Stenographisches Protokoll

658. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 18. November 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

658. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 18. November 1999

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. November 1999: 10.03 – 15.26 Uhr

*****

Tagesordnung

  1. Wahl eines Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 1999
  2. Erklärung des Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber
  3. Außenpolitischer Bericht 1998 der Bundesregierung
  4. Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages, der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages sowie der Präsidenten der Landtage von Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark betreffend Wahlen von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat 7

Angelobung der Bundesräte Jürgen Weiss, Dr. Robert Aspöck, Ludwig Buchinger, Ilse Giesinger, Christoph Hagen, Mag. Dietmar Hoscher und Franz Koller 8

Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 31

Angelobung der Bundesrätin Brunhilde Fuchs 31

Wahl eines Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 1999 11

Personalien

Entschuldigungen 7


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 2

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Entschließung des Bundespräsidenten, mit welcher er die Enthebung der Bundesregierung und der Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG zur Kenntnis nimmt und gleichzeitig diese Bundesregierung und die beigegebenen Staatssekretäre bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung betraut 9

Schreiben des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung von Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses bei der EU 9

Vertretungsschreiben 10

Verhandlungen

(2) Erklärung des Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Sausgruber

Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber 11

Debatte:

Josef Rauchenberger 15

Ludwig Bieringer 18

Dr. Peter Böhm 20

Albrecht Konecny 22

Ilse Giesinger 24

Christoph Hagen 26

Dr. Günther Hummer 26

Mag. John Gudenus 28

(3) Außenpolitischer Bericht 1998 der Bundesregierung (III-191/BR und 6074/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Ledolter 32

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 3

Redner:

Mag. John Gudenus 32

Albrecht Konecny 36

Dr. Vincenz Liechtenstein 39

Dr. André d'Aron 41

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 43

Erhard Meier 48

Dr. Milan Linzer 50

Engelbert Weilharter 52

Karl Drochter 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmenmehrheit) 57

(4) Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998 (III-194/BR und 6075/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 57

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Johanna Schicker 57

Alfred Schöls 58

Dr. Peter Böhm 60

Johann Grillenberger 62

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 63

Monika Mühlwerth 65

Volksanwältin Ingrid Korosec 66

Engelbert Weilharter 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 69

Eingebracht wurden

Anfragen

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Abweichung von einer einheitlichen Länderstellungnahme gemäß Art. 23d Abs. 1 B-VG hinsichtlich der Zoorichtlinie der EU (1656/J-BR/99)

der Bundesräte Mag. Michael Strugl und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend skandalöse Vorgangsweise zweier Wiener Polizisten (1657/J-BR/99)

der Bundesräte Mag. Michael Strugl und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Effektivität der "Go On! Österreich ans Internet"-Initiative (1658/J-BR/99)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Subventionen an den Verein "Austria Nostra" (1659/J-BR/99)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Subventionen an den Verein "Austria Nostra" (1660/J-BR/99)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Subventionen an den Verein "Austria Nostra" (1661/J-BR/99)

der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylaberkennung gem. §14 Asylgesetz (1662/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mangel an Schubhaftplätzen (1663/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Justiz wegen des dringenden Verdachtes einer strafbaren Handlung (1664/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Archäologischer Park Carnuntum" (1665/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend fehlender Toilette- und Sanitäranlagen an niederösterreichischen Grenzüberwachungsposten (1666/J-BR/99)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 4

der Bundesräte Ing. Kurt Scheuch, Mag. Christof Neuner, Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend italienisches Generalkonsulat in Klagenfurt (1667/J-BR/99)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen an des Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Subventionen an den Verein "Austria Nostra" II (1668/J-BR/99)

der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend derzeitige Personalsituation der Gendarmerie in Vorarlberg (1669/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen (1499/AB-BR/99 zu 1621/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1500/AB-BR/99 zu 1623/J-BR/99)

des Präsidenten des Bundesrates auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1501/AB-BR/99 zu 1624/J-BR/99)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen (1502/AB-BR/99 zu 1620/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1503/AB-BR/99 zu 1627/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1504/AB-BR/99 zu 1639/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1505/AB-BR/99 zu 1640/J-BR/99)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1506/AB-BR/99 zu 1629/J-BR/99)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1507/AB-BR/99 zu 1631/J-BR/99)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1508/AB-BR/99 zu 1633/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1509/AB-BR/99 zu 1637/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Engelbert Schaufler und Kollegen (1510/AB-BR/99 zu 1622/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Johann Ledolter und Kollegen (1511/AB-BR/99 zu 1625/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1512/AB-BR/99 zu 1626/J-BR/99)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1513/AB-BR/99 zu 1628/J-BR/99)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 5

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1514/AB-BR/99 zu 1632/J-BR/99)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1515/AB-BR/99 zu 1638/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1516/AB-BR/99 zu 1647/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1517/AB-BR/99 zu 1634/J-BR/99)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1518/AB-BR/99 zu 1630/J-BR/99)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1519/AB-BR/99 zu 1635/J-BR/99)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1520/AB-BR/99 zu 1636/J-BR/99)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1521/AB-BR/99 zu 1641/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1522/AB-BR/99 zu 1645/J-BR/99)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1523/AB-BR/99 zu 1643/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1524/AB-BR/99 zu 1642/J-BR/99)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1525/AB-BR/99 zu 1644/J-BR/99)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1526/AB-BR/99 zu 1646/J-BR/99)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1527/AB-BR/99 zu 1648/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1528/AB-BR/99 zu 1650/J-BR/99)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1529/AB-BR/99 zu 1649/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1530/AB-BR/99 zu 1651/J-BR/99)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Thomas Ram und Kollegen (1531/AB-BR/99 zu 1652/J-BR/99)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1532/AB-BR/99 zu 1655/J-BR/99)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1533/AB-BR/99 zu 1654/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Eduard Mainoni und Kollegen (1534/AB-BR/99 zu 1653/J-BR/99)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1535/AB-BR/99 zu 1656/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1536/AB-BR/99 zu 1662/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Michael Strugl und Kollegen (1537/AB-BR/99 zu 1657/J-BR/99)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. Michael Strugl und Kollegen (1538/AB-BR/99 zu 1658/J-BR/99)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1539/AB-BR/99 zu 1659/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1540/AB-BR/99 zu 1600/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1541/AB-BR/99 zu 1661/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1542/AB-BR/99 zu 1665/J-BR/99)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1543/AB-BR/99 zu 1666/J-BR/99)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1544/AB-BR/99 zu 1664/J-BR/99)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 10.03 Uhr

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 658. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 657. Sitzung des Bundesrates vom 29. und 30. Juli 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Günther Leichtfried, Mag. Melitta Trunk, Mag. Michael Strugl und Alfred Gerstl.

Angelobungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages, der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages sowie der Präsidenten der Landtage von Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark betreffend Wahlen von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Hedda Kainz: In einem Schreiben teilt der Landtagspräsident von Vorarlberg der Parlamentsdirektion mit, dass in der Sitzung des Vorarlberger Landtages vom 20. Oktober 1999 angelobt wurden:

1. Bundesrat: Jürgen Weiss, 6900 Bregenz, Froschauerstraße 4 (ÖVP)

Ersatz: Lukas Feurstein, 6867 Schwarzenberg, Blaser 60 (ÖVP)

2. Bundesrat: Christoph Hagen, 6912 Hörbranz, St. Martinsweg 7 (FPÖ)

Ersatz: Horst Fritz, 6754 Klösterle, Hauptstraße 49a (FPÖ)

3. Bundesrat: Ilse Giesinger, 6842 Koblach, Dorf 22 (ÖVP)

Ersatz: Gerhard Martin, 6832 Zwischenwasser, Morsch 4 (ÖVP)"

Das Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages lautet:

"Herr Dr. Michael Ludwig hat mit Wirkung vom 9. September 1999 sein Mandat als Bundesrat zurückgelegt, das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied, Herr Harald Reisenberger, hat mit Wirkung vom 6. September 1999 auf sein Mandat verzichtet.

Frau Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Irmtraut Karlsson hat mit Wirkung vom 7. September 1999 ihr an sechster Stelle gereihtes Mandat als Ersatzmitglied des Bundesrats zurückgelegt.

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats wurde in der Sitzung des Wiener Landtags vom 22. Oktober 1999 Herr Mag. Dietmar Hoscher als neues Mitglied für die neunte Stelle und Herr Harald Reisenberger als das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied, Frau Abgeordnete zum Nationalrat Brunhilde Fuchs als Ersatzmitglied für die 6. Stelle gewählt."

Der Salzburger Landtag teilt mit:

"In der Sitzung des Salzburger Landtages vom 10. November 1999 wurden auf Vorschlag der FPÖ Rechtsanwalt Dr. Robert Aspöck zum Mitglied des Bundesrates und FPÖ-Klubobmann Abgeordneter Dr. Karl Schnell zum Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt."


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 8

Das Schreiben des Niederösterreichischen Landtages lautet:

"Ich teile Ihnen mit, dass Herr Ernest Windholz mit Wirkung seiner Angelobung im Nationalrat am 29. 10. 1999 auf sein Mandat als Bundesrat verzichtet hat. Das Ersatzmitglied Ludwig Buchinger rückt daher nach."

Der Landtag der Steiermark teilt mit:

"In der Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 16. November 1999 wurde anstelle des zurückgetretenen Bundesrates Dr. Paul Tremmel GR Franz Koller, geb. am 06. Mai 1947, wh. in Grafendorf 17, 8232 Grafendorf, als Mitglied des Bundesrates und GR Franz Lafer, geb. am 15. Dezember 1958, wh. in Oedt 92, 8330 Feldbach, als Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieser Schreiben.

Die neuen beziehungsweise wieder gewählten Bundesräte sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Ich darf aufrufen: Jürgen Weiss.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich gelobe.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Präsident, ich danke Ihnen für das Gelöbnis und darf Sie bitten, den Vorsitz zu übernehmen. (Präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Präsident Jürgen Weiss: Ich bitte die Frau Schriftführerin, mit dem Namensaufruf fortzusetzen.

Schriftführerin Hedda Kainz: Ich darf nun aufrufen: Dr. Robert Aspöck.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Ludwig Buchinger.

