen vor allem aus wirtschaftlichen, politischen Gründen in die Länder der Europäischen Union. Österreich und Italien sind als erste Etappenländer davon besonders betroffen. Als Zielländer kommen noch die Länder Deutschland, Schweiz, Frankreich und Niederlande hinzu.

Der größte durch Zahlen belegbare Migrationsdruck auf Österreich erfolgt durch Personen aus den Regionen des Balkans, gefolgt von den Kurden aus der Türkei, aus dem Nahen Osten, dem Mittleren Osten, aber auch aus Rumänien. Die Schleppersyndikate sind, wie auch von Kollegen Bösch bereits erwähnt, perfekt und international organisiert. Die Flüchtlinge werden mit falschen Papieren versorgt, nachdem sie finanziell ausgepreßt wurden. 1996 wurden in Österreich nicht ganz 1 300 Schlepper gefaßt. Es ist anzunehmen, daß im Jahr 1996 zirka 10 000 Kinder, Frauen und Männer illegal die österreichische Grenze überschritten haben.

Österreich ist seit einigen Monaten Schengen-Land, das heißt, wir sind EU-Außengrenze. Die Grenzstellen wurden alle rechtzeitig mit den notwendigen technischen und elektronischen Gerätschaften ausgestattet und mit hochqualifizierten Beamtinnen und Beamten verstärkt. Daß es in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Personalbedarf gibt, ist verständlich, aber es ist schon eine Aufstockung um 500 Personen angekündigt worden, und ich bin überzeugt, daß diesem Wunsch des Herrn Bundesministers Rechnung getragen werden wird.


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Diese Maßnahmen werden es ermöglichen, der illegalen Schlepperkriminalität, dem Drogen- und dem Waffenhandel und den Kraftfahrzeugverschiebungen entschieden entgegentreten zu können. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß es gelingen wird, wenn – so wie bisher – vor allem das Innenministerium, aber auch das Justizministerium mit aller Konsequenz gegen das nationale und internationale Verbrechertum vorgehen.

Wir Sozialdemokraten werden dem Sicherheitsbericht 1996 gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

11.55

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Ich begrüße die beiden Herren Bundesminister. – Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Der Sicherheitsbericht 1996 liegt vor, und ich glaube, daß dieser Bericht ein wirklich gutes Nachschlagewerk über die Situation der Sicherheit in der Republik Österreich das Jahr 1996 betreffend ist. Ich meine auch, daß jene, die den Bericht erstellt haben, mit den Zahlen, die der Bericht wiedergibt, natürlich nicht zufrieden sein können, weil sich, wie der Erstredner schon bemerkte, manches zum Schlechteren gewandt hat.

Ein Bericht ist aber natürlich nicht nur dazu da, um Freude zu bereiten. Wenn wir Freiheitlichen diesem Bericht nicht zustimmen, dann nicht deshalb, weil wir am Inhalt des Berichtes zweifeln, sondern weil uns in diesem Bericht die Vorschau dahin gehend fehlt, wie man zukünftige Entwicklungen, Trends, die sich schon in den letzten Berichten abgezeichnet haben, in den Griff zu bekommen gedenkt – Trends, die uns allen, auch denen, die den Bericht geschrieben und zusammengestellt haben, bedenklich erscheinen müssen.

Wir wissen, daß, seitdem wir Schengen-Land sind, die vier Freiheiten, nämlich die Kapital-, die Dienstleistungs-, Personen- und Warenfreiheit, natürlich besonders stark von raffinierten Gruppen – wir nennen sie schlichtweg mafiose Gruppierungen – wahrgenommen werden. Diese haben sich auch schon früher recht wenig um Gesetz und Recht "geschert", aber nun wird ihnen der Zustand des grenzenlosen Glücks ihres verbrecherischen Handelns natürlich sehr erleichtert. Wir glauben aber, daß bei richtiger Zusammenfassung der österreichischen, aber auch der EU-europäischen Exekutive- und Rechtsmöglichkeiten diese Entwicklung zumindest eingebremst werden kann. In diesem Bericht fehlen aber Hinweise darauf, wie es gemacht werden kann, welche Möglichkeiten bestehen.

Vielleicht sind manche uns bedrückende Zahlen in diesem Bericht darauf zurückzuführen, daß im  Jahr  1996  die Exekutive aufgrund der Nachwirkungen des Bombenterrors des Jahres 1995, aufgrund von Fehleinsätzen nicht der wahren, der richtigen Verbrechensbekämpfung und -prävention nachkommen konnte. Vielleicht. – Ich gehe davon aus, sie wurden nicht verhindert, sie wurden nicht aufgeklärt, weil gewisse politische Tendenzen nicht dafür sprachen, den richtigen Weg zu gehen.

Es darf natürlich nicht ungesagt bleiben, daß die Zeitungen heute wieder von einem schrecklichen Mord berichten, bei den Regierungsparteien aber die Tendenz vorherrscht, in dieser Republik nur noch bei den Illegalen eine Bewaffnung zuzulassen, den anständigen Bürger jedoch zu entwaffnen. Wie weit soll das gehen? (Bundesrat Konečny: Ungeheuerlich!) Wir wissen doch, daß der Anteil der registrierten Schußwaffen am Gesamtvolumen der begangenen Straftaten nur 0,01 Prozent ausmacht. Nach der Novelle am 1. Juli 1997 – jetzt will man natürlich schon die nächste Novelle haben – wurden am 1. 8. 1997 fünf Personen erstochen.

Am 12. Dezember 1997 wurde ein Restaurationsbesitzer mit einem Schraubenzieher ermordet und dessen Freundin lebensgefährlich verletzt.

Am 12. und am 15. Dezember erfolgten zwei weitere Messerattentate.


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Den heutigen Medien ist zu entnehmen, daß eine Lehrerin mit einem Messer ermordet wurde.

Hier – ich gehe auch in diesem Raum davon aus – der sich normenkonform verhaltende, sozial integrierte und unbescholtene erwachsene Staatsbürger – dort kriminelle Elemente und der Schwarzmarkt.

Wir alle wissen, daß das Morden in Mauterndorf, das uns so schockiert hat, mit einer illegalen Waffe erfolgte, durch einen bekanntermaßen psychisch labilen Waffennarren. Wir hören aber sehr selten von solchen Ereignissen aus der Schweiz. Die Schweiz: ein Volk in Waffen. Passieren dort viele Pistolenattentate und Morde? Man müßte doch annehmen, daß gerade bei einem Volk in Waffen Fürchterliches passiert. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Erliegen wir einer Verdummungskampagne? – Die Waffe wird als Tötungsinstrument beschrieben. Was ist dann das Auto, meine Damen und Herren, mit dem jährlich mehr als tausend Menschen getötet werden? (Bundesrat Dr. Ludwig: Primär dient es der Fortbewegung!) Durch die legalen Waffen haben wir erfreulicherweise nicht tausend Tote, aber mit dem Auto werden jährlich tausend Menschen getötet. (Bundesrat Prähauser: Kollege Gudenus! Da kann Ihnen niemand mehr folgen!) Sie können das polemisch sehen, aber Tatsache ist: Das größte Mordinstrument der Neuzeit ist wahrscheinlich der Verkehr. (Bundesrat Konečny: Wenn man mit einer Waffe spazierenfahren könnte, könnten wir Ihnen folgen!)

"Abgehoben von Fakten, von jeder Affinität zur Wahrheit, soll mit einem politischem Gewaltakt vernünftig Unbegründbares durchgesetzt, der Bürger entmündigt werden. Erkenntnistheoretisch sind die Hintergründe hiefür dem Irrationalen, dem Ideologischen, allenfalls den zur Legitimation der eigenen Existenzberechtigung kultivierten Feindbild zuzuordnen." – So schrieb Rechtsanwalt Dr. Othmar Wokalik vorgestern in der "Presse".

Die Zahl der Gerätschaften, die für den Angriff auf Leib und Leben verwendet werden können, ist unbegrenzt – das wissen die beiden Minister selbstverständlich auch. Worin liegt also die Ursache für die Anti-Waffen-Hysterie? – Irritierend ist das Beiseiteschieben von gesicherten Daten, jeder Rechtslogik und der Art der Machtausübung, ihre "Verabsolutierung" jenseits der Grenzen des europäischen Demokratieverständnisses. Soll legal erworbenes Eigentum rückwirkend eliminiert werden?

Auch bei der Behandlung und Diskussion dieses Berichtes muß ich darauf hinweisen, daß Mißinterpretationen und der Mißbrauch der Rechtsordnung ausschließlich als Mittel und Technik zur blanken Machtausübung verwendet werden. Siehe zum Beispiel das Waffengesetz, welches wieder geändert werden soll, oder Teile der StVO. Ich meine, das sollte von Demokraten und der Mehrzahl der Bevölkerung zuliebe verhindert werden.

In Mitteleuropa haben Gesetze, die unter Außerachtlassung von Erfahrung, Logik und Vernunft gemacht werden, keinen Platz, dürfen keinen Platz haben. Mediale und statistisch manipulierte Mehrheiten erleichtern es natürlich der einen oder anderen Gruppierung, ihr politisches Wollen durchzusetzen.

Der Präzedenzfall der Einschränkung oder Konfiskation von Besitz und Eigentum muß verhindert werden. Nicht der sozial integrierte Staatsbürger ist abzurüsten, sondern die als rückständig denunzierte öffentliche Moral ist aufzurüsten, meine Damen und Herren! Die Mehrheit darf nicht Spielball einer unbelehrbaren Minorität sein. Wer solidarisiert sich mit einer demokratiepolitischen und juristischen Schräglage? Wollen wir uns hier mit dieser Schräglage solidarisieren?

Da Herr Kollege Richau nach einem langen Sickerungsprozeß Lernfähigkeit bewiesen hat und mit einem Taferl hier aufgetreten ist (Bundesrat Richau zeigt dieses), um Bundesparteiobmann Haider mit einem Zitat zu konfrontieren, das nie und nimmer vom Bundesparteiobmann und von den Freiheitlichen stammt, kann ich nur sagen: Herr Kollege Richau! Sie sind derjenige, der diese Behauptung aufstellt, und nicht Bundesobmann Haider! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Exekutive ist nie und nimmer eine Mafia – das sei hier bestätigt! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Richau – eine Zeitung in die Höhe haltend –: Danke!)


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Wir wissen, daß der eine oder andere im Rahmen der Exekutive, im Rahmen der Tätigkeit hier in diesem Hohen Haus vielleicht nicht immer redlich agiert – das ist unbestritten –, aber eine Mafia ist die Exekutive nicht. Das sei Ihnen gesagt. Sie gehören ja selbst dazu! Oder soll ich Sie als mafios bezeichnen, Herr Kollege? (Bundesrat Richau: Obmann Haider hat es gemacht! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist eine Lüge!) Aber, mein lieber Herr Kollege! Das ist eine Lüge! Bei einer Prüfung würden Sie mit einem Nichtgenügend enden, wenn Sie sagen, daß Sie das aus der Zeitung haben. (Zwischenruf des Bundesrates
Konečny.  – Bundesrat Richau: ... wortwörtlich! Zitat aus der "Kleinen Zeitung"! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Ich gebe Ihnen den guten Rat: Informieren Sie sich, Herr Kollege, bevor Sie mit solchen Verbalinjurien um sich werfen! Sie wollen der Mafia angehören? Sie haben das Zitat gebracht. (Bundesrat Richau hält neuerlich die Zeitung in die Höhe.) Das darf doch nicht wahr sein! Sie hätten sich doch bei Dr. Haider oder in seinem Büro darüber informieren können, ob das Zitat von ihm ist. Sie wollen billig Schlagzeilen erhalten, im Fernsehen aufscheinen, nämlich daß Sie ein Taferl hier aufgestellt haben, um es Dr. Haider nachzumachen. Sie werden niemals ein Epigone von Dr. Haider werden, Sie sind bestenfalls ein Abschreiber! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrat Richau und Bundesrätin Dr. Riess-Passer.  – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bitte, keine Zwischenrufduelle auszutragen! – Am Wort ist Herr Bundesrat Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Herr Kollege Dochter hat ... – nein, das war nicht Kollege Dochter, das waren auch Sie. (Heiterkeit.) Sie betätigen sich nicht nur mit dem Nachahmen von Zetterln – jedoch mit falschem Inhalt –, sondern Sie sind wie eine schlecht programmierte Stechuhr. Wenn Sie die Stechuhr des Dr. Haider werden wollen, dann melden Sie sich im Büro von Dr. Haider als Mitarbeiter an, vielleicht kann man Sie nehmen, aber ich zweifle daran! Ich habe diesbezüglich echte Zweifel! (Zwischenrufe.)

Hier im Zusammenhang mit der Behandlung des Sicherheitsberichtes die Anwesenheiten des Dr. Haider zu nennen, ist wirklich eine Fehlleistung! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Da muß man bestenfalls sagen: Sie sind eine Stechuhr, die hier auch fehl am Platz ist. Sie sind als Stechuhr des Dr. Haider fehl am Platz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP und des Bundesrates Steinbichler. )

Zwei Tendenzen, die dieser Bericht aufzeigt, möchte ich noch als besonders bedenklich erwähnen. Es sind dies das Zunehmen der Gewalt und das Zunehmen der sexuellen Straftaten. Es ist ungeheuer unpopulär zu behaupten, daß die Medien und die Kunstbetriebe mediale Gewalt direkt fördern. Ich behaupte: Filme, Fernsehen und Theater fördern heutzutage mediale Gewalt! Sie fördern nicht Harmonie, nein, sie fördern Gewalt. Sie preisen an, was sie vorgeben, verhindern zu wollen.

Ich fordere die beiden Herren Minister auf, diese Tendenz, die ihnen nicht unbekannt ist, auch aufzugreifen und dies zu überprüfen, um eine weitere Verschärfung der Gewalt zu verhindern!

Auch die sexuelle Befreiung des 68er Jahres hat nicht das gebracht, was wir uns erhofft haben (Bundesrat Konečny: Sie waren ja nicht dabei!) oder sich zumindest jene erhofft haben, die sich ihrer bedienten. Das hat nur zu einer Verschärfung der Tendenzen dieser sexuell betonten Delikte beigetragen.

Kollege Drochter – er ist jetzt nicht hier – vermischt – und das geschieht leider sehr oft – die Begriffe Flüchtling und Emigrant. Der Flüchtlingsstatus für jene, die aus religiösen, rassischen oder politischen Gründen ihr Heimatland verlassen, ist uns heilig. Aber ein Flüchtling ist nicht jeder, der die Heimat verläßt. Viele sind nur deshalb nach Europa emigriert, um die eigenen Lebensbedingungen zu verbessern – das ist noch kein Flüchtling, wenn man auch sagen könnte: Er flieht dem Ungemach in seinem Land und kommt zu uns, weil er mit Rente, Zuschuß und allem Möglichen noch immer besser dasteht als zu Hause als freier Mann (Bundesrat Prähauser: Wenn er ordentlich Beiträge leistet!), oder nicht ganz frei. (Bundesrat Konečny: Eine Rente bekommt er, wenn er etwas eingezahlt hat!)


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Abschließend, meine Damen und Herren, ... (Bundesrat
Konečny: Nein, noch nicht!) Herr Kollege! Ich weiß, daß das Ihr Stichwort war.

Der Dank gilt der Exekutive und damit auch Ihnen, Herr Kollege Richau, daß sie sich hier in Österreich um die Sicherheit bemüht. Der Dank gilt in diesem Zusammenhang aber auch dem österreichischen Bundesheer, welches im Assistenzeinsatz gemeinsam mit der Exekutive wesentlich dazu beigetragen hat, daß Exekutivkräfte im inneren Dienst des Landes für die Sicherheit tätig sein konnten, denn beide Aufgaben, die Sicherung der EU-Außengrenzen und die Gewährleistung der Sicherheit des Österreichers im Inneren, hätte die Exekutive allein nicht bewältigen können.

Ein Wermutstropfen bei der guten Zusammenarbeit zwischen Bundesheer und Exekutive ist, daß der Assistenzeinsatz noch immer nicht auf einen verfassungskonformen Status gestellt wurde. Ein Assistenzeinsatz ist immer nur eine vorübergehende Tätigkeit und nicht eine, die sich schon über mehr als fünf Jahre hinzieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Alfred Schöls das Wort.

12.12

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als zweite Kammer des Hauses diskutieren heute den Sicherheitsbericht für das Jahr 1996. Ich weiß nicht, wie oft es schon vorgekommen ist, daß die zweite Kammer des Hauses einen Bericht vor der ersten Kammer diskutiert hat (Bundesrat Eisl: Schon einige Male!) und dadurch auch die Möglichkeit hatte, mittels qualifizierter Beiträge in der Betrachtung der Analyse die Qualität der Diskussion in der ersten Kammer zu erhöhen. Wir sollten das entsprechend würdigen und diesen Sicherheitsbericht – er heißt eigentlich: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich – als Beitrag zur Verbesserung und zur Festigung der inneren Sicherheit in diesem Land sehen.

Dieser Sicherheitsbericht ist keine Plattform zur Panikmache in diesem Land. Dieser Sicherheitsbericht mit allen kritischen Anmerkungen, die es dazu gibt, soll dazu dienen, daß die Politik, daß wir als Mandatare dieser Republik versuchen, Verbesserungen und Veränderungen im positiven Sinn herbeizuführen, und nicht dazu beitragen, daß aufgrund unserer Analysen die Verunsicherung in diesem Land größer wird. Wenn jemand versucht, eine Verunsicherungsgruppe zu werden, muß ich sagen: Die "Erste Allgemeine Verunsicherung" gibt es bereits, und jeder, der versucht, durch seine politischen Beiträge Verunsicherung hineinzubringen, ist maximal zweiter; so wie man das manchmal auch in der Politik erleben kann.

Für mich gibt es keine freiheitliche Sicherheitspolitik, sondern für mich gibt es ... (Bundesrat Eisl: Herr Kollege! Haben Sie Richau kritisiert? Der hat nämlich auch den Bericht kritisiert, daß das klar ist!) – Herr Kollege! Das unterscheidet uns: Wir dürfen (Bundesrat Waldhäusl: Und wir nicht?) und wir erlauben uns auch Kritik zu üben, auch intern. Uns wird das nicht gleich vorgehalten. Wir bekommen auch keine Strafpredigt, wenn es ein Volksbegehren gibt und wir uns nicht zu diesem bekennen. Das ist Kritik, und Kritik kann positiv sein und kann auch positiv verändern. In diesem Sinne werde auch ich mir – Herr Kollege, ich darf Ihnen das zusichern – einige Kritik erlauben, aber immer um den Beitrag zur Sicherheit in diesem Land zu erhöhen und nicht um im Trüben zu fischen und die Verunsicherung voranzutreiben. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Sind Sie Fischer, Herr Kollege?)

Ich meine, daß Dank nicht nur den Beamten der beiden Ministerien und den Exekutivbediensteten in den verschiedensten Gruppen gebührt, sondern natürlich auch den beiden ressortverantwortlichen Ministern, Minister Schlögl und Minister Michalek. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Sind Sie Fischer?) – Noch dazu – das ist noch nicht erwähnt worden –, da der Bundesminister für Inneres heute die Verantwortung für einen Bericht zu tragen hat, der einen Zeitraum umfaßt, in dem er nicht die Ressortverantwortung gehabt hat.


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Es ist kein Geheimnis, daß es im Innenressort unter dem Amtsvorgänger des derzeitigen Innenministers Irritationen gegeben hat (Bundesrat Mag. Gudenus: Das stimmt!), und es war hoch an der Zeit, daß dort entsprechende Veränderungen vorgenommen wurden, daß jene Rahmenbedingungen geschaffen wurden, daß einer der Bausteine unserer Bundesverfassung, nämlich das Legalitätsprinzip, stärker zum Durchbruch kommen kann, denn die handelnden Beamten haben die Verpflichtung, nur im Rahmen der bestehenden Gesetze zu agieren.

Mein Dank gilt daher den Bediensteten in den verschiedensten Kategorien, egal ob Vertragsbedienstete oder Pragmatisierte, die dieses Legalitätsprinzip gelebt haben – so schwer es manchmal auch aufgrund der persönlichen Betroffenheit fällt. Aber es kann doch nicht sein, daß Unrecht zu Recht hochgejubelt wird, daß wir das Faustrecht und das Gesetz des Dschungels wieder hochstilisieren (Bundesrat Dr. Harring: Wer tat das denn?) und daß Parteiveranstaltungen dazu genutzt werden, Beamte, die den Rechtsweg verlassen haben – wobei ich festhalten möchte, daß natürlich auch für den Exekutivbeamten in Salzburg die Unschuldsvermutung zu gelten hat –, hochzujubeln. (Bundesrat Dr. Bösch: Danke sehr! Das ist ein Fortschritt!) Herr Kollege Dr. Bösch! Ich möchte nicht der Oberrichter sein, aber ich frage mich, warum dann dieser Bedienstete unter Applaus vor dem Vorhang dann wegen seiner angeblich gar nicht getätigten Straftaten bejubelt wurde. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es wird sicher nicht daran liegen, daß Ihr Parteiführer bei diesem Neujahrstreffen wenige Bekenner gehabt hat, bei denen er sich für ihren vorbildlichen Einsatz bedanken konnte. – So viel einmal zur Bewertung des Sicherheitsberichtes.

Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Es muß uns natürlich auch bewußt sein, daß in der Statistik heute viele oder manche Bewertungen von Straftaten unter anderem deswegen niedriger angesetzt sind, weil die Bewertungskriterien für die Straftaten verändert wurden. Ich möchte nicht sagen, daß der Sicherheitsbericht geschönt wurde, aber ich darf schon mit einer kritischen Bemerkung festhalten, daß bei der Bewertung der Vermögensdelikte die Wertgrenzen hinaufgesetzt wurden, daß Seriendelikte zu einem Delikt in der Statistik zusammengefaßt wurden und daß, wenn ich ein Beispiel aus der Praxis ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Seien Sie nicht so brutal mit der Koalition, mit den beiden Ministern!) Herr Kollege Gudenus! In der Politik ist es wichtig, Geduld zu haben, und wenn Sie genug Geduld aufbringen, dann werden Sie auch noch meine persönliche Betrachtung dazu hören. Sie müssen nur warten können. Man muß auf manches warten können. Sie und Ihre Partei können schon die Jahre 1998 und 1999 für die Kanzlerschaft nicht erwarten, vielleicht können Sie das Ende meiner Ausführungen erwarten.

Ich möchte hier schon mit einiger Kritik festhalten, daß es dadurch zu einer positiveren Bewertung der Statistik gekommen ist. Gerade in den letzten Monaten ist auf dem Sektor der Pyramidenspiele viel passiert, vor allem auch junge Menschen werden durch diese in große Schwierigkeiten gebracht. Wenn es dann Hunderte von Betrogenen gibt, dann muß man sagen, spiegelt diese Statistik nicht unbedingt die tatsächliche Arbeit der Exekutivbeamten wider, denn hinter der Aufklärung dieser Vergehen und Verbrechen steckt sehr viel Arbeit.

Ich glaube – das erlebe ich in vielen Gesprächen mit Exekutivbeamten –, daß auch die Strukturreform im Bereich der Exekutive, die Postenschließungen, dazu beigetragen haben, daß sich die Statistik etwas günstiger darstellt. Nach dem zweiten oder dritten Besuch eines Gendarmeriepostens feststellen zu müssen, daß schon wieder geschlossen ist und daß man auf das Bezirksgendarmeriekommando gehen müßte, um eine Bestätigung zu holen, kann unter Umständen dazu führen beziehungsweise ist es tatsächlich so, daß es ... (Bundesrat Waldhäusl: Wer hat sie denn geschlossen? Welcher Partei gehören Sie denn an?)  – Ich weiß, welcher Partei ich angehöre.

Herr Kollege Waldhäusl! Ich möchte nicht lehrmeistern, aber diesbezüglich haben Sie Probleme: Wenn man irgend etwas kritisiert, muß sofort ein Opfer gesucht werden. Kritik kann auch dazu dienen, daß schlicht und einfach die Rahmenbedingungen für die Bediensteten, die damit zu tun haben, verbessert werden, und zwar im Interesse der öffentlichen, der inneren Sicherheit des Landes und nicht im Interesse eines Fischens im Trüben und einer Panikmache. Daher möchte


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ich das als konstruktive Kritik anmerken, und das wird wohl noch erlaubt sein. (Bundesrat Eisl: Das war eine Frage, Herr Kollege!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Exekutivbeamten haben sicher auch – das möchte ich jetzt so bewertet wissen, wie ich es sage – das sprichwörtliche Glück des Tüchtigen gehabt. In einigen Fällen hat natürlich "Kommissar Zufall" dazu beigetragen, daß das eine oder andere aufgeklärt werden konnte, aber wenn sie aufgrund ihrer Erfahrung, aufgrund ihrer Ausbildung nicht in der Lage gewesen wären, die Fährte aufzunehmen, dann hätte auch "Kommissar Zufall" nichts genützt, und es wäre nicht rechtzeitig gehandelt worden – ich denke da nur an den Fall Franz Fuchs.

Die personelle Situation bringt natürlich – das hat sich auch im Berichtsjahr 1996 da und dort zu Buche geschlagen – einige Probleme mit sich, zumal es durch die Zuteilungen zu den Grenzposten gerade in Niederösterreich – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen – zu einer Ausdünnung der Inlandsposten kommt. Ich möchte alle Vertreter der politischen Parteien einladen, nicht bei der Hetzjagd auf die Dienstposten mitzumachen. Es ist immer recht schön, wenn es opportun ist. Einerseits beklagt man zu viele Beamte, zu viele Dienstposten, andererseits stellt man sich ans Rednerpult und beklagt, daß es zu wenige Gendarmen, zu wenige Polizisten, zu wenige Lehrer gibt – je nachdem, wie man es gerade braucht. Wenn es für die politische Außenwirkung gut ist, dann bekennt man sich auch dazu.

Ich darf dazu einladen, im Interesse unserer gemeinsamen Sicherheit, nicht im Interesse einer schwarzen Sicherheit, einer roten Sicherheit oder einer blauen Sicherheit diese Dinge so zu sehen, daß wir allen Verantwortlichen die Möglichkeit geben, personell für die Zukunft mehr zu tun, denn – dies wurde in der Diskussion zum Bericht heute schon einige Male angeführt – die organisierte Kriminalität, das Suchtgiftverbrechen, der organisierte Menschenhandel, die Schlepperbanden, Autokriminalität, all diese Dinge, Hohes Haus, müssen natürlich von den entsprechenden qualifizierten Beamten aufgearbeitet werden, und wenn diese nur den Sondereinheiten zugeteilt werden, dann fehlen sie klarerweise an ihren Stammposten.

Herr Bundesminister für Inneres! Ein Problem, mit dem man sich in nächster Zeit sicher auseinandersetzen muß, ist die Frage – so banal das jetzt klingen mag –, wie die Dienststellen im Bereich der Gendarmerie gereinigt werden. Derzeit ist es so, da Reinigungspersonal eingespart wurde, daß Beamte in Uniform ansuchen können und aus dienstrechtlichen Gründen, um sich nicht eines Vergehens schuldig zu machen, auch müssen, um den Reinigungsdienst in den Dienststellen durchzuführen. In manchen Fällen wird diese Reinigung der Gendarmerieposten auch an Fremdfirmen vergeben. Diesbezüglich muß uns bewußt sein, wenn wir die Praxis bei den Fremdfirmen gerade im Reinigungsbereich hernehmen und bedenken, wie das Personal dieser Firmen rekrutiert wird, daß es unter Umständen zu einem Sicherheitsproblem kommen kann und die FPÖ beim nächsten Neujahrstreffen nicht die Möglichkeit haben wird, jemanden als Helden zu feiern, weil ihm von den anderen irgend etwas angedichtet wird, sondern daß dann schlicht und einfach eine Bedienerin den Putzfetzen zu fest am Tisch gerieben hat und in ihre Handtasche vielleicht die eine oder andere Information hineingerutscht ist. Und es wäre doch schade, wenn wir sie in dieser Frage um ein Erfolgserlebnis bringen könnten.

Herr Bundesminister! Daher darf ich bitten, daß in Zukunft diesbezüglich auch dem Sicherheitsaspekt entsprechend gehandelt wird.

Die Belastungsstudie wurde schon angesprochen. Soweit ich informiert bin, ist über Anregung der Landesgendarmeriekommandanten ein Aussetzen festzustellen. Das ist einer der Punkte, den ich gemeint habe bei den Irritationen unter Ihrem Amtsvorgänger, als man versucht hat, aufgrund der Erfahrungen, die sich im Land Tirol als richtig erwiesen haben, die Belastungsstudie auf das gesamte Bundesgebiet umzulegen; die Ausländernächtigungen in Tirol stellen sich natürlich anders dar als die Nächtigungszahlen in Wien oder in Niederösterreich. Ich würde meinen, daß wir hier das eine oder andere auch noch verbessern sollten.

Ich möchte als Mandatar der Ostregion die Gelegenheit auch nutzen, um auf die Frage der Schubhaft, nicht nur vom rechtlichen Standpunkt, sondern auch von der Unterbringung der


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Schubhäftlinge her, noch einmal aufmerksam zu machen, wohl wissend, daß es natürlich eine Frage der Finanzierung ist, weil die Länder die Kosten für die Unterbringung der Schubhäftlinge zu übernehmen haben. Überall dort, wo das nicht so gut funktioniert, gibt es Probleme, aber vielleicht wäre das eine der Möglichkeiten, um im Zusammenhang mit der bevorstehenden Bundesstaatsreform auch diese Frage für alle erträglich zu klären und auch für die Ostregion zu klären, wo der Standort für das Schubhaftgefängnis ist.

Es sei mir gestattet, die Sicherheitsakademie noch einmal anzusprechen. Sie, Herr Minister, sind bereits der dritte Bundesminister für Inneres, der mit der Frage der Sicherheitsakademie betraut ist. Einer Ihrer Vorgänger hat Spaten gestochen, wir haben einen gehabt, der sich für den Spatenstich seines Vorgängers feiern hat lassen. Da wir beide uns persönlich kennen, und ich weiß, daß es nicht Ihre Art ist, sich auf Lorbeeren anderer auszuruhen, bin ich überzeugt davon, daß jetzt, unter dem dritten Innenminister die Sicherheitsakademie mit dem Standort Traiskirchen erledigt wird und dies nicht zu einer Never-ending-Story wird.

Ein Problem, das wir natürlich auch beim Sicherheitsbericht und bei der Tätigkeit der Exekutive nicht außer acht lassen dürfen, ist die Übertragung – ich sage das jetzt einmal sehr salopp – artfremder Tätigkeiten an die Exekutivorgane. Da hat es seit der Einführung der Blaulichtsteuer, die manche auch als modernes Raubrittertum bezeichnet haben, natürlich einige Probleme gegeben. Ich glaube, wir müssen gemeinsam diese Blaulichtsteuer überdenken, denn die 500 S ... (Bundesrat Waldhäusl: Wer hat sie denn beschlossen?) – Herr Kollege, darum geht es nicht. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie haben noch nicht erkannt, daß man auch durch konstruktive Kritik etwas Positives bewirken kann, aber vielleicht lernen Sie es noch, wenn Sie lange genug hier sitzen. (Bundesrat Waldhäusl: Bei Ihnen nicht!) Das ist manchmal unerträglich, darf ich Ihnen das sagen! Unerträglich! Sie suchen in allen Dingen nach einem Schuldigen. Wir sollten nicht nach einem Schuldigen suchen, sondern wir sollten uns konstruktiv Gedanken machen, wie wir es weitermachen, indem wir zum Beispiel auch als Beitrag zur Versicherung unserer Staatsbürger diese Blaulichtsteuer abschaffen oder diese anders regeln.

Die Frage, die in den Sicherheitsdirektionen auftaucht, möchte ich auch ganz kurz ansprechen, und zwar im Zusammenhang mit dem Fremdengesetz und den Berufungen, die möglich sind. Aufgrund einer Anfrage ist festzuhalten, daß in Niederösterreich vor der Ostöffnung 20 bis 30 Berufungen angefallen sind, während jetzt nach der Ostöffnung über 1 100 Berufungen angefallen sind. Ich glaube, wenn wir jenen Kräften entgegenwirken wollen, die hier im Trüben fischen wollen und mit der Emigrationswelle zu punkten versuchen, so müssen wir auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, sodaß das Fremdengesetz entsprechend rasch exekutiert werden kann.

Ich habe es auch im Ausschuß angesprochen und möchte es auch hier in meinem Debattenbeitrag zum Sicherheitsbericht noch einmal anregen, Herr Bundesminister, weil zur Novelle zum Vereinsgesetz – nach meinem Dafürhalten zu Recht – ein Aufschrei erfolgte. Es gibt im Zusammenhang mit dem Vereinsgesetz ein langjähriges Anliegen, das sicherlich relativ rasch geregelt werden kann, ohne daß es zu einem Aufstoß kommt, indem die Möglichkeit geschaffen wird, das Vereinsregister in einer der heutigen Zeit angemessenen Form zu führen. Jeder, der einmal Lust, Liebe und Zeit hat, sich das anzuschauen, wird feststellen, daß die Unterbringung in Stahlschränken heute nicht mehr adäquat ist; und so erfolgt das beim Vereinsregister. Es wäre angebracht, wenn eine entsprechende datenmäßige Verknüpfung erfolgen könnte.

Über die technische Ausstattung ist sehr viel gesprochen worden. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen – das hat auch Kollege Richau angesprochen –, daß im Bereich der technischen Ausstattung bei der Gendarmerie und Polizei sehr viel passiert ist. Als Mandatar in Niederösterreich und im Grenzbereich erlebe ich sehr oft, daß die Funkgeräte nicht die entsprechende Effizienz erreichen und daß da Handlungsbedarf gegeben ist. Da und dort gibt es schon Handys in der Ausstattung, wie ich höre, ist dem Gendarmerieposten in Purkersdorf leihweise ein Handy zugeteilt, in anderen Gendarmerieposten ist es schon in Verwendung. (Heiterkeit der Bundesrätin Schicker. )


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Die Kollegen fragen sich jetzt nur, was in Purkersdorf passiert, wenn wir dort keinen Innenminister mehr haben. Ich bin überzeugt davon, sie werden im Interesse der Sicherheit das Handy behalten dürfen.

Nach diesen Ausführungen zum Bereich des Bundesministeriums für Inneres sei es mir gestattet, noch ganz kurz zum Bundesministerium für Justiz aus meiner Wahrnehmung zum Strafvollzug ein paar Anmerkungen zu machen.

Ich glaube, gerade wenn so spektakuläre Geiselnahmen wie in Karlau oder sonst irgendwo passieren, wird uns allen und der Öffentlichkeit bewußt, unter welch schwierigen Bedingungen die Kollegen mehrheitlich, aber auch Kolleginnen, im Strafvollzug tätig sind. Da kommt auch immer wieder zum Ausdruck, daß die entsprechende Unterstützung des Beschäftigten in der jeweiligen Strafvollzugsanstalt fehlt. Daran haben wir gemeinsam zu arbeiten, damit sie auch das entsprechende Ansehen haben, wenn sie versuchen, in der Wiedereingliederung – und in vielen Fällen funktioniert es Gott sei Dank auch – tätig zu sein.

Ich möchte nur anführen – das ist auch dem Sicherheitsbericht zu entnehmen –, daß durch den Einsatz der Exekutivbeamten abgeurteilte Häftlinge in den Werkstätten Arbeit verrichten. Allein im Berichtsjahr 1996 wurden über eine Million Arbeitstage für Tätigkeiten aufgewendet, deren Produkte außerhalb der Gefängnismauern – wenn ich das einmal so salopp formulieren darf – weiterverwendet wurden. Und es ist auch wieder ein Rückfluß von über 68 Millionen Schilling in den Strafvollzug hereingekommen.

Herr Bundesminister! Ein jahrelanges Problem, das natürlich gerade in Zeiten eines Sparpakets akut ist, indem die Gesundenvorsorge den Sozialversicherungsträgern bei den Leistungen immer wieder einige Probleme bereitet – ohne daß hier der falsche Eindruck erweckt werden soll –, ist, daß die abgeurteilten Strafgefangenen auch ein Recht auf ärztliche Versorgung haben. Aber es ist hier vom Ressort darauf zu achten, ob nicht da und dort das eine oder andere zurückgenommen werden kann beziehungsweise daß die Medikamentenkosten und die Leistungen auch in den Strafvollzugsanstalten an das Niveau außerhalb der Gefängnismauer angepaßt werden.

Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe versucht, einige konstruktive Anmerkungen, die natürlich auch in dem einen oder anderen Punkt kritisch waren, zu diesem Sicherheitsbericht zu geben.

Es wurde schon gesagt, daß meine Fraktion und ich diesem Sicherheitsbericht die Zustimmung geben und ihn zur Kenntnis nehmen. Ich möchte aber meine Ausführungen nicht schließen, ohne nicht nur, wie das Herr Kollege Gudenus getan hat, den Uniformierten beim Bundesheer für ihren Beitrag zur inneren Sicherheit zu danken, sondern auch den vielen ungenannten und unbezahlten freiwilligen Helfern, die dazu beigetragen haben, daß wir in einem Land leben, von dem man sagen kann, es ist ein sicheres Land, es ist ein schönes Land.

Ich werde nicht pathetisch, indem ich sage: Wohl wert, daß sich ein Fürst dem unterwinde!, sondern sage allen herzlichen Dank, die dazu beigetragen haben, daß wir im Genuß stehen, in diesem schönen und sicheren Land leben zu können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Prähauser das Wort. – Bitte.

12.38

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der Sicherheitsbericht – man kann es global sagen, nachdem wir verschiedenste Debattenbeiträge schon gehört haben, die sich mit dem Inhalt sehr genau beschäftigt haben – kann als positiv bezeichnet werden. Eine rückläufige Kriminalität und eine höhere Aufklärungsrate sind das, worauf ein Staat jene Sicherheit aufbauen kann, die dazu führt, daß sich die Menschen in einem Staat, in einem Land wohl fühlen.


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Ich darf an dieser Stelle dem Herrn Minister für Inneres, dem Herrn Minister für Justiz, aber auch stellvertretend für den Einsatz Ihrer Beamtinnen und Beamten Ihrer Ressorts danken. Ich möchte aber auch nicht versäumen, dem Bundesheer für den Assistenzeinsatz, den sie an den Grenzen leisten, ebenfalls den Dank meiner Fraktion auszusprechen.

Meine Damen und Herren! Es hat vor kurzer Zeit in der Steiermark eine Podiumsdiskussion gegeben, bei der unter anderem von den Freiheitlichen Stadler teilnahm. Die Diskussion hat sich in die Richtung bewegt, daß Österreich eigentlich ganz stolz auf die Effektivität seiner Beamten im Bereich des Innenministeriums sein kann. Er hat aber dort auch – wie wäre es anders von einem Oppositionellen zu erwarten – natürlich einen Schattenfleck in der Sicherheitspolitik gefunden, und zwar hat er das so interpretiert, indem er sagte: Na ja, die Sicherheit ist schon in Ordnung, aber es geht um die subjektive Sicherheit, es geht um das, was die Menschen empfinden.

Meine Damen und Herren! Zu einer neuen Qualität der Sicherheit gehört bestimmt nicht – und da darf ich der Freiheitlichen Partei nicht nur einiges unterstellen, sondern auch vor Augen führen –, die Qualität der Sicherheit in der Öffentlichkeit anzuprangern und die Unsicherheit der Menschen in diesem Staate zu forcieren, zu fördern und letztendlich zu erreichen, daß die Menschen das Gefühl haben, man könnte nicht einmal mehr am Abend allein zur O-Bus-Station gehen.

Ich meine, hier sind die Parteien gefordert, gemeinsam Erreichtes zu vertreten. Dort, wo Lob angebracht ist, auch wenn es für eine Oppositionspartei nicht angenehm ist, sollte man damit nicht sparen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. ) Es steht Ihnen gut an, auch jenem Innenminister Dank zu zollen, den Sie vor einem Jahr geradezu Rosen gestreut haben, sowie auch dem Salzburger Polizeidirektor, als die sogenannten von Ihnen apostrophierten "Chaos-Tage" nicht stattfanden.

Meine Damen und Herren! Ich darf hier festhalten, ich zitiere heute nicht aus Zeitungen, sondern ausschließlich aus Pressemitteilungen der FPÖ. Die Originale, die Abdrücke habe ich hier, darin kann man jederzeit einsehen. Damit können wir uns nämlich die verbale Auseinandersetzung ersparen, ob man glaubt, was irgendwo gestanden ist. Ich gehe einmal davon aus, daß die Freiheitliche Partei weiß, was ihr eigener Pressedienst unter das Volk zu bringen gedenkt.

Meine Damen und Herren! Überschriften wie "Nicht die Verbrecher werden bei uns gejagt, sondern die Anständigen!" dienen nicht dazu, den sozialen Frieden zu erhalten, dienen nicht dazu, das Zusammenleben in diesem Lande zu erleichtern. Wir Sozialdemokraten verwehren uns auf das entschiedenste gegen diese Art von Äußerungen. Ich glaube, daß die aggressiven und blinden Entlastungsschläge Jörg Haiders und der Freiheitlichen in der Polizei-Daten-Klau-Affäre, die wir jetzt täglich erleben müssen, noch nicht zu Ende sind.

Das Problem für Jörg Haider ist in diesem Falle, daß er sich selbst hingestellt hat – ich weiß nicht, aus welchen Beweggründen er letztendlich dann nachgab – und dem Druck der Medien nachkam, Anzeige gegen den Informanten aus diesem Bereich des Innenministeriums zu erstatten, nachdem er zuerst gesagt hat, er stelle sich schützend vor seinen Informanten, seinen Unbekannten. Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat er dann letztlich zugestimmt, Anzeige gegen Unbekannt zu erheben.

Wie wir es in Salzburg beim Daten-Klau eins – wir haben das im Dezember schon gemeinsam diskutiert – feststellen durften, war damals dem Salzburger Daten-Klauer nicht klar – das waren Parteiangestellte der FPÖ, möglicherweise ist die Ausbildung in der "F" für EDV noch nicht so weit fortgeschritten –, daß man ohne Probleme zurückverfolgen kann, wer in Agenden der EDV sucht.

Man möchte meinen, wenn man das ernst nimmt, was passiert ist, daß es keine Wiederholungsfälle geben wird, aber siehe da, beim Daten-Klau Nummer zwei, der aus meiner Sicht wesentlich brisanter ist, ist wieder dasselbe passiert. Ich bin froh darüber, denn wie sonst sollte Datenschutz, den wir alle gemeinsam über alles stellen, aufrechterhalten werden können, wenn jeder


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X-beliebige Informationen abzapfen kann, ohne daß man rückverfolgen könnte, wer der Bezieher ist.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns jetzt gemeinsam chronologisch die letzten Tage noch einmal vor Augen führen, wird uns klar, daß dieser Weg in die verkehrte Richtung aus Sicht der FPÖ führt. Dieser Weg muß vehement bekämpft werden, um einer Destabilisierung in unserem Land den Riegel vorzuschieben. Wenn ein Beamter nicht korrekt arbeiten würde und die Freiheitlichen Wind davon bekommen würden, wäre das ein Riesenskandal. Die Reaktion wäre absehbar: Die FPÖ würde einmal mehr von Sumpf- und Freunderlwirtschaft sprechen, die Entlassung des Beamten und auch den Rücktritt des zuständigen Ministers fordern.

Das meiste davon ist auch nach der Daten-Klau-Affäre in Salzburg passiert, mit dem Unterschied, daß jener Beamte, der des Amtsmißbrauchs verdächtigt ist, der FPÖ zugerechnet wird. Und plötzlich ist für die FPÖ Amtsmißbrauch kein Vergehen, sondern eine höchstvorbildliche Angelegenheit. Schließlich seien die Daten an die FPÖ nur als Sorge um den Rechtsstaat weitergegeben worden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ein Disziplinarverfahren gegen den Mann sei daher skandalös, diesem müsse geholfen werden, meinen die Freiheitlichen, und versprechen ihm finanziellen Ausgleich für etwaige Gehaltseinbußen.

Schlechtes Gewissen wird da wohl mitspielen, meine Damen und Herren der FPÖ, denn schließlich hat Jörg Haider selbst mit der Präsentation der Computerausdrücke den Weg zu dem Informanten gewiesen. Die operettenhafte Aufregung um den Daten-Klau zeigt aber auch eines: Die hohen moralischen Ansprüche, die die FPÖ immer vor sich herträgt, gelten offensichtlich immer nur für die anderen.

Diese FPÖ-Affäre zeigt auch, was Haider und seine Gefolgschaft unter politisch einwandfreien Methoden verstehen würden: Zuerst präsentiert Haider offenbar illegal beschafftes Datenmaterial, outet damit tolpatschig seinen Informanten, spricht von anonym zugänglichem Material, kündigt seine Anzeige gegen den Beschaffer der Daten an und kündigt gleichzeitig an, jegliche Daten aus dem Innenministerium bekommen zu können. Gleichzeitig versäumt er es aber nicht, das Innenministerium als löcherigen Käse – mehr Löcher als Käse – zu bezeichnen. Ich glaube, dieser Käse hat ein sehr großes Loch, und in dieses droht Jörg Haider zu fallen.

Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren: Ich bin froh, daß wir einen Innenminister haben, der die Courage hat, diese Vorfälle auch entsprechend schnell zu untersuchen. Es kann um jeden Tag schade sein, hier nicht für Aufklärung zu sorgen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Warten Sie doch das Erkenntnis des Herrn Innenministers ab! Soviel Anstand sollten Sie wenigstens haben!)

Frau Kollegin Riess! Nicht die Verbrecher würden bei uns gejagt, sondern die Anständigen, das ist die Devise der Freiheitlichen. Und das versuche ich hier anhand von Beispielen, die aus Informationen des FPÖ-Pressedienstes hervorgehen, zu erläutern. (Bundesrat Eisl: Das ist nachvollziehbar!) Ich behaupte nichts, ich zitiere teilweise und erlaube mir, im Sinne der Demokratie auch entsprechend zu reagieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Eisl: Wir bestreiten es nicht!)

"Der Kontakt mit Politikern sei offenbar nur dann strafbar, wenn er mit freiheitlichen Politikern erfolge, erklärte Haider. (Bundesrat Eisl: So ist es!) Als der sozialistische Salzburger Landeshauptmannstellvertreter Buchleitner um Informationen angesucht habe, sei jener Polizeibeamte von seinem Vorgesetzten aufgefordert worden, Buchleitner alle Informationen zu geben, die Buchleitner haben wolle". (Bundesrat Eisl: So ist es!) Innenminister Schlögl müsse sich schon eine wirklich gute Ausrede einfallen lassen.

Meine Damen und Herren! Der Herr Innenminister braucht sich hier keine Ausrede einfallen zu lassen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber Buchleitner zumindest!), zum Unterschied zu Jörg Haider ist Gerhard Buchleitner als zuständiges Regierungsmitglied im Land Salzburg für die Ausländerfrage verantwortlich. Wie soll er sein Amt ausüben, wenn er keine entsprechenden Informationen hat?


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Außerdem beachten Sie den feinen Unterschied: Der Beamte, der glorreich wie ein Tanzbär bei der Neujahrsansprache der Freiheitlichen vorgeführt wurde, hat im Gegensatz zu den Informationen an Haider natürlich den Polizeidirektor vorher informiert und um Erlaubnis gefragt. Warum hat er das nicht getan, als Jörg Haider von ihm Informationen wollte? – Das ist aus meiner Sicht Amtsmißbrauch und nicht im Sinne des Eides, den er bei seinem Amtsantritt geleistet hat.
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(Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Weil Sie hier etwas behaupten!)

Meine Damen und Herren! Das ist zu verurteilen! Sie erkennen das nicht und schimpfen nur auf andere. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist eine Lüge!)

Ein weiteres Licht auf Ihre Wissenslage wirft bezeichnender Weise folgende Anmerkung – ich zitiere wieder aus dem Originaltextservice der Freiheitlichen Partei –: Offenbar habe Schweiger Angst, daß es dem Ganoven schlecht gehen könnte, er mißbrauche auch sein Amt, weil er nicht zulassen wolle, daß Exekutivbedienstete gleichzeitig, ob dienstlich oder privat, an FPÖ-Veranstaltungen teilnehmen.

Meine Damen und Herren der FPÖ! Wo sind wir denn? Wo sind wir denn, daß Exekutivbeamte im Dienst an Parteiveranstaltungen teilnehmen sollen? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Doch nicht im Dienst!) Sie können dabei sein als Sicherheitsorgane, aber nicht als Teilnehmer an einer Parteiveranstaltung. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sind Sie noch ganz?) Privat können jene Menschen machen, was sie wollen, aber in Uniform (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sind Sie noch ganz? Entschuldigung!), wenn es für jeden erkennbar ist, daß sie dienstlich unterwegs sind, haben sie bei Veranstaltungen nichts zu suchen.

Auch Sie haben einen Bundesrat gehabt, der hier in Uniform aufgetreten ist und dabei nichts Besonderes gefunden hat. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: So etwas habe ich noch nie gehört! Das ist so unsinnig und dumm!)

Frau Kollegin Riess! Ich weiß, daß das, was Ihnen nicht in den "Kram" paßt, von Ihnen als Unsinn bezeichnet wird. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist erschütternd! Doch nicht im Dienst! Ich weiß nicht, woher Sie das haben!)

Setzen wir mit den eigenen Aussendungen fort, wir werden dann vielleicht doch auf einen anderen Nenner kommen. Vielleicht sehen Sie dann ein, daß Sie sich wieder einmal für etwas mißbrauchen haben lassen, daß Sie etwas verteidigen müssen, das Sie nicht verbrochen haben. Ich habe Ihnen das bisher nicht vorgeworfen und tue das auch zukünftig nicht. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wir brauchen uns für nichts zu verteidigen!)

Ich möchte nicht in Ihrer Haut und der Ihrer Kollegen stecken, nämlich immer wieder antreten zu müssen, Fehlleistungen des Parteiobmannes verteidigen zu müssen, Ohrfeigen einzufangen, für die man nichts kann. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich möchte auch nicht in Ihrer Haut stecken und jede Wahl verlieren!)

Meine Damen und Herren! Der FPÖ-Obmann behauptet weiters, daß seinen Informationen nach der betreffende Beamte überhaupt keinen Zugang zu dem Computer gehabt hätte, aus dem das an die FPÖ weitergeleitete Datenmaterial stamme. – Das mag schon sein.

Wir wissen auch, daß er nicht alleine war, denn einer der "Informationslieferanten" ist zum Beispiel ebenfalls ein FPÖ-Mitglied aus Salzburg, der – Herr Bürgermeister Bieringer und ich kennen ihn persönlich (Bundesrat Eisl: Der ist bei euch ausgetreten!)  – seinen Amtsantritt als Parteiobmann der FPÖ (Bundesrat Eisl: Ist das so schmerzhaft, wenn einer bei euch austritt und bei uns eintritt?) mit einer Aussendung an alle Gemeindebürger folgendermaßen zitiert hat (Bundesrat Dr. Bösch: Sie messen mit zweierlei Maß!): Die Freiheitliche Partei unter neuer Führung! Ein neuer Führer wird angekündigt, und der sich mit folgenden Worten von Parteisitzungen und auch von Gemeindesitzungen zu verabschieden pflegt, indem er sagt, er müsse jetzt gehen, er müsse ins Führerhauptquartier.

Meine Damen und Herren! Wer solche Funktionäre in den eigenen Reihen hat, sollte nicht mit Steinen werfen! Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte davon ausgehen, auch gesehen zu werden! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben bis jetzt noch kein wahres Wort gesagt! Alles, was Sie bisher gesagt haben, ist falsch! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Frau Kollegin Riess! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Lassen Sie doch den Innenminister untersuchen!) Was wahr und was nicht wahr ist, werden in diesem Fall ohnehin Untersuchungen zeigen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist falsch!) Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, dieses Thema noch einmal gemeinsam zu diskutieren. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das werden Sie noch erwarten!)

Ich sage Ihnen noch folgendes: Ich nehme an, Sie haben, weil Sie eine tüchtige Frau sind, ein Bankkonto. Ein Mitarbeiter Ihrer Bank gibt nun an Funktionäre der SPÖ Auszüge Ihres Einkommens weiter. Was würden Sie dann fordern? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Der Mitarbeiter des Finanzministeriums gibt zum Beispiel den Steuerakt von Haider weiter! Das macht nichts!) – Sofortiges Abziehen dieses Mitarbeiters im Interesse der Sicherheit und des Datenschutzes! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Da haben Sie sich nicht aufgeregt!)   Frau Kollegin Riess! Sie messen immer dann mit zweierlei Maß, wenn die FPÖ negativ dasteht. Bei der FPÖ darf es nicht sein. (Rufe bei den Freiheitlichen: Sie!)

Wir von der SPÖ stellen fest, daß Sie von den Freiheitlichen in letzter Zeit leider – leider für Sie – täglich Fehler machen – für uns Gott sei Dank, denn die Öffentlichkeit honoriert das nicht mehr so wie früher – und damit nicht von vornherein mit Wahlerfolgen rechnen können. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie sollten sich nicht zu früh freuen!) Wir von der SPÖ werden in den nächsten Auseinandersetzungen die weitere Entwicklung feststellen können. (Bundesrat Waldhäusl: Wieso kandidiert der?)

Außerdem darf ich Sie auf eine Äußerung Ihres "Westentaschen-Politikers" Westenthaler aufmerksam machen, der sich nicht schämt, die Zustände im österreichischen Justiz- und Innenministerium mit jenen südamerikanischer Diktaturen zu vergleichen. Meine Damen und Herren! Ich meine, das ist überaus keck und unverfroren (Bundesrat Meier: Hört! Hört!) für einen Mandatar der FPÖ, dessen Parteiobmann die Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches als vorbildlich bezeichnet. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist auch eine Lüge! Das ist eine Lüge!)

Ich sage Ihnen folgendes: Fangen Sie an nachzudenken! Fangen Sie an, im Sinne Österreichs zu arbeiten! Ich weiß, daß das Ihnen von den Freiheitlichen unangenehm ist. Es wäre mir auch unangenehm, gäbe mein Parteivorsitzender ähnliches von sich. (Bundesrat Dr. Böhm: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Es geht aber noch weiter, es wird noch besser. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mühlwerth: Der Sicherheitsbericht steht zur Diskussion!) Der Salzburger Polizeidirektor veranlaßt nach diesem Vorfall – nach diesem äußerst unguten, peinlichen Vorfall – die nötigen Schritte zur Untersuchung. Es wird ihm nun vorgeworfen, daß er nach Anschuldigungen eine Untersuchung eingeleitet hat! – Ich meine, wenn dies Fortsetzung findet, wird auch der innenpolitische Friede in Zukunft überaus geschädigt und gefährdet werden.

Es gibt folgenden Vorwurf: "Laut richterlichem Befehl hätte nach Dokumenten gesucht werden sollen, die Beziehungen zu Journalisten oder Politikern belegen. Dies sei aber nicht ausgeführt worden, kritisierte Westenthaler. Das mobile Einsatzkommando habe darüber hinaus das ganze Haus auf den Kopf gestellt und eigentlich nichts gefunden." – Zitatende. – Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Mit dem Wortlaut "eigentlich nichts" sind Sie aber im Umgang mit Beweismaterial sehr großzügig.

Was wurde nun gefunden? – Es wurde gefunden: ein Führerschein, der abgenommen worden war, der längst vom Betroffenen urgiert wurde, aber nicht mehr auffindbar war. Ich frage Sie: Was hat dieser Führerschein in den Privaträumen eines Polizisten zu suchen? – Weiters wurde dort gefunden: der Paß eines rumänischen Staatsbürgers. Ich frage mich, was dieser Paß dort zu suchen hat. Es wurden weiters gefunden (Bundesrat Waldhäusl: Ein abgelaufenes SPÖ-Parteibuch! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Waldhäusl: Das tut so weh, nur weil


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er einmal ein Roter war!): 50 Schuß Munition für die Dienstpistole des Polizisten, die bei ihm zu Hause wahrlich nichts zu suchen hatte.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Das ist mehr als bedenklich! Wenn Sie solche Vorkommnisse in Zukunft zu decken gedenken, machen Sie sich mitschuldig. (Bundesrat Waldhäusl: Das tut so weh! Es ist nicht verboten, daß einer gescheiter wird! – Bundesrat Dr. Bösch: Sie verteidigen Ihre schamlose Parteipolitik und Postenbesetzung! Sie haben ein Gesetz beschlossen über die Objektivierung! Da kann ich nur lachen!)

Ich bin noch nicht fertig. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es wurde weiters folgendes gefunden, meine Damen und Herren (Bundesrat Dr. Bösch: Ihre fehlerhafte Politik, das ist der wahre Grund!): Material und Unterlagen, die Beziehungen zur VAPO herstellen. All das wurde bei jenem Kollegen, den Sie – ich habe es heute eingangs schon gesagt – als "Tanzbären" auf Ihrem Parteitag, der als Neujahrskonferenz getarnt war, vorgeführt haben, gefunden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist Menschenhatz!)

Die FPÖ schreibt weiters ... (Bundesrat Waldhäusl: Steht das alles im Sicherheitsbericht, Herr Kollege? – Zur Sache!) – Das steht alles in Ihren Presseaussendungen. Das hat meiner Meinung nach mit Sicherheit zu tun und verfehlt mit Sicherheit nicht das Thema. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wir diskutieren den Sicherheitsbericht 1996!) Die Freiheitlichen berichten über ihren Parteipressedienst bereits über erste Protokolle aus der Einvernahme. Ich frage mich: Wie geht das? Wie kommen Sie zu diesen geheimen Daten? Glauben Sie nicht, daß es besser wäre, jemanden, gegen den Untersuchungen laufen, vielleicht medial zu schonen, oder glauben Sie, daß es im Zuge der Selbstverteidigungswelle letztendlich egal ist, wenn einzelne auf der Strecke bleiben? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie bleiben über!)  – Ich habe den Verdacht, daß es Herrn Jörg Haider komplett egal ist, wer übrigbleibt; Hauptsache er nicht. In Wirklichkeit hat er sich möglicherweise zum ersten Mal verrechnet. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Möglich, wenn es Sie sind!)

Ich darf Ihnen folgendes sagen, meine Damen und Herren: Es ist wohltuend, daß es wenigstens noch ansatzweise Politiker bei den Freiheitlichen gibt, die diese Vorgehensweise – beglückwünschen, hätte ich beinahe gesagt – nicht für gutheißen. Ich darf in diesem Zusammenhang Herrn Dr. Brauneder zitieren, der sagte, seiner Ansicht nach seien Daten immer heilige Kühe. – Am nächsten Tag sah die Sache ein bißchen anders aus. – Es ist doch klar, daß man, wenn jemand den vorgegebenen Kurs verläßt, mit ihm reden muß. (Bundesrat Dr. Harring: Das steht in der FPÖ-Aussendung?)

Erneut mahnte Brauneder, den Datenschutz als wesentliches Element des Rechtsstaates zu respektieren. Zum konkreten Fall des Salzburger Polizeibeamten Stellung zu nehmen, lehne Brauneder auch weiterhin ab, zumal er nicht mit der genauen Sachlage ausreichend vertraut sei. – Zitatende. (Bundesrat Dr. Harring: Du hast früher gesagt, du zitierst keine Zeitungen!)

Meine Damen und Herren! Dann kam folgendes: Haider droht seinen Abgeordneten, verzichte gerne auf Leute, die schlechte Stimmung machen. – Am nächsten Tag sagt Brauneder folgendes: Er meinte ferner, es sei im Sinn der freiheitlichen und bürgernahen Schutzmachtpolitik absolut gerechtfertigt und begrüßenswert, wenn sich FPÖ-Obmann Jörg Haider und Generalsekretär Westenthaler demonstrativ schützend vor einen Beamten stellen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das ist ein klassischer Fall von Einflußnahme auf einen frei gewählten Mandatar! Auch das wird sich mit Sicherheit in Zukunft nicht mehr rechnen! Ich bitte Sie von den Freiheitlichen, darüber nachzudenken und diesen Kurs, den Haider vorgibt, vielleicht irgendwann so wie Heide Schmidt zu verlassen. (Bundesrat Eisl: Den Kurs können wir leider nicht verlassen!) Das kann nur gut für dieses Land sein. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Den Gefallen werden wir Ihnen nicht tun! Den Gefallen tun wir Ihnen nicht! Das garantiere ich Ihnen!) Frau Kollegin Riess! Ich traue Ihnen ohne weiteres zu, eine ähnlich gute Figur wie Heide Schmidt als selbständige Politikerin und nicht ferngesteuert abzugeben. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Machen Sie sich um mich keine Sorgen!)


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Meine Damen und Herren! Eine weitere "ordentliche" und wahre Geschichte ist, daß der Betroffene früher SPÖ-Mitglied war und ... (Bundesrat Dr. Harring: Komm jetzt endlich zum Sicherheitsbericht 1996!) Herr Kollege Harring! Daß Destabilisierung Ihrer Meinung nach nichts mit Sicherheit zu tun hat, kann ich mir gut vorstellen. Meiner Ansicht nach ist die Stabilität eines Staates oberste Voraussetzung für Sicherheit. Aus diesem Grund gehört dieser Punkt hierher und muß ausgesprochen werden! (Ruf bei der SPÖ: Bravo! – Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Eine weitere berühmte Meldung aus der Freiheitlichen Partei – wir kennen sie alle – war folgende: Der Betroffene war früher SPÖ-Mitglied und ist aufgrund der Tatsache, daß sich die SPÖ nicht mehr um die kleinen Leute kümmert, zur FPÖ gewechselt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Genau! Bravo!) – Ich darf Ihnen zur Information folgendes mitteilen: Dieser Paul Wagner war bis zum Jahre 1981 Mitglied der SPÖ, zufällig in jener Ortsorganisation, in der ich Vorsitzender war. Ich darf jetzt folgendes festhalten: Ich habe ihn damals aus der Mitgliederliste gestrichen und aus der Partei entfernt, und zwar aufgrund dessen, was bereits damals vorgefallen ist! (Bundesrat Waldhäusl: Entfernt! Das ist ein schönes Wort!)

Jetzt sage ich Ihnen noch folgendes: In Salzburg wurden Leute aufgegriffen, entwaffnet (Bundesrat Dr. Harring: Ist das auch der Sicherheitsbericht?) – das gehört meiner Meinung nach zu einem "gewaltigen" Sicherheitsgefühl dazu –, als unterstützende Beamte ankamen (Bundesrat Waldhäusl: Das Entfernen der Leute!), den perlustrierenden Beamten vom Rücken des Delinquenten hochhoben, um ihm beizustehen. (Bundesrat Waldhäusl: Wen ihr von euren Leuten entfernt, ist uns wurscht!) Dann hat man festgestellt, die Entwaffnung wäre nicht notwendig gewesen, er hatte gar keine Waffe. Und solche Dinge führten dazu, daß dieser hochdekorierte Polizist auch ordentliche Disziplinarmaßnahmen über sich hat ergehen lassen müssen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dafür hat ihn der Herr Polizeidirektor vor wenigen Monaten belobigt!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Riess! Ihr Parteivorsitzender hat gesagt: Stopft die Löcher im Innenministerium! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Hat er eine Belobigung erhalten? Ist das richtig oder nicht!) – Dieser Minister (der Redner dreht sich in Richtung Bundesminister Mag. Schlögl ) bürgt dafür, daß Löcher gestopft werden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ist es richtig, daß der Beamte eine Belobigung bekommen hat oder nicht?) Es wird für Sie von den Freiheitlichen natürlich nicht angenehm sein, daß hauptsächlich Ihre Funktionäre und Parteigänger für diese Löcher verantwortlich sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Nähe zur VAPO, die im Raum steht und im "Falter" ausreichend diskutiert wird, hat auch in der FPÖ ähnliche, vergleichbare Momente. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wofür hat er ihn belobigt?) Denken Sie nur an den jüdischen Friedhof in Eisenstadt, als Ihr Parteimanager von "linken Grabschändern" sprach. Wir alle wissen heute, wer die wahren Täter waren. Es waren Mitglieder der freiheitlichen Jugendorganisation. Wir wissen auch, daß einer der mutmaßlichen Täter sogar Gemeinderat war. Es ist bekannt, daß der Bundesgeschäftsführer selbst Werber dieser jungen Leute war. Hier wäre der erste Ansatz zum Selbstreinigungsprozeß gegeben. Diesen Weg empfehle ich Ihnen von der FPÖ für die Zukunft, dann werden Sie auch für Österreich einen großen Beitrag in Sachen Sicherheit leisten können! (Bundesrat Dr. Harring: Das ist ungeheuerlich, was du heute erzählst!)

Meine Damen und Herren! All das ist aufgefallen (Bundesrat Waldhäusl: Beim Lesen des Sicherheitsberichtes?) , als sich ein gewisser Parteiobmann durch Eitelkeit und inhaltlicher Leere in einer Selbstdarstellungs-Pressekonferenz selbst in Schwierigkeiten gebracht hat. Ich habe schon eingangs alles aufgezählt: zuerst geheimgehaltene Informationen, Informanten werden nicht kundgetan, Druck der Medien und Anzeige gegen Unbekannt. – Gott sei Dank sind das Innenministerium und die Beamten in der Lage gewesen, dies alles nachzuvollziehen. Es ist bekannt, wie es gelaufen ist.

Ich meine, alles andere als kein Rücktritt und kein Nachlassen im Ausforschen dieser Dinge kann von unserem Bundesminister für Inneres gefordert werden. Ich sage auch ganz klar: Ich als Salzburger bin stolz darauf, daß wir einen Polizeidirektor haben, der sich nicht scheut, auch gegen populistisch agierende Oppositionelle Stellung zu nehmen, und dem Amt durch seine


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Kraft Ordnung gibt und auch vorlebt, wie solche Vorfälle aufzuklären sind. (Bundesrat Eisl: Solange bis er nicht austritt, dann magst du ihn auch nicht!)

Meine Damen und Herren! Stärken wir gemeinsam diesen beiden Herren, dem Herrn Innenminister und dem Polizeidirektor von Salzburg, den Rücken, damit dieser Sumpf trocken gelegt wird! Ich scheue mich auch nicht davor, sollte es einmal ein sozialdemokratischer Funktionär sein (Bundesrat Eisl: Der Sumpf, den sein Vorgänger Strasser hinterlassen hat, war auch von deiner Fraktion)  – bisher waren es meistens andere –, der dafür sorgt, daß geheime Unterlagen der Öffentlichkeit zugespielt werden, ähnlich scharf vorzugehen und diese Löcher, wie Sie es wollen, auch zu stopfen.

Ich meine, man sollte, wenn sich all dies letztendlich in einem Schuldspruch niederschlägt, den Herrn Bundesminister dazu auffordern, diesen Beamten aus dem Dienst zu entlassen und ihm damit die Möglichkeit zu geben (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das werden Sie noch erwarten!) , bei der FPÖ ein Mandat anzunehmen, damit die Glaubwürdigkeit dieser Partei dadurch eine Bereicherung erfährt. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek. Ich erteile es ihm.

13.04

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst meinem Kollegen, dem Herrn Innenminister, dafür danken, daß die ursprüngliche Reihenfolge der Wortmeldungen umgedreht wird, und ich möchte vor allem den nachgemeldeten Herren danken, daß sie Verständnis dafür gezeigt haben, daß ich mich vor Ende der Sitzung wegbegeben muß, da ich in der Annahme, daß die Diskussion heute vormittag zu Ende sein werde, für 14 Uhr die Amtseinführung des neuen leitenden Staatsanwaltes in Wiener Neustadt vorzunehmen habe.

Während der Herr Innenminister noch auf die vielen Details der vorangegangenen Wortmeldungen eingehen wird, möchte ich eher die Schwerpunkte der Justizpolitik in Sachen innere Sicherheit ansprechen. – Schwerpunkte, die sich aus der Notwendigkeit eines entschlossenen Kampfes gegen schwere und vor allem organisierte Kriminalität einerseits, aber auch aus der Notwendigkeit möglichst sinnvoller täter- und opferorientierter Reaktionen im Bereich der massenhaft auftretenden, sogenannten Alltagskriminalität andererseits darstellen. Im gleichen Maße muß ein von rationalen Überlegungen geprägter Strafvollzug gewährleistet werden, der sowohl der sicheren Verwahrung des Straftäters als auch seiner optimalen Vorbereitung auf die Entlassung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft gerecht wird.

Zur effizienten Bekämpfung der zunehmend grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität ist in den letzten Jahren eine Reihe von legislativen Maßnahmen sowohl im materiell-rechtlichen Bereich – denken Sie an die neuen Straftatbestände der Geldwäsche, kriminelle Organisation, aber auch Verschärfungen im Bereich organisierter Schlepperei, in einem gewissen Sinne kann man hier auch die neuen Bestimmungen über Kinderpornographie erwähnen – als auch im verfahrensrechtlichen Bereich gesetzt worden – denken Sie an die Abschöpfung der Bereicherung oder die neuen Ermittlungsmethoden.