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Christoph Hagen.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Mag. Dietmar Hoscher.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Franz Koller.

Bundesrat Franz Koller (Freiheitliche, Steiermark): Ich gelobe.

Präsident Jürgen Weiss: Ich begrüße die neu beziehungsweise wieder gewählten Bundesräte in unserer Mitte recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 9

Einlauf

Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Entschließung des Bundespräsidenten, mit welcher er die Enthebung der Bundesregierung und der Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz zur Kenntnis nimmt und gleichzeitig diese Bundesregierung und die beigegebenen Staatssekretäre bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung betraut.

Ich bitte die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 5. Oktober 1999, GZ. 300.000/1-BEV/99, die in der Sitzung des Ministerrates am 5. Oktober 1999 beschlossene Demission der Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat und die Bundesregierung und die Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes vom Amte enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident mich und die übrigen Mitglieder der Bundesregierung gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und mich mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung betraut.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung die Staatssekretärin Dr. Benita Ferrero-Waldner, den Staatsekretär Dr. Peter Wittmann und den Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Funktionen betraut."

Gezeichnet: der Bundeskanzler.

Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers und des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung von Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses bei der Europäischen Union.

Ich ersuche um Verlesung auch dieses Schreibens.


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 10

Schriftführerin Hedda Kainz:
"Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung am 20. Juli 1999 aufgrund eines gemäß Artikel 23c Abs. 3 B-VG eingeholten Vorschlags der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs beschlossen hat, Mag. Dipl.-Ing. Johann Költringer, Hauptabteilungsleiter des Österreichischen Raiffeisenverbands, als Erstgereihten und Dr. Karl Guschlbauer, Abteilungsleiter im Präsidium der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, als Zweitgereihten für die Nachfolge von Dr. Ferdinand Maier als Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses für die verbleibende Mandatsdauer zu nominieren. Das Mandat von Dr. Ferdinand Maier hat gemäß der geltenden Inkompatibilitätsbestimmungen der Geschäftsordnung des Wirtschafts- und Sozialausschusses mit dessen Entsendung in den Bundesrat geendet.

Mit dem förmlichen Beschluss des Rates ist im September 1999 zu rechnen."

Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt sind 46 Anfragebeantwortungen – 1499/AB bis
1544/AB –, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind weiters Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Der Herr Bundespräsident hat am 21. Oktober 1999, Zl. 300.100/67-BEV, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel am 5. und 6. November sowie innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis 19. November 1999 die Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner mit der Vertretung."

Präsident Jürgen Weiss: Ich bitte, das weitere Schreiben zu verlesen.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Der Herr Bundespräsident hat am 16. November 1999, Zl. 300.100/72-BEV, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich gemäß Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis 19. November 1999 den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek mit der Vertretung des Bundeskanzlers."

Präsident Jürgen Weiss: Danke vielmals.

Bevor wir in die eigentliche Tagesordnung eingehen, möchte ich es nicht verabsäumen, all jenen, die an der notwendigen baulichen Sanierung und der Neugestaltung des Sitzungssaales mitgewirkt haben, insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, die mit großem Einsatz – nicht zuletzt auch während der Sommermonate – tätig waren, einen ganz herzlichen Dank auszusprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Nicht nur unser Sitzungssaal ist neu gestaltet worden, sondern auch die Hausordnung, die Sie wahrscheinlich schon in Händen halten. In diesem Zusammenhang darf ich Sie an die Z 32 der Hausordnung erinnern und Sie herzlich ersuchen, Ihre Handtelefone im Sitzungssaal des Bundesrates auszuschalten beziehungsweise ausgeschaltet zu halten.

Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass heute etwa gegen 21 Uhr – nämlich in der Pause zwischen der 2. und 3. Sitzung des Nationalrates – in dessen Plenarsitzungssaal die Konstituierende Sitzung der österreichischen Gruppe der Interparlamentarischen Union erfolgen wird, deren Tagesordnung neben der Konstituierung auch die Wahl von zwei weiteren Stellvertretern des Vorsitzenden sowie die Änderung der Statuten der österreichischen Gruppe der IPU umfasst.

Aus diesem Grunde darf ich Sie bitten, der Einladung – auch wenn wir den Termin selbst erst am Dienstag erfahren haben – nach Möglichkeit Folge zu leisten. Sollte unsere Sitzung bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Ende sein, werde ich sie unterbrechen.

Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind der Außenpolitische Bericht 1998 der Bundesregierung und der Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998.

Ich habe die obgenannten Vorlagen sowie die Wahl eines Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 1999 und die Erklärung des Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich an die in der Präsidialkonferenz hinsichtlich der Redezeit getroffene Vereinbarung der Fraktionen erinnern.

Die Fraktionen haben bekanntlich eine freiwillige Redezeitbeschränkung von generell 10 Minuten für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. Auch für die Erstredner stehen 10 Minuten zur Verfügung. 1 Minute vor


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 11

Ablauf der vereinbarten Redezeit wird das rote Lichtsignal beim Rednerpult blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit von 10 Minuten permanent leuchten.

Da es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner auf den Ablauf der Redezeit hinweisen.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuche ich, bei Beginn der Rede nach Möglichkeit darauf hinzuweisen.

1. Punkt

Wahl eines Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 1999

Präsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl eines Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 1999.

Durch die vom Vorarlberger Landtag durchgeführte Neuwahl ist die Wahl eines Schriftführers notwendig geworden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Ilse Giesinger für den Rest des 2. Halbjahres 1999 zur Schriftführerin zu wählen.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich die Wahl durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Frau Bundesrätin Ilse Giesinger ist somit für den Rest des Halbjahres zur Schriftführerin gewählt. Ich frage sie, ob sie die Wahl annimmt.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ja, ich nehme die Wahl gerne an und danke für Ihr Vertrauen.

Präsident Jürgen Weiss: Danke. (Allgemeiner Beifall.)

2. Punkt

Erklärung des Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber

Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Erklärung des Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung vorliegt, im Anschluss an die abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte.

10.20

Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Herbert Sausgruber: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Zunächst schließe ich mich der Gratulation an die wieder beziehungsweise neu gewählten Mitglieder des Bundesrates gerne an und verbinde dies mit den


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besten Wünschen für ein erfolgreiches Wirken zur Vertretung der Länderinteressen im Rahmen der Bundesgesetzgebung.

Die Landeshauptmänner haben, einer bisherigen Übung entsprechend, eine gemeinsame Erklärung am 29. Oktober dieses Jahres zu der nach der Nationalratswahl notwendigen Neubildung der Bundesregierung abgegeben und als gemeinsame Auffassung der Länder mit verschiedenen Anliegen an die künftige Bundesregierung verabschiedet. Ich möchte hier als derzeitiger Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz aus erster Hand darüber informieren, um Sie in die Umsetzung der Landesanliegen frühzeitig einzubinden.

Die Erklärung hat folgenden Wortlaut: Für eine positive Weiterentwicklung Österreichs ist eine Bundesregierung erforderlich, die Stabilität gewährleistet, aber auch verstärkte Reformen in die Wege leitet. Aus der gemeinsamen Verantwortung für das Wohl der Bürger bietet die Landeshauptmännerkonferenz der künftigen Bundesregierung Zusammenarbeit im Geiste des kooperativen Bundesstaates an, um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu bewältigen.

Um der Gefahr einer weiteren Zentralisierung und Anonymisierung der Europäischen Union zu begegnen, sollte eine Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder und Gemeinden in Österreich ein gemeinsames Ziel sein. Dadurch könnten die Möglichkeiten demokratischer Einflussnahme der Bürger auf die Politik verbessert und nachteilige Machtkonzentrationen verhindert sowie die Akzeptanz der Europäischen Union erhöht werden.

Der in der politischen Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates aus dem Jahre 1992 erarbeitete Reformansatz wurde in den darauf folgenden Umsetzungsschritten von Mal zu Mal zu Lasten der Länder verändert. Nach Auffassung der Länder erfordert dieser Umstand aber auch Änderungen im verfassungspolitischen Umfeld und eine Neuorientierung im Themenbereich der Bundesstaatsreform. Eine wesentliche Stärkung der Rechte der Länder und eine dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Verteilung der Gesetzgebungs- und Vollzugsrechte muss erreicht werden. Auf dieser Grundlage sind bestehende Kompetenzzersplitterungen zu beseitigen und abgerundete Kompetenzbereiche zu schaffen. Sie sollen sich auch an die Zuständigkeiten der Europäischen Union und an der Zuständigkeitsverteilung anderer Mitgliedstaaten mit bundesstaatlichen Strukturen oder mit regionalisierten Gesetzgebungskompetenzen orientieren.

Vordringlich – auch mit Rücksicht auf Österreich als Wirtschaftsstandort im gemeinsamen Markt – sind die Erneuerung des Anlagenrechtes – das konnte bekanntlich in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr beschlossen werden – und eine Verbesserung der völlig überlasteten Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Einrichtung von Landes-Verwaltungsgerichten. Die Länder haben zu diesen Vorhaben ihre Positionen vorgelegt. Auf diesen sollte nach unserer Meinung aufgebaut werden.

Der kooperative Bundesstaat hat in der letzten Gesetzgebungsperiode des Nationalrates durch die Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus sowie über einen österreichischen Stabilitätspakt neue Qualität erhalten. Durch die Wirtschafts- und Währungsunion, insbesondere durch den europäischen Stabilitätspakt, wird allen öffentlichen Haushalten ein Maßhalten auferlegt. Zusätzliche Belastungen für die Bürger, Unternehmen, Länder und Gemeinden sind grundsätzlich zu vermeiden.

Bei der Ausarbeitung von Gesetzen sind deren Notwendigkeit und Kosten genau zu prüfen, der Verwaltungsaufwand ernsthaft zu senken sowie Einsparungsmöglichkeiten zu suchen. Im Bundes-Verfassungsrecht sind die erforderlichen Anpassungen an die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus zu treffen. Insbesondere sind die Kostentragungsregelungen der Artikel 4 Abs. 2 bis 5 und Artikel 5 der Vereinbarung verfassungsgesetzlich umzusetzen.

Der geltende Finanzausgleich und die Vereinbarung gemäß Artikel 15a über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstalten-Finanzierung treten Ende 2000 außer Kraft. Bei den diesbezüglichen Verhandlungen gehen die Länder davon aus, dass sie durch eine ausreichende Finanzausstattung auch künftig in der Lage sein werden, ihre Aufgaben zu erfüllen.


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Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, dass die Länder ihren Verpflichtungen aus der Vereinbarung über den österreichischen Stabilitätspakt nachkommen können.

Der Abschluss eines Finanzausgleichs-Paktums – also nicht einer einseitigen Beschlussfassung des Bundes – für die nächsten Jahre zwischen Bund, Ländern und Gemeindebünden wird angestrebt. Dabei ist die durch die letzte Steuerreform entstehende Verminderung der Länderanteile am Gesamtsteueraufkommen so zu korrigieren, dass den Ländern der vor dieser Steuerreform zustehende Anteil an den Steuererträgen wieder hergestellt und sichergestellt wird.

Die Wohnbauförderungsmittel müssen unangetastet bleiben. (Beifall bei der ÖVP und der Bundesrätin Haselbach. ) Ich freue mich über die Zustimmung. Das wird ein Kernpunkt der Gespräche im nächsten Jahr sein, denn starke Kräfte auf Bundesebene, der Wissenschaft und der Interessenvertretungen zielen auf diesen für die Landesfinanzen doch sehr zentralen Punkt ab.

Im Rahmen der Neuregelung der Krankenanstalten-Finanzierung sind insbesondere die Fortschritte der Medizin und die Kostenentwickung der letzten Jahre zu berücksichtigen. Die bisher erreichten sozialen Strukturen zu sichern und auszubauen, muss ein zentrales Anliegen jeder Regierungspolitik sein. Durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen können Voraussetzungen für die Entfaltung der Wirtschaft und für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze herbeigeführt werden. In diesem Zusammenhang fordert die Landeshauptmännerkonferenz die Berücksichtigung regionalpolitischer Interessen der einzelnen Länder.

Ein modernes staatliches Gemeinwesen braucht eine leistungsfähige Verwaltung. Ziel aller Überlegungen zur mittelfristigen Verwaltungsentwicklung muss es daher sein, den Wandel vom Aufgaben erledigenden Apparat hin zur wirkungs- und bürgerorientierten Verwaltung aktiv zu gestalten. Die Verwaltung der Zukunft soll auf die Wirkungen in der Gesellschaft und die Erfordernisse der Bürger orientiert sein, ihre Ressourcen möglichst wirtschaftlich einsetzen und für die Politik eine professionelle Unterstützung in der strategischen Zielsetzung und Ausrichtung des Staates bieten.

Die Länder haben auf dem Weg der Verwaltungsentwicklung vielfältige und erfolgreiche Schritte gesetzt, zum Beispiel die Verkürzung der Erledigungsdauer der Bewilligung von Betriebsanlagen, die heute zu einem guten Teil im europäischen Spitzenfeld liegen. Bei der Vollziehung von Bundesrecht sind die Länder aber vielfach mit krassen Überreglementierungen konfrontiert, zum Beispiel beim Mineralrohstoffgesetz, beim Abfallwirtschaftsgesetz oder beim Führerscheingesetz. Die rechtsetzenden Organe des Bundes sind aufgefordert, dieses Reformhindernis – wie im Übrigen immer wieder angekündigt – entschlossen abzubauen.

Soweit die Erklärung der Landeshauptmänner, unter denen bekanntlich Repräsentanten aller drei im Bundesrat vertretenen Parteien vertreten sind und die sich damit auf einen breiten landespolitischen Konsens in allen Bundesländern stützen kann.

Es ist mir selbstverständlich nicht unbekannt, dass solche Erklärungen immer wieder mit angeblich verwaltungslastigen oder gar machtpolitischen Interessen der Landeshauptmänner in Verbindung gebracht werden. Ich bitte Sie aber zu bedenken, dass in einem Kernpunkt dieser Anliegen, nämlich einer wesentlichen Stärkung der Länderrechte und einer dem Subsidiaritätsprinzip entsprechenden Verteilung von Gesetzgebung und Vollziehungszuständigkeiten, und in dem Anliegen der Stärkung der finanziellen Spielräume der Länder völlige Übereinstimmung mit dem besteht, was der Herr Bundespräsident in seinem Auftrag zur Führung von Sondierungsgesprächen als einen Schwerpunkt der künftigen Regierungsarbeit auch öffentlich dargetan hat.

Darüber hinaus deckt sich die Erklärung der Landeshauptmänner in ihren wesentlichen Teilen auch mit jenen Anliegen, die die Landtagspräsidenten als Repräsentanten der Landesgesetzgebung am 18. Oktober in einem Beschluss zusammengefasst haben.


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Schließlich waren es auch mehrere Landtage selbst, die teilweise schon wiederholt in Entschließungen Fortschritte bei der Erfüllung der Länderforderungen urgiert haben. Ich möchte dabei keineswegs nur den Vorarlberger Landtag erwähnen, sondern darauf verweisen, dass erst kürzlich die Landtage vom Burgenland, von Oberösterreich und Salzburg jeweils einstimmig eine größere Eigenständigkeit bei der Gestaltung ihres Wahlrechtes, insbesondere zur Einführung der Briefwahl auf Landes- und Gemeindeebene, gefordert haben. Ich habe es sehr begrüßt, dass aus dem Bundesrat heraus die Initiative zu einem entsprechenden Gesetzesantrag an den Nationalrat ergriffen wurde, und ich gehe davon aus, dass dieser Antrag in der neuen Gesetzgebungsperiode dem Nationalrat neuerlich zugeleitet wird.

Die Anliegen der Länder zielen auch auf zwei Punkte, die ganz allgemein und nicht nur für den Föderalismus von Bedeutung sind. Ich nenne hier an erster Stelle die Vertragstreue, die für das erfolgreiche Zusammenwirken sowohl von Einzelpersonen als auch von staatlichen Organen von fundamentaler Bedeutung ist. Nicht nur um ihrer selbst willen müssen die Länder darauf pochen, dass die ihnen vor mehr als sieben Jahren gemachten Zusagen eingelöst werden, zumal die Länder ihrerseits alle vereinbarten Vorleistungen schon lange erfüllt haben.

Die Einhaltung von Zusagen hat Signalwirkung für die Vertrauenswürdigkeit der Politik. Ich hoffe, dass die von der letzten Nationalratswahl ausgegangenen Signale auch verstanden werden. Es ist äußerst bedauerlich, dass ein Paktum, das vor nunmehr sieben Jahren geschlossen wurde und die Unterschrift führendster Vertreter des Bundes hat, bis heute nicht umgesetzt worden ist.

An zweiter Stelle nenne ich einen sorgfältigen Umgang mit dem Verfassungsrecht an sich. Hier wurde in der Vergangenheit durch Sorglosigkeit und Abhängigkeit von vermeintlichen Koalitions-Sachzwängen einiges an Schaden angerichtet, nicht nur im Verfassungsrecht des Bundes selbst, sondern auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Länder. Ich wende mich gegen eine Fortsetzung dieser Praxis, angeblich gute Ideen der Bundespolitik verfassungsrechtlich gleich so abzusichern, dass damit auch eine nicht wieder rückführbare Zwangsbeglückung aller Länder und Gemeinden verbunden ist, ohne dass die Tauglichkeit der Maßnahme für alle Länder überzeugend nachgewiesen wäre.

Für die Wirksamkeit des Bundesrates als zweite parlamentarische Kammer im Allgemeinen und als Ländervertretung in der Bundesgesetzgebung im Besonderen werden seit vielen Jahrzehnten immer wieder Vorschläge in Bezug auf die notwendigen Verfassungsänderungen gemacht, ohne dass ein gemeinsamer verfassungspolitischer Nenner in Sicht wäre. Das führt gelegentlich dazu, dass die Zweckmäßigkeit des Bundesrates in Frage gestellt wird.

Wenngleich mir bewusst ist, dass der Stellenwert des Bundesrates auch von ihm selbst bestimmt wird, weiß ich doch auch, dass man vielfach "Bundesrat" sagt und letztlich die Länder meint, nicht zuletzt in einer Faszination vor der Größe der Vereinheitlichung immer größerer Organisationen und auch des Prozesses in der Europäischen Union, womit die Kraft der Identität der Länder gewaltig unterschätzt wird. Ohne das seit 1985 bestehende Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Eingriffen in Länderzuständigkeiten hätten die Länder gegenüber dem Bund eine wesentlich schlechtere Verhandlungsposition, und sie hätten auch keine verfassungsrechtliche Handhabe, sich mit dem Zustimmungsrecht vor einer weiter gehenden Aushöhlung ihrer Eigenständigkeit zu wehren.

Dass der Bundesrat nicht alles verhindern konnte, ändert nichts daran, dass er einiges – ich möchte sagen: vieles – bewirkt hat. Ich unterstütze in diesem Zusammenhang den von den Landtagspräsidenten kürzlich beschlossenen Appell, allen Versuchen entgegenzutreten, die stellvertretend für die Landtage auszuübenden verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates durch politische Vereinbarungen einzuschränken sowie bei der Behandlung von Gesetzesbeschlüssen oder Anträgen die Haltung der Länder umzusetzen.

Vom Bund wird – ausgehend von einem Vergleich mit kommunizierenden Gefäßen – eine Stärkung der Länder und Gemeinden mit seiner Schwächung und dieses wiederum mit "schlecht" gleichgesetzt. Besser wäre es, davon auszugehen, dass die Republik Österreich, gleich einer


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Kette, nur so stark ist wie die schwächsten Glieder. Es liegt daher nach meiner Überzeugung im langfristigen Interesse auch des Bundes, durch bundesstaatliche Dezentralisierung Regelungs- und Verwaltungsballast abzuwerfen und sich auf die vor dem Hintergrund der Europäischen Union wirklich wichtigen Dinge zu beschränken. Es widerspricht nach meiner Überzeugung der Lebenserfahrung und auch jedem Vergleich mit dem Wirtschaftsleben, dass Zentralisierung und Vereinheitlichung, womöglich noch unter Preisgabe für bürgernahe Eigenständigkeit notwendiger Landtage, zu schlankeren Gesetzen und zu wirtschaftlichen Verwaltungsstrukturen führen werden.