Im Bereich der organisierten Kriminalität kommt aber vor allem der internationalen Zusammenarbeit besondere Bedeutung zu. Deshalb haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Bereichen Justiz und Inneres einen umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung, aber auch Prävention der organisierten Kriminalität ausgearbeitet, der durch den Europäischen Rat in Amsterdam angenommen wurde. Die Umsetzung dieses sehr umfangreichen Aktionsplanes im legislativen wie im organisatorischen Bereich – zum Teil wird dies auch Aufgabe der österreichischen Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte sein – wird die Mitgliedstaaten besser als bisher in die Lage versetzen, mit modernen Maßnahmen konzertiert gegen diese Form der Kriminalität vorzugehen.


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In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, daß im Justizressort derzeit Vorbereitungen zur Umsetzung mehrerer Rechtsakte laufen, die im Rahmen der dritten Säule, aber auch kürzlich im Rahmen der OECD, bereits abgeschlossen wurden und die die Bekämpfung des internationalen Betrugs sowie der internationalen Korruption, aber auch den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft betreffen. Ein Gesetzentwurf, der auch andere Bereiche der Wirtschaftskriminalität einbeziehen wird, wird im Laufe des Monats Februar zur Begutachtung versendet werden.

Meine Damen und Herren! Was den Umgang mit der sogenannten Alltagskriminalität anlangt, wird die Justiz ihren Weg konsequent weitergehen. Dazu gehört der faktische Ausbau des schon seit einem Jahrzehnt erfolgreich durchgeführten außergerichtlichen Tatausgleiches ebenso wie die möglichst baldige Gesetzwerdung der noch im heurigen Frühjahr in das Parlament einzubringenden Strafprozeßnovelle 1998. Die darin vorgesehene sogenannte Diversion soll künftig eine einfachere, zugleich aber besser auf den Einzelfall abgestimmte Ahndung von leichteren Verstößen weniger gefährlicher Straftäter ermöglichen. Das bedeutet, um es einmal mehr zu betonen, weder eine Entkriminalisierung noch bloß eine Reprivatisierung des Strafrechtes.

Besonderes Augenmerk wird dabei der Schadensgutmachung und den anderen Interessen der Opfer, zu welchen auch ideelle Genugtuung gehört, geschenkt werden. Unter dem Damoklesschwert einer an sonst drohenden strafrechtlichen Verurteilung wird sich der Täter intensiv bemühen, das Opfer schadlos zu stellen. In ihren Auswirkungen wird diese Reform den Opfern von Straftaten mehr geben als irgendein Justizgesetz in der Zweiten Republik zuvor. Meine Damen und Herren! Dieser unser Weg der intelligenten Härte und einfühlsamen Hilfe wird am besten in dem seit 1. Jänner dieses Jahres geltenden neuen Suchtmittelgesetz in Verbindung mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, das am 1. März 1997 in Kraft getreten ist, erkennbar. Das Konzept ist, größere Dealer für lange Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, kriminelle Organisationen mit der Vermögensabschöpfung in ihrem finanziellen Zentrum zu treffen, hingegen zu versuchen, Süchtigen soweit wie möglich zu helfen.

In den letzten Jahren mußten wir alle feststellen, daß vor allem unsere Jugend in einem bisher nicht gekannten Ausmaß gefährdet ist und insbesondere Ecstasy und andere Designerdrogen zunehmend konsumiert. Das neue Suchtmittelgesetz erfaßt auch diese psychotropen Substanzen, sodaß wir künftig auch diesbezüglich gegen Dealer schärfer vorgehen werden können.

Gerade weil die Anzeigen in erster Linie die Konsumenten der illegalen Drogen betreffen, ist es besonders wichtig, das Drogenproblem nicht nur durch rein repressive Maßnahmen, also den Einsatz des Strafrechtes allein, lösen zu wollen, sondern sich dessen bewußt zu sein, daß Sucht und Abhängigkeit primär medizinische Probleme sind, daß es also über das Strafrecht hinausgehender medizinisch-therapeutischer Ansätze bedarf.

Gerade mit dem neuen Suchtmittelgesetz zeigt Österreich dafür den Weg einer, wie ich meine, vorbildlichen Balance zwischen kriminalpolitischen und gesundheitspolitischen Interventionen, und ich sehe für die derzeitige Diskussion, wenige Tage nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, keinen Anlaß, bei allem, was wir im Vorjahr diskutiert haben, wieder von vorne zu beginnen.

Ich möchte meine Wortmeldung aber nicht abschließen, ohne – keineswegs beschwichtigend, aber doch das Bild abrundend – zu erwähnen, daß eine im Jahr 1996 durchgeführte internationale Studie über Verbrechen und Verbrechensopfer ergeben hat, daß in Österreich in fast allen untersuchten Bereichen eine vergleichsweise niedrige Kriminalitätsrate gegeben ist und es auch mit der Zahl von Verbrechensopfern ähnlich positiv aussieht, vor allem auch – heute wurde das subjektive Sicherheitsgefühl angesprochen – mit der Angst der Befragten, im kommenden Jahr Opfer eines deliktischen Angriffes zu werden.

Ich meine, daß es zu einer fairen und vollständigen Information der Öffentlichkeit gehört, auch solche positiven Botschaften zu verkünden, und daß auch sie in die legistischen und exekutiven Überlegungen einzubeziehen sind, damit unsere Strafrechtspolitik die notwendige Ausgewogen


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heit aufweist, um die sich das Justizressort so wie bisher auch weiterhin bemühen wird. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

13.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Karl Schlögl. Ich erteile es ihm.

13.14

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Erlauben Sie mir, vorerst zwei einleitende Bemerkungen zu machen: Erste Bemerkung: Die Mitglieder des Bundesrates unterscheiden sich leider durch nichts mehr von den Mitgliedern des Nationalrates. (Heiterkeit des Bundesrates Eisl. ) Wenn ich mir die Diskussion zu dem Sicherheitsbericht 1996 anschaue, so sehe ich, daß die eigentlichen Inhalte des Sicherheitsberichtes in der Diskussion eher im Hintergrund und aktuelle politische Themen im Vordergrund stehen. Ich werde mich diesem Stil des Bundesrates anpassen und in meiner Wortmeldung auch mehr zu den aktuellen Themen Stellung nehmen. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das zweite: Bundesrat Richau hat behauptet, daß Herr Klubobmann und Parteivorsitzender Haider über mich gesagt haben soll, daß ich ein "Schläger mit Milchgesicht" sei. Falls das stimmt – ich kann das nicht beurteilen –, dann bin ich einerseits darüber betrübt, weil ich in keiner Weise ein Schläger sein möchte – weder ein gewalttätiger mittels körperlicher Gewalt noch ein Schläger mit Worten, beides verurteile ich, und beides führt nicht nur zu einer Verrohung, sondern auch zu einer Spirale, die in unserer Gesellschaft nicht gut wäre. Andererseits wieder bin ich auf das Wort "Milchgesicht" deswegen stolz, weil ich offensichtlich nicht so verlebt ausschaue, wie ich mich manchmal fühle, und das deshalb eher als Kompliment betrachte. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorerst noch einmal ganz kurz zu dem Sicherheitsbericht 1996 Stellung nehmen, weil ich glaube, daß Österreich sicherheitspolitisch ein sehr stabiles Land ist, obwohl es in einer sehr sensiblen Region liegt.

Ich habe mir beispielsweise die Ausführungen von Herrn Bundesrat Bösch zu Beginn der Diskussion angehört. Er hat in seiner Bestandsaufnahme in allem eigentlich recht, und ich glaube, quer über die politischen Parteigrenzen hinweg wird das, was hier gesagt worden ist, als richtig eingestuft werden. Wir sind einfach in zunehmendem Ausmaß dem Phänomen der organisierten Kriminalität ausgesetzt, wir sind in zunehmendem Ausmaß der Drogenkriminalität ausgesetzt, wobei ich gleich dazusagen möchte: Die Zahlen 1996 waren im Bereich der Drogenkriminalität im Gegensatz zu dem gut, was uns wahrscheinlich 1997 drohen wird, weil wir 1997 – ich formuliere das jetzt ein wenig keck – einen Drogenring nach dem anderen ausgehoben haben. Vor allem im Bereich Niederösterreich hatten wir sehr große Fahndungserfolge. Das heißt, es wird eine Vielzahl von Anzeigen mehr geben.

Obwohl ich auf diese Leistung sehr stolz bin, muß ich gleichzeitig dazusagen, daß wir alle wissen, daß es eine hohe Dunkelziffer gibt und daß wir vieles im Bereich der Drogenkriminalität nach wie vor nicht aufklären konnten. Richtig ist auch, daß die zunehmende Migration, die Zunahme in der illegalen Einwanderung natürlich ein großes Sorgenkind jedes Innenministers ist und daß die Maßnahmen, die dagegen getroffen werden, von manchen nicht verstanden werden. Nichtsdestotrotz glaube ich, daß sie notwendig und wichtig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu ein paar Punkten Stellung nehmen.

Erstens: Es ist der Vorwurf gekommen, daß die Daten geschönt sind. Ich möchte diesen Vorwurf zurückweisen, vor allem deswegen, weil es nicht stimmt, daß einzelne Delikte zu Serien zusammengefaßt werden. Was stimmt, ist, daß sie als Serien ausgewiesen werden, aber gleichzeitig wird in der Kriminalstatistik und im Sicherheitsbericht jedes einzelne Delikt auch als Einzeldelikt gezählt.


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Zweitens: Daß die Wertgrenzen erhöht worden sind, stimmt, Herr Bundesrat Schöls, aber das letzte Mal 1987, das heißt also vor zehn Jahren. Das ist doch ein Zeitraum, der schon sehr lange her ist.

Zur Frage der Blaulichtsteuer möchte ich folgendes sagen: Ursprünglich war ich auch skeptisch gegenüber der Blaulichtsteuer, jetzt möchte ich sie so lassen, wie sie derzeit ist. Was ich ändern wollte, wäre gewesen, daß der Geldbetrag von den Versicherungen eingehoben wird. Das ist leider aus verschiedenen Gründen nicht möglich und sinnvoll, aber die Blaulichtsteuer hat sehr wohl ihren Sinn gehabt.

Sie hat erstens einmal marginal zusätzliche Geldeinnahmen für die Exekutive geschaffen, sie hat aber auch zu einer deutlichen Entlastung geführt, weil der Gendarmeriebeamte, der Polizeibeamte nicht automatisch zu jedem Unfall gerufen wird, sondern in der Regel nur mehr zu den Unfällen, bei denen Personenschaden entstand, bei denen er einschreiten muß, und zu den Unfällen, bei denen es größere Probleme ohne Personenschaden gibt. Insofern halte ich diese Blaulichtsteuer für gut, weil sie dazu geführt hat, daß die österreichische Exekutive von solchen Verkehrsunfällen entlastet worden ist, was bisher nicht der Fall gewesen ist.

Zur Frage des Datenklaus und ähnlichem, wie auch immer das formuliert worden ist, die sehr dominant diskutiert worden ist: Ich bin sehr unglücklich über diese Diskussion, weil sie, so glaube ich, eine Diskussion ist, die gerade der österreichischen Exekutive nicht nützt und zu einer Verunsicherung führt, die nicht notwendig ist.

Ich habe eine sehr einfache Position dazu. Es ist der Vorwurf gekommen, daß das österreichische Innenministerium, daß die österreichische Exekutive offen sei, daß jede Information jederzeit besorgt werden könne. Wenn solch ein Vorwurf kommt, muß der Innenminister darauf reagieren. Ich habe die entsprechenden Verantwortlichen beauftragt, eine Untersuchung einzuleiten. Diese Untersuchung hat stattgefunden und damit geendet, daß es eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gibt. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug, meine sehr geehrten Damen und Herren, und entweder stellt die Staatsanwaltschaft nach Durchführung des Vorverfahrens die Anzeige ein – dann ist klar, wie von seiten der Exekutive reagiert werden wird –, oder sie stellt das Verfahren nicht ein und erhebt Anklage – dann wird man abwarten, wie der Prozeß ausgeht, und nach Ende des Prozesses die entsprechenden Schritte einleiten. Ich sehe das sehr nüchtern und glaube, daß das auch richtig ist.

Was für mich notwendig ist – das muß ich auch ganz offen sagen –, ist zweierlei: Erstens einmal würde ich diesem Revierinspektor dringend raten, daß er mit seinen Äußerungen vorsichtig ist, und zwar aus folgenden Gründen: Ich halte es nicht für gut, wenn ein österreichischer Exekutivbeamter in den Medien ankündigt, daß er "Bomben" explodieren lassen wird. Das ist eine Formulierung, die nicht nur zweideutig ist, sondern es ist auch nicht die Aufgabe eines österreichischen Exekutivbeamten, über Medien solche Warnungen auszurichten. Wenn es Dinge gibt, die untersucht werden sollen, wenn es Dinge gibt, die nicht richtig sind, dann muß man sie innerhalb der österreichischen Exekutive aufzeigen und die entsprechenden Schritte setzen.

Zweitens wäre er auch deshalb sehr gut beraten, solche Äußerungen zu unterlassen, weil natürlich die Debatte dazu führt, daß er in ein bestimmtes Eck gedrängt wird, was er vielleicht gar nicht verdient. Er befindet sich bereits jetzt in einem Eck, in dem er als rechtsextrem bezeichnet wird, und das nur deswegen, weil er auf einer Liste aufscheint. Das Aufscheinen auf einer Liste muß noch lange nicht bedeuten, daß man in irgendeiner Form mit dieser politischen Gesinnung etwas zu tun hat, denn jeder von uns weiß, wie schnell jemand auf einer Liste sein kann, ohne daß er irgend etwas dafür kann, nur weil beispielsweise ein Spaßvogel irgendwo mitteilt, der Herr X oder der Herr Y oder die Frau X oder die Frau Y wollen irgendein Informationsmaterial oder ähnliches zugesandt bekommen.

Das heißt, ich erwarte – ich werde das dem Revierinspektor auch entsprechend sagen –, daß er sich mit seinen Äußerungen sehr stark zurückhält.

In diesem Zusammenhang sind für mich zwei Dinge wichtig: Erstens ist es Aufgabe jedes einzelnen Gendarmerie- und Polizeibeamten, mit Daten, die ihm anvertraut sind, sehr sensibel


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umzugehen. Gerade die EKIS-Daten, gerade die FIS-Daten sind Daten, die von mehr als 20 000 Gendarmerie- und Polizeibeamten abgerufen werden können. Das heißt, die Möglichkeit oder die Gefahr, daß Daten mißbräuchlich verwendet werden, ist umso höher, je mehr Personen die Möglichkeit haben, zugreifen zu können.

Darum ist es – zweitens – für mich notwendig und wichtig, wenn so etwas mißbräuchlich abgefragt und mißbräuchlich weitergegeben worden ist, klar die Konsequenzen zu ziehen, ohne daß ich irgend jemanden verfolge, ohne daß eine Hatz gemacht wird. Es ist im Interesse der österreichischen Bürgerinnen und Bürger, daß mit den Daten, die über sie gespeichert sind, vorsichtig umgegangen wird, so umgegangen wird, wie es im Rechtsstaat notwendig ist. Es ist aber auch im Interesse aller Exekutivbeamten, damit diese genau wissen, daß, falls es ein schwarzes Schaf geben sollte, dieses mit der entsprechenden Behandlung zu rechnen hat.

Weiters ist für mich wichtig – das sage ich auch gleich dazu –, daß die österreichische Exekutive ein Bereich ist, der die österreichische Gesellschaft widerspiegelt, und jeder einzelne Beamte und jede einzelne Beamtin das gleiche Recht haben, politisch tätig zu sein, wie jeder andere innerhalb unserer Gesellschaft. Was mir wichtig und notwendig erscheint, ist, klar zu sagen, daß sie in ihrer Dienstausübung parteipolitisch unabhängig und ungebunden agieren müssen, daß sie aber natürlich als Privatpersonen genauso wie jeder andere das Recht und die Möglichkeit, auch die Verpflichtung – wenn ich das so hart formulieren darf – haben sollen und dürfen, politisch tätig zu sein.

Ich möchte auch nicht, daß wir in der österreichischen Exekutive 33 500 Jasager haben, die nur das nachplappern, was der jeweils politisch Verantwortliche im Ministerium, je nachdem, von welcher Seite er kommt, gerade vorgibt. Das wäre falsch. Notwendig und wichtig ist aber, daß es auch innerhalb der österreichischen Exekutive eine Grundsolidarität gibt. Das heißt, ich erwarte, daß, wenn es Probleme und Mißstände gibt – es gibt auch bei uns genügend Probleme und Mißstände; jeder weiß das; in solch einem Apparat muß es das einfach geben, es wäre schlecht, wenn es das nicht gäbe –, innerhalb des Dienstweges eine Klärung versucht wird. Erst wenn das nicht möglich ist und auch der zuständige Minister keine Bereitschaft zeigt, hier Abhilfe zu schaffen, dann ist natürlich auch der Weg zu den Oppositionsparteien offen. Wieso nicht? – Ich habe damit überhaupt kein Problem. Das gehört zur Demokratie, daß in solchen Bereichen auch Oppositionsparteien die Möglichkeit und das Recht der Information und des Umsetzens haben.

Wichtig und notwendig erscheint mir, daß aber auch innerhalb der Organisation der Weg des Veränderns beschritten wird. Wenn die Dinge nur nach außen getragen werden, innerhalb der Organisation aber keine Veränderungen eingeleitet werden, dann halte ich das für problematisch.

Zur Frage der Kurden und der Schlepperei. Es ist falsch, zu behaupten, daß der Flüchtlingsstrom, der in den letzten Wochen aus der Türkei nach Süditalien gekommen ist, ein Flüchtlingsstrom ist, der ausschließlich aus Kurden besteht. Ganz im Gegenteil! Die Informationen, die ich habe, zeigen, daß dieser quer durch die Nationen und Völker geht.

Es sind laut Informationen aus dem italienischen Innenministerium rund 20 Prozent der Menschen, die in Süditalien gestrandet sind, Kurden aus dem Nordirak. Und das sind Menschen, die doppelt betroffen sind: Sie sind einerseits von den ständigen Angriffen der türkischen Armee auf den Nordirak betroffen, sie sind aber zusätzlich von den internen Auseinandersetzungen, die es zwischen den verschiedenen rivalisierenden Kurdengruppen gibt, betroffen. Darüber hinaus sind um die 30 bis 40 Prozent Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten – das reicht von Ägyptern bis Menschen aus Sri Lanka – hierher geflüchtet, und es sind zirka 40 bis 50 Prozent Türken, von denen nur ein Teil der ethnischen Herkunft nach Kurden sind. Es sind auch viele andere dabei.

Die bisherige Erfahrung zeigt mir, daß ein Großteil dieser Menschen auch Menschen sind, die nicht aufgrund politischer Verfolgung nach Süditalien oder nach Europa flüchten, sondern das sind Menschen – ich habe sie einmal als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet; vielleicht ist das kein


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guter Ausdruck, vielleicht ist der Begriff Armutsflüchtling ein besserer Ausdruck dafür; ich verwende diesen auch immer stärker, weil ich glaube, daß dieser Begriff das Problem sehr gut trifft –, die aufgrund ihrer sozialen Notsituation, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation, aufgrund der Situation in den entsprechenden Ländern flüchten.

Ich möchte hier aber auch sehr offen und deutlich sagen, daß es kein Recht geben kann – auch bei politischen Flüchtlingen nicht –, daß sie sich das Land, in dem sie Asyl bekommen können, aussuchen. Es gibt mit der Drittstaatsklausel, aber auch mit dem Dubliner Übereinkommen innerhalb der europäischen Staaten die klare Regelung, daß ein Mensch dort um politisches Asyl anzusuchen hat und es auch dort gewährt oder nicht gewährt bekommt, wo er erstmals vor Verfolgung sicher gewesen ist.

Und daraus erklärt sich auch meine Reaktion als Innenminister. Ich war eigentlich der erste und einzige Innenminister, der sofort auf diese Landung reagiert hat, indem ich gesagt habe: Es kann nicht so sein, daß die italienischen Behörden diesen Menschen, die aus der Türkei oder aus anderen Staaten nach Europa flüchten, kein ordentliches Asylverfahren gewähren, sondern daß man ihnen einfach einen Ausweisungsbescheid gibt und gesagt wird: Innerhalb von 15 Tagen habt ihr unser Land zu verlassen! Wohin gehen diese Menschen? – Diese werden nicht dorthin zurückgehen, woher sie gekommen sind, sondern sie werden weiterwandern – nach Österreich, nach Deutschland, nach Frankreich, Schweden oder in andere Staaten.

Darum war es meiner Meinung nach eine richtige Maßnahme – ich verteidige sie nach wie vor –, daß wir als erstes und einziges Land sofort die Grenzkontrollstellen zu Italien, die wieder geöffnet worden sind, wieder kontrolliert und stärker überwacht haben. Das war eine notwendige und wichtige präventive Maßnahme, die auch dazu geführt hat, die Italiener unter Druck zu setzen und ihnen zu sagen: Bitte, ihr müßt diesen Menschen genauso ein ordentliches Asylverfahren geben, wie wir all jenen Menschen ein ordentliches Asylverfahren geben, die zu uns flüchten! – Das ist erreicht worden, und darüber bin ich auch sehr froh und glücklich.

Zur Dokumentation dessen, daß nur ein Teil dieser Menschen wirklich politisch Verfolgte sind, dient auch die Tatsache, daß zumindest bis Samstag der vergangenen Woche nur knapp die Hälfte der Menschen tatsächlich um politisches Asyl in Italien angesucht hat, während die anderen noch keinen Asylantrag gestellt haben.

Zur Frage der Schlepperei ist von Ihnen hier sehr viel gesagt worden. Im Prinzip kann ich das nur bestätigen und unterstreichen. 1996 haben wir zirka 1 300 Schlepper festgenommen; im Jahre 1997 werden es fast 1 800 sein. Ich bin sehr glücklich darüber, daß uns das gelungen ist. Ich bin auch froh darüber, daß wir im vergangenen Jahr die Strafen deutlich erhöht haben – für einmalige gewerbsmäßige Schlepperei bis zu einem Jahr, für oftmalige bis zu fünf Jahren –, ich bin nur nicht glücklich darüber, daß dieses hohe Strafausmaß von der Justiz noch nicht im entsprechenden Ausmaß umgesetzt wird.

Wenn ich nur daran denke – das soll aber keine Kritik an der Justiz sein, um das auch ganz klar zu sagen – , daß es beispielsweise bei dem Linzer Schlepperring, den wir ausgehoben haben, bereits die ersten Verurteilungen gibt und diejenigen, die geschleppt haben, bestenfalls einige Monate bedingt bekommen haben, dann ist das ohne Zweifel nicht dazu geeignet, daß die Strafe als Abschreckung greifen wird. Darum glaube ich, daß es notwendig und wichtig ist, in diesem Bereich stärkere Strafen auszusprechen, weil das eine abschreckende Wirkung hat und auch für die Motivation unserer Gendarmerie- und Polizeibeamten nicht unwichtig ist, wenn sie wissen, daß diejenigen, die – zum Teil unter Einsatz des Lebens – festgenommen werden – ich denke etwa an den Vorfall in Kärnten –, dann auch die entsprechende Bestrafung bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn von der organisierten Kriminalität geredet wird, so ist dazu zu sagen, daß Schlepperei zum profitabelsten Geschäft innerhalb der internationalen Kriminalität geworden ist. Es gibt kein Geschäft, bei dem man ohne oder fast ohne Risiko so viel Geld verdienen kann wie mit der Menschenschlepperei. Deshalb halte ich auch die Initiative von Vizekanzler und Außenminister Schüssel für sehr wichtig und notwendig, daß wir international, daß wir über die UNO erreichen, daß die Schlepperei vor allem auch in den Herkunftsländern


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unter Strafe gestellt wird. Dort ist es nicht einmal ein Kavaliersdelikt, sondern dort ist es ein ganz reelles Geschäft, daß man Menschen vom fernen Osten, vom nahen Osten, aus südlichen Ländern Europas nach Mittel- und Westeuropa schleppt. Darum glaube ich, daß es sehr wichtig und notwendig ist, daß es diesbezüglich entsprechende Initiativen gibt.

Zur Frage des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres möchte ich sagen, daß ich zu denen gehöre, die diesen Assistenzeinsatz gerne fortgesetzt sähen; im wesentlichen aus drei Gründen:

Erstens einmal deswegen, weil sich das Bundesheer in diesen fünf Jahren an der Grenze sehr bewährt hat, weil diese 2 000 Bundesheersoldaten und Präsenzdiener eine hervorragende Arbeit leisten, und ich nicht einsehe, wieso man Bewährtes und Eingespieltes plötzlich nicht mehr durchführen sollte.

Zweitens deswegen, weil jeder von uns weiß, daß es irgendwann einmal – ich will jetzt kein Datum nennen – so sein wird, daß unsere osteuropäischen Nachbarstaaten Mitglieder der Europäischen Union werden und zu diesem Zeitpunkt auch die Schengener Außengrenze verlagert werden wird. Da wäre es nicht gut, wenn wir dann nicht wüßten, wo wir neuaufgenommenes Personal unterbringen sollten.

Der dritte Grund ist, daß wir diese 2 000 Bundesheersoldaten nicht so ohne weiteres ersetzen können. Wir würden dafür eine ähnlich hohe Anzahl von Gendarmeriebeamten brauchen, die neuaufgenommen werden müßten, und dazu stellt mir leider der Finanzminister das Geld nicht zur Verfügung. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt also: So lange das entsprechende andere Personal nicht finanziert wird, solange muß ich als Innenminister darauf drängen, daß das Bundesheer weiterhin Assistenzeinsatz leistet.

Zur Frage des Spargedankens möchte ich sagen, daß gerade das Jahr 1996 und auch das Jahr 1997 ohne Zweifel keine guten Jahre für das österreichische Innenministerium gewesen sind, weil wir in diesen beiden Jahren 1 000 Planstellen einsparen mußten und das natürlich für die österreichische Exekutive ein gewichtiger Aderlaß gewesen ist. Darum bin ich froh, daß es gelungen ist, daß die österreichische Exekutive in den Jahren 1998 und 1999 von den Sparplänen verschont bleibt, und daß es gelungen ist, daß wir 1998 wieder ein Budget haben, das eine zusätzliche Personalaufnahme gewährleistet – natürlich größtenteils in der Grenzgendarmerie –, das aber auch gewährleistet, daß wir für Sachaufwendungen bedeutend mehr ausgeben können, als das bisher der Fall war. Wir haben ein Budget, das um fast 1,7 Milliarden Schilling mehr beträgt als im Jahr 1997. Das halte ich für notwendig und wichtig, weil nur so gewährleistet werden kann, daß die österreichische Exekutive auch erfolgreich tätig sein kann.

Überhaupt glaube ich, daß es einige Bereiche innerhalb unserer Gesellschaft gibt, bei denen es unklug wäre, wenn gespart werden würde. Und so, wie das für den Bereich der Absicherung des sozialen Netzes gilt, ist es, so glaube ich, auch im Bereich der inneren Sicherheit so, daß die Mittel zwar effektiv und sinnvoll verwendet werden sollen, aber daß das Sparen nicht in den Vordergrund zu stellen ist.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich mich bei Ihnen sehr herzlich für die Wortmeldungen bedanken. Natürlich konnte ich nicht auf alles detailliert eingehen, aber ich glaube trotzdem, daß wir alle gemeinsam – auch wenn dem Sicherheitsbericht nicht alle zustimmen – doch feststellen können, daß wir stolz darauf sein können, daß wir in Österreich in einem Land leben, das im Vergleich zu vielen anderen Ländern eine sinkende Kriminalitätsrate und eine steigende Aufklärungsquote hat, daß wir in einem Land leben, in dem die großen Städte sicher sind, in dem sich die Menschen sicher fühlen. Unsere gemeinsame Aufgabe und unser gemeinsamer Auftrag muß es sein, an diesem Sicherheitsgefühl und an dieser guten Sicherheitslage auch in Zukunft weiterzuarbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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13.36

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm dieses.

13.36

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Herrn Innenminister danken: Obwohl ich nicht mit allem einverstanden bin, was er sagt und was er in seinem Bericht darstellt, so hat er doch in einer sehr ruhigen und sachlichen Art seine Politik hier dargelegt – ganz im Gegensatz zu den Heißspornen aus der ÖVP und der SPÖ, die vorher hier am Rednerpult gestanden sind.

Die Entlastungsangriffe gegen uns Freiheitliche sind wieder nach dem alten Strickmuster abgelaufen: Haltet den Dieb! – Da wird etwas aufgedeckt, meine Damen und Herren, da werden Mißstände aufgezeigt, und dann sagt man: Die Freiheitlichen waren es! Die haben es an das Licht der Öffentlichkeit gebracht!

Ich fordere Sie auf: Gehen Sie den Vorwürfen, die von uns vorgebracht werden, nach, sorgen Sie für Ordnung in Ihren Ämtern und in Ihren Verantwortungsbereichen, dann werden wir in Zukunft diese Probleme nicht mehr haben!

Herr Kollege Richau! Auf Ihre Ausführungen und darauf, was Sie heute hier gesagt und an Aktionismus mit Ihrer Dienstmütze und mit dem Taferl ablaufen haben lassen – übrigens eine Kopie unseres Bundesobmannes; aber das machen Sie sich jetzt offensichtlich auch zunutze –, muß ich besonders eingehen. (Bundesrat Richau: Ich habe nicht ihn, sondern nur das Taferl kopiert!) Ich erzähle Ihnen von einer Begebenheit aus diesem Hause, die stattgefunden hat, als wir beide diesem Hause noch nicht angehört haben, die sich aber so abgespielt haben soll.

Als der freiheitliche Bundesrat Bernd Gauster – er ist leider mittlerweile verstorben – hier angelobt wurde, ist er in seiner Uniform, in der Dienstuniform der österreichischen Gendarmerie, hier erschienen, und er wurde, so wird mir erzählt, von einem Mitglied dieses Hauses, von der sozialistischen Abgeordneten Irmtraut Karlsson, als Faschist bezeichnet. Und das nur deshalb, weil er in der österreichischen Gendarmerieuniform hier herinnen aufgetreten ist! Seien Sie froh, daß Kollegin Karlsson nicht mehr diesem Haus angehört, sonst wäre Ihnen heute vielleicht ähnliches widerfahren! (Bundesrat Jaud: Er ist ja nicht in Uniform aufgetreten, er hat ja nur die Mütze hierhergelegt!) Er hat seine Uniformmütze hierhergelegt und hat sich damit auch mit seiner Uniform identifiziert. (Bundesrat Eisl: Es ist ja keine Schande, in Uniform aufzutreten! – Bundesrat Konečny: Es ist keine Schande, es ist nur verboten! – Bundesrat Eisl: Es ist ja keine Schande!)

Herr Kollege Richau! Um noch etwas klarzustellen: Sie haben hier auf Ihrer Tafel ein Zitat unseres Bundesparteiobmannes ganz verkürzt darzustellen versucht, das so nicht richtig ist. Sie haben die Bezeichnung "Mafia" im Zusammenhang mit der Exekutive gebracht, und ich sage Ihnen, Herr Kollege, Jörg Haider hat bei der Neujahrsansprache dieses Wort nur ein einziges Mal benützt. Ich habe das Originalzitat da, und ich werde jetzt Bundesobmann Jörg Haider zitieren.

Das Zitat lautet folgendermaßen: "Ein Mann, der sich mit der Mafia angelegt hat und viele von denen zur Strecke gebracht hat, dem nimmt man die Waffen weg und gibt seinen Namen im Fernsehen bekannt. Das ist eine Einladung an das organisierte Verbrechen: Jetzt könnt ihr ihn niedermachen, jetzt ist er wehrlos!" – Ende des Zitats. Das hat Jörg Haider gesagt und nicht, daß die Exekutive eine Mafia wäre. Ich weise das zurück, und ich ersuche Sie, wenn Sie sich darüber entsprechend informiert haben, das auch hier heraußen zu berichtigen.

Ich hoffe nicht, daß Sie eine entsprechende Fernsehwirkung ... (Bundesrat Mag. Himmer: Was ist dann mit der Mafia... ?) Ich sage es Ihnen noch einmal: "Ein Mann, der sich mit der Mafia angelegt hat und viele von denen zur Strecke gebracht hat, dem nimmt man die Waffen weg." Mit dem Wort "Mafia" ist das organisierte Verbrechen gemeint. Nehmen Sie den Kontext zur Hand! Das möchte ich hier klargestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es gibt auch noch andere Dinge in Salzburg, mit denen man es nicht so genau nimmt. Unsere Kollegin aus dem Nationalrat, Frau Dr. Helene Partik-Pablé, hat an den Bundesminister für Inneres in Zusammenhang mit dem Umstand, daß in der Bundespolizeidirektion Salzburg Personalakten kopiert und unerlaubterweise neu angelegt wurden, eine Anfrage gerichtet. Dar


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auf hat der Herr Innenminister geantwortet: "Der dargestellte Sachverhalt war mir nicht bekannt. Die Vorgesetzten waren aber von dieser Aktion nicht informiert. Diese Aktion war also nicht genehmigt."

Weiter schreibt er über die Konsequenzen für diesen Beamten: "Der betroffene Beamte wurde durch den Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Salzburg im Sinne des § 109 B-DG 1979 belehrt und ermahnt.

Damit war die Sache in einem Fall abgetan, in dem sich jemand von 250 Personalakten Photokopien angeschafft hat. Aber in diesem Fall meinen Sie, weil da etwas aufgedeckt wurde, daß Sie einen Riesenwirbel machen müssen. Ich sage Ihnen folgendes: Dieser Polizist hat nur Mißstände aufgedeckt, er hat sie aufgezeigt, und Sie meinen, das nun umdrehen und gegen ihn zu verwenden zu können.

Das ist eine Vorverurteilung, vor allem was die Art und Weise betrifft – das mache ich Ihnen, Herr Kollege, nicht zum Vorwurf! –, wie man mit diesem Mann in der Öffentlichkeit umgeht, nämlich daß man ihn im Fernsehen präsentiert nach dem Motto: Das ist derjenige, der einen Mißstand aufgezeigt hat, das ist der Böse, der Daten geklaut hat, hier ist sein Name, hier ist Bild!

Genau das hat Jörg Haider kritisiert, nämlich daß dieser Mann jetzt zum Abschuß für die Mafia freigegeben sei. Das ist ungeheuerlich, denn auch ihm steht die Unschuldsvermutung im Rechtsstaate Österreich zu, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie haben noch eines gesagt, nämlich daß Sie sich mit dem Zitat des Jörg Haider, daß die Spitze dieses Staates korrupt und verfault sei, nicht identifizieren können.

Ich nenne Ihnen in diesem Zusammenhang jetzt nur ein paar Namen. Es ist das Wichtigste und auch der Sinn der politischen Tätigkeit vieler Freiheitlicher, daß sich diesbezüglich in unserem Lande etwas ändert.

Ich nenne Ihnen den ehemaligen Bundeskanzler Sinowatz: rechtskräftig verurteilt wegen falscher Beweisaussage vor Gericht.

Ich nenne Ihnen Exfinanzminister Androsch: rechtskräftig verurteilt wegen Steuerhinterziehung. – Man stelle sich vor: ein Finanzminister verurteilt wegen Steuerhinterziehung!

Weiters: Es hat die Involvierung verschiedenster Minister in die Sache Proksch/Lucona gegeben, nämlich die Minister Gratz, Blecha, Lütgendorf. Minister Lütgendorf ist ganz offensichtlich ermordet, aber dann als Selbstmörder begraben worden, und zwar ohne Obduktion, ohne vorherige Untersuchung. (Zwischenruf.) Immerhin ist es im Fall Lucona um sechsfachen Mord, um sechsfachen Mordversuch und um Versicherungsbetrug in Höhe von rund 250 Millionen Schilling gegangen! Die involvierte Versicherung war die Bundesländer-Versicherung. Deren Generalsekretär ist nur wenig später wegen Untreue und Veruntreuung rechtskräftig verurteilt worden, weil er fingierte Schadensmeldungen unterschrieben hat. Dieser Mann kommt aus Ihrem Bereich, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Aber es gibt noch viele andere solcher Dinge: Es gibt einen AKH-Skandal, einen Bauring-Skandal, einen Noricum-Skandal. All das sind Synonyme für schwere Korruptionsfälle. Es gibt einen Bautenminister Sekanina, der sich aus der Gewerkschaftskasse bedient hat. Es gibt einen Vorarlberger Abgeordneten Renner. Es gibt einen Rauchwarter. Es gibt einen Rablbauer und so weiter. Es gibt die gegenseitigen Bespitzelungen von ÖVP- und SPÖ-Abgeordneten im Parlament. Kollege Marizzi, der das Mikrophon mitlaufen ließ, sitzt noch immer im Parlament. Es gibt Skandale im Bankenbereich.

All das stelle ich jetzt zur Diskussion! All diese Dinge können Sie bewerten, wie Sie wollen. Aber ich sage Ihnen eines: Als Freiheitlicher schließe ich mich der Argumentation des Jörg Haider an! Das wollte ich Ihnen in diesem Zusammenhang auch noch gesagt haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Das ist in diesen Tagen sehr laut zu betonen!)

13.44


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
635. Sitzung / Seite 73

Präsident Ludwig Bieringer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Franz Richau zu Wort gemeldet. – Ich weise darauf hin, daß eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken.

Ich erteile Herrn Bundesrat Franz Richau das Wort.

13.45

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner Rede auch auf den Zeitungsartikel vom 12. 1. 1998 Bezug genommen, in dem steht – ich zitiere –: "Da der Polizist gar keinen Zugang zu den Daten im Computer gehabt habe, gäbe es nur einen Grund für das Disziplinarverfahren gegen ihn." Ich zitiere: "Er hat sich mit der Mafia angelegt." (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist ein falsches Zitat! Kapieren Sie das nicht, oder tun Sie nur so?!) "Wenn jemand suspendiert wird, muß er..." (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist falsch zitiert!) "Jetzt sei nicht nur dessen Namen bekannt gemacht, er sei auch entwaffnet worden. Eine Einladung an die organisierten Verbrecher"... und so weiter.

Der weitere Grund, warum ich das zitiert habe, ist: Hauptverantwortlich dafür sei der Salzburger Polizeidirektor Karl Schweiger, dem er – Haider – Komplizenschaft mit dem Verbrechertum – Komplizenschaft mit dem Verbrechertum! – vorwarf. (Bundesrat Waldhäusl: Das steht in der Zeitung!) Auch dessen Chef, Innenminister Karl Schlögl, werde man keine Ruhe mehr lassen, kündigte Haider an. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist ein Debattenbeitrag!)

Wenn gegen jemanden disziplinär vorgegangen wird und man keinen Grund dafür findet, dann lautet Ihre Deutung – so wie es bei Ihnen viele Male der Fall ist –, man habe gegen ihn nichts gefunden, weil er gegen die "Mafia" – sprich: Mißstände innerhalb der Exekutive – gehandelt hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das war keine tatsächliche Berichtigung!)

13.47

Präsident Ludwig Bieringer: Zu einer Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer zu Wort gemeldet. – Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 48 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer das Wort.

13.47

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Danke, Herr Präsident! Lieber Kollege Richau, ganz langsam und zum mitschreiben, wobei ich vermute, daß es nicht daran liegt, daß du das nicht verstanden hast, sondern daran, daß du es nicht verstehen willst: Tatsache ist, daß das Zitat, so wie es in der Zeitung und von dir zitiert wurde, unrichtig und falsch ist. Das habe ich dir im persönlichen Gespräch gesagt, das habe ich dir ... (Bundesrat Richau: Dann bitte richtigstellen!)

Ich wiederhole das, was Jörg Haider in Graz gesagt hat, wörtlich: "Ein Mann, der sich mit der Mafia" –  "Mafia" ist ein Begriff, den du als Exekutivbeamter vielleicht schon einmal gehört hast, "Mafia" ist ein Begriff, der das organisierte Verbrechen bezeichnet – "angelegt hat und viele von denen zur Strecke gebracht hat, dem nimmt man die Waffen weg und gibt seinen Namen im Fernsehen bekannt, damit es eine Einladung an die organisierten Verbrecher ist" ... und so weiter.

Du bist hier zum Rednerpult gegangen, hast ein Schild darauf gestellt, auf dem gestanden ist – "Zitat Jörg Haider: Die Exekutive ist eine Mafia."

Das ist nicht nur unwahr, sondern das ist eine bewußte Unwahrheit, und eine bewußte Unwahrheit nennt man eine Lüge. Ich erwarte von dir, daß du das richtigstellst, daß du dich entschul


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 74

digst, denn das ist eine Umgangsweise, die in diesem Hause nicht angebracht ist. Du bist Abgeordneter dieses Hauses, du hast einen Eid auf die Republik geleistet, und ich erwarte mir, daß jemand, dem man beweist, daß er die Unwahrheit gesagt hat, auch die menschliche Größe hat, das zuzugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.48

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen in der Reihenfolge der Rednerliste weiter. Ich erteile Herrn Mag. Karl Wilfing das Wort.

13.48

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesrätin Riess-Passer! Sie haben hier eine Person, die eine Zeitung zitiert hat, als jemand dargestellt, der die Unwahrheit sagt. Ich darf Sie bitten – und das, bitte ich, mitzuschreiben; da Bundesrätin Riess-Passer nicht zuhört (Bundesrätin Dr. Riess-Passer spricht mit Bundesminister Mag. Schlögl), möchte ich ihre Kollegen bitten, das mitzuschreiben –: Rufen Sie doch die "Kleine Zeitung" unter der Telefonnummer 0316875 an, und stellen Sie das richtig, wenn es so nicht gesagt wurde! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Er hat ein Taferl vorgewiesen!) Das ist nicht unser Problem, sondern Ihr Problem im Umgang mit der "Kleinen Zeitung" und mit dem Journalisten, der das geschrieben hat, was er gehört hat! Davon gehe ich aus und muß ich ausgehen, solange in dieser Zeitung nichts anderes steht. (Bundesrat Eisl: Er hat ein Taferl vorgewiesen, auf dem die Unwahrheit stand!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da aber hier keine Emotionen zur Debatte stehen, sondern der Sicherheitsbericht 1996, möchte ich mich nun damit beschäftigen. Ich möchte gleich eines klarstellen – auch wenn hier schon versucht wurde, anderes in den Raum zu stellen –: Österreich – das möchte ich ausdrücklich in den Vordergrund rücken – ist eines der sichersten Länder der Welt. Wir haben Gott sei Dank eine Situation, die es erlaubt, daß auch Kinder und unsere Großeltern nächtens auf die Straße gehen können, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen, und damit eine Situation, die wir leider nicht in vielen Staaten dieser Erde vorfinden.

Trotzdem muß man auch klar sagen – das möchte ich hier noch einbringen – , daß noch vieles zu tun bleibt, obwohl wir mit dem Sicherheitsbericht 1996 den fünften Bericht in Folge – ich wiederhole: den fünften Bericht in Folge! – haben, der eine sinkende Kriminalitätsrate und eine steigende Aufklärungsquote ausweist. Dafür müssen wir gerade unseren Exekutivbeamten danken, die eine hervorragende Arbeit leisten, und das – ich möchte es sehr sachlich formulieren –, obwohl in diesem Zeitraum zeitweilig ein Innenminister verantwortlich war, bei dem man das Gefühl hatte, daß er mehr Sympathien für jene aufbringt, die Arbeit verursachen, als für jene, die Arbeit leisten und dafür sorgen, daß Österreich sicher bleibt. Ich stelle aber fest, daß eine hervorragende Arbeit von unserer Exekutive, von unseren Sicherheitsbeamten geleistet wurde.

Es bleibt aber noch viel zu tun. Wir haben leider weiterhin eine steigende Zahl im Bereich der organisierten Kriminalität zu verzeichnen, und ich bin glücklich darüber, daß Herr Innenminister Schlögl gesagt hat, daß er die Initiative des Außenministers Schüssel, gerade das Schlepperunwesen stärker unter Strafe zu stellen beziehungsweise damit zu beginnen, es gemeinsam mit europaweiten Versuchen unter Strafe zu stellen, unterstützt und ebenfalls daran mitarbeiten wird, daß die türkischen mafiosen Verbindungen, die eindeutig festgestellt werden können, aber genauso chinesische und russische Schleppertruppen endlich stärker angegangen werden.

Es bleibt, was heute auch schon angesprochen worden ist, auch im Bereich der Drogenkriminalität sehr viel zu tun. Das gilt auch für den Bereich "Gewalt in der Familie". Da geht es darum, daß all die Maßnahmen, die uns vor ungefähr drei Monaten hier schon beschäftigt haben und die präventiv vor allem daran arbeiten sollen, daß wir starke Persönlichkeiten hervorbringen, die nicht auf Suchtmittel zurückgreifen oder kleine Kinder schlagen müssen oder sich gar sexuell an diesen vergehen, gemeinsam angegangen und mit unserer Unterstützung umgesetzt werden.

Eines möchte ich noch ansprechen, weil ich selbst in einem Grenzbezirk wohnhaft bin: Herr Bundesminister! Es ist schon vieles im Bereich der Grenzgendarmerie, im Bereich der Grenz


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635. Sitzung / Seite 75

sicherheit geleistet worden, aber – das stelle nicht nur ich als Person fest, sondern das wurde mir durch viele Aussagen von Grenzgendarmen bestätigt –, wir haben doch noch einiges zu tun, um die personelle, die technische, aber auch die organisatorische Leistung des Schengen-Standards zu erreichen.

Ich bin mir sicher, daß wir das sehr rasch schaffen werden, weil gerade im heurigen Jahr viele Maßnahmen diesbezüglich angegangen werden. Wir haben aber darüber hinaus noch sehr viel zu tun. Ich erinnere einerseits an das Schlepperunwesen, nenne aber andererseits auch das Problem der Schubhaftplätze.

Es ist unzumutbar, daß unsere Beamten tagelang durch das ganze Land fahren müssen, um den illegal Aufgegriffenen irgendwo einen Schubhaftplatz zu geben. Darüber hinaus passiert es ab und zu, daß Leute sogar wieder freigelassen werden, weil eben kein Schubhaftplatz vorhanden ist. Da gilt es, rasch Abhilfe zu schaffen und darüber nachzudenken, ob man nicht die illegale Einreise unter ein Gerichtsdelikt stellt.

Wir hatten im Vorjahr im Bezirk Mistelbach einen Polen, der zum dreizehntenmal illegal aufgegriffen wurde, aber solange das nur ein "Gentlemanvergehen" – unter Anführungszeichen – ist, so lange kann man ihn nur schwer daran hindern, daß er zum vierzehntenmal versucht, in Österreich illegal einzuwandern. Das müßte stärker unter Strafe gestellt werden, damit dem auch prophylaktisch ein Riegel vorgeschoben wird.

Abschließend möchte ich mich außer bei den Exekutivbeamten auch bei all jenen bedanken, die in Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz, dem Arbeiter Samariter Bund hervorragende Leistungen für die Sicherheit Österreichs erbringen, und möchte, damit gerade diese und die gesamten Zivilschutzeinrichtungen weiterarbeiten können, Sie, Herr Innenminister, auffordern, die Hände vom Vereinsrecht zu lassen, damit sie auch in Zukunft ohne bürokratische Vorschriften ihre Arbeit leisten können – zum Wohle der Menschen in Österreich und zur Gewährleistung unserer Sicherheit! – Danke. (Beifall bei den ÖVP.)

13.54

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Karl Schlögl. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.54


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 76

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zwei Bemerkungen. Erste Bemerkung: Das, was Bundesrat Wilfing gesagt hat, paßt genau zu dem, was Bundesrat Schöls gesagt hat, und diesbezüglich muß ich beide belehren: Für Schubhaftanstalten ist primär das Land Niederösterreich zuständig. Ich wäre froh, wenn ich da die entsprechende Unterstützung bekäme. Natürlich bin ich mir dessen völlig bewußt, daß wir viel zuwenig Schubhaftplätze haben.

Es gibt diesbezüglich schon eine Vielzahl von Bemühungen. Wir werden Mitte März über 15 zusätzliche Schubhaftplätze in Vorarlberg im Gefangenenhaus Bludenz verfügen können. Wir werden Mitte des Jahres damit beginnen, 66 Schubhaftplätze zusätzlich in Salzburg zu bauen. Ich bin mit Landeshauptmann Stix einig, daß wir 60 bis 70 Schubhaftplätze im ersten Halbjahr 1998 im Burgenland errichten werden. Ich bin sicher, daß wir im Polizeigefangenenhaus Wien im Laufe dieses Jahres um bis zu 100 Plätze aufstocken werden.

Aber was mir noch fehlt, ist die entsprechende Unterstützung von Niederösterreich, und ich erwarte, daß nicht nur hier am Rednerpult kritisiert wird, sondern daß auch bei Landeshauptmann Pröll und bei den anderen Landesregierungsmitgliedern darum geworben wird. Ich stehle mich nämlich keineswegs aus der Verantwortung und sage nicht, daß sei ausschließlich Sache des Landes, sondern sage, daß das mindestens genauso meine Angelegenheit ist. Ich brauche dazu aber auch die Unterstützung des Landes Niederösterreich, und darum bitte ich Sie. (Bundesrat Schöls: Die ist da! Da gibt es Gespräche! Wir haben uns auf die Zusage verlassen in den Zeitungen, daß es in Schwechat das Containerdorf geben wird!)


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 77

Präsident Ludwig Bieringer:
Am Wort ist der Herr Minister!

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Zweite Bemerkung: Ich bin leider nicht immun, deshalb muß ich bei den Äußerungen, die ich mache, sehr vorsichtig sein. Das unterscheidet mich von den Abgeordneten und Bundesräten. Weil ich nicht immun bin, kann ich es mir nicht leisten, zu sagen, der Vorwurf, daß ich vorhabe, beim Vereinsrecht etwas zu ändern, ist ein Schwachsinn. Deshalb kann ich das leider nicht sagen.

Ich möchte klarstellen, daß der Innenminister in keiner Weise irgend etwas mit dem Vereinsrecht vorhat, sondern daß lediglich Minister Löschnak im Jahre 1993, vor allem aufgrund von Wünschen aus der Wirtschaft und der Industriellenvereinigung – deshalb war auch Professor Krejci damals daran beteiligt –, ein Komitee ersucht hat, Vorschläge zu erarbeiten, wie das Vereinsrecht modernisiert werden könnte.

Dieses Komitee wurde 1993 eingesetzt, im März 1997 sind die Ergebnisse veröffentlicht worden. Darin gibt es nicht einmal ein Vorwort von mir, sondern es gibt darin nur ein Vorwort des Justizministers und des ehemaligen Ministers Löschnak. Dazwischen hat es aber auch noch Innenminister Caspar Einem gegeben.

Ich habe im März 1997 gesagt, daß das interessante Vorschläge seien, daß ich aber kein Interesse hätte, das Vereinsrecht zu ändern. – Sendepause. Dann hat sich nichts mehr getan. Aber plötzlich, im Oktober 1997, hat irgend jemand entdeckt, daß der Innenminister das Vereinsrecht ändern möchte. Es gab eine Enquete im Parlament, bei der ich gesagt habe, daß das nicht notwendig sei und es daher nicht gemacht werde. Trotzdem gibt es immer wieder neue Initiativen und Appelle.

Ich möchte noch einmal klar sagen, daß ich keine Vorlage an das Parlament vorhabe, die zum Gegenstand hat, daß das Vereinsrecht geändert wird. Trotzdem bin ich der Meinung, daß wir alle gut beraten wären, wenn wir uns mittelfristig überlegen würden, das eine oder andere zu verändern, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in Österreich ein Vereinsrecht aus dem Jahr 1867, das im Jahre 1951 wiederverlautbart wurde. Das heißt, daß das Vereinsrecht mehr als 130 Jahre alt ist. Jeder von Ihnen weiß doch, was sich in diesen 130 Jahren alles verändert hat.

Wir haben in Österreich über 100 000 Vereine. Wir haben in Österreich Vereine, die zum Teil über eine Million Mitglieder haben. Wir müssen dafür sorgen, daß wir – das betrifft nicht nur das Vereinsregister, sondern auch andere Dinge – bessere Sicherungsmaßnahmen haben. Viele Sekten – da fordere ich gerade die ÖVP-Fraktion auf – sind als Vereine konstituiert, bei denen man kaum eine Möglichkeit hat, einzuschreiten, außer aus sicherheitspolizeilichen Gründen.

Wir haben viele Vereine, die Spenden in Millionenhöhe lukrieren, die in keiner Weise kontrolliert und überprüft werden können. Es gibt sogar Vereine, die als Bordelle arbeiten, bei denen es eine vorübergehende Mitgliedschaft für nur kurze Zeit gibt, und ähnliches.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dieser Tatsachen wäre es schon sinnvoll, wenn man über Parteigrenzen hinweg darangehen würde, da mittelfristig Veränderungen einzuleiten. Dabei soll kleinen Vereinen, wie beispielsweise dem Sportverein oder dem Sparverein, nicht in irgendeiner Form ihre Arbeit verbürokratisiert oder ihnen Schwierigkeiten bereitet werden. Mir erscheint das notwendig und wichtig.

Das Hände-Weg vom Vereinsrecht ist etwas, dem ich sicher zustimme, und zwar in dem Sinne, daß man für die kleinen Vereine nichts ändern soll, ja den kleinen Vereinen umgekehrt das Leben noch erleichtern soll. Aber bei manchen großen Vereinen, vor allem bei Vereinen, die ganz anderen Zwecken dienen als jenen, für die sie ursprünglich gedacht waren, wäre es ganz gut, wenn man ein Vereinsrecht hätte, bei dem man mehr Handlungsmöglichkeiten als jetzt hätte. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Wilfing: Weil die Größe entscheidend ist! – Bundesrat Ing. Penz: Es ist kein Schwachsinn, was Wilfing sagt!)

14.00

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

14.00

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Für die meisten Menschen steht Sicherheit an erster Stelle. Daher ist es erfreulich, daß Österreich zu den sichersten Ländern Europas zählt. Das ist nicht von selbst gekommen, sondern dieser Status mußte – manchmal verbunden mit Rückschlägen – erst hart erarbeitet werden.

Die Bundesregierung und der Herr Bundesminister hatten sich hohe Ziele gesetzt. Der Bericht zeigt nun, daß vieles davon umgesetzt werden konnte. Eine große Herausforderung waren der Beitritt zur Europäischen Union und das Schengener Abkommen. Die erforderlichen Organisationsarbeiten in vielen Bereichen – insbesondere möchte ich die Zollwache, den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der Grenze und die Organisationsveränderung im Bereich der Gendarmerie nennen – brachten zwar Diskussionen mit sich, aber das gehört zu jeder Veränderung.

Wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Umstellung auf den Einsatz modernerer Dienstmittel und Fahndungsmethoden. Entscheidend ist jedenfalls, daß damit die Mobilität gesteigert werden konnte und andererseits die Mobilität krimineller Organisationen an der österreichischen Grenze unterbunden wird. Genau das war ein Punkt, der in den Grenzregionen zu Diskussionen Anlaß gab. Aber letzten Endes führte die Gewohnheit, daß dort kontrolliert wird, dazu, daß man den einen oder anderen Kriminellen entdeckt und sichergestellt hat – dort wirkte sich die Fahndung also sehr positiv aus – und daß auch so mancher LKW wegen technischer Mängel, wegen falscher Deklarierung des Ladegutes oder auch wegen Menschen- oder Drogenschmuggels entdeckt werden und dagegen entsprechend vorgegangen werden konnte.

Seit letztem Dezember haben wir offene Grenzen zu Bayern, und ab 1. April dieses Jahres wird es überhaupt offene Grenzen geben. Das wollten wir so, und darauf haben wir uns auch gefreut. Diese und einige andere der Fragen, die ich angeschnitten habe, wurden beim Besuch des Herrn Bundesministers im August 1997 in Schärding angesprochen. Wichtig, Herr Bundesminister Mag. Schlögl, war Ihr Besuch bei den Dienststellen: beim Grenzübergang in Suben, bei der Gendarmerie in Schärding und vor allem bei der Gendarmeriedienststelle in Passau. Das war deshalb so wichtig, weil unsere Beamten, die es zu dieser Zeit sicherlich nicht leicht hatten, mit ihrem obersten Chef, mit dem Herrn Innenminister persönlich, reden konnten.

Zahlreiche Punkte wurden angesprochen, viele konnten sogar geklärt werden, und in manchen Bereichen kam es binnen kurzem zu Verbesserungen. Überholte technische Ausstattungen wurden kurzfristig ergänzt oder ersetzt, und das war selbstverständlich etwas sehr Positives. Es wurden aber auch andere Punkte angeschnitten, zum Beispiel der schon genannte Transport der Schubhäftlinge durch ganz Österreich, die Übernahme der Grenzkontrolle durch die Gendarmerie, die Schlepperbekämpfung, Gefahrentransporte oder auch künftige Möglichkeiten der Fahndung in Zusammenarbeit mit den bayrischen Grenzbeamten.

Die Auswirkungen waren, wie gesagt, sehr positiv, und es ist wirklich eine Motivation entstanden, wie man sie sich nur wünschen kann. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, daß Sie sich die Zeit genommen haben, unserem Bezirk – in diesem Fall den Dienststellen – einen Besuch abzustatten und diese Fragen zu klären.

Es gab damals auch eine Sicherheitsdiskussion, die zuvor von manchen in Frage gestellt worden war. An diesem Abend stellte sich aber heraus, daß diese Diskussion nicht nur sehr gut besucht war, sondern daß dort speziell auf die Probleme eingegangen wurde, welche die Bevölkerung, die Leute, die dort leben, bewegt haben. Das war sehr wichtig, und deshalb möchte ich auch hier dafür danke sagen. Es gehört dazu, daß man diese Fragen nicht unter den Tisch kehrt, sondern darüber spricht.

Eine Frage habe ich noch gut in Erinnerung, nämlich die Frage der Bayern, ob Österreich denn schon Schengen-reif wäre. Auch das konnte klargestellt werden. Gleichzeitig war festzustellen,


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daß die Zusammenarbeit zwischen den Bayern und den Österreichern sehr gut ist, und zwar nicht nur im Bereich der Exekutive, sondern auch in anderen Bereichen, die zur Sicherheit gehören, nämlich im Bereich der Feuerwehren und der Rettungsorganisationen. Wie wichtig das ist, hat sich schon bei vielen Gelegenheiten gezeigt, und man sollte es daher auch immer wieder erwähnen.

Die erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt waren umfangreich. Die Zeit einer Umstellung, die noch dazu auf so einschneidende Art und Weise wie nie zuvor erfolgt, ist schwierig. Umso mehr gilt es, für das Verständnis und für die positive Arbeit aller zu danken und festzustellen, daß mit einer positiven Einstellung viel erreicht werden kann. Sicherheit kommt nicht von selbst. Wir müssen gemeinsam mit aller Kraft daran arbeiten, daß Österreich auch weiterhin zu den sichersten Ländern Europas zählt.

Der Sicherheitsbericht 1996 bestätigt die Richtigkeit des von der SPÖ eingeschlagenen Weges. Verbrechen gegen Leib und Leben – die schwere Gewaltkriminalität – sind um 7,8 Prozent zurückgegangen, die Aufklärungsquote liegt bei 94 Prozent. Die Gesamtzahl aller Verbrechen und Vergehen ist um 3,6 Prozent gesunken, die Aufklärungsquote wurde erhöht. Die Exekutive – die Gendarmeriebeamten, die Bundespolizei, das Bundesheer – hat gute Arbeit geleistet. Erfreulich ist auch, daß laut Meinungsumfragen die Bevölkerung die Arbeit der Exekutive nicht nur akzeptiert, sondern auch sehr schätzt.

Nochmals herzlichen Dank an alle, besonders an Sie, Herr Bundesminister Schlögl, und an Sie, Herr Bundesminister Michalek. Ich wünsche Ihnen und unserer Exekutive auch weiterhin viel Erfolg und eine glückliche Hand bei der Bewältigung Ihrer Aufgaben! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.06

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (767 und 984/NR sowie 5612 und 5614/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K. 3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof


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der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Rechtsausschusses, der schriftlich vorliegt. Ich nehme deshalb davon Abstand, diesen zu verlesen.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Ich erteile es ihr.

14.08

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist eine Tatsache, die genauso bedauerlich wie beängstigend ist, daß die organisierte Kriminalität immer mehr zu einer Bedrohung für den Rechtsstaat und die Gesellschaft wird – nicht nur in Österreich, sondern in Europa insgesamt. Wir haben heute schon im Zusammenhang mit dem Sicherheitsbericht die auch in Österreich dramatisch steigende Tendenz in dieser Richtung angesprochen. Daß das so ist, ist für niemanden ein Geheimnis, und gerade deshalb halte ich es für sehr bedauerlich, daß das gemeinsame Europa in einer wesentlichen Frage wie jener des unmittelbaren Schutzes der Bürger bei weitem nicht in ausreichendem Maße handlungsfähig und handlungswillig ist.

Bereits im Juni 1991 wurde beim europäischen Gipfeltreffen in Luxemburg die TREVI III-Gruppe um die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Errichtung von Europol ersucht. Fast sieben Jahre sind also seither vergangen, und wir sind immer noch recht weit von einer tatsächlich effizienten Lösung entfernt. Diese könnte nur darin bestehen, Europol möglichst bald auch zu einer operativen Einheit auszubauen.

Die Zeit ist aber inzwischen von der organisierten Kriminalität dafür genutzt worden, ihr grenzüberschreitendes Netzwerk weiter auszubauen und zu perfektionieren. Die nationalen Polizeibehörden sind sowohl technisch als auch personell zu schwach ausgestattet, um dazu ein ausreichendes Gegengewicht bilden zu können. International agierende kriminelle Organisationen haben einen Umfang angenommen, dem man im nationalen Alleingang nicht mehr begegnen kann.

Das Problem bei der Förderung der polizeilichen Zusammenarbeit besteht darin, daß zwar alle Mitgliedstaaten positive Erklärungen über deren grundsätzliche Notwendigkeit abgeben, viele von ihnen jedoch wenig Bereitschaft zeigen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Das, worauf man sich bis jetzt geeinigt hat, ist auf der einen Seite unzureichend und auf der anderen Seite in rechtsstaatlicher Hinsicht mangelhaft. Ein wesentlicher Punkt dabei ist selbstverständlich die fehlende Zuständigkeit des EuGH, vor allem dann, wenn es um den individuellen Rechtsschutz bei Streitigkeiten zwischen einem Bürger und Europol geht.

Ein weiterer Punkt ist die mangelhafte Beteiligung des Europäischen Parlaments, und zwar sowohl bei der Entstehung des Übereinkommens als auch bei der Einbindung des Europäischen Parlaments in die Weiterentwicklung. Nach Artikel 34 Europol-Übereinkommen besteht lediglich die Pflicht, jährlich einen Bericht zu verfassen und das Europäische Parlament bei Änderungen des Übereinkommens anzuhören. Eine bloße Information kann aber sicherlich nicht als ausreichende parlamentarische Kontrolle akzeptiert werden.

Neue Wege und Methoden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität führen naturgemäß auch zu einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen den bestehenden Grund- und Freiheitsrechten auf der einen und dem Schutzbedürfnis der Bürger auf der anderen Seite. Ich bedauere


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es, daß sich der Aktionsplan der Innen- und Justizminister aus dem vergangenen Jahr in dieser Hinsicht verschweigt, obwohl es sich dabei um eine sehr wichtige Angelegenheit handelt.

Ein weiterer Punkt, der nur ganz nebenbei gestreift wird, ist die Zusammenarbeit mit den Drittstaaten. Der überwiegende Teil der organisierten Kriminalität hat nämlich genau dort seinen Ausgangspunkt. Nur durch Verurteilung und Inhaftierung von Mitgliedern der Ausführungsebene kann aber diesen Organisationen kein entscheidender Schaden zugefügt werden, solange die Hintermänner, auf die es ankommt, weiterarbeiten können. Es muß daher vor allem das Ziel sein, die Hintermänner und deren Beschützer, Berater und Förderer im behördlichen Bereich sowie in Politik und Wirtschaft strafrechtlich zu erfassen. Eine wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität kann deshalb nur dann auf Dauer erfolgreich sein, wenn man diese Entwicklung bei den Ursachen und Infrastrukturen ansetzt.

Das heißt auch, daß man sich bei den Ermittlungen und bei der Bestrafung stärker auf den empfindlichsten Punkt der kriminellen Organisationen, nämlich ihr Vermögen, konzentrieren muß. Das ist freilich nicht einfach, vor allem deshalb nicht, weil in immer größerem Umfang die verbrecherisch erlangten Gewinne in den legalen Wirtschaftskreislauf reinvestiert werden. Dadurch kommt es einerseits zu einer zunehmenden Unterwanderung der legalen Wirtschaft und andererseits zu steigendem Einfluß auf staatliche Stellen und – daraus resultierend – zu einer gewissen wechselseitigen Toleranz.

Wir begrüßen daher vor allem den Vorstoß, unionsweit Straftatbestände zur Bekämpfung der aktiven und passiven Bestechung auch im Bereich von privaten Handelstätigkeiten zu schaffen. Es ist weiters interessant, daß sogar das Europäische Parlament selbst schon mehrfach festgestellt hat, daß die Internationalisierung der organisierten Kriminalität eine wesentliche Ursache selbstverständlich auch in den Erleichterungen bei den Reise- und Transportbedingungen und in der Grenzöffnung durch den Binnenmarkt hat. Das Europäische Parlament hat schon wiederholt – zuletzt im November im Bericht Cederschiöld über den Aktionsplan zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität – festgestellt, daß dies ein großes Problem ist. Ich denke, daß man sich dies hätte überlegen sollen, bevor man gar so euphorisch in Sachen Schengen tätig geworden ist, ohne die Konsequenzen zu bedenken.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, den Sie, Herr Innenminister, auch im Nationalrat schon behandelt haben, nämlich die Immunität der Europol-Beamten. Sie haben diese Immunität dort verteidigt, ohne einen echten Grund dafür angeben zu können. Sie haben aber gleichzeitig Ihrer Meinung Ausdruck verliehen, daß man über die Sinnhaftigkeit der Immunität für alle Beamten der Union diskutieren und sich darüber Gedanken machen solle, ob diese eigentlich gerechtfertigt ist. Ich stimme Ihnen da zu, das ist völlig richtig. Diese Immunität ist nicht gerechtfertigt, auch in anderen Bereichen nicht. Es ist mir allerdings nicht ganz klar, wie Sie diese Unsinnigkeit beseitigen wollen, indem Sie eine weitere hinzufügen.

Es gibt im Zusammenhang mit dieser Vorlage unserer Ansicht nach eine ganze Reihe ungeklärter Fragen. Deshalb wird ihr die freiheitliche Fraktion nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.15

Präsident Ludwig Bieringer: Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Bundesrat Gottfried Jaud. – Bitte.

14.15

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Innerhalb Europas gibt es bereits jetzt viele Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung. Interpol sowie bilaterale und multilaterale Abkommen bieten die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Wie aber die Zunahme der organisierten Kriminalität – vor allem der grenzüberschreitenden – in den vergangenen Jahren gezeigt hat, sind die bestehenden Einrichtungen zuwenig geeignet, diese Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen.


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Damit auch in Zukunft die Sicherheit unserer Staatsbürger in der bisherigen Form gewährleistet ist, wird es notwendig sein, im neuen Europa mit den geöffneten Grenzen neue Formen der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung einzuführen. Für Österreich ist die internationale Zusammenarbeit vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, weil Österreich – wie der Herr Minister bereits erwähnt hat – in einer besonders sensiblen und sicherheitsrelevanten Zone liegt.

Eine Vorläuferorganisation der Europol besteht bereits in der Europol-Drogeneinheit, der EDE, die sich bestens bewährt hat. Die Fahndungserfolge am Wiener Flughafen – dort werden allwöchentlich Fahndungserfolge erzielt – beweisen eindeutig die Notwendigkeit und Effizienz dieser internationalen Zusammenarbeit.

Wenn Österreich das Europol-Übereinkommen über die Errichtung des europäischen Polizeiamtes ratifiziert, so wird damit noch keine europäische Polizei geschaffen, die selbständig und aktiv Verbrechensbekämpfung durchführen kann. Durch dieses Übereinkommen wird nur der Aufbau eines unionsweiten Systems zum Austausch von Informationen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geschaffen. Darüber hinaus soll das europäische Polizeiamt, die Europol, die Teilinformationen der einzelnen europäischen Staaten über international agierende kriminelle Organisationen regelmäßig zusammenfassen und analysieren. Damit wird dann ein Überblick über die Tätigkeit krimineller Organisationen in ganz Europa geschaffen.

Dadurch wird die Bekämpfung der international organisierten Kriminalität selbstverständlich auch für die nationalen Polizeibehörden wesentlich erleichtert. Wir alle wissen aber, daß die Weitergabe von Informationen nicht nur ein Problem ist, weil damit sehr viel Zeit verlorengeht – das ist bei der Bekämpfung der Kriminalität von besonderer Bedeutung –, sondern es besteht auch die Gefahr, daß Informationen falsch oder nur bruchstückhaft weitergegeben werden. Deshalb bin ich davon überzeugt, daß die kommende Entwicklung der Europol in Richtung einer aktiv agierenden Polizeitruppe – ähnlich dem FBI in Amerika – wird gehen müssen.

Nur wenn jene Organisation, die aus erster Hand die Information erhält, aufgrund dieser Information auch aktiv einschreiten kann, wird eine rasche und effektive Bekämpfung der internationalen Kriminalität in Europa möglich sein. Einer solchen Polizeitruppe werden freilich auch entsprechende Handlungsfreiräume eingeräumt werden müssen. Nur wenn eine solche Polizeitruppe ohne den Klotz umständlicher Verwaltungsarbeit am Bein agieren kann, wird eine Bekämpfung der internationalen und sehr beweglichen Kriminalität effektiv möglich sein.

Wie dabei der Spagat geschafft werden soll, den die Freiheitlichen in ihrer Kritik vorbringen – auf der eine Seite eine rasch agierende Polizeitruppe zu erstellen und auf der anderen Seite sämtliche geforderten Verwaltungsarbeiten durchzuführen –, weiß ich nicht. Ich denke, daß es dafür sicherlich gewisse Freiheiten wird geben müssen. Selbstverständlich wird der Aufbau dieser schlagkräftigen internationalen Polizeitruppe nicht von heute auf morgen möglich sein.

Wir sollten uns damit aber nicht so lange Zeit lassen, bis sich die internationalen kriminellen Organisationen in unserem Lande und innerhalb der Europäischen Union fix eingerichtet und bestens organisiert haben, denn dann sind wir Zweite, und eine Bekämpfung dieser Kriminalität wird dann wesentlich schwieriger sein.

Eine solche Einrichtung kostet natürlich auch Geld. Österreich leistet bereits erhebliche Mittel zum Aufbau der Europol und wird in der Zukunft noch wesentlich mehr finanzielle Mittel dazu beitragen müssen. Die Sicherheit unserer Staatsbürger heute und auch in der Zukunft sollte uns aber den Einsatz dieser Geldmittel nicht schwerfallen lassen.

Ich möchte zum Schluß noch meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß das Europäische Parlament und der Europäische Rat möglichst rasch die nötigen Voraussetzungen dafür schaffen, daß der Aufbau von Europol rasch und möglichst unbürokratisch erfolgen kann.

Wir haben gesehen, mit welchem Tempo sich die internationale Kriminalität den neuen Gegebenheiten in Europa anpaßt. Das verpflichtet uns auch, mit einem ähnlichen Tempo die notwendigen Gegenmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in unserem Lande durchzu


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führen. Wir von der ÖVP geben deshalb diesem Übereinkommen gerne unsere Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Markowitsch. )

14.22

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile ihm dieses.

14.22

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute hier im Bundesrat die Vorlage zum Europol-Übereinkommen diskutieren, dann muß meiner Ansicht nach ein Aspekt an vorderster Stelle berücksichtigt werden: Alle Umfragen in Österreich und in anderen europäischen Ländern haben ergeben, daß die Sicherheit stets zu den wichtigsten Anliegen der Menschen zählt. Die Bevölkerung hat den primären Wunsch und auch das Recht, in einer sicheren Gesellschaft zu leben.

Verglichen mit anderen Ländern kann man mit Fug und Recht behaupten, daß Österreich ein sicheres Land ist. Dieser Umstand darf uns aber nicht dazu verleiten, Entwicklungen, welche auch vor Österreich nicht haltmachen, nicht zu berücksichtigen und unsere Augen davor zu verschließen. Die Politik dieses Landes hat nun dafür zu sorgen, daß der Status eines sicheren Landes, eines sicheren Österreich auch in Zukunft erhalten bleibt. Für uns Sozialdemokraten hat Sicherheit immer einen sehr umfassenden Sinn, wobei die soziale Sicherheit an vorderster Stelle zu stehen hat.

Schutz vor kriminellen Aktivitäten ist ein weiterer Aspekt des Begriffes "Sicherheit", den wir heute hier diskutieren wollen. Die Internationalisierung in vielen Bereichen hat leider auch in der kriminellen Szene Platz gegriffen. Von Drogenhändlerringen über Autoschieberbanden bis hin zur aktuellen Problematik des Menschenschmuggels spannt sich der Bogen krimineller Aktivitäten, welche sich längst nicht mehr um die Grenzen kümmern. Zunehmend entfalten sich diese kriminellen Aktivitäten im Rahmen straff organisierter Gruppen, die international operieren und kooperieren.

Dieser Internationalisierung der Kriminalität müssen die Staaten im Sinne des Schutzes der Bevölkerung gleichwertige Strukturen entgegensetzen. Aus diesem Grunde begrüße ich grundsätzlich die Installierung und Entwicklung einer zentralen europäischen Polizeistelle, um die schwerwiegenden Formen der internationalen Kriminalität zu verhüten und zu bekämpfen.

Ich erachte es auch als sinnvoll, daß Europol nicht nur zum dringend notwendigen Informationsaustausch zwischen den nationalen Polizeibehörden beitragen, sondern auch selbständig Erkenntnisse sammeln und auswerten soll. Zum Schutze der Bevölkerung ist es leider notwendig, der zunehmend international agierenden Kriminalität effizient arbeitende Sicherheitseinrichtungen auf internationaler Ebene entgegenzustellen.

Die vollständige Beseitigung der Binnengrenzen innerhalb der EU wird das Ziel eines völlig freien Personenverkehrs in die Realität umsetzen und damit den Menschen in der EU sichtbare Vorteile bringen. Gleichzeitig muß jedoch sichergestellt werden, daß diese völlige Reisefreiheit den Bürgern und der Wirtschaft zugute kommt, nicht jedoch verbrecherischen Organisationen und Aktivitäten. Daher ist es dringend notwendig, parallel zu diesem internen Grenzabbau die Kontrollen an der Außengrenze zu verstärken und gleichzeitig die Strukturen zur Bekämpfung der Kriminalität zu verbessern.

Die Bestimmungen über die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit sowie Europol an sich scheinen mir geeignete Instrumente zur Bekämpfung der gravierendsten Kriminalitätsformen zu sein – insbesondere des Terrorismus, des Menschen-, Drogen- und Waffenhandels sowie der Straftaten gegenüber Kindern.

Ich glaube auch, daß Europol dazu beitragen kann und wird, das Leben jedes einzelnen EU-Bürgers trotz des Wegfalls der Binnengrenzen sicher zu gestalten. Anzustreben als langfristiges Ziel


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ist sicherlich ein einheitlicher europäischer Rechtsraum. Gerade für ein Land mit einer enorm langen Außengrenze wie Österreich ist die Kooperation mit den anderen EU-Partnerländern im Bereich der Sicherheitspolitik sehr wichtig, ja essentiell.

Bei aller Notwendigkeit eines Europäischen Polizeiamtes zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität darf natürlich die Frage der Kontrolle dieser Polizeibehörden sowie deren Angemessenheit nicht vernachlässigt werden. Durch die Festlegung einer Reihe von Rechtsschutzansprüchen im Übereinkommen soll die Wahrung der Rechte der von der Europol-Tätigkeit Betroffenen gewährleistet werden.

Wenn auch durch die geplanten Änderungen in der Europol-Struktur für die Angemessenheit dieses Exekutivinstrumentes gesorgt wird, so sollte Österreich doch weiterhin für eine umfassende Kontrollbefugnis des Europäischen Gerichtshofes eintreten. Es wäre doch aus sicherheitspolitischer Sicht fahrlässig, nur wegen noch nicht gänzlich ausdiskutierter Kontrollrechte eine dringend notwendige internationale Struktur zur Bekämpfung der Kriminalität in Frage zu stellen.

Selbstverständlich wird man bei aller sicherheitspolitischen Notwendigkeit von Europol ganz genau auf den behutsamen Umgang mit personenbezogenen Daten achten müssen. Die jüngsten Beispiele aus Österreich zeigen, daß es leider auch in unserem Land eine Partei gibt, die sich nicht im geringsten um den Datenschutz oder um unser Rechtssystem schert. Wenn ein Beamter im Verdacht steht, unter gröbster Verletzung seiner Dienstpflichten geheime Daten in der Öffentlichkeit zu verteilen, ist dies ein Skandal. Wenn allerdings die Freiheitliche Partei dieses Tun dann auch noch glorifiziert und den Täter zum Opfer stilisieren will, dann ist das ein demokratiepolitischer Skandal ersten Ranges, der zeigt, wessen Geistes Kind diese Partei ist.

An die Adresse dieser Partei möchte ich deshalb eine Warnung senden: Schon einmal hat blinder Führerglauben zur Zerstörung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geführt! (Bundesrat Dr. Böhm: Also bitte! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja das Letzte!)

Ich finde es wirklich unverantwortlich, wenn jemand, der im Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben, auf die Bühne der politischen Agitation geholt wird. Ich finde es beängstigend und erschreckend, wenn Menschen aufgefordert, ja über Parteigelder nahezu angespornt, aufgerufen werden zu denunzieren, wenn ein Spitzelsystem und Schnüfflersystem aufgebaut wird, das der Securitate seinerzeit in Rumänien sehr ähnlich zu sein scheint. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Beherrschen Sie sich, Herr Kollege!)

Frau Parteivorsitzende! Ihre Nervosität aufgrund des Flops beim Euro-Volksbegehren ist mir schon verständlich, ich weiß, daß die Wahrheit weh tut und daß es ein bisserl ein Tohuwabohu bei Ihnen in der Partei gibt, aber das ist die Wahrheit, und mit der Wahrheit muß man nun einmal leben. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. )

Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls versuchen, unter Ausschöpfung aller gesetzlichen Normen die Kriminalität nach besten Möglichkeiten zu bekämpfen.

Nach diesem kurzen innenpolitischen Exkurs möchte ich abschließend nochmals meine Zustimmung zur Installierung von Europol als ein notwendiges Instrument zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität unterstreichen, denn der Schutz der Bürger vor allen Formen des Verbrechens muß ein zentrales Anliegen der Politik sein.

Die notwendige demokratische Kontrolle eines neu eingeführten Exekutivamtes wird, so meine ich, nach einer gewissen Erprobungsphase sicherlich noch zu diskutieren und eventuell neu zu bewerten sein. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Lukasser. )


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14.29

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile ihm das Wort.

14.29

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Fraktionsvorsitzende hat in ihrem Redebeitrag eigentlich schon sehr deutlich gemacht, wie wir Freiheitlichen zu dieser Vorlage stehen. Unsere Ablehnung zu diesem Punkt darf und soll aber wirklich nicht falsch verstanden, nicht falsch interpretiert werden.

Es ist ganz eindeutig so, daß wir Freiheitlichen immer für internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung eingetreten sind – mit dem Ziel Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus, mit dem Ziel der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels, mit dem Ziel der Bekämpfung anderer schwerwiegender Formen internationaler Kriminalität.

Daher, meine Damen und Herren, ist Europol als Zentrale für polizeilichen Informationsaustausch und für Verbrechensanalyse grundsätzlich auf jeden Fall zu bejahen. Schwerpunkte werden sicherlich beim Schlepperunwesen, bei Wirtschaftskriminalität und Geldwäscherei zu setzen sein, wo es immer noch vielfältige Möglichkeiten gibt, die in Österreich bestehenden Gesetze zu umgehen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß man da auch gesetzlich noch etwas tun könnte, um Verbesserungen zu erreichen, weil das letzten Endes auch damit zusammenhängt, daß wir international und auf dem europäischen Parkett ernstgenommen werden. Ich denke in diesem Zusammenhang nur an die bevorstehende Aufhebung der Anonymität aller Spareinlagen, die direkt damit zusammenhängt, daß wir bei der Bekämpfung der Geldwäscherei noch nicht das Optimum erreicht haben.

Wenn das Verbrechen international ist, muß selbstverständlich auch die Bekämpfung international sein. Die Ausführungen von Herrn Jaud und von Herrn Repar haben mir aber gezeigt, daß sie unsere Bedenken einfach nicht verstehen wollen. Daher darf ich noch einmal wiederholen, worin diese bestehen:

Es gibt für uns viel zu wenig demokratische Kontrolle, es gibt unkontrollierbare Kosten, die Immunität der Eurocops – das ist angesprochen worden – ist nicht geklärt, wird noch behandelt, und es gibt eine eklatante Verletzung des Datenschutzes.

Der demokratischen Kontrolle ist nicht viel hinzuzufügen. Es steht fest, wenn man in Europa beginnt, daß der Europäische Gerichtshof leider nicht zuständig ist, wie Kollegin Dr. Riess-Passer so zutreffend ausgeführt hat. Es wäre an sich nach Artikel K. 3 Abs. 2 lit. c ohne weiteres möglich gewesen, das einzubauen; man hat es aber nicht vorgesehen. Das Europäische Parlament ist leider ebenfalls so mangelhaft eingebunden, daß man eigentlich nur einmal jährlich einen Bericht erwarten kann. Es gibt nicht einmal ein Konsultationsrecht für das Europäische Parlament, und es gibt auch keine Kontrolle durch die nationalen Parlamente – das ist demokratiepolitisch einfach bedenklich. Gott sei Dank gibt es auch in den Regierungsparteien schon Damen und Herren, denen die Befugnisse der Eurocops offensichtlich zu weit gehen – ich habe das sehr vielen Gesprächen entnehmen können.

Herr Bundesminister! Es wird sicherlich noch über die Kosten zu reden sein – auch der Rechnungshof hat schon Bedenken dahin gehend geäußert.

Zum Datenschutz kommend muß ich wirklich festhalten: Es hätte mich sehr gewundert, wenn Kollege Repar die Gelegenheit nicht benützt hätte, mit unsinnigen und unglaublichen Vergleichen dieses Thema wieder anzusprechen, das ihm am Herzen liegt. – Ich habe eigentlich das Gefühl gehabt, daß du trotz deiner Jugend schon lange genug im Bundesrat bist, um endlich etwas gescheiter zu sein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Repar: Wie im Brief von Haider: Wenn du etwas vom Nachbarn weißt, dann sag es!)

Lieber Kärntner Kollege! Schön langsam fehlt mir die Geduld für deine Ausfälle hier im Bundesrat, die es jedesmal gibt! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Repar. ) Sie sind nicht bezogen auf das Thema, es sind persönliche Angriffe, durch nichts bewiesen, lauter Unwahrheiten – ich hoffe, daß es dir einmal gelingen wird, vernünftiger zu werden und hier vernünftiger zu argumentieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wir Freiheitlichen, Herr Kollege, haben immer darauf hingewiesen, daß die Grund- und Freiheitsrechte nicht verletzt werden dürfen – auch bei diesem Punkt nicht. Und nach Artikel 10 der Konvention ist es einfach so, daß nicht nur Daten von Personen erfaßt werden können, die selbst kriminelle Handlungen begangen haben, sondern auch Daten von Personen, die als Zeugen in Betracht kommen, die als Opfer in Betracht kommen. Jeder Österreicher, meine Damen und Herren, kann Opfer, kann Kontaktperson, kann Zeuge werden! Es wundert mich, daß niemanden von den Regierungsparteien diese Problematik stört und daß niemand von den Regierungsparteien diese Problematik hier anspricht.

Europol ist nämlich – das wird der Herr Bundesminister bestimmt bestätigen – nicht verpflichtet, Informationen an die betroffenen Bürger weiterzugeben, denn in Artikel 19 heißt es – ich zitiere –: Ist eine Mitteilung über die Daten im Recht des befaßten Mitgliedstaates vorgesehen, so wird diese verweigert, und zwar immer dann verweigert, soweit es für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben von Europol erforderlich ist. – Das heißt, es kann immer verweigert werden, und es kommt dann einfach nicht dazu, daß diese Informationen an die Bürger, deren Daten erfaßt sind, die aber nicht Täter sind, sondern Opfer und Zeugen und so weiter, weitergegeben werden, daß sie ein Informationsrecht haben. Ich meine, daß das bedenklich ist.

Etwas wurde leider im Nationalrat noch nicht behandelt – das kommt bestimmt noch –, und das ist die Frage der Immunität der Europol-Mitarbeiter. Ich verstehe nicht, daß es da nicht viel mehr massive Bedenken gibt. Es ist nämlich vorgesehen, daß die Mitarbeiter jeder Gerichtsbarkeit entzogen sind – oder sind wir da falsch informiert? – Das sind Statuten etwa wie für Diplomaten, nur können Diplomaten wahrscheinlich etwas weniger aufklären, aber auch weniger anrichten als diese internationale Polizeitruppe. Aufheben kann die Immunität nur der Direktor der Europol, und zwar dann, wenn es der Gerechtigkeit dient. Ob und wann und ob es überhaupt der Gerechtigkeit dient, entscheidet der Direktor der Europol selbst. Niemand wird unabhängig darüber urteilen, ob die Entscheidung richtig oder falsch gewesen ist.

Die Rechtsschutzeinrichtungen, die von Kollegen Repar angesprochen worden sind, sind unserer Meinung nach bei weitem nicht ausreichend. Die Vorlage ist und bleibt einfach demokratiepolitisch bedenklich, und wir können deshalb die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.36

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile ihm dieses.

14.36

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Das Problem, das Phänomen der organisierten Kriminalität in all ihren Facetten, in all ihren Formen begleitet uns heute schon seit dem Vormittag – auch der Tagesordnungspunkt 1, die Debatte über den Sicherheitsbericht, war weitgehend von der organisierten Kriminalität begleitet. Es ist in der Tat zu befürchten – ich glaube, der Herr Minister hat es auch angedeutet –, daß wir kurzfristig eher mit einer weiteren Zunahme zu rechnen haben werden.

Die Europäische Union signalisiert uns, daß leider Gottes europaweit mittlerweile auch einige neue Formen der OK festgestellt worden sind. Die Personen, die dahinter stehen, sind offenbar durch nichts aufzuhalten, neue Dinge zu erfinden und immer wieder auf neue kriminelle Tätigkeitsfelder auszuweichen.

Das gegenständliche Übereinkommen Europol bewegt die Europäische Union seit dem Jahre 1993, und es ist leider festzustellen, daß die Bedeutung Europols infolge der zunehmenden Kriminalität der OK immer größer wird. Wir müssen bedauerlicherweise feststellen, daß die OK mittlerweile sogar das politische, wirtschaftliche und soziale Leben unserer Bevölkerung derart beeinträchtigt und gefährdet, daß das Funktionieren diverser demokratischer Institutionen ernsthaft behindert ist.


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Wir haben schon festgestellt – auch die Vorredner haben es gesagt –, daß die OK nur durch eine länderübergreifende, globale polizeiliche, justitielle und Zollzusammenarbeit in den Griff zu bekommen ist, vor allem dann, wenn sich auch substantielle Erneuerungen ergeben.

Die Europäische Union hat durch den Rat im Anschluß an die Konferenz in Dublin eine Expertengruppe eingesetzt, die für den Rat einen Aktionsplan ausgearbeitet hat. Dieser sieht umfassende und aufeinander abgestimmte Gegenmaßnahmen präventiver und auch repräsentativer Zielsetzungsart vor. Es sollten aber dabei die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nicht verlassen werden – insbesondere der Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten, die grundsätzliche Wahrung der Rechte auf Verteidigung, Verfahrensgarantien, dann die immer wieder zu Recht geforderte parlamentarische gerichtliche Kontrolle und vor allem der rechtliche Schutz der Bürger allgemein.

Wenn wir heute das Europol-Übereinkommen diskutieren und debattieren, so muß man sagen, daß sich die Verhältnisse bei der Kriminalitätsbekämpfung seit 1993 wesentlich verschärft haben. In Entsprechung dieser Tatsachenfeststellung hat der Rat bei der Regierungskonferenz in Amsterdam auch gewisse Ergänzungen zum Europol-Übereinkommen beschlossen, bei denen es darum geht, die Europol-Dienststellen in Richtung einer operativen Mitarbeit einzubinden.

Diese Tatsache bewegt grundsätzlich auch die Kollegen von der Freiheitlichen Partei. Sie äußern Bedenken, es gäbe zu wenig demokratische, rechtliche und richterliche Kontrolle. Ich kann diese Bedenken nicht teilen, auch wenn ich den momentanen Wortlaut des Übereinkommens von Amsterdam und auch des Europol-Übereinkommens genau analysiere.

Es ist zwar richtig, daß das Europäische Parlament bis dato zu wenig vom Rat angehört worden ist. Herr Kollege Harring! Ich teile aber Ihre Ansicht, daß das europäische Parlament kein Konsultationsrecht hat, nicht. Es ist sehr wohl ein Anhörungsrecht gegeben. Ich gebe Ihnen nur insoferne recht – das haben wir erleben müssen, auch Frau Kollegin Riess hat das erlebt –, als das Europäische Parlament bisher zu wenig oder nicht in der gehörigen Form vom Rat eingeschaltet worden ist. Ich bin seit einem Jahr sozusagen weg von Brüssel, aber ich höre von meinen Kollegen, daß sich das nicht allzusehr gebessert hat.

Herr Minister! Wir appellieren an Sie, daß Sie bei Ihren Ministertagungen – vor allem ist auch die Ratspräsidentschaft Österreichs eine gewisse Chance – die Situation vielleicht verbessern, vor allem in der dritten Säule, aber im besonderen natürlich auch in dieser Materie Europol, damit die demokratische Kontrolle, nämlich die Einschaltung des Europäischen Parlaments durch entsprechende Konsultationen im Vorfeld, im Entstehen eines Übereinkommens, im Entstehen einer Entschließung, verstärkt wird. Natürlich ist auch das jeweilige nationale Parlament nicht zu vergessen.

Zum Datenschutz. Herr Kollege Harring! Es ist natürlich Ihr gutes Recht, einen anderen Standpunkt zu vertreten. Ich meine, auf nationaler Ebene wird die Datenschutzkommission zweifellos das Datenschutzinteresse wahren können. Ich teile Ihre Bedenken nicht. Bezüglich der Immunität möchte ich wiederholen, was heute schon erwähnt worden ist: daß ein Europol-Beamter, der im Einvernehmen mit der nationalen Behörde, im Einvernehmen mit der nationalen Exekutive, sozusagen unterstützend und helfend bei bestimmten Ermittlungen eingreift, zweifellos auch selbst ein persönliches Rechtsschutzinteresse hat. Ansonsten würde er in dieser sensiblen Materie, in diesem sensiblen Verfahren schwer ins Land zu bekommen beziehungsweise in seiner Arbeit behindert sein.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß dieses Übereinkommen, das wir heute hier debattieren, zweifellos zunächst nur der große Rahmen für das Funktionieren und das Inkraftsetzen von Europol ist. Es fehlen zweifellos noch einige Verfahrensgesetze. Vielleicht ist es möglich, Herr Minister, daß in diesen Verfahrensgesetzen gewisse Bedenken, die bezüglich der rechtlichen Kontrolle und jener Fakten, die wir aufgezeigt haben, bestehen, noch geregelt werden.

Ich bin davon überzeugt, daß wir Europol dringender denn je benötigen. Es ist zweifellos so, daß wir, wie Sie richtig ausgeführt haben, Herr Minister, im Verhältnis zu anderen Ländern noch in


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einem vergleichsweise sicheren Land leben. Wir wollen aber keineswegs diesen Zustand des sicheren Landes aufs Spiel setzen! Ich komme aus einer Grenzregion im Osten, der Grenzregion zu Slowenien beziehungsweise Ungarn. Die Bevölkerung hat zweifellos gelegentlich Ängste, die sich aus Fakten und durch Geschehnisse an der Grenze oder in der Nähe der Grenze ergeben beziehungsweise die durch diverse Horrormeldungen in den Zeitungen erzeugt werden.

Ich rechne damit, daß die Europol mit ihrer Aufgabe, die determiniert ist – eine Zusammenarbeit zur Bekämpfung der OK, ein Informationsaustausch mit Verbrechensanalysen, mit Dateiaustausch und letztlich in der Zukunft auch eine Unterstützung bei der Ermittlung der OK in den nationalen Verfahren –, daß diese Europol zweifellos zum Segen unserer Bevölkerung ihre Tätigkeit, so Gott will, ehestens aufnehmen wird können. Wie Kollege Jaud schon ausgeführt hat, wird meine Fraktion diesem Übereinkommen zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.47

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helga Markowitsch. – Bitte.

14.47

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Am 2. Oktober 1997 ist der Vertrag von Amsterdam von den EU-Außenministern unterzeichnet worden. Dieser EU-Vertrag war nach rund zweijährigen zähen Vorarbeiten im Juni von den Staats- und Regierungschefs der 15 europäischen Partner in der niederländischen Hauptstadt ausgehandelt worden.

Eine der wichtigsten Bestimmungen des neuen EU-Vertrages ist das Kapitel "Freiheit, Sicherheit und Recht". Darin geht es neben dem Schengener Abkommen auch darum, daß die Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und anderen Strafverfolgungsbehörden verstärkt wird. Die Europäische Polizeibehörde Europol, deren Kompetenz sich bisher auf das Sammeln von Daten beschränkt hat, soll innerhalb von fünf Jahren ausgebaut werden. Dieses Europol-Übereinkommen kann erst wirksam werden, wenn es in allen 15 EU-Staaten ratifiziert ist. Angestrebt wurde dabei ursprünglich das Jahresende 1997. Dänemark, Großbritannien, Spanien, Portugal und Deutschland haben dieses Übereinkommen bereits ratifiziert.

Worum geht es in diesem Übereinkommen? – Das vorliegende Übereinkommen wird die Zusammenarbeit und die Leistungsfähigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei der Bekämpfung und Verhütung schwerwiegender Formen von internationaler Kriminalität, wie zum Beispiel Terrorismus, internationaler Drogenhandel und organisierte Kriminalität, durch die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes verbessern.

Die Europol-Zentrale in Den Haag wird eine zentrale Informationsstelle. Dort werden Informationen gesammelt, ausgetauscht, analysiert und weitergegeben. Für die nationalen Sicherheitsbehörden hat sie Servicefunktion. Europol soll die Mitgliedsstaaten aber nicht nur bei der Durchführung des Informationsaustausches unterstützen, sondern auch selbständig zur Erfüllung der oben genannten Aufgaben Informationen und Erkenntnisse sammeln und analysieren. Diese Arbeitsergebnisse werden dann den Mitgliedsstaaten übermittelt. Dies ist beispielsweise wichtig, wenn Europol von neuen Trends in der international organisierten Kriminalität erfährt.

Österreich hat so wie alle anderen Mitgliedsstaaten eine nationale Stelle für die Durchführung des Informationsaustausches zu benennen und Verbindungsbeamte zu Europol zu entsenden.

Ich möchte auch betonen, daß die Beamten von Europol keine exekutiven Befugnisse haben, das heißt, sie dürfen selbst nicht ermittelnd tätig werden. Diese Beamten haben, wie ich vorher schon erwähnt habe, eine reine Servicefunktion.

Damit komme ich auf die immer wieder geäußerte Kritik zu sprechen, wonach man durch Europol den "gläsernen Menschen" schafft beziehungsweise daß durch diese Behörde Souveränitätsrechte und Grundrechte eingeschränkt werden.


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Ich bekenne mich dazu, daß solche Bedenken selbstverständlich ernstzunehmen sind, und wir haben sie auch diskutiert. Das Europäische Polizeiamt ist aber notwendig, weil ein Land allein nicht erfolgreich die internationale Kriminalität bekämpfen kann.

Die Qualität der international organisierten Kriminalität hat neue Dimensionen angenommen. Sie verfügt über und kauft sich die beste Technik und die besten Experten.

Es gibt die Festlegung einer Reihe von Rechtschutzansprüchen und ein Übereinkommen über die Wahrung der Rechte der von der Europoltätigkeit Betroffenen, wobei auch Europol selbst durch die Ausstattung mit Rechtspersönlichkeit als möglicher Anspruchsgegner konstituiert wird. Außerdem ist sichergestellt, daß die Daten nicht unkontrolliert ermittelt und nicht unkontrolliert miteinander verwoben werden.

Europol ist meiner Meinung nach ein wichtiges Instrument zur erfolgreichen Bekämpfung der internationalen Schwerkriminalität. Auch wir in Österreich können die Augen vor der Zunahme der organisierten, immer brutaler werdenden, internationalen Kriminalität nicht verschließen. Wir benötigen ein gemeinsames und verstärktes Vorgehen der Behörden in Europa auf Basis des Rechtsstaates, denn eines muß jedem von uns klar sein: Verbrechen kennt keine Grenzen mehr. Meine Fraktion gibt diesem Abkommen ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

14.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

14.52

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa kann nur dann in Freiheit, Frieden und Sicherheit weiterleben, wenn es auch die Kraft zur inneren Einigung findet. Die Identität unseres Vaterlandes Österreich bleibt in Europa erhalten. Europa war und bleibt nach den Katastrophen dieses Jahrhunderts eine grundlegende Voraussetzung für eine gesicherte Zukunft der europäischen Völker!

Deshalb besteht heute auch der Bedarf nach Europol. Nur ein bürgernahes, starkes und entscheidungsfähiges Europa bewahrt den Völkern unseres Kontinents ihre Unabhängigkeit und sichert ihre weltpolitische Handlungsfähigkeit. Dies gilt heute auch und gerade für die innere Sicherheit in Europa. Die großen Zukunftsaufgaben Europas lassen sich mit Mitteln des Nationalstaates allein nicht lösen. Europa muß gemeinsam Frieden, Freiheit und Sicherheit sichern. Es kann nur gemeinsam die Sicherung unserer Exportmärkte erhalten, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit vor allem gegenüber den technisch-industriellen Hochleistungsregionen in Nordamerika und im Fernen Osten stärken und so den Wohlstand sichern.

Die wirksame Bekämpfung des international organisierten Verbrechens, die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen angesichts grenzüberschreitender Belastungen sowie die Eindämmung der Zuwanderung und eine verbindliche, durchgreifende Regelung des Asylproblems können nur europäisch gelöst werden. Die Einheit ist die Schicksalsfrage Europas. Die Vereinigung Europas ist deshalb auch die Schicksalsfrage unserer Zukunft.

Die grenzüberschreitenden Herausforderungen erfordern eine internationale Lastenteilung und die Zusammenarbeit in einer starken Gemeinschaft. Österreich braucht seine Nachbarn und Partner. Diese wiederum brauchen Österreich, dem aufgrund seiner geographischen Lage, Größe, wirtschaftlichen Leistungskraft und Geschichte auch eine wichtige Ankerfunktion in Europa zukommt.

Die Schaffung der Europäischen Union bekräftigt in der Zeit neuer gesamteuropäischer Möglichkeiten die Westbindung Österreichs und Mitteleuropas. Sie gewährleistet mithin auch nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Kontinuität von Verläßlichkeit und Berechenbarkeit unserer Politik. Europas Vereinigung entspricht Österreichs Interesse, daher auch dem Interesse der Sicherheit.


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635. Sitzung / Seite 89

Unser innerer Friede ist das, was uns zusammenhält. Das Recht ist die Haus- und Friedensordnung jeder Gesellschaft. Wer den Nachbarn und Mitbürger respektiert, der wird auch Respekt vor dem Recht haben, denn Recht ist auch immer das Recht des anderen. Wir müssen Recht konsequent durchsetzen, deshalb müssen wir die innere Sicherheit mit allen verfügbaren Kräften gewährleisten. Nur in der Wahrung von Rechtstreue und innerer Sicherheit verwirklicht sich unser Verfassungsgrundsatz "gleiches Recht für alle".

Wir müssen Polizei und Justiz weiter stärken. Polizei und Justiz brauchen aber auch Gesetze, die dem Verbrechen keinen Vorsprung lassen! Weder der kleine Ganove noch die Wirtschaftskriminellen dürfen eine Chance haben. Deshalb dürfen wir unserer Polizei die Mittel der modernen Technik nicht aus dem Grund ideologischer Verblendung vorenthalten, denn wo innere Sicherheit schwindet, verliert der Bürger die soziale Dimension seiner Freiheit. Innere Sicherheit ist vor allem die Freiheit jedes Menschen, auch des kleinen Mannes. Deshalb müssen wir auf der Seite des Rechts stehen.

Wir müssen auch die Kultur der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft fördern. Wir müssen europaweit gegen den zunehmenden Vandalismus und gegen die zunehmende Verwahrlosung vor allem in Großstädten ankämpfen. Unsere Städte müssen als sichere Orte der Zivilisation und Kultur und der Gemeinschaft freier Bürger gestärkt werden. Unsere Bürger werden erkennen, daß sie mit Zivilcourage und Gemeinsinn dazu einen Beitrag leisten können – um ihres Schutzes und ihrer Freiheit willen.

Die wirksame Bekämpfung des international organisierten Verbrechens, des Terrorismus, des Drogenhandels, der Geldwäsche und des Menschenhandels kann nur in engster europäischer Zusammenarbeit gelingen. Gegen arbeitsteilig und länderübergreifend tätige Syndikate der Kriminalität reichen nationale Maßnahmen allein nicht aus. Für Verbrecher darf es nirgendwo in Europa Rückzugszonen geben! Deshalb muß die bereits vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit der Polizei rasch beginnen, damit unsere österreichischen Sicherheitskräfte die notwendige grenzüberschreitende Unterstützung erfahren. Das Europol-Übereinkommen ist äußerst positiv und längst nötig. Die Volkspartei wird dem Übereinkommen zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

14.58

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir, nur einige kurze erläuternde und erklärende Bemerkungen meinerseits hinzuzufügen. Jedem ist klar, daß die internationale Kriminalität grenzüberschreitend tätig ist, und, wie richtig gesagt worden ist, mit immensem Geldeinsatz, mit den besten Wissenschaftlern und Experten und vor allem auch mit sehr viel Know-how und Wissen. Das Geld, das in diesem Bereich verdient wird, die Umsätze in Milliardenhöhe, werden wieder in neue Verbrechen investiert, und daher ist es so notwendig und wichtig, der Internationalisierung der Kriminalität auch eine Internationalisierung der polizeilichen Zusammenarbeit entgegenzusetzen.

Ich bin daher sehr froh, daß im Juli des Jahres 1995 die Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschlossen haben, eine Art Europäisches Polizeiamt einzurichten. Das Ziel von Europol ist es, einerseits Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus zu erreichen und andererseits die Zusammenarbeit im Bereich des Drogenhandels, aber auch bei der wirkungsvollen Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu intensivieren.

Europol ist nach seiner Konzeption als Zentralstelle für den polizeilichen Informationsaustausch und für die Verbrechensanalyse gedacht. Durch die Einrichtung von Europol soll die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine neue Qualität erfahren und dadurch zu einer Effizienzsteigerung bei den Aktionen gegen das internationale Verbrechen führen.


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Einige von Ihnen, vor allem Frau Bundesrätin Markowitsch, haben erwähnt, daß es von verschiedenen Seiten sehr starke Kritik an Europol gibt. Unter anderem ist kritisiert worden, daß mit Europol der "gläserne Mensch" geschaffen wird und daß Daten von Europol in Zukunft nicht nur unkontrolliert ermittelt, sondern auch unkontrolliert verknüpft würden.

Gleichzeitig wurde auch Kritik dahin gehend geübt, daß den Beamten von Europol Privilegien zustünden, die nicht gerechtfertigt sind. Ich glaube, daß diese drei Kritikpunkte nicht gerechtfertigt sind, und versuche, das auch ganz kurz zu begründen.

Erstens sind sie deshalb nicht gerechtfertigt, weil Europol derzeit keine exekutiven Befugnisse hat, und es ist, um es mit aller Deutlichkeit auch zu sagen, auch in der nächsten Zukunft nicht daran gedacht, daß Europol exekutive Befugnisse bekommt. Europol hat auch keine Befugnis, Daten selbst im eigenen Wirkungsbereich zu ermitteln, und auch die nationalen Behörden haben keine Befugnis, für Europol zusätzliche Daten zu ermitteln. Die nationalen Sicherheitsbehörden übermitteln lediglich Daten, die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften erhoben werden dürfen. Und diese Daten dürfen ausschließlich zu Analysezwecken von Europol verwendet werden.

Die Bediensteten von Europol haben keinerlei polizeiliche Ermittlungsbefugnisse. Daß Europol ein europäisches FBI wird, ist vielleicht langfristig ein anstrebenswertes Ziel, wenn der Vereinigungsprozeß der 15 Staaten Europas weiter fortschreitet, mittelfristig ist es kein geplantes Ziel.

Europol nimmt lediglich eine Servicefunktion für die nationalen Sicherheitsbehörden ein, um effizient und rasch handeln zu können. Diese Servicefunktion soll vor allem bei Schlepperei, bei Drogenhandel, bei Menschenhandel, bei Kfz-Verschiebereien und bei der Bekämpfung von Geldwäsche genutzt werden.

Frau Bundesrätin Riess-Passer hat die Immunität von Europol kritisiert. Sie hat aber auch richtigerweise gesagt, daß diese Immunität sich nicht von den Immunitäten unterscheidet, die andere Beamtinnen und Beamte der Europäischen Union haben und die andere international tätige Organisationen ihren Beamten einräumen. Die Bestimmungen dieser Immunität sind im wesentlichen dieselben Bestimmungen, wie sie im Interpol-Amtssitzabkommen beinhaltet sind, und sind im wesentlichen dieselben Bestimmungen, wie sie für das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag und für die Kommission für die Begrenzung der chemischen Waffen in Den Haag gelten. Und ich sehe keinen Grund dafür, daß die Europol-Bediensteten nicht die gleiche Immunität genießen sollen, wie sie für diese Beamten gilt.

Wenn man Änderungen in dieser Rechtsstellung vornimmt, dann, bin ich der Meinung, sollte man sie konsequenterweise für alle Beamten machen, die im Bereich von europäischen Institutionen tätig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb glaube ich, daß Europol kein Staat im Staat ist, daß Europol nicht den "gläsernen Menschen" schafft, sondern ein wichtiges Instrument zur Vorbereitung und Koordinierung spezifischer Ermittlungen gegen organisierte Schwerkriminalität ist. Wir alle können gerade in Österreich die Augen vor der Zunahme der organisierten internationalen Kriminalität nicht verschließen. Wir können nur dann erfolgreich vorgehen, wenn wir national mit ganzer Kraft arbeiten, aber auch grenzüberschreitend auf Basis des Rechtsstaates und des nationalen Rechtes verstärkt zusammenarbeiten. Die vorliegende Vorlage ist meiner Meinung nach ein taugliches und brauchbares Mittel, um diese gemeinsame internationale Zusammenarbeit zu erreichen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 91

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (343 und 982/NR sowie 5615/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (557 und 983/NR sowie 5616/BR der Beilagen)


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 92

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen und

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Die Berichterstattung über die Punkte 3 und 4 hat Frau Bundesrätin Schicker übernommen. Ich bitte sie um die Berichte.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da Ihnen die Berichte in schriftlicher Form vorliegen, werde ich mich auf die Antragstellung beschränken, und da die Anträge für beide Tagesordnungspunkte wortidentisch sind, erlaube ich mir, Frau Präsidentin, diesen Antrag nur einmal vorzulesen.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlagen am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Antragstellung zu beiden Berichten.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Herr Bundesrat Polleruhs. – Bitte.

15.07

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man von Hilfe spricht, fällt mir spontan ein weitverbreitetes Sprichwort ein: "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!" Ich kann mir vorstellen, daß es ein ähnliches Sprichwort auch in Ungarn und Slowenien gibt. Verlangen Sie aber bitte nicht von mir, daß ich versuche, das zu übersetzen. Es wäre sinnlos. (Heiterkeit.)

Für Hilfeleistungen bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, meine Damen und Herren, ist aber ein Sprichwort alleine zuwenig, und so hat man sich gemeinsam Gedanken gemacht bezüglich einer gegenseitigen Unterstützung und Hilfe. Unter den westeuropäischen Staaten – wie Sie der Vorlage entnehmen können – gibt es ja schon lange Bemühungen, auf dem Gebiet der gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen völkerrechtliche Verpflichtungen vertraglich zu regeln. In diesem Sinne ist auch auf österreichischer Seite beabsichtigt, mit allen Nachbarstaaten derartige Abkommen abzuschließen. Mit der Bundesrepublik Deutschland, aber auch mit dem Fürstentum Liechtenstein sind bereits derartige Abkommen in Kraft getreten, und nun soll auch mit den Republiken Ungarn und Slowenien ein derartiges Abkommen unterzeichnet werden.

Das Abkommen soll die ständige und enge Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zur Vorbeugung möglicher und Bekämpfung eingetretener Katastrophen oder schwerer Unglücksfälle regeln. Ich darf mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die dazu beigetragen und sich im Sinne der Nachbarschaftshilfe ihre Gedanken gemacht haben, und darf die Regelungsschwerpunkte dieses Abkommens in Kurzform wiedergeben, da es ohnedies den Kollegen und Kolleginnen schriftlich vorliegt.

Einige Regelungsschwerpunkte dieses Abkommens sind also: die Festlegung der dafür zuständigen Behörden, eine einvernehmliche Festlegung von Art und Umfang der Hilfeleistung, eine demonstrative Aufzählung der Einsatzarten, die Befreiung vom Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Sichtvermerkes während des Einsatzes für die Helfer, die Erleichterung des Grenzübertritts für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter. Wir alle kennen das Sprichwort: "Nur wer schnell hilft, hilft wirksam." Es war sehr gut, daß man sich diesbezüglich Gedanken gemacht hat, daß die Grenze im Katastrophenfall nicht ein unüberwindbares Hindernis darstellen soll, denn Katastrophen kennen keine Grenzen. Weitere Regelungsschwerpunkte sind der Einsatz von Luftfahrzeugen und die Festlegung, wer für Koordination und Gesamtleitung zuständig ist, und vieles mehr.

Der Zweck dieses Abkommens, kurz gesagt, ist schlicht und einfach, rasch und unbürokratisch Hilfeleistungen zu ermöglichen. Ich bin sehr froh, daß diese Abkommen geschlossen werden konnten, und möchte Sie alle bitten, diesen die Zustimmung zu geben – seitens der ÖVP-Fraktion ist sie natürlich gegeben. Wir alle hoffen, so glaube ich, daß nie große Katastrophen eintreten werden, aber es ist auch wichtig zu wissen, daß wir uns gegenseitig als Nachbarn im Ernstfall auf Hilfe verlassen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

15.11

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über Abkommen mit der Republik Ungarn und der Republik Slowenien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen debattieren, dann fällt mir dazu – und da schließe ich mich dem Vorredner an –


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635. Sitzung / Seite 93

auch ein Sprichwort ein: "Wer rasch hilft, hilft doppelt!" Ich glaube, das ist genau in diesem Sinne, denn wenn man rasche Hilfe leistet, dann ist das die doppelte Hilfe.

Als Burgenländer und als Bürger einer Grenzregion weiß ich, solche Abkommen sind sehr wichtig und notwendig, das hat bereits die Vergangenheit bewiesen und gilt noch mehr für die Zukunft. Gerade die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dies sehr deutlich gezeigt, daß zur Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus immer wieder neue Schwerpunkte gesetzt werden müssen, so zum Beispiel im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, die grenzüberschreitend ist. Ich weiß, daß viele Gemeinden im Burgenland Partnergemeinden in unserem Nachbarstaat Ungarn haben. Auch dies trägt sicherlich wesentlich zur Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand im Katastrophenfall bei.

Wenn in diesen zu beschließenden Abkommen Regelungsschwerpunkte taxativ aufgezählt werden, wie sie mein Vorredner bereits teilweise angeführt hat, so gilt sicherlich der Grundsatz der Beidseitigkeit, denn eine gegenseitige Hilfestellung kann keine Einbahnstraße sein und wird sicher bei guten nachbarschaftlichen Beziehungen keine sein.

Meine Damen und Herren! Seit der Öffnung der Ostgrenze Ende der achtziger Jahre haben sich verstärkt auch kriminelle Organisationen die neuen Freiheiten zunutze gemacht. Es wurde heute in den vorhergehenden Tagesordnungspunkten sehr ausführlich darüber diskutiert. Wenn man wie ich aus einer Grenzregion, nämlich aus dem Burgenland, kommt – Kollege Linzer hat es schon angesprochen –, hat man sicherlich andere Prioritäten als einer, der weiter weg von der Grenze beheimatet ist. Im Burgenland kommt uns die verstärkte Kontrolle der Außengrenze durch den Grenzdienst zugute. Zollwache und Bundesheer, das auch zur Sicherung unserer Außengrenze eingesetzt wird, und eine verbesserte Zusammenarbeit über das Schengener Informationssystem sorgen dafür, daß die neuen Freiheiten nicht zum Freibrief für verbrecherische Organisationen werden.

In diesem Zusammenhang spreche ich auch das erweiterte Schubabkommen mit Ungarn an, das ein wesentlicher Schritt zu mehr Sicherheit in unserem Lande ist. Durch die bisherige Sonderregelung mit Ungarn betreffend Drittstaaten und Ausländer hat es in der Praxis in der Vergangenheit immer wieder Probleme bei der Rückstellung illegaler Grenzgänger gegeben, und diese sind ja sehr, sehr zahlreich, jeden Tag hören wir die neuesten Zahlen. Wir sind dem Bundesheer, das mit der Zoll- und Grenzgendarmerie eng zusammenarbeitet, sehr dankbar dafür, daß das klaglos funktioniert. Personen, die Ungarn illegal als Dritttransitland genutzt haben, waren davon nicht betroffen.

Der ungarische und unser Innenminister haben mit diesem Schubabkommen zur Bereinigung dieser Situation wesentlich beigetragen, und die Praxis zeigt, daß das jetzt klaglos funktioniert. Dadurch kann die Abschiebung illegal eingereister Personen rascher und effizienter gehandhabt werden.

Grenzüberschreitendes Sicherheitsdenken darf sich nicht allein auf Institutionen wie in Schengen beschränken. Darüber hinaus muß es ein Anliegen sein, insbesondere die Kooperation mit unseren Nachbarn zu verbessern. Dazu dienen, wie ich glaube, solche Abkommen zur gegenseitigen Hilfestellung im internationalen Staatenbund.

Meine Damen und Herren! Wir sollen unseren Bürgern ein Höchstmaß an Schutz bieten. Nur so können wir den Menschen in unserem Land das Gefühl der Sicherheit vermitteln. Mit diesen heute zu beschließenden Abkommen kann dies erreicht werden, denn diese sehen einen gegenseitigen Beistand im Katastrophenfall vor. Deshalb stimmen ich und meine Fraktion gerne diesen Abkommen zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

15.16

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Auch wir werden diesen grenzüberschreitenden Abkommen zur ge


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635. Sitzung / Seite 94

genseitigen Hilfeleistung im Falle von Elementarereignissen und zur Bekämpfung eingetretener Katastrophen und schwerer Unglücksfälle zustimmen. Ich glaube, viele Worte hier zu sprechen, ist gar nicht notwendig. Es sind unsere Nachbarn, es ist Nachbarschaftshilfe, so wie man sie im Inland auch machen sollte. Es ist eine Freude, wenn Österreicher den Menschen in Ödenburg helfen können, den Menschen in Laibach oder in Marburg helfen können. Es sind das Leute, die uns ebenfalls zur Seite stehen werden.

Trotzdem unterscheidet sich dieses Abkommen mit Ungarn von jenem mit Slowenien, Herr Bundesminister, und ich möchte fragen, warum das der Fall ist. In einem Fall wird ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien abgeschlossen, und im anderen Fall ist es ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien. Wenn es Ihnen möglich ist, mir den feinen Unterschied zu erläutern – das zeigt Ihnen, daß ich mir diese beiden Verträge sehr genau durchgelesen habe –, wäre ich Ihnen dankbar.

Unbeschadet dieser kleinen Differenz stimmen wir diesen beiden Verträgen von ganzem Herzen und mit großer Aufrichtigkeit zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

15.18

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! Die beiden Tagesordnungspunkte befassen sich mit den Verträgen über gegenseitige Hilfeleistungen, und ich freue mich wirklich, daß gerade mit zwei jungen Demokratien des ehemaligen Ostens in relativ kurzer Zeit Verträge zustande gekommen sind und auch beschlossen werden können.

Aufgefallen ist mir jedoch, daß im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Nationalrates über das Abkommen mit unserem südlicheren Nachbarn, mit Slowenien, die demonstrative, also beispielhafte, Aufzählung der Einsatzmöglichkeiten, wie sie im Bericht über das ungarische Abkommen vorgenommen wurde, fehlt. Also diese Frage, warum das so ist, hätte ich schon gerne beantwortet, Herr Minister, denn an und für sich sind die Verträge gleich, und daher ist es für mich schon von Interesse, wie es zu diesem Unterschied gekommen ist.

Gerade wir in Niederösterreich haben ja im letzten Jahr erleben müssen, wie schnell eine Katastrophe ausbrechen kann – ich meine das Hochwasser. Und dieses Hochwasser würde im Ernstfall auch nicht vor Staatsgrenzen haltmachen, und es leben herüben und drüben Menschen. Daher ist es besonders wichtig, daß Hürden, ansonsten notwendige Hürden, wie in den vorangegangenen Tagesordnungspunkten heute schon diskutiert, hin zu Nicht-EU-Ländern, in Katastrophenfällen rasch, unbürokratisch und problemlos passiert werden können, um Leben von Menschen, von Tieren zu retten und um Hab und Gut zu sichern.

Die österreichischen Hilfsorganisationen haben sich, auch international anerkannt, einen hohen Standard erarbeitet. Meistens sind dort viele freiwillige Helfer, die unbezahlte Übungsstunden absolvieren müssen, tätig.

Den Mitarbeitern der Freiwilligen Feuerwehren, des Roten Kreuzes und sonstiger Organisationen, aber auch dem Bundesheer und der Exekutive für ihr stetes unermüdliches Eintreten für die Sicherheit der Menschen in Notfällen ein herzliches Dankeschön von dieser Stelle aus!

Um den schon angesprochenen hohen österreichischen Level auch im Ernstfall mit den Organisationen aus unseren Nachbarländern halten zu können, wird es dringend notwendig sein, viele gemeinsame Übungen durchzuführen. Das soll ja nicht vorbereitet, sondern eben sozusagen auf Anpfiff durchgeführt werden können, und dazu müssen diese Hürden auch bei Übungen abgebaut sein. Mit Deutschland und Liechtenstein – das wurde schon vom Kollegen Polleruhs angesprochen – bestehen bereits Verträge, und das funktioniert ganz gut.


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635. Sitzung / Seite 95

Überrascht hat mich bei meinen Recherchen zu diesem Thema, daß wohl ein Vertrag mit Tschechien geschlossen wurde, dieser aber noch nicht paraphiert ist. Das ist aber nicht so schlimm, das wird in Kürze durchgeführt sein. Mit der Slowakei ist ein Vertrag vorbereitet, der demnächst im Nationalrat zur Diskussion stehen und in der Folge auch hier im Bundesrat beraten werden wird.

Mit der Schweiz ist ein Vertragswerk beinahe unterschriftsreif. Es sind jedoch meines Wissens noch ein paar Fragen des Strahlenschutzes aus der Sicht des Landes Vorarlberg zu lösen. Das überrascht mich schon ein bißchen, denn an und für sich hätte ich erwartet, daß wir mit unseren westlichen Nachbarn diese Verträge schon seit Jahrzehnten unter Dach und Fach haben würden.

Aber es ist nicht so, daß mit unseren Nachbarländern rundum alles in Ordnung wäre. Wer mir genau zugehört hat, der wird sich fragen: Wie ist das denn nun mit Italien, mit unserem südlichen Nachbarn, mit Südtirol, wo an der direkten Grenze eigentlich keine wie immer geartete sprachliche Hürde besteht? Ich habe in Erfahrung bringen können, daß es sehr wohl Gespräche gibt, diese aber nur sehr zögernd vorangehen und sich sehr langsam entwickeln. Ich meine, daß man alles daransetzen müßte, um in Rom zu intervenieren. Rom wäre meines Erachtens gut beraten, die Verhandlungskompetenzen an die Landesregierung in Bozen abzutreten, damit den Menschen beiderseits der Staatsgrenze im Notfall, im Ernstfall ebenso rasch Hilfe zuteil werden kann wie an anderen Orten an unserer Staatsgrenze.

Ich wiederhole nochmals: Ich freue mich wirklich, daß die heute zur Diskussion stehenden Verträge mit den jungen Demokratien rascher als sonstwo abgeschlossen werden konnten. Ich stimme ebenso wie alle meine anderen Fraktionskollegen diesen beiden Verträgen gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

15.23

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Was das Abkommen mit Slowenien betrifft, kann ich mitteilen, daß das Bundesland Kärnten bei den Verhandlungen als unmittelbarer Nachbar – wie übrigens auch das Bundesland Steiermark – beteiligt und mit den Ergebnissen einverstanden war, wenngleich – und das möchte ich auch dezidiert festhalten – die Problematik um das Atomkraftwerk Krško nicht außer acht gelassen werden kann und darf und gelöst werden muß. Große Ängste hat im speziellen die Bevölkerung der beiden Bundesländer. Gefahr besteht aber auch für weitere Teile unserer Republik, und das kann daher kein Problem der Bundesländer Steiermark und Kärnten alleine sein.

Wir haben schon des öfteren ein Frühwarnsystem für eventuelle Zwischenfälle gefordert. Ich schließe mich dem vollinhaltlich an, weil wir gerade auf solche Katastrophen nicht ausreichend vorbereitet sind, um Schäden abwenden zu können. Es gibt aber durchaus Bereiche, in denen wir bereits jetzt aus Kärntner Sicht – und die steirische Sicht dürfte nicht viel anders sein – positiv zusammenarbeiten und wo verschiedene Anschauungen keinen Platz haben, sondern gutnachbarschaftliche Beziehungen über Grenzen hinweg eine wesentliche oder die einzige Rolle spielen.

Es wurde viel für die Sicherheit getan. Probleme, wie sie an der ungarischen Grenze gegeben sind, haben wir derzeit in der Steiermark und vor allem in Kärnten nicht, sie könnten aber jederzeit wieder in Erscheinung treten. Ich erinnere an die Vorfälle im Zusammenhang mit der Auflösung des Großstaates Jugoslawien. Damals haben die Soldaten des österreichischen Bundesheeres rasch und vorbildlich gewirkt und damit auch zur Sicherung des neuen Staates Slowenien einen wesentlichen Beitrag geleistet. Schließlich ist auch die Erhaltung unseres Grenzgendarmeriepostens in Globasnitz und der großzügige Um- und Neubau des Zollamtes Bleiburg-Grablach – die Übergabe erfolgte im Spätherbst durch Innenminister Schlögl persönlich – zu erwähnen.


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635. Sitzung / Seite 96

Ich konnte mich als Kärntner Abgeordneter des Grenzbezirkes Völkermarkt, des südlichsten Bezirkes Österreichs, des öfteren persönlich davon überzeugen, daß die zwischenstaatlichen Beziehungen gerade auf diesem Gebiet außerordentlich gut sind. In grenznahen Zonen ist ein grenzübergreifender Kontakt etwas ganz Alltägliches. Gerade die Exekutivbeamten und auch die Bürgermeister diesseits und jenseits der unmittelbaren Grenzen pflegen eine sehr rege Zusammenarbeit.

Ich selbst habe in meiner Gemeinde ein Beispiel dafür erlebt. Eine Nachbargemeinde in Slowenien hat um ein altes, bei uns nicht mehr im Einsatz stehendes Feuerwehrauto gebeten. Wir haben selbstverständlich dieses Auto noch, soweit dies möglich war, hergerichtet und dann übergeben und auch die Menschen dort an dem Gerät ausgebildet. Ich glaube, das ist auch eine Vorbeugung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, wie es im Text dieses Tagesordnungspunktes formuliert ist.

Ich verweise auch darauf, daß wir bei der Drau, die uns verbindet, Kraftwerksgruppen haben und daß, wenn Katastrophen eintreten, wenn zum Beispiel ein Hochwasser kommt, der Rückstau bei den Kraftwerken dann automatisch erfolgt und dadurch erreicht wird, daß weder wir heroben noch die unten ein Hochwasser haben. Auch das ist ein Beispiel einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Ich brauche das Kraftwerk Koralm nicht zu erwähnen, das ja auch in beiderseitiger Zusammenarbeit errichtet worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs erwähnt, daß Bemühungen auf dem Gebiet der gegenseitigen Hilfeleistung und völkerrechtliche Verpflichtungen vertraglich zu regeln sind. Regeln werden aber im allgemeinen nur dann eingehalten, wenn auch gute Beziehungen zwischen den Vertragspartnern bestehen. Wenn es keine Verträge gibt, dann müssen die zwischenmenschlichen Beziehungen in Ordnung sein. Solche Beziehungen zwischen Slowenien und Kärnten gibt es ja auf etlichen Gebieten, die ich bereits geschildert habe. Dazu kommen noch jene im Bereich der Kultur, des Sports, der Jägerschaft und vieles andere mehr.

Meine Damen und Herren! Ich mache hier im Hohen Hause für die geplanten grenzüberschreitenden Olympischen Spiele im Jahre 2006 Werbung. Ich bitte Sie, uns zu unterstützen, wenn Sie die Möglichkeit haben. Ich sehe auch darin eine gegenseitige Hilfeleistung. Ein Nichtzustandekommen wäre zwar keine Katastrophe, aber ein schwerer Unglücksfall, der hoffentlich nicht eintreten wird.

Wir Sozialdemokraten werden den vorliegenden Staatsverträgen selbstverständlich die Zustimmung erteilen. Ich hoffe, daß recht bald auch mit allen anderen Nachbarstaaten derartige Abkommen geschlossen werden können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

15.31

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sie werden sich sicherlich nicht wundern, daß ich als Kärntner Abgeordneter nach meinem Freund Pfeifer das Wort ergreife und mich kurz mit dem Abkommen zwischen Slowenien und Österreich, das im Nationalrat einstimmig beschlossen worden ist, beschäftige.

Kärnten war, wie du gesagt hast, mit eingebunden, allerdings nur sehr am Rande, denn die Regierung in Laibach verhandelt mit der Landesregierung in Klagenfurt nur noch sehr, sehr ungern. Das hat sich verschoben. Man glaubt, daß man mit Wien bessere Ergebnisse erzielt, und so ist es offensichtlich auch.

Ich war eigentlich überrascht, daß alle Abgeordneten aus Kärnten, aus der Steiermark und aus dem südlichen Burgenland zugestimmt haben. Ich werde heute wahrscheinlich als einziger Bundesrat hier nicht zustimmen, während meine Fraktion auch mit zustimmt. Ich werde deshalb dagegen sein, weil im Abkommen zwar vieles geregelt, aber eben sehr vieles noch ungelöst ist.


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635. Sitzung / Seite 97

Das gilt insbesondere, wie Kollege Pfeifer ausgeführt hat, im Zusammenhang mit dem Atomkraftwerk in Krško. Es ist natürlich leichter zu regeln, daß es eine Befreiung vom Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Sichtvermerkes gibt, als das Problem eines Einsatzes nach einem nuklearen Unfall zu lösen, also daß der Grenzübertritt für die Hilfeleistung und das Beibringen von notwendigen Ausrüstungsgegenständen erleichtert wird, daß man die Einsatzkosten festlegt, daß man die erforderlichen Maßnahmen, die zu ergreifen sind, etwa betreffend den Fernmeldedienst, abstimmt.

Aber es steht für mich einfach fest – und das darf ich als Kärntner Abgeordneter hier sagen –, daß die Sorgen der grenznahen Bevölkerung nicht entsprechend berücksichtigt worden sind. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was hat das eigentlich für einen Sinn, wenn es allein im Bundesland Kärnten einen ganzen Katalog von Anträgen, Resolutionen, einstimmigen Beschlüssen im Landtag sowie in der Landesregierung gibt, daß derartige Abkommen nur abzuschließen sind, wenn in ihnen auch ein Szenario betreffend Krško für die Zukunft enthalten ist? Ich zeige Ihnen hier nur den Katalog an Beschlüssen, die es im Kärntner Landtag und in der Landesregierung gegeben hat. (Der Redner weist ein Konvolut an Papieren vor.) Das ist ein Werk von über 20 Seiten.

Ich stehe nicht an, hier auch die Sozialdemokratische Partei zu loben. Sie war die erste, die darauf aufmerksam gemacht hat. Der erste Dringlichkeitsantrag in dieser Sammlung stammt vom 1. Dezember 1994, in dem die SPÖ wegen der Meldungen, daß das Atomkraftwerk in Krško als eher instabil zu bezeichnen ist, verlangt hat, sofort eine Arbeitsgruppe einzusetzen, da es mit bloßen Absichtserklärungen nicht mehr getan ist. Man hat von seiten der SPÖ schon im Jahre 1994 konkrete Lösungsvorschläge hinsichtlich eines realistischen Ausstiegsszenarios verlangt. Und so geht das weiter.

Die Bundesregierung ist x-mal aufgefordert worden, sich mit der gleichen Vehemenz, wie sie beispielsweise gegen das Atomkraftwerk Mochovce auftritt, der Sorgen der Kärntner Bevölkerung und, wie du richtig gesagt hast, auch der übrigen österreichischen Bevölkerung anzunehmen. Es gibt entsprechende Anträge, es gibt einstimmige Beschlüsse, die weit zurückreichen. Es existiert auch ein Beschluß schon aus dem Jahr 1988, man möge in bilateralen Verhandlungen mit der damaligen Republik Jugoslawien eine Stillegung des störanfälligen Atomkraftwerkes erreichen. Und so geht das seitenlang weiter.

Eigentlich waren wir uns in Kärnten über alle Parteigrenzen hinweg – das sage ich mit viel Freude – immer einig. Wir haben keine Parteipolitik gemacht, und wir haben auch immer versucht, wie bereits Kollege Pfeifer richtig gesagt hat, die Beziehungsebene nicht zu zerstören. Denn wenn die Beziehungsebene nicht mehr in Ordnung ist, dann kann man auch auf sachlicher Ebene nicht mehr verhandeln. – So soll es auch in Zukunft bleiben.

Meine Damen und Herren! Es gibt sogar Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz. Ich habe diese Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz hier vorliegen. Es gibt auch eine Entschließung des Nationalrates – ich muß kurz weiterblättern –, und zwar vom 17. November 1995, betreffend die Unterstützung der Republik Slowenien bei der Schließung des Atomkraftwerkes Krško, in der man sich Gedanken darüber macht, was man tun könnte, um Slowenien diesbezüglich zu unterstützen. Man überlegte, wie es im Rahmen einer mittelfristigen Lösung weitergehen soll.

Der letzte Beschluß, den ich Ihnen noch zur Kenntnis bringen möchte, ist jener des Kärntner Landtages vom 20. März 1997, in dem sogar die Auffassung vertreten wird, daß ein EU-Beitritt Sloweniens von einer langfristigen – allerdings langfristigen! – Schließung des Atomkraftwerkes Krško abhängig zu machen sei.

Meine Damen und Herren! Ich bin einfach persönlich davon überzeugt, daß die Möglichkeit bestanden hätte, in direkten Verhandlungen im Interesse der Kärntner, aber selbstverständlich auch der steirischen Bevölkerung mehr zu erreichen, und daß man nicht mit der nötigen Nachhaltigkeit verhandelt hat. Man hätte auch, wie es der Nationalrat beschlossen hat, Hilfe bei der Vorbereitung eines Schließungsszenarios anbieten sollen. All das hat man nicht getan. Ich


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635. Sitzung / Seite 98

ersuche Sie daher um Verständnis dafür, daß ich vielleicht als einziger gegen diese Vorlage stimmen werde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.37

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu den Fragen des Bundesrates Gudenus und des Bundesrates Schaufler sagen, daß die Unterschiede zwischen den beiden Verträgen nichts bedeuten und keinen inhaltlichen Grund haben. Die Verträge sind nicht trilateral ausverhandelt worden, sondern auf Basis eines gemeinsamen Vertragsentwurfs von Österreich mit den einzelnen Ländern. Es sind die spezifischen Wünsche der Beamten beziehungsweise der Regierungen der einzelnen Länder mit eingeflossen.

Bezug nehmend auf die Frage des Bundesrates Schaufler: Es ist auch so, daß eine Reihe von Bestimmungen dann in anderen Artikeln enthalten ist. Zum Beispiel: Der Bereich des Artikels 2 in dem einen Abkommen ist beim anderen Abkommen in Artikel 5 beinhaltet. Das heißt, es sind eher formale, aber keine inhaltlichen Gründe.

15.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Erstens: Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Der gegenständliche Beschluß regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, weshalb dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Überdies enthält er in dessen Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 Verfassungsbestimmungen, welche die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung einschränken, weshalb diese genannten Bestimmungen der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den in Artikel 9 Absätze 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit ... (Rufe: Einstimmig!)  – Ich entschuldige mich: Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.


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635. Sitzung / Seite 99

Der Antrag, den zitierten Verfassungsbestimmungen die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Der gegenständliche Beschluß regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, weshalb dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Überdies enthält er in dessen Artikel 9 Absätze 1 und 2 sowie Artikel 3 Abs. 1 Verfassungsbestimmungen, welche die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung einschränken, weshalb diese genannten Bestimmungen der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und Artikel 3 Abs. 1 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, den zitierten Verfassungsbestimmungen die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

5. Punkt

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich (III-168/BR sowie 5617/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich.


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Ich stelle mir vor, daß wir den Bericht zum 5. Punkt der Tagesordnung noch hören und dann die Tagesordnung zur Abhaltung der Debatte über die dringliche Anfrage unterbrechen.

Die Berichterstattung zu Punkt 5 hat Herr Bundesrat Mag. Himmer übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Frau Präsidentin! Der gegenständliche 7. Bericht soll dem Anspruch nach breiterer Aussagekraft gerecht werden und wurde nach tourismuspolitischen Gesichtspunkten gestaltet. Es wurden erstmalig zusätzlich zur Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung noch andere Quellen für die Analyse und Beurteilung der aktuellen Situation, den Ausblick und die möglichen Maßnahmen im Bereich der Tourismus- und Freizeitwirtschaft herangezogen.

Er umfaßt folgende Abschnitte:

Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich

Entwicklung und Struktur der Tourismus- und Freizeitwirtschaft

Ausblick und Maßnahmenschwerpunkte

Anhang 1: Tourismusorganisation in Österreich

Anhang 2: wesentliche nachfragebezogene Tourismusstudien.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich bekomme gerade signalisiert, daß die erste zu Wort gemeldete Rednerin, unsere Kollegin Bundesrätin Ramsbacher, zirka 10 Minuten sprechen wird. Das geht sich bestens aus bis zur Unterbrechung der Sitzung für die dringliche Anfrage. Ich darf Sie daher bitten, das Wort zu nehmen.

15.47

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Tourismusbericht 1996, also die Wintersaison 1995/96. In der Wintersaison 1997/98 – der Bericht kommt ja wieder zwei Jahre zu spät – sind die Ansätze für Problemlösungen bereits wesentlich besser als beim vorangegangenen Tourismusbericht.

Auf die heutzutage immer rascher vor sich gehenden Änderungen müssen wir alle immer schneller reagieren. Auch der Tourismus ist derzeit nicht mehr plan- und berechenbar. Es ist alles globaler, fließender geworden, es gibt weltweit eine ständige Konkurrenz mit allen Volkswirtschaften. Es wird weltweit ein und dasselbe Produkt verkauft. Die Welt ist somit klein geworden, und rund um den Globus wird das Produkt Urlaub, weg vom Alltag, verkauft.

Wir reagieren alle ein bißchen zu langsam auf die veränderten Rahmenbedingungen, auf die weltweite Konkurrenz. Die Betriebe kämpfen heute hauptsächlich mit den finanziellen Problemen, die ihnen aus den Hochphasen der siebziger und achtziger Jahre erwachsen sind. Die Schuld beziehungsweise Ursache für die jetzige Krise liegt nämlich genau darin: Es wurde einfach zu kurzfristig gedacht und zu groß und zu viel investiert. Die Schuld liegt bei den Unternehmern selbst und natürlich auch bei den Banken, die in diesen Zeiten viel zu leicht die Geldquellen erschlossen haben.

Etwas möchte an diesem Bericht kritisieren: Es werden immer wieder statistische Zahlen herangezogen, die überhaupt keine Aussagekraft mehr haben. Es wird der Erfolg im Tourismus immer noch an Nächtigungszahlen gemessen. Ich habe das schon im vergangenen Jahr kritisiert, denn Nächtigungszahlen haben keine Aussagekraft mehr. Man müßte das vielmehr end


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lich in Geldwerten oder in Wertschöpfung pro Nächtigung messen. Entweder wird im Zusammenhang mit den Nächtigungszahlen gejubelt oder gejammert, je nach den Nächtigungszahlen eben. Man muß aber sicherlich auch erwähnen, daß Kinder bis zu 18 Jahren hierbei nicht berücksichtigt werden.

Das Tourismusproblem wäre für mich sehr leicht auf einen Nenner zu bringen: Das sind einmal die sinkenden Erträge durch den globalen Wettbewerb; durch Billigflüge sind teilweise Rückgänge bis auf die Hälfte der Erträge zu verzeichnen – und das natürlich bei steigenden Kosten. Strom und Wasser sind teurer geworden, die Kanalgebühren und so weiter wurden erhöht. Die Belastungen steigen, die Erträge sinken. Außerdem haben wir ungleiche Lohn- und Lohnnebenkosten, wenn wir das eben nicht nur EU-weit, sondern global sehen, und wir haben ja mit dem Produkt Urlaub leider global zu kämpfen.

Die Überschuldung der Betriebe ist das allergrößte Problem. In diesem Zusammenhang ein Lob für Herrn Minister Farnleitner, denn es heißt in der heutigen "Krone", Farnleitner will Hotels helfen, und zwar mit einer Umschuldung oder überhaupt mit einer Umgründung der österreichischen Hotel Treuhand. – Für viele Betriebe wird diese Hilfe selbstverständlich zu spät kommen, aber einigen wird es sicherlich etwas bringen.