Ich bitte Sie, die von den Ländern vertretenen Anliegen unter folgenden Gesichtspunkten zu sehen. Die Bundesregierung hatte den Ländern vor dem EU-Beitritt in einer Vereinbarung vom 8. Oktober 1992 eine nach wie vor unerledigte Neuordnung des Bundesstaates zugesichert, und sie hat dies bisher nicht erfüllt.

Die Verbesserung der Lebensverhältnisse in Österreich hängt stark davon ab, was die Länder und Gemeinden unter den Rahmenbedingungen europäischer und nationaler Politik durch Kreativität und in einem Wettbewerb unter sich noch eigenständig gestalten können. Dabei spielen die finanziellen Rahmenbedingungen eine ganz entscheidende Rolle, wahrscheinlich eine noch größere Rolle als verfassungsrechtliche Kompetenzen.

Ein Einflussverlust der Länder und Gemeinden würde eine wesentliche Schwächung der Möglichkeiten demokratischer Einflussnahme der Bürger auf die Politik überhaupt bewirken und ohne föderale Gewaltenteilung auch zu einer nachteiligen Machtkonzentration beim Bund und bei der Europäischen Union führen. Die Kontrolle von Macht ist bei ihrer Verteilung auf mehrere staatliche Ebenen durch bessere Überschaubarkeit und Unmittelbarkeit wirksamer möglich.

Die Landtage sind in ihrer gewachsenen Form, über die Gesetzgebungsfunktion hinaus, ein unverzichtbares Bindeglied zu den Bürgern und zu ihrer Einbeziehung in politische Entscheidungen. Letztlich geht es darum, dass kleinere Einheiten hinsichtlich bürgernaher Gesetzgebung und Verwaltung sowie hinsichtlich des staatlichen Aufwandes, ebenso wie in der Wirtschaft, schwerfälligen zentralen Verwaltungsapparaten jedenfalls in weiten Bereichen überlegen sind.

Die Bundesländer sind schließlich, wenn man sie nur lässt, ausreichend leistungsfähig, um im internationalen Wettbewerb der europäischen Regionen erfolgreich bestehen zu können.

Aufbauend auf diesen Überlegungen werden wir wohl gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass die künftige Bundesregierung wieder in stärkerem Maße als in den letzten Jahren zu der vor dem EU-Beitritt bekundeten Bereitschaft zu einer föderalistischen Strukturbereinigung zurückkehren sollte. Ich bitte Sie, diesem Anliegen der Länder auch in Ihren Beratungen und Entscheidungen Nachdruck zu verleihen und dies vor allem bei der finanziellen Ausstattung der Länder entsprechend mit zu berücksichtigen. (Allgemeiner Beifall.)

10.39

Präsident Jürgen Weiss: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausführungen.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger das Wort. – Bitte.

10.40

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Landeshauptmann! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! In dem 1997 erschienenen Buch mit dem Titel "Bundesstaat und Bundesrat in Österreich", herausgegeben vom ehemaligen Präsidenten des Bundesrates, Herrn Universitätsprofessor DDr. Herbert Schambeck – dem, wie Sie wissen, ich ganz besondere Hochachtung entgegenbringe –, beschäftigt sich einer der Autoren dieses Buches, Herr Regierungsrat Theodor Thanner – er ist Mitarbeiter der Salzburger Landesregierung –, mit der Bundesstaatsreform und den Forderungsprogrammen der Bundesländer.

In seiner Einleitung nimmt Tanner Bezug auf die Regierungserklärung von Bundeskanzler Mag. Klima, gesprochen am 29. Jänner 1997 vor dem Nationalrat, und zitiert diesen in seinem


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Schlusssatz wie folgt: "Voraussetzung für den Erfolg sind: Teamarbeit in der Regierung, ein Dialog zwischen der Regierung und dem Parlament, Kooperation mit den Sozialpartnern, ein offenes Verhältnis der Institutionen zu den Menschen."

Dieser Satz, vor rund drei Jahren gesprochen, ist besonders tagesaktuell und schürt damals wie heute Hoffnungen, wonach die Bundesstaatsreform doch noch zu einem guten Abschluss kommen kann. Es bedarf dazu allerdings der Bereitschaft zu Kompromissen.

Der Bundesrat ist ja ebenfalls sichtbarer Ausdruck eines Kompromisses – eines Kompromisses, der am Beginn der Staatlichkeit Österreichs stand. Es ist der Kompromiss, Österreich als Bundesstaat einzurichten. In diesem Sinne bezeichnet auch der Verfassungsgerichtshof den Bundesrat als wesentliches Element des Bundesstaates, ein Element, das so wesentlich ist, dass seine Abschaffung eine Änderung der Grundprinzipien der Verfassung darstellen würde.

Als Kammer der Länder soll der Bundesrat auf Ebene der Gesetzgebung die Interessen der Länder wahrnehmen. Ich meine, diesem Anspruch kommt er auch nach, und zwar stärker, als dies vielfach dargestellt wird. Das Ganze ist nämlich mehr als die Summe seiner Teile. Deswegen sind auch die Interessen der Länder im Gesetzgebungsprozess mehr als die Summe der Teilinteressen aller Länder.

Der Bundesrat ist gut geeignet, diese Summe herzustellen, und die Debatten hier, die sich doch in vielem sehr wohltuend von den Debatten im Nationalrat unterscheiden, beweisen es. Dass der Bundesrat mit dem im Regelfall bloß suspensiven Veto eine nicht sehr große faktische Macht hat, ändert nichts daran, dass schon wegen der Existenz des Bundesrates die Länder und deren Interessen im Gesetzgebungsprozess durch den Nationalrat beachtet werden müssen.

Es ist daher betrüblich, dass von Seiten der Landeshauptleute im Rahmen der Bundesstaatsreform eine Abwertung des Bundesrates dahin gehend betrieben wird, dass sie die Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung fordern. Unbestritten ist die Sinnhaftigkeit dessen, dass sich die Länder koordinieren und dies im Rahmen von informellen Konferenzen, wie dies die Landeshauptleutekonferenz ist oder, als anderes Beispiel, durch die Landtagspräsidentenkonferenz erfolgt. Es ist aber unrichtig, den Sachverhalt so darzustellen, als ob die Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung verankert werden müsste, weil sie das einzige Länderorgan ist.

Im Übrigen wäre es den Mitgliedern der Landesregierung unbenommen – ich greife hier einen Vorschlag des Landesamtsdirektors der Steiermark, Herrn Universitätsprofessor Dr. Wielinger, auf –, dass sie den Bundesrat zum Forum ihrer Koordinationsbemühungen machen und damit ihre ebenfalls bloß faktische, nicht rechtliche Macht mit dem politischen Forum des Bundesrates vereinen.

Zurückkehrend zur angesprochenen Bundesstaatsreform: Es ist unbestritten, dass eine grundlegende Reform des Bundesstaates wünschenswert ist, eine Reform, in der man zu einer sinnhaften Verteilung der Kompetenzen auf Bund, Länder und Gemeinden kommt. Ich betone dies deswegen so, weil für uns Sozialdemokraten der Föderalismus nicht bei den Ländern endet, sondern die Gemeinden dabei immer mit zu berücksichtigen sind. Eine Bundesstaatsreform muss daher dazu führen, dass der Staat und die Verwaltung insgesamt bürgernäher werden und dass damit auch der Politikverdrossenheit entgegengewirkt wird.

Die erstmals 1994 mit der Regierungsvorlage vorgelegte Bundesstaatsreform erfüllt diese Zielsetzung leider nicht. Meiner Einschätzung nach kommt es zu einer minimalen Abrundung der Kompetenzbereiche, was die Gesetzgebungskompetenzen betrifft; tendenziell kommt es sogar zu einer noch größeren Zersplitterung. Im Übrigen erschöpfen sich die Kompetenzverschiebungen vor allem darin, dass die mittelbare Bundesverwaltung in weiten Bereichen abgeschafft wird.

Der ohnedies bereits bestehende und beklagte Vollzugsföderalismus wird noch drastisch verstärkt. Zu einer Verstärkung der Kompetenzen der Landtage und damit zu einer Verstärkung


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des föderativen demokratischen Zuges kommt es allerdings nicht. In diesem Zusammenhang wurde von sozialdemokratischer Seite auch vorgeschlagen, dass die Kontrolle der Vollziehung von Bundesgesetzen, die von den Ländern autonom zu vollziehen sind, dem Bundesrat übertragen werden könnte.

Diese Forderung ergibt aus mehreren Gründen Sinn. Zum Ersten: Im Bundesrat wäre österreichweit eine zusammenschauende Betrachtung der Vollziehung von solchen Gesetzen möglich, wobei aber trotzdem die Unterschiede in den Ländern berücksichtigt werden könnten, nicht zuletzt wegen der Verbindung der Bundesräte zu den Landtagen. Zum Zweiten: Der Bundesrat hätte auch ein Gesetzesantragsrecht an den Nationalrat, sodass es möglich wäre, Gesetzesänderungen zu initiieren, wenn sich aufgrund der Vollziehung in den Ländern die Notwendigkeit dazu herausstellt.

Leider ist diese Forderung in der zur Verhandlung stehenden Bundesstaatsreform nicht enthalten. Die Länder haben, aus welchen Gründen auch immer, lieber ein indirektes Kontrollrecht des Nationalrates akzeptiert. Ich gehe davon aus, Sie stimmen mit mir überein, dass die Reform des Bundesstaates ein zu wichtiges Anliegen ist, um es an kleinlichem Hickhack um Einzelkompetenzen scheitern zu lassen. Die Kompetenzen sind derart auf Bund und Länder zersplittert, dass es eine grundlegende Kompetenzbereinigung unumgänglich macht.

Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass es angesichts der komplexen modernen Gesellschaft nicht möglich sein wird, entsprechend einer Gesetzessystematik, die im Kern aus der Monarchie stammt, die Gesetzeskompetenzen fein säuberlich auf Bund und Länder zu verteilen, sodass es letzten Endes, je nach Zählung, zwischen 120 und 170 einzelne Kompetenztatbestände gibt. Statt dessen wird es in fast jedem Kompetenzbereich einzelne Angelegenheiten geben, die besser auf Bundesebene geregelt werden, und andere Angelegenheiten, die besser auf Landesebene geregelt werden. In vielen Fällen wird es auch nur erforderlich sein, dass der Bund lediglich Grundsätze bestimmt und die näheren Details dann von den Ländern, und zwar von Land zu Land durchaus unterschiedlich, geregelt werden.

In diesem Sinne hat die sozialdemokratische Parlamentsfraktion, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesräte, einen Vorschlag für eine tiefgreifende Bundesstaatsreform ausgearbeitet, in dem die unzähligen Einzelkompetenzen auf 17 Aufgabengebiete reduziert werden, von denen sieben dem Bund vorbehalten sein sollen. Es sind dies: die Bundesverfassung; äußere Angelegenheiten; Angelegenheiten der Staatsgrenze und der Grenzüberschreitung; Bundesfinanzen, Geldwirtschaft und Kapitalverkehr; Standardisierung; Bundesbehörden; militärische Angelegenheiten. In allen übrigen Angelegenheiten dürfte der Bund nur dann gesetzgebend tätig werden, wenn eine bundesweit einheitliche Regelung unerlässlich oder erforderlich ist, um gleiche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren.

Letzten Endes soll eine solche Bundesstaatsreform folgende Prinzipien verwirklichen: ein solidarisches und kooperatives Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden; eine Verteilung der Aufgabengebiete nach dem Subsidiaritätsprinzip; die Schaffung aufgabenorientierter Kompetenzbereiche; eine Gesetzgebung des Bundes nur insoweit, als eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist; eine gerechte Aufteilung der Finanzmittel; eine Struktur, in der die Kostenverantwortung der Aufgabenverantwortung folgt; und letztlich einen klaren Aufbau der Vollzugsstruktur mit eindeutiger politischer Verantwortung.

Es ist klar, dass es nur dann, wenn in diesem Sinne die Kompetenzen auf Bund und Länder in konkurrierender Weise aufgeteilt werden, ein Organ geben muss, das über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips wacht. Dieses Organ könnte und sollte der Bundesrat sein. In diesem Sinne soll der Bundesrat das sein, was er auch bisher schon zu sein versucht: ein Anwalt des Bürgers sowie einer bürgernahen Gesetzgebung und Vollziehung.

Anwalt des Bürgers und einer bürgernahen Gesetzgebung und Vollziehung zu sein – das habe auch ich persönlich während meiner Zugehörigkeit zum Bundesrat umzusetzen versucht. Es wird anderen vorbehalten sein zu beurteilen, inwieweit ich dieser Zielsetzung gerecht werden konnte. Jedenfalls habe ich mich immer bemüht, das Gemeinsame vor das Trennende und


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Inhalte vor Parteiinteresse zu stellen. Da ich die Ehre habe, morgen als Mitglied des Wiener Landtages und Gemeinderates berufen und am 22. November angelobt zu werden, scheide ich mit Schluss der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt aus, sodass mein Ersatzmitglied automatisch nachfolgen und noch in dieser Sitzung angelobt werden kann.

Es wäre übertrieben, zu behaupten, dass ich die Berufung in den Wiener Landtag und Gemeinderat angestrebt hätte, da ich mich hier im Bundesrat auf dem richtigen Platz gefühlt und diesem gerne angehört habe. Ich gehöre dem Bundesrat seit 1. Februar 1991 an, wurde also in der 537. Sitzung angelobt, durfte somit in der Zwischenzeit an insgesamt 121 Beratungen teilnehmen und dabei 70 Debattenbeiträge abgeben. Darüber hinaus konnte ich in mehreren Ausschüssen mitwirken, und ich empfinde es als besondere Anerkennung meiner Tätigkeit, dem Justizausschuss seit Februar 1996 sogar als Vorsitzender anzugehören.

In meinem vorhergehenden Beitrag habe ich mich bereits sehr ausführlich mit der Stärkung des Bundesrates beschäftigt, ohne dabei besonders auf die im zurückliegenden Nationalratswahlkampf geführte Debatte über die Notwendigkeit des Bundesrates und die dabei erhobenen Forderungen nach dessen ersatzloser Abschaffung einzugehen. Diesen Aspekt beabsichtige ich in meiner nächsten Publikation zum Thema "Stichwort: Bundesländer, Bundesrat, Wahlen und Vertretungskörper in den Ländern von 1945 bis 2000" sehr ausführlich zu berücksichtigen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich mich, unabhängig von gerade ausgeübten politischen Funktionen oder Mandaten, stets für den Bundesrat und seine Verankerung im Sinne der Bundesverfassung einsetzen werde.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen für Ihr Wohlwollen und für Ihre Unterstützung, vor allem aber auch dafür, dass Sie es mir ermöglicht haben, dem Anspruch dieses Hauses gerecht zu werden und dennoch meinen politischen Standpunkt klar zum Ausdruck zu bringen.

Aufrichtiger Dank gilt Ihnen, Herr Präsident Weiss, für Ihre Unterstützung in all meinen Anliegen, aber auch den Mitgliedern des Justizausschusses – von denen ich mich in dieser Form verabschieden möchte –, ebenso allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, insbesondere den Damen und Herren der Bundesratskanzlei und des Stenographendienstes. Den Freunden in meiner Fraktion, allen voran dem Vorsitzenden Herrn Professor Konecny und der Vizepräsidentin des Bundesrates Frau Anna Elisabeth Haselbach, danke ich ebenso wie den Mitarbeitern im sozialdemokratischen Klub besonders herzlich.

Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren des Bundesrates, darf ich versichern, dem Bundesrat gerne angehört zu haben und ihn mit Verbundenheit und Freude in Erinnerung zu behalten. (Allgemeiner Beifall.)

10.52

Präsident Jürgen Weiss: Ich danke dem ausscheidenden Kollegen Professor Josef Rauchenberger auch unsererseits für die gute Zusammenarbeit. Wir wünschen Ihnen auch im Wiener Landtag ein weiterhin erfolgreiches und freudvolles Wirken. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer das Wort. – Bitte.

10.53

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Erklärung des Landeshauptmanns von Vorarlberg spreche, gestatten Sie mir, dass ich namens der ÖVP-Fraktion Herrn Kollegen Rauchenberger sehr herzlich danke für all das, was er hier im Bundesrat eingebracht hat, und dass ich ihm namens der ÖVP-Fraktion zu seiner Ernennung zum Professor durch den Herrn Bundespräsidenten sehr herzlich gratuliere. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich auch beim Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg für seine hier vor dem Bundesrat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz abgegebene Erklärung, insbesondere zu den Ausführungen, die


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den Bundesrat betreffen – dies deswegen, weil wir wissen, dass Herr Landeshauptmann Sausgruber immer für den Bundesrat eingetreten ist. Wenn er in seinem Forderungsprogramm der Landeshauptmänner ankündigt, dass das Zustimmungsrecht des Bundesrates für Finanzangelegenheiten überfällig ist, so kann man das nur dreimal und viermal unterstreichen.

All jenen, die gemeint haben, dass der Bundesrat eine lahme Ente ist, sei ins Stammbuch geschrieben – hier bin ich einer Meinung mit dem Klubobmann der SPÖ-Fraktion, Herrn Kostelka, der dies gesagt hat –: Würde der Bundesrat alle seine ihm verfassungsmäßig zustehenden Rechte ausnützen, dann würden sich so manche darüber wundern, was dieser Bundesrat kann.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir machen all das im Vorfeld der Beratungen und in den Vorbesprechungen. In der Ministerrats-Vorbesprechung der ÖVP-Fraktion ist es nicht selten die Frage, wie sich der Bundesrat dazu verhält und welche Einwendungen der Bundesrat vornehmen wird. Da wird dies bereits abgeklärt, sodass wir hier ein gemeinsames Vorgehen durchbringen können.

Dennoch ist es, so meine ich, hoch an der Zeit, dass das Perchtoldsdorfer Abkommen, das von niemand anderem als dem damaligen Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und dem damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich Siegfried Ludwig unterzeichnet wurde, ehebaldigst umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es soll deswegen ehebaldigst umgesetzt werden, meine Damen und Herren, weil es nicht sein kann, dass man sich zusammensetzt, in ordentlichen Verhandlungen ein Papier erarbeitet und dieses Papier dann sieben Jahre liegen lässt. Ich meine, es ist hoch an der Zeit, dass sich die neu zu bildende Bundesregierung und der neu gewählte Nationalrat endlich einen Ruck geben und einen Schritt nach vorne tun, einen vernünftigen Schritt nach vorne, damit dieses Perchtoldsdorfer Paktum endlich in die Realität umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Wenn hier immer wieder darüber gesprochen wird, dass der Bundesrat aufgewertet gehört, dann kann ich nur Herbert Schambeck zitieren, der stets gesagt hat: Aufgewertet werden muss nur jemand, der abgewertet ist oder sich abgewertet fühlt oder sich nicht ernst genommen fühlt.

Ich glaube, dass wir im Bundesrat unsere Linie fortsetzen müssen, eine Politik zu betreiben und die Länderinteressen in der Bundesgesetzgebung zu verwirklichen. Dazu wird es notwendig sein, dass die Forderungen, die die Landeshauptmännerkonferenz, aber auch die Landtagspräsidenten – zuletzt am 18. Oktober 1999 – erhoben haben, von der neuen Bundesregierung in enger Zusammenarbeit, in partnerschaftlicher Zusammenarbeit verwirklicht werden können.

Meine Damen und Herren! Unser Staat ist auf drei Säulen aufgebaut. Das ist zum einen der Bund, zum anderen sind es die Länder und die Gemeinden. Gesetzescharakter haben bekanntlich nur Bund und Länder. Aber die Gemeinden als kleinste Zelle, die Gemeinden als eine der, wie ich meine, wichtigsten Zellen dieses Staates dürfen wir dabei nicht vergessen. Die Gemeinden, die eine Interessenvertretung nur in Form des Gemeinde- und des Städtebundes haben – die vor ein paar Jahren, Gott sei Dank, auch in der Verfassung verankert wurden –, haben ebenfalls einen Forderungskatalog an die neue Bundesregierung vorgelegt.