Wir haben übrigens in den letzten Tagen sehr viel über den Tourismus lesen können, dieses Thema war in allen Medien, quer durch die Medienlandschaft. Das ist nur natürlich, da die österreichische Hoteliervereinigung zurzeit im Gasteinertal eine Tagung abhält. Vor ein paar Tagen konnte man in allen Medien lesen: Spürbare Erholung im Tourismus, Trendwende im Tourismus und dergleichen mehr. Ich selbst kann das nicht erkennen, außer in der Zeit vom 26.12. bis zum 6.1. In dieser Zeit waren heuer die Betriebe so voll wie noch nie, aber wenn Sie jetzt durch die Tourismus- und Wintersportregionen gehen, werden Sie sehen, daß es wesentlich schlechter ist als im vergangenen Jahr, noch dazu in Regionen, wo die Schneelage ganz gut ist. Ich bin heute morgen über den Semmering gefahren, und ich kann mir nicht vorstellen, daß es dort großen Jubel gibt.

Ich möchte kurz Helmut Peter zitieren, der sagte, mit Schengen und dem Euro wird der Gast bald nicht mehr wissen, ob er in Bayern oder in Österreich ist, dann zählt nur noch die Region. Schlechte Zeiten für die Nationalisten. – Ich glaube, Herr Minister Farnleitner, Sie werden mir zustimmen: Spätestens dann, wenn der Gast an der bayerischen Grenze ist, merkt er sehr wohl, daß er in Österreich ist, weil ab da ist Vignettenpflicht. Sie haben leider ihre Wünsche – wenigstens bis zur ersten Abfahrt – nicht durchbringen können. Aber ich glaube, das hat mit Nationalismus überhaupt nichts zu tun, sondern das ist etwas, was unsere deutschen Gäste uns wirklich mehr als nur vorwerfen.

Ein weiteres Problem aus meiner Sicht ist es, daß vor 15 Jahren Kärnten und der Wörthersee noch im Mai, September und Oktober noch relativ attraktiv gewesen sind. Jetzt dauert die Saison im Sommer zwei Monate, und das ist nicht nur am Wörthersee, sondern in ganz Österreich so. Gleiches gilt für den Winter. Die Wintersaison beginnt am 26.12. und endet fast überall Mitte März. Das heißt, wir haben verkürzte Zeiten und sollen in diesen verkürzten Zeiten mit sinkenden Erträgen ein ganzes Jahr die Rückzahlungen leisten für Schulden, die manche Betriebe in Jahren, wo es besser gegangen ist, aufgenommen haben. Das ist so gut wie unmöglich.

Weiters sind die Rahmenbedingungen wirklich völlig unterschiedlich. Nicht nur in der EU haben wir die verschiedensten Steuersätze und die verschiedensten Lohnnebenkosten. Das zieht sich über den ganzen Globus.

Zum Thema Österreichwerbung. – Es ist erfreulich, was diesbezüglich gemacht wird, aber was in den vergangen fünf Jahren der Österreich Werbung nicht gelungen ist, ist in kürzester Zeit einem Schifahrer gelungen. Der Hermann Maier ist sicherlich die beste Österreichwerbung (Bundesrat Meier: Salzburg!)  – ja, für die Salzburger! –, die es momentan gibt, und das wird sicher einen gewaltigen "Mitriß" für den gesamten Wintertourismus bringen.


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Die Lösung für die Krise wäre ganz einfach. Leider ist das Christkind aber schon da gewesen, sodaß Wünsche jetzt nichts mehr nützen. Es würde aber funktionieren, wenn wir Ganzjahresbetriebe hätten, deren Erträge und Kosten im Einklang stehen, wenn es Sanierungszinssätze für alle Tourismusbetriebe von seiten der Banken gäbe, zumindest für jene, die es notwendig haben, sowie gleiche Steuersätze, gleiche Lohn- und Sozialkosten wie unsere Mitbewerber, wenn es eine Kerosinsteuer international geben würde und wenn sich die Unternehmer wieder auf Gastlichkeit und Herzlichkeit rückbesinnen würden.

Allerdings können wir eines niemals erreichen: die Wetterstabilität mit Sonne und Schnee. Wir sind in diesen Bereichen leider nicht konkurrenzfähig.

Wir haben weiterhin eine überdurchschnittlich hohe Wertschöpfung aus dem Tourismus im europäischen Vergleich, jedoch wird ehrlicherweise in diesem Bericht erwähnt, und zwar so ehrlich wie noch nie, um diese eben weiterhin zu erhalten oder zu verbessern, sind wir alle gefordert. Sehr verehrter Herr Minister! Wir würden uns freuen, wenn Sie da auch noch Ihren Beitrag leisten würden und vielleicht doch die eine oder andere Steuersenkung vornehmen könnten, wenn es nicht, wie angekündigt, auch noch eine Erhöhung von 10 auf 20 Prozent im Tourismus geben würde.

Die Ansätze für Lösungen sind in diesem Bericht vorhanden, aber meine Fraktion wird diesem Tourismusbericht nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: In zwei Minuten ist die dringliche Anfrage aufzurufen. Bis dahin unterbreche ich die Verhandlungen zur Tagesordnung. Wir setzen nach Erledigung der dringlichen Anfrage mit der Beratung dieses Tagesordnungspunktes fort.

(Die Sitzung wird um 15.56 Uhr unterbrochen und um 15.59 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Peter Harring, Monika Mühlwerth und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung (1355/J-BR/98)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da diese dringliche Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

16.00

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren mußte der Verfassungsgerichtshof jene Teile des Einkommensteuergesetzes wegen Verfassungswidrigkeit aufheben, die trotz der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen die Unterhaltsleistung steuerlich nicht in einer der geminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Weise berücksichtigen.


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Der Verfassungsgerichtshof führte dazu weiters aus, das Außerachtlassen der Unterhaltslast bewirke eine vergleichsweise höhere Belastung unterhaltspflichtiger Eltern, diese sei sachlich nicht zu rechtfertigen, auch nicht damit, daß die Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter werde. Der ausschlaggebende Vergleich dürfe nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Einkommen, sondern müsse zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher Einkommensstufe gezogen werden.

Mehrmals, Herr Minister, verweist der Verfassungsgerichtshof auch darauf, daß die Unterhaltsleistung an Kinder nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung ist. Der Verfassungsgerichtshof verlangt daher, daß zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei bleiben müssen.

Bei seinen ersten Vorschlägen zu diesem Erkenntnis berücksichtigte der Finanzminister noch, daß die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Gleichheitswidrigkeit darin besteht, daß es bei einem horizontalen Vergleich von Personen gleicher Einkommenshöhe nicht angehe, daß ein Steuersubjekt, welches mit Unterhaltspflichten belastet ist, genausoviel Einkommensteuer zu entrichten hat wie jene, deren Leistungsfähigkeit nicht durch Unterhaltsleistungen beeinträchtigt ist, und daß es nicht um eine Umverteilung zwischen arm und reich geht, sondern um ein Hintanhalten einer überproportionalen Besteuerung von Einkommensteilen des Steuerpflichtigen, welche dem Unterhalt seiner Kinder dient.

Die in der Folge getätigten Äußerungen von seiten der einen Regierungspartei, der SPÖ, ließen dann erkennen, daß zwar an eine gewisse Entlastung der Familien durch höhere Transferzahlungen, aber an keine entsprechende Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit durch Unterhaltszahlungen für alle Familien gedacht ist. Laut einem in der Presse vorgestellten Modell Ihrer Partei, Herr Minister, soll zwar die Familienbeihilfe um 500 S für jedes Kind angehoben, die Mehrkinderstaffel bei den Kinderabsetzbeträgen jedoch beseitigt werden. Dies bedeutet für viele betroffene Familien einen um zirka 700 S niedrigeren Betrag gegenüber den ersten Aussagen, die Ihr Ministerium zu diesem Thema gemacht hat. Dabei haben Sie noch von 1 200 S gesprochen.

Im Unterschied zu Ihrer Partei bevorzugte das ebenfalls in der Presse vorgestellte ÖVP-Modell nur eine Erhöhung der Absetzbeträge um rund 400 S; das soll durch einen Vorgriff auf die Steuerreform des Jahres 2000 finanziert werden. Ein Angreifen des Familienlastenausgleichsfonds laut SPÖ-Plan lehnt die ÖVP in diesem Modell vehement ab.

Interessant ist, daß trotz der Aussage von Vizekanzler Schüssel vom 13. 1., wonach jedes Kind gleich viel wert sei, aber die Kosten für jeden Menschen in einem bestimmten Alter und in einer bestimmten Situation unterschiedlich seien, weil eine größere Familie mehr Kosten dadurch habe, da sie eine größere Wohnung, ein größeres Auto oder ähnliches brauche, die Modelle der SPÖ und ÖVP betragsmäßig sehr knapp beieinander liegen und daß nunmehr zu Recht angenommen werden muß, daß die derzeit geführte Diskussion zwischen den Regierungsparteien ein reines Scheingefecht im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen des laufenden Jahres ist.

Meine Damen und Herren! Eigenartig mutet dabei auch an, wenn Vertreter der ÖVP vergessen, daß sie seit mehr als zehn Jahren ebenfalls für die verfehlte Familienpolitik mitverantwortlich sind. Wer sonst hat neben der SPÖ dafür gesorgt, daß jede zweite Familie mit zwei Kindern an der statistischen Armutsgrenze und damit am Rande unserer Wohlstandsgesellschaft leben muß und daß bei Familien mit drei und mehr Kindern die Situation noch schwieriger wird, daß Familienleistungen in der Vergangenheit nicht valorisiert – wie dies von den Freiheitlichen regelmäßig gefordert wurde –, daß verfassungswidrige Familiengesetze beschlossen, daß überaus familienfeindliche Belastungen im Zuge des Belastungspaketes 1996 mitgetragen, und daß Familien zu Bittstellern degradiert wurden?

Meine Damen und Herren! Zu befürchten ist, daß das Ergebnis der geführten Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien ein fauler politischer Kompromiß wird, der an der vorgeschlagenen Betragshöhe der zusätzlichen Leistungen im wesentlichen nicht sehr viel ändern wird. Durch eine Erhöhung entweder der Absetzbeträge oder der Familienbeihilfe wird die Koalition


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allerdings den Familien nur Teile jener 100 Milliarden Schilling zurückgeben, welchen sie diesen in den letzten Jahren durch ihre verfehlte Politik vorenthalten hat.

Trotz der derzeit noch bestehenden Auffassungsunterschiede über das Wie haben eigentlich beide Modelle neben der Betragshöhe noch eine weitere Gemeinsamkeit: Beide Varianten, die Varianten der beiden Regierungsparteien, werden in wesentlichen Teilen wiederum verfassungswidrig sein, weswegen bereits über eine Regelung im Rang einer Verfassungsbestim-mung nachgedacht wird.

Meine Damen und Herren! Einer Regierung, die die Verfassung hartnäckig mißachtet, die nicht in der Lage ist, die wichtigste Grundlage unserer zukünftigen Existenz, die Familie, ihrem Wert entsprechend zu erhalten und zu fördern, muß eine kritische Opposition entgegentreten. Deshalb, Herr Minister, stellen wir Freiheitlichen heute an Sie die dringliche Anfrage betreffend eine verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.07

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte zunächst einleitend feststellen, daß ich in aller gebührenden Eindringlichkeit auch darauf hinweisen möchte, daß die Familienförderung in Österreich im internationalen Vergleich vorbildlich ist. Jährlich werden in unserem Lande von Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mehr als 200 Milliarden Schilling für Belange der Familienpolitik und der Familienförderung ausgegeben. Dieses System der Familienförderung umfaßt als wesentliche Instrumente die im Familienlastenausgleich geregelte Familienbeihilfe, die steuerlichen Kinder- und Unterhaltsabsetzbeträge sowie wesentliche Sachleistungen wie etwa die Kinderbetreuungseinrichtungen.

Der Verfassungsgerichtshof stellt die grundsätzliche Ausrichtung der Familienförderung durch Familienbeihilfe einerseits und Absetzbeträge auf der anderen Seite in seinem jüngsten Erkenntnis nicht in Frage, wiewohl er Familienförderung bei hohem Einkommen als nicht ausreichend ansieht. Diesem Erkenntnis – darüber besteht kein Zweifel – ist Rechnung zu tragen. Ganz abgesehen davon, daß es allerdings – wie es einer Demokratie geziemt – durchaus auch möglich ist, Erkenntnisse eines Höchstgerichtes politisch in Frage zu stellen. Das ändert aber nichts daran, daß selbstverständlich die Bundesregierung aufgefordert ist, diesem Erkenntnis nachzukommen.

Ich glaube daher, daß an den grundsätzlichen familienpolitischen Zielen der Familienförderung festgehalten werden muß. Das heißt, daß wir eine sozial- und verteilungspolitisch gerechte Familienförderung anstreben, durch die die Einkommensschwächeren verhältnismäßig stärker gefördert werden als Einkommensstarke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verhandlungen zwischen den beiden Regierungsparteien haben gestern begonnen. Ziel ist es – ich weise nochmals darauf hin –, eine verfassungskonforme, eine sozial ausgewogene, eine die Familien unterstützende, aber auch eine budgetär verträgliche Lösung zu finden.

Die Auffassungsunterschiede, die Sie in den in der Öffentlichkeit dargelegten Überlegungen der beiden Koalitionsparteien erkennen, müssen in den nächsten Wochen bewältigt werden, und ich bin auch dessen sicher, daß dies gelingt. Ich betone daher – da Sie die Frage an mich persönlich richten –, daß ich zu einer offensiven Familienpolitik stehe. Ich stehe zu dem Grundsatz, daß dem Staat jedes Kind gleich viel wert sein soll. Ich stehe aber auch zu einer sozial gerechten Familienförderung, die Schwächeren im besonderen Maße hilft. Ich stehe auch zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die es Frauen vermehrt ermöglicht, Beruf und Familie in Einklang zu bringen.


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Nun zu den einzelnen Fragen:

Zur Frage 1: Ich nehme an, Sie fragen mich persönlich, obwohl Sie das Wort "sie" in Ihrer Anfrage klein schreiben. Ich fühle mich persönlich angesprochen. Ich schlage ein Modell vor, das folgenden Grundsätzen entspricht:

Erstens: Alle Familien mit Kindern sollen durch die Reform entlastet und begünstigt werden.

Zweitens: Die höheren Aufwendungen für das erste Kind sollen stärker als bisher berücksichtigt werden.

Drittens: Einkommensschwächere Familien sollen verhältnismäßig stärker gefördert werden als einkommensstarke. Durch eine neue Förderung für einkommensschwache Mehrkinderfamilien kann diesem Ziel entsprochen werden.

Viertens: Die bessere Familienförderung soll ohne Steuererhöhungen finanziert werden, damit der finanzielle Spielraum für eine Steuerreform 2000 erhalten bleibt.

Fünftens: Für die Errichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen soll der Bund im Jahr 1999 zunächst 600 Millionen Schilling zur Verfügung stellen, wobei nach dem bewährten Modell der Länder-Kofinanzierung ein Investitionsvolumen von 1,2 Milliarden Schilling für zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung steht. Nach meinem Modell, nach jenem Modell, das auch jene politische Partei, der ich angehöre, vorgestellt hat, soll die Familienförderung für alle Familien mit Kindern um mindestens 500 S angehoben werden. Auch auf das einzelne Kind bezogen soll für jedes Kind mehr an Familienförderung ausbezahlt werden.

Zur Frage 2: Das SPÖ-Modell entspricht nach meinen Vorstellungen dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Es sind dazu gründliche Analysen ausgearbeitet worden. Ich habe allerdings darüber hinaus vor, nach Vorliegen eines Verhandlungsergebnisses mit den Koalitionsparteien eine Prüfung durch den Verfassungsdienst vornehmen zu lassen. Eine Prüfung allfälliger Zwischenstände von Verhandlungen durch externe Verfassungsexperten halte ich nicht für notwendig.

Zur Frage 3: Ich sage klar und eindeutig, daß ich eine verfassungskonforme Lösung anstrebe. Ich maße mir allerdings keinesfalls an, das Hohe Haus in irgendeiner Weise zu bevormunden.

Zu den Fragen 4 und 5: Wie ich in meiner Einleitung erwähnt habe, haben die Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien gestern begonnen. Ich habe nicht die Absicht, während der Verhandlungen in der Öffentlichkeit und daher auch nicht hier im Bundesrat eine Qualifizierung des von der ÖVP vorgestellten Modells vorzunehmen.

Zur Frage 6: Ich kann mir eine Finanzierung ohne Heranziehung der Mittel des Familienlastenausgleichsfonds nur schwer vorstellen. Sollte es allerdings auf Regierungsebene zu entsprechenden Alternativvorschlägen kommen, die den grundsätzlichen Festlegungen und Eckdaten des bereits von der Bundesregierung im Juli beschlossenen Budgetvoranschlags für 1999 entsprechen, für die ich auch als für das Budget Verantwortlicher eintreten kann, dann bin ich dafür offen.

Zur Frage 7: Meines Erachtens sind die Ausgaben für das erste Kind am erheblichsten, obwohl Familien mit niedrigem Einkommen und mehreren Kindern die größten Probleme haben. Das ist unbestritten. Daher geht auch das Modell der Sozialdemokratischen Partei von einer verstärkten Förderung dieser einkommensschwachen Familien aus. Eine Konsumerhebung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes mit Stand Juli 1997 hat ergeben, daß die Ausgaben pro Kind mit steigender Kinderanzahl – unabhängig vom Familienabkommen – tendenziell sinken.

Zur Frage 8: Ich möchte dieses Mißverständnis nochmals aufklären: Ich bin keineswegs gegen eine Mehrkinderstaffelung. Ich möchte sie aber in Richtung einer sozialen Treffsicherheit umgestalten. Wie ich bereits dargelegt habe, soll sie sozial schwächeren Familien zugute kommen. Mein Ansatz ist nämlich jener, begrenzt verfügbare Mittel nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern sie dorthin zu lenken, wo sie wirklich benötigt werden. Die Mehrkinderstaffelung ist nicht Selbstzweck, sondern sie ist Ausdruck einer familienpolitischen Zielrichtung. Es ist doch keines


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wegs so, daß alle Familien mit drei oder mehr Kindern automatisch armutgefährdet sind. Ich könnte eine Reihe von Beispielen nennen.

Zur Frage 9: Der Verfassungsgerichtshof weist zu Recht auf die Bedeutung der nachfolgenden Generation für Volkswirtschaft und Altersversorgung hin. Das österreichische Pensionssystem wird durch Beiträge der Erwerbsbevölkerung finanziert. Die für die Pensionsversicherung wesentlichen Rahmenbedingungen sind daher die Demographie, insbesondere natürlich die Zahl der Geburten, die Beschäftigungssituation, aber auch die Wanderungsbewegungen. Dies zeigt, daß die Kinderanzahl einer von mehreren Einflußfaktoren ist.

Eine wesentlich größere Bedeutung bei der Finanzierung des Pensionssystems kommt meiner Meinung nach daher der Beschäftigungssituation zu. Ein Problem stellt im wesentlichen die gleichbleibende Zahl der Beschäftigung und neue Formen der Arbeit, wie etwa Telearbeit oder neue selbständige und geringfügig Beschäftigte, dar. Diese waren bis vor kurzem nicht sozialversichert. Dadurch entgehen dem Pensionssystem erhebliche Beträge. Ich bin daher davon überzeugt, daß nicht nur die Familien, sondern vor allem eine beschäftigungsintensive Wachstumspolitik eine entscheidende flankierende Maßnahme zur Sicherung des hervorragenden umlagefinanzierten Pensionssystems beitragen.

Zur Frage 10: Das Versprechen einer laufenden automatischen Erhöhung der Familienbeihilfe kann, wenn man auf der seriösen Seite bleiben will, nicht abgegeben werden. Die Finanzierung der Familienbeihilfe sowie der anderen Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds erfolgt im Rahmen einer zweckgebundenen Gebarung. Das heißt im Prinzip, daß Ausgaben im Umfang entsprechender zweckgebundener Einnahmen getätigt werden. Da das Aufkommen an Dienstgeberbeiträgen die Haupteinnahmequelle des Familienlastenausgleichsfonds bilden und daher maßgeblich von der Konjunktur abhängen, könnte eine ausgabenseitige, daher auch systemwidrige Automatik der Familienbeihilfenerhöhung zu nicht finanzierbaren Engpässen führen.

Zur Frage 11: Eine Nichteinigung würde erhebliche Nachteile für Einkommensschwächere bedeuten und Bezieher von höheren Einkommen stark begünstigen. Ich gehe daher davon aus, daß sich die Koalitionsparteien in absehbarer Zeit einigen werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

16.19

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Da ich mich nicht primär als Experte für Steuerrecht im allgemeinen und für Fragen der Familienbesteuerung im besonderen betrachte, geht es mir in meinem Redebeitrag allein um die Darstellung der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Lichte des dafür maßgeblichen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 17. Oktober 1997.

Mit anderen Worten gilt es, bei der gesetzlichen Neugestaltung dem Gleichheitssatz und damit einem so zentralen wie grundlegenden rechtsstaatlichen Gerechtigkeitsgebot zu entsprechen. Das muß uns allen Richtschnur sein, auch denjenigen unter uns, die aufgrund ihrer abweichenden sozialpolitischen Anschauungen das Erkenntnis im Ergebnis und in seinen Auswirkungen ablehnen. So sehr ich auch bereit bin, diese andere politische Sichtweise, insbesondere in den Reihen der Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, voll zu respektieren – ohne sie zu teilen –, sosehr fehlt mir jedes Verständnis dafür, dem Verfassungsgerichtshof vorzuwerfen, daß er sich bei seiner Interpretation der Bundesverfassung – hier: des Gleichheitssatzes – nicht von diesem politischen Verständnis leiten hat lassen.


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Da wurden im ersten Unmut Eigeninteressen der Verfassungsrichter als Spitzenverdiener unterstellt. Da wurde eine angeblich knappe Abstimmungsmehrheit zur Relativierung und Abwertung des Erkenntnisses bemüht. Und es wurde in alter, aber schlechter Tradition die Forderung laut, das Erkenntnis durch Erhebung der für verfassungswidrig erklärten einfachgesetzlichen Regeln in den Rang formeller Verfassungsbestimmungen zu überwinden und auszuschalten und diese dadurch neuerlicher Normenkontrolle zu entziehen.

Ich erinnere daran nicht deshalb, um Salz in Wunden zu streuen oder einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben; sollte doch ein verfassungsgerichtliches Erkenntnis niemand als politischen Sieg oder politische Niederlage verstehen oder als solches politisch verkaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielmehr anerkenne ich gerne, daß diese unsachlichen Reaktionen inzwischen längst nicht mehr aktuell sind. Dennoch ist aus meiner Sicht kritische Aufmerksamkeit geboten, ob die Reform der Familienbesteuerung den vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Die bislang an die Öffentlichkeit gedrungenen Vorschläge der beiden Regierungsparteien, wiewohl inhaltlich ziemlich weit voneinander entfernt – wenn auch nicht betraglich, wie schon gesagt –, lassen echte Zweifel daran offen; das Modell der SPÖ eher größere, das der ÖVP eher geringere.

Die ehrliche Bereitschaft aber, dem Gleichheitssatz in diesem sensiblen gesellschaftspolitischen Bereich vorbehaltlos Rechnung zu tragen, ist für mich indes in keinem bisher erstellten Reformvorschlag ausreichend erkennbar. Das gilt insbesondere für jenen einer alleinigen Anhebung der Familienbeihilfe, die schon im Scheidungsfall einem unterhaltspflichtigen Vater in aller Regel nicht zugute käme.

Daher ist nochmals zu verdeutlichen, welche Überlegungen den Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung der angefochtenen steuerrechtlichen Vorschriften als verfassungswidrig veranlaßten; inwiefern er eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Steuerpflichtigen, die ihre gesetzlich geschuldeten Unterhaltsleistungen nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen konnten, gegenüber Steuerpflichtigen ohne eine entsprechende Belastung konstatiert hat.

Als Fachvertreter des zivilgerichtlichen Verfahrens hat mich vor allem die Ausblendung eines ganz entscheidenden Gesichtspunktes aus der öffentlichen politischen Diskussion höchst irritiert: eine Verkürzung des Sachproblems, die ich günstigstenfalls als Ignoranz und Inkompetenz der Medien, im schlimmeren Fall aber als Täuschung und Irreführung der Öffentlichkeit bewerten muß. Was meine ich damit? Welche relevanten Sachinformationen vermisse ich?

Mit der so schönen wie inhaltsleeren Phrase, der jeder zustimmen wird: "Uns ist jedes Kind gleich viel wert" – die ÖVP hat sie sich bereits zu eigen gemacht, wenn sie ihr auch eine andere Wendung zu geben versucht als ihr Urheber, die SPÖ –, schwindelt man sich im Bereich des öffentlichen Rechts, sei es im Steuerrecht oder im Recht der Familienförderung, um das für die ökonomische Belastung durch die Unterhaltsleistungen allein maßgebliche Zivilrecht und die nach ihm gebotene Differenzierung herum.

Lassen Sie mich konkreter werden: Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof zu seinem Gesetzesprüfungsverfahren veranlaßten, bezogen sich auf solche steuerrechtlichen Bestimmungen, die es einem für Kinder Sorgepflichtigen verwehren, die ihm entstehenden Unterhaltslasten in dem von der zivilgerichtlichen Judikatur anerkannten Ausmaß steuerlich geltend zu machen. Denn diese Bestimmungen führen zwangsläufig dazu, daß der Steuerpflichtige auch von jenem Einkommensbestandteil, den er im Wege von Unterhaltsleistungen weiterzugeben verpflichtet ist, Einkommensteuer oder Lohnsteuer zu zahlen hat.

In diesem Gesetzesprüfungsverfahren hat die Bundesregierung bemerkenswerterweise mitgeteilt, von einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen. Offenbar war sie sich der evidenten Gleichheitswidrigkeit der überprüften steuerrechtlichen Normen voll bewußt! Zutreffend hat sogar die Finanzlandesdirektion für Kärnten in ihrer Gegenschrift ausgeführt, daß die Unterhaltslasten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindern und daher im Einkommensteuerrecht zu berücksichtigen sind.


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Gewiß hat der Staat nicht die Unterhaltspflicht von Eltern ganz oder teilweise zu übernehmen; insofern – aber auch nur insofern – ist es "Privatsache", Kinder zu haben oder, sagen wir besser, ist ein Selbstbehalt unaufgebbar. Wohl aber hat der Staat dafür Sorge zu tragen, daß die durch die Unterhaltspflichten geminderte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen angemessen erfaßt wird.

Daraus zieht die FLD Kärnten folgendes – meines Erachtens zwingendes – Resümee: "Der Abzug der Unterhaltslast soll lediglich vermeiden, daß die unterhaltspflichtigen Eltern so besteuert würden, als stünde ihnen das gesamte Einkommen zur Verfügung, und daß ihnen damit zusätzlich zur Unterhaltsleistung noch die Steuerlast für Beträge auferlegt wird, die ihnen nur vorläufig zufließen, über die sie aber aus rechtlichen Gründen nicht disponieren können." – In Form von Kinder- beziehungsweise Unterhaltsabsetzbeträgen wurde dieser verminderten Leistungsfähigkeit in gewissem, wenn auch völlig unzureichendem Ausmaß entsprochen.

Eine diese Minderung abschwächende Funktion kommt zweifellos auch den Familienbeihilfen zu. Dennoch verblieb ein erhebliches Defizit. Unterhaltsleistungen an Kinder, die die steuerliche Leistungsfähigkeit in einem über das durch die Familienbeihilfe und die Kinder- beziehungsweise Unterhaltsabsetzbeträge gedeckten Ausmaß hinaus beeinträchtigen, werden im Einkommensteuerrecht nicht berücksichtigt, und zwar auch nicht als außergewöhnliche Belastungen! Die gesellschaftspolitische Wertung, von der der Verfassungsgerichtshof bei seiner Beurteilung ausging – das muß hervorgehoben werden –, kommt dabei in der schon in seiner früheren Judikatur getroffenen Feststellung zum Ausdruck: Unterhaltsleistungen an Kinder sind nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung oder des persönlichen Risikos! Im Gegensatz zu meines Erachtens unhaltbaren Positionen, wie sie etwa das Liberale Forum einnimmt, handelt es sich dabei zweifellos um einen tragenden Grundsatz unseres Rechtssystems und unserer Gesellschaftsordnung! Ich bin davon überzeugt, daß wir alle – zumindest in diesem Haus – darin übereinstimmen.

Von dieser fundamentalen Wertprämisse ausgehend ist es nur folgerichtig, wenn der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß es angesichts der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen sachlich nicht zu rechtfertigen und demnach gleichheitswidrig ist, daß Unterhaltsleistungen steuerlich nicht in einer der geminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Weise berücksichtigt, sondern allein den Eltern zu tragen überlassen werden.

Wesentlich erscheint mir eine weitere Feststellung, die in der politischen Diskussion unter den Teppich gekehrt worden ist: Die höhere Belastung unterhaltspflichtiger Eltern ist auch damit nicht zu rechtfertigen, daß die Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter wird.

Vom Gleichheitssatz her überzeugen auch folgende Konsequenzen, die das Höchstgericht zieht: Der ausschlaggebende Vergleich dürfe nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Einkommen, sondern müsse zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher Einkommensstufe gezogen werden. Insbesondere werde die Diskriminierung von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen nicht schon dadurch vermieden, daß das Existenzminimum gesichert bleibe.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Der Verfassungsgerichtshof war sich dabei stets der sozioökonomischen Relevanz der Einkommensdifferenzen voll bewußt; betont er doch ausdrücklich, daß es keineswegs geboten sei, die unterschiedliche Leistungsfähigkeit in jeder Hinsicht und zur Gänze völlig zu berücksichtigen. Demnach darf der Gesetzgeber von Durchschnittswerten ausgehen und der Steuerbemessung jenen Unterhalt zugrunde legen, der sich aus dem Einkommen typischerweise ergibt.

Dem Gesetzgeber ist es jedoch mit dem Familienbesteuerungsgesetz 1992 – entgegen seiner erklärten Absicht – nicht gelungen, die Höhe der Kinderabsetzbezüge in Verbindung mit der Familienbeihilfe an jenen Durchschnittswerten zu orientieren, die sich aus der Rechtsprechung zum gesetzlichen Unterhalt ergeben. Diese geht im wesentlichen von einem Prozentsatz aus,


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der vom Kindesalter abhängt und auf das Einkommen des Unterhaltspflichtigen angewendet wird. Erneut wäre es jedoch ein die wahre Rechtslage verfälschendes Horrorszenarium, würde verbreitet, daß somit auch der Luxusbedarf der Kinder von Generaldirektoren steuerlich zu berücksichtigen wäre.

Bei erheblich über dem Durchschnitt liegendem Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten hat die Rechtsprechung nämlich einen Unterhaltsstopp festgelegt und vermeidet dadurch eine Überalimentierung. Diese Obergrenze setzt beim 2,5fachen der sogenannten Regelbedarfssätze ein, die ihrerseits wieder nach dem Alter des Kindes gestaffelte Prozentsätze sind. Nach der Judikatur ist zudem sowohl einem erheblich überdurchschnittlichen als auch einem sehr geringen Einkommen des Unterhaltsschuldners und zahlreichen konkurrierenden Sorgepflichtigen Rechnung zu tragen.

Das geltende und zum Teil von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof betroffene Steuerrecht führte im Anlaßfall dazu, daß einer Jahresunterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers von 45 Prozent, konkret 303 750 S, Kinderabsetzbeträge in der Höhe von 18 900 S und die Familienbeihilfe in Höhe von 66 000 S gegenüberstanden. Die Diskriminierung gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen mit vergleichbarem Einkommen lag hier auf der Hand.

Im gegenständlichen Erkenntnis hat der Gerichtshof übrigens ausdrücklich konzediert, daß die Entlastung des Unterhaltspflichtigen – sei es steuerrechtlich oder beziehungsweise und durch Transferleistungen – nach der Anzahl und dem Alter der Kinder oder nach der sozialen Bedürftigkeit gestaffelt werden kann, sofern die konkrete Regelung nur in sich sachlich ist.

Klargestellt hat das Erkenntnis auch, daß nicht das System der Familienbesteuerung als solches – der Herr Finanzminister hat es auch schon gesagt – oder Maßnahmen der Familienförderung der Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen worden sind; vielmehr ging es um die Sachlichkeit von steuerrechtlichen Vorschriften, die jene Einkommensteile belasten, die, wie gesagt, vom Steuerpflichtigen für Unterhaltsleistungen an Kinder aufgewendet werden müssen. Soll, mit anderen Worten, Steuer auch von jenen Beträgen voll entrichtet werden, die der Steuerschuldner an seine Kinder als Unterhalt zu leisten verpflichtet ist, also von Einkommensteilen, die ihm überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen?

Der Verfassungsgerichtshof hat durchaus auch geprüft, ob neben den Kinder- und Unterhaltsabsetzbeträgen nicht die Familienbeihilfen und sonstigen öffentlichen Mittel angemessenen Ausgleich gewährleisten. Im Ergebnis gelangte er jedoch zum negativen Befund, daß diese Transferleistungen nämlich insgesamt die steuerliche Belastung jener Einkommensteile, die zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung erforderlich sind, nicht annähernd auszugleichen vermögen. Sie sind nicht einmal regelmäßig dazu geeignet, den von der Unterhaltsrechtsprechung zugrunde gelegten fiktiven Regelbedarf – bis zu dessen zweieinhalbfacher Höhe die Unterhaltspflicht bestimmt wird – abzudecken; mit anderen Worten wird dieser Regelbedarf nicht so behandelt, als wäre er von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen.

Daß die Transferleistungen im Ergebnis zu einem sozial gestaffelten Zuschuß zur Tragung des Aufwandes für Kinder führen, ist gewiß verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; anderes gilt aber für den Umstand, daß die Unterhaltsleistungen die Steuerbemessungsgrundlage nicht reduzieren und die auf sie bezogenen steuerlichen Belastungen durch die staatlichen Transferleistungen in vielen Fällen nur zum Teil kompensieren werden. Unterhaltspflichtige haben dann – im Gegensatz zu Nichtunterhaltspflichtigen – Einkommensteuer auch von jenen Beträgen zu entrichten, die ihnen nicht zur eigenen Verwendung verbleiben.

Auch in diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof anerkannt, daß bei höheren Einkommen die zu leistenden Unterhaltszahlungen nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerlich zu berücksichtigen sind und daß dieser nicht die Obergrenze des von den Zivilgerichten zuerkannten Unterhalts erreichen muß. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die für verfassungswidrig erklärte Regelung bewirkte allerdings, daß die Unterhaltsleistungen vielfach nicht nur bei höheren Einkommen, sondern auch bei solchen nur unzureichend steuerlich entlastet wurden, die sich erheblich unter der sozialversicherungsrechtlichen Höchstbemes


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sungsgrundlage bewegten. Im Ergebnis darf es also nicht dazu kommen, daß der größere Teil des Unterhaltsaufwandes der Einkommensteuer unterworfen wird; vielmehr muß zumindest die Hälfte jener Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei bleiben!

Die beiden Regierungsparteien sind daher dringend dazu aufgerufen, in ihren Entwürfen zur Neuregelung der Familienbesteuerung für eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende und damit rechtsstaatliche wie sachgerechte Familien- und Steuerpolitik Sorge zu tragen.

Aus all diesen Erwägungen bringe ich daher namens meiner Fraktion nachfolgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Böhm und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, spätestens bis zur Vorlage des Budgetentwurfs für 1999 an den Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Novelle des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, mit der die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen dieses Gesetzes in verfassungskonformer Weise auf einfachgesetzlicher Basis neu geregelt und den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs entsprechend gefaßt werden."

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Dr. Böhm und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing das Wort. – Bitte. (Allgemeine Heiterkeit, da bereits das rote Licht aufleuchtet, als der Redner zum Rednerpult tritt.)

16.35

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich kein Steuerexperte. Ich kenne nur das subjektive Empfinden, daß ich mir niedrigere Steuern sehr gut vorstellen könnte. (Bundesminister Edlinger: Wer nicht!) Ich habe aber die Erfahrung gemacht, daß die Annahme von Finanzminister Edlinger, daß mehr Kinder geringere Kosten bedeuten als ein Kind – zumindest bei mir persönlich – nicht stimmt. Ich bin Familienvater von drei Kindern (Bundesminister Edlinger: Ich auch!) , von drei Mädchen, und habe daher die Erfahrung gemacht, was sich auch in meiner Brieftasche bemerkbar macht, daß die Kosten pro Kind eher steigen und nicht sinken.

In einem Punkt stimme ich aber mit dem Herrn Finanzminister sehr wohl überein, nämlich daß –das ist auch mit ein Verdienst der Österreichischen Volkspartei – die Familienförderung in Österreich vorbildlich ist und keinen Vergleich mit einem anderen europäischen Staat zu scheuen braucht. Das ist auch ein Verdienst der Bundesländer, die wir hier vertreten, weil in sehr vielen Bundesländern hervorragende Familienhilfen angeboten werden. Ich erwähne hier nur Niederösterreich, das mit 1. Jänner 1998 gerade aufgrund des Sparpaketes, das wir auf Bundesebene durchziehen mußten, Familienhilfe ab dem 18. Monat gewähren wird, damit


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Mütter oder Väter zu Hause bleiben können, um den Einkommensentgang kompensieren zu können.

Trotzdem ist es aber der Fall gewesen, daß wir auch mit der Familienbesteuerung nicht zufrieden waren. Es ist eben so, daß man in einer Koalition immer wieder Kompromisse mit dem Partner schließen muß, auch wenn man damit keine Freude hat. Aber umso mehr haben wir uns gefreut, daß unser Familiensteuer-Reformmodell, das Herr Bundesminister Bartenstein im Vorjahr, im Jänner 1997, eingebracht hat, das wir nun mit unserem Koalitionspartner verhandeln, auch vom Verfassungsgerichtshof aufgrund der Klage von Herrn Dipl.-Ing. Dieter Mack bestätigt wurde. Ich hoffe, daß wir zu einer Lösung kommen werden, die genau das, was der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis unmißverständlich vorgibt, in Zukunft erfüllen kann; das Erkenntnis sagt nämlich eindeutig und klar, daß die derzeitige steuerliche Berücksichtigung von Kindern nicht ausreicht, mit anderen Worten, daß derzeit die Eltern zuviel Steuer für die Unterhaltskosten ihrer Kinder zahlen und daher ein klarer Auftrag an den Gesetzgeber gegeben ist, die Unterhaltspflichten von Eltern im Steuersystem entsprechend ihrer gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen und damit den Familien in unserem Staate mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Derzeit – das ist eben auch der Eindruck der Österreichischen Volkspartei, und deswegen sind wir über dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes glücklich, vielleicht liegt auch gerade dort der Grund, warum unser Koalitionspartner nicht ebenso erfreut war – ist es eben so, daß vor allem Familien mit mehreren Kindern im Steuersystem deutlich schlechtergestellt sind als kinderlose. So zahlt etwa ein Vater von drei Kindern nur wesentlich weniger Steuern als jemand, der ohne Unterhaltsverpflichtungen Steuern zu entrichten hat.

Für die ÖVP ist folgendes eindeutig und klar festzustellen: nämlich daß der Umstand, Kinder zu haben, nicht bedeuten darf, daß der Lebensstandard einer Familie dadurch deutlich absinkt. Derzeit wird aber steuerlich nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, wie viele Personen von einem Einkommen leben müssen; die derzeit geltenden Absetzbeträge genügen dieser Anforderung nämlich nicht.

Es ist daher auch völlig richtig, daß diese parlamentarische dringliche Anfrage an den Finanzminister gestellt wurde, weil das Finanzministerium konkrete Schritte zur Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu setzen hat und weil nach diesem Erkenntnis die Unterhaltsleistungen von Eltern gegenüber ihren Kindern im geltenden Einkommensteuerrecht zu wenig berücksichtigt sind; das heißt, die Familien haben in der Vergangenheit zuviel Steuern bezahlt.

Es ist daher mehr als gerechtfertigt, daß die Minder einnahmen, die dadurch in Zukunft im Budget zu erwarten sind – weil dies nach unserer Auffassung nicht durch den Familienlastenausgleichsfonds abgedeckt werden kann –, entsprechend zu berücksichtigen sind. Dazu ist noch zu sagen, daß der Familienlastenausgleichsfonds 1954 ausdrücklich als Ergänzung zu steuerlichen Maßnahmen und nicht als Ersatz für steuerliche Maßnahmen eingeführt worden ist.

Wofür tritt nun die ÖVP ein? – Der Herr Finanzminister hat vorhin gesagt, daß er auf das Modell nicht eingehen möchte, weil es erst in Verhandlung steht. Ich möchte dieses Modell ganz kurz vorstellen: Wir von der ÖVP treten für eine verfassungskonforme Lösung ein, die dem Gleichheitsgrundsatz entspricht und vor allem in erster Linie an die mittelständischen Familien gerichtet ist und diesen auch den finanziellen Ausgleich geben soll.

Es geht uns zweitens darum, daß wir eine Anhebung der Kinderabsetzbeträge um einen Sockel von 500 S erwarten und auch für diesen eintreten.

Die ÖVP fordert drittens eine Ergänzung dieses Sockels um eine zusätzliche Altersstaffelung im Sinne des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses, weil der gerichtlich festgesetzte Regelbedarfsatz mit dem Alter der Kinder steigt: von Kindern von null bis drei Jahren mit 1 970 S monatlich auf 5 500 S für Kinder im Alter von 19 bis 27 Jahren. Wir wollen, daß die bestehende und vom Verfassungsgerichtshoferkenntnis nicht berührte Mehrkinderstaffel bleibt.


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Die Anzahl der Kinder – das muß man leider feststellen – ist in unserer Gesellschaft ein bedeutender Armutsfaktor geworden. Das zeigen viele Studien und Forschungsergebnisse. Ich zitiere nur die Studie des Interdisziplinären Forschungszentrums der Sozialwissenschaften IFS, das kürzlich festgestellt hat, daß Haushalte mit einem Kind zu 10 Prozent, Haushalte mit zwei Kindern zu 28 Prozent und Haushalte mit drei Kindern zu 46 Prozent von der Armutsquote erfaßt werden und daß das zur Verfügung stehende Einkommen gestaffelt nach der Kinderanzahl von 20 700 S ohne Kinder auf 11 400 S bei drei Kindern sinkt.

Ich meine, alleine daran kann man erkennen, daß diese Mehrkinderstaffel auch weiterhin Geltung haben muß, weil bei Familien mit mehreren Kindern zumeist die Chance auf Erwerbstätigkeit beider Elternteile sinkt. Auch bei mir ist es so, daß zum Beispiel meine Gattin zu Hause bleibt, um sich der Erziehung unserer drei Kinder zu widmen. Aber trotzdem steigen mit der Kinderzahl die Kosten additiv an. Ich führe nur das Beispiel von Schulskikursen an. Es geht weiter über Kleidung, die Wohnung muß vergrößert, größere Autos müssen angeschafft werden und so weiter. Das heißt, die Behauptung, daß ein Kind die meisten Kosten verursacht, ist in diesem Fall meiner Ansicht nach nicht richtig.

Dazu kommt noch folgendes: Wenn man sich nur an der Mehrheit orientiert und davon ausgeht, daß in Österreich die Mehrheit Familien mit einem Kind sind, kann man auch davon ausgehen, daß – das ist an sich ein Wort, das ich nicht gerne verwende, aber es ist eben der Fachausdruck – die Reproduktionsziffer in Österreich nur mehr 1,3 Kinder ausmacht. Es ist eindeutig und klar festzustellen, daß zwar nach der Volkszählung 1991 rund 500 000 Kinder in Einkindfamilien gelebt haben, daß man zwar – das kennt jeder von uns, der Geschwister hat – mit einer Einkindfamilie – außer es sind Zwillinge oder Drillinge – anfängt, aber sehr oft Gott sei Dank weitere Kinder dazukommen. Auch diese Zahlen stellen sich dann wieder anders dar, und daher kann auch heute davon ausgegangen werden, daß genau jene Kinder, die damals in Einkindfamilien aufwuchsen, heute in 422 000 Zweikinderfamilien aufwachsen.

Wir erwarten uns, daß diese Maßnahmen aus den von mir erwähnten Gründen aus den budgetären Mehreinnahmen erzielt werden. Wir gehen davon aus, daß die Steuerreform, die für das Jahr 2000 geplant ist, primär Familien zugute kommt und damit der Ausgleich geschaffen wird, daß diese Familien in den Jahren zuvor zuviel Steuer bezahlt haben. Wir von der Volkspartei gehen davon aus, daß wir die Überschüsse des Familienlastenausgleichsfonds, die es richtigerweise geben wird, weiterhin den Familien zugute kommen, indem endlich die Familienbeihilfe und das Karenzgeld valorisiert werden, denn während seit dem Jahre 1990 der Ausgleichszulagenrichtsatz um 41,5 Prozent, die Pensionen um 22,1 Prozent und der Verbraucherpreisindex um 21,8 Prozent gestiegen sind, gab es bei der Familienbeihilfe keine Valorisierung. Wir wollen den Familienlastenausgleichsfonds nicht als Sparkasse, sondern wir wollen, daß dieser Familienlastenausgleichsfonds den Familien zugute kommt und darüber hinaus die Familien auch noch im Steuerrecht in Zukunft dementsprechend bedacht werden.

Die Maßnahmen, die mir von der SPÖ bekannt sind, sind für mich aus zehn Gründen abzulehnen. Sie enthalten erstens keinen Ansatz zur Familiensteuerreform, sondern verlangen stattdessen eine steuerliche Mehrbelastung durch die Beseitigung der Mehrkinderstaffel bei den Kinderabsetzbeträgen.

Sie sind zweitens bezüglich Streichung der Mehrkinderstaffel nicht nur familienpolitisch abzulehnen, sondern stehen auch in keinem Zusammenhang mit der Umsetzung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses zur Familienbesteuerung.

Sie hätten drittens übrigens zur Folge, daß der Finanzminister spätestens ab dem Jahre 2000 von den Familien jährlich zusätzlich 2 Milliarden Schilling aus Steuereinnahmen für das Budget lukrieren könnte.

Sie stützen sich viertens dabei auf die unzutreffende Behauptung, die Kosten des ersten Kindes seien am höchsten und die meisten Kinder wüchsen in Einkindfamilien auf.


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Sie verkennen fünftens die vielfach belegte Tatsache, daß die Kinderkosten für viele Mehrkinderfamilien zum Armutsfaktor werden können und sehen eine wesentliche Benachteiligung der Familien ab dem zweiten Kind vor.

Sie sind sechstens bezüglich besonders einkommensschwacher Mehrkinderfamilien unpräzise, kompensieren nicht einmal die Streichung der Mehrkinderstaffel bei drei Kindern und gehen daher auch an der Umsetzung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vorbei und bringen keinerlei Effekt für die mittelständischen Mehrkinderfamilien.

Sie sehen siebtens keine angemessene steuerliche Berücksichtigung der auch laut Verfassungsgerichtshof mit dem Alter stark steigenden Kinderkosten vor und sichern diese für ältere Kinder nicht einmal nach dem Berechnungsmodus des Finanzministeriums selbst.

Sie gehen achtens ganz offensichtlich davon aus, daß für die Familien im Rahmen der nächsten Etappe der Steuerreform keine Entlastungen vorgenommen werden sollten.

Sie würden neuntens im Effekt und in Summe die Vorteile für die Familien degressiv nach der Kinderzahl staffeln, sodaß gerade auch im Jahre 1999 im klaren Widerspruch zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für manche Kinder gar keine Beträge vorgesehen wären.

Und sie würden zehntens den Familienlastenausgleichsfonds mit Mehrkosten von über 7 Milliarden Schilling für das Jahr 1999 und über 10 Milliarden Schilling für das Jahr 2000 belasten, wobei wir davon ausgehen, daß dies in Zukunft den Familien durch die Erhöhung der Familienbeihilfe gerecht werden sollte.

Ich kann davon ausgehen, daß für die Österreichische Volkspartei hier kein fauler Kompromiß eingegangen werden wird, daß wir auf jeden Fall eine verfassungskonforme Regelung wollen und daß wir den Familien nicht nur über eine Erhöhung der Familienbeihilfe helfen wollen, sondern auch dadurch, daß sie im Steuerrecht in Zukunft jene Beachtung finden, die diese Familien, die sehr viel für die Gesellschaft leisten, auch verdienen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Karl Drochter das Wort. – Bitte.

16.46

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Edlinger! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin meinen beiden Vorrednern sehr dankbar für ihre Wortmeldungen; in erster Linie Herrn Dr. Böhm, weil er doch sehr deutlich zu verstehen gegeben hat, daß, wenn überhaupt verfassungsmäßige Behinderungen vorliegen, diese nicht sehr schwerwiegend sind. Ich bin auch Herrn Kollegen Wilfing von der ÖVP sehr dankbar, weil er die Klientel sehr genau dargestellt hat, die er und die Österreichische Volkspartei vertreten. Er hat gemeint, daß er genauso wie die SPÖ und die Volkspartei für die Mehrkinderfamilien eintritt, er sich aber Sorgen über jene macht, die über große Autos und große Wohnungen verfügen. Die Schwerpunkte der SPÖ-Familienpolitik sind natürlich ganz andere; diese liegen bei jenen Personen, die über keine großen Autos, wenn überhaupt über Autos, und Wohnungen verfügen, und vor allem bei jenen Frauen, die Alleinfamilienerhalterinnen sind.

Aber grundsätzlich: Wie kaum ein anderes Thema wird die Familienpolitik in unserer Gesellschaft äußerst emotional diskutiert, da es sehr starke persönliche Betroffenheit gibt, die meistens im Vordergrund der Diskussion steht. Darüber hinaus handelt es sich um eine äußerst komplexe Materie, die die Widersprüche in unserer Gesellschaft – wir haben es vor wenigen Minuten von Herrn Kollegen Wilfing gehört – widerspiegelt. Folgendes muß uns aber allen bewußt sein: Der Wunsch nach Familie steht nach wie vor ganz oben auf der Prioritätenliste der Leute. Der Wunsch nach Geborgenheit, Schutz, Solidarität und Akzeptiert-Werden liegt im Wesen des Menschen. Die Politik hat die Aufgabe, diesen Anliegen Rechnung zu tragen. Sie kann aber nicht alle Wüsche erfüllen; auch das muß uns politisch Verantwortlichen klar sein. Sie muß aber sehr wohl die Rahmenbedingungen dafür festmachen, die auch im finanziellen Bereich liegen.


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Zur aktuellen Situation ist folgendes zu betonen: Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis die grundsätzliche Position, auch die steuerlichen Bestimmungen betreffend, auf die die Familienförderung aufgebaut ist, als rechtlich möglich bestätigt. Es wurde also das bestehende System der Kinderförderung vom Verfassungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen.

Folgendes ist heute auch schon gesagt worden: Lediglich das Ausmaß der steuerlichen Kinderförderung wurde als ungenügend bezeichnet, allerdings nur für bestimmte Einkommenskategorien und für bestimmte Fälle oder Höhen von Unterhaltsleistungen.

Der Verfassungsgerichtshof verlangt in seinem Erkenntnis, daß Kinderlasten steuerlich berücksichtigt werden müssen. Es müsse zwar nicht der gesamte zivile Unterhalt abgedeckt werden, aber doch die Hälfte. Der Verfassungsgerichtshof stellt es dem Gesetzgeber – das ist ganz besonders wichtig zu erwähnen – grundsätzlich frei, ob der Unterhalt durch den Abzug des Unterhaltes von der Bemessungsgrundlage oder durch eine im Effekt gleichwertige, also in der Höhe der Steuerersparnis entsprechende Transferzahlung berücksichtigt wird.

Der Verfassungsgerichtshof, der heute schon sooft angesprochen worden ist, hat es also dem Gesetzgeber, der Politik, uns überlassen, hat uns genügend Handlungsspielraum gegeben, um zu einer gerechten Lösung zu kommen. Dieses Erkenntnis gestattet es also, im gegenwärtigen System zu verbleiben, nämlich bei der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern durch Transferzahlungen und Kinderabsetzbeträge.

Das hat der Herr Bundesminister schon gesagt. Die SPÖ hat zur Reform der Familienbesteuerung immer drei Ziele in den Vordergrund gestellt: eine verfassungskonforme Lösung, ein Lösung vor allem im Interesse der Jungfamilien und einkommensschwächeren Familien – im Gegensatz zur ÖVP –, und es darf zu keinen Steuergeschenken für Reiche und zusätzlichen Förderungen ausschließlich für Bestverdiener kommen.

Wir treten auch nicht ein – das sei hier sehr deutlich gesagt – für jene 30 000 Personen in Österreich, deren monatliches Einkommen ab oder über 70 000 S liegt. (Bundesrat DDr. Königshofer: Die Steuern nehmen Sie gerne von denen!) Daß alleine diese von einer künftigen Familienförderung profitieren, ist für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unmöglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind auch gegen eine Familienförderung, die Anreize für Frauen schafft, damit sie ihren Beruf aufgeben. Wir glauben nämlich, daß die Ziele der Gleichbehandlung auf dem Arbeitsplatz, aber auch der Gleichwertigkeit in der Gesellschaft in Frage gestellt werden. Ziel einer Familienförderung sollten entsprechende Rahmenbedingungen – ich habe auch eingangs meiner Ausführungen darauf hingewiesen – auch für berufstätige Frauen sein, die es ihnen ermöglichen, Familie und Berufstätigkeit besser miteinander zu vereinbaren. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher begrüßen wir das Vorhaben vom Herrn Bundesminister – er hat es schon angekündigt –, vom Bund her den Ländern zusätzlich 600 Millionen Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Durch das von ihm angekündigte und bewährte 50 :  50-Kofinanzierungsmodell stehen insgesamt 1,2 Milliarden Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen vom Bodensee bis zum Neusiedler See zur Verfügung. Es liegt vor allem an den Regionalpolitikern, rechtzeitig entsprechende Projekte einzureichen. Die Betonung liegt auf rechtzeitig, weil es in der Vergangenheit doch einige Bundesländer gegeben hat, die gar nicht so klein gewesen sind, die diesen Topf, den es bisher gegeben hat, nicht ausgenützt haben.

Nun zu den Eckpunkten des Reformvorschlages der SPÖ:

Alle Familien mit Kindern sollen durch die Reform begünstigt werden, das heißt, jede Familie soll mehr Förderung bekommen als bisher. Aufwendungen für das erste Kind sollen stärker als bisher berücksichtigt werden, um vor allem die Familiengründung zu erleichtern.

Mehrkinderförderung-Neu: Einkommensschwächere Familien sollen verhältnismäßig stärker gefördert werden als einkommensstarke. Das wird einerseits durch fixe einkommensunabhängige


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Förderungen zu gewährleisten sein, die bei den niedrigen Einkommen mehr entlastend wirken als bei höheren Einkommen, andererseits durch zusätzliche Förderungen für einkommensschwache Familien.

Die bessere Familienförderung soll ohne Steuererhöhung finanziert werden; auch darauf hat der Herr Finanzminister in seinem Beitrag hingewiesen. Es soll aber auch der Weg der Budgetkonsolidierung nicht aufgegeben werden, damit auch der finanzielle Spielraum für eine Steuerreform im Jahr 2000 erhalten bleibt.

Das SPÖ-Familienförderungsprogramm wird nach jetzigen Schätzungen zwischen 9 und 10 Milliarden Schilling kosten. Im ersten Schritt, also im Jahre 1999, werden dafür rund 5 Milliarden Schilling aufzuwenden sein. Dieses Modell kann weitgehend aus den ab 1999 anfallenden Überschüssen des Familienlastenausgleichsfonds finanziert werden. Es muß aus diesen Mitteln finanziert werden, weil im Budget 1999, das nur mehr vom Nationalrat zu beschließen ist, keine Mittel vorgesehen sind. Eine Finanzierung, die nicht den Familienlastenausgleich miteinbezieht, würde Sparmaßnahmen an anderer Stelle, die sicherlich schmerzlich sind, erfordern.

Nun zum Grundsätzlichen:

Wir Sozialdemokraten streben eine baldige Einigung an. Auch der Herr Finanzminister hat es schon erwähnt: Die erste Verhandlungsrunde mit der Österreichischen Volkspartei, also mit unserem Regierungspartner, verlief in sachlicher und, so glaube ich auch, einigermaßen konstruktiver Stimmung. Die Österreichische Volkspartei beziehungsweise ihre Verhandler haben zugesagt, daß sie bis zum nächsten Zusammentreffen, also bis zur nächsten Runde, auch über die Finanzierung nachdenken wollen.

Ich persönlich bin davon überzeugt, daß die Regierungsparteien zu einer guten Lösung im Interesse der österreichischen Familien kommen, auch im Interesse der Mehrkinderfamilien, bei denen aber – ich möchte das nochmals betonen – doch das Einkommen eine entscheidende Rolle sein soll.

Die Sozialdemokratie, die SPÖ, wird dafür sorgen, daß die Familien, die eine besondere Unterstützung brauchen, nicht übergangen werden. Das heißt, daß gerade hier deutliche, soziale Akzente zu setzen sein werden, wie zum Beispiel – ich wiederhole mich – für Jungfamilien, die sich in der Startphase, also in der schwierigsten Phase der Familiengründung, befinden.

Wir Sozialdemokraten wollen uns unser jetziges System der Familienförderung, das unbestritten zu den besten Europas gehört – das wurde auch hier schon gesagt –, nicht verwässern oder gar verschlechtern lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Harring das Wort. – Bitte.

16.59

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich schicke zunächst einmal voraus, daß der Ausgangspunkt der Debatte nicht das Koalitionsübereinkommen oder irgendeine Fortschreibung des Koalitionsübereinkommens ist, auch nicht eine neuerwachte Liebe vielleicht der SPÖ oder der ÖVP für die Familie oder für die Kinder in unserem schönen Land. Ausgangspunkt ist eben das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, über das sich auch die Herren der Koalitionsparteien, die hier das Wort ergriffen haben, offensichtlich freuen.

Ich bin auch überzeugt davon, daß unser Entschließungsantrag, der mit dem nächsten Budget terminisiert ist, sicherlich behandelt werden und in Ordnung gehen wird, denn wenn der Herr Finanzminister bis zum 1. Jänner 1999 nichts unternimmt, dann sind alle Ausgaben, die wir Österreicher und Österreicherinnen für Kinder tätigen, voll absetzbar. Das heißt also, wenn nichts passiert – das hat der Verfassungsgerichtshof eindeutig festgelegt –, dann wird es so


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sein, daß wir alles, was wir an Kosten und Regien für unsere Kinder haben, voll absetzen können. Deshalb wird unser Entschließungsantrag – da bin ich mir ganz sicher – demnächst behandelt werden.

Leicht wird es nicht werden – das ist mir anläßlich der Ausführungen der letzten beiden Debattenredner völlig klar geworden. Kollege Drochter war sogar Herrn Kollegen Wilfing sehr dankbar dafür, daß er die Punkte hier aufgezählt hat, und hat gemeint, die Vorschläge waren in Ordnung. Ich weiß nicht, Herr Kollege, ob du bei den zehn Punkten zugehört hast, über die Herr Kollege Wilfing gesprochen hat und die dafür sprechen, daß man dem Programm der SPÖ in keiner Weise zustimmen kann. Wahrscheinlich warst du mit deinem Manuskript so beschäftigt, denn der Herr Finanzminister hat ständig den Kopf, ich würde sagen, sein weises Haupt geschüttelt und hat keine Zustimmung signalisiert. (Bundesminister Edlinger: Mit einem oder mit zwei "s"?) Nein, ich sage weise! (Heiterkeit. – Bundesminister Edlinger: Danke!) Wobei vielleicht beides stimmt (Bundesminister Edlinger: Glatzert!) , aber ich darf das ruhig sagen: das weise Haupt geschüttelt. Also so einverstanden war der Herr Finanzminister nicht. Ich kann das auch verstehen, denn im Prinzip ist man in der Sache selbst relativ weit voneinander entfernt.

Meine Damen und Herren! Es geht um die Institution Familie. Ist sie erwünscht? Ist sie überhaupt sinnvoll? Ist sie wertvoll? Ist das alles veraltet? Ist das eine verzopfte Geschichte? – Wir teilen die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, daß die Familie an sich einen Wert, und zwar einen ganz entscheidenden Wert für die Gesellschaft hat.

Diese Auffassung war in den Regierungsparteien nicht immer so gegeben. Der Herr Finanzminister hat sich heute, nachdem ihn bisher niemand richtig gelobt hatte, einmal selbst gelobt und gesagt: Wir haben eine tolle Familienpolitik gemacht, die international wirklich keinen Vergleich zu scheuen hat. – Das stimmt schon. Sie haben gesagt, das ist von Ihnen unterstützt worden, und das ist eine gute Geschichte. Man hat sich also selbst ein bisserl Eigenlob ausgestreut und gemeint, man ist eh schon so gut. Aber wenn der Verfassungsgerichtshof nicht gekommen wäre, wäre wahrscheinlich diese Diskussion nicht so in Gang gekommen.

Wir haben heute vormittag vom Herrn Minister Bartenstein gehört, daß man sich nicht erst heuer in den Besprechungen im Rahmen der Regierungsklausur damit beschäftigt hat, sondern schon in der Regierungsklausur vor einem Jahr, und zwar im Jänner 1997. Dann hat man bei der Volkspartei offensichtlich zwölf Monate nur nachgedacht, aber eigentlich nichts getan. Ich sage immer, zum eigenen Tun gibt es keine Alternative. Sie sind eigentlich schon seit zehn Jahren für die Familie verantwortlich. Warum ist das nicht geschehen?

Der Herr Bundesminister für Finanzen hat auch eine interessante Äußerung gemacht. Er hat gesagt, wie immer die Regelung sein wird, es wird ohne Steuererhöhung sein, und zwar deshalb, weil Sie sich – ich habe das wörtlich mitgeschrieben – den Spielraum für die Steuerreform 2000 erhalten wollen. Sie möchten, daß dieser Spielraum voll erhalten bleibt.

Diese Mitteilung war erfreulich. Wenn es wirklich so wäre! Aber als gelernter Österreicher vermutet man halt dahinter zwei Möglichkeiten: Wenn man sich bis zum Jahr 2000 den Spielraum erhalten will, so kann das nur heißen, daß es entweder ab dem Jahre 2000 eine Steuererhöhung gibt – Kollege Wilfing hat sogar gemeint, die Familien werden von Ihnen mit Ihrem Modell ab 2000 mit 2 Milliarden Schilling belastet; auch das ist heute hier gesagt worden – oder daß es, wenn es tatsächlich keine Steuererhöhung gibt, wahrscheinlich wohl nicht zu den in den Medien kolportierten Besserstellungen für die Familien kommen wird.

Meine Damen und Herren! Feststeht, der Verfassungsgerichtshof hat das alles in Schwung gebracht. Er hat gesagt, daß mindestens 25 Prozent des Regelunterhalts für die Kinder steuerfrei zu stellen sind. Da gibt es Vergleiche aus den Zivilgerichten, wie hoch dieser Betrag ist. Alle jene Damen und Herren, die sich damit beschäftigt haben, die das interessiert, kennen diese Zahlen ganz genau. Deshalb hat auch der Finanzminister als erstes den Auftrag gegeben, in seinem Ministerium zu berechnen, wieviel das eigentlich wäre, wieviel man bei einer durchschnittlichen Familie erhöhen müßte, damit man – jetzt vom Betrag her – die Wünsche oder die Forderungen


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des Verfassungsgerichtshofes erfüllt, und man ist auf einen Betrag in Höhe von 1 162,50 S gekommen, das bedeutet also fast 1 200 S neue Familienförderung für ein Kind ab 19 Jahren.

Diese Beträge finden sich allerdings in beiden Modellen, von denen wir heute hier gehört haben, nicht wieder. Die Volkspartei hat diese Staffel schnell um 100 S erhöht, man wollte offensichtlich nicht hinter der Sozialdemokratischen Partei zurückstehen, sondern wollte, daß sich das jetzt im Durchschnitt bei ein, zwei, drei Kindern bei 500 S einpendelt. Die SPÖ hat immer schon gesagt, es werden so um die 500 S sein.

Bei der SPÖ möchte man halt nach wie vor bei einer Lösung bleiben, die über die Familienbeihilfe geht. Das ist immer schon ihre Mentalität gewesen, so etwas nicht über Steuergerechtigkeit zu lösen, sondern zuerst dem Steuerzahler etwas aus der linken Tasche zu nehmen, das ein bisserl umzuverteilen und ihm dann wieder etwas zu geben. Das hat den Vorteil, daß der, der etwas bekommt, sich dann höflich bedankt und sagt: Danke vielmals, Herr Finanzminister, ich habe jetzt eine Erhöhung bekommen! Das wird anders, wenn man es über Steuergerechtigkeit macht ... (Ruf: Das kommt ja aufs selbe heraus!) Ja, es kommt das gleiche heraus, aber es bedankt sich halt dann niemand, und darauf will man offensichtlich nicht verzichten.

Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl – auch nach allem, was ich heute hier gehört habe –, daß unsere Familienpolitik zwar europaweit nicht so schlecht dasteht, aber daß sie im Prinzip nicht ganz richtig gewesen sein kann, sonst hätte der Verfassungsgerichtshof nicht so geurteilt. Man hat vielleicht auch zu sehr auf die Stimmen der berufstätigen Frauen gesetzt und in Kauf genommen, daß Familien mit mehr Kindern, in denen die Frau eben nicht mehr die Chance hat, Karriere zu machen, unter die Räder kommen.

Ich wiederhole, daß die Volkspartei da gar keinen Stein werfen und sich zum Schützer der Familien aufspielen kann, denn wenn man zehn Jahre den Familienminister stellt, hätte man sicher schon viele Gelegenheiten gehabt, etwas tun zu können.

Daß wir Freiheitliche nicht nur kritisieren, das haben Sie im Bundesrat in den letzten Jahren schon sehr oft bemerkt, und wir stellen immer wieder fest, daß das schön langsam auch von den Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien zur Kenntnis genommen wird. Wir haben immer unsere eigenen Vorschläge, wir beschränken uns bei Gott nicht nur aufs Kritisieren. Daher wäre die von uns vorgeschlagene Lösung mit dem Familiensplitting auch irgendwie miteinzubeziehen. Ich glaube, das wäre eine tolle und gescheite Lösung, weil dabei das Einkommen aller Familienangehörigen – und zwar freiwillig, also auf Antrag – zusammengerechnet wird und dann eine Besteuerung herauskommt, die der Leistungsfähigkeit einer Familie ganz besonders und auf eine sehr gerechte Weise entspricht.

Dieses Modell ist von uns publiziert worden. Wir haben im Dezember sogar den Vorschlag auf eine lineare Erhöhung bei der Familienbeihilfe im selben Ausmaß wie bei den Pensionen eingebracht. Wir meinen, daß unser System des Familiensplittings das einzige System wäre, bei dem der Herr Bundesminister für Finanzen nicht zuerst den Verfassungsdienst anrufen müßte, um zu klären, ob das verfassungskonform ist oder nicht. Bei unserem Modell brauchen Sie das nicht zu machen, Herr Minister! Da kann ich Ihnen jetzt schon garantieren, daß das auf jeden Fall verfassungskonform ist, was bei allen anderen Modellen, insbesondere bei dem von Ihnen präferierten, nicht so sicher ist.

Meine Damen und Herren! Ich fasse kurz zusammen: Ich bin überzeugt davon, daß schon bei der Verabschiedung des Familienbesteuerungsgesetzes im Jahre 1992 den Kennern der höchstgerichtlichen Judikatur klar war, daß das eigentlich nicht das Ende sein konnte. Herr Professor Böhm hat in wirklich einmaliger Weise hier aufgezeigt, wie die Gleichheitswidrigkeit zustande kommt. Bei einem horizontalen Vergleich der Personen gleicher Einkommenshöhe geht es eben nicht an, daß ein Steuersubjekt, welches mit Unterhaltspflichten belastet ist, genausoviel an Einkommensteuer bezahlt, wie ein Subjekt, das nicht durch solche Unterhaltsleistungen beeinträchtigt ist. Das ist der Kern des Ganzen.

Wenn der Verfassungsgerichtshof noch hinzufügt, daß mindestens die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhaltes von Kindern erforderlich sind, steuerfrei bleiben muß,


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ist das auch eine Größe, über die die Verhandlungen sicher nicht leicht sein werden, sodaß wir von der Freiheitlichen Partei wirklich sehr gespannt sind, wie diese unterschiedlichen Ansätze, die sich nur im Betrag annähern, aber in der Denkweise und in den Ausgangspunkten doch – ich will nicht sagen diametral – noch sehr weit von einander entfernt sind, bewältigt werden.