Es geht in erster Linie darum, dass bei den neu durchzuführenden Finanzausgleichs-Verhandlungen nicht auf die Gemeinden vergessen wird. Dieser Forderungskatalog der Gemeinden spannt sich weit, von der Krankenanstalten-Finanzierung, soweit sie Gemeindekrankenhäuser betrifft, bis zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebes. Dazu gehört eine Forderung, die ich gerne vorlesen möchte – das ist mir sehr wichtig, weil die Frau Bundesministerin für Unterricht unter uns weilt – und die die EDV-Ausbildung betrifft.

Die Gemeinden meinen, dass die EDV das moderne Schulbuch ist und dass man dieses moderne Schulbuch bereits in der Volksschule einführen soll, damit unsere Kinder für die Wirtschaft und für ihren weiteren Lebensweg bereits als Kleine gerüstet werden. Ich meine, dass das eine Forderung ist, die legitim ist und die wir auch verwirklichen sollen. Nur darf ich anmerken, liebe Frau Bundesministerin, dass das nicht allein auf Kosten der Gemeinden gehen kann,


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und möchte daher bitten, dass hier auch Überlegungen einfließen, dass ein gerechter Ausgleich zustande kommen wird.

Meine Damen und Herren! Da heute der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg auf die Briefwahl hingewiesen hat, darf ich Ihnen dazu ein Beispiel nennen. Am 7. März fanden im Bundesland Salzburg Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Da kam der kuriose Fall einer Krankenschwester zum Tragen, die in meiner Gemeinde, 10 Kilometer außerhalb der Stadt Salzburg, wohnt und in den Landeskrankenanstalten in Salzburg Dienst versieht. Sie konnte zwar, weil sie von 7 bis 19 Uhr Dienst hatte, den Landtag wählen, sie konnte aber nicht den Gemeinderat und den Bürgermeister wählen.

Sie konnte den Landtag deshalb wählen, weil man innerhalb des Landes mit Wahlkarte vom Stimmrecht Gebrauch machen kann, nicht aber für Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen außerhalb der Gemeindegrenzen. Ich glaube, dass das eine Ungerechtigkeit ist, die ehebaldigst abgeschafft gehört. Es ist eine Uralt-Forderung der Länder, aber auch eine Uralt-Forderung der ÖVP-Fraktion dieses Hauses, dass das Wahlrecht für Länder und Gemeinden geändert wird und dass man die Briefwahl – so, wie das in allen anderen europäischen Ländern möglich ist – einführt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf daher ankündigen, dass meine Fraktion, die ÖVP-Fraktion, heute ihren Antrag vom 24. Juni 1999 mit der Zahl 119/A-BR/99 erneut stellen wird, sodass er an den Nationalrat weitergeleitet und, so meine ich, auch vom Nationalrat behandelt wird, damit bei den nächsten Landtags-, Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen im Bundesland Salzburg, aber auch in allen anderen Bundesländern jede Bürgerin und jeder Bürger von ihrem und seinem Wahlrecht Gebrauch machen und die Stimme abgeben kann.

In diesem Sinne appelliere ich an alle im Parlament vertretenen Parteien, unseren Antrag im Nationalrat aufzugreifen und ihm die Zustimmung zu erteilen, damit dieses Unrecht endlich vom Tisch kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

11.02

Präsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort. – Bitte.

11.02

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zunächst möchte auch ich die Gelegenheit ergreifen, mich namens meiner Fraktion und auch persönlich von Herrn Kollegen Rauchenberger zu verabschieden, ihm für die gute Zusammenarbeit zu danken und ihm für sein weiteres politisches und literarisches Wirken alles Gute zu wünschen. – Nun zum Thema der Debatte.

Mit hohem Respekt und voller Anerkennung begegnen wir dem Besuch und den Darlegungen des derzeitigen Vorsitzenden der österreichischen Landeshauptmännerkonferenz – ihr gehört bekanntlich auch eine Dame an – und sind dankbar für diesen symbolischen Akt zur Ehrung der Zweiten Kammer des Parlaments. Von einem Chef der Vorarlberger Landesregierung durfte man sich gewiss ein Plädoyer für den Föderalismus und folglich auch für die Verwirklichung der längst überfälligen Bundesstaatsreform erwarten. Darin sind wir auch durchaus nicht enttäuscht worden.

In der Tat, unser Erwartungshorizont war weit gespannt, aber er war wohl allzu sehr überzogen, um dem Referat von Herrn Landeshauptmann Dr. Sausgruber vorbehaltlos Beifall spenden zu können. Das nicht so sehr deshalb, weil von Seiten der Landeshauptleute wieder einmal primär ihre eigene Stellung gegenüber der Bundesregierung in den Vordergrund gerückt wird. Hier stimme ich mit Kollegen Rauchenberger überein, dass im Vordergrund des Forderungskataloges die Verankerung der Landeshauptmännerkonferenz in der Bundesverfassung steht; die Frage Stabilitätspakt und Konsultationsmechanismus, deren Zweckmäßigkeit auch für uns außer Frage steht, hat der Herr Landeshauptmann ja selbst angesprochen.


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Das erweist freilich erneut die Exekutivlastigkeit unseres gesamten Staatsgefüges in seiner realen Verfasstheit im Allgemeinen und seiner föderalistischen Ausgestaltung im Besonderen – eine Kritik, die nicht etwa allein von uns Freiheitlichen kommt, vielmehr in diesem Haus stets auch von einem sowohl politisch als auch fachlich ersten Experten wie dem früheren Präsidenten des Bundesrates Professor Schambeck höchst profund geübt worden ist.

Bei allen berechtigten Anliegen des Herrn Landeshauptmannes, die wir teilen, vermisst meine Fraktion daher aus ihrer Sicht jene vorrangig gebotene Forderung nach einer realpolitischen Aufwertung des Bundesrates. Gewiss würde es bereits eine solche bedeuten, wäre der Bundesrat – das heißt, die Mehrheit seiner Mitglieder, mitunter sogar bloß eine qualifizierte Minderheit – dazu bereit, all jene Kompetenzen und Rechte ernst zu nehmen, die ihm bereits heute zustehen. Die notorische Selbstfesselung der gegenwärtigen Regierungsparteien – vornehmlich jene der Österreichischen Volkspartei, die ja traditionell, wie wir, dem Föderalismus näher steht als die Sozialdemokratische Partei –, diese Selbstbindung an das Koalitionsabkommen, selbst in Bezug auf die parlamentarische Tätigkeit im Bundesrat, hat eben diese Wahrnehmung oder gar Ausschöpfung durchaus vorhandener verfassungsrechtlicher Möglichkeiten bis heute verhindert.

Uneingeschränkt begrüßen es daher wir Freiheitliche, dass die Konferenz der Landtagpräsidenten jüngst – auch darauf wurde heute schon hingewiesen –, am 18. Oktober 1999, in einer einstimmigen Empfehlung nachdrücklich gefordert hat, den Bundesrat aus jedem Pakt, den eine künftige Regierungskoalition eingehen sollte, strikt herauszuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit vollem Recht hob nämlich die Konferenz hervor – ich zitiere –, "dass die Aufgabe des Bundesrates in der Vertretung der Länder in der Bundesgesetzgebung besteht und er daher bei der Wahrnehmung seiner verfassungsmäßigen Rechte, insbesondere hinsichtlich der Ausübung des Zustimmungsrechtes bei Verfassungsänderungen mit Eingriffen in Landeszuständigkeiten, durch politische Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden darf". – Zitatende.

Herr Präsident Weiss hat in einem – leider der politischen Öffentlichkeit nicht zugänglichen – Seminar des Institutes für Föderalismusforschung vom 28. Oktober 1999 diese Entschließung ausdrücklich unterstützt und in der Sache dezidiert, wenngleich seinem angenehmen Stil entsprechend moderat formulierend, die Notwendigkeit erwähnt – ich zitiere –, "dass sich die Länder entschiedener als bisher gegen die genau genommen bundesstaatswidrige Einbeziehung des Bundesrates in Koalitionspakte zur Wehr setzen. Andernfalls käme ja auch einer einzigen Fraktion, die sich auf einen solchen Pakt berufen könnte, ein absolutes Veto gegen jede Wahrung der Länderinteressen, aber auch gegen jede Stärkung der Stellung des Bundesrates zu".

Wie Recht hat Herr Präsident Weiss! Aber war es bisher nicht genau so? Was erwartet man sich denn auch von einer Bundesratsmehrheit, die – bedingt durch die eben kritisierte Koalitionsbindung – in der letzten Sitzung vor dem Sommer selbst unseren äußerst bescheidenen Antrag abgelehnt hat, die Sitzordnung der Mandatare länderweise und nicht mehr fraktionsweise zu bestimmen?

So mutig und aus der Sicht meiner Fraktion zustimmungswürdig die Ausführungen von Präsident Weiss auch sein mögen, so wenig kann ich seinem Resümee folgen. Ich zitiere: "Dass diese Bindung des Bundesrates im Koalitionspakt von ÖVP und SPÖ festgeschrieben ist, verschärft zwar das Problem gravierend, hat es aber nicht verursacht." – Zitatende.

Das stimmt meiner Überzeugung nach historisch-politisch einfach nicht, und es widerspricht der praktischen Erfahrung, die ich seit meiner Tätigkeit im Bundesrat gewinnen konnte, besser: gewinnen musste.

Dessen ungeachtet ist jedoch die Ablehnung einer derartigen Koalitionsbindung im Bundesrat auch von der Sache her durchaus konsequent. Denn der Bundesrat hat zum einen, wie schon erwähnt, die Interessen der Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung zu wahren – das ist der primäre Gesichtspunkt –, und zum anderen müssen ja auch die in den betreffenden Ländern


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geschlossenen Regierungskoalitionen keineswegs mit der entsprechenden Konstellation in der Bundesregierung übereinstimmen.

Für Bundesländer mit Konkordanzdemokratie ist das ohnehin nicht der Fall. Was aber für eine erst in Zukunft neu zu bildende Bundesregierung zutrifft, muss doch umso mehr für eine derzeit bloß die Amtsgeschäfte weiterführende Bundesregierung gelten, die sich zweifellos auf keine politische Legitimation durch den Wählerauftrag mehr berufen kann.

Wenn wir aber schon vom politischen Legitimationszusammenhang sprechen, so ist zu sagen, dass auch die Praxis der Entsendung von Bundesräten näher zu prüfen wäre. Von wenigen Landesverfassungen abgesehen, sind die Landtage schon heute nicht daran gehindert, Landtagsabgeordnete oder sogar Mitglieder der Landesregierung in den Bundesrat zu entsenden. Wäre das realiter der Fall, so würden sich diese Abgeordneten wohl nicht so leicht über eindeutige, oft sogar parteiübergreifende einstimmige Empfehlungen der sie wählenden Landtage hinwegsetzen. Die betreffende Landesbindung würde die parteipolitische Bindung dann gewiss voll ausgleichen.

Ein freies Mandat, wie es heute rein rechtlich besteht, ließe sich wohl wirklich nur aus der durch eine direkte Volkswahl vermittelten politischen Legitimation rechtfertigen. Zudem wäre das an sich freie Mandat durch die politische Rückbindung an den allgemeinen Willen des Landtages wohl weniger beeinträchtigt als durch den fraktionellen Klubzwang der einzelnen Parteien. Was die Einbeziehung des Bundesrates im Koalitionsabkommen betrifft, erhoffe ich mir allerdings von beiden politischen Mitbewerbern, insbesondere aber von der Österreichischen Volkspartei eine Abkehr vom bisherigen Vorrang der fraktionellen Bindung vor der Landesbindung.

Mich persönlich als dem rechtsstaatlichen Rechtsschutz auch professionell verpflichteter Mandatar hat besonders erfreut, dass heute die Gelegenheit nicht versäumt worden ist, hier und jetzt die im Perchtoldsdorfer Paktum von 1992 verheißene Schaffung von Landes-Verwaltungsgerichten entschieden einzufordern, wäre deren Einrichtung doch allein schon deshalb ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, um den bundesweit allzuständigen Verwaltungsgerichtshof in Wien nicht endgültig an seiner Überlastung untergehen und damit die rechtsstaatliche Kontrolle der Verwaltung scheitern zu lassen.

Selbst wenn ich anerkenne – ich habe es in diesem Hause schon artikuliert –, dass die Etablierung von Landes-Verwaltungsgerichten auch ein erhebliches Finanzierungsproblem darstellt, an dessen Lösung zweifellos auch der Bund durch einen angemessenen Anteil beizutragen hätte, wird jedoch einmal mehr die von mir bereits gerügte Exekutivlastigkeit im Bereich des Föderalismus deutlich. Offenbar lassen sich die monokratischen oder kollegialen Grenzorgane – zumindest bestimmter Länder – nicht gar so gerne von justizförmigen Instanzen kontrollieren. Das bedauere ich sowohl vom Postulat des Rechtsstaates als auch gleichermaßen vom wohlverstandenen föderalistischen Prinzip her. Gerade wir Freiheitliche haben uns in dieser Frage seit Jahren klar positioniert.

Alles in allem: Nicht so sehr von versäumten Gelegenheiten, vielmehr von einem aktuellen Auftrag sollte heute die Rede sein, von einem demokratiepolitischen Auftrag, den wir, insbesondere die dem Föderalismus verpflichteten Fraktionen, gemeinsam wahrnehmen und umsetzen sollten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

11.13

Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Albrecht Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

11.13

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Es ist wichtig und notwendig, dass sich die – einfachheitshalber so genannte – Länderkammer des Parlaments mit den Meinungen und Auffassungen der Landeshauptleute, der Landesregierungen, der Landtage auseinander setzt. Keine Frage – diese Kammer bezieht ihre Existenzberechtigung aus der Struktur Österreichs als Bundesstaat.


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Diese Kammer hat sicherlich eine besondere Funktion, die ich oftmals als die eines Scharniers charakterisiert habe, weil sie zwar einerseits jenes Gremium ist, das die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes exekutiert, aber andererseits natürlich eingebunden ist – jeder von uns in dem parlamentarischen Klub seiner politischen Gruppierung – in eine Entscheidungsfindung, die auch und insbesondere das gesamtstaatliche Prinzip verkörpert.

Ich möchte mich, ohne darüber einen Streit vom Zaun zu brechen, gegen die als Faktenmitteilung getarnte Polemik des Kollegen Böhm verwahren, dass es hier zwei Fraktionen gebe, die sozusagen ein föderalistisches Erstgeburtsrecht hätten, während die dritte Fraktion des Hauses mit diesem Verfassungsprinzip auf Kriegsfuß stünde. Keine Rede davon! (Bundesrat Dr. Böhm: Das war nicht die Behauptung!) Sie haben gesagt – also, lassen wir es! Ich habe gesagt, wir wollen keine Polemik beginnen. Daher nehme ich Ihren Zwischenruf zur Kenntnis und gehe in diesem Punkt nicht weiter.

Aber das Entscheidende ist – Kollege Rauchenberger, der hier mit so viel Zustimmung und Freundlichkeit verabschiedet wurde und dem ich selbstverständlich auch vom Standpunkt meiner, seiner eigenen, Fraktion für seine langjährige Mitarbeit in dieser Kammer sehr herzlich danken möchte, hat schon darauf hingewiesen –, dass Föderalismus für uns ein nicht als zweistufig zu verstehendes, sondern ein komplexeres Gewebe darstellt; insbesondere, weil die Gemeinden, groß oder klein, naturgemäß – sie sind beispielsweise auch Partner im Finanzausgleich – eine eigenständige Kraft in diesem System des Föderalismus darstellen, eine Kraft, die, soweit es vis-à-vis des Bundes anzusehen ist, sich im Wesentlichen auf finanzielle Fragen beschränkt – weil sie eben Partner des Finanzausgleichs sind und weil sie natürlich von Gesetzesentscheidungen der Bundesebene finanziell in gravierendster Weise betroffen sein können –, während es im Bereich der Länder, also des hoffentlich fruchtbaren Dualismus zwischen Gemeinden und dem jeweiligen Bundesland, auch um sehr viele andere Fragen gehen kann und gehen muss.

Föderalismus bedeutet aber auch Folgendes – und das hat mir ein wenig gefehlt, obwohl ich dem Herrn Landeshauptmann das Grundverständnis, das dahinter zu stehen habe, selbstverständlich unterstelle –: Es geht in all den Diskussionen über die Bundesstaatsreform nicht ausschließlich um die Frage der Abrundung von Kompetenzbereichen, was auch immer ein Stückchen Macht bedeutet – was nicht abwertend gemeint ist –, es geht auch nicht nur um mögliche Verwaltungsvereinfachung, sondern es geht natürlich auch um die Philosophie dieses Gemeinwesens, zu dem sehr deutlich die Frage gestellt werden muss: Wo ist jener Raum, der für regionale, föderale Verschiedenheit offen sein kann, und wo sind jene Grundanforderungen der Gesamtrepublik, die auch dort durchgesetzt werden müssen, wo es um regionale Entscheidungen geht?

Es kann in unserem Verständnis mit Sicherheit nicht so sein, dass Rechtsausstattungen, die Bürgern letztlich von unserer Verfassung garantiert werden, in der konkreten Ausformung so unterschiedlich werden, dass das Gleichheitsprinzip schon wieder in Frage gestellt wird.

Eine Diskussion über die Gestaltung des Bundesstaates muss selbstverständlich auch – diese Anmerkung möchte ich sehr deutlich machen – berücksichtigen, in welchem Maße – das ist ein sehr beträchtliches – sich außerstaatliche Einflüsse auf die Entscheidungsstrukturen und auf die Kompetenzbereiche auswirken. Die Forderungen der Länder gehen zu einem guten Teil darauf zurück, dass der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auf Grund der konkreten Aufgabenzuordnung im innerstaatlichen Verfassungsbereich die Republik zwar stark, aber die Länder wesentlich stärker getroffen hat. Obwohl natürlich alles logisch nachvollziehbar ist, steht das Motiv schon ein bisschen dafür: Für diesen überproportionalen Verlust verlangen die Länder einen Ausgleich.

Gleichzeitig sollten wir uns darüber im Klaren sein – das ist ein globaler Trend und keine österreichische Sonderfrage –, dass die Rolle des Nationalstaates tendenziell stärker ausgehöhlt wird als die Rolle regionaler Entitäten, wie immer sie im jeweiligen Bereich heißen mögen. Der Prozess der Globalisierung, in dem wir leben und vor dem wir weder kapitulieren dürfen und den wir auch nicht ignorieren dürfen, führt selbstverständlich dazu, dass viele der traditionellen


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nationalstaatlichen Aufgaben, wie sie im 19. Jahrhundert definiert wurden, auf überregionale Vertragsbündnisse oder Staatenbündnisse übergehen und dass diesen Bündnisverbänden eine Dynamik der Verdichtung innewohnt, wie wir es in der Europäischen Union, aber etwa auch in der Welthandelsorganisation mit großer Deutlichkeit bemerken.

Wir sollten daher diese Diskussion über die Konsequenzen, die die österreichische bundesstaatliche Republik aus diesen internationalen und nationalen Entwicklungen ziehen soll, mit offenen Karten führen, nicht aus Prestige-Denken heraus und – ich sage auch sehr ehrlich – ohne Untergriffe. Es tut mir weh – ich sage das sehr offen –, mir als jemand, der in diesem Haus mit, um es einmal so zu formulieren, begrenzter Begeisterung der Aufhebung des Homogenisierungsgebotes in den Landes-Dienstrechten zugestimmt hat, von Herrn Hirschmann ausrichten zu lassen, dass es der Bund war, der die Länder in eine solche Diversifizierung der Landes-Dienstrechte getrieben hat und dass es sich dabei um eine völlig unverständliche und besonders bedauerliche Entwicklung handelt. – Sehen Sie, das ist das, was ich mit Untergriffen meine!