Mich als Menschen, der in seinem Leben eigentlich immer auf Kompromisse aus war, wundert sehr, daß man das, bevor man sich in einer so wichtigen Sache zum ersten Mal zu Verhandlungen setzt, zunächst einmal überall publiziert und sagt: Das ist mein Standpunkt, und von meinem Standpunkt rücke ich nicht ab. Da fährt die Eisenbahn drüber! Dann publiziert der zweite Partner: Das ist mein Standpunkt, davon rücke ich in den Verhandlungen nicht ab! Und am Ende werden noch ein paar kleine kosmetische Änderungen gemacht. Warum sagt man nicht überhaupt: Okay, da hat der Verfassungsgerichtshof etwas entschieden. Alle Beteiligten an einen Tisch! Wir versuchen eine Lösung, die gerecht und ausgewogen ist! Das wäre besser als all die Punkte, die da schon im Vorfeld zementiert werden.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind selbstverständlich für jede Lösung, die sozial ausgewogen ist, die die Familien unterstützt, die unsere heranwachsende Jugend unterstützt und die verfassungskonform ist. Wenn es Ihnen gelingt, ein vernünftiges und gerechtes System zu finden, werden Sie uns Freiheitliche sicher als Verbündete haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

17.11

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Bundesminister! Sehr geehrte verbliebene Anwesende! Es haben eigentlich alle meine Vorredner jetzt schon mehrmals zitiert, worum es bei diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geht. Ich will es nicht wiederholen, aber ich möchte schon noch auf eines hinweisen, weil mir das wirklich sehr bedenklich erscheint, und das ist der Umgang in Aussagen mit diesem Erkenntnis, und diese Aussagen, sehr geehrter Herr Minister, sind leider ausschließlich von Ihrer Partei gekommen.

Da sagte zum Beispiel Ihre Nachfolgerin als Wiener Finanzstadträtin, Frau Stadträtin Brigitte Ederer – im Volksmund wird sie auch als Tausender-Gitti bezeichnet –, daß dieses Erkenntnis eine "Frechheit" sei. So geht man mit seinem Obersten Gerichtshof um! Es steht jedem frei, das gut oder schlecht zu finden, aber das als eine Frechheit zu bezeichnen, finde ich von einem Mitglied einer Regierungspartei doch überzogen. Sie fügte auch gleich noch eine Drohung an und sagte: Wenn man das steuerlich berücksichtigen muß, dann wird man sich bei der Familienförderung insgesamt wieder ein bißchen Geld zurückholen müssen, denn so kann es wohl nicht gehen.

Ihre Kollegin Schmidleithner spricht von einem Klassenurteil. Ich habe immer gehofft, der Klassenkampf wäre vorbei, aber ich werde immer wieder eines Besseren belehrt.

Sie, Herr Minister, sagen, daß unser Pensionssystem hervorragend finanziert ist. Ich bezweifle es einmal – das möchte ich vorausschicken –, aber um die Pensionen auch weiterhin sichern zu können, werden wir natürlich ohne Kinder nicht auskommen können. Das ist wohl jedem klar. Bei dem Umlagesystem muß es einfach so sein, darauf ist es schließlich aufgebaut.

Jetzt kann ich mich an folgendes erinnern: Wann immer wir den ungehemmten Zuzug von Ausländern kritisiert haben, kam vor allem aus der SPÖ das Argument: Wir brauchen diese Ausländer, denn wir müssen schließlich die Pensionen sichern können. Jetzt frage ich mich aber schon, wieso wir Ausländer fördern, um die Pensionen zu sichern, wenn wir gleichzeitig – Kollege Wilfing hat es gerade gesagt – 500 000 Familien mit nur einem Kind haben. Da muß man sich doch fragen, warum das so ist. Es ist sicherlich nicht so, daß die Leute jetzt plötzlich kinderfeindlich geworden sind und keine Kinder mehr haben wollen, sondern es liegt vielmehr daran, daß die Rahmenbedingungen einfach nicht mehr stimmen und sich die meisten mehr als ein Kind gar nicht mehr leisten können.


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Man hat eine Umfrage gemacht, wonach drei Viertel aller befragten Mütter gesagt haben, sie müssen arbeiten gehen. Sie würden sehr gerne ihre Kinder selbst betreuen, aber sie müssen arbeiten gehen. Darin, daß Frauen arbeiten gehen müssen, ist natürlich auch eine gewisse ideologische Zielrichtung zu sehen, auch wenn von Ihrer Partei, sehr geehrter Herr Minister, immer wieder gegenteilige Äußerungen kommen. So hat etwa anläßlich einer Debatte – ich glaube, es war zum Sozialbericht – auch Ihre Kollegin Bundesrätin Kainz gesagt, daß die Frauen selbstverständlich die Möglichkeit der Wahl haben sollen, arbeiten zu gehen oder zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben. Tatsache ist aber, daß das Umfeld und die Rahmenbedingungen genau in die Richtung gehen, daß natürlich alle arbeiten gehen müssen , und es sehr wenige sind, die tatsächlich auch arbeiten gehen wollen.

In sämtlichen Studien ist natürlich belegt – ich möchte jetzt die Zahlen nicht wiederholen; Kollege Wilfing hat eine Studie schon genannt, die ich auch kenne –, daß für Familien das Armutsrisiko umso höher ist, je mehr Kinder sie haben. Auch ein Vertreter der SPÖ hat in einem Zeitungsinterview gesagt, man müßte vor allem die Jungfamilien fördern, denn die wären die ärmsten.

Ich weiß schon, daß es in jungen Familien auch Startschwierigkeiten gibt, tatsächlich ist es aber so: Je mehr Kinder man hat und je größer sie werden, desto mehr Kosten verursachen sie auch. So lieb uns die Kinder sind – das ist ein Faktor, den man nicht einfach wegdiskutieren und wegwischen kann. Solange die Kinder klein sind, ist auch das Bekleidungsproblem noch nicht so ein großes. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, ich habe vier. Da hat man noch die Freundinnen, die einem die Babywäsche überlassen, und wenn die Kinder im Kleinkindalter sind, bekommt man auch noch so manches geschenkt. Aber da beginnen dann schon die Kosten für den Kindergarten, die Volksschule geht noch einigermaßen, und ab dem Gymnasium fängt es dann mit Sportwochen, Schulschikursen und Sprachreisen an, und zu diesem Zeitpunkt ist auch das Weitergeben von Kleidern nicht mehr möglich.

Es gab daher in Wien von Hauptschullehrern – in dem Fall gar nicht so sehr von den Gymnasien, sondern von Hauptschullehrern – auch die Feststellung, daß sich immer weniger Eltern für ihre Kinder diese Schulschikurse oder auch Sportwochen, die veranstaltet werden, leisten können. Es bleiben immer mehr Kinder in der Klasse zurück, weil die Eltern sagen, sie können es nicht mehr finanzieren.

Daher, sehr geehrter Herr Bundesminister für Finanzen, muß ich schon einen Appell an Sie – der Herr Familienminister sagt immer, es sei schließlich dann Ihre Sache, für das Geld zu sorgen –, aber auch an die ÖVP richten, daß Sie in den Verhandlungen, wenn Ihnen die Familien noch etwas wert sind, darauf Bedacht nehmen, daß es tatsächlich eine Gerechtigkeit auch für Familien gibt.

Ich bitte Sie auch, auf unser Familiensplitting Rücksicht zu nehmen. Herr Minister Bartenstein hat heute gesagt, er hält es durchaus für diskussionswürdig, auch wenn derzeit nicht vorgesehen ist, es in die Verhandlungen aufzunehmen. Es gibt dieses Splittingmodell schon in anderen EU-Staaten, und es hat sich dort durchaus bewährt. Daher würde ich meinen: Nehmen Sie es mit auf in die Verhandlungen! Denken Sie ohne ideologische Scheuklappen auch darüber nach! Es geht nicht darum, von welcher Partei jetzt was eingeflossen ist, sondern es geht darum, was das Beste für unsere Familien ist, damit sie nicht weiterhin großen Belastungen ausgesetzt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer das Wort.

17.18

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch drei Aspekte dieser Thematik aufzeigen und will zuerst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in seinem Kern eingehen, worin es heißt: Das Außerachtlassen der Unterhaltslast bewirke eine vergleichsweise höhere Belastung unterhaltspflichtiger Eltern. Diese sei sachlich nicht zu rechtfertigen, auch nicht damit,


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daß die Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter wird. Der ausschlaggebende Vergleich dürfe nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Einkommen, sondern müsse zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher Einkommensstufe gezogen werden. – Ende des Zitats.

Ich halte es für eminent wichtig, daß der Verfassungsgerichtshof einmal diese Klarstellung getroffen hat, denn ich habe in letzter Zeit bei familienpolitischen Diskussionen sehr oft darüber gesprochen, und ich kenne die Forderung auch der Liberalen, die besserverdienenden Familien bei der Familienbeihilfe sozusagen schlechterzustellen als die weniger gut Verdienenden. Ich bringe dann immer wieder ein Rechenbeispiel. Nehmen wir einen Angestellten her, der einen Nettoverdienst von 30 000 S hat und Alleinverdiener ist. Der bekommt bei drei Kindern pro Monat zirka 5 000 S Familienbeihilfeabsetzbetrag. Ich selbst habe drei Kinder, ich weiß, in zwei Monaten sind das etwa gut 11 000 S.

Dann hat diese Familie zusammen 35 000 S zur Verfügung. Dividiert durch fünf Personen – 5 mal 7 ist 35 (Beifall des Bundesrates Konečny. )  – sind das 7 000 S. Es hat also diese Familie 7 000 S pro Person zur Verfügung.

Der andere Angestellte hingegen, der auch verheiratet ist, aber keine Kinder hat, dessen Frau aber berufstätig ist und selbst noch 20 000 S dazuverdient, hat mit seiner Frau zusammen 50 000 S zur Verfügung. Dividiert durch 2 sind das 25 000 S pro Person. Es liegt doch ein erheblicher Unterschied zwischen 7 000 S und 25 000 S.

Diese Dinge gibt es in der Praxis, Herr Kollege, die können Sie sich anschauen. Gehen Sie in die großen Banken oder Versicherungen, dann werden Sie sehen: Der eine ist Alleinverdiener, und der andere hat eine Gattin, die dazuverdient. Der eine ist im Urlaub im Waldviertel und der andere in der Dominikanischen Republik. Das wird halt in diesem Lande als Ungerechtigkeit empfunden. Das darf ich Ihnen sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das kann bis in die höheren Einkommen hinaufgehen. Herr Kollege Drochter, jetzt sage ich Ihnen eines: Diejenigen, mit den hohen Einkommen, mit den großen Autos, mit den großen Häusern und mit den dicken Brieftaschen, zahlen auch wesentlich mehr an Steuern. Es darf doch ein Bürger, der in diesem Land eine Leistung erbringt, der in diesem Land eine Steuerleistung erbringt, auch erwarten, daß ihm der Staat zumindest einen kleineren Teil in Form einer Transferleistung zurückgibt. Aber das, was Sie vorhaben, ist eine kalte Enteignung in gewissen Bereichen, eine kalte Umverteilung sozialistischer Provenienz, so wie Sie es in der Vergangenheit schon immer wieder praktiziert haben. Das ist nicht der gerechte Rechtsstaat, den wir uns vorstellen, sondern das ist ein sozialistischer Umverteilungsstaat. Doch diesen lehnen wir ab!

Nun gehe ich noch einmal auf das Thema der Individualbesteuerung ein. Wir erachten diese nicht als familienfreundlich. Wir würden eine Familienbesteuerung befürworten, bei welcher es für jedes Mitglied in der Familie ein Existenzminimum gibt.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel für die Ungerechtigkeit der Individualbesteuerung bei der letzten Steuerreform. Bei einem Alleinverdiener hat die Familie einmal von der Steuerreform profitiert. Wenn zwei Verdiener in der Familie sind, so hat die Familie zweimal von der Steuerreform profitiert. Also die Familie mit einem Alleinverdiener mit Frau und drei Kindern hat einmal profitiert, und die Familie, wo Mann und Frau arbeiten, hat zweimal profitiert.

Mir tut es sehr leid, daß sich Herr Familienminister Bartenstein heute vormittag wieder auf die Individualbesteuerung, die wir in Österreich zugegebenermaßen schon recht lange haben, festgelegt hat und er keine Annäherung Richtung Existenzsicherung aller Familienmitglieder gemacht hat.

Abschließend möchte ich noch sagen: Man soll die Familienpolitik nicht rein auf steuertechnische Aspekte reduzieren. Familienpolitik muß ganz woanders beginnen. Da muß man sich einmal fragen, welche Einstellung denn der Staat zu einer Gemeinschaft hat. Will er die Ehe oder will er eine andere Form der Lebensgemeinschaft? Will er beide gleichstellen und damit


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den Menschen eine Wahlmöglichkeit nehmen? Will er auch Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Partnern mit allen Konsequenzen – bis zur Wohnbauförderung, bis zur Adoptionsmöglichkeit et cetera? Da sollte einmal eine Zieldefinition stattfinden!

Das zweite Problemfeld – Kollegin Mühlwerth hat es schon angesprochen – sind die finanziellen und wohnungsmäßigen Rahmenbedingungen. Die heutige Wohnform ist auf die Kleinfamilie ausgelegt. Es kann sich jemand nicht mehr als ein, zwei Kinder leisten, weil er mehr gar nicht unterbringen kann. Es ist ein generationsübergreifendes Leben nicht mehr möglich und leider auch von der heute herrschenden Politik offensichtlich nicht erwünscht, weil der Häuselbauer heute ins Eck gestellt und der verdichtete Wohnbau immer mehr propagiert wird.

Es geht auch um die Problembewältigung. Schauen wir uns doch einmal an, wie viele Scheidungen es heutzutage in Österreich gibt! Fast jede dritte Ehe wird geschieden. Auch da müßte man irgendwelche Regelungsinstrumentarien schaffen, denn die Leidtragenden sind nicht nur die Ehepartner, sondern die Leidtragenden sind in erster Linie die Kinder, und durch Scheidungen kommen oft psychische Krüppel heraus, die ihr Leben nach dieser mißlichen Situation ihrer Eltern wieder selbständig bewältigen müssen.

Deshalb meine ich, daß Familienpolitik viel umfassender gesehen werden muß, daß man die Rahmenbedingungen neu definieren muß, daß man die steuerlichen Bedingungen richtigstellen und gerechter gestalten muß. Schaffen Sie stabile Familien, damit schaffen Sie stabile Gemeinschaften, und diese stabilen Gemeinschaften sind viel weniger abhängig vom Staat und können dann selbständig und eigenverantwortlich entscheiden und existieren! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister Rudolf Edlinger hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.25

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe natürlich die Diskussion mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt und möchte zunächst einmal feststellen, daß für mich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und der dadurch entstehende Zwang, eine Lösung, die den verfassungsgerichtlichen Überlegungen entspricht, zu finden, außer Zweifel stehen.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß in der Diskussion ein Aspekt dieses verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses verlorengegangen ist, nämlich jener, daß eine exakte Veränderung der Familienbesteuerung gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes einen Betrag von 500 Millionen Schilling erfordern würde. Der Verfassungsgerichtshof kritisiert nämlich lediglich, daß bei höheren Einkommen bei älteren Kindern jener Zustand eintritt, der offenbar in der öffentlichen Diskussion verallgemeinert wird.

Warum gehen wir eigentlich diesen fiskalpolitisch relativ einfachen Weg nicht? – 500 Millionen Schilling zusätzlich aufzuwenden, wäre bei aller Sparsamkeit, die ich beim Vollzug des Budgets auch weiterhin an den Tag legen muß, nämlich leicht möglich. Das läge auch im Rahmen der Gestion des Budgets 1999.

Was wir aber nicht wollen, ist der gesellschaftspolitische Effekt, der dadurch entsteht, nämlich daß dann tatsächlich jenen, die es meiner Meinung nach am meisten notwendig haben, geholfen wird. Alle Studien, die davon ausgehen, wer sich wann und unter welchem Aspekt an der Armutsgrenze befindet, zwingen geradezu zu einer Lösung, die letztendlich jenen entgegenkommt und jenen hilft, die sich tatsächlich am Rande der Armutsgrenze bewegen, und das ist keinesfalls abhängig von der Zahl der Kinder, sondern das ist zu einem gut Teil abhängig vom Vermögen und vom Einkommen jener Familie, in der ein Kind aufwächst.

Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat Mag. Wilfing, haben offensichtlich eine andere Erfahrung gemacht als ich. Ich bin auch Vater dreier Kinder, und ich habe meine Kinder zu einem Zeitpunkt aufziehen müssen, als ich noch nicht in der Politik tätig war, sondern Arbeiter in einer Druckerei.


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Damals gab es wesentlich niedrigere Kinderbeihilfen, als es sie heute im Verhältnis zu meinem damaligen Einkommen gibt.

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht gesagt, daß ein Kind teurer ist als zwei oder drei, wie Sie es interpretieren, sondern ich habe gesagt, daß das erste Kind für mich das teuerste war. Das erste Kind war deshalb für mich das teuerste, weil ich eine größere Wohnung suchen und vom Kinderbett über den Kinderwagen bis zur Babyausstattung alles kaufen mußte. Es war nämlich bei mir zumindest nicht so, daß mein erstes Kind die Strampelhosen meines zweiten Kindes tragen konnte, sondern umgekehrt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich gehe davon aus, daß mit dem ersten Kind in der Regel eine Jungfamilie anfängt, die sich in der Phase der Existenzgründung befindet, die auch von der psychologischen Situation her zu erheblichen Veränderungen der individuellen Lebensgestaltung der Jungfamilie führt. Daher meine ich, daß wir ein Familienförderungssystem entwickeln müssen, das dieser ganz schwierigen Anfangsphase einer Familie entgegenkommt.

Einer der sehr geehrten Herren Bundesräte hat darauf hingewiesen, daß die Scheidungsquote sehr hoch ist. Niemand ist darüber glücklich, daß angeblich – ich spreche jetzt dem Herrn Bundesrat nach, der das gesagt hat, ich habe das nicht überprüft – jede dritte Ehe geschieden wird. Ich weise allerdings als Finanzminister die Verantwortung dafür zurück. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das möchte ich schon mit aller Deutlichkeit sagen. Aber es macht mich betroffen. Das ist überhaupt keine Frage. Aus Studien und Unterlagen, die mir zugängig sind, geht hervor, daß die Scheidungsquote in zwei Lebensphasen besonders hoch ist, und zwar zu Beginn einer Ehe, da eine Reihe von Faktoren eine Rolle spielen, und dann später, wenn den einen oder anderen nachhaltig der Hafer sticht. Das ist oft die zweite Ursache, die die Scheidungsquoten steigen läßt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Als Politiker bin ich natürlich für beide Umstände nicht zuständig. Sie haben mir das auch nicht unterstellt. Ich würde auch diese Kompetenz nicht übernehmen.

Ich möchte nun wieder auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu sprechen kommen. Man kann aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eindeutig auch ableiten, daß Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe von der Wirkung her gleich sind. Es wird auch gleich ausgezahlt. Für mich ist daher die Familienbeihilfe absolut als Steueräquivalent zu bezeichnen. Denn es geht nicht darum, mit welchem Mascherl die Hilfe für die Familien versehen wird, sondern darum, daß Familien geholfen wird, und in dieser Weise sehe ich auch den Kompromiß.

Ich habe in meiner Beantwortung der dringlichen Anfrage – vielleicht zuwenig deutlich, aber doch unüberhörbar; Sie können es nachlesen – gemeint, daß bei der Erstellung aller Vorschläge, die in der Öffentlichkeit oder vielleicht auch in Parteiengesprächen gemacht werden, auf einen Aspekt nicht vergessen werden darf, nämlich darauf, daß in der Gestaltung aktiver Politik und so auch der Familienpolitik die Kreativität dort nicht aussetzen darf – vor allem dann, wenn man seriös bleiben möchte –, wo es darum geht, die Frage zu beantworten, woher wir das Geld nehmen. Politik ist bekannterweise die Kunst des Machbaren, und darum geht es.

Der sozialdemokratische Vorschlag geht von einem exakten Finanzierungsvorschlag aus, und ich bin guter Dinge, daß auch die Österreichische Volkspartei ihre Vorschläge, die ich durchaus respektiere und anerkenne, mit den entsprechenden Finanzierungsvorschlägen unterlegt. Diese dürfen allerdings nicht so sein, daß man mit der lapidaren Feststellung "Vorgriff auf die Steuerreform" vergißt, daß wir auch ein Budget 1999 zu erstellen haben. Ein Vorgriff darf nicht nur ausgabenseitig oder in der Verminderung von Einnahmen zum Ausdruck kommen, weil wir sonst jene Stabilitätskriterien, die auch ein wichtiger Aspekt in der Politik der nächsten Jahre sind, nicht aufrechterhalten können.

Meine Damen und Herren! Es sind allerdings die vielen Vorschläge, die im Zusammenhang mit der Steuerreform 2000 bislang an mich herangetragen wurden – alle legitim, alle unter bestimmten Gesichtspunkten auch mit einem Individualprimat versehen –, allesamt nicht machbar.


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Wir haben – und ich sehe das als wirtschaftspolitische Maßnahme – in der Herausforderung der Aufnahme des internationalen Wettbewerbes alles daranzusetzen, daß wir jene Voraussetzung, die für Familienpolitik extrem wichtig ist, schaffen, nämlich daß es möglich ist, daß die Menschen Arbeit in unserem Lande finden. Daher müssen wir die Steuerreform und alle Möglichkeiten, die es dazu gibt, nutzen, dort steuerlich zu entlasten, wo der Wettbewerb am stärksten zuschlägt.

Es ist überhaupt keine Frage, daß der Faktor Arbeit in Österreich – nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern der Europäischen Union – im Vergleich zu jenen Wirtschaftsräumen, die unter anderen sozial- und lohnpolitischen und sonstigen Rahmenbedingungen produzieren, eine große Rolle spielt, denn unsere Produkte treten auf den Weltmärkten in Konkurrenz. Wir müssen daher alle Möglichkeiten, die wir haben, zur Standortsicherung unseres Landes und zur Innovation im wirtschaftlichen Bereich nützen.

Ich sage noch einmal, daß ich für alle Vorschläge, die in der Diskussion gemacht werden, dann offen bin, wenn ich persönlich davon überzeugt bin, daß hinter einem Vorschlag auch die Realität der Vollziehung steht. Da ist es nämlich nicht vornehm, wenn man nicht über Geld redet, sondern leichtfertig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir alle Vorschläge, die zur Steuerreform eingebracht wurden, mit großem Interesse angehört. Eine Steuerreformdebatte werden wir sicher im nächsten Jahr zu führen haben.

Ich möchte jetzt auf einzelne Vorschläge, wie Steuer durch Familiensplitting und ähnliches mehr, gar nicht eingehen. Aber eines möchte ich doch sagen: Wenn ich, sehr geehrter Herr Bundesrat Dr. Harring, beispielsweise alle Vorschläge, die in den Konzepten der Freiheitlichen Partei enthalten sind – diese studiere ich nämlich merkwürdigerweise auch (Bundesrat Dr. Harring: Das ehrt Sie!) –, umsetzen müßte, dann würde ich mich als Finanzminister nicht in der Lage sehen, ein Budget zu erstellen, das auch auf die sozialen Notwendigkeiten, für die die Ausgaben letztendlich auch von einem Bundesbudget gedeckt werden müssen, Rücksicht nimmt. Dem, der das bewerkstelligen müßte, könnte ich nur alles Gute wünschen.

Ich möchte im Zusammenhang mit dem Diskussionsbeitrag der Frau Bundesrätin Mühlwerth nur zwei Bemerkungen machen. Erstens: Ich glaube nicht, daß Ihre These, daß die Frauen nicht arbeiten gehen wollen, sondern arbeiten gehen müssen, der Realität entspricht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist das Ergebnis einer Befragung!) Ich glaube, daß immer mehr Frauen – das ist meine Erfahrung – arbeiten gehen wollen, weil es auch zum Selbstverständnis einer Persönlichkeitsentwicklung gehört. (Bundesrätin Mühlwerth: Das muß den Frauen überlassen bleiben!) Ich diskriminiere damit nicht jene Frauen, die sich entscheiden, zu Hause zu bleiben. Ich stelle das gar nicht einmal ideologisch fest, sondern das ist ein Faktum.

Wenn ich mir meine eigenen Töchter oder beispielsweise die Freunde und Freundinnen meiner Kinder anschaue, dann stelle ich fest, daß es immer weniger Angehörige der nachfolgenden Generationen gibt, die sich eigentlich das Ziel ihres zukünftigen Lebens so vorstellen, daß sie sich in einer mehr oder weniger subjektiven oder objektiven Abhängigkeit von einem Familienerhalter befinden. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht um die Wahlmöglichkeit!)

Ja, es geht um die Wahlmöglichkeit. Gerade dem entspricht auch diese Überlegung. Zum Wählen gehören nämlich auch Ressourcen.

Ich kenne Familien, wo sich beide Partner entscheiden können, arbeiten gehen zu wollen, obwohl sie Kinder haben, ohne daß sie auch nur auf eine einzige Kinderbetreuungseinrichtung angewiesen sind. Ich kenne aber viele Familien, wo die Voraussetzung, daß die Frau zur Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit durch das Gefühl des Gebrauchtwerdens auch im Bereich der Wirtschaft arbeiten gehen kann, sehr wohl das Vorhandensein von Kinderbetreuungseinrichtungen ist. Daher ist es mir ein ganz ernstes Anliegen und auch inkludierter Bestandteil jener Überlegungen, die wir vorgestellt haben, in diesem Bereich die sozialen infrastrukturellen Einrichtungen zu verdichten, sodaß mehr Frauen die Möglichkeit haben, nicht nur wählen zu wollen, son


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dern auch wählen zu können. Das ist ein ganz entscheidender gesellschaftspolitischer Anstrich unserer Überlegungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuletzt eine Bemerkung zum Diskussionsbeitrag des Herrn Bundesrates DDr. Königshofer: Ich habe wirklich mit großem Interesse der Dramaturgie Ihres Diskussionsbeitrages gelauscht. Zuerst dem Beispiel mit den zwei Familienmitgliedern, die pro Person 25 000 S zur Verfügung haben, und den fünf, die nur 7 000 S haben, und dann Ihrer weiteren Darlegung, bis es schließlich offenbar so kam, wie man es manchmal in Fernsehserien sieht – Blackout, Fortsetzung folgt. Denn welche Konsequenz ziehen Sie eigentlich daraus? Welche Konsequenz hat das für die Finanzierungsquelle? Haben Sie gemeint, und haben Sie mir damit vorgeschlagen, ich möge die zwei, die 25 000 S pro Person haben, in eine stärkere Steuerprogression bringen, um die Unterstützung für diejenigen, die bei fünf Familienmitgliedern nur über je 7 000 S verfügen, finanzieren zu können? (Bundesrat DDr. Königshofer: Ich wollte das Problem aufzeigen!)

Ja, das ist nett! Das erkenne ich auch. Aber ein Problem aufzuzeigen hat nur dann einen Sinn, wenn Sie auch eine Lösung vorschlagen. Dazu möchte ich Ihnen eines sagen: Das Budget entsteht nicht von selbst. Das Budget besteht nicht nur aus einer Ausgabenseite, sondern es besteht auch aus der mitunter sehr unangenehmen einnahmenseitigen Position, und es ist mit der politischen Notwendigkeit verbunden, auch – um Politik machen zu können – einnahmenseitige Positionen zu vertreten. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir sehr wohl familienpolitisch bereits vorgezogen etwas tun müssen und daß jener Auftrag, den ich der Steuerreformkommission zur Planung für 2000 erteilt habe, sehr wohl den familienpolitischen Aspekt enthält: mit dem Schwerpunktfaktor Arbeit, der Überprüfung der Kapitalbesteuerung, der Ökologisierung des Systems, der Überlegung zur Erbschaftssteuer, Grundsteuer und allen diesen Dingen, ohne Tabuisierung und ohne Auftrag in irgendeine bestimmte Richtung, und mit der Familienbesteuerung.

Ich möchte hinzufügen, daß die Konvergenzkompatibilität ein entscheidender Faktor ist. Denn eine gewisse Art von Finanzpolitik werde ich nicht machen. Obwohl ich nicht nur – wie Sie mir zubilligen werden – ein weises, sondern auch schon ein weißes, vielleicht auch ein haarloses Haupt habe und daher möglicherweise meine Zukunftspositionen als Politiker nicht mehr jahrzehntelang andauern werden, werde ich eines nicht tun: eine Nach-mir-die-Sintflut-Politik machen. Ich möchte nämlich, daß jene Finanzminister, die nach mir kommen werden, mich auch dann noch grüßen, wenn ich einmal auf dem Pfründnerbankerl sitze. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat DDr. Königshofer: Diese Einstellung haben wir an Ihrem Vorgänger vermißt!)

17.43

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

17.43

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben heute einen interessanten Tag erlebt: heute morgen die Diskussionen rund um Familienförderung und neue Besteuerungsmaßnahmen mit Herrn Minister Bartenstein und jetzt aufgrund der dringlichen Anfrage wieder eine interessante Diskussion, aus der ich aber heraushöre, daß der Entschließungsantrag, den die Freiheitlichen gestellt haben, eigentlich nicht notwendig ist. (Bundesminister Edlinger: Das ist wahr!) Ich empfehle Ihnen daher, diesen Entschließungsantrag zurückzuziehen, und begründe das ganz besonders damit ... (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist peinlich! Das ist Ihnen unangenehm!)

Das wissen Sie auch! Ich begründe das damit, daß der Verfassungsgerichtshof den Zeitraum vorgegeben hat, der den Regierungsparteien als Handlungsspielraum zur Verfügung steht. Diesen Handlungsspielraum wird die Regierung einhalten, weil sie ihn einhalten muß. (Bundesminister Edlinger: Und will!) Ich denke, daß dieser Ihr Antrag einem Drang zu Aktionismus ent


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sprungen und daher ganz einfach entbehrlich ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.44

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen zu dieser Anfrage liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend verfassungskonforme Reform der Familienbesteuerung ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Ludwig Bieringer: Wir setzen die Verhandlungen über den 5. Punkt der Tagesordnung – Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich – fort.

Zum Wort kommt Herr Bundesrat Erhard Meier.

17.46

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zum Tourismusbericht 1996 möchte ich einleitend feststellen, daß wir uns bemühen sollten, Berichte immer im darauffolgenden Kalenderjahr zu behandeln. Dieser Bericht war schon im Juli fertig. Andernfalls diskutieren wir immer über alte Zahlen. Auch im Ausschuß ist bei Beantwortungen immer wieder mit Zahlen aus dem Jahr 1997 argumentiert worden.

Die inhaltliche Straffung, die statt langer Zahlenkolonnen mehr tourismusrelevante Informationen in diesen Bericht bringt, ist sehr zu begrüßen.

Zu Beginn weiters eine kleine Bemerkung zur Einleitung, in der geschrieben steht, daß "dem Nationalrat" berichtet wird. Ich bitte, außerdem anzuführen, daß man diesen Bericht auch dem Bundesrat vorlegt. Dabei geht es nicht um unsere Eitelkeit, sondern das Parlament besteht eben aus zwei Kammern. Auch im Bundesrat wird dieser Bericht – manchmal früher als im Nationalrat – behandelt, weil wir eben nicht nur an der Gesetzgebung beteiligt, sondern auch in der Kontrolle zwischen Exekutive und Bürger tätig sind.

Im Tourismus haben die Bundesländer weitgehende Kompetenzen, daher ist eine Zusammenarbeit unbedingt notwendig: einerseits zwischen den Ländern mit ihren Landes-Tourismusverbänden, den Landesholdings – dort, wo es solche gibt –, den Tourismus- und Wirtschaftsressorts der Landesregierungen und den Landeswerbungen, kurzum mit all dem, was wir unter dem Begriff "Land" zusammenfassen können, und andererseits dem Bund, also dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, der Österreich-Werbung, deren Zusammensetzung wir ja kennen, der Tourismusförderung, voran der Österreichischen Hotel- und Fremdenverkehrs-Treuhandgesellschaft und der BÜRGES Förderungsbank. Nur wenn wir alle versuchen, unsere Tätigkeit dabei zu koordinieren, werden wir mit den vorhandenen Ressourcen bestmögliche Ergebnisse erzielen.

Es gibt auch in Österreich verschiedenste Entwicklungen. Zweifellos ist ein hoher Anpassungsdruck für – unter Anführungszeichen – "alte" Tourismusgebiete mit vielen Klein- und Mittelbe


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trieben gegeben. Die Region des Salzkammergutes – ich komme von dort – ist auch ein Beispiel dafür. Auf der anderen Seite gibt es neue Entwicklungen beispielsweise in der Oststeiermark mit dem Hundertwasser- und Rogner-Projekt, das bereits jetzt sehr gut ausgelastet ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Aber schon pleite war!) Ich hoffe, daß nach diesen Anfangsschwierigkeiten der wirtschaftliche Erfolg gegeben sein wird.

Um im globalen Wettbewerb wirklich mithalten zu können, brauchen wir horizontale, vertikale und womöglich auch diagonale Kooperationen. Wichtig scheint mir die Betrachtungsweise des Tourismus zu sein. Erstens geht es um dessen makroökonomische Bedeutung, das heißt, daß es Gesamtkonzepte für die Werbung nach außen – auch über Österreich hinaus – und Schwerpunkte der finanziellen Förderung geben soll. Zweitens muß eine Gesamtschau der Detailangebote mit regionalspezifischen Schwerpunkten vorhanden sein, die dem Interessenten zugänglich zu sein hat, ob das jetzt die Österreich-Werbung ist oder ob es Tourismus-Messen, Reiseveranstalter, Hotelorganisationen, Sportorganisationen und so weiter sind.

Drittens ist es notwendig, in einer entsprechenden Gewichtung der Sparten des Tourismus die Vielfalt des österreichischen Angebotes aufzuzeigen, zu unterstützen und zu bewerben. Solche Sparten sind – ich möchte sie ohne qualitative Reihung aufzählen – gerade jetzt der Wintersport, von dem wir aufgrund der dort erzielten Erfolge hoffentlich auch wirtschaftlich profitieren werden, aber selbstverständlich auch der Sommersport, Freizeitsport und Sportevents, eine starke Einbindung der österreichischen Umweltqualitäten bis hin zu den Naturparks, weiters der Kunst-, Kultur-, Festival- und Städtetourismus, nicht zu vergessen der Kur-, Erholungs- und Gesundheitstourismus und das Angebot für Senioren, ebenso die Gastlichkeit in allen Variationen bis hin zu unseren kulinarischen Spezialitäten und außerdem der wichtige Bereich des Tourismus der Kongresse und Tagungen, der Seminare und der Ausbildung.

Diesen drei Punkten möchte ich einen hinzufügen, der in offiziellen Berichten nicht vorkommt, und ihn besonders hervorheben: Er betrifft die privaten und unbezahlten Aktivitäten von Vereinsmitgliedern, von vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus der Bevölkerung in Gemeinden, Bezirken und Regionen. Wenn wir diese Unterstützung, die dem Gast sehr viel bieten kann, nicht hätten, könnten wir viele Veranstaltungen nicht durchführen. Ich ziehe jetzt nur drei aus meiner Region als Beispiele heran, aber das gilt für ganz Österreich: Man könnte heute keine FIS-Veranstaltungen und Weltmeisterschaften wie zuletzt etwa im Gebiet von Ramsau und Schladming durchführen. Auch ein Schifliegen am Kulm in Bad Mitterndorf/Tauplitz oder das Narzissenfest im Ausseerland wären unmöglich, ohne daß es viele Leute gibt, die daran mitwirken. Das gilt für alle Bundesländer.

Wichtig ist, daß wir die Nahtstelle zwischen dem professionellen Management, das es wegen der Größe, des Umfanges und der notwendigen Verantwortung zweifellos geben muß, und den ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht zu einer Bruchstelle werden lassen, sondern immer die Verbindung herstellen, damit der gesamte Tourismus von allen getragen wird. Denn wir alle haben direkt oder indirekt etwas vom Tourismus, auch Berufe, die nicht – wie die Gastwirtschaft oder die Vermietung bis hin zur Bootsvermietung – direkt damit zu tun haben, sei es der Transportbereich oder was auch immer; ich will nicht damit beginnen, sie alle aufzuzählen. Alle profitieren vom Tourismus, sei es vom inländischen oder vom ausländischen.

Der Tourismusbericht 1996 nimmt auch Bezug auf die Aktivitäten und Programme des Bundes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten. Ich möchte nicht im einzelnen darauf eingehen. Aber es gibt in der Praxis – das hat nicht direkt mit dem Bericht zu tun – immer wieder Reibungsverluste, wenn man sich bei der Durchführung eines Vorhabens uneinig ist. Da gibt es von Siemens ein Hotelprojekt in Loipersdorf, eine stattliche Anzahl von Betten in einer Wachstumsregion. Die oststeirische Region ist zweifellos eine Wachstumsregion gewesen, und dort haben wir auch unsere größten Zuwächse. Sie ließen die Steiermark während der Tourismusentwicklung der letzten Jahre relativ glimpflich davonkommen. Aber gegen dieses Projekt hat es Widerstand von seiten der anderen Hoteliers gegeben, weil damit ein weiteres Hotel hinzukommt. Sie sind zum zuständigen Landesrat Payerl gegangen und haben verlangt: Bremst das ein bißchen, wir brauchen dieses Hotel nicht mehr!


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Ich weiß genau, daß Überkapazitäten auch gefährlich sind. Das ist auf den verschiedensten Gebieten so, auch dort, wo es zu viele Betten oder zu viele Lifte sind. Aber ich denke, daß es gerade in dieser Entwicklungsregion noch möglich wäre, einen solchen Beherbergungsbetrieb zu errichten. Denn das bringt während der Bauzeit Arbeitsplätze, dadurch werden Dauerarbeitsplätze geschaffen, das wird wegen der Betreuung durch eine überregionale Organisation wie die Intercontinental sicherlich einen Anteil internationaler Gäste bringen und den Qualitätsstandard anheben. Oft habe ich den Eindruck, daß die Schaffung neuer Einrichtungen verhindert wird, weil man mit der eigenen Qualität nicht mehr mithalten kann. Sehr oft hat sich aber ein zusätzliches Angebot bewährt, weil der allgemeine Standard dadurch gestiegen ist.

Ich glaube, nicht nur in diesem Fall, sondern allgemein sagen zu können, daß im Tourismus jede Kirchturmpolitik, jede kleinkarierte Konkurrenzangst oder auch eine parteipolitisch eingeengte Sicht schädlich ist. Wir wissen es von den Prospekten: Die Kirchtürme sehen für Norddeutsche im wesentlich überall gleich aus, der Tennisplatz auch und ebenso die Schlammpackung in einer Kuranstalt. Es kommt also auf spezielle Einrichtungen und auf die Zusammenarbeit ganzer Regionen an, denn kleinste Einheiten werden vom Gast, der aus dem Ausland kommt, gar nicht als solche wahrgenommen. Er sucht die Region.

Ich habe mir aufgeschrieben: Wir müssen an einem Strang ziehen! Später habe ich herausgefunden, daß unser Bulletin, das Fachmagazin der Österreich-Werbung, ebenso schreibt: An einem Strang ziehen! Wir wissen, daß das im Tourismus noch wichtiger ist als in anderen Bereichen.

Die Ergebnisse des Jahres 1996 sind nicht gerade erfreulich gewesen, obwohl die Nächtigungszahlen allein – das ist heute schon gesagt worden – nicht das Maß aller Dinge sind. Aber die Übernachtungen lassen sich erstens am leichtesten zählen, und zweitens werden die Fremdenverkehrsabgaben nach den Übernachtungen berechnet. Aber es ist richtig, daß es auch von anderen Dingen abhängt – vor allem davon, wieviel Geld dort ausgegeben wird –, von welchem wirtschaftlichen Erfolg wir im Tourismus sprechen können. Die Tourismuswirtschaft brachte im Jahre 1996 immerhin 179,6 Milliarden Schilling Umsatz. Das ist sogar ein wenig höher als im Jahr 1995, wenn auch nicht sehr viel, und das ist sehr bedeutend. Wenn man Tourismus und Freizeit zusammenzählt, waren es im Jahr 396 Milliarden Schilling 1995, wobei zwischen Tourismus und Freizeit oft nicht zu unterscheiden ist. Freizeit ist das, was man sozusagen ohne Übernachtung erledigen kann. Aber es dient auch dem Touristen und dem Gast, wenn er zu uns kommt.

Selbstverständlich sehen wir uns auch konkreten Gegenströmungen gegenüber, für die wir nichts können. Das sind sicherlich die Billigreisen ins Ausland, das ist der Wunsch, auf die Seychellen zu reisen, das sind günstige Wechselkurse, wenn es zu Abwertungen kommt, aber das ist auch die steigende Arbeitslosigkeit in Österreich oder in Deutschland, sodaß die Leute nicht mehr das Geld zum Reisen haben. Dadurch gehen die Übernachtungen und die Aufenthaltsdauer zurück. Selbstverständlich liegt es oft auch an teuren Inlandsangeboten, aber abgesehen davon gibt es vielleicht auch zuwenig Pauschalangebote. Als Gast will man möglichst viel auf einmal erledigt haben und nicht wegen jeder Kleinigkeit ins Geldbörsel greifen müssen. Das heißt, wir müssen uns immer wieder vornehmen, dem Gast durch pauschale Angebote seinen Aufenthalt bei uns zu erleichtern.

Ich denke, daß sich jetzt bereits eine kleine Besserung abzeichnet. Leider erleben wir soeben einen sehr schneearmen Winter. Das ist für Autofahrer sehr angenehm, für Skifahrer aber nicht. Gott sei Dank waren dort, wo es Schnee gab, auch sehr viele Gäste. Es war für sie freilich zu eng, und die Pisten waren glatt, eisig und nicht im besten Zustand. Aber es gibt auch – so in unserer Region – recht gute und erfolgversprechende Zahlen im bisherigen Winter, selbst wenn es leider zuwenig Schnee gegeben hat. Die Touristen haben daher höhere Regionen bevorzugt.

Ich füge das deshalb hinzu, weil Optimismus im Tourismus immer notwendig ist. Der Tourismus ist vielgestaltig, und es kommt auf viele Dinge an. Eine negative Einstellung – die Meinung, daß man es ohnehin nicht schaffen wird – bringt mehr Schaden, als wenn man positiv an die Sache herangeht. Freilich weiß ich genau, daß es um das Eigenkapital geht – dieses läßt sich nicht mit


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Optimismus herbeischaffen –, daß es um Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung, Verkehrschancen und so weiter geht, auch um die Konstruktion der Fördermöglichkeiten, wenn man den Tourismus unterstützen will. Aber ich glaube, daß nach der Talsohle – insbesondere des Jahres 1996 – ab 1997 wieder Chancen bestehen, mit diesem An-einem-Strang-Ziehen und mit den Bemühungen der Österreich-Werbung – sie würde selbstverständlich stets mehr Geld brauchen, das ist mir klar – die Lage der österreichischen Tourismuswirtschaft zu verbessern.

Auf eines, das ich vorhin angeschnitten habe, möchte ich zum Abschluß noch einmal hinweisen: Der Tourismus darf sich nicht in zu viele kleine Einheiten aufspalten. Wir müssen über diese Kirchturmpolitik hinauskommen. Beim Tourismusgesetz der Steiermark wurde vielleicht die Pflicht des Zusammenschlusses zu etwas größeren Verbänden zuwenig verankert, denn kleinere Verbände sind personalintensiv und werbeintensiv. Wie gesagt: Der Gast aus dem Ruhrgebiet sieht sehr wenig Unterschied zwischen Bad Ischl und Bad Aussee. Er fährt ins Salzkammergut oder ins Mühlviertel oder ins Tiroler Land oder wohin immer, um nur einiges beispielhaft aufzuzählen.

Ich hoffe und wünsche in unser aller Interesse, daß wir gerade in diesem wichtigen Zweig, in dem Österreich in seiner Dichte innerhalb Europas immer noch führend ist, auch in der Zukunft eine weitere gute Entwicklung nehmen werden. Meine Fraktion wird den Tourismusbericht 1996 gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.02

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile es ihm.

18.02

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns heute im Bundesrat mit dem Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft beschäftigen, möchte ich mich eingangs bei all jenen bedanken, die dazu beigetragen haben, daß wir diesen Bericht in Händen haben. Mir ist nur aufgefallen, daß er etwas dünner ausgefallen ist als in den Jahren zuvor. Aber ich glaube, Herr Minister, das ist dadurch bedingt, daß einige Zahlen des Wifo nicht mehr verankert sind. Eines ist jedenfalls klar: Ob ein Bericht dünn oder dick ist – jeder Bericht kann positiv und negativ gesehen werden. Es hängt meiner Meinung nach stark vom jeweiligen Betrachter ab, wie damit umgegangen wird.

Gestatten Sie mir, daß ich, da ich eigentlich schon seit frühester Kindheit mit dem Tourismus, mit dem – wie es damals noch geheißen hat – sogenannten "Fremdenverkehr" konfrontiert war, weil meine Mutter eine Privatzimmervermietung gehabt hat, und ich alle Höhen und Tiefen eines Vermieters miterlebt habe, mit einem Rückblick beginne, damit erkennbar wird, wie sich die österreichische Tourismus- und Freizeitwirtschaft aufgebaut hat.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg hat man in Österreich erkannt, daß die Tourismus- und Freizeitwirtschaft eine notwendige Sache ist, obwohl das damals noch andere Namen gehabt hat. Sie nimmt seit dieser Zeit eine herausragende Stellung im internationalen Wettbewerb ein beziehungsweise hat diese erobert. Das kommt aber nicht von ungefähr; viel Fleiß hat sicher auch dazugehört.

Österreich zählt zu den tourismusintensivsten Ländern der Welt. Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft hat damit auch in der österreichischen Volkswirtschaft eine zentrale Bedeutung für die Einkommens- und Beschäftigungssicherung sowie für den Leistungsbilanzausgleich erlangt. Zu Beginn der neunziger Jahre war jedoch der Einfluß der internationalen Rezession auf den Tourismus- und Freizeitsektor sowie einige akut werdenden Strukturprobleme im Angebotsbereich nicht zu übersehen. Es ist im Tourismus eben so, daß oft kräftige Rückschläge in Kauf genommen werden müssen, die in erster Linie auf Sonderfaktoren zurückzuführen sind, und das Groteske ist, daß die österreichische Tourismuswirtschaft diese Auswirkungen nicht aus eigener Kraft ausgleichen kann. Schuld daran sind oft rückläufige Nettorealeinkommen, Währungsabwertungen in einigen wichtigen Konkurrenzländern sowie der Einbruch der Flugtarife, erhebliche Rückgänge in der Nachfrage nach Österreich-Aufenthalten und einiges mehr.


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Eine oberflächliche Betrachtung des Berichtes könnte aber zu dem Schluß verleiten, daß die Statistik eine Tourismuskrise signalisiert. Ich sehe es daher als meine Aufgabe, darüber einige Worte zu verlieren, damit wir nicht Dinge schlechtmachen, die es in Wahrheit nicht sind, oder in Jammern und Wehklagen verfallen. Es hilft, wenn es um den Tourismus geht, weder ein Krankjammern noch ein Gesundbeten, denn es sind all jene, die damit mittelbar oder unmittelbar zu tun haben, gefordert.

Bei jeder Statistik und bei jedem Bericht ist aber auch ein längerer Zeitraum zu betrachten. Da ich die Berichte der letzten Jahre vorliegen habe, ist mir die Situation Mitte der achtziger Jahre eingefallen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Italien-Fan noch daran, was damals passierte. Es war in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie der Algenplage in der oberen Adria, der Überbewertung der italienischen Lira, der Ostöffnung sowie der EU- und der deutschen Wiedervereinigungseuphorie dort eine Krise begonnen hat, die zum Glück für Österreich einen steilen Aufschwung im Tourismus brachte, der bis 1991 anhielt. 1992 war der Höhepunkt mit einem Umsatz von 190,5 Milliarden Schilling erreicht, und im Anschluß hat eine Abwärtsentwicklung begonnen. Wir hoffen, daß diese 1995 den theoretischen Tiefpunkt erreicht hat, denn 1996 war, wie dem Bericht zu entnehmen ist, wieder ein leichter Anstieg feststellbar.

Diese Fakten signalisieren meiner Meinung nach aber viel eher einen erhöhten Anpassungsbedarf auf hohem Niveau als eine Krise. Die rasche Veränderung der internationalen Wettbewerbsbedingungen hat Strukturschwächen freigelegt, die möglichst rasch entschärft werden müssen.

Die wichtigste Strukturschwäche ist die relative Verteuerung der touristischen Dienstleistungen im Wachstumsprozeß. Das österreichische Tourismusangebot ist leider auch relativ langsam gewachsen und nach den schulferienabhängigen Urlaubs- und Erholungsreisen ausgerichtet. Das gilt insbesondere, wie wir wissen, für unseren Nachbarstaat Deutschland, von dem eine hohe Abhängigkeit besteht. Im Gegensatz zu der starken Abhängigkeit von deutschen Touristen, die im Vergleich mit anderen Zielländern pro Nacht relativ wenig in Österreich ausgeben, ist der Anteil der Übernachtungen von ausgabefreudigen Gästen aus den rasch wachsenden Märkten in Übersee noch sehr gering.

Aber auch Geschmacksveränderungen oder Modeströmungen – südliches Ambiente ist gefragt, Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, Klimafaktoren, Sehnsucht nach Sonne und Sand, Abenteuer- und Entdeckungslust und so weiter – bewirkten eine deutliche Veränderung im Reiseverhalten. Dies gilt insbesondere auch für den deutschen Markt im Bereich der Haupturlaubsreise in Verbindung mit der Verbilligung der Flugpauschalreisen, die mehr oder minder zu einem Ablenkungseffekt geführt haben.

Strukturschwächen und Imagedefizite des Tourismusangebotes – teilweise gibt es zugegebenermaßen einen Nachholbedarf an modernen Attraktionen, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen, fehlende Ansätze in Richtung eines wachstumsorientierten Marketings – haben zwischendurch oft die Vermarktung Österreichs als modernes Urlaubs- und Reiseland erschwert. Ein Großteil des Angebotes ist auch auf einkommensschwache Schichten ausgerichtet, die relativ preis- und konjunkturempfindlich sind. Dies gilt wiederum insbesondere für den deutschen und holländischen Markt.

Österreich hat bezüglich der Angebotsgestaltung und der Vertriebskanäle in den letzten Jahren teilweise den Anschluß an die internationale Entwicklung verloren. Dies gilt insbesondere für den Bereich der elektronischen Informations- und Reservierungssysteme. Ich persönlich bin sehr froh darüber, daß erkennbar ist, daß man da schon auf Aufholjagd, wenn nicht sozusagen schon wieder auf der Überholspur ist. Wenn man aber den Stellenwert in der Gesamtwirtschaft betrachtet, so ist er sicherlich beachtlich.

Die in Österreich getätigten Aufwendungen für Tourismus und Freizeit erreichten 1994 eine Größenordnung von 390,7 Milliarden Schilling, 1995 396,6 Milliarden Schilling, und für 1996 ist laut Expertenmeinung mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Die Lage der österreichischen


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Tourimuswirtschaft aus heutiger Sicht ist daher insgesamt betrachtet trotz regionaler Lichtblicke – ich werde später einen zitieren, Kollege Meier hat das auch schon gemacht – verhältnismäßig ernst, und wir sollten uns darüber Gedanken machen.

Möglicherweise ein Gegengewicht zur unbefriedigenden Tourismusentwicklung, woran wir selbst schuld sind, ist das Freizeitverhalten beziehungsweise der Freizeitkonsum der Österreicher, der an ihrem Wohnort wiederum leicht zunehmend ist, wie auch Kollege Meier schon erklärt hat. Das kommt weniger dem Tourismus, aber erfreulicherweise der Freizeitwirtschaft zugute.

Nach dem Auslandsreiseboom der letzten Jahre hat sich 1996 das Wachstum der im Zuge von Auslandsreisen getätigten Ausgaben wieder abgeschwächt, und gemessen an den Zahlungsströmen im internationalen europäischen Reiseverkehr wird Österreich mittelfristig weiter Positionseinbußen in Kauf nehmen müssen. Gelingt es nicht, neue Wettbewerbsvorteile zu schaffen, wird die österreichische Tourismuswirtschaft ihren im europäischen Vergleich derzeit Gott sei Dank noch überdurchschnittlich hohen gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsanteil vermutlich nicht halten können.

Ich bin dem Wirtschaftsministerium und Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar, daß man Aktivitäten gesetzt hat. Das Wirtschaftsministerium bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten – wie Sie alle wissen, ist der Tourismus nach der Bundesverfassung bekanntlich eine Angelegenheit der Länder und nicht des Bundes –, möglichst günstige Rahmenbedingungen für eine positive Weiterentwicklung des Tourismus herzustellen.

Ich darf besonders darauf hinweisen, daß der Tourismus – obwohl sich das Wirtschaftsministerium damit auseinandersetzt und sich bemüht und sich damit stark beschäftigt – keine reine Wirtschaftstätigkeit darstellt, sondern einen Teil des österreichischen Alltags bildet. Fast jeder Österreicher ist in irgendeiner Form mit dem touristischen Geschehen konfrontiert und sollte sich auch, so glaube ich, dazu ein bißchen verpflichtet fühlen. Ich habe eingangs erwähnt, daß ich damals als kleines Kind unbewußt vermutlich schon meinen Beitrag dazu geleistet habe. Wenn ich auch nur Sommergäste ein bißchen geärgert habe, die sich aber so gefreut haben, daß sie ein Jahr später wieder Gäste bei uns waren, habe ich damals meinen Part vielleicht schon erfüllt.

Primär sind im speziellen Aktivitäten seitens des Ministeriums gesetzt worden: erstens die Qualitätsverbesserung auf allen Ebenen des touristischen Angebotes – diesbezüglich erfolgte vom Wirtschaftsministerium eine entsprechende studienmäßige Aufbereitung. Es wurden nicht nur die wesentlichen Nachfragetrends analysiert, sondern auch die entsprechende Anpassung des Angebotes durchleuchtet.

Zweitens: die Tourismusförderung als solche. Es sind ganz schöne Summen geflossen und ins Budget aufgenommen worden. Im Bereich der Tourismusförderung mußten die Förderungsrichtlinien im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt umgestaltet werden. In einigen Regionen wurden EU-Regionalbüros eingerichtet, da sich die Inhalte geändert haben, vor allem in Richtung der EU-Kofinanzierung, für die neue Richtlinien gekommen sind.

Weiters hat man sich bemüht, Tourismusbetriebe als sichtbares Zeichen des Dankes mit dem österreichischen Umweltzeichen auszustatten, und vieles mehr. Es gibt aber auch Aktivitäten im Bereich der Österreich Werbung durch Budgeterhöhungen – das hat Kollege Meier schon kurz angeschnitten. Wir alle kennen das Sprichwort "Ohne Geld ka Musi" – so ähnlich war es sicherlich auch bei der Österreich Werbung. Dankenswerterweise wurde das Budget erhöht, sodaß unser Land entsprechend beworben werden kann.

Wer macht sonst noch oder wer macht überhaupt die sogenannte Tourismusarbeit in Österreich? – Es sollte sie jeder einzelne machen, wie wir gehört haben – wir wissen aber, daß das nicht immer möglich ist. Trotzdem sind sehr viele freiwillige Arbeitsleistungen erforderlich. Ich bedanke mich bei all jenen kleinen Touristikern in den Gemeinden, die diese Arbeit fast ausschließlich ehrenamtlich machen und viel Freizeit dafür zur Verfügung stellen, um gemeinsam einen Regionalverband zu gründen. Diese Regionalverbände – in der Steiermark sind es zum Beispiel 13 – sind dann wiederum in einem Landesverband zusammengefaßt. Das ist sicherlich


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auf den ersten Blick eine komplexe Organisationsstruktur, aber anscheinend ist es anders nicht zu schaffen.

Ich darf Sie zum Abschluß mit einigen Zahlen "quälen", damit man auch sieht, welche Bedeutung die einzelnen Länder dem Tourismus selbst zumessen mit ihren Budgetansätzen. Die Zahlen gelten bei allen für die Landesverbände.

Burgenland hat 1996 ein Budget von 84 Millionen Schilling gehabt, Kärnten 105 Millionen Schilling, Niederösterreich 47 Millionen Schilling, Oberösterreich 68 Millionen Schilling, Salzburg 57 Millionen Schilling, die Steiermark 36 Millionen Schilling, Tirol 138 Millionen Schilling, Vorarlberg 30 Millionen Schilling und der Wiener Tourismusverband 172 Millionen Schilling. – Das sind respektable Summen, ich begehe aber nicht den Fehler, zu sagen, je weniger an Mitteln vorgesehen ist, desto weniger passiert im Bereich des Tourismus. Das wäre nicht nur ein grober Trugschluß, sondern total falsch, weil es die Bundesländer gewissermaßen verschieden handhaben: Die einen sind der Meinung, man solle mehr für die Werbung ausgeben, die anderen wiederum sind der Meinung, man solle eher Projekte seitens des Landes finanzieren.

Ich wäre ein schlechter steirischer Bundesrat, wenn ich den APA-Bericht über Loipersdorf nicht mit Freude zur Kenntnis genommen hätte – mein Vorredner, Kollege Meier, ebenfalls ein steirischer Bundesrat, hat Loipersdorf kurz angesprochen. Die APA-Meldung vom 12. Jänner 1998 war sehr erfreulich, denn es war zu lesen: "Therme Loipersdorf 1997 mit Umsatzsprung auf 191 Millionen Schilling. Optimismus sorgt 1998 für Großinvestitionen in der Region Loipersdorf." Dann steht weiters geschrieben: "Der boomende Tourismus in der steirischen Thermenregion findet auch im vorläufigen Jahresergebnis 1997 der Therme Loipersdorf seinen Niederschlag. ,Mit einem Zuwachs von 50 000 Besuchern und einen Umsatzplus von 20 Millionen Schilling gegenüber 1996 haben wir die gesteckten Ziele weit überschritten’", heißt es hier von den verantwortlichen Betreibern. "Der Gesamtumsatz erreichte 1997 191 Millionen Schilling (plus 11 Prozent), die Besucherzahl erhöhte sich auf rund 705 000."

Es kommt also nicht von ungefähr, daß den Optimismus in der Thermenregion auch Privatinvestoren teilen, die auf dem Areal der Therme Loipersdorf 1998 mit einem weiteren Großprojekt, das Kollege Meier auch schon angesprochen hat, beginnen werden.

Es ist natürlich klar, daß es diesbezügliche Verhandlungen gibt und daß das Errichter-Konsortium auch gewisse Vorstellungen hat. Das Errichter-Konsortium wird Förderungen aus der steirischen Wirtschaftsförderung sowie einen Kaufpreisnachlaß beim Erwerb des Grundstückes erhalten, und damit, so hoffen wir, wird wiederum eine Erweiterung der Thermenregion stattfinden.

Man hat also so seine Sorgen im Bereich des Tourismus, und ich wäre ein schlechter Bürgermeister von Aflenz/Land, wenn ich nun nicht – da ich von der Österreich Werbung bis zur Steiermark-Werbung gesprochen habe – auch zu meiner Region kommen würde, da ich in meiner Funktion auch viel mit dem Tourismus zu tun habe.

Es hat vor einem Jahr auch bei mir in der Region, in meiner Gemeinde eine private Erkundungsbohrung betreffend Auffindung von Thermalwasser gegeben. Wir wurden fündig, und dann begann die Suche nach Investoren.

Ich habe in diesem Zusammenhang eines gelernt: daß man im Leben die Kraft braucht, Dinge zu verändern, die man verändern kann, die Geduld, Dinge zu ertragen, die man nicht verändern kann, und den Verstand, beides voneinander zu unterscheiden. Ich glaube, wenn wir künftig den Tourismus unter diesem Aspekt sehen, mit der Unterstützung des Wirtschaftsministeriums und unseres Bundesministers in diesem Sinne vorgehen und die klare Aufforderung zur Kenntnis nehmen, daß Tourismus alle angeht, dann wird es, wie ich meine, mit dem Tourismus in Österreich künftig wieder bergauf gehen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)


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18.21

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb. – Bitte.

18.21

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Tourismusbericht zeigt viele Strukturschwächen der österreichischen Tourismuswirtschaft auf. Die Hauptprobleme der Tourismusbetriebe sind leider längst bekannt und wiederholen sich seit mehreren Jahren von Tourismusbericht zu Tourismusbericht. Effiziente Maßnahmen zur Bewältigung dieser Probleme wurden von seiten der Regierung bisher aber leider noch nicht getroffen.

Aus meiner Sicht liegen die wichtigsten Probleme erstens im – international gesehen – schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis der österreichischen Tourismusbetriebe und ganz allgemein in Österreich, zweitens im hohen Verschuldungsgrad der Tourismusbetriebe und drittens in den zum Teil nicht erfüllten Erwartungen unserer Gäste.

Zum ersten Grund: Die Gründe für das schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis Österreichs beziehungsweise der österreichischen Betriebe liegen vor allem in den hohen Lohnnebenkosten, die in den Tourismusbetrieben inklusive Kost und Logis zirka 120 Prozent betragen, sowie in der hohen Besteuerung zum Beispiel von Getränken.

Ein Vergleich mit Deutschland zeigt, daß eine Flasche Bier bei gleichem Abgabepreis der Brauerei in Österreich und der Brauerei in Deutschland sowohl im österreichischen Handel als auch in der österreichischen Gastronomie um bis zu 25 Prozent teurer ist. Ich gehe dabei vom Lebensmittelhandel aus. Bei einem Brauereiabgabepreis von 5,13 S oder 5,14 S kostet dieses Bier bei sonst gleichen Spannen in Österreich aufgrund der höheren Umsatzsteuer, der Getränkesteuer, die es in Deutschland nicht gibt, und der Biersteuer, die in Österreich fast doppelt so hoch ist wie in Deutschland, im Handel 9,20 S, während es in Deutschland nur 7,32 S kostet. Das ist ein Unterschied von 1,90 S. Eine Flasche Bier ist im österreichischen Handel mit 3,43 S besteuert, aber in Deutschland mit nur 1,60 S. Das macht im Verkauf einen Preisunterschied von 25 Prozent aus.

In der Gastronomie ist der Unterschied ähnlich, da kostet ein Krügel Bier bei gleichem Brauereiabgabepreis in Österreich 2,25 Euro oder 31,20 S und in Deutschland 1,83 Euro oder 25,40 S. Das heißt, es wird deutlich eine Preisschwelle überschritten. Die Steuer auf ein Krügel Bier beträgt in Österreich 8,54 S, während sie in Deutschland weniger als die Hälfte, nämlich nur 3,96 S beträgt.

Durch die Einführung des Euro werden künftig sicher mehr Preisvergleiche angestellt. Vor allem werden die Kunden und Konsumenten die Preise leichter vergleichen können und dadurch preissensibler werden, und es wird dem Gast sehr schnell auffallen, daß er in Deutschland für ein Bier 1,83 Euro zahlt, in Österreich aber 2,25 Euro. Dadurch wird das Hochpreisimage der österreichischen Wirtschaft und im speziellen der Tourismuswirtschaft weiterhin negativ verstärkt.

Ich fordere die Regierung daher auf, unseren Betrieben im Hinblick auf diese kommenden Preisvergleiche zumindest eine faire Gleichstellung zu ermöglichen und endlich die antiquierte und im internationalen Umfeld unübliche Getränkesteuer abzuschaffen!

Zum zweiten Punkt, zur Verschuldungsrate der österreichischen Tourismuswirtschaft: Angesichts des verschärften Wettbewerbs ist die Verschuldungskurve weiter gestiegen, wobei das historisch tiefe Zinsniveau nur eine leichte Milderung der Situation bedeutet. Sollten die Zinsen – vor allem bedingt durch die Einführung des Euro – aber wieder steigen – das ist höchstwahrscheinlich oder eigentlich schon fast sicher, wenn man die Forecasts anschaut –, dann ist mit einer dramatischen Verschärfung der Verschuldungssituation in unseren Tourismusbetrieben zu rechnen. Schon jetzt, unter der derzeitigen Zinsbelastung, wird damit gerechnet, daß ein Drittel der Betriebe in nächster in Insolvenz gehen muß.

Das Klima-Belastungspaket hat die Situation leider noch verschärft. Es ist eine Energiesteuer eingeführt worden, die manche Betriebe mit bis zu 150 000 S pro Jahr belastet, und zur Bezahlung der 13. Monatsvorauszahlung zur Umsatzsteuer – das gibt es nur bei der österreichi


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schen Finanz – müssen manche Betriebe sogar einen Kredit aufnehmen, da diese Steuer vor Eröffnung der Saison zu bezahlen ist, wodurch diese Betriebe ein Minuskapital aufweisen.

In vielen Betrieben ist das Eigenkapital längst aufgezehrt. In den Betrieben der Vier- oder Fünfsternkategorie ist die Entschuldungsdauer von elf Jahren im Jahr 1992 auf über 20 Jahre im Jahr 1996 gestiegen. Um diese Eigenkapitalsituation der österreichischen Betriebe zu verbessern, wäre eine Steuerreform und vor allem die von seiten der Freiheitlichen immer wieder geforderte Nichtbesteuerung des investierten und nicht entnommenen Gewinnes unbedingt notwendig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum dritten Problemkreis, wonach das Angebot der österreichischen Tourismuswirtschaft zum Teil nicht die Erwartungen der Gäste erfüllt, ist zu sagen, daß unsere Gäste schon bei der Einreise durch rigide oder zu rigide Mautregelungen und Doppelbemautungen verärgert werden. Diese Verärgerung versucht dann die Österreich Werbung durch teure Imagekampagnen wieder gutzumachen. Dem richtigen Vorstoß des Herrn Wirtschaftsministers wurde leider nicht Folge geleistet, denn er konnte sich mit seinem Entschärfungsversuch in der Regierung leider nicht durchsetzen. – In Österreich werden die Gäste dann durch die zu kurzen Öffnungszeiten der Geschäfte und touristischen Einrichtungen enttäuscht. Da wäre es notwendig, die seit langem geforderten Liberalisierungs- und Flexibilisierungsschritte voranzutreiben.

Ein weiteres Problem für manche Tourismusbetriebe, besonders in Vorarlberg und Tirol, besteht darin, daß in der ohnehin recht kurzen Hauptsaison das zum Vollbetrieb notwendige Personal nicht gefunden werden kann, obwohl in anderen Bundesländern zum Beispiel Köche oder Kellner arbeitslos gemeldet sind. Das heißt, daß die länderübergreifende Vermittlung beim Arbeitsmarktservice keineswegs funktioniert! Diesbezüglich wären die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen. Da – bedingt durch Euro, EU und die allgemeine Globalisierung – die Märkte immer mehr zusammenwachsen, wird sich auch in Österreich die Mobilität erhöhen müssen. Keinesfalls darf das allgemein praktizierte Modell – sechs Monate lang arbeiten und sechs Monate lang Arbeitslosengeld beziehen, obwohl adäquate Arbeitsangebote vorhanden wären – weiterhin gefördert und akzeptiert werden.

Zusätzlich sollte in Form eines Saisonniermodells, wie es in der Schweiz praktiziert wird, die Möglichkeit geschaffen werden, für begrenzte Zeit ausländische Arbeitnehmer aufnehmen zu können. Lobend möchte ich auch den Vorschlag des Wirtschaftsministers erwähnen, in den südlichen Mitgliedstaaten der EU Saisonniers für Österreich anzuwerben. Ich hoffe, daß das effizient und erfolgreich durchgeführt werden kann.

Ich hoffe darüber hinaus, daß die Regierung angesichts des leichten Aufwärtstrends vom Dezember nicht weiterhin in Agonie verharrt, denn wenn keine konkreten Maßnahmen zur Lösung der geschilderten Probleme getroffen werden, sind laut einer Studie von Herrn Dr. Smeral 25 Prozent des 180 Milliarden Schilling großen Tourismuskuchens gefährdet; das sind immerhin 45 Milliarden Schilling.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß sich das Management der Österreich Werbung für das Jahr 1998 eine Gagenerhöhung von 1 Million Schilling genehmigt hat, was viele Tourismusbetriebe, die ums Überleben kämpfen, sicherlich nicht verstehen werden.

Angesichts der vielen nicht getroffenen Maßnahmen werden wir Freiheitlichen den Tourismusbericht nicht positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Johann Kraml. – Bitte.

18.30

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Tourismusbericht hebt sich vom Inhalt und Umfang her von den letzten Berichten eigentlich wohltuend ab. Der Bericht ist nicht mehr angefüllt mit Statistiken und Zahlen, sondern geht auf die Situation im


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Bereich des Tourismus konkret ein, und er zeigt, was ganz besonders wichtig ist, auch Zukunftsperspektiven auf. Daß der Zeitraum, über den wir hier zu diskutieren haben, bereits über ein Jahr zurückliegt, ist natürlich negativ anzumerken. Die Berichtslegung müßte etwas schneller erfolgen, meine ich.

Meine Damen und Herren! 1996 war das erste Jahr, in dem die Abwärtsentwicklung im Tourismusbereich zumindest gestoppt werden konnte. Der Devisenbringer Nummer eins erholt sich, wenn auch nur ganz langsam. Die Probleme in den letzten Jahren haben sich vor allem durch die Globalisierung der Märkte und die rasanten Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen ergeben. Diesen Anpassungsdruck spürten vor allem Tourismusgebiete mit einem hohen Anteil an Klein- und Mittelbetrieben.

Grundsätzlich zeigt sich einmal mehr, daß gerade im Bereich des Tourismus Kreativität angesagt ist. Viele Regionen haben sich zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht, haben sich im Sommer auf die Sonne und im Winter auf den Schnee verlassen, aber das allein ist zu wenig, und weder Sonne noch Schnee sind sicher. Daß das Wetter allein nicht ausschlaggebend ist, zeigt das Jahr 1997. Trotz des verregneten Juli wird es letztendlich eine Umsatzsteigerung von zirka 3 Prozent geben. Damit sollte es gelingen, zumindest teilweise vom internationalen Konjunkturaufschwung zu profitieren.

Neben den allmählich greifenden strukturellen Verbesserungen haben sich die zunehmenden Trends zu Kurzreisen und hin zu einer umsatzstärkeren zweiten Sommerhälfte positiv ausgewirkt. Österreicher entdecken wieder Österreich, habe ich in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen, und das sind schon einmal positive Ansätze. Die Österreich Werbung xxxok will sich – das wird auch Zeit! – mehr auf die Kernkompetenzen Österreichs konzentrieren, wie ich gelesen habe, und zwar auf die Natur, auf Berge, Städte, Kultur, Gastlichkeit und den Wintersport. Das Wandern soll neu vermarktet werden, und die Nationalparks sollen in das Gesamtkonzept eingebunden werden.

Meine Damen und Herren! Der Städtetourismus zeigt uns, daß dorthin, wo sich etwas tut, auch Gäste kommen. Über 3 200 Touristen zu Silvester in Linz, Wels und Steyr, 18 000 Nächtigungen, 6 500 verkaufte Theater- und Konzertkarten ergeben nur in diesen paar Tagen Mehreinnahmen in der Höhe von rund 30 Millionen Schilling. Die Gäste kamen hauptsächlich aus Deutschland, Belgien und der Schweiz. Das richtige Angebot zur richtigen Zeit – dann kommen auch Gäste.

Meine Damen und Herren! Es gibt eine einfache Formel: Der Gast muß auch als Gast behandelt werden. Die Region muß mit dem ganzen Herzen hinter den Konzepten stehen. Dazu gehört neben der entsprechenden Infrastruktur auch gut ausgebildetes Personal, das auch entsprechend motiviert ist. Dabei geht es vor allem um eine substantielle Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Auch eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung des Personals wird notwendig sein. Qualitätstourismus definiert sich in hohem Maße über die Dienstleistung. Nur ein zufriedenes und auch gut motiviertes Personal kann diesen Ansprüchen gerecht werden. Es ist daher für die ganze Branche wichtig, in Humankapital zu investieren, statt immer nur zu jammern, wie teuer das Personal kommt, oder zu versuchen, immer billigeres Personal einzustellen.

Rund 1 000 österreichische Hotelierbetriebe haben sich zu Urlaubsspezialisten zusammengeschlossen, war in den letzten Tagen in den Zeitungen zu lesen, und betreiben gemeinsames Marketing. Dadurch entsteht die fünfzehntgrößte Hotelvermarktungsgruppe der Welt. Es wirbt nicht mehr jeder für sich und jede Region alleine mit einem eigenen Konzept, sondern es wird jetzt ein Gesamtkonzept geboten. Diese neuen Marketingstrategien setzen von den Tourismusbetrieben und den Tourismusverbänden allerdings auch mehr Professionalität voraus. Das Internet ist zum Beispiel aus diesem Bereich nicht mehr wegzudenken, und weltweit werden bis zum Jahr 2005, so sagt eine aktuelle Studie, zirka 30 Prozent des Tourismusweltumsatzes über das Internet abgewickelt werden.


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Ein Problem stellt natürlich der hohe Verschuldungsgrad vieler Tourismusbetriebe dar. Der vorliegende Bericht zeigt Ansatzlösungen, um den Betrieben zusätzliche Investitionen zu ermöglichen, und, was ich für besonders wichtig finde, die Rückzahlungen zu erleichtern.

In der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist weiterhin großer Investitionsbedarf durch notwendige Adaptierungen und Modernisierungen der Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe gegeben. Die Investition im Tourismus geht jetzt aber hauptsächlich in die Qualitätssteigerung, in die Qualitätsverbesserung und nicht mehr so, wie in den frühen Jahren, in die Steigerung der Bettenanzahl. Zur Initiierung derartiger Investitionen sind Förderungsimpulse erforderlich. Überwiegend erfolgt dies über Zuschüsse, auch mit entsprechenden EU-Kofinanzierungsmitteln.

Im Bericht wird auch angeregt, durch Kooperationen mit Beteiligungsgesellschaften zu Beteiligungskapital zu kommen. Auch eine Übernahme von Haftungen ist vorgesehen. Nicht mehr förderbar sind künftig allerdings Beherbergungsneubauten sowie die Erweiterung der Bettenkapazität in hochentwickelten touristischen Regionen.

Meine Damen und Herren! Die Lage der österreichischen Tourismuswirtschaft ist trotz regionaler Lichtblicke noch verhältnismäßig ernst. Das Licht am Ende des Tunnels wird aber heller, so könnte man sagen. Meine Fraktion wird daher diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. – Bitte.

18.37

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben sicherlich interessante Aspekte zum vorliegenden Bericht der Tourismus- und Freizeitwirtschaft eingebracht. Ich möchte diese Aspekte in einigen Punkten ergänzen und als erstes auf die Förderung der Kooperationen verweisen.

Zur internen Kooperation: Ich selbst komme aus dem Tourismusgebiet Salzkammergut und muß durchaus in manchen Bereichen, besonders im Bereich der Verbände, ein sogenanntes Kirchturmdenken feststellen. Es fehlt einfach die Zusammenarbeit im Bereich der einzelnen Regionen. Aber auch extern gäbe es einiges zu verbessern. So müßte zum Beispiel die Kooperation mit dem regionalen Kleingewerbe verstärkt werden, aber auch – das halte ich für ganz wesentlich – die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Eine gepflegte Kulturlandschaft ist die Grundlage für viele Tourismusorte, die nur so den Qualitätstourismus anbieten können.

Im Internetzeitalter sind Kataloge meiner Ansicht nach nicht gerade der neueste Schrei. Ich meine, es wird derzeit noch sehr viel Geld in die Kataloge, in die hohen Auflagen und Stückzahlen investiert. Ich habe einen solchen Katalog aus Tirol mitgebracht (der Redner hält ihn in die Höhe), um nicht den eigenen Verbänden nahetreten zu müssen, und muß sagen, die Qualität dieser Kataloge entspricht meiner Ansicht nach eher den Prospekten von Immobilienmaklern als dem Qualitätstourismus der heutigen Zeit. Ich denke, mit solchen Katalogen, mit solch teuren Druckwerken sollte man eher Impressionen vermitteln, sollte man den Gästen erste Eindrücke vermitteln. Wenn sie dann da sind, werden sie sicherlich das für sie richtige Haus, die passende Wohnung buchen.

Die Erfolge beziehungsweise die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Branche muß man natürlich ebenfalls unbedingt erwähnen. Der Folgenutzen für die vor- und nachgelagerten Bereiche ist, wie ich meine, unumstritten, auch aus der Sicht der Beschäftigungspolitik und vor allem im ländlichen Raum.

Ich möchte noch die Österreich Werbung erwähnen, die heute bereits von der Frau Kollegin Ramsbacher angesprochen wurde.


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635. Sitzung / Seite 136

Ich denke, hier hat man den Fehler gemacht, daß man zu sehr auf ausgelagerte, eher bedeutungslose Randsparten gesetzt hat. Ich denke zum Beispiel an Extremsportarten wie Bungee-Jumping. Da haben sich sogar Nachahmer aus dem Bereich der Politik gefunden, aber Gott sei Dank hat sich das nicht weiter ausgebreitet. Man hat die großen Schwerpunkte wie Wandern, Erholung, Luftqualität, beste Wasserqualität, einwandfreie, unverfälschte Lebensmittel eigentlich zu wenig beworben.

Ich möchte das mit einer Studie aus Deutschland untermauern, die uns nach neuesten Umfragen bestätigt, daß wir bei den Gästen bis 30 Jahre an zweiter Stelle und bei den Gästen bis 50 Jahre an erster Stelle in der Statistik aller Urlaubsländer liegen. Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders den großen Bereich, den bisher völlig unterschätzten, immer größer werdenden Bereich der Senioren erwähnen. Hier liegen wir unumstritten an erster Stelle. Ich denke, der Tourismus muß sich viel stärker als bisher um diese große, sehr bedeutungsvolle Gruppe bemühen und diese ganz kräftig mit Angeboten, mit Pauschalangeboten umwerben.

Es gibt aber natürlich auch positive Beispiele. Ich denke, wir sollten nicht nur kritisieren, sondern auch loben. Ganz besonders positiv aufgefallen ist mir in der Pause der Fernsehübertragung des diesjährigen Neujahrskonzertes die Vermittlung von wunderschönen Österreich-Impressionen, vom Heißluftballon aus gefilmt. Mit diesem Beitrag ist es gelungen, weltweit einem Millionenpublikum diese Natur- und Kulturschönheiten Österreichs nahezubringen. Ich denke, diese Chance sollten wir viel mehr nützen. Die Kollegin Ramsbacher hat heute unser Ski-Idol Hermann Maier angesprochen. Dieser ist derzeit unumstritten die beste Österreich-Werbung.

Ich denke aber gleichzeitig auch an diese Chance bei Weltcuprennen, bei Tennisübertragungen, bei Fußballspielen, bei Europacup-Spielen. Hier sollte man nicht immer nur wirtschaftliche Werbung hineinverpacken. Selbstverständlich, es ist klar, wir brauchen die Sponsoren, aber wir sollten trotzdem versuchen, Österreich bei solchen Veranstaltungen besser mitzuvermarkten, weil es ein internationales Millionenpublikum gibt. Ich denke, man sollte diese Chancen effizient und bestens nützen.

Wesentlich erscheint es mir, daß man nicht nur beim internationalen Publikum und den Gästen wirbt, sondern durchaus auch die Inländer, die eigenen Landsleute auf die Schönheiten verstärkt aufmerksam machen sollte. Ich habe viele Bekannte, die sich viel besser in Spanien oder in Italien auskennen als in der eigenen Heimat. Ich denke, auch hier gilt es anzusetzen, man sollte mit neuen Konzepten, die durchaus auch in Zusammenarbeit mit den Schulen erarbeitet werden könnten, die eigenen Landsleute besser ansprechen.

Abschließend möchte ich auf eine Studie des Wifo verweisen. Im Vorfeld der österreichischen Tourismusmesse, die jetzt vom 22. bis 25. Jänner auf dem Wiener Messegelände stattfindet, wurde diese Studie vorgestellt, die an und für sich positive Aussichten –  ich denke, wir sollten diese so wichtige Branche nicht nur negativ beurteilen, sondern auch von den guten Ansätzen sprechen – für 1998 prognostiziert. Es sollte gelingen, so die Einschätzung der Experten, am internationalen Konjunkturaufschwung mitzunaschen. Ebenfalls positiv werde sich die Reisefreiheit durch das Schengen-Abkommen auswirken.

Da dieser Bericht grundsätzlich sehr umfassend und gut dargestellt ist, werden wir diesem seitens der ÖVP-Fraktion die Zustimmung erteilen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.44

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm dieses.

18.44

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin stolz darauf, als erster Tiroler Bundesrat zu dem vorliegenden Tourismusbericht Stellung nehmen zu dürfen. Ich sage das deshalb, weil Tirol immerhin das größte und wichtigste Tourismusland in Österreich ist.


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Ich darf Ihnen anfänglich gleich einige Zahlen bringen, und zwar Zahlen bezüglich der Nächtigungsentwicklung vom Jahr 1991/92 bis heute. Die Wintersaison 1991/92 hat in Tirol 22,5 Millionen Nächtigungen erbracht, die Saison 1994/95 nur mehr 21,4 Millionen. Die Sommersaison 1992 hatte 23,4 Millionen Nächtigungen zu verzeichnen, die Sommersaison 1995 nur mehr 19,1 Millionen.

Das heißt, in Summe sind bei uns die Nächtigungen um rund 5 Millionen zurückgegangen. Wenn man das jetzt wertmäßig beziffern möchte und man annimmt, daß ein Nächtigungsgast im Schnitt 1 000 S im Lande läßt – Übernachtung, Abendessen, Getränke und so weiter –, so ist das eine Umsatzeinbuße von rund 5 Milliarden Schilling allein in Tirol. Das trifft nicht nur die gewerblichen Unternehmer, das trifft die gesamte Volkswirtschaft, denn der allergrößte Teil dieser Einnahmen sind Deviseneinnahmen – vor allem D-Mark, Holland-Gulden und so weiter –, und das trifft auch unsere Leistungsbilanz. Darauf werde ich noch später zu sprechen kommen.

Ich möchte zu Beginn eine Aussage aus dem Bericht auf Seite 33 zitieren, in dem es in Richtung Ausblick heißt – ich zitiere –: "Die Lage der österreichischen Tourismuswirtschaft ist insgesamt betrachtet trotz regionaler Lichtblicke verhältnismäßig ernst." – Ende des Zitats.

Diese Aussage ist durchaus richtig, und ich weiß, weil ich aus diesem Bereich komme, daß in Österreich – auch in Tirol – Tausende Familienbetriebe in ihrer Existenz bedroht sind, damit auch die Angehörigen und deren Mitarbeiter. Aber wenn es dem Tourismus schlechtgeht, dann geht es auch den daranhängenden Branchen, den Zulieferbranchen, Bäckern, Metzgern, Tischlern, Malern, Installateuren und so weiter, schlecht. Da kann ich nur ein Zitat aus der "Tiroler Tageszeitung" vom 30. Dezember letzten Jahres bringen, in dem der Landesinnungsmeister der Tiroler Tischler, Georg Steixner, auf dieses Problem hinweist. Er sagt: Die Krise im Tourismus wirkt sich auf die Situation der Tiroler Tischler sehr negativ aus. Das Auftragsvolumen bleibt aus, Betriebe in den Talschaften kommen in Schwierigkeiten, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, die Negativspirale dreht sich.

Das ist das Problem, aber nicht nur des Tourismus, sondern auch vieler anderer daranhängender Branchen und Betriebe.

Die Gründe dafür sind vielfältig, und es wird auch im Bericht darauf eingegangen. Es gibt externe und interne Gründe dafür. Die externen Gründe sind wohl die, daß der Wettbewerb internationaler geworden ist. Auch hier kommt die Globalisierung zum Tragen. Es gibt neue Destinationen, es gibt niedrigere Flugpreise, günstigere Ferntarife. Das heißt, der österreichische Tourismus steht nicht mehr nur mit der Schweiz, mit Südtirol, mit Bayern in Konkurrenz, sondern steht heute mit der ganzen Welt in Konkurrenz. Die Leute überlegen sich, ob sie im Winter einen Skiurlaub im Alpenraum buchen oder doch eine Fernreise auf die Malediven oder auf die Seychellen. Hier gilt es, entsprechende Angebote zu schaffen.

Eine weitere externe Ursache ist sicherlich auch die wirtschaftliche Rezession in den Hauptherkunftsländern – auch das wird im Bericht angeführt –, die wirtschaftliche Rezession in Deutschland, in den Niederlanden, in Frankreich, in Großbritannien.

Aber es gibt auch interne und hausgemachte Gründe für die Probleme im Tourismus, und da sollte doch unsere Kritik ansetzen und sollten diesbezügliche Maßnahmen gesetzt werden. Der erste Bereich ist die falsche Strukturentwicklung. Das Problem kenne ich vor allem von unserer Tiroler Tourismuswirtschaft, die jahrelang Überkapazitäten beim Bettenangebot geschaffen hat, beispielsweise im Zillertal. Die Folge ist, daß sich die Betriebe gegenseitig derartig konkurrenzieren, daß Dumpingpreise geboten werden, sodaß man sagen kann, daß eine Nacht mit Frühstück, je nach Sterne-Hotel, 100 S mal dem Stern kostet, also in einem Dreistern-Hotel 300 S, in einem Vierstern-Hotel 400 S und so weiter. Davon können die Betriebe natürlich nicht leben, weil diese Preise nicht kostendeckend sind. Das hat wieder den Effekt, daß die Nebenkosten verteuert werden, die Getränke, Kaffee, Bier, Wein, die Speisen teurer sind, aber auch das infrastrukturelle Angebot, Bäder, Saunas, Lifte und so weiter, relativ teuer ist, und das kommt auch in der Kritik der Gäste zum Ausdruck.


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Auf Seite 13 heißt es im Bericht – hier wird in einer Umfrage das Preis-Leistungs-Verhältnis von Gästen bewertet –: Kritik wurde vor allem am Preis-Leistungs-Verhältnis von Getränken, Speisen, der Unterkunft, Eintrittspreisen für kulturelle Veranstaltungen, den Tarifen öffentlicher Verkehrsmittel und im Unterhaltungs- und Sportbereich geübt. – Ende des Zitats.

Also hier müßte meiner Meinung nach die Politik lenkend eingreifen. Es kann nicht mehr sein, daß Fördermittel für Kapazitätsausbauten vergeben werden, sondern es muß in die Qualität investiert werden. Aber es wäre auch eine Aufgabe der überregionalen wie der regionalen Politik, in diese Richtung zu steuern, daß man Kapazitäten aus dem Markt nimmt. Aber auch hier blockieren oft Bürgermeister und Raumordnungskonferenzen die Verwirklichung der Möglichkeit, aus Hotels Wohnungen zu machen oder dort, wo Wohnungen nicht möglich sind, weil eben die nächste größere Stadt zu weit entfernt ist – man kann in St. Christoph oder in St. Anton aus einem großen Hotel nicht ein Wohnhaus machen –, ein zentrales Personalhaus aus einem Hotel zu machen. Man kann das mit Eigentumswohnungen, mit Parifizierungen machen, daß die anderen dort Eigentumseinheiten kaufen, oder mit einer Gesellschaft, die Einheiten vermietet, sodaß die umliegenden Hotels Wohnungen für ihre Mitarbeiter haben.

In der Vergangenheit ist immer das Perverse passiert, daß ein Hotel, das insolvent geworden und zur Versteigerung angestanden ist, nicht vom Markt verschwunden ist. Im Gegenteil, der neue Erwerber hat zusätzlich investiert und aus einem 100-Betten-Hotel ein 120-, 130-Betten-Hotel gemacht, wodurch die Kapazität noch einmal erweitert wurde.

Das zweite Problem liegt bei den Arbeitskosten, Arbeitskräften und der Arbeitszeit. Über die Lohnnebenkosten will ich mich nicht länger verlieren. Auch wenn unser Bundeskanzler Mag. Klima sagt, ihn interessiere diese Diskussion langsam nicht mehr, stellt sie trotzdem ein Problem für die heimischen Betriebe dar.

Ein Problem gibt es immer wieder mit den Arbeitskräften. Es ist so, daß im Tourismus Saisonarbeit vorhanden ist, und dann, wenn am meisten Arbeit anfällt, stehen die Arbeitskräfte oft nicht zur Verfügung. In diesem Zusammenhang haben wir Freiheitlichen schon immer auf das Modell der Saisonniers hingewiesen, wie das in der Schweiz praktiziert wird. Das heißt, daß Arbeitskräfte nach Österreich kommen, hier verdienen und nach einer befristeten Zeit das Land wieder verlassen.

Ein generelles Problem ist auch die Arbeitszeitregelung. Auch hier ist es höchst an der Zeit, eine Flexibilisierung herbeizuführen. Denn noch einmal: Die Arbeit muß dann getan werden – das ist speziell in einem Dienstleistungsbereich wie dem Tourismus der Fall –, wenn sie anfällt.

Das nächste Problem für den Tourismus stellt die Bürokratie dar. Es gibt bürokratische Hemmnisse bei der Genehmigung von neuen Projekten. Sie dauern oft zu lange, und es gibt immer wieder Schwierigkeiten. Ich kenne einen Betrieb in Innsbruck, eine kleine Weinstube, die nur drei Tische als Schanigarten aufstellen wollte, und da sind zwölf Beamte der Stadtverwaltung gekommen, vom Bauamt, vom Gewerbeamt, vom Verkehrsamt und so weiter, und haben einen ganzen Vormittag wegen dreier Tische verhandelt. Auch hier müßte eine Verkürzung der Verfahren in dem Sinne erfolgen, daß eine Genehmigung gegeben und darauf hingewiesen wird, daß die entsprechenden Bestimmungen einzuhalten sind.

Probleme gibt es bei der Betriebsübergabe. Die Betriebsübernehmer werden mit Auflagen überhäuft, sodaß es für sie überhaupt nicht mehr interessant und lukrativ ist, einen Betrieb zu übernehmen, weil sie diese Auflagen nicht mehr erfüllen können.

Ein weiteres Problem – das ist schon von Kollegen Scherb angesprochen worden – ist die Getränkesteuer. Ich will weniger auf die Höhe der Abgabe selbst eingehen. Wenn man mit den Betroffenen, mit den Wirten, spricht, sagen sie, die Höhe der Abgabe sei das weniger Störende. Deshalb habe ich diesen Punkt auch unter dem Titel "Bürokratie" aufgezählt. Das wirkliche Problem ist die Berechnung, die Abfuhr und vor allem die Getränkesteuerprüfung. Da machen die Wirte am meisten mit, wenn in der Hochsaison ein Steuerprüfer kommt, dieser dem Wirt einige Zahlen hinknallt und ihn dann auffordert, dazu Stellung zu nehmen. Und dann sitzt der Mann irgendwo in seinem Büro, obwohl er im Betrieb gebraucht würde, und muß sich den Kopf


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darüber zerbrechen, wie er das dem Prüfer plausibel macht. Das ist das größte Problem, das die Wirte in diesem Bereich haben.

Jetzt zu einem sehr ausführlichen Thema des Berichtes, zum Schuldenstand und zur Verschuldung der österreichischen Tourismusbetriebe. Auf Seite 17 wird auf die Eigenkapitalquote eingegangen und festgestellt, daß die österreichischen Tourismusbetriebe im Schnitt eine Überschuldung von 5 Prozent aufweisen. Das heißt, die Verbindlichkeiten gegenüber Banken, Lieferanten, Finanzamt, Krankenkassen etwa sind im Schnitt um 5 Prozent höher als die Aktivseite der Betriebe.

Auf Seite 19 des Berichtes wird das Fremdkapital zum Umsatz in Relation gesetzt und gemeint, daß eine Verschuldung in Höhe des doppelten Umsatzes noch vertretbar wäre. Da muß man sich aber die Entwicklung ansehen, die zeigt, daß bei Vier- und Fünfsterne-Betrieben die Verschuldung von rund 1,5 Prozent des Umsatzes im Jahre 1984 auf rund 2 Prozent des Umsatzes im Jahr 1995 gestiegen ist. Das ist gerade noch tragbar. Nur muß man beachten, daß dies eine Durchschnittszahl ist, daß viele Betriebe darunter liegen, einige Betriebe aber auch darüber und dadurch höchst insolvenzgefährdet sind.

Geradezu dramatisch ist die Entwicklung beim dynamischen Verschuldungsgrad, das heißt Fremdkapital zu Cash-flow oder die theoretische Entschuldungsdauer. Da wird festgestellt, wie viele Jahre ein Unternehmen den gleich hohen Nettogeldzufluß braucht, um sich entschulden zu können. Diese theoretische Entschuldungsdauer ist bei Vier- und Fünfstern-Betrieben von acht Jahren im Jahr 1986 auf 22 Jahre im Jahr 1996 gestiegen. Das heißt, wenn diese Betriebe alle cashwirksamen Überschüsse, die zur Verfügung stehen, für die Schuldentilgung verwenden würden, dann könnten sie sich bei gleicher Ertrags- und Zinsensituation erst in 22 Jahren entschulden. Einige Jahre zuvor lag diese Dauer noch bei acht Jahren.

Meine Damen und Herren! Das ist praktisch unmöglich, da vom Cash-flow nicht nur die Tilgungen bezahlt werden müssen, es muß auch die Unternehmerfamilie davon leben, und es müssen davon auch notwendige Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen finanziert werden, ohne die eben der Wert und die Substanz des Betriebes nicht erhalten werden könnten. Aber auch das bestehende Steuersystem verhindert eine nachhaltige Entschuldung der Tourismusunternehmen. Denn kaum kommen diese in die Gewinnzone, schlägt die Steuer entsprechend zu und entzieht den Unternehmen wieder jene Mittel, die es zur spürbaren Kredittilgung benötigen würde. Dazu darf ich ein Zitat von Seite 21 des Berichtes bringen, darin heißt es wörtlich: Das herrschende Steuersystem begünstigt Gewinnthesaurierung nicht und benachteiligt die im Tourismus stark vertretenen Einzel- und Personengesellschaften. – Nämlich gegenüber Kapitalgesellschaften.

Meine Damen und Herren! Das ist genau die Kritik, die unser Bundesparteiobmann Jörg Haider immer wieder am österreichischen Steuersystem übt, und deshalb sind unsere Forderungen erstens die steuerliche Begünstigung nichtentnommener Gewinne, denn dann wird eine Thesaurierung, also Anhäufung, der Gewinne möglich, um auch Schulden tilgen zu können, und zweitens eine Annäherung bis Gleichstellung von Einzelgesellschaften mit Kapitalgesellschaften. Die Kapitalgesellschaft zahlt nämlich eine Körperschaftssteuer in der Höhe von 34 Prozent, Einzelgesellschaften haben einen Höchststeuersatz in der Höhe von 50 Prozent.

Diese prekäre Finanzentwicklung im Tourismus zieht natürlich auch eine relativ dynamische Insolvenzentwicklung nach sich, und das wird auch im Bericht dargestellt. Im Jahre 1990 gab es insgesamt 2 677 Insolvenzen, also eingeleitete Verfahren und solche, die sogar mangels Vermögen abgewiesen wurden, im Jahre 1996 schon 5 698 derartige Verfahren. Das ist eine Steigerung um 113 Prozent! Und das in einer Phase niedriger Zinsen! Stellen Sie sich vor, die Zinsen steigen – auch das haben wir schon gehört, der "Standard" hat vor einigen Monaten getitelt: Der Preis des Euro sind höhere Zinsen! –, dann wird natürlich auch die Insolvenzgefahr für einige Unternehmen rapide steigen.


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Kurzes Beispiel: Ein Hotel, das 30 Millionen Schilling Bankkredite hat und derzeit 6 Prozent Zinsen bezahlt, hat einen Zinsaufwand von 1,8 Millionen Schilling per anno. Steigen die Zinsen auf 9 Prozent, dann wird der Zinsaufwand auf 2,7 Millionen steigen.

Das heißt, der Cash-flow, also die Mittel, die zur Entschuldung zur Verfügung stehen, wird um 900 000 S geringer sein. Die Auswirkungen auf die theoretische Entschuldungsdauer kann sich dann jeder ausmalen. Sie wird von 22 auf 28, 30 Jahre und so weiter steigen.

Die Praxis wird jedoch anders ausschauen. Die Betriebe werden nicht mehr in der Lage sein, Kredite zu tilgen, sie werden auch den Zinszahlungen nicht mehr nachkommen können. Das ist das Problem. Dieses besteht aber nicht nur für die Tourismusbetriebe, sondern, wie ich schon eingangs gesagt habe, für alle Gläubiger dieser Tourismusbetriebe, vor allem für die Lieferanten, aber auch für die Banken. Ich nenne die Lieferanten deshalb zuerst, weil die Banken meist hypothekarisch abgesichert sind, die Lieferanten aber in der Luft hängen. Eine Insolvenz im Tourismusbereich bedeutet in erster Linie eine Katastrophe für die umliegenden Zulieferbetriebe.

Das fünfte Problem im Tourismus sehe ich verstärkt im regionalen Bereich. Da muß ich jetzt leider auch von Tirol sprechen. Ich will Sie nicht damit langweilen, aber es gibt eben Hemmnisse beim Ausbau der Infrastruktur. Unsere Landesregierung hat Nachdenkpausen dekretiert. So sollte zum Beispiel im Seilbahnwesen fünf Jahre keine neue Investition erfolgen, weil man nachdenken müsse, wie es weitergehen solle.

Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich das in bezug auf andere Betriebe in Gewerbe und Industrie vor! Wenn sich ein Industriebetrieb selbst eine Nachdenkpause, einen Investitionsstopp für fünf Jahre auferlegen würde, dann wäre dieser Betrieb in fünf Jahren weg vom Fenster.

Es gibt ein restriktives Golfkonzept, obwohl der Golfsport derzeit einen Boom erlebt. Ich selbst habe nur einen Golfschläger in der Hand gehabt, als ich auf dem Minigolfplatz war. Ich selbst bin kein Golfspieler, aber ich befürworte die Förderung dieser Sportart. Ein solches Golfplatzkonzept, das wir in Tirol haben, präjudiziert auch zukünftige Verfahren. Wenn fünf Projekte befürwortet und zehn eingereicht werden, dann sind die entscheidenden Beamten schon in ihrer künftigen Entscheidung präjudiziert.

Der Golfsport ist nicht nur eine Chance für den Tourismus, sondern auch für die Bauern. Ich bringe Ihnen dazu ein Beispiel: Ein Bauer kann heute aus einem Quadratmeter Grund, wenn er Getreide oder Kartoffeln anbaut, zirka 1 S Ertrag erwirtschaften. Wenn er bei einem Golfplatz 50 Groschen Pacht pro Monat für den Quadratmeter bekommt, so sind das 6 S im Jahr. Das ist eine Versechsfachung des Ertrages! Man muß die Landwirtschaftspolitiker einmal fragen: Was heißt denn "Landwirtschaft"? – Das heißt: "das Land bewirtschaften", und ich bin nicht der Meinung, daß diese Bewirtschaftung immer nur die Produktion von Nahrungsmitteln bedeuten muß, das kann auch einmal eine andere Nutzung sein. (Bundesrat Ing. Penz: Das haben wir immer gesagt!)  – Danke. Wenn Sie das unterstützen (Bundesrat Ing. Penz: Natürlich!), dann sind wir Partner bei dieser Forderung.

Wir hatten in Tirol eine Tourismusmilliarde, die ein Schlag ins Wasser war, eine Sanierungsmilliarde, die nicht gegriffen hat. Vor allem wurde es versäumt, die neuen Trendsportarten entsprechend zu berücksichtigen. Wie lange hat es gedauert, bis das Mountainbiking in Tirol in bezug auf die Forstwege auf eine rechtliche Grundlage gestellt wurde? – Viel zu lange! In der Zwischenzeit sind die Bayern und andere Bundesdeutsche mit ihren Moutainbikes auf den Autodächern durch Nordtirol gefahren und haben sich in Südtirol ihre Moutainbikestrecken gesucht. Aber auch das Moutaintrekking, also mit Pferd und Zelt einige Tage im Hochgebirge zu verbringen, kennen wir nicht. Oder: Das Rafting wurde viel zu spät aufgegriffen und auch vermarktet.

Das sechste Problem sehe ich in der Werbebürokratie. Es gibt eine Österreich Werbung und Landeswerbegesellschaften. Im Jahre 1996 hat das Budget der Österreich Werbung rund 603 Millionen Schilling betragen. Davon sind 299 Millionen Schilling in den Marketingbereich geflossen, und 303 Millionen Schilling sind im Managementbereich – ich würde sagen, in der Verwaltung – hängengeblieben. Das können Sie auf Seite 57 des Berichtes nachlesen. Die Tirol


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Werbung hat 1996 ein Budget von 138 Millionen Schilling gehabt, und 55 Mitarbeiter haben ebenfalls einen erheblichen Teil dieses Kuchens verbraucht. Insgesamt waren es 2,4 Milliarden Schilling, die der Tourismuswerbung im Jahre 1996 zur Verfügung gestanden sind. 50 Prozent davon fraß oder frißt noch immer die eigene Verwaltung.

Jetzt muß man ein heikles Thema ansprechen. Vor einigen Wochen sind Berichte durch Zeitungen gegeistert, daß es in der Österreich Werbung Spitzenverdiener mit Monatsgehältern von 180 000 S bis 200 000 S gäbe, nicht nur der Chef der Österreich Werbung, sondern auch Abteilungsleiter und Leiter von Auslandsdestinationen wären in diesen Gehaltsklassen, und man sei nicht bereit, obwohl die Gelder von der österreichischen Wirtschaft kommen, die Verträge zu veröffentlichen – mit dem Argument: Das betrifft den privaten Bereich dieser Manager.

Meine Damen und Herren! Wenn man bereit ist, Politikergehälter offenzulegen, weil die Gelder eben aus dem Volk beziehungsweise den Steuern kommen, dann muß man auch bereit sein, diese Verträge offenzulegen, da diese Gelder auch von den Betrieben kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Linzer: Kollege Lukas hat sein Gehalt nicht offengelegt!)  – Sie können Kollegen Lukas fragen. Er ist zwar nicht mehr bei der Österreich Werbung, aber er wird vielleicht Auskunft geben. Jedoch geht es ums Prinzip, Herr Kollege! Man kann doch nicht hergehen und irgendwelche Manager bestellen, die aus öffentlichen Geldern bezahlt werden, und dann sagen: Was sie verdienen, geht niemanden etwas an, Hauptsache, ihr zahlt fleißig! – So wird man das in Zukunft nicht handhaben können.

Meine Damen und Herren! Ich will zum Schluß meiner Rede kommen. Was mir in dem Bericht fehlt, sind entsprechende zahlenmäßige Aussagen betreffend die Beschäftigungssituation im Tourismus. Auch das wäre interessant zu erheben. Ich habe mir den Bericht der Tiroler Arbeiterkammer angesehen, und dort kann man nachlesen, daß auch die Beschäftigungsentwicklung rückläufig ist. Es waren von Jänner 1996 bis September 1996 in Tirol im Beherbergungs- und Gaststättenwesen 27 765 Menschen beschäftigt. Das sind um 631 Personen weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei den Arbeitslosen zeigt sich eine äquivalente Entwicklung. Im gleichen Zeitraum waren im Tourismus 4 217 Menschen arbeitslos. Diese Zahlen ergeben sich aufgrund der Probleme, die der Tourismus hat. Wenn Betriebe nicht mehr existenzfähig sind, wenn sie Mitarbeiter abbauen müssen und keine neuen mehr hinzukommen, dann sinkt das Beschäftigungsniveau, und die Arbeitslosenzahlen steigen.

Das Problem Tourismus ist aber auch eines für die gesamte österreichische Leistungsbilanz. Ich habe das schon angesprochen. Von den achtziger bis in die neunziger Jahre hat es einen derartigen Reiseverkehrsbilanzüberschuß gegeben, daß mit diesem Überschuß sogar das Handelsbilanzdefizit ausgeglichen werden konnte. In den letzten Jahren ist die Reiseverkehrsbilanz nur mehr knapp positiv, und es ist keine Rede davon, daß die Leistungsbilanz damit ausgeglichen werden kann. Der Bericht spricht davon, daß sich der Überschuß in den nächsten Jahren bei 15 bis 20 Milliarden Schilling einpendeln wird. Das ist wesentlich weniger, als er Anfang der neunziger oder Ende der achtziger Jahre war.

Genaue diesbezügliche Vergleichszahlen fehlen mir in diesem Bericht. Es fehlen mir ebenso Daten über die Entwicklung der Gästeanzahl, aufgegliedert nach Herkunftsländern, und es fehlen mir Zahlen betreffend die Nächtigungsentwicklung, aufgegliedert nach Sommer- und Winternächtigungen und nach Herkunftsländern. Dafür sind einige Spielereien mit Relativzahlen enthalten, die ich eigentlich unnötig finde, Herr Minister!

So heißt es auf Seite 13 im Bericht: 71 Bezirke mit einem Nächtigungsvolumen von 52,6 Millionen mußten im Sommerhalbjahr 1996 Rückgänge in Kauf nehmen, wogegen 28 Bezirke mit 9,3 Millionen Gesamtnächtigungen Zuwächse verzeichneten. Im mittelfristigen Bereich: Seit der Sommersaison erlitten 73 Bezirke mit 55,4 Millionen Nächtigungen Einbußen, jedoch konnten immerhin 16 Bezirke mit einem Nächtigungsvolumen von 6,5 Millionen Zuwächse verbuchen.

Ich halte diese Zahlen für wenig aussagekräftig, weil man nicht weiß, um welche Bezirke es sich handelt. Das einzige, was man daraus ersieht, ist, daß die im Nächtigungstourismus starken Bezirke offensichtlich verloren und die schwächeren Bezirke dazugewonnen haben.


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635. Sitzung / Seite 142

Abschließend möchte ich noch ein Zitat eines Tiroler Touristikers bringen, das in einer Tageszeitung Ende dieses Jahres veröffentlicht wurde: "Weihnachtswunsch des Adi Werner, Hospizwirt in St. Christoph und Sektionsobmann in der Wirtschaftskammer Tirol". Er sagte – ich zitiere –:

Ich wünsche mir, daß der Tourismus jenen Stellenwert bekommt, der ihm kraft seiner wirtschaftlichen Bedeutung zusteht – Stichwort Wirtschaftsleitbild –, daß wir im Tourismus dann arbeiten dürfen, wenn Arbeit anfällt – Stichwort Flexibilisierung –, daß uns jene Betriebsüberschüsse nicht wegversteuert werden, die wir für die Wettbewerbsfähigkeit brauchen – Stichwort Arbeitsplatzbeschaffung –, daß Lehrlinge von den unzeitgemäßen Jugendschutzgesetzen erlöst werden, daß sich erfolgreiche Freizeiteinrichtungen, wie die Kristallwelten, bald vermehren, daß die Regionalisierung der Tourismusverbände erfolgreich weiterläuft – Stichwort Kooperation – und daß die Bürokratie durch großzügige Liberalisierung abgelöst wird – Stichwort Entbürokratisierung. – Ende des Zitats.

Dem können wir Freiheitlichen uns eigentlich nur anschließen. Aber den in dieser Art und Weise vorliegenden Bericht wollen wir so nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vindl. – Bitte.

19.11

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der vorliegende Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich aus dem Jahr 1996 gibt mir als einem der Vertreter, einem der Bundesräte des Tourismusbundeslandes Tirol Gelegenheit, zum Tourismus im allgemeinen und vor allem auch in die Zukunft gerichtet kurz einige Anmerkungen zu machen.

Eine in der "Tiroler Tageszeitung" vom 5. Jänner 1998 veröffentlichte Studie über die Bedeutung der Freizeitindustrie zeigt, daß sich die österreichische Tourismuskrise in der Vergangenheit sehr wohl auf die Kaufkraft der Einwohner niederschlägt. Die signifikantesten Unterschiede gibt es dabei naturgemäß zwischen den tourismusintensiven und daher kaufstarken Gemeinden und den entlegenen Landgemeinden.

Auch für die Arbeitsmarktsituation hat der Tourismus in Tirol eine besondere Bedeutung, sind doch mehr als die Hälfte aller in Tirol Beschäftigten direkt oder auch indirekt im Tourismus tätig. Trotz der generell rückläufigen Daten auf dem Arbeitsmarkt ist in fast allen Bereichen des Tourismus eine stabile Beschäftigung zu beobachten. Der von Kollegen Königshofer zitierte Bericht der Arbeiterkammer resultiert aus dem Jahr 1996. Im Jahre 1997 hat sich die Lage gebessert, und es gibt auch in der Tourismuswirtschaft auf dem Arbeitsmarkt wieder positive Zahlen.

Um die Vormachtstellung Tirols im Tourismus – Tirol erzielt 40 Prozent des gesamten österreichischen Tourismusumsatzes und verfügt über ein Drittel des Bettenangebotes – weiterhin zu erhalten, hat sich eine Projektgruppe unter der Leitung des Herrn Landeshauptmannes von Tirol – Tourismus ist in Tirol Chefsache, wie immer vom Herrn Landeshauptmann gesagt wird – mit dem neuen Tiroler Weg für die Zukunft des Tourismus in Tirol befaßt und Vorschläge für diesen neuen Tiroler Weg im Tourismus ausgearbeitet. Dabei wurde seitens der Tirol Werbung Wert darauf gelegt, daß alle interessierten und engagierten Partner im Tourismus vom Beginn an in dieses Projekt der Neuorientierung miteingebunden werden.

Warum braucht es einen Wandel im Tourismus? – Die Sättigungsphase erfordert eine Neubesinnung im Tiroler Tourismus. Es ist wichtig, daß alle Aktivitäten aller Leistungsträger und Partner auf wenige zentrale Stoßrichtungen fokussiert werden. Damit können Identität und Motivation gesteigert werden. Der globale Tourismuswettbewerb setzt den Alpenraum einem gewaltigen Wettbewerbsdruck aus. Tirol muß einen entscheidenden Beitrag leisten, damit sein Markt


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anteil in Österreich im Alpenraum und global gehalten und wenn möglich ausgebaut werden kann. Nur der Tourismus macht es möglich, daß die dezentrale Wirtschafts- und Lebensraumentwicklung in Tirol weitergeführt werden kann. Eine erfolgreiche Tourismusentwicklung ist somit Basis für die gesamte Zukunft des Wirtschaftsstandortes Tirol.

Was beinhaltet nun der neue Tiroler Weg? – Erstens: Sicherung und Ausbau der vorrangigen Stellung des Tourismus als Wirtschaftsbranche in Tirol. Zweitens: Der Tourismus soll auch in Zukunft entscheidend zur Wohlfahrt des Wirtschafts- und Lebensstandortes Tirol und gleichzeitig nachhaltig zur flächendeckenden Entwicklung Tirols beitragen. Drittens: Sicherung und Ausbau der touristischen Führungsrolle im Alpenraum. Viertens: Profilierung als Innovations- und Denkzentrum für konsequente Marktorientierung und inhaltliche Weiterentwicklung des Alpentourismus. Fünftens: Stärkung der Integrationsrolle des Tourismus im Wirtschafts- und Lebensraum Tirol. Und sechstens: Die Beziehungen zwischen Gast und Gastgeber, zwischen Einheimischen und Ausländern sowie zwischen Tourismus und weiteren Wirtschaftszweigen sollen konsequent weiterentwickelt und inhaltlich bereichert werden.

Es soll nicht ein neues Schlagwort als Allheilmittel für eine Offensive im Tiroler Tourismus bemüht werden. Vielmehr geht es um ein ganzes Bündel von Maßnahmen, welche parallel zueinander ausgelöst und intensiviert werden müssen, damit die neue Vorwärtsbewegung entstehen kann. Eine grundlegende Reform im Tiroler Tourismus ist mehr als nur eine Frage der Regionalisierung. Eine Neupositionierung der Strukturen lokaler und regionaler Tourismusverbände, wie derzeit vom tourismusverantwortlichen Landeshauptmann Weingartner angestrebt, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses neuen Tiroler Weges. Es braucht aber mehrere weitere Stoßrichtungen, um die nachhaltige Vorwärtsstrategie auszulösen.

In diesem Sinne wird bewußt auch auf den Begriff "Destination Management Tirol" verzichtet. Eine Überprüfung der Destination Managementprojekte in verschiedenen Destinationen des Alpenraumes dokumentiert, daß die dortige Diskussion zu sehr strukturorientiert geführt wird und damit leicht in eine Sackgasse führt beziehungsweise ins Stocken gerät. Die Destinationsreform soll im Tiroler Tourismus als einer von fünf Projektbausteinen weitergeführt werden.

Der neue Tiroler Weg ist ein Konzept, das erfahrungsorientiert, prozeßorientiert und insbesondere markt- und wettbewerbsorientiert ausgerichtet wird. Dabei muß die führende Wettbewerbsstellung Tirols gesichert und weiter ausgebaut werden. Die Botschaft des touristischen Kerngeschäftes soll wiederum in den Mittelpunkt aller Aktivitäten gerückt werden. Es gilt, die Vorwärtsstrategie im Bereich der Innovation sowie den Relaunch im Image konsequent auf die zentralen Geschäftsfelder des Sommer- und Wintertourismus in Tirol auszurichten. Dabei ist klar, daß auch Nischenstrategien entsprechend von Bedeutung sind.

Auslösung und Umsetzung des neuen Tiroler Weges müssen durch eine konzertierte Aktion initiiert und verstärkt werden. Die Kernbotschaft beziehungsweise die Schlüsselprojekte müssen mit multiplikativen Aktionen angepackt und irreversibel realisiert werden.

Dabei steht die mittel- und längerfristige Neuausrichtung des Tiroler Tourismus im Vordergrund. Gleichzeitig muß der Handlungsspielraum für kurzfristige Marketingaktionen, abgestützt auf die heutige Medienwelt – ich erinnere nur an Internet und dergleichen –, verstärkt ausgebaut werden, und es muß auch gelingen, beispielsweise aus dem Münchner Raum für frequenzschwache Perioden kurzfristig die Zusatznachfrage zu beleben.

Was heute gut ist, muß in drei Jahren nicht mehr das beste sein. Für den neuen Tiroler Weg muß deshalb ein moderner Führungszyklus erstellt werden, der auf eine hohe Intensität ausgerichtet ist. Es müssen aber auch jederzeit sinnvolle Korrekturen möglich sein.

Meine Fraktion wird den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich aus dem Jahr 1996 zur Kenntnis nehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.21


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

19.21

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Vizepräsident! Hoher Bundesrat! Ich habe gesagt, wenn ich jetzt weggehe, ohne etwas zu sagen, werde ich mit Sodbrennen schlafen. Daher lassen Sie mich einige Dinge sagen.

Von der FPÖ würde ich mir wünschen, sich zu entscheiden, ob sie einen Bericht mit Umsatzziffern oder mit Nächtigungsziffern möchte. Wenn Frau Ramsbacher im ersten Satz sagt, sie lehnt meinen Bericht ab, weil wir zu oft von Nächtigungen reden, und dann Kollege Königshofer genau das Gegenteil sagt, nämlich daß zuwenig von Nächtigungen die Rede ist, bitte ich, mir zu sagen, welchen Bericht Sie wollen.

Damit bin ich beim ersten Punkt: Wie soll der Bericht künftig ausschauen? – Wir haben auch beim Mittelstandsbericht, so wie bei diesem, mit den Abgeordneten im Nationalrat vereinbart, daß wir die Berichte kürzer, problemorientierter und weniger Zahlenfriedhof-orientiert machen. Dazu, daß es so lange gedauert hat, bis er hier behandelt wird, kann ich nur sagen: Von uns aus war er im August fertig, dafür brauche ich mich also nicht zu entschuldigen.

Aber wichtig ist: Bleiben wir auch im Bundesrat dabei, daß wir kürzere Berichte wollen. Wir haben jetzt mit dem Nationalrat, mit allen Klubs vereinbart, daß wir uns bei derartigen Berichten jeweils vor Ausarbeitung mit den Klubs zusammensetzen und fragen, welche Themen sie am allermeisten interessieren. Dann nehmen wir eine Themenselektion vor, damit wir endlich aktueller über Dinge reden können als ex post, wenn das dann vielleicht schon längst wieder vorbei ist. – Soweit meine erste Bemerkung.

Meine zweite Bemerkung: Tourismuspolitik in Österreich heißt Abschied von vielen Illusionen. Hat sich irgend jemand von Ihnen schon einmal die Mühe gemacht, eine Kurve zu zeichnen, die deutlich macht, wie die Verschuldensquote im Tourismus parallel zu den Nächtigungen gelaufen ist? – Ich verwende noch die Nächtigungszahlen, weil es in diesem Zusammenhang keine aktuelleren Zahlen gibt. Selbst als es Rekorde gab, als es 20 Prozent Zusatzsteigerung bei den Nächtigungen gab, ist die Verschuldensrate dramatisch gestiegen. Wenn ein Sektor wie der Tourismus im Prinzip immer mit weniger als 1 Prozent oder maximal 2 Prozent Eigenkapital anfängt und dann nicht einmal bei Hochkonjunktur profitiert hat, wie soll sich dieser dann in solch einer Rezession erholen?

Daher ist mein Hauptanliegen – das habe ich hier wiederholt gesagt – eine Restrukturierungspolitik im Tourismus. Ich frage mich, mit welcher Gottseligkeit in diesem Sektor Unternehmer tätig sind. Wir machen bereits das zweite Jahr diese Restrukturierungsaktion "Ewige Hypothek" in der ÖHT – und 30 sind durchgeführt worden! Ich kann nicht mehr tun, als hinauszugehen, zu predigen und zu sagen: Bitte werdet munter, Unternehmer, Unternehmerinnen, und geht euch umstrukturieren bei eurer Hausbank! – Daß die Hausbank sie nicht dazu einlädt, verstehe ich. Sie wäre deppert, wenn sie den Unternehmern statt 11 Prozent Zinsen dann vielleicht eine "ewige" Hypothek mit 2 bis 4,5 Prozent Verzinsung anbieten würde.

Ich habe die Wirtschaftstreuhänder bei mir gehabt und ihnen gesagt: Ihr müßt euch jetzt noch anstrengen, denn diese Niedrigzinsphase ist ein einmaliges Geschenk, um die überhöht finanzierten Fremdenverkehrsbetriebe auf eine vernünftige neue Finanzierungsbasis zu stellen. Mehr als dazu einladen kann man nicht. Da bleibe ich bei einem alten Beispiel: Wenn der Trog voll ist, und es wird trotzdem nicht daraus gesoffen, kann man nichts machen.

Da kann man nicht einmal die Drohung mit steigenden Zinsen, die ein frommer Euro-Wunsch so mancher ist, in den Raum stellen. Wahr ist, daß mit dem Euro wahrscheinlich die Realzinsen in Europa niedrig bleiben werden und daher die Perspektive der Umschuldungspolitik noch für einige Zeit gegeben sein wird. Nur müßte sie endlich genutzt werden.


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Ein weiterer Punkt: Vergessen wir endlich diese schönen Makrovorteile des Tourismus! Wenn man im nachhinein frühere Berichte liest, nicht nur die meines Ressorts, stellt man fest, es war wunderbar. Der Tourismus hat die Zahlungsbilanz saniert, in Tirol die Beschäftigung gesichert und die Täler bevölkert, die Berghöhen mit Leuten versorgt. Hat irgend jemand davon gesprochen, ob während dieser Zeit die Betriebe Geld verdient haben? Hat irgend jemand davon gesprochen, ob in der Zwischenzeit Entrepreneur-Komfort gegeben war? Hat jemand davon gesprochen, ob man reinvestieren konnte, ohne sich neuerlich zu verschulden?

Das ist jetzt die Kernstunde. Schluß mit diesen Festpredigten! Es sollen sich gefälligst die Unternehmen selbst darum kümmern, ob sie überleben können, und wir schaffen ihnen dazu die Bedingungen. Das heißt also: Restrukturierungspolitik, weg mit der Hoffnung auf Hunderttausende Regionalverbände. Ich habe langsam den Eindruck, daß es leichter ist, zwei österreichische Energiegesellschaften zu fusionieren, als zwei Tiroler Tourismusverbände. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das ist entsetzlich! Darum mein Sodbrennen-Beispiel.

Wie lange höre ich schon diese Geschichten von den ausscheidungswilligen Betrieben! Ich habe sämtliche Landesfinanzreferenten bei mir gehabt und habe ihnen gesagt: Ich höre ständig, da wollen Betriebe ausscheiden. – Mir hat jeder Landesfinanzreferent versichert – jeder!  – , wenn Ansuchen kommen, sind wir gerne bereit, eine Umwidmung vorzunehmen und sie in der Wohnbauförderung für andere Zwecke umzugestalten.

Ich verstehe folgendes nicht: Tourismus ist Landessache. Langsam sollte es sich herumsprechen, daß das Motto "Land prahlt, Bund zahlt" nicht stimmen kann. Der Tourist, der gekommen ist, ist der Landestourismusreferent, der Tourist, der nicht kommt, ist der Bundesminister. (Heiterkeit.) So kann es nicht laufen!

Jetzt habe ich mich ein wenig entfrustet, um nun auch ein paar positive Dinge sagen zu können.

Es ist eine Tatsache, daß derzeit jene Unternehmen, in denen sich die Unternehmer selbst um das Marketing ihrer Betten kümmern, am besten ausgelastet sind. Tatsache ist, daß jene, die immer nur darauf warten, daß Zufluchtsgäste nichts anderes finden als ihr Lokal, zugrunde gehen werden. Daher werden wir im Wirtschaftsministerium daran arbeiten – wir nennen es "Aktion Tourismusscheck" –, daß die Unternehmer endlich von dieser Illusion weggehen: Irgendwer sorgt in irgendeinem Verband dafür, daß ein Gast zu mir kommt.

Der erfolgreichste Jungunternehmer Österreichs im Tourismus im Kleinen Walsertal – er hat den Gewinnpreis bekommen – wurde bei der Preisverleihung gefragt, warum er so erfolgreich sei. Seine Antwort bestand aus zwei Sätzen: Die Rahmenbedingungen in Österreich sind akzeptabel, aber um meine Gäste muß ich mich selbst kümmern. – Er hat mit 89 Prozent Auslastung über das ganze Jahr eine der besten Auslastungen in Westösterreich überhaupt.

Ich glaube also, wir müssen von einem ganzen Paket von Illusionen Abschied nehmen. Wir müssen uns vielmehr auf das direkte Marketing verlegen, statt uns darauf zu verlassen, daß irgendwer etwas macht.

Die Österreich Werbung konnte leicht erfolgreich sein, solange die Ausländer nirgends anders hinfahren konnten als nach Österreich. In der Zwischenzeit ist die Option der Wahl groß geworden. Wir müssen ganz anders agieren. Ich erinnere an die jetzige Tagung der Hoteliervereinigung in Bad Hofgastein. Uns sagen ausländische Wissenschafter, daß sich Tourismusorganisationen, die weniger als 1 Million Nächtigung repräsentieren, im fernen Ausland gar nicht zeigen sollten, und sie sagen auch, daß kleine, bis 400 000, eine Chance auf den Nachbarmärkten haben.

Dann fragt mich ein südkoreanischer Minister: It’s very lovely to see, one day, people from Guggenheim, the next day from Oberguggenheim and then from Underguggenheim come. Where to hell is Guggenheim? (Heiterkeit.) – Um es auf deutsch zu sagen: An einem Tag kommen Leute aus Guggenheim, am nächsten Tag aus Oberguggenheim und dann aus Unterguggenheim, und alle wollen einen Termin haben. Und der Minister sagt: Verdammt noch einmal, wo ist Guggenheim?! (Heiterkeit.)


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Deshalb haben wir in diesem Bericht – damit bin ich schon am Schluß, Frau Präsidentin – konkret auf die Wunden hingewiesen. Die Verschuldungsstruktur ist das, was wir jetzt, in einer Niedrigzinsphase, verändern müssen.

Die Marketingstrukturen müssen von der Illusion, daß Österreich Werbung und ein Tourismusverband, wie groß oder wie klein er auch ist, die Lösung bringen, weggehen. Wer nicht selbst auf dem Markt ist, wird selbst nicht mehr auf dem Markt sein.

Nächster Punkt: Wenn ich unsere Strukturen anschaue, weiß ich nicht, dient der Tourismus unseren Strukturen, oder dienen unsere Strukturen dem Tourismus. Das darf ich auch einmal kritisch anmerken, denn langsam hat man es satt, wenn man ständig hört: Wir sind bereit!, aber in dieser Richtung nichts geschieht. Ich werde jetzt keine Länder zitieren, die einen haben ein paar hundert, die anderen ein paar Dutzend Verbände. Wir müssen uns dazu bekennen, daß heute die Zeit der betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Unternehmen da ist, und diese werden sich umschauen müssen – es wird sich niemand anderer für sie umschauen.

Es gibt sicherlich noch einiges zu tun – ich will mich jetzt nicht weiter mit diesem Punkt aufhalten –, im Tourismus gibt es eine ganze Reihe von Dingen, über die wir reden müssen. Nur ein Kurzbericht aus der Servicestelle meines Hauses: Im letzten Jahr sind die Lobhudeleien über Österreich deutlich stärker geworden. Wir haben auch aus der deutschen Gästebefragung ein viel besseres Signal, als wir es aus der Befragung hatten, die diesem Bericht zugrunde lag, auch was die Preisrelation betrifft. Aber: Wir haben einen Horror vor Inklusivpreisen, und vor allem Familienreisende haben es satt, für jedes Cola, für jedes kleine Ketchup-Patzerl extra 40 S oder 50 S hinzulegen. Der Welcome-Drink, den ich weltweit überall bekomme, sieht in Österreich so aus, daß das erste Mineralwasser 60 S kostet – wenn auch nicht in allen Betrieben.

Die Gäste wollen Inklusivpreise. Wir haben in Österreich keine Preisanzeigen. Es weiß keiner, wenn er irgendwo vorbeifährt, wie teuer man wo wohnt. Falls manche von Ihnen schon in Australien unterwegs waren: Sie werden gesehen haben, wie stolz Hotels draußen ihre Preise anschreiben.

Wir haben in Österreich auch keine late-night-rates. Wenn man erst um 23 Uhr oder 24 Uhr ein Zimmer nimmt, zahlt man in Amerika den halben Preis. Bei uns zahlt man, wenn man um 2 Uhr früh kommt, immer noch den vollen Preis.

Oder: Die größte Beschwerdegruppe in unserer Servicestelle waren heuer einzelne Hotelgäste, die bis zu sieben Quartiere anfragen mußten, ob sie für eine Nacht ein Zimmer bekommen, und dann den doppelten Preis bezahlten. Meine Damen und Herren! Auch das ist etwas, das angesprochen werden muß.

Aber insgesamt zeigt sich die Situation im Tourismus rosiger. Alle WTO-Prognosen, auch die Prognosen über Tourismusbewegungen, zeigen, daß wir uns der Touristen nicht erwehren werden, wir müssen nur die richtigen erwischen. Gott sei Dank zeigt eine Analyse, die wir Ihnen im nächsten Bericht bringen können, daß Österreich in der Zwischenzeit der bessere Ort für die besseren Touristen geworden ist. – Erste Schlußfolgerung.

Zweite Schlußfolgerung: Wir werden weiter auf Qualität setzen müssen, und das wird das Crowding-out, das Aufgeben der Niedrigschichten, die keine Aussicht haben, allerdings beschleunigen; dazu habe ich schon einige Worte verloren.

Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Im Tourismus kann ein solcher Bericht nur eine Momentbeleuchtung sein, vor allem, wenn er auch noch ein bißchen später diskutiert wird. Aber diese "Beleuchtung" hat jedenfalls gezeigt, daß es gilt, im Tourismus prägnant neue Schwerpunkte zu verfolgen. Es ist jetzt die Stunde der Unternehmer, und sie sollen uns sagen, wo wir ihnen weiterhelfen müssen. Dazu zählt auch manches in der Steuerpolitik, und mein Hauptanliegen ist nicht die Getränkesteuer. Die aufgeklärten Wirte und Hoteliers wissen, daß jede Steuerersatzlösung, die auf Gemeindeertrag und -basis hin orientiert ist, dreimal teurer kommt als die Getränkesteuer, die ihnen erlaubt, die höchsten Aufschläge auf die Getränke vorzunehmen, die es überhaupt gibt. – Ende dieser Belangsendung. (Heiterkeit.)


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Abschließend: Wir brauchen, gerade weil etwa 50 Prozent der Tourismusbetriebe altersbedingt vor einer Übernahme in den nächsten zwei, drei Jahren stehen, unbedingt eine steuerneutrale Behandlung der Betriebsübergabe. Sonst wird vor allem bei Familienbetrieben ein Drama nach dem anderen gespielt. Daher ist das mein Hauptschwerpunkt für die nächste Steuerreform. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Zeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz – ArtHG) (839 und 1030/NR sowie 5618/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Walter Scherb: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 3. März 1997 ist im Bereich der Durchführung des Übereinkommens über den Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen – WA auf Gemeinschaftsebene die Verordnung (EG) Nr. 338/97 in Kraft getreten, die die Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 des Rates vom 3. Dezember 1982 ersetzt. Weiters ist am 1. Juni 1997 die Verordnung (EG) Nr. 939/97 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates in Kraft getreten.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates soll das geltende Bundesgesetz vom 17. April 1996 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen ersetzen. Ziel ist die Erstellung eines neuen Bundesgesetzes, flankierend und ergänzend zu den unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union zwecks Schaffung geeigneter Rechtsinstrumente zur Anwendung und Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 338/97.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Ludwig. – Bitte.


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635. Sitzung / Seite 148

19.35

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Artenhandelsgesetz ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Österreich folgt damit den strengeren Bestimmungen, die in einer Verordnung der Europäischen Union festgelegt wurden, und es ist sehr erfreulich, daß diese Regelung so rasch und, wie ich meine, sehr effizient das Bundesgesetz aus dem Jahr 1996 ersetzt.

Das vorliegende Gesetz regelt die Kennzeichnung, die Kontrollen für den Handel an den Außengrenzen, die Beförderung und Unterbringung der Exemplare sowie die entsprechenden Strafbestimmungen. Daß diese Strafbestimmungen leider notwendig sind, zeigen Beispiele von systematisch illegal eingeführten Tier- und Pflanzenarten.

Ich bin ein Mensch, der sehr gerne verschiedenste Tiergärten, aber auch Greifvogelschauen besucht, sehr oft auch in Kooperation mit dem World Wildlife Fund, und ich erkundige mich bei dieser Gelegenheit immer wieder, woher diese Greifvögel kommen. In der letzten Zeit wurde mir von den Besitzern immer wieder mitgeteilt, daß diese Greifvögel verletzt im Wald aufgefunden wurden.

Es kann natürlich sein, daß Schwärme von Seeadlern über das österreichische Bundesgebiet fliegen und dann regelmäßig bei uns abstürzen. Die wahrscheinlichere Variante ist meiner Einschätzung nach allerdings, daß diese Tiere entweder illegal oder falsch deklariert über unsere Grenzen kommen, bei uns verkauft werden und dann für derartige Flugvogelschauen zur Verfügung gestellt werden.

Ich glaube deshalb, daß es sehr notwendig sein wird, auch die Zollbeamten und jene Kolleginnen und Kollegen des Ministeriums, die in diesem Bereich tätig sind, verstärkt – ich sage "verstärkt" deshalb, weil es ohnehin passiert – auch auf die Frage des Artenschutzes aufmerksam zu machen und sie auch damit vertraut zu machen, welche gefährdeten Tier- und Pflanzenarten über unsere Grenzen geschmuggelt werden.

Das vorliegende Gesetz ist, wie ich meine, ein großes Geschenk an die unzähligen Arten, die jetzt wirkungsvoll geschützt werden können. Die Europäische Union ist einer der größten Importeure von Tieren und Pflanzen beziehungsweise von Produkten aus geschützten Arten. Zurzeit ist der Handel von über 800 Tier- und Pflanzenarten untersagt, und mehr als 20 000 andere fallen unter diese neue gesetzliche Regelung.

Diese Regelung schreibt für alle bedrohten Arten Importbescheinigungen und -genehmigungen vor, auch wenn diese nicht oder noch nicht in der Liste der hochgefährdeten Tiere und Pflanzen aufgenommen sind. Der kommerzielle Handel wird für viele Arten generell verboten. Beim Import lebender Tiere werden nun auch rigoros Transport- und Haltungsbedingungen überprüft, und so meine ich, daß das Gesetz auch beim richtigen Punkt ansetzt, nämlich beim Handel. Wenn der Handel kontrolliert wird, kann das weltweite Artensterben aufgehalten werden.

Es wird aber auch notwendig sein, die Österreicherinnen und Österreicher auch darüber zu informieren, mit welchen Produkten sie oft aus dem Urlaub zurück nach Österreich kommen. Ich möchte exemplarisch nur einige Beispiele nennen:

Elfenbein. – Obwohl der internationale Handel mit Elfenbein im Jahr 1990 verboten wurde, werden noch immer Schnitzereien zum Kauf angeboten, insbesondere in Afrika und in Asien, vor allem in den Tourismuszentren, dort auch gekauft und importiert. Dadurch tragen auch die Konsumenten dazu bei, daß die längst gefährdeten Tierarten weiter bedroht werden.

Gleiches gilt zum Beispiel auch für Erzeugnisse aus Seeschildkröten. Es ist illegal, Erzeugnisse aus Schildkrötenpanzern, einschließlich ganzer Panzer, Schmuck, ausgestopfte Tiere, Kämme und Sonnenbrillen aus Schildpatt zu importieren. Ich glaube, wir sollten die Österreicherinnen und Österreicher darüber informieren, welch große Verantwortung sie als Konsumenten und auch als Touristen übernehmen, wenn sie derartige Produkte einkaufen.


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635. Sitzung / Seite 149

Diese Liste könnte ich fortsetzen mit Korallen, aber auch mit gefährdeten Pflanzen, wie Orchideen, Farnpalmen, Kakteen und viele mehr, ganz zu schweigen von der Mode, die jetzt bei uns einreißt, gefährdete Tierarten zu halten, wie Spinnen, Reptilien und sonstige exotische Tiere.

Es wird wichtig sein, die potentiellen Konsumenten generell über den Artenschutz zu informieren. Der World Wildlife Fund tut dies, und zwar EU-weit, mit Inseraten, Foldern und Plakaten. Insgesamt werden im Rahmen dieser Aktion 5 Millionen Folder in 25 000 Reisebüros und 32 Flughäfen aufgelegt und verteilt. Ich glaube, wir wären gut beraten, uns auch an dieser Kampagne zu beteiligen, und wir sollten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WWF in dieser Hinsicht unterstützen.

Die Kampagne des WWF zu diesem Thema heißt: "Machen Sie der Erde ein Geschenk – kaufen Sie keine Produkte, die aus geschützten Arten hergestellt werden." Ich glaube, daß der Titel dieser Kampagne ein guter Auftrag für uns alle wäre, auch in Österreich mitzuhelfen, damit nicht weitere Arten aussterben. In diesem Sinne werden wir Sozialdemokraten gegen diese Vorlagen keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

19.40

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Minister! Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Artenhandelsgesetz möchte ich festhalten, daß gerade die damit befaßte Materie anscheinend doch etwas unterschätzt wird, und dies mit Zahlen belegen:

Im Jahr 1997 gab es an Bescheinigungen und Bewilligungen für kommerzielle Zwecke 2 400, für persönliche Zwecke 950, für die Zucht 390 und für die Jagd 250 Stück. Ziel des Abkommens ist die Sicherung des Überlebens gefährdeter Arten von Tieren und Pflanzen durch einen kontrollierten Handel, um damit die anonymen Geschäfte weiter einzuschränken.

Als Unterstützung für die Zollorgane gibt es eben die angeführten Genehmigungen und Bescheinigungen und eine Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen. Mit einer Informationskampagne des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten soll in der Bevölkerung ein gesteigertes Problembewußtsein erreicht werden, was ich für notwendig halte. Negative Schlagzeilen wie "Hunderte seltene Tiere im Fluggepäck" oder "Die Zollfahndung beschlagnahmt Schildkröten" sollten mit diesem Gesetz, das eine Gleichstellung mit den anderen EU-Staaten sichert, der Vergangenheit angehören. Wir von der ÖVP-Fraktion werden deshalb diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

19.42

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir Freiheitlichen haben seit eh und je eine besondere Schwäche für den (Bundesrat Ing. Penz: Das wissen wir!) und daher auch eine besondere Zuneigung zum Naturschutz, zum Landschaftsschutz, zu dem, was uns Gott gegeben hat. Meine beiden Vorredner – die Kollegen Ludwig und Steinbichler – haben dies so deutlich ausgedrückt, daß mir nur noch bleibt, dem auch meine Zustimmung zu geben und mitzuteilen, daß wir dieses Gesetz aus vollem Herzen unterstützen. (Allgemeiner Beifall.)

19.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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635. Sitzung / Seite 150

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers (III-167/BR sowie 5619/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: 13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schöls übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Alfred Schöls: Heute habe ich das Glück, daß ich immer nach Bundesrat Gudenus zu sprechen komme und daher die technische Frage auch wesentlich ist. – Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den 13. Sportbericht des Bundeskanzlers 1996 zur Kenntnis bringen.

Der 13. Sportbericht ist in folgende Abschnitte gegliedert:

Außerschulischer Sport (Sportförderung, Sport-Service, Bundessporteinrichtungen, Leistungssport, Trainer, Schilehrwesen, Auszeichnungen, Internationale Angelegenheiten),

Organisationen und Vereine sowie

Anhang.

Der zentrale Schwerpunkt des Sportjahres 1996 waren ohne Zweifel die Olympischen Spiele in Atlanta. Auch war Österreich in diesem Jahr Austragungsort großer internationaler Sportveranstaltungen, und zwar: Schi-FlugWM, Eishockey-WM sowie die BallonWM. Österreich hat als Veranstaltungsland internationaler sportlicher Ereignisse eine große Tradition aufzuweisen, und die vielfache Betrauung österreichischer Städte und Regionen mit internationalen Veranstaltungen, insbesondere mit Welt- und Europameisterschaften, zeigt das hohe Ansehen, das unser Land auf diesem Gebiet genießt. Besonders hervorzuheben ist für das Jahr 1996 auch die gute Zusammenarbeit der in Österreich tätigen Sportorganisationen und ihrer Spitzenfunktionäre, die ohne Zweifel zu dem positiven Klima für den Sport in Österreich maßgeblich beigetragen haben.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

19.46

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es scheint beinahe symptomatisch zu sein, welche Bedeutung die Regierung dem Sport in Österreich beimißt. Nicht nur, daß in Ausschüssen, bei der Debatte um den Sportbericht im Sportausschuß des Nationalrates der Verantwortliche der Regierung, der Bundeskanzler,


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635. Sitzung / Seite 151

immer durch Abwesenheit glänzt, heute zeigt auch die gesamte Regierung – in diesem Fall der Bundeskanzler als Ressortverantwortlicher und der Herr Staatssekretär – durch Abwesenheit dem Sport ihre Wertschätzung.

Meine Damen und Herren! Der Sportbericht ist nicht nur umfassend erstellt. Bei Nicht-Kennen der Regierung könnte man schon aufgrund der Tatsache, daß dieser Sportbericht ressortmäßig beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist, meinen, daß dem Sport in Österreich ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird. So könnte man eben denken, wenn man diese Regierung nicht kennen würde.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist vielmehr, daß es der Regierung wichtig ist, Einfluß auf die Dachverbände zu haben und vor allem die proporzmäßige Aufteilung in ASKÖ – SPÖ – und UNION – ÖVP – fortzusetzen und natürlich über diese Dachverbände parteipolitischen Einfluß auf den Sport zu nehmen. Denn, meine Damen und Herren, alle Sportvereine, die einem derartigen Dachverband zugezählt werden, wirken sich auf das Budget der Dachverbände aus. Daß aber der Sport viele Sparten hat und daß es auch Sportarten und Sportverbände gibt, die nicht einem solchen Dachverband angehören, das läßt die Regierung vermutlich kalt, denn für diese Sportverbände sind in diesem Bericht und im Budget keine Mittel zu finden.

Meine Damen und Herren! Daher ein Vorschlag aus freiheitlicher Sicht: Haben Sie doch den Mut und entpolitisieren Sie den Sport! Haben Sie den Mut und gehen Sie in Richtung Berufs- und Spitzensport und überlassen Sie diesen Berufs- und Spitzensport einem selbstregulierenden Mechanismus! Gerade der Fall Goldberger und die Causa Elfi Eder haben gezeigt, daß der Wunsch und der Bedarf nach diesem selbstregulierenden Mechanismus unter den Sportlern gegeben ist. Die Politik und ihre Verbände wollen es aber nicht, da bei einem Selbstregulativ natürlich die Einflußmöglichkeiten nicht mehr gegeben sind.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Schwerpunkt dieses Sportberichtes ist aber auch die Errichtung der Sportstätten. Den Wert einer Regierungszusage für die Errichtung von Sportstätten haben wir Steirer in leidiger Erinnerung und erfahren müssen. Ich nenne nur ein Stichwort. Wir erinnern uns noch an die Zusage von seiten der Bundesregierung, von seiten des damaligen Bundeskanzlers, anläßlich der Errichtung des Österreichringes, des sogenannten A1-Ringes. – Kein Schilling ist von seiten des Bundes in diese Sportstätte geflossen.

Meine Damen und Herren! Bei der Errichtung der Sportstätten erinnern wir Steirer uns noch sehr genau daran – das ist auch im Bericht beinhaltet –, daß für den Ausbau und die Adaptierung des Liebenauer Stadions – heute Schwarzenegger-Stadion – die durchaus beachtliche Summe von 60 Millionen Schilling aufgewendet wurde. Aber gleichzeitig hat kein geringerer als der Präsident des steirischen Fußballverbandes dazu Stellung genommen und gesagt – ich zitiere –:

An alle Verantwortlichen des Landes Steiermark – so schreibt der Präsident des Steirischen Fußballverbandes. Dipl.-Ing. Vesko, Landtagsabgeordneter, hat bei der Budgetdebatte im Steiermärkischen Landtag zum Sport gesprochen. Er bedauerte, daß die mögliche Fußball-Europameisterschaft und auch sonstige Großereignisse an Graz vorbeilaufen, da daß Stadion Liebenau zu klein gebaut wurde. – Das stimmt.

Es stimmt auch, daß der Steirische Fußballverband vehement und vor allem rechtzeitig vor Baubeschluß gegenüber allen Verantwortlichen auf diesen bedauerlichen Mangel aufmerksam gemacht hat. Wir haben vorausschauend etwas gefordert, was heute alle fordern, und so weiter und so fort. – Das schreibt der Präsident des Steirischen Fußballverbandes.

Meine Damen und Herren! Das ist wiederum ein Beweis dafür, daß von seiten der Bundesregierung über die Bedürfnisse der Betroffenen hinweg regiert wird und auch auf die Bedenken und letztlich auf die berechtigte Forderung des Fußballverbandes überhaupt nicht Rücksicht genommen wurde.


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Dritter Punkt: Es ist mir sehr angenehm, daß der Herr Staatssekretär jetzt anwesend ist, denn gerade der Herr Staatssekretär hat in jüngster Zeit anläßlich der nordischen Spiele in der Ramsau wiederum eine Aussage getätigt, über die wir Steirer nicht unbedingt unglücklich sind, aber aus der wir Steirer wenig Vertrauen schöpfen, da wir schon einmal von seiten der Bundesregierung für Sportstätten eine Zusage bekommen haben und dann kein Schilling geflossen ist.

Anläßlich dieser nordischen Sportwettkämpfe in der Ramsau hat der Herr Staatssekretär erklärt, daß im Hinblick auf die nordische Weltmeisterschaft beim Sportstättenbau – im speziellen wurde der Bau des Sprungstadions, der Schanzenanlagen genannt – der Bund 40 Prozent, das Land 40 Prozent und 20 Prozent die Region und die Gemeinden übernehmen werden – mit dem Nachsatz, daß eine nachhaltige Nutzung gegeben ist.

Herr Staatssekretär! Wir kennen diese Diskussion, das haben wir in der gleichen Form beim Österreichring gehört. Wenn dann eben die nachhaltige Nutzung nicht gegeben ist, weil die Prädikatsveranstaltung nicht national und schon gar nicht vom steirischen Schiverband vergeben werden kann, wenn dann die Gefahr droht, daß die Mittel nicht fließen, dann halte ich von dieser Zusage beziehungsweise Ankündigung sehr wenig.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Versuchen Sie in Hinkunft, die Politik aus dem Sport herauszunehmen, und bestimmen Sie nicht mit den Budgetmitteln, welche Sportverbände, welche Sportvereine die guten und welche die bösen sind. Es wäre viel wichtiger, Herr Staatssekretär, wenn Sie in der Regierung dafür sorgen würden, daß auch die Sportler, die Österreich sehr gut vertreten, sozial abgesichert werden. Es wäre viel wichtiger, als Politik im Sport zu machen, wenn Sie den Mut hätten und diesem Berufssport selbstregulierende Maßnahmen überlassen würden, damit sich diese Regulative selbst entwickeln können. Es wäre viel wichtiger, Herr Staatssekretär, wenn Sie für den Breitensport etwas tun würden – zum Beispiel, daß die öffentlichen Stadien, die öffentlichen Sportstätten für den Breitensport und für die Amateure zur Verfügung stehen könnten.

Meine Damen und Herren! Im Sportbericht selbst wurde eben auch auf diese Themen der Sportstätten Bezug genommen. Ich hoffe, daß wir Steirer, wir Österreicher in Hinkunft nicht wieder diese leidige Erfahrung machen müssen, daß es von seiten der Regierung Zusagen gibt, daß Mittel in Richtung Sportstätten fließen werden und diese uns dann vorenthalten werden.

Ich hoffe, daß – wie beim Stadion Graz-Liebenau oder jetzt Schwarzenegger-Stadion – die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, daß jedoch die weitere Verwendung dieser Mittel doch den profunderen Kennern der Bedürfnisse überlassen wird, im Fall Stadion Liebenau dem Steirischen Fußballverband, daß dessen Stellungnahmen berücksichtigt werden, damit mit den Sportstätten den Bedürfnissen der Sportler und dem Breitensport Rechnung getragen werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

19.55

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Kollege Weilharter! Vielleicht eingangs eine kurze Replik auf deine Wortmeldung, was den Zuschuß des Bundes für den A 1-Ring und die Zusage des ehemaligen Bundeskanzlers betrifft. Diesbezüglich muß man schon richtigstellen, daß Bundeskanzler Vranitzky damals gesagt hat, er sei durchaus bereit, Geldmittel in einer beträchtlichen Höhe in die Region fließen zu lassen – also nicht, direkt den A 1-Ring zu fördern –, weil sinnvollere Projekte zur Arbeitsplatzschaffung durchaus förderungswürdig waren. Das ist bereits zu einem beträchtlichen Teil passiert; das ist das eine.

Das zweite: Ich glaube, die FPÖ und einige ÖVP-Politiker in der Steiermark haben eine besondere Vorliebe gewonnen, nämlich eine neue Sportart zu kreieren, so unter dem Motto: Wie fülle ich mit Steuergeldern Ecclestone-Konten? – Wenn man sich die jüngsten Zeitungsmeldungen anschaut, in denen etwas von weiteren 800 000 Dollar für eine Veranstaltung steht, wo doch


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diese Firmen bereits beträchtliche Einnahmen aufgrund dieses – ich sage es einmal so – schwachsinnigen Vertrages, der da beschlossen wurde, lukriert haben, so kann man feststellen, daß nun weitere 10 Millionen Schilling aus Steuergeldern ... (Bundesrat Meier: Schilling!) – 800 000 S oder Dollar? Es wären 800 000 S auch genug.

Ich glaube, diese Sportart hat nicht unmittelbar etwas mit dem Sportbericht zu tun, deshalb möchte ich das jetzt schon beenden. Ich ersuche nur, diesen Sport in der Steiermark nicht weiter zu betreiben, denn das würde für unsere Finanzen nicht unbedingt förderlich sein. (Zwischenruf.) – Nein, das ist uns nicht unangenehm, das müßte euch vermehrt unangenehm sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute zur Debatte stehende Sportbericht 1996 ist eine Auflistung der verschiedensten Aktivitäten im Rahmen der Sportpolitik. Er beschäftigt sich eingehend mit den Förderungen, den Kooperationen, mit den Verbänden und Dachorganisationen und mit der internationalen Sportpolitik. Besonders erfreulich ist auch, daß dem Behindertensport ein hoher Stellenwert zukommt. Dieser Bericht ist also ein sehr brauchbares Nachschlagewerk, und ich möchte mich namens meiner Fraktion bei den politisch Verantwortlichen, aber auch vor allem bei den Beamten für die genaue Erstellung dieses Werkes bedanken. Dieser Bericht ist eine nützliche Unterlage für unsere tägliche Arbeit. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Staatssekretär Dr. Peter Wittmann geht in seinem Vorwort unter anderem auch darauf ein, daß dem Sport in all seinen Facetten ein gleich hoher Stellenwert einzuräumen ist. Spitzensport sowie Freizeit- und Breitensport müssen besonders gefördert werden. Der Sport muß für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes da sein, das ist der richtige politische Ansatz, und in diese Richtung muß weitergearbeitet werden.

Hohes Haus! Sport durchdringt fast alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft, Sportlichkeit gehört zum modernen Lebensstil. So ist Sportpolitik nicht mehr allein umsetzbar als reine Fachpolitik, sondern betrifft die unterschiedlichsten Politikfelder. Sportpolitik kann daher nur über eine gezielte Vernetzung aller Politikbereiche zum Erfolg führen. Insbesondere die Sportvereine als Selbsthilfeorganisationen bilden ein Netzwerk alltäglicher Integration und sozialer Bindung, das seinesgleichen sucht.

Der Sport leistet in unserer Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag zur individuellen und sozialen Entfaltung des Menschen. Sport trägt zum körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefinden bei.

Sportliche Aktivität ist ein einzigartiges Feld für den sinnvollen Umgang mit dem eigenen Körper. Dies wird umso notwendiger, da wir in einer Zeit leben, in der der Mensch durch Vollautomatisierung der Arbeitsgeräte, durch automobile Verkehrsmittel und durch weitverbreiteten Fernsehkonsum physisch immer weniger beansprucht wird und seine Distanz zum eigenen Körper deshalb wächst.

Sport kann Bildung und Erziehung fördern, er eröffnet Wege der Selbsterfahrung und Selbstbestimmung, er bietet ein Feld des sozialen Handelns. Faires Verhalten kann erprobt und erworben werden.

Sport sollte oberstes Ziel für alle sein. Die Voraussetzungen müssen sowohl für den Spitzensport, aber auch für den Freizeit- und Breitensport geschaffen werden. Eine wichtige aktuelle und zukünftige Aufgabe ist es, Sportangebote für alle Bedürfnisse und Leistungsstufen zu schaffen.

Dazu gehört neben spielerischen und offenen Formen und neben Wettkämpfen auch der angemessene Sport für Unsportliche, denn jeder muß die Chance erhalten, Sport entsprechend individuellen Neigungen und Talenten als Teil schöpferischer und vitaler Lebensgestaltung zu betreiben. Sport für alle erfordert daher umfassendes politisches Handeln.

Meine Damen und Herren! In einer Zeit, in der die Vermittlung ideeller Werte und die Erziehung zu solidarischem Verhalten in der Gesellschaft immer schwieriger werden, sollten Förderungen


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verstärkt in den effizient arbeitenden, selbstorganisierten Sport fließen. In den Sportvereinen entstehen und festigen sich soziale Bindungen leichter als in vielen anderen Organisationen. Diese Vereine können Jugendlichen, aber auch benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft auf Dauer sozialen Halt bieten. Der Sport, der außerdem fast sprachlos funktioniert, ist dafür erwiesenermaßen ein geeignetes Mittel. Sport ist wie kaum etwas anderes geeignet, auch Angehörige benachteiligter Gruppen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und soziale Kontakte und Integration zu ermöglichen. In einer zunehmend entsolidarisierten Gesellschaft bedeuten die Angebote der Sportvereine eine wichtige Gelegenheit zum sozialen Miteinander über Generationsgrenzen und soziale Schranken hinweg.

Das Ziel "Sport für alle" verpflichtet uns, auch für diejenigen Mitglieder unserer Gesellschaft, die dem Sport noch fernstehen, Angebote bereitzustellen beziehungsweise Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies erfordert nicht nur eine sozialorientierte Sportpolitik, sondern auch echte Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen Politikfeldern und den Sportorganisationen. Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben müssen die Sportvereine gestärkt und mehr als bisher gefördert werden. Ohne ausreichende Hilfe sind sie nicht in der Lage, gerade für benachteiligte Gruppen der Gesellschaft eine Struktur von entsprechenden Angeboten zu schaffen. In unserer zunehmend multikulturellen Gesellschaft kann der Sport in besonderer Weise auch die Integration ausländischer Mitbürger fördern und Toleranz wecken.

Meine Damen und Herren! Sport und Bewegung sollten selbstverständlicher Teil des Alltags aller Menschen werden, um auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit leisten zu können. Nur eine enge Zusammenarbeit von Gesundheits- und Sportpolitik kann dazu führen, daß der Sport als Gesundheitsfaktor anerkannt wird und seine Wirkungen systematisch genutzt werden. Da das Betreiben von Sport zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt, zeigen auch immer mehr ältere Mitbürger ein größer werdendes Interesse an Sportangeboten. Man kommt zunehmend zu der Erkenntnis, daß der Sport gerade in höherem Alter wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Er fördert die Gesundheit und kann Alterungsprozesse durch die Erhaltung und Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit verlangsamen. Vor allem aber kann er helfen, soziale Isolation und Vereinsamung, von welchen ältere Menschen besonders betroffen sind, zu vermeiden. Die Kooperation zwischen den Pensionistenorganisationen und den Sportvereinen sollte daher ausgebaut werden.

Meine Damen und Herren! Sozialdemokratische Sportpolitik sieht Spitzen- und Breitensport als einander ergänzende und gegenseitig fördernde Bereiche. Jeder Versuch gegenseitigen Aufrechnens oder gar Konkurrenzdenkens, vor allem im finanziellen Bereich, ist kontraproduktiv. Für beide Bereiche müssen Grundlagen geschaffen werden, die den Sportausübenden eine professionelle Betreuung, eine professionelle Ausbildung und ein optimales Umfeld sicherstellen. Hauptziel sozialdemokratischer Sportpolitik ist die Ermöglichung des Zugangs aller Bevölkerungsschichten zu sportlichen Aktivitäten. Alle Maßnahmen, die zu einer noch stärkeren sozialen Ausgrenzung einkommensschwacher Schichten von der Sportausübung führen, sind massiv abzulehnen. Dies gilt insbesondere für die zur Diskussion stehenden Versicherungsprämienerhöhungen für Personen, die bestimmte Sportarten wie zum Beispiel Skifahren oder Fußball betreiben, denn dies wäre gesundheitspolitisch kontraproduktiv und würde zu einer eklatanten Benachteiligung einkommensschwacher Berufsgruppen führen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Hohes Haus! Sport hat eine enorme Bedeutung. Ich nütze die Gelegenheit, um mich namens meiner Fraktion bei allen Sportlerinnen und Sportlern, bei den Zigtausenden ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeitern beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden zu bedanken, denn das positive Zusammenspiel aller Kräfte ermöglicht erst eine erfolgreiche Sportpolitik. In diesem Sinne ist der Sportbericht 1996 ein guter Bericht. Die Entwicklung des Sports geht in die richtige Richtung. Meine Fraktion wird daher diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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20.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer das Wort. – Bitte.

20.06

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Guten Abend, meine Damen und Herren! Das Sportjahr 1996 war zweifelsohne erfolgreich. Es ist bereits gesagt worden: Den Höhepunkt stellten die Olympischen Spiele in Atlanta dar. Wir haben dort – wenn ich mich recht erinnere – Silber und Bronze im Schießen und seit Jahrzehnten wieder einmal eine Bronzemedaille in Leichtathletik errungen. Die Kärntnerin Vera Lischka ist Europameisterin geworden, was überhaupt erstmalig in der Geschichte des Schwimmsports war. (Bundesrat Dr. Harring: Sie ist leider keine Kärntnerin!) Sie ist keine Kärntnerin? (Bundesrat Dr. Linzer: Sie ist Oberösterreicherin!) Echt wahr? Dann habe ich sie von der Aussprache her falsch zugeordnet! Okay, ich will den Oberösterreichern diese Ehre nicht wegnehmen!

Kollege Freiberger ist bereits ausführlich darauf eingegangen, daß Sport sehr wichtig für die Gesundheitsvorsorge ist. Es ist unbestritten, daß Sport die Leistungsfähigkeit, das psychosoziale Wohlbefinden und die Lebensqualität sowie das Gesundheitsbewußtsein steigert, was nicht zuletzt den Drogenkonsum senkt. In diesem Zusammenhang bin ich auch froh, daß sich Vizekanzler Schüssel mit dem Vorschlag in der Bundesregierung durchgesetzt hat, den Vorsorgefonds mit 100 Millionen Schilling zu valorisieren, der in den letzten zwei Jahren nicht valorisiert worden ist, was ein Beitrag des Sports zum Sparpaket war.

Sport schafft auch soziale Kompetenz und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei. Deswegen möchte ich an dieser Stelle auch allen ehrenamtlichen Funktionsträgern im Sportwesen danken, weil ich glaube, daß in diesem Bereich sehr viele unbezahlt eine sehr wichtige Tätigkeit für unsere Gesellschaft erbringen.

Sport ist zweifelsohne auch ein Identifikationsfaktor und nicht zuletzt ein Werbeträger für unser Land. Kollegin Ramsbacher hat bereits die Erfolge des ÖSV angesprochen, allen voran des Hermann Maier. Er ist Salzburger, aus Flachau, ich glaube, in diesem Fall liege ich richtig! Ich habe mich nur einmal geirrt, nicht? (Bundesrat Dr. Harring: 50 Prozent waren richtig!) Okay, 50 Prozent! Jetzt muß ich noch ein paar nennen, damit die Quote steigt! Auf jeden Fall ist das gesamte Herrenteam des Österreichischen Skiverbandes derzeit ein exzellenter Werbeträger für unser Land. Vorher haben wir gerade den Tourismusbericht diskutiert, und ich glaube, in diesem Zusammenhang ist der Skisport ganz wichtig für unser Land, weil wir gerade auf diesem Gebiet in unserem Land sehr viel anzubieten haben.

Es scheint mir auch wichtig, daß festgehalten wird, daß es ein ständiger Auftrag auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein muß, in der Breite dazuzugewinnen: Es soll nicht nur etwa die Fußballberichterstattung im Mittelpunkt stehen, sondern es soll eine breitere Palette angeboten werden, weil die Darstellung des Sports im Fernsehen letztendlich auch – damit komme ich zum Tourismusbericht zurück – das Freizeitangebot in diesem Land für die Zuseher ersichtlich macht.

Völlig überraschend ist die Sportförderung von den Freiheitlichen kritisiert worden. Ich möchte dazu sagen, daß man trotzdem auf jeden Fall die Kritik des Rechnungshofes ernst nehmen muß. Selbstverständlich werden Effizienz und Transparenz der Sportförderungen immer wieder zu überprüfen und natürlich auch zu verbessern sein.

Zur Abrundung möchte ich sagen, daß am 19. September im Nationalrat von allen Fraktionen ein Entschließungsantrag beschlossen wurde, der mehrere wichtige Punkte beinhaltet hat, unter anderem daß Anliegen des Sports im Rahmen aller Ressorts zu unterstützen sind, daß die Verbesserung des Gesundheitszustands und der motorischen Fähigkeiten unserer Jugend durch fachgerechte und ausreichende Bewegungs-, Leibes- und Sporterziehung bis hin zu den Studierenden sicherzustellen ist, daß eine regelmäßige Ausübung von Bewegungssport aller Altersgruppen der Bevölkerung als Maßnahme der Gesundheitsvorsorge besonders zu forcieren ist, daß es Förderung des Breitensports, des Behindertensports, des Spitzensports und natürlich auch von Großveranstaltungen geben soll, welche über die eigentlichen Sportinteressen hinaus Bedeutung für das Ansehen unseres Landes haben. Ich glaube, daß das von seiten des Bundesrates und in all den Funktionen, in denen die Mitglieder des Bundesrates tätig sind – wir sind in den Bundesländern in sehr vielen Funktionen tätig – zu unterstützen ist!


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Selbstverständlich wird auch meine Fraktion diesen Sportbericht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner kommt Herr Bundesrat Dr. Peter Harring zu Wort. – Bitte.

20.12

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrter Restbestand an Bundesratskollegen! Ich hatte beim Lesen und bei der Behandlung des Sportberichtes das Gefühl, daß halt so wie all die Jahre vorher Selbstgefälligkeit und Zufriedenheit vorherrschen und man die Meinung vertritt, daß ohnedies alles bestens ist. So findet sich in der Einleitung des Herrn Bundeskanzlers auch der Satz – den Kollege Freiberger nicht verlesen hat –, daß mit dem Sportbericht und dem Sportbudget ein Beitrag zur Budgetkonsolidierung geleistet wurde. Das soll ein hohes Lob sein? – Aber im allgemeinen, betreffend die Wichtigkeit, gesellschaftspolitische und soziale Bedeutung des Sports schließen wir Freiheitlichen uns völlig dem an, was du, lieber Herr Kollege Freiberger, gesagt hast und was auch Kollege Himmer gesagt hat. Ich wiederhole es nicht, denn ich meine, daß es ganz selbstverständlich ist, daß Sport für jedes Volk auf der ganzen Welt wichtig und von großer Bedeutung ist. Wir Freiheitlichen waren auch immer dieser Meinung.

Unsere Kritikpunkte kann ich kurz aufzählen: Ich glaube, daß die Bundesregierung zuwenig tut, um die Akzeptanz des Sports zu verbessern. Im Koalitionsübereinkommen stehen typischerweise nur zwei, drei Zeilen. Das eigene Staatssekretariat gibt es nicht mehr, beziehungsweise ist der Sport jetzt beim Bundeskanzler angesiedelt. Man könnte sagen, daß das sehr positiv ist. Ich bin jetzt aber ganz ehrlich: Herr Dr. Peter Wittmann! Sie sind mir ausgesprochen sympathisch, und ich halte Sie für vielschichtig, aber ich glaube nicht, daß dem Sport wirklich Ihre ganz besondere Liebe gilt! Sie setzen sicherlich andere Schwerpunkte. Und das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum Sie so oft bei großen Sportveranstaltungen fehlen. Alle anderen Spitzenpolitiker sehen ihre Aufgabe nämlich in erster Linie darin, daß sie einen Sportler, wenn er Erfolg hat, in den Arm nehmen und sich mitfeiern lassen.

Ich habe das Gefühl, daß der Sport, lieber Herr Staatssekretär, für Sie nicht die Wertigkeit hat, die er haben sollte. Ich glaube aber, daß es für die Verbesserung der Akzeptanz notwendig wäre, daß Sie auch einmal Zeichen setzen, daß Ihnen der Sport genauso wichtig ist wie Europa, wie die Kunst oder andere Dinge, die Ihnen sicherlich genauso liegen. Aber jeder setzt halt seine eigenen Prioritäten!

Eine Basis für die Wertigkeit, den der Sport in unserem Land hat, stellt auch dieser Sportbericht dar. Und daher stimmen wir diesem heute auch nicht zu. Denn es gibt darin keine Ansätze zu Strukturänderungen, keine Visionen, keine Ideen. Die Politik ist überall dort dabei, wo es um Vorsitze geht, etwa in der Sporthilfe. Kollege Löschnak und viele andere sind überall beteiligt, wo es um Sportgremien geht. Wo öffentliche Mittel vergeben werden, ist der Vorsitzende irgendeiner Kommission bestimmt irgendein Politiker, und zwar selbstverständlich nur aus den Koalitionsparteien, weil diese, wie sie meinen, am meisten davon verstehen.

In bezug auf die Förderungen vertritt sogar der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht die Meinung, daß die den politischen Parteien nahestehenden Dachverbände gegenüber den 53 Sportfachverbänden bevorzugt werden. Ich verstehe nicht, wenn Herr Kollege Himmer sagt, daß er unsere Kritik nicht versteht, die Kritik des Rechnungshofes jedoch sehr wohl versteht. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Sie werden schon noch lernen, daß auch unsere Kritik oft fundiert ist! Der Rechnungshof hat uns in der Auffassung bestätigt, daß diese Verteilung nicht richtig ist: Die zwei politischen Dachverbände werden bevorzugt, die Fachverbände gehen hingegen unter. – Der aktive Sport und das Sportleben wickeln sich jedoch wirklich fernab von jeder Politik im unpolitischen Raum ab! Ich habe Kollegen Freiberger heute schon gelobt. Aber ich stimme ihm nicht zu, wenn er im Zusammenhang mit Sport immer wieder von der sozialdemokratischen Sportpolitik redet. Denn damit sagt er ja, daß Kinder, wenn Sie in einen Sportverein eintreten wollen, notwendigerweise


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einen ASKÖ-Verein wählen müssen, weil sie sonst nicht glücklich sind. Ich meine, daß das eine Geschichte von gestern ist, die in das moderne Europa nicht mehr paßt. (Bundesrat Freiberger: Sozialdemokratische Sportpolitik ist Förderung des Breitensportes!) Ich habe selbst beim ASKÖ Villach jahrelang Sport betrieben, ich habe dort Basketball bis in die Bundesliga gespielt! Mich hat es gestört, daß ich unbedingt dort beitreten mußte, aber es hat in Villach sonst keinen Verein gegeben! Ich mußte dort hingehen. Meiner Meinung nach ist das – es ist jetzt schon 40 Jahre her – längst überholt beziehungsweise war auch schon damals überholt!

Meine Damen und Herren! Es gibt auch viele Sportarten, die ohne Förderung sind. Das bestätigt, daß mit der Fortschreibung des Förderungsschlüssels seit über 45 Jahren nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entsprochen werden kann.

Ich nenne jetzt ganz kurz unsere Forderungen: Rückzug der Politik aus dem Sport, ebenso wie es auch in der Wirtschaft und in anderen Gebieten vonnöten ist. Die gegenwärtigen Strukturen sind historisch gewachsen. Es ist alles verpolitisiert und paßt nicht, wie ich schon gesagt habe, in ein modernes Europa.

Außerdem meine ich, daß es zu einer gerechten Verteilung zwischen Spitzen- und Breitensport ohne gegenseitige Aufrechnung kommen muß. Es ist völlig richtig, daß es mehr Transparenz betreffend eingelangte Förderungsansuchen geben muß. Unparteilichkeit kann es nicht geben, wenn das Nahverhältnisses der Sportreferenten in den Städten, aber auch in den Ländern zu den einzelnen sporttreibenden Vereinen so groß ist, daß stets jemand bevorzugt wird, der von der richtigen Fraktion kommt. Ich bin der Meinung, es müßte stärker nach gesundheitlichen – tägliche Turnstunde und so weiter –, sozialen und pädagogischen Maßstäben gewichtet werden.

Ich bin der Meinung, daß sich der Herr Staatssekretär sehr wohl dafür einsetzen könnte, daß es ein Sportförderungsgesetz in allen Bundesländern gibt! Man könnte in den Sportbericht schreiben, daß es traurig ist, daß nur drei Bundesländer ein Sportförderungsgesetz haben, die anderen jedoch nicht. Warum verhält sich das so? Man sollte vielleicht doch überlegen, die UNION und den ASKÖ mittelfristig etwas rückzubauen.

Außerdem bin ich der Meinung, daß jedes Bundesland ein Haus des Sportes haben sollte.

Insgesamt wären wir – wie ich meine – alle gut beraten, ob jung, ob älter oder ob alt, wenn alle Initiativen gefördert werden, die dazu beitragen, daß Österreich zu einem Sportland wird. Denn bezogen auf die Bevölkerungsanzahl und auf unsere nationalen und internationalen Erfolge sind wir es fast. Daher sollte man noch mehr tun, und selbstverständlich wird alles, was zur Imageverbesserung des Sportes beiträgt, von uns Freiheitlichen unterstützt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig das Wort. – Bitte.

20.19

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meiner Einschätzung nach ist der Sportbericht 1996 ein Bericht, welcher ein ausgeglichenes Verhältnis der Sportförderung zwischen Spitzen- und Breitensport aufzeigt. Das zeigt sich auch in den einzelnen Schwerpunktsetzungen dieses Berichtes: Beim Spitzensport wird über die verschiedensten Veranstaltungen in diesem Bereich berichtet.

Den zentralen Schwerpunkt des Sportjahres 1996 bildeten ohne Zweifel die Olympischen Spiele in Atlanta. Aber auch Österreich war 1996 Austragungsort zahlreicher großer internationaler Sportveranstaltungen, ich nenne etwa die Skiflug-WM am Kulm mit mehr als 100 000 Besucherinnen und Besuchern oder die Eishockey-WM der Gruppe A in Wien, bei welcher sich Wien wieder in die internationale Eishockeyszene zurückspielen konnte, aber auch die Ballon-WM in Schielleiten.


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Die Einsatzbereitschaft und das Organisationstalent österreichischer Funktionäre wurde bei diesen Veranstaltungen einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, und die von manchen Freiheitlichen immer wieder kritisierten Verbände und Vereine haben auf diesem Gebiet wirklich Hervorragendes geleistet und haben sicherlich auch mit dazu beigetragen, die Kosten für derartige Großveranstaltungen möglichst gering zu halten.

Professionelles Veranstaltungsmanagement erhält dabei immer größere Bedeutung und wird sukzessive zur wichtigsten Voraussetzung für erfolgreiche Organisation sowie optimale Finanzierung und öffentliche Präsentation. Österreich hat als Veranstaltungsland internationaler sportlicher Ereignisse eine große Tradition aufzuweisen, und die vielfache Betrauung österreichischer Städte, Regionen und Bundesländer mit internationalen Veranstaltungen, insbesondere mit Welt- und Europameisterschaften, zeigt, welch hohes Ansehen Österreich auf diesem Gebiet genießt.

Es gibt eine Reihe von Großveranstaltungen, die in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen werden, und zwar nicht nur für den Sport unmittelbar, sondern darüber hinaus natürlich auch für unseren Fremdenverkehr. Darüber hinaus haben unsere heimischen Sportlerinnen und Sportler anläßlich solcher Veranstaltungen auch die Möglichkeit, internationale Erfahrung zu sammeln und internationale Erfolge einfahren zu können. Ich nenne exemplarisch nur einige kommende Großveranstaltungen, zum Beispiel die Fußball-Europameisterschaft 2004 mit Ungarn oder auch die Olympischen Winterspiele 2006, bei welchen Klagenfurt als Österreichkandidat gemeinsam mit zwei Regionen in anderen benachbarten Ländern Olympische Spiele durchführen soll.

Ich halte es für eine sehr gute Idee, daß man grenzübergreifend beziehungsweise grenzüberschreitend im Sportbereich gemeinsam tätig ist und völkerverbindend arbeiten kann. Das ist letzten Endes auch ein Ziel, das mit dem Sport erreicht werden soll. Kollege Freiberger hat auf diesen Umstand schon ausführlich hingewiesen. Bereits fix sind die nordischen Ski-Weltmeisterschaften 1999 in der Ramsau und die alpine Ski-WM 2001 in St. Anton, und als Wiener bin ich sehr froh, daß es uns auch gelungen ist, die Europameisterschaft der Volleyball-Männer 1999 nach Wien zu bringen.

Zweifellos ist Spitzensport aber nur dann möglich, wenn es auch entsprechende Förderungen gibt. Ich kann mich deshalb auch der Meinung des Erstredners der Freiheitlichen Partei nicht anschließen, der gemeint hat, daß man den Spitzensport dem Markt überlassen soll. Dieser Meinung bin ich nicht. Meines Erachtens sind Weltklasseleistungen von Sportlerinnen und Sportlern ohne Fördermaßnahmen nicht möglich. Denn bei uns herrschen andere Rahmenbedingungen als zum Beispiel in den USA, wo sich große Universitäten oder große Konzerne die Unterstützung derartiger Sportler leisten können.

Da das bei uns in Österreich nicht möglich ist, hat die öffentliche Hand hier zweifellos die Verpflichtung, bei der Spitzensportförderung mitzuwirken. Die vorhandenen Mittel müssen konzentriert und effizient eingesetzt werden, um einen möglichst großen Output an Spitzenleistungen zu erzielen. 1996 – also im Berichtszeitraum – wurde die Förderung innerhalb des Spitzensportausschusses reformiert. Hinkünftig werden der Bund, das Olympische Komitee, die Sporthilfe und die Länder aufeinander abgestimmt erfolgversprechende Projekte fördern. Das ist sicherlich ein weiterer wichtiger Schritt, um die Effizienz in diesem Bereich zu steigern. Derzeit werden auch die Sommersportarten für Sydney 2000 gefördert, und nach den Winterspielen in Nagano werden auch die besten Projekte im Hinblick auf Salt Lake City 2002 in die Förderung aufgenommen.

Als Sozialdemokraten liegt mir aber nicht nur der Spitzensport am Herzen, sondern insbesondere natürlich auch der Breitensport. Hier geht es vor allem auch darum, im Bereich der Nachwuchsförderung neue Akzente zu setzen und neue Projekte zu finden. Im Berichtszeitraum war es in diesem Zusammenhang möglich, neue Verbindungen zwischen außerschulischem und schulischem Sport zu finden.


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Ich möchte hier nur ein Beispiel anführen, nämlich das Sport-Schnupper-Projekt "Sporthits for Kids". Dieses Pilotprojekt wurde in Wiener Neustadt mit großem Erfolg durchgeführt, in das Schüler aller Schultypen ab der dritten Schulstufe mit eingebunden waren. – Ich glaube, daß diese Art von Projekten eine große Chance im Bereich der Schulautonomie bieten, Buben und Mädchen anzusprechen. Denn wir dürfen nicht übersehen, daß der Schulsport durch die Schulautonomie in eine neue Konkurrenzsituation gekommen ist, ebenso wie andere Bereiche, etwa Basteln, Sprachkurse und vieles mehr. Und wenn es uns ein Anliegen ist, daß Kinder keine Haltungsschäden oder sonstige gesundheitliche Schäden bereits in jungen Jahren bekommen, dann muß es uns besonders am Herzen liegen, derartige Projekte auch zu fördern.

Es ist eine besonders gelungene Idee, daß jene Trainerinnen und Trainer, die vom Bundeskanzleramt finanziell unterstützt werden, auch eine bestimmte Anzahl an Sportunterrichtsstunden absolvieren sollen, damit auch Schülerinnen und Schüler einen entsprechend kompetenten Sportunterricht genießen können. Das ist eine Idee, die von Staatssekretär Wittmann ins Leben gerufen wurde.

Wenn ich manchmal auch Auffassungen von Kollegen Harring teile, so bin ich dennoch bei der Einschätzung der Bedeutung von Politikern, die sich mit Sport befassen, nicht der Meinung, daß es so wichtig ist, daß sie jenen, die auf dem Stockerl stehen, in die Arme fallen, wie Kollege Harring gemeint hat. Meines Erachtens ist es viel wichtiger, daß verantwortliche Sportpolitiker Akzente setzen, neue Projekte entwickeln und – wie es Kollege Wittmann jetzt auch erreicht hat – überlegen, wie die Finanzierung im Sportbereich gesichert werden kann.

Ich glaube, daß es auch Überlegungen im Bereich der Valorisierung geben muß. Die Sportförderung soll nach den Jahren 1996 und 1997, in denen es keine Valorisierung gegeben hat, durch die Einbeziehung von Sport – Lotto – Toto neue finanzielle Möglichkeiten bekommen. Staatssekretär Wittmann hat diesbezüglich neue Überlegungen angestellt, und es werden im Projektbereich neue Akzente gesetzt werden, insbesondere wird aber auch bei der Finanzierung dazu beigetragen werden, daß die Sportorganisationen, vor allem aber auch die einzelnen Sportlerinnen und Sportler stärker unterstützt werden.

Ein Aspekt, den wir thematisch vor kurzem im Bundesrat behandelt haben, ist der Themenbereich: "Frauen und Sport", genauer gesagt: "Frauen beim Bundesheer und Sport". Wir haben bei unserer letzten Sitzung über diese neue Möglichkeit gesprochen. Ab 1998 ist Frauen der Zugang zum Heer möglich. Im April 1998 werden die ersten Frauen einrücken, ab Juni 1998 könnte es dann den ersten weiblichen Präsenzdienern möglich sein, als HSNS-Sportlerinnen tätig zu werden. Ich war selbst bei der HSNS eingerückt und weiß aus eigener Erfahrung, daß das eine Einrichtung ist, die Sportlern – und dann auch Sportlerinnen – gute Möglichkeiten bieten kann, sich in einem sehr sensiblen Alter auf neue sportliche Herausforderungen vorzubereiten.

Nun noch ganz kurz zu einer Zielgruppe, die uns Sozialdemokraten ebenfalls sehr am Herzen liegt, nämlich die Behinderten: Wir hatten in Österreich gerade in den letzten zwei, drei Jahren herausragende Leistungen im Bereich des Behindertensports zu verzeichnen. Es ist sehr erfreulich, daß es 1996 gelungen ist, daß der Österreichische Behindertensportverband als ordentliches Mitglied mit besonderer Aufgabenstellung in die Österreichische Bundessportorganisation aufgenommen wurde, womit auch die Finanzierung und die finanzielle Abdeckung für den Behindertensport gesichert ist.

All diese Aspekte, die bereits angeführt wurden und die ich einzubringen versucht habe, veranlassen uns Sozialdemokraten, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile ihm das Wort.

20.30

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Vorredner haben sich mit Spitzensport und Breitensport auseinanderge


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setzt. Man könnte nun ein rhetorisches Spiel machen und fragen, ob es Spitzensport ohne Breitensport geben würde oder ob nicht auch der Spitzensport den Breitensport motiviert. Ich denke, daß es wichtig und notwendig ist, beide Gruppen aufeinander abzustimmen, und daß der Sport in erster Linie selbstverständlich auch in seiner Funktion für die Volksgesundheit zu sehen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte eingangs allen Sportlerinnen und Sportlern zu ihren Erfolgen gratulieren und außerdem den hauptberuflichen sowie auch den vielen ehrenamtlichen Funktionären der Sportvereine dafür danken, daß sie diese Arbeit machen. Wenn man den Sportbericht kritisch liest, zeigen sich positive und negative Teile. Ich möchte mit dem Positiven beginnen. Sehr lobenswert ist erstens die Kooperation mit den Bundesländern in zahlreichen Sportangelegenheiten, zweitens die Sicherstellung der Bundesförderung für zahlreiche Sport-Großveranstaltungen und drittens die Förderung des Jugendsports durch den Bund unter Finanzbeitragsleistung der Länder. Leider läuft dieses Modell 1998 aus, Herr Staatssekretär! Es wäre aber zweckmäßig, das Modell der Jugendsportmultiplikatoren auch in Zukunft fortzuführen.

Was die negativen Teile betrifft, werde ich auch etwas über die Formel 1 zu sagen haben. Es ist nicht einzusehen, daß noch immer gegenüber dem Bund offene Forderungen von seiten der Steiermark bestehen. Negativ ist auch, daß die Organisationsstruktur auf Bundesebene 30 Jahre alt ist; in dieser Hinsicht müßte es dringend zu einem Umdenkprozeß kommen. Bedauerlicherweise ist es zu Förderungseinsparungen des Bundes gegenüber den Ländern gekommen, zum Wegfall der Zuschüsse für regionale Projekte der Sportverbände. Negativ zu bewerten ist weiters die Privatisierung der Bundessporteinrichtungen – das muß man offen und ehrlich gestehen –, weil sie zu Mehrbelastungen der Länder geführt hat. Außerdem sind die Überwachungsgebühren stark gestiegen, und die Einführung von Mieten für Schulturnsäle bewirkt gewaltige Mehrbelastungen für die örtlichen Sportvereine.

Ich möchte in diesem Zusammenhang feststellen: Wenn wir weiterhin den Breitensport erhalten wollen, müssen der Staat und die Republik auch bereit sein, in öffentlichen Einrichtungen nicht noch zusätzlich Entgelt von jenen Leuten zu verlangen, die am Abend, nach dem Beruf und nach der harten Arbeit, Sport ausüben wollen.

Wie Kollege Ludwig vorhin schon gesagt hat, hat sich auch aus der Valorisierung der Lotto-Toto-Mittel eine große Belastung für den gesamten österreichischen Sport ergeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben vorhin das Thema Tourismus diskutiert. Ich möchte in meinem Debattenbeitrag zum Sportbericht nun das Thema A 1-Ring andiskutieren. Dort waren im vergangenen Jahr 673 000 Besucher und 208 Veranstaltungstage zu verzeichnen, die finanzielle Wertschöpfung betrug 353 Millionen Schilling. Das Steueraufkommen aufgrund dieser Veranstaltung belief sich auf 355 Millionen Schilling, wovon allein schon der Grand Prix 145 Millionen an Steuern erbrachte.

Es kann nicht sein, daß der Bund und die Republik Österreich nicht bereit sind und immer wieder Auswege suchen – auch wenn man parlamentarische Anfragen stellt –, daß der Bund stets auf andere Projekte umwälzt, und schließlich stellt sich heraus, daß weder das eine noch das andere eingetreten ist. Vorhin hat Kollege Engelbert Weilharter – wir alle kennen diese Sache – das Arnold-Schwarzenegger-Stadion in Graz andiskutiert, das in eineinhalbjähriger Bauzeit errichtet wurde, in dem 15 000 Besucher Platz finden und in dem es, weil der Bund die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung gestellt hat, zu Engpässen kommt.

Nicht andiskutiert wurde aber, daß sich in diesem Stadion auf 2 000 Quadratmetern das größte Fitneßzentrum Österreichs befindet und daß es in Österreich insgesamt 2 800 gewerbliche Fitneßzentren gibt, in denen Zehntausende Österreicher die Möglichkeit haben, Fitneßsport und Volkssport zu praktizieren. Da auch Kollege Ludwig vorhin gesagt hat, daß man über den Sportbericht kritisch nachdenken soll, möchte ich das aufgreifen und feststellen, daß man sich nach dem Beispiel der USA überlegen sollte, die Mitgliedschaft in Fitneßzentren steuerlich absetzbar zu machen.


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Wenn man einen Anreiz zu gesundem Sport geben will – wir haben hier vor ein paar Monaten den Bericht des Verteidigungsministers diskutiert und wissen daher, daß 81 Prozent unserer Jugend voll tauglich sind und fast 11 Prozent untauglich –, sollte meiner Ansicht nach im Bereich des Schulsportes einiges getan werden.

In diesem Zusammenhang danke ich noch einmal für diesen Bericht. Meine Fraktion wird dem Sportbericht selbstverständlich die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb. Ich erteile ihm das Wort.

20.37

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! 99 Prozent der gesamten Sportförderungsmittel werden an 1 Prozent der Sportler ausgeschüttet, und im Rahmen der allgemeinen Sportförderungen werden hauptsächlich Vorhaben der politischen Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und UNION unterstützt.

Die österreichische Sportfinanzierung bevorzugt die den politischen Parteien nahestehenden Verbände in ungerechtfertigter Weise. Auch der Rechnungshof hat bestätigt, daß die den politischen Parteien nahestehenden Dachverbände sowie der Fußballbund gegenüber den 53 Sportfachverbänden bevorzugt werden. Seit 45 Jahren wurde der Aufteilungsschlüssel der Sportförderung nicht mehr geändert, und somit entspricht er längst nicht mehr den aktuellen Erfordernissen, da heute das aktive Sportverhalten von Amateuren und Freizeitsportlern hauptsächlich im unpolitischen Raum stattfindet.

Die heutige ineffiziente Vergabepraxis hat zur Folge, daß zum Beispiel in einer kleinen Stadt in Oberösterreich sowohl von ASKÖ als auch UNION je eine Sporthalle errichtet wurde, da kein Verband schlechter dastehen wollte als der andere. Über die gemeinsame Nutzung einer Halle, die für diese Stadt völlig ausreichend gewesen wäre, konnte keine Einigung erzielt werden.

Zusätzlich zu dieser ineffizienten Vergabeweise findet man immer wieder zweifelhafte Doppelfunktionen von Beamten vor, die mit der Vergabe von Fördermitteln befaßt sind und gleichzeitig Funktionen in Vereinen und bei anderen Förderungsempfängern bekleiden. Solche Verflechtungen zwischen Förderungsgebern und Förderungsempfängern müssen in Zukunft unbedingt ausgeschlossen werden, sonst wird, wenn einmal der Versuch einer Privatisierung unternommen wird, dies nicht oder allenfalls mangelhaft gelingen. Ein Beispiel dafür ist die geplante Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen, die nicht weit genug geht und eigentlich nichts mit einer Privatisierung zu tun hat.

Ich fordere daher, die Fördermittelvergabe zu entpolitisieren und die Aufteilungsschlüssel zu aktualisieren. Die Identität von Förderungsgebern und Förderungsnehmern ist in Zukunft auszuschließen und die Bundessporteinrichtungen sind zu privatisieren.

Aufgrund der genannten Defizite werden wir Freiheitlichen dem Sportbericht nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Johann Grillenberger. – Bitte.

20.40

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Sportbericht ist sehr umfassend, und er ist auch sehr übersichtlich gegliedert. Von den Vorrednern ist er schon sehr ausführlich besprochen worden, und es wäre widersinnig, wenn ich jetzt über statistisches Material und Zahlen zu reden beginnen würde. Das braucht nicht im Detail aufgezählt zu werden; und der Bericht liegt allen


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hier vor, sodaß jeder selbst darin nachlesen kann. Aber ich möchte kurz auf den Vorredner eingehen, der an Verbänden, Richtlinien und Vergaben Kritik geübt hat.

Ich möchte das auf dem kleinsten Nenner diskutieren, nämlich anhand des Breitensports und in meiner Eigenschaft als Bürgermeister, von den kleinen Vereinen her und nicht in bezug auf den Spitzensport. Daß dieser funktioniert, wissen wir: Wir sind alle stolz, wenn wir zur Fußballweltmeisterschaft fahren; die Nation ist jetzt in hellen Wogen, wir gewinnen die Skirennen; und wir sehen im Fernsehen, daß dort alles paßt. Wenn wir dann lesen, wo die Millionen und die Sponsoren zu finden sind, sehen wir, daß diese Vereine und Verbände recht gut leben.

Aber es gibt draußen in den Gemeinden auch sehr kleine Vereine, die den Sportler erst heranziehen müssen, damit er ein Spitzensportler wird. Dort sind in erster Linie die Kommunen gefordert, und ebenso die Sportförderung des Staates und der Länder. Es ist heute so, daß man nur noch sehr, sehr wenige Funktionäre findet, die sich dem Sport ehrenamtlich zur Verfügung stellen und sich Tag für Tag und Woche für Woche einsetzen, damit in den kleinen Vereinen noch Sport betrieben werden kann, ob es nun die Jugend oder den Spitzensport betrifft. Damit gibt es die größten Schwierigkeiten, das sage ich als Bürgermeister.

Wenn ein Sportverein, zum Beispiel ein Tennisverein, seine Generalversammlung abhält, habe ich stets Sorge, ob es am nächsten Tag dort noch einen Funktionär geben wird, ob es den Verein überhaupt noch geben wird und ob sich der Verein nicht aufgelöst hat. Auch finanziell gut dastehende Vereine haben Schwierigkeiten, weil sie keine Funktionäre finden. Dort müssen wir etwas tun, dort müssen wir ansetzen.

Auch in den Schulen müssen wir etwas tun. Denn heute ist es anders als früher, als man Schulsport machte und der Herr Lehrer oder die Frau Lehrerin nach der Schule mit den Kindern Sport betrieben hat, Völkerball, Fußball und so weiter. Heute – das sage ich wieder als Bürgermeister – sind der Direktor, die Frau Lehrerin und der Herr Lehrer schneller zu Hause als die Schüler. Da zeigt sich, daß die Einstellung nicht stimmt. (Bundesrätin Mühlwerth: Und dort, wo sie stimmt, können sich die Vereine die Miete nicht mehr leisten wegen der Schulautonomie und der Teilrechtsfähigkeit!)

Dabei kommt es auf die persönliche Einstellung an, sage ich immer wieder. Heute machen die Funktionäre auf der untersten Ebene ihre Arbeit freiwillig. Ich habe das jetzt drastisch zugespitzt dargestellt. Dort müssen wir auch etwas tun. Wenn sich im Sportbericht die Zahlen so gut darstellen, müssen wir auch für die kleinsten Vereine und Sportverbände eintreten. Wenn man beachtet, daß es insgesamt 14 000 Vereine in Österreich gibt und ungefähr 2,5 Millionen Menschen sportlich tätig sind, dann sagt diese Zahl etwas Bestimmtes aus: daß man mit der Förderung dort ansetzen muß.

Selbstverständlich sind die Vereine gefordert, selbst kreativ zu werden. Es wirkt sich sehr unterschiedlich aus, wer dem Verein vorsteht, das kann ich nach langjähriger Tätigkeit als Vereinsfunktionär sagen: Beim einen funktioniert es, dort ist die finanzielle Basis genauso vorhanden wie die sportliche Begeisterung, beim anderen funktioniert es nicht. Kreativität ist gefragt, und Förderung ist gefragt: Das muß eine Symbiose sein, damit wir auch den Breitensport subventionieren. Ich sage es jetzt ganz drastisch: Zurzeit brauchen wir diese Verbände noch. Wie man das anders organisieren kann, darüber könnte man auch eine Fragestunde abhalten. Vielleicht kann man in dieser Hinsicht Abhilfe schaffen. Aber zurzeit funktioniert es noch recht gut.

Ich möchte trotzdem allen Vereinsfunktionären, die freiwillig mitarbeiten und die Vereine führen, von dieser Stelle aus sehr herzlich danken. Meine Fraktion wird den Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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20.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Franz Wolfinger das Wort. – Bitte.

20.45

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir den Sportbericht über das Jahr 1996 sehr genau durchgesehen. Wir haben von den Vorrednern schon sehr viel über die zahlreichen Facetten der Förderung des Sports in dessen vielen Bereichen gehört. Aber ein Bereich ist anscheinend noch nicht zur Sprache gekommen, und den möchte ich kurz anreißen. Sie können mir glauben, daß ich dabei weiß, wovon ich rede, denn ich bin durch meine berufliche Tätigkeit mit den Senioren verbunden und weiß, was in diesem Bereich getan wird. Ich möchte kurz die Bedeutung des Seniorensports hervorheben.

Wenn wir in die Vergangenheit blicken, müssen wir feststellen, daß Sport eigentlich ausschließlich ein Privileg der Jugend war. Unsere Gesellschaft hat sich aber in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert, und diese Veränderungen haben auch vor den älteren Menschen nicht haltgemacht. Das Pensionistendasein von einst hat jedenfalls mit dem Verhalten der Senioren von heute nicht mehr viel gemeinsam. Die Veränderungen in der Arbeitswelt und die Fortschritte in der modernen Medizin haben entscheidend dazu beigetragen, daß die körperliche Verfassung besser geworden ist, sodaß heute bei vielen Menschen das biologische Alter mit dem kalendarischen nicht mehr übereinstimmt.

Die Statistiken zeigen uns auch, daß das Durchschnittsalter steigt. Zurzeit sind zirka 20 Prozent der Gesamtbevölkerung über 60 Jahre alt, und die Zahlen werden in den nächsten Jahren laufend höher werden. Eben diese Entwicklung hat auch für den Sport eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangt und zur Einführung des Seniorensports geführt. Seit es medizinisch erwiesen ist, daß sportliche Aktivität die wirkungsvollste Waffe im Kampf gegen das vorzeitige Altern ist, kann man davon ausgehen, daß der Seniorensport in seiner ganzen Breite nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Allgemeinheit von Bedeutung ist. Vernünftig betriebener Seniorensport bietet uns die Chance, die uns gegebenen Lebensjahre gesünder, aktiver, ausgefüllter und zufriedener zu verbringen.

Es ist allgemein bekannt und wird durch Untersuchungen immer wieder bestätigt, daß in unserem Land jährlich Hunderte Menschen durch Sturzunfälle im häuslichen Bereich sterben und von ihnen mehr als 80 Prozent über 60 Jahre alt sind. Die Zahl der Verletzten geht in die Tausende. Wenn wir durch gezielte Arbeit im Seniorensport nur einen kleinen Prozentsatz dieser Unfälle verhindern können, dann ersparen wir dem einzelnen viel Leid und der Allgemeinheit wahrscheinlich erhebliche Kosten.

Um aber Seniorensport sinnvoll betreiben und vermitteln zu können, benötigt es gut ausgebildete Lehrwarte und Übungsleiter. Alle, die im Seniorenbereich tätig sind, müssen sich daher bemühen, daß wir dieser Forderung gerecht werden. Nicht zuletzt müssen aber auch die für den Sport zuständigen Stellen den Worten Taten folgen lassen und dem Seniorensport die Unterstützung angedeihen lassen, die ihm seiner hohen Bedeutung nach zusteht.

Kurz noch zur Bedeutung des Seniorensports für den einzelnen: Die größte Bedeutung im Leben hat wohl für jeden von uns die Gesundheit. Also muß das oberste Ziel, das sich der Seniorensport setzt, ebenfalls die Gesundheit sein. Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ab, und diese versuchen wir mit dem Seniorensport zu reaktivieren – dort, wo es möglich ist, sie noch zu steigern, und sie dort zu erhalten, wo Steigerungen kaum noch zu erwarten sind –, um auf diese Weise dem Alterungsprozeß entgegenzuwirken.

Der Seniorensport hat seine große Bedeutung in der Verbesserung der Fertigkeiten in der Altersmotorik, in der Verminderung des Unfallrisikos, in der Hebung der Freude und Zufriedenheit und in der Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens. Durch gezielte sportliche Betätigung kommt es zu positiven Auswirkungen auf den Stütz- und Bewegungsapparat sowie auf Knochen, Wirbelsäule, Gelenke, Sehnen, Bänder, Bandscheiben und Muskulatur, auf das Herz- und Kreislauf-System, den Atemapparat, das zentrale und vegetative Nervensystem und nicht zuletzt auch auf den Stoffwechsel.


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Auch für den psychischen Bereich ist der Seniorensport von Wichtigkeit: durch Vermittlung von Erfolgserlebnissen, durch Gelegenheit zur Selbstbestätigung oder durch Stärkung des Selbstvertrauens. Für den sozialen Bereich ist der Seniorensport – zum Beispiel durch Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und zur Teilnahme an der Gemeinschaft – ebenfalls von Bedeutung. Aus der praktischen Erfahrung kann gesagt werden, daß im Seniorensport die positiven Aspekte bei weitem überwiegen und daß seine Bedeutung von den älteren Menschen immer mehr erkannt wird. Es wird nun an jedem einzelnen liegen, die gebotenen Chancen zu nützen und auf diese Weise mit einer Eigenleistung zu seiner Gesundung beizutragen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn über die Parteigrenzen hinweg die berechtigten Anliegen der älteren Generation Ihre Unterstützung finden könnten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile ihm das Wort.

20.51

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen in gebotener Kürze nur drei Gedanken darlegen.

Der erste Gedanke ist der, daß wir diese Diskussion selbstverständlich vor dem Hintergrund der Tatsache führen müssen, daß Sport an sich Landessache ist, vor allem in bezug auf die Förderung des Breitensports und vieles andere mehr. Dennoch müssen wir sagen, daß – wie auch der Sportbericht zeigt – den 837 Förderungsmillionen der Bundesländer seitens des Bundes ein Etat von fast 600 Millionen Schilling zur Sportförderung gegenübersteht.

Ich sehe ein, daß die Förderungen des Bundes selbstverständlich mit einer bestimmten Zielrichtung erfolgen müssen: zum Zwecke der Förderung des Ansehens Österreich, für Sport-Großveranstaltungen oder Spitzensportler et cetera. Auch bei der Förderung von Investitionen müssen solche von überregionaler Bedeutung Vorrang haben. Aber die Frage sei mir erlaubt, ob dabei nicht vielleicht doch die kleineren Bundesländer – ich spreche von Vorarlberg und dem Burgenland – etwas zu kurz kommen. An sich könnte die Auflistung der Investitionsförderungen 1996 diesen Schluß zulassen.

Ich möchte mich jenen Vorrednern voll anschließen, welche die besondere Bedeutung der Nachwuchsförderung hervorgehoben haben. In diesem Zusammenhang begrüße ich besonders die Einrichtung der Jugendsportmultiplikatoren. Ich selbst habe Gelegenheit zur Kontaktnahme gehabt und mit einigen Herrschaften anläßlich eines Seminars bei uns in Oberwart darüber gesprochen. Deshalb möchte ich darum bitten, daß wir versuchen, diese Einrichtung weiter voranzutreiben beziehungsweise aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren! Ein besonderes Anliegen ist mir als langjährigem Funktionär in zwei Vereinen die Feststellung, daß die Vereine, wenn sie der heutigen Zeit und den modernen Anforderungen gemäß geführt werden sollen, de facto von Sportmanagern geführt werden müssen, die hinreichende Fachkompetenz haben und in kaufmännischer Hinsicht geschult sind. Ich denke, der Bund sollte zusammen mit den Vertretern der Länder besonders darauf dringen, daß diese Art der Ausbildung – soweit mir bekannt ist, ist sie möglich – viel stärker gesucht und angenommen wird. Ich halte das für eine durchaus attraktive Berufsausrichtung, und außerdem wäre besonderer Bedarf danach gegeben.

Was die Situation in Europa betrifft, die sich durch das Bosman-Urteil ergeben hat, wäre es mir ein Anliegen, daß von Bundesseite eine Klarstellung über die Trennungslinie zwischen dem Profisport und dem Amateursport erfolgt. Darüber besteht große Unsicherheit, unter den Aktiven genauso wie unter den Vereinen. Herr Staatssekretär! Ich wäre dankbar, wenn Sie sich der Sache annehmen würden. Ich weiß, daß das sehr schwierig ist und auch die Europäische Kommission in dieser Frage leider nichts weitergebracht hat. Aber wir wären dankbar, wenn es da Fortschritte gäbe.


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Zuletzt möchte ich ganz kurz auf die Kritik der Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei an den Dachverbänden zurückkommen. Lassen Sie mich Ihnen folgendes sagen: Vor vielen Jahren war ich als junger Sportler und dann als junger Funktionär den Dachverbänden gegenüber auch immer sehr kritisch und habe ihre Existenzberechtigung angezweifelt. (Bundesrat Waldhäusl: Als Junger schon!) Ich muß Ihnen aber sagen, daß ich nach 30 Jahren Funktionärstätigkeit sehr wohl die vielen positiven Aspekte dieser Dachverbände schätze. (Bundesrat Waldhäusl: Das ist so, weil Sie dann in die Politik gegangen sind!) Ich bin in Vereinen tätig, die der UNION beziehungsweise dem ASVÖ angehören. Die Praxis ist sicherlich eine andere, als Sie sie hier darzustellen versuchen. Draußen an der Basis, vor Ort, in den Kleinstädten ist es nicht so, daß – von mir aus, wenn Sie so wollen – der Schwarze die UNION sucht und der Rote ... (Bundesrat Waldhäusl: Ich bin selbst Obmann! Ich weiß schon, wie es ist!)

Sehen Sie: Wir alle sind dort von einem Ziel beseelt, nämlich Sport zu betreiben beziehungsweise Sportfunktionär zu sein. Über Politik, Herr Kollege Waldhäusl, ist in den letzten 20 Jahren in meinem Verein nie geredet worden. (Bundesrat Waldhäusl: Sehr gut! – Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist sehr richtig!) Denn in meinem Verein gibt es freiheitliche Funktionäre genauso wie SPÖ-Funktionäre und selbstverständlich auch ÖVP-Funktionäre. (Bundesrat Waldhäusl: Gratuliere! Spricht für Sie!)

Es gibt aber auch bei Ihnen schwarze Schafe, das muß ich Ihnen ebenfalls sagen: schwarze Schafe wie Ihren Leider-nicht-mehr-Bundesgeschäftsführer Schweitzer, der sich nicht entblödet hat, bei einer bestimmten Gelegenheit über Vereine zu schimpfen, anstatt in einen Verein hineinzugehen, als Funktionär tätig zu sein, seine Zeit zu opfern und auch materiell etwas beizutragen. So kann man es freilich auch machen.

Wir aber sind und ich persönlich bin der Meinung, daß wir unsere Vereine brauchen und daß unsere Vereine wichtig sind. Ich bin auch dafür dankbar, daß sich Tausende und Abertausende Funktionäre dafür hergeben, daß Sport bei uns nach wie vor die wichtigste Nebensache der Welt ist. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

20.57

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Ich darf kurz auf die Ausführungen einiger Bundesräte eingehen und möchte bei Herrn Bundesrat Weilharter beginnen. Er hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß dem Sportstättenbau in der Steiermark nicht nur eine Zusage über Geld gegeben wird, sondern daß auch tatsächlich eine Zuteilung erfolgt.

Ich darf ihn beruhigen. Wir haben bisher 18 Millionen Schilling für die Schanze im Bereich der Ramsau und 10,4 Millionen für sonstige Infrastruktureinrichtungen zugeteilt. Das waren jene Zahlungen, auf die ich im Interview in der Ramsau Bezug genommen habe. Wir haben uns auch im Hinblick auf die etwaige Errichtung einer Flutlichtanlage bereit erklärt, dazu unseren Beitrag zu leisten, damit auch Abendveranstaltungen im nordischen Bereich ermöglicht werden. Wir alle wissen, daß dann die Einschaltzahlen besser sind. Meiner Ansicht nach sind also von seiten der Sportförderung jene Mittel in eine Großveranstaltung wie die nordische Ski-WM 1999 geflossen, die man von uns erwartet. Diese sind nicht nur versprochen, sondern auch ausbezahlt worden.

Ich möchte mich auch dagegen verwahren, daß man der Meinung Glauben schenkt, daß der Spitzensport bei uns ohne Förderung durch die öffentliche Hand auskommen könnte. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wir haben nicht jene Betriebsstruktur, die es uns ermöglichen würde, Einzelsportler beziehungsweise Mannschaftssportarten derart zu fördern, daß sie international konkurrenzfähig werden könnten. Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Gerade im Spitzensportbereich der Leichtathletik wird es unmöglich sein, allein über Sponsoren die Karriere eines Spitzensportlers entsprechend auszurichten.

Selbstverständlich können wir als Zugabe zu den öffentlichen Förderungen sehr gut auch private Mittel aus Firmen beziehungsweise Privatsponsoring gebrauchen. Aber das machen die Fach


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verbände und die Einzelsportler in Eigenregie. Trotzdem kann man die öffentliche Förderung für Spitzensportler sicherlich nicht zurücknehmen.

Zu den hier gemachten Vorwürfen betreffend die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Dachverbänden und Fachverbänden möchte ich sagen, daß es eine Einigung zwischen den Fachverbänden und den Dachverbänden gibt und beide einverstanden sind, daß die Förderung gemäß dem vorliegenden Verteilungsschlüssel aufgeteilt wird. Es hat auch kein Dachverband, aber auch kein Fachverband irgendeinen Grund für eine Abänderung genannt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Fachverbände ungerecht beteilt fühlen.

Ich gebe aber zu, daß sich alle benachteiligt fühlen, weil sie meinen, daß zuwenig Geld für den Sport zur Verfügung steht. Daher ist es unsere Aufgabe, entsprechende Verbesserungen durchzuführen, und das tun wir auch, indem wir etwa die Sportförderung an die Lotto-Toto-Mittel koppeln, wovon wir eine Erhöhung der besonderen Sportförderungsmittel für 1998/99 erwarten, die weit über eine etwaige Valorisierung hinausgeht. Ich glaube daher, daß es lediglich ein Versprecher des Bundesrates Rieser war, als er meinte, daß es zu einer Belastung des Sports durch die Valorisierung kommt. Denn es gibt keine Valorisierung, sondern ein Ersatzinstrument, nämlich die Koppelung der Sportfördermittel an die Lotto-Toto-Mittel. Das ist eine wesentliche Verbesserung für den Sport, und dies wurde auch von den Sportverbänden beziehungsweise von den beteiligten Sportlern sehr goutiert.

Die Aufgaben der Fachverbände sollte man nicht mit den Aufgaben der Dachverbände verwechseln. Es wird immer wieder sehr leicht dahingesagt, daß die Dachverbände politisch zugeordnet sind und daß man sie nicht braucht. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, daß sogar einer der Abgeordneten der ÖVP im Nationalrat gesagt hat, daß er selbstverständlich Mitglied bei der Union und beim ASKÖ ist. – Da kann man wohl nicht von einer politischen Ausrichtung sprechen! Vielmehr kann sehr wohl jeder jeden dieser Verbände für seine Sportart lukrieren, und das tun auch freiheitliche Politiker.

Ich möchte in diesem Zusammenhang folgendes erwähnen: Eine Zerstörung dieses Systems der Dachverbände würde nur dazu führen, daß ein Organisationsreservoir von freiwilligen Mitarbeitern wegfallen würde, ohne die der Sport in Österreich undenkbar wäre. Es sind in etwa 250 000 freiwillige Mitarbeiter in diesen Dachverbänden organisiert. Im Falle der Zerschlagung dieser Dachverbände wäre dieses Reservoir an Sportverantwortlichen und Funktionären, die dort organisiert sind, wahrscheinlich zumindest zu einem Gutteil verloren. Das heißt: Es hat sich noch nie bewährt, eine alte Struktur zu zerstören, ohne eine Ersatzstruktur dafür anbieten zu können. Und ich habe noch von keinem Abgeordneten der Freiheitlichen Partei gehört, welche andere Organisation denkbar und möglich wäre. Die Zerstörung der vorherrschenden alten Strukturen allein ist – wie gesagt – keine Lösung irgendeines Problems, damit würde man nur ein weiteres Problem schaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Bundesrat Scherb sagt, daß 99 Prozent der Mittel an 1 Prozent der Sportler ausgezahlt werden, so kann ich ihm mitteilen, daß das falsch ist. Das ist schlichtweg unrichtig! Das läßt sich durch keine wie immer geartete Statistik oder wissenschaftliche Untersuchung auch nur im entferntesten belegen.

Wenn er davon spricht, daß Ausgliederung nicht gleich Privatisierung ist, so gebe ich ihm allerdings recht: Denn es soll auch keine Privatisierung, sondern eine Ausgliederung vorgenommen werden. Der Unterschied zwischen Ausgliederung und Privatisierung ist, daß bei einer Privatisierung der Verkauf der Realitäten und auch der Infrastruktur vorgenommen wird, während bei einer Ausgliederung nur eine neue Organisationsform auf privatrechtlicher Basis gefunden werden soll, der Bund aber weiterhin 100prozentiger Eigentümer dieser Einrichtungen bleibt, um auch weiterhin den Sport zu fördern. Herr Bundesrat Rieser! Es ist falsch, wenn Sie sagen, daß es dadurch zu einer Mehrbelastung der Länder gekommen ist, denn diese Ausgliederung hat 1996 und 1997 noch nicht stattgefunden! Damals konnte es noch nicht zu einer Mehrbelastung der Länder kommen, denn wir haben erst mit 1. 1. 1998 begonnen, diese Ausgliederung umzusetzen.


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Ich verspreche Ihnen, daß es zu einer Unterstützung des Sports und zu keiner Mehrbelastung der Länder kommt, weil wir vom Bund jenen Tarif, der nunmehr auf privatwirtschaftlicher Basis für Sportvereine beziehungsweise Sportler, die diese Einrichtungen nutzen, zustande kommt, auf jenen Preis, der bisher üblich war, abtarifieren. Das heißt, es bleibt für die Sportler, für die tatsächlich aktiven Sportler sowie auch für die Sportvereine jener Preis aufrecht, der jetzt für die Nutzung der Bundessporteinrichtungen eingehoben wird, während andere private Nutzer dieser Einrichtungen nunmehr den Vollpreis zu zahlen haben, sodaß nicht über eine Objektförderung eine Umwegförderung von privaten Nutzern vorgenommen wird, sondern eine Direktförderung der Sportvereine. Das heißt, wir nützen die entsprechenden Mittel des Sportbudgets nur mehr zur Unterstützung des Sports und der Einzelsportler beziehungsweise Vereinssportler, die diese Einrichtungen in Anspruch nehmen.

Das heißt, wir haben Reserven innerhalb dieses Bereiches und Budgetansatzes locker gemacht, die nunmehr dem Sport direkt zur Verfügung stehen, denn es gibt nun mit dem Finanzministerium eine Vereinbarung, daß diese Mittel 1998/99 nicht gekürzt werden. Daher kann ich den Sportvereinen mehr Geld zur Verfügung stellen.

Der Vorwurf, daß die diesbezüglichen Schuleinrichtungen nunmehr unerschwinglich seien, ist schlichtweg falsch. Wir haben Wert darauf gelegt, daß die Benützung dieser Einrichtungen für die Sportler weiterhin möglich bleibt. Es gibt eine Vereinbarung mit dem Unterrichtsministerium, welche mit Hilfe von Frau Bundesministerin Gehrer zustande gekommen ist, daß in den Sporteinrichtungen, die dem Bund gehören, nur jene Nutzungskosten verrechnet werden, die Eigenkosten sind, also Gas, Wasser, Licht. Für den Fall, daß man sich nicht daran hält, haben wir als Sportsekretariat uns verpflichtet, Einzelfälle aufzugreifen und diesen nachzugehen, und wir haben die Zusage, daß bei allen Landesschulpräsidenten eine Stelle eingerichtet wird, wo derartige überhöhte Preise in Augenschein genommen werden. Denn es ist im Sinne der gesamten Investition, daß dem Sport die schulischen Einrichtungen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stehen, damit diese Infrastruktur auch über die rein schulische Bedeutung hinaus genutzt werden kann.

Das Modell der Sportmultiplikatoren besteht darin, daß einzelne ausgebildete Trainer bestimmten Sportverbänden beziehungsweise regionalen Projekten zur Verfügung gestellt werden, die auf diese Weise ihre Erfahrungen sammeln können, die dann den Verbänden zugute kommen sollen. Daher wurde das Projekt auch mit 1998 befristet. Wir haben vor, jene Multiplikatoren, die ein erfolgreiches Projekt leiten, festzustellen beziehungsweise durch Fachleute evaluieren zu lassen. Wenn sich ein Projekt bewährt hat, werden wir es fortsetzen, wir werden hingegen jene Projekte aus der Bundesverantwortung nehmen und den regionalen Stellen überlassen, die nicht jenen überregionalen Erfolg gebracht haben, den wir uns erwartet haben. Das heißt, die guten Projekte werden weitergeführt, die anderen Projekte werden im Sinne des Erfinders in die Verbände beziehungsweise in die Landesobhut übergeführt. Das war von Anfang so geplant.

Ich kann jenen Bundesräten, die sich dafür ausgesprochen haben, Großveranstaltungen auch weiterhin in Österreich durchzuführen, nur das Wort sprechen. Wir können über diese Großveranstaltungen den Staat Österreich als Sportnation über unsere Grenzen hinaus darstellen. Wir können Werbung für unsere Sportstätten machen, was insbesondere im Schisport auch Auswirkungen auf den Tourismus hat. Es ist uns gelungen, für 1999 die nordische Schi-WM zu erhalten. Es ist uns gelungen, für 2001 die alpine Schi-WM zu erhalten. 1999 wird die Volleyball-Europameisterschaft in Wien stattfinden. Wir bemühen uns, für 2004 die Fußball-Europameisterschaften nach Österreich zu holen. Wir werden eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2006 abgeben, und wir werden uns bemühen, auch für andere sportliche Großveranstaltungen, die uns angeboten werden, wie etwa die Schiflug-WM 2000 am Kulm, Bewerbungen abzugeben. Das heißt, wir werden laufend in den internationalen Sportgremien mit unseren Bewerbungen präsent sein, um unsere Erfahrungen und unser Organisationstalent, das wir in den Spitzenorganisationen zweifelsohne haben, auch tatsächlich zu nützen.

Ein kurzes Wort zum Schulsport und zur Zusammenführung mit dem Leistungssport: Ich glaube, daß der Leistungssport ohne Zusammenführung mit dem Schulsport nicht auskommt. Wir ha


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ben ein Modell entwickelt, gemäß welchem ein Jahrgang in den Ballungszentren sportmedizinisch und sportmotorisch untersucht werden soll. Die Sportvereine sollen bei diesen Veranstaltungen anwesend sein, sodaß eine Auswertung der sportmotorischen Fähigkeiten sowie der Leistungsfähigkeit der Teilnehmer vorgenommen werden kann. Auf diese Weise können sie gezielt zu jenen Sportarten geführt werden, in denen sie erfolgreich sind, und sie können sich selbst erkundigen beziehungsweise jene Informationen bekommen, die sie brauchen, um den Sport, in dem sie Leistungen anstreben, auch ausüben zu können.

Wir werden – wie gesagt – Trainer, die durch den Bund gefördert werden, den Schulen zur Verfügung stellen. Wir werden versuchen, Förderstunden für einzelne Sportarten einzuführen, die von Fachleuten geleitet werden. Deren Veranstaltung wird nicht von freiwilligen Lehrerinitiativen abhängig sein, sondern ist in den Verträgen der Sporttrainer als Verpflichtung für den Erhalt der Bundesförderung beinhaltet. So können wir Jugendlichen ein gezieltes und leistungsorientiertes beziehungsweise spezifisches Training in den Sportarten, in denen diese Trainer tätig sind, zur Verfügung stellen.

Wir werden im wesentlichen die Ausgliederung unserer Bundessportheime weiter fortsetzen. Es ist geplant und mittlerweile auch unter Dach und Fach, daß das Bundessportheim Spitzerberg dem Aeroklub zur Verfügung gestellt wird. Der Aeroklub ist der fachspezifische Fachverband dieser Sportart und bleibt somit den Sportlern und den Ausbildern mit seiner gesamten Infrastruktur erhalten. Wir werden die Bundessportheime Kitzsteinhorn und St. Christoph dem österreichischen Schiverband als Fachverband, der den meisten Nutzen aus diesen Sportheimen haben wird, überlassen. Die Heime bleiben also den spezifischen Sportarten erhalten, und sie bleiben auch im wesentlichen im Eigentum des Bundes.

Wir planen für 1998 eine Fortführung der Umgestaltung des Spitzensportmodells, in welchem eine laufende Kontrolle der Leistungen der Spitzensportler im Hinblick auf die Bezahlung der Förderungen vorgesehen ist. Das heißt, sie fallen, wenn sie die Zwischenziele auf ihrem Weg nach Sydney oder zu anderen Welt- oder Europameisterschaften nicht erreichen, aus der Förderung des Spitzensports heraus. Wir wollen erfolgreiche Sportler mit dieser Spitzensportförderung unterstützen. Diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen die entsprechenden Leistungen nicht erbringen, können natürlich auch weiterhin über andere Förderinstitutionen, die wir haben, gefördert werden, aber nicht über die Förderungen für den Spitzensport, die ausschließlich den Spitzensportlern vorbehalten bleiben sollen.

Zu dem Vorwurf, daß ich bei Großveranstaltungen nicht anwesend sei, kann ich nur sagen: Ich habe alle Großveranstaltungen von österreichischen Meisterschaften aufwärts, die in den Medien waren, besucht. Ich war dort, habe aber Herrn Bundesrat Harring nicht getroffen. Es ist allerdings nicht meine Art, den erfolgreichen Sportlern auf der Schulter zu sitzen. Bei solchen Gelegenheiten möchte ich nicht irgendeine schulterklopfende Mentalität zur Schau stellen, sondern lediglich sachliche Gespräche führen, die durchaus üblich sind, und ich wäre froh, wenn ich viele der hier anwesenden und sich zu Wort meldenden Bundesräte bei derartigen Veranstaltungen sehen könnte. Denn ich gebe Ihnen recht: Das Image des Sports kann immer noch verbessert werden, und wir alle sollten daran arbeiten, daß wir dieser Institution unsere Leistungen zur Verfügung stellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.


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Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (944 und 989/NR sowie 5569 und 5620/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird, geben.

Die im gegenständlichen Beschluß des Nationalrates vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen des Filmförderungsgesetzes sollen eine Harmonisierung des österreichischen Filmförderungssystems mit den allgemein in Europa geltenden Systemen bewirken. Durch die Straffung der Organisation der Auswahlkommission soll eine raschere Entscheidung über die Förderungswürdigkeit von Projekten erreicht werden. Die derzeitige projektbezogene Filmförderung wird durch eine erfolgsabhängige gremienfreie Filmförderung sowie "Incentive Funding" ergänzt. Weiters ist die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Filmschaffenden und die Verpflichtung des Filminstituts zu einer angemessenen Bereitstellung von Förderungsmitteln für eine gezielte Nachwuchsförderung vorgesehen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

21.17

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Man kann sagen, daß der österreichische Film seit 20 Jahren in Agonie liegt. Das sagen nicht nur die Freiheitlichen, sondern auch Filmschaffende selbst.

Wenn man sich den Kommentar des Herrn Nationalratsabgeordneten der SPÖ Cap im "Standard" vom 15. Juli durchliest, dann weiß man zumindest zu einem Teil, warum das so ist. – In einem Kommentar zur Kulturpolitik sagt Herr Cap: "Für Liberalität einzutreten heißt daher auch, Kunst zu ermöglichen, ,die sich mit ganzer Respektlosigkeit gegen das Etablierte wendet’ und sich in der tagespolitischen Auseinandersetzung gegen die Ewig-Gestrigen engagiert, um ein Abdriften Österreichs in ein autoritäres, ausschließlich von der Marktlogik" – man höre: die Marktlogik ist autoritär! – "bestimmtes Kunst- und Kulturklima zu verhindern." Er meint, daß Politik und Kultur nicht zu trennen sind, und sagt: "Wer also glaubt, Kultur entpolitisieren zu können, ist entweder konfliktscheu, will verwalten statt gestalten – oder verbergen, daß sein Weg weit zurück in die konservative Vergangenheit führen soll."

In der gegenwärtigen Situation wird der österreichische Film in seiner Agonie durch einen Tropf am Leben erhalten, der Subvention heißt. Er wird künstlich am Leben erhalten, denn internationale Erfolge kann der österreichische Film in den letzten 20 Jahren wirklich nicht aufweisen. Wenn man sich diesen Kommentar des Herrn Cap zu Gemüte führt und das Geschriebene so richtig einsickern läßt, dann muß man zu dem Schluß kommen, daß eine kleine Clique am


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Subventionstropf hängt, die sich natürlich auch in politischer Abhängigkeit befindet. Denn nach dem, was Herr Cap sagt – wir haben es auch schon selbst erlebt –, hält man sich diese Leute, und immer, wenn political correctness gefordert ist, wenn nämlich die linken Gutmenschen gegen die bösen Rechten – das sind natürlich immer die Freiheitlichen, und allen voran Jörg Haider als der Oberböse – anzutreten haben, dann sind sie auch da. Das ist wahrscheinlich der Dank für diesen Subventionstropf, der ihnen zuteil wird!

Es gab von 1990 bis 1995 57 Filme. Die Hälfte dieser Filme hatte 5 000 Zuschauer, ein Drittel davon hat nicht mehr als 1 000 bis 2 000 Zuschauer angelockt, und manche Filme sind überhaupt nicht in die Kinos gekommen. Es gibt einige ganz wenige Ausnahmen, das möchte ich nicht verschweigen: So hatte zum Beispiel "Schlafes Bruder" 300 000 Zuseher. Aber das allein macht das Kraut natürlich auch nicht fett!

In der vorliegenden Regierungsvorlage zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes gibt es keine wesentlichen Änderungen. Auch bis jetzt war es schon so, daß die Leute, die im Kuratorium gesessen sind, beschlossen haben, ihre eigenen Produktionen zu fördern. Das hat sich nur geringfügig geändert. Jetzt ruht zwar die Funktion des Kuratoriumsmitglieds während der Produktionszeit, es kann aber natürlich ein Ersatzmitglied in Vertretung entsandt werden und abstimmen. Dann wird die Frage tatsächlich spannend: Wie wird das Ersatzmitglied abstimmen? – Ich glaube, wir alle können davon ausgehen, daß im richtigen Sinne, wie gehabt, abgestimmt werden wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ferner rühmt man sich dessen, daß es jetzt auf der einen Seite das Kuratorium gibt, auf der anderen Seite jedoch ein Direktor letztlich die Verantwortung trägt. Wie schaut das nun tatsächlich aus? – Im Kuratorium wird beschlossen, welches Projekt gefördert wird, und der Direktor bestimmt die Höhe dieser Förderung. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, daß am Schluß, wenn der entsprechende Film im nachhinein beurteilt und entschieden werden soll, wer letztlich die Verantwortung trägt, einer dem anderen den Schwarzen Peter zuspielen und keiner dafür zuständig sein wird: Jene, die das Projekt beschlossen haben, werden sagen, daß der Direktor zuwenig Geld hergegeben hat, und der Direktor wird sagen: Ich habe zwar das Geld hergegeben, aber die haben nicht ordentlich damit gearbeitet. Daher müßte es wirklich einen Letztverantwortlichen geben, der sich nicht aus der Verantwortung stehlen und sagen kann: Ich war es nicht, ich habe mein Bestes gegeben!

Selbstverständlich soll bei einem Film der wirtschaftliche Erfolg entscheiden. Es darf keine künstlerische Nabelbeschau stattfinden, bei der alle einander auf die Schultern klopfen und sagen: Leider hat der Film außer Verlusten überhaupt nichts gebracht, dafür war er künstlerisch wertvoll – natürlich immer unter der Voraussetzung, daß er der political correctness voll entsprochen hat. Denn wir wissen, daß es genügend Filme gibt, die großen wirtschaftlichen Erfolg hatten und zugleich künstlerisch wertvoll waren. Das ist selbstverständlich möglich, und der internationale Erfolg ist eine Meßlatte dafür.

Es genügt auch nicht, einen Film zu einem Festival zu schicken, bei dem er gezeigt wird, um dann auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung zu verschwinden. Selbstverständlich muß es auch ein Kriterium sein, daß ein Film irgendeinen Preis bekommt. Wir müssen uns zum Leistungsprinzip bekennen. In der Bundesrepublik hat man uns vorgemacht, wie das funktioniert. Dort besteht natürlich das Intendantenprinzip, es gibt also einen, der die letzte Verantwortung trägt. Selbstverständlich hat man darauf geachtet, daß der Erfolg das Kriterium ist, nach welchem die Förderungen vergeben werden, und nicht die Tatsache, daß sich vielleicht 500 Leute einen Film anschauen und vergnügen, den das Publikum ansonsten aber nicht sehen möchte. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Produzenten haben es bei uns sehr leicht. 5 Prozent Eigenmittel müssen durch den Produzenten beigesteuert werden. Das ist nicht sehr viel, Eigenmittel sind kein Bargeld, die lassen sich relativ leicht auftreiben. Das Risiko ist gering; es passiert nichts, wenn der Film ein Flop wird. – Ich glaube, daß auch die Produzenten in die Pflicht genommen werden müssen. Auch das ist international üblich. Wir können nicht immer so tun, als ob wir hier auf einer Insel der Seligen schwimmen, wo sich der internationale Erfolg hoffentlich von allein einstellt. Auch der


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Produzent muß natürlich dafür Sorge tragen, daß sein Film – aller Voraussicht nach – ein Erfolg zu werden verspricht. Selbstverständlich haben – wie wir wissen – Produzenten auch schon gutes Geld in einen schlechten Film gesteckt, von dem man annehmen konnte oder mußte, daß er ein Erfolg wird. Aber das ist nun einmal das marktwirtschaftliche Risiko. So ist es im Leben, vor diesem Risiko können auch wir uns nicht davonstehlen!

Ich glaube, daß sich die Sache, wenn ein Drittel der Eigenmittel vom Produzenten aufzubringen wäre, etwas anders anlassen würde. Der Produzent eines Films muß selbstverständlich die Verantwortung auch in Form seiner Eigenmittel mittragen. Er braucht eine gute Geschichte, und diese muß er dann bestmöglich verkaufen können. Dann wird auch der österreichische Film international Erfolg haben! Die Tatsache, daß wir ein kleines Land sind, ist noch kein Grund dafür, daß wir keine großen Erfolge einfahren können. Schweden, das auch kein sehr großes Land ist, hat uns vorgemacht, wie das geht. Ich glaube, daß wir, wenn wir nach wirtschaftlichen Kriterien vorgehen und ein Leistungsprinzip auch für die Filmschaffenden fordern, Erfolg haben können. Mit dieser Novellierung des Filmförderungsgesetzes ist das jedoch überhaupt nicht sichergestellt. Daher werden wir dazu auch keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte.

21.26

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich sehe die Situation tatsächlich ein bißchen anders. (Bundesrat Waldhäusl: Das überrascht uns nicht!)

Ich habe dem offensichtlich engagierten Beitrag der Kollegin Mühlwerth aufmerksam gelauscht. (Bundesrat Waldhäusl: Die kennt sich aus!) Ja, sie kennt sich aus! Mir ist dabei meine berufliche Erfahrung als Zuckerbäcker vor dem geistigen Auge geschwebt: Die Rezeptur ist in Ordnung. Ich kenne aber sehr viele, die ein wunderbares Rezept haben und trotzdem nicht kochen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt aber doch auf meine vorbereitete Rede eingehen, weil ich nicht den Background habe, den Kollegin Mühlwerth hat. Ich habe mich erst einlesen müssen, habe das mit sehr viel Interesse getan und werde daher dieses Filmförderungsgesetz ein bißchen analytischer und nicht oberflächlich betrachten.

Bereits 1980 wurde ein österreichisches Filmförderungsgesetz beschlossen, welches 1993 novelliert wurde und heute neuerlich abgeändert werden soll. Die Gesetzesänderung von 1993 hatte die Situation des Filmschaffens der Jahre 1991 und 1992 zur Grundlage, wobei die Änderungen im wesentlichen den bis dahin geltenden Filmförderungsfonds, an dessen Stelle das österreichische Filmförderungsinstitut eingerichtet wurde, und die Schwerpunktsetzung der Filmförderung betrafen. In dem seither zur Verfügung stehenden Zeitraum konnten in ausreichendem Maß Erfahrungswerte über Auswirkungen und praktische Anwendbarkeit gesammelt werden. Zudem haben große internationale und nationale Entwicklungen des gesamten Medienbereiches auch vor dem Österreichischen Filminstitut nicht haltgemacht.

Obwohl das Filmförderungsgesetz in der derzeit geltenden Fassung eine gewisse Flexibilität ermöglicht, erscheint es dennoch sinnvoll, geringfügige Änderungen vorzunehmen, um mit weitreichenden Auswirkungen die derzeitigen Problemstellungen besser bewältigen zu können.

Welcher Art sind nun die konkreten Probleme des Filmförderungsgesetzes? – Die wesentlichen Probleme möchte ich nur stichwortartig anreißen: fehlende Kontinuität für erfolgreiche Produzenten und Regisseure; Gremienentscheidung statt Eigenentscheidung; die Vielzahl der Förderungsmaßnahmen, zum Beispiel die Förderung der österreichischen Beteiligung an nichtösterreichischen Filmen, schmälert die Kernbereiche der Förderung; ein Absinken der Projektzahl droht; das zu große Entscheidungsgremium mit festgelegten Fachbereichen wie Drehbuch, Produktion, Regie, Verleih und darüber hinaus 50 Prozent aus künstlerischen Bereichen der Mitglieder und in der Folge auch der Ersatzmitglieder; Unvereinbarkeitsbestimmungen, die zwar kor


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rekt und wirksam sind, aber Anlaß zu Fehlinterpretationen geben; mangelnde Flexibilität in der Budgetaufteilung; mangelhafte Professionalisierung des Nachwuchses im kreativen und im produktionstechnischen Bereich. – Frau Kollegin Mühlwerth! Sie sehen also, es sind durchaus auch kritische Anmerkungen zu diesem Gesetz zu machen!

Aufgrund dieser festgestellten Mängel und Probleme in der Vollziehung des geltenden Gesetzes wurde bereits Ende 1996 ein Expertenhearing durch den Kulturausschuß des Nationalrates zur Lage des österreichischen Films und der österreichischen Filmwirtschaft durchgeführt. Ein weiteres Expertenhearing fand im Juli des Vorjahres statt. Ich möchte einige der Äußerungen, die dabei gemacht wurden, mit Ihrer Zustimmung auszugsweise zitieren, da ich nach dem Studium des gegenständlichen Protokolls eine Feststellung, die fast identisch mit der der Obfrau der Kulturausschusses Dr. Heide Schmidt ist, treffen kann. Sie verlieh im Hinblick auf die Ausführungen der Experten ihrem Erstaunen darüber Ausdruck, daß bei diesen Hearings mehr oder weniger der Eindruck vermittelt wurde, als wäre alles in Ordnung. Änderungs- oder Verbesserungswünsche haben sich mehrheitlich und nahezu ausschließlich auf Geld bezogen.

Die grundsätzlichen Statements dieser Hearings verdeutlichen allerdings sehr ausführlich den nicht zu unterschätzenden Stellenwert und die Lage des österreichischen Films. So hat Michael Wolkenstein ausgeführt: "Film ist eines der wichtigsten Medien, um ein Land und seine Identität bekannt zu machen. Dessen Verbreitung, nicht nur im Kino, sondern genausogut über Fernsehen, über neue Medien, über neue Träger, ist einer der wesentlichsten Wege, um einem großen Menschenkreis die eigene Lebensart darzubringen, Identitäten vorzugeben. Film ist außerdem Ausdruck künstlerischer Darstellung und nicht zu vergessen ein Wirtschaftsfaktor, ein Beschäftigungsfaktor."

Mag. Gerhard Schedl vom Österreichischen Filminstitut stellte fest: "1955/56 hatte das Kino in Österreich ungefähr 130 Millionen Zuschauer, es gab ungefähr 1 200 Kinobetriebe. Ende der achtziger beziehungsweise Anfang der neunziger Jahre hat sich die Situation ebenso gravierend verändert: Mit der Liberalisierung der Gewerbeordnung gab es statt 150 Produzenten plötzlich 700, wovon 100 pro Woche wechselnde Personen und Firmen waren. Im gleichen Tempo, in dem die Zahl derer, die Filme produzierten, größer wurde, wurde die Zahl derer, die Eigeninitiativen setzten, geringer."

Herbert Fux dankte dem österreichischen Staat dafür, "daß er nach dem Zusammenbruch der Filmwirtschaft in den sechziger Jahren durch das massive Auftreten des Fernsehens mit dem Filmförderungsgesetz die Filmwirtschaft, die Filmschaffenden und alles, was damit zusammenhängt, gerettet hat."

Andreas Rudas, damals Generalsekretär des ORF, führte aus: "Der Gesamtauftrag des ORF und des österreichischen Filmschaffens beläuft sich derzeit auf zirka 800 Millionen Schilling, das sind zirka 50 Prozent des gesamten wirtschaftlichen Aufkommens. Der reine Auftragsproduktionsbeitrag hat sich von 1994 von 500 Millionen Schilling netto – das ist das, was der ORF dazuzahlt – auf 615 Millionen Schilling netto im Jahre 1996 gesteigert."

So gibt es eine Reihe positiver Stellungnahmen aus diesem Expertenhearing. Ich könnte Ihnen noch eine ganze Menge daraus zitieren.

Dieser kurze Abriß von Expertenmeinungen verdeutlicht meiner Auffassung nach sehr anschaulich die Lage des österreichischen Films, die wohl verbesserungswürdig, aber nicht hoffnungslos erscheint.

Zusätzlich zu den Expertenhearings fanden auf Initiative des Bundeskanzleramtes mit Vertretern des Dachverbandes der österreichischen Filmschaffenden mehrere informelle Beratungen über den gegenständlichen Entwurf statt. Vorbedingungen für die in Aussicht genommene Novellierung des Filmförderungsgesetzes waren dabei: die Beibehaltung einer umfassenden Förderung des österreichischen Filmwesens nach kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten als Zweck des Filminstituts, die Beibehaltung der Fondskonstruktion, die Bevorzugung und verstärkte Förderung des künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreichen Films durch Ausbau der Referenzfilmförderung zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Produzenten und der kontinuierlichen Pro


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duktion, die Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem Filmförderungsgesetz seit 1993, die Straffung der Entscheidungsfindung im Rahmen der Auswahlkommission und die Schaffung neuer Unvereinbarkeitsregeln für Gremienmitglieder.

In europäischen Nachbarländern finden sich verschiedene Formen nationaler oder regionaler Filmförderung, die im wesentlichen unabhängig von Dotierung oder Ursprung der Förderungsmittel beziehungsweise primär wirtschaftlicher oder kultureller Ausrichtung sind.

Formen selektiver und automatischer Filmförderung bestehen sowohl einzeln als auch nebeneinander. Das Filminstitut verfügt mittlerweile auch im Bereich "Förderungsautomatik" über positive Erfahrungswerte durch die Referenzfilmförderung, durch Kinostartförderung sowie durch Festivalförderung.

Wo immer selektiv gefördert wird, zeigt sich einerseits eine gewisse Treffsicherheit bei der Auswahl der Förderungsprojekte, andererseits macht sie es aber schwieriger, erfolgreichen Produzenten und Regisseuren eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten. Darüber hinaus soll nicht verschwiegen werden, daß das Spannungsfeld "Eigenverantwortung des Produzenten" gegen Expertenmeinung auch eine Quelle permanenter Kritik darstellt.

Auf der anderen Seite wiederum sind reine Förderungsautomatismen, die europaweit ausschließlich auf den wirtschaftlichen Erfolg zugeschnitten sind – anders als beim Filminstitut –, gänzlich ungeeignet für die Talentsuche und Nachwuchspflege. In der Schweiz wurde jüngst unter großer medialer Beachtung und mit geplanter wissenschaftlicher Dokumentation und Auswertung ein duales System eines selektiven Förderungsmodells mit einer parallelen Förderungsautomatik eingeführt, wobei für die Förderungsautomatik unter anderem die Regelungen des Österreichischen Filminstituts in die Konzeption aufgenommen beziehungsweise zur Grundlage genommen wurden.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich das französische Modell, für dessen Umsetzung sich insbesondere Abgeordneter Josef Cap einsetzt. Die seit 1947 bestehende französische Politik der Filmförderung beruht auf einer gesetzlichen Regelung verbunden mit einer Subventionsverteilung. Die Grundlinien dieser Regelung bestehen in der Finanzierung durch den Markt selbst. Mittel aus verschiedenen Branchen der Filmindustrie werden durch ein eigenes Abgabensystem förderungswürdigen Projekten zugeführt. Auf das dafür eingerichtete automatische Unterstützungskonto – etwa vergleichbar mit der AKM bei uns – fließen rund 30 verschiedene Abgaben. Es sind dies Abgaben auf den Eintrittspreis, auf die Fernsehwerbung, die Fernsehsteuer, des jährlichen Umsatzes privater und öffentlicher Kanäle ebenso wie der Videoverleihe und so weiter. Allein 1996 wurden durch dieses System etwa 2,25 Milliarden Schilling – also 1,1186 Milliarden Francs – aufgebracht.

Damit werden in Frankreich jährlich etwa hundert Filme produziert, deren Finanzierung in einer Höhe von 9 Prozent vom automatischen Unterstützungskonto getragen wird. Unterstützt werden Projekte, sofern der Film in französischer Sprache von einem Unternehmen, dessen Direktion überwiegend aus französischen Staatsbürgern oder EU-Bürgern besteht, verfilmt und produziert wird. Der geförderte Film soll ferner in Frankreich oder in EU-Ländern und mit französischem oder EU-Personal gedreht werden. Darüber hinaus soll – dem Gesetz nach – der Produzent mindestens 15 Prozent des Filmbudgets selbst aufbringen.

Dieses Modell deckt mehrere Aspekte ab. Im besonderen würde der immer wieder diskutierte kulturelle Hegemonieanspruch der amerikanischen Filmindustrie bei dieser Form der Abgabe eine gewisse Umverteilung erfahren, und es wäre möglich, die nationale Filmproduktion umverteilend zu unterstützen.

Aus der Analyse aller beschriebenen Förderungssysteme läßt sich ein Bündel positiver Aspekte destillieren, die nachfolgendes Reformmodell sinnvoll erscheinen lassen: Das Förderungsbudget steht der automatischen Förderung – also der Referenzfilmförderung nach künstlerischen und wirtschaftlichen Parametern – und der selektiven Förderung – mit Hilfe der Auswahlkommission – zur Verfügung. Über die Aufteilung des jährlichen Budgets auf diese Förderungsbereiche und damit eine Gewichtung der Förderung entscheidet das Kuratorium.


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Die finanzielle Dotierung des Erfolgs hat – im Rahmen der automatischen Referenzfilmförderung – dem neuen Projekt prinzipiell eine Basisfinanzierung und keine bloße Spitzenfinanzierung zu ermöglichen. Die Automatik bezieht sich auf die ausschließliche Inanspruchnahme von Referenzmitteln, wobei jede Kombination mit Mitteln der selektiven Förderung möglich ist. Erfolg und Mißerfolg sollen deutliche Wirkung haben.

Die in Aussicht genommenen Änderungen und Ergänzungen sollen eine Harmonisierung mit den Filmförderungssystemen in Europa ermöglichen. Durch Straffung und teilweise Verlagerung von Kompetenzen soll mehr Flexibilität erreicht werden, wozu auch die Ergänzung der selektiven Förderung durch eine automatische Referenzfilmförderung sowie einen speziellen Fonds und die Verkleinerung der Auswahlkommission beitragen sollen. Weitere Schwerpunkte sollen die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des Filmschaffens und – nach Maßgabe der vorhandenen Mittel – eine gezielte Nachwuchs- und Investitionsförderung sein.

Im konkreten bietet die gegenständliche Novelle daher folgende Verbesserungen: Die Auswahlkommission wird sowohl inhaltlich und ideologisch als auch aufwandseitig entlastet; die Vorzüge beider Förderungsmodelle werden kombiniert, die negativen Aspekte nahezu ausgeschlossen; und nach dem Vorbild europäischer Förderungen – zum Beispiel MEDIA II – kann im Rahmen der Projektentwicklung durch begrenzte und reglementierte Spezialfonds die Qualität von Einreichungen verbessert und eine vernünftige Unternehmensplanung erleichtert werden. Es sollte Produktionsunternehmen künftig möglich sein, ihnen zur Verfügung stehende Referenzmittel zur Entwicklung neuer Vorhaben zu verwenden.

Die Neun-Personen-Auswahlkommission war in der Regierungsvorlage zur Filmförderungsgesetz-Novelle 1993 als Expertenpool gedacht, aus dem heraus maßgeschneidert für die verschiedenen Förderungsbereiche Kleingruppen gebildet werden sollten. Da diesen Unterkommissionen im Zuge der parlamentarischen Begutachtung aber keine Beschlußfähigkeit zuerkannt wurde, verblieb eine in der Praxis aufgrund der Personenanzahl schwer einzuberufende, unflexible und in der Meinungsfindung schwierige Auswahlkommission.

Die Auswahl der zu fördernden Vorhaben obliegt künftig einer Auswahlkommission, die aus fünf stimmberechtigten sachkundigen Personen des Filmwesens sowie dem Direktor – ohne Stimmrecht – als Vorsitzendem gebildet wird. Dem Direktor obliegt im Hinblick auf die ihm übertragene Budgetverantwortlichkeit die Letztentscheidung bei der Dotierung der Förderungsmittel der ausgewählten Vorhaben.

Ursprünglich war im Entwurf vorgesehen, daß diese Kommission aus drei bis fünf Mitgliedern bestehen soll. Dies wurde im Ausschuß des Nationalrates – nicht zuletzt Einwänden des Dachverbandes der österreichischen Filmschaffenden folgend – verbindlich auf fünf Mitglieder festgelegt. Ergänzend sollen in besonders gelagerten und entsprechend begründeten Fällen – also Dringlichkeitsfällen – Rundlaufbeschlüsse der Auswahlkommission ermöglicht werden. Bei aufrechtem Film- und Fernseh-Abkommen könnte ein über die Abkommensmittel entscheidungsberechtigter Vertreter des ORF zu den Sitzungen beigezogen werden, um an Ort und Stelle die Entscheidung über die ORF-Mitfinanzierung einzubringen.

Abschließend möchte ich Inhalt und Ziele des Filmförderungsgesetzes nochmals punktuell festhalten: Schwerpunktsetzung auf eine erfolgsabhängige, automatische Förderung, Anpassung der selektiven Förderung, Verstärkung der Projektentwicklung durch einen speziellen Fonds, Neugestaltung der Entscheidungsfindung durch Umgestaltung der Auswahlkommission, Unvereinbarkeitsregelungen und Budgetaufteilung durch das Kuratorium auf Förderungsbereiche, deren bisherige anteilsmäßige Festlegung durch das Gesetz eine rasche Anpassung an aktuelle Notwendigkeiten verhindert hat.

Im besonderen werden mit dieser Novelle drei Schwerpunkte realisiert. Stichwort Kontinuität ... (Bundesrat Dr. Harring: "Abschließend", haben Sie gesagt!) Herr Kollege, ich habe genauso zugehört. Wenn ich mir Kollegen Königshofer sozusagen vergegenwärtige, dann muß ich sagen, hat er dreimal so lang geredet wie ich. (Bundesrat Dr. Harring: Entschuldigung! Sie haben selbst "abschließend" gesagt!) Sie können hinausgehen, wenn es Ihnen nicht gefällt.


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Stichwort Kontinuität: Die 3. Novelle des Filmförderungsgesetzes sollte mit geringstmöglichem Aufwand für Förderungsbewerber und Administration einen deutlichen Schwerpunkt zugunsten der Projektentwicklung und der Filmproduktion setzen und damit möglichst große Produktkapazität in bestmöglicher Qualität freisetzen.

Stichwort Flexibilität: Besonders anzustreben ist eine Stärkung des Kuratoriums in der Festlegung der Mittelverteilung im Jahresbudget – derzeit bestimmt das Filmförderungsgesetz durch festgelegte Prozentsätze den Jahresvoranschlag –, eine Verkleinerung der Auswahlkommission sowie eine Straffung und Beschleunigung der Förderungsentscheidungen.

Stichwort Nachwuchs: Zur deklarierten Nachwuchsförderung wird die Einrichtung eines eigenen Budgettopfs für Konzepte und Herstellungsförderung – ohne Eigenanteil – von Dokumentar- und Spielfilmen ohne Laufzeitbeschränkungen für den Einsatz im Kino und/oder im Fernsehen mit und ohne Kinoschutzfrist geschaffen.

Ich ersuche um Verständnis, wenn ich nach diesem etwas ausführlicheren Debattenbeitrag nicht zum Ende, sondern auf ein weiteres Anliegen zu sprechen komme, das ursächlich mit dem österreichischen Film zusammenhängt.

Vorausschicken möchte ich meine Anerkennung für die erfolgte Umstrukturierung der vom Bund, den Ländern und sonstigen Subventionsträgern getragenen Einrichtungen, beispielsweise des Bundesinstituts für den Wissenschaftlichen Film, der Austria Wochenschau und nicht zuletzt des ursprünglich "Österreichisches Filmarchiv" genannten Film Archiv Austria.

Nach dieser – nunmehr zu Ende gehenden – Reorganisation muß jedoch dringend ein weiterer Schritt erfolgen. Neue Strukturen und Organisationsformen, zum Teil auch zusätzliche und neu adaptierte Räume sind richtig und wichtig; noch wichtiger aber sind ausreichende finanzielle Bedeckungen für die übertragenen Aufgaben. Wenn das Film Archiv Austria seit Jahren dringend zusätzliche Kühl- und Lagerhallen für das filmische Erbe in Österreich benötigt, dafür in Laxenburg entsprechende Grundstücksflächen vorhanden sind und die Planung abgeschlossen ist, dann muß es doch – auch unter dem Gesichtspunkt der Budgetknappheit – möglich sein, die bereits vor Jahren zugesicherten finanziellen Mittel endlich flüssigzumachen. Das wertvolle österreichische Filmmaterial, das teilweise aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt, lagert derzeit teilweise in Containern oder Gängen, jedenfalls ohne ausreichende klimatische Bedingungen.

Die Aufgabenstellung "Bewahren des filmischen Erbes" bedeutet für das Film Archiv Austria nicht nur formal-archivarische Tätigkeiten, sondern auch Restaurationen und Rekonstruktionen. Bis zu Beginn der achtziger Jahre konnte aus finanziellen Gründen nur wenig rekonstruiert werden, danach wurde diese Tätigkeit zu einer der wichtigsten des Österreichischen Filmarchivs. Wie sich dabei herausstellte, war das Alter nur bedingt ein Indikator für den Zustand eines Films. So können Streifen aus dem Jahr 1905 besser erhalten sein als solche aus den späten vierziger Jahren. Das Österreichische Filmarchiv verfügt seit 1991 über ein chemisches Labor, in dem Nitromaterial einem künstlichen Alterungsprozeß unterzogen werden kann. Dieses Testverfahren ermöglicht die Feststellung eines chemisch instabilen Zersetzungszustandes des Trägermaterials bereits in einem Stadium, in dem sich der Film noch in gutem Zustand befindet und daher rechtzeitig umkopiert werden kann.

Das filmische Erbe reduzierte sich durch die Jahre, bedingt durch technische und ökonomische Zwänge, als Opfer zeitgeschichtlicher Ereignisse und aus purem Desinteresse. Zudem war das Basismaterial der Frühzeit – chemisch gesehen – nichts anderes als mit Salpetersäure geesterter Zellstoff mit einem Nitrierungsgrad knapp unter dem von Schießbaumwolle – daher auch der Name Nitrofilm –, der einem raschen Zersetzungsprozeß unterworfen ist. Originalnegative aus der Stummfilmzeit sind kaum erhalten geblieben, die Kopien abgespielt sowie meist schadhaft, und manche Stellen mußten der Zensur weichen.

Im Film Archiv Austria, der größten Filmsammlung Österreichs, lagern heute 126 200 Rollen aus der Zeit zwischen 1896 und 1996. 8 525 Rollen dieser Sammlung sind Nitrofilmmaterial. Aufgrund der Lagerplatzprobleme in Laxenburg wurden 1996 – mit Einverständnis der Schönbrunn-


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Film – 3 047 Rollen nicht lagerfähiges Material ausgelagert. 1996 konnten Umkopierungen im Ausmaß von 27 098 Meter Film durchgeführt werden.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Namens meiner Fraktion begrüße ich die verbesserten Bedingungen für die Filmwirtschaft. Wir werden deshalb der gegenständlichen Vorlage zum Filmförderungsgesetz unsere Zustimmung erteilen. Genauso wichtig allerdings erscheint mir die Rettung des filmischen Erbes Österreichs. Deshalb ersuche ich Sie, auch diesem Spezialbereich Ihre Energie und ausreichende finanzielle Mittel zuzuwenden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

21.47

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede öffentliche Förderung muß öffentliche Ziele verfolgen, und so wünschen wir auch bei der Filmförderung, daß sie in erster Linie nicht nur das Filmemachen am Leben erhält, sondern mit dem Film auch das internationale Ansehen eines Landes, einer Stadt oder unseres gesamten Österreichs aufzeigt, wie dies vor Jahrzehnten – nach dem Krieg – sehr erfolgreich geschehen ist.

Es kann auch nicht nur die Subventionierung von Filmemachern die Aufgabe der Filmförderung sein, sondern es geht um eine Investition in die Kultur Österreichs und damit auch in unsere Zukunft. Die Strukturen müssen vorhanden sein und die internationale Wettbewerbsfähigkeit ehestmöglich gesichert werden. Selbstverständlich sollte auch die Zielrichtung damit verbunden sein, daß erfolgreiche, vielgesehene Filme geschaffen werden, denn die Änderung des Filmförderungssystems soll auch eine Anpassung des österreichischen Filmförderungssystems gegenüber allgemein geltenden Systemen in Europa herbeiführen.

Es gilt für Kultur und Medien, die Freiheit mit Verantwortung zu nutzen. Die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinung stehen in Verfassungsrang. Aufgabe des Staates ist es, den Bürgern die Teilhabe an den kulturellen Leistungen zu eröffnen. Gerade Kunst und Kultur haben ihre Kraft und Lebendigkeit, ihre Größe, Qualität und Schönheit aus der schöpferischen Freiheit als Folge der regionalen Vielfalt Österreichs gewonnen. Auf kulturelle Vielfalt baut die europäische Zusammenarbeit und Integration auf. Deshalb sind auch in dieser Hinsicht die Grundsätze der Regionalisierung und Dezentralisierung für die Kulturpolitik wesentlich. Sie fördert kulturelle Einrichtungen in allen Landesteilen, und diese werden wiederum im Film gezeigt, und zwar über die Grenzen hinaus.

Die großen Leistungen in Kunst und Kultur erwachsen aus der Freiheit und Risikobereitschaft des Künstlers. Staatliche Förderung unterstützt die Vielfalt und die Kreativität in der Kunst. Der Staat kann aber nicht das Risiko der künstlerischen Berufswahl absichern. Das muß meiner Ansicht nach hier auch klar gesagt werden.

Dieser Freiraum muß auch in der Kunst selbst gewährleistet sein. Die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen läßt keinen Platz für Monopole der Meinung oder des ästhetischen Empfindens. Die Kunst hat ihre Grenzen eben dort, wo die Würde des Menschen auf dem Spiel steht. Die Verantwortung darüber, was, wer und wo gefördert wird, ist groß und bedarf der Kontrolle, insbesondere im Filmbereich, damit dort nichts schiefläuft und vor allem nichts mißverwendet wird. Es wurde heute an diesem Ort mit Recht schon erwähnt, daß so etwas vorgekommen ist.

Die Kultur lebt vom Einsatz und von der Begeisterung, die in der Bereitschaft zu vielfältiger, auch ehrenamtlicher Betätigung zum Ausdruck kommt. Privates Mäzenatentum müßte durch steuerliche Anreize verstärkt gefördert werden, auch im Kulturbereich des Filmes. Kunst und Kultur sind Ausdruck unserer schöpferischen Freiheit. Die kulturelle regionale Vielfalt gibt Österreich sein unverwechselbares Gesicht, und dies muß auch im Filmbereich aufgezeigt werden. Aber dabei muß man sich auch im klaren darüber sein, was gefördert wird und wie man die Förderung kontrolliert. So müssen wir die Vielfalt und Kreativität in Kunst und Kultur auch durch staat


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liche Filmförderung unterstützen. Diese muß aber zukunftsorientiert sein und auch den richtigen Effekt haben.

Meine Partei wird diesem Bundesgesetz zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

21.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

21.52

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorredner Liechtenstein und Rauchenberger haben mit viel Engagement das Wesentliche zu diesem Tagesordnungspunkt gesagt. Nur unterscheiden sich die Schlußfolgerungen, die wir Freiheitliche aus diesem Thema ziehen, von den ihren. Wir lehnen diesen Tagesordnungspunkt ab. (Bundesrat Ing. Polleruhs: Warum? – Bundesrat Waldhäusl: Das hat Kollegin Mühlwerth schon ausreichend erklärt!) Das will ich gleich sagen. Das ist das Wesentliche, und das wollen Sie wissen. (Bundesrat Rauchenberger: Warum haben Sie das schon im Ausschuß gewußt?)

Der bekannte österreichische Filmschaffende Walter Davy hat vor wenigen Tagen in einem Zeitungsinterview im Hinblick auf die Förderung im Filmwesen festgehalten, daß diese den Staat nichts angehe, und er hat weiters gefragt – so, wie auch jetzt die Frage lautet –: Warum geht das den Staat nichts an? – Herr Kollege! "Warum", das war auch Ihr besonderes Wort. (Bundesrat Ing. Polleruhs: Ja!) Walter Davy meint, daß der Staat, wenn er Förderungen gibt, logischerweise eine Gegenforderung an den habe, der eine Förderung erhält. Es gibt also keine staatliche Förderung ohne Gegenforderung. Damit aber wird die Unabhängigkeit – wie mir scheint, wurde diese auch von Bundesrat Liechtenstein zumindest indirekt angesprochen – der Kulturschaffenden in Frage gestellt. (Bundesrat Rauchenberger: Warum? Der Staat gibt auch Parteiförderung und verlangt nichts von Ihnen!)

In diesem Gesetz wird – darauf wurde auch von den Vorrednern hingewiesen – der Verbund Österreichs innerhalb Europas angesprochen. § 2 Abs. 5c spricht auch vom österreichischen Film und von österreichisch-ausländischen Gemeinschaftsprojekten, § 18 Abs. 2 spricht von der Europäischen Union und Österreich, und im Bericht des Kulturausschusses wird von der Harmonisierung des österreichischen Filmförderungssystems mit allgemein in Europa geltenden Systemen gesprochen. Nun ist das meiner Ansicht nach etwas verwirrend, meine Damen und Herren: Wer soll da mit wem zusammenarbeiten?

Der einleitend von mir erwähnte Walter Davy spricht dem österreichischen Film eine autonome, rein österreichische Stellung am internationalen Filmmarkt ab. Ob das nun Österreich und EU oder Österreich und ausländische Gemeinschaftsprojekte oder Europa im allgemeinen betrifft, bleibt unbefragt. Walter Davy sagt aus seiner Erfahrung heraus: "Es ist eine maßlose Überschätzung, von einem österreichischen Film zu sprechen."

Der Produzent ein Italiener, Geld aus Schweden, Schauspieler aus Frankreich, der Regisseur aus Rußland und das Drehbuch von einem Österreicher: Das wäre eine mögliche Konstellation. Aber daß der Produzent Österreicher ist, das Geld aus Österreich – vielleicht in Teilbereichen aus ihrem Ministerium – kommt, die Schauspieler aus Österreich sind, der Regisseur aus Österreich stammt und das Drehbuch aus Österreich kommt: Das ist so gut wie nicht vorstellbar. (Bundesrat Rauchenberger: Das darf dann nur in Österreich gezeigt werden, nicht?) Bitte? (Bundesrat Rauchenberger: Das darf dann nur in Österreich gezeigt werden!) Sie haben es vorher gesagt, ich habe es lobend hervorgehoben. (Bundesrat Rauchenberger: Das ist nicht verstanden worden!)

Das ist der eine Punkt: Wir haben das Problem, was eigentlich der österreichische Film ist. Das andere Problem – auch das wurde schon angesprochen – besteht darin: Beurteile ich einen Film – fast so ähnlich wie im Fernsehen – über die Quoten, oder beurteile ich einen Film über die Qualität? Es besteht diesem Gesetz zur Filmförderung gemäß wohl die Möglichkeit, daß die


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Qualität und/oder die Quantität zählt. Aber sagen Sie mir, meine Damen und Herren: Wo fiele das jemals zusammen? – Wo die Quantität ist, ist nicht die Qualität, und wo die Qualität ist, werde ich nicht die Quantität finden, die das Projekt rechnerisch vorstellbar macht.

Es liegt nicht allein am Regienachwuchs. Es liegt auch nicht daran, daß vielleicht zuwenig Leitlinien, Vorbilder und Erlebnisse da sind, die einen Film gestalten könnten. Wir leiden heutzutage darunter, Herr Staatssekretär: Viel Haut und Sex bringen das Geschäft, und damit machen die Quoten die Qualität. In Österreich von einer Filmförderung zu sprechen, entspringt möglicherweise einer guten Absicht. Ich bezweifle aber, Herr Staatssekretär, daß diese Absicht jemals das darin investierte Geld rechtfertigen wird.

Frau Kollegin Mühlwerth hat dieses Problem schon dargestellt. Künstlerisch und/oder wirtschaftlich erfolgreich, heißt es im Gesetz. Ich betone noch einmal: Die Grätsche "künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreich" könnte ich mir vielleicht noch vorstellen, als ehrliche Bemühung; aber "oder wirtschaftlich erfolgreich"? Was soll dabei prämiert werden? – Die künstlerisch erfolgreiche Tätigkeit oder die wirtschaftlich erfolgreiche Tätigkeit?

Meine Damen und Herren! Wie wir gesagt haben, lehnen wir dieses Gesetz ab, welches das Filmförderungsgesetz ändert, weil in diesem Gesetz zu viele Unwägbarkeiten enthalten sind – auch wenn ich nicht verhehlen möchte, daß diejenigen, die es unterstützen wollen, sicherlich hehre Absichten damit verfolgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

21.59

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Ich möchte wieder auf einige der Debattenbeiträge eingehen, zunächst auf die Ausführungen der Frau Bundesrätin Mühlwerth. In Ihrem Beitrag dürfte es zu einer Vermischung der Institutionen Auswahlkommission und Kuratorium gekommen sein.

Verantwortlich für die inhaltliche Auswahl ist nicht das Kuratorium, sondern die Auswahlkommission. Diese Auswahlkommission wurde von neun auf fünf Personen verringert, und sie hat sowohl die inhaltliche als auch die finanzielle Empfehlung abzugeben. Das hat nichts mit dem Kuratorium zu tun. Das Kuratorium hat lediglich eine Überprüfung der wirtschaftlichen Gebarung vorzunehmen. Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, da genau zu trennen: Das eine ist mit dem Aufsichtsrat eines Unternehmens vergleichbar, das andere mit der Vorstandsetage, wo die inhaltlichen und tagespolitischen Geschäftstätigkeiten erledigt werden. Ich nehme an, Sie haben sich geirrt, und ich möchte das hiemit aufklären.

Die Empfehlung der Auswahlkommission hat in finanzieller Hinsicht letztlich in Endverantwortung der Direktor mitzutragen oder abzulehnen. Damit ist die Verantwortlichkeit des Direktors klargelegt. Dieser Direktor muß seine Gebarung längstens alle zwei Jahre einer Überprüfung durch Wirtschaftstreuhänder unterziehen, also durch eine außenstehende Stelle, die nochmals überprüft. Das heißt, Effizienz und Kontrolle dieses Systems wurden massiv verstärkt.

Zum Inhaltlichen möchte ich folgendes sagen: Es ist uns darum gegangen, kein Intendantensystem zu schaffen. Ich darf Sie auch diesbezüglich korrigieren. Es gibt kein geordnetes Intendantensystem in der Bundesrepublik, sondern lediglich Länderverantwortlichkeiten, und die großen Länder, die Medienunterstützung im großen Ausmaß betreiben, nämlich Nordrhein-Westfalen und Bayern, haben selbstverständlich das Kommissionsmodell und kein Intendantenmodell. Sie sind wahre Verfechter dieses Kommissionsmodells, weil die inhaltliche Vielfalt bei einer Mehrheit von kreativen Leuten in der Auswahlkommission besser gewährleistet ist. Ich wiederhole: Es gibt keine Bundeskompetenz der Bundesrepublik, sondern eine Länderkompetenz, und die federführenden Länder haben Auswahlkommissionen und keine Intendanz. – Auch diesfalls dürfte es sich um einen Irrtum Ihrerseits handeln.


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Sie haben das schwedische Modell angezogen: Ich darf darauf verweisen, daß die Schweden seit 30 Jahren keinen Filmerfolg gehabt haben, nämlich seit Ingmar Bergmann, und sehr wohl bezüglich der Leistungen in der Filmwirtschaft im internationalen Ausmaß hinter den gegenwärtigen Leistungen der österreichischen Filmwirtschaft zu reihen sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber trotzdem ist es für ein kleines Land möglich, Erfolg zu haben! Nichts anderes habe ich gesagt!) Wir hatten auch Erfolg in der Nachkriegszeit, und wir versuchen, dort wieder anzuschließen!

Die Problematik, die sich aus den Verantwortlichkeiten der nunmehr genannten Institution ergibt, ist, nach welchen Richtlinien die Verantwortung kontrolliert werden soll: Es gibt zwei Schienen, die verfolgt werden. Einerseits geht es um den rein wirtschaftlichen Erfolg, nämlich um den Verkauf an der Kinokasse. Erzielt ein Film einen bestimmten Erfolg an der Kinokasse, so haben dessen Hersteller auswahlkommissionsunabhängig beim nächsten Film Anspruch auf eine erfolgsabhängige Förderung, die nicht mehr in der Entscheidungskompetenz der Auswahlkommission oder des Direktors liegt, sondern automatisch verliehen wird, weil wir den wirtschaftlich erfolgreichen Film in den Mittelpunkt unserer Förderungen stellen wollen.

Die zweite Schiene ist der künstlerisch erfolgreiche Film: Der Produzent hat sich vor Stellung des Einreichantrages zu entscheiden, ob er einen künstlerischen Film machen will. Dann muß er sagen, bei welchen Festivals er versuchen wird, ihn einzureichen. Wenn der Film Erfolg hat und bei einem Festival angenommen wird, wobei nicht jeder Film, der bei einem Festival eingereicht wird, auch zum Festivalteilnehmer erkoren wird, wird dessen künstlerischer Erfolg anhand des Erreichens gewisser Stufen bei den Festivals gemessen, und man kann nach der Besetzung dieser Festivals im internationalen Standard sehr wohl abstufen.

Das heißt, der Produzent hat sich, bevor er seinen Antrag stellt, zu entscheiden, ob künstlerisch oder nicht künstlerisch, ob Erfolg an der Kinokasse oder Erfolg bei der Teilnahme an Festivals. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Und beides zugleich halten Sie für ausgeschlossen?) Es ist ein Glücksfall, wenn beides zusammentrifft! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das sollte der Normalfall sein!) Dann treten beide Automatismen in Kraft, und damit ist die Förderung natürlich höher, als wenn der Film nur ein Kriterium erfüllt. Auch hier ist der leistungsbezogene Gedanken in den Mittelpunkt gestellt, und somit ist auch Ihren Forderungen Genüge getan.

Zu Bundesrat Gudenus: Ich habe versucht, Qualität und Quantität zu erläutern. Es geht nicht nur um die Quantität, sondern wir haben eine zweite Schiene, nämlich die Qualität eingebaut. Das heißt, wir unterscheiden sehr wohl zwischen qualitativ hochwertig und rein quantitativ an der Quote gemessen. Wenn man sich in der Filmwirtschaft ausschließlich an nicht geförderten Kriterien orientierte, würde unser heimisches Fernsehprogramm mit keinen Filmen österreichischer Identität versorgt werden können. Ich glaube, das sollte man bedenken, wenn man davon spricht, daß reine Marktbezogenheit Einzug halten sollte.

Zum Eigenanteil der österreichischen Produzenten meine ich, daß die Nutzungsrechte, die einen sehr hohen Verkaufswert auf dem internationalen Markt der Fernsehstationen darstellen, in die Produktion miteingebracht werden, und wenn jemand Fördermittel erhält, die aus dem Film-Fernsehtopf kommen, dann werden die Nutzungsrechte unentgeltlich an die Fernsehanstalten mitübertragen; und das ist ein ganz beträchtlicher Input, der durch den Produzenten geleistet wird.

Wenn wir vom großen Vorbild des amerikanischen Films sprechen, dann möchte ich in Erinnerung rufen, daß bei mehr als 60 Prozent der amerikanischen Filme nicht einmal die Entstehungskosten hereingespielt werden und daß nur ganz wenige Filme die amerikanische Filmwirtschaft in die Lage versetzen, daß sie sich auch diese Mißerfolge leisten kann.

Zum Beteiligungsmodell: Es wird nur möglich sein, dem amerikanischen Film Konkurrenz zu bieten, wenn sich die großen Filmländer mit den kleinen Filmländern in der Konzentration der Mittel verbünden, um echte Konkurrenzprodukte gegenüber den amerikanischen Filmen liefern zu können. Ich möchte daran erinnern: Der letzte Film "Titanic" hat 300 Millionen Dollar gekostet, davon sind 100 Millionen Dollar in die Werbung geflossen. Das sind Größenordnungen,


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die in Europa unvorstellbar wären. Daher ist ein Zusammenschluß zu einer französisch-russisch-deutsch-österreichischen Produktion – wie Sie sie genannt haben – durchaus empfehlenswert, weil man auf diese Weise Mittel lukrieren kann, die weit über unsere Möglichkeiten hinausgehen. Das war der Grund, warum wir diesen Passus aufgenommen haben: um uns nicht von einer internationalen Koproduktion von vornherein auszuschließen. Das war ein wichtiger Teil dieser Filmnovelle.

Ganz untergegangen ist, daß mit dieser Novelle 15 Prozent für die Nachwuchsförderung und Innovationsförderung zur Verfügung gestellt werden. Es wurde also auch jungen Talenten einen Nachwuchstopf zur Verfügung gestellt.

Wie gesagt, die Referenzfilmförderung war unser Ziel. Es hat nun eine erfolgsabhängige Förderung Einzug gehalten, und ich glaube, daß alle Kriterien, die gefordert wurden, mit dieser Filmförderung auch erfüllt werden. Und da wir auch gefordert sind, die Mittel der Filmförderung zu erhöhen, haben wir uns vorgenommen, diese Mittel für den Filmförderungstopf von 100 Millionen auf 120 Millionen, als somit um 20 Prozent, zu erhöhen, und das ist eine sehr ansehnliche Summe. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten (ERO) samt Anlagen (770 und 964/NR sowie 5621/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten samt Anlagen.

Ich darf Herrn Bundesrat Freiberger um den Bericht bitten.

Berichterstatter Horst Freiberger: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Dezember 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelenheiten samt Anlagen liegt Ihnen schriftlich vor. Ich spare mir und Ihnen daher die Verlesung dieses Berichtes.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd, er enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.


Bundesrat
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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Polleruhs.

22.11

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Bei Tagesordnungspunkt 9 geht es um den Beschluß des Nationalrates vom 12. Dezember 1997 betreffend ein Bundesgesetz über ein Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten, kurz ERO genannt, welcher nun bei uns im Bundesrat zur Diskussion steht.

Ich werde Sie nicht lange damit aufhalten. – Dieses Übereinkommen hat genau genommen schon fast geschichtliche Hintergründe, und diese möchte ich kurz erwähnen.

Die Geschichte begann in Wahrheit im Jahre 1959, als die Konferenz der Europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen, kurz CEPT genannt, aufgrund eines Verwaltungsübereinkommens zwischen den europäischen Postverwaltungen gegründet wurde. Wegen der von der EU geforderten Trennung zwischen Regulierern und Netzbetreibern wurden der Aufgabenbereich und die Organisation der CEPT im Jahre 1993 einer kompletten Revision unterzogen. Die CEPT ist nunmehr eine Organisation der Regulierer. Der Aufgabenbereich der CEPT wird für den Postbereich vom Europäischen Komitee für Regulierung Post, für den Fernmeldebereich vom Europäischen Ausschuß für Regulierungsfragen Telekommunikation und für den Funkbereich vom Europäischen Funkkomitee wahrgenommen. Wesentliches Ziel ist die europäische Harmonisierung auf allen drei Gebieten.

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor. Für jene, die diesen nicht vor sich haben, nenne ich nur noch kurz den Zweck des ERC: Er soll auf europäischer Basis die Politik für den Funkbereich entwickeln, Frequenzen koordinieren und Richtlinien für Funkangelegenheiten regeln. Zur Unterstützung all jener Aufgaben, die in Wahrheit schon wahrgenommen werden, wurde vorerst auf Basis eines Verwaltungsübereinkommens das Europäische Büro für Funkangelegenheiten provisorisch in Kraft gesetzt. Aus diesem Provisorium soll nun etwas Kompaktes – wenn man es so bezeichnen darf – werden, und durch das nunmehr vorliegende Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Funkangelegenheiten wird das ERO auf eine völkerrechtliche Grundlage gestellt. Die ÖVP-Fraktion wird daher aus diesem Grund gerne die Zustimmung zu diesem Bundesgesetz erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall, wie ich höre.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Die erforderliche Anzahl von Bundesräten ist im Saal anwesend, daher ist die Abstimmung gültig. – Mit Stimmenmehrheit wurde beschlossen, keinen Einspruch zu erheben.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Kann man bitte den Herrschaften draußen sagen, daß sie ihre Zigaretten in wenigen Minuten wieder anzünden mögen, dann haben wir nämlich die Sitzung abgeschlossen! – So, jetzt ist die erforderliche Anzahl von Bundesräten im Saal.


Bundesrat
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10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit (859 und 1007/NR sowie 5622/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Grillenberger übernommen. Ich darf ihn bitten, den Bericht zu bringen.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Der Bericht des Sozialausschusses liegt Ihnen vor.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.


Bundesrat
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635. Sitzung / Seite 183

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll (860 und 967/NR sowie 5623/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll.

Ich bitte Herrn Mag. Wilfing, den Bericht zu übernehmen.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher zum Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Dezember 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten (945 und 968/NR sowie 5624/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung: Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher zum Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Jänner 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

22.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Dem vorliegenden Staatsvertrag, der etwas verschämt als "Regelung der gegenseitigen Amtshilfe in bestimmten Angelegenheiten" bezeichnet wird, wird meine Fraktion zustimmen. Dies aber ausschließlich deshalb, weil wir das damit verfolgte sachliche Anliegen als solches durchaus akzeptieren, da es doch gewiß nicht in unserem Interesse liegen kann, Personen vor der Aufdeckung zu schützen, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.

Ebenso respektieren wir die US-amerikanische Intention: Es soll den Personen, die derartige schwere Delikte gesetzt haben, dies aber bei ihrer Einwanderung in die Vereinigten Staaten und beim Erwerb von deren Staatsbürgerschaft verschwiegen oder geleugnet haben, die Staatsangehörigkeit und die Aufenthaltsberechtigung wieder entzogen werden, da sich die USA selbst als klassisches Einwanderungsland nicht als Zufluchtsort für Kriegsverbrecher mißbrauchen lassen müssen.


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Freilich sind die USA erst relativ spät zu dieser strikten Auffassung gelangt, wie sie sich vor allem in der Lex Holtzman widerspiegelt. In Zeiten des kalten Krieges galt noch ganz anderes; man denke nur an die Aufnahme und den prominenten Einsatz von bereits dem Dritten Reich dienstbaren führenden deutschen Wissenschaftlern wie Wernher von Braun, Walter Dornberger, Arthur Rudolph und vieler anderer. Das soll jedoch nichts daran ändern, daß wir die heutige Auffassung der USA durchaus verstehen.

Meine Vorbehalte gelten also – wie bereits eingangs betont – keineswegs dem Regelungszweck dieses Notenwechsels. Ich verhehle jedoch nicht meine skeptische Einschätzung, die sich aus der einstigen völkerrechtswidrigen Behandlung unseres ehemaligen Bundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim, der zu Unrecht mit Kriegsverbrechen in Zusammenhang gebracht wurde, und aus der jüngst erfolgten Beschlagnahme der zwei Schiele-Gemälde aus der Stiftung Leopold erklärt. Solche Übergriffe stellen nicht gerade vertrauensbildende Maßnahmen im Rechtsverkehr mit den USA oder bezüglich deren Rechtspflege oder Administration dar.

Deshalb hege ich, trotz Anerkennung der Zielvorstellung des Staatsvertrags, schwere Bedenken gegen die Art ihrer Umsetzung. Mein Unbehagen setzt allerdings bei folgendem grundsätzlichen Kritikpunkt ein: Bis heute sind wir zu keinem allgemeinen Amtshilfeabkommen mit den Vereinigten Staaten gelangt. Wir schließen nun ein solches lediglich in jenem Teilbereich ab, in dem die USA daran interessiert sind.

Die tendenzielle Einseitigkeit der getroffenen Vereinbarung wird vor allem an zwei problematischen Einzelregelungen schmerzlich fühlbar. So soll künftig die vorgesehene Amtshilfe durch Vernehmung von Auskunftspersonen in Österreich in der Weise vollzogen werden, daß zwar unsere Organe die Fragen stellen, den Vertretern der USA als des ersuchenden Staates aber eine intensive Beteiligung ermöglicht wird. Mag es noch aufgrund so mancher Staatsverträge und sogar faktischer Übung durchaus in Betracht kommen, daß Vertreter des ersuchenden Staates der Vernehmung als Beobachter beiwohnen, so entspricht es doch keineswegs internationaler Gepflogenheit, daß diese ausländischen Repräsentanten auch das Recht haben, sich aktiv in die Vernehmung einzuschalten und insbesondere die Stellung von Fragen anzuregen.

Im vorliegenden Abkommen wird indes Vertretern des ersuchenden Staates eben diese Befugnis eingeräumt. Sie klingt relativ harmlos, muß aber nach der normativen Kraft des Faktischen als erhebliche Einwirkung auf das inländische Verfahren bewertet werden, wenn man dabei das politische Gewicht eines Repräsentanten der USA nicht ungebührlich außer acht läßt. Sie ist zudem überflüssig, weil das Amtshilfeersuchen grundsätzlich eine Darstellung der gewünschten Zeugenaussage geben soll, die ohnehin eine Liste der Fragen enthalten kann, die der Auskunftsperson zu stellen sind.

Gewiß liegt in dieser starken Verfahrensbeteiligung des Vertragspartners insofern kein Eingriff in die österreichische Souveränität, als wir uns selbst dazu verpflichtet haben. Ich unterstelle dabei durchaus, daß wir diese Vereinbarung in voller, das heißt in keiner Weise verdünnter, politischer Willensfreiheit abgeschlossen haben. In der Tat ist anzuerkennen, daß wir im Notenwechsel wenigstens ausdrücklich verankern konnten, daß selbständige Ermittlungstätigkeiten von Vertretern des ersuchenden Staates im ersuchten Staat unzulässig sind. So gewiß das nämlich kontinentaleuropäischer Rechtstradition wie allgemeinem Völkerrecht entspricht, so wenig sehen amerikanische Gerichte ein Problem darin, wenn etwa in den USA zugelassene Rechtsanwälte im Ausland Akte der Sachaufklärung setzen, die nach unserem Verständnis zum Beweisverfahren gehören, das stets der Richter leitet.

Ganz entschieden abzulehnen ist jedoch vor allem die im zweiten Satz des Abs. 4 des Abkommens getroffene Regelung. Danach gilt folgendes: "Teilt der ersuchte Staat mit, daß die von ihm übermittelten Auskünfte oder Schriftstücke nicht weitergegeben oder nur zu ganz bestimmten Zwecken oder nur während eines bestimmten Zeitraumes verwertet werden dürfen, so hat der ersuchende Staat diese Beschränkungen in dem Maße zu beachten, wie dies nach seiner Rechtsordnung gestattet ist." Das ist meines Erachtens sachlich unvertretbar. Der ersuchende Staat müßte nämlich stets und uneingeschränkt den Vorbehalt respektieren, unter dem ihm der ersuchte Staat nach vertraglicher Übereinkunft das Beweismaterial übermittelt hat. Wenn ich,


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wohl nicht allzu realitätsfern, davon ausgehe, daß in der Regel Österreich der ersuchte Staat sein wird, kann ich mich des prekären Eindrucks nicht erwehren, daß wir in dieser Hinsicht völlig kapituliert haben. Denn die USA hätten es nun auch in der Hand, das Maß, in dem sie den Vorbehalt des ersuchten Staats, diesfalls Österreichs, zu beachten haben, durch nachträgliche Änderung ihrer eigenen Rechtsordnung selbst zu gestalten.

Ein letzter, allerdings rein innerstaatlicher, Kritikpunkt ist die meines Erachtens unehrliche Aussage in den Erläuterungen, daß den österreichischen Gerichten und Verwaltungsbehörden kein Mehraufwand entstehen wird. Das soll angeblich deshalb zutreffen, weil die Erteilung von Auskünften und die Gewährung von Einsicht in Akten keinen ins Gewicht fallenden zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern und die Vernehmung von Auskunftspersonen durch österreichische Behörden auch zur Aufklärung allfälliger strafbarer Handlungen erforderlich sein werde. Weshalb bedarf es solcher Verschleierungen? Wenn man das Anliegen dieses Notenwechsels bejaht – und wir tun es –, so muß man sich auch mit den daraus resultierenden Kosten für einverstanden erklären. Ich denke dabei nicht bloß an die Kosten für Übersetzungen und Dolmetscher. Wer nämlich den Umfang und das Ausmaß der nach amerikanischem Recht sogar im Zivilprozeß bestehenden Offenlegungspflichten kennt, der wird sich hinsichtlich des zu erwartenden Aufwandes, der mit Amtshilfeersuchen der USA verbunden sein kann, keiner Illusion hingeben!

Einzig und allein wegen der politischen Bedeutung dieses Amtshilfeverkehrs und aus der rechtsstaatlichen Erwägung, daß dieser einer vertraglichen Rechtsgrundlage bedarf, werden wir dieser Vorlage zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen eingebracht wurden.

Den eingelangten Entschließungsantrag der Bundesräte Leopold Steinbichler und Kollegen betreffend Fortführung der österreichischen Atomenergiepolitik hat der Herr Präsident dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zugewiesen.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 12. Februar 1998, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, 10. Februar 1998, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.30 Uhr