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es ein konstruktiver Beitrag zur Debatte ist, zu sagen: Wir sind zwar sehr für den Föderalismus, aber wir schaffen zur Abwechslung einmal nicht den Bundesrat, sondern die Landtage ab, und wir alle dürfen uns dann das Kapperl "General-Landtag" aufsetzen. Ich weiß nicht, vielleicht haben wir dann ein Sammelkonto, auf das die Länder einzahlen. – Es kann so nicht ernsthaft debattiert werden.

Die wirkliche Debatte ist erst zu eröffnen. Es ist der Landeshauptleutekonferenz, es ist allen Politikern der Länder dafür zu danken, dass in einer Phase der Regierungsbildung – wobei etwa die Adressaten dieser von mir so nicht geteilten Aufforderung der Landtagspräsidenten im Augenblick noch völlig unklar sind, weshalb nichts dazu zu sagen ist – ein neuer Diskussionsanstoß gegeben wird. Dieser Diskussionsanstoß ist aufzugreifen, aber er ist aufzugreifen in der Bereitschaft, das Bauwerk dieser Republik neu, gemeinsam, sachgerecht und vor allem die Interessen der Bürger im Auge habend zu errichten.

Sie gestatten mir eine letzte Bemerkung, die ein bisschen scherzhaft maskiert, aber bitter ernst ist. Ich glaube, wir sollten die Geschäftsordnung des Bundesrates dahin gehend ändern, dass das Vokabel "Aufwertung" den sofortigen Entzug des Wortes zur Folge hat. (Heiterkeit.) Eine Kammer, die pausenlos darüber diskutiert, wie sie sich aufwertet oder wie andere sie aufwerten, tut ein Einziges: Sie wertet sich ab. Ich glaube, wie andere menschliche Betätigungen auch ist diese Aufwertung des Bundesrates etwas, was man nicht sagen, sondern tun sollte. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.24

Präsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger das Wort. – Bitte.

11.24

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Frau Ministerin Gehrer! Sehr geehrte Besucher! Ich freue mich sehr, dass gerade heute, am Tag der Angelobung der Vorarlberger Bundesräte, unser Landeshauptmann sowie Frau Bundesministerin Gehrer anwesend sind. Wir haben heute auch die erste Sitzung nach der Renovierung des Bundesrats-Plenarsaales. Ist es Zufall oder Symbol, dass heute das Wort von Landeshauptmann Dr. Sausgruber und die Wünsche der Länder an den Bund durch den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz an vorderster Stelle der Tagesordnung stehen?

Ich bin davon überzeugt, dass dies kein Zufall ist, sondern ein Symbol dafür ist, dass wir als Bundesräte – so, wie es auch in der Verfassung verankert ist – die Vertreter der Länder auf Bundesebene sind. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass Länderinteressen vor Bundesinteressen gestellt werden und wir als Bundesräte auch danach handeln müssen. Allerdings ist dazu ein gegenseitiger Meinungsaustausch und ein enger Kontakt zwischen den Landeshauptleuten, den Landtagen und den Bundesräten Voraussetzung.


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Wenn heute der Vorarlberger Landeshauptmann gesagt hat, dass zusätzliche Belastungen für die Bürger, Unternehmen, Länder und Gemeinden grundsätzlich zu vermeiden sind, so möchte ich das nochmals verstärken. Es ist ein starkes Anliegen von mir – ich habe diese Forderung schon mehrmals im Bundesrat erhoben –, dass erstens verständlichere Gesetzestexte gemacht werden, zweitens auch die Kostenberechnung für die Wirtschaft und für die Bevölkerung eingeführt wird und drittens die Regierungsvorlagen überprüft werden, ob sie in der Praxis durchführbar sind. Dies bringt meiner persönlichen Überzeugung nach automatisch weniger und verständlichere Gesetze mit sich, was wir alle uns wohl wünschen.

Diese Forderung wird auch immer wieder von der Wirtschaft und von der Bevölkerung erhoben. Aus dem Bericht der Volksanwaltschaft, den wir heute im Bundesrat noch behandeln werden, ist auch dies deutlich ersichtlich. Die Kostenberechnung für Gesetze für den Bund ist nach § 14 Bundeshaushaltsgesetz geregelt. Darin heißt es – ich zitiere –: Es ist jedem Entwurf für ein Bundesgesetz oder für eine Verordnung des Bundesministeriums, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine Kostenberechnung anzufügen.

Ich persönlich habe in den Ausschüssen des Bundesrates bei verschiedenen Regierungsvorlagen öfters reklamiert, wenn die Kostenberechnung gefehlt hat oder mangelhaft war.

Die Kostenberechnung für die Länder und Gemeinden wird neben anderem durch den Konsultationsmechanismus aus dem Jahre 1997 geregelt. Dies ist also die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, die in der Praxis schon konkrete und positive Auswirkungen hat und wonach es nicht mehr möglich ist, vom Bund Gesetze zu beschließen, die dann die Länder oder Gemeinden ausführen müssen, ohne deren Zustimmung; aber auch umgekehrt. Kurz gesagt: Wer anschafft, zahlt. Dies gilt für den Bund, aber auch für die Länder.

Was die Bundesstaatsreform und den Finanzausgleich betrifft, so finde ich es äußerst bedenklich, dass die Unterschrift eines Bundeskanzlers Vranitzky praktisch nichts wert war. Wie wäre es sonst möglich, dass – wie der Landeshauptmann und mein Vorredner Bundesrat Klubobmann Bieringer schon gesagt haben – die Bundesstaatsreform bis heute, also sieben Jahre nach dieser Unterschrift, noch nicht umgesetzt worden ist?

Der Bund sollte endlich einsehen, dass es wichtig ist, dass die Länder und Gemeinden stark und gesund sind. Das Subsidiaritätsprinzip hat nach wie vor kaum Gültigkeit. Subsidiarität heißt ja, dass kleine Einheiten das machen, was sie machen können, und übergeordnete Einheiten den Rest regeln: das, was notwendig ist und was kleine Einheiten nicht machen können. Ein Bundesstaat ist auch nur so gut, wie die einzelnen Bundesländer gut sind, und ihm geht es auch nur gut, wenn es den einzelnen Bundesländern gut geht. Es muss daher im Interesse des Bundes liegen, dass kleine Einheiten gesund sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das bedeutet auch, dass kleine Einheiten Verantwortung übertragen bekommen, aber auch die finanziellen Mittel dazu erhalten. Es geht nicht an, dass der Bund zwar bereit ist, Verantwortung abzugeben, aber die dafür erforderlichen finanziellen Mittel nicht beisteuern will.

Herr Landeshauptmann! Sie haben auch die Neuregelung der Krankenanstalten-Finanzierung angesprochen. Ich denke, da werden leider nur die Fortschritte der herkömmlichen Medizin berücksichtigt, kaum aber alternative oder ganzheitliche Medizin wie Homöopathie und so weiter. Obwohl sich viele Menschen in diesem Land bereits dieser Alternativen bedienen und die Kosten dafür selbst erstatten, tun es die Krankenversicherungsanstalten leider kaum. Da hinken wir als Staat oft neuen Erkenntnissen nach. Ich denke, wir müssten hier ganz dringend unsere Gesetze ändern, damit auch alternative Medizin oder ganzheitliche Medizin in Krankenanstalten involviert ist und auch vom Staat bezahlt wird.

Wenn die Landeshauptleutekonferenz die Berücksichtigung regionaler Interessen fordert, so kann ich das nur wärmstens unterstützen. Gerade durch meine Tätigkeit im Bundesrat habe ich erkannt, wie verschieden die einzelnen Bundesländer in Österreich sind und wie individuell sie behandelt gehören, aber auch, wie wichtig es ist, auf die regionalen Interessen Rücksicht zu nehmen, damit es der Bevölkerung gut geht. Dies ist auch eine wesentliche Aufgabe für uns als


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Politiker. Regionalpolitische Interessen zu berücksichtigen, ist auch im Hinblick auf unsere Mitgliedschaft zur EU notwendig.

Unser Landeshauptmann hat in seiner Rede zur Sicherung des Wohlstandes Stellung genommen, und ich möchte das noch verstärken, indem ich erwähne, dass Wirtschaft wir alle sind. Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es auch den Arbeitnehmern gut; geht es den Arbeitnehmern gut, dann geht es auch der Wirtschaft gut. Dies ist eine Wechselwirkung und wird durch die Geschichte bestätigt. (Bundesrat Payer: Aber nicht automatisch!)

Abschließend möchte ich nochmals Folgendes anmerken: Ich wünsche mir, dass die Landeshauptleute, die Landtage und der Bundesrat in Zukunft verstärkt miteinander im Gespräch sind und bleiben, um so der Bevölkerung der Länder noch besser dienen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.32

Präsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Christoph Hagen das Wort. – Bitte.

11.33

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Der Bundesrat gehört abgeschafft – wenn es nach dem Willen der Europäischen Union oder auch so mancher politischer Funktionäre geht. (Bundesrat Prähauser: Mancher!) Dieses zentralistische Denken kommt davon, dass diese Institution auf Grund mangelnder Effizienz und Wirksamkeit ein kaum vorhandenes Durchsetzungsvermögen hat. Ich jedoch spreche mich vehement gegen die Abschaffung des Bundesrates aus, da diese Institution die Vertretung der Länder auf Bundesebene darstellt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Bundesrat hat die Rechte der Länder gegenüber dem staatlichen Zentralismus zu wahren. Um hier jedoch effizient arbeiten zu können, bedarf es der dringend notwendigen Aufwertung des Bundesrates – ich gebrauche dieses Wort doch noch, Herr Konecny, weil es mir sehr wichtig zu sein scheint –, denn derzeit, so glaube ich, handelt es sich beim Bundesrat um eine zahnlose Institution. Die Aufwertung des Bundesrates müsste schon deshalb auch im Interesse der Länder sein, Herr Landeshauptmann, weil wir hier auch die Rechte des jeweiligen Bundeslandes zu vertreten haben. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb die dazu nötige Verfassungsänderung in der letzten Legislaturperiode des Nationalrates von SPÖ und ÖVP abgelehnt wurde, obwohl sich doch diverse Landeshauptleute in ihren Ländern so föderalistisch geben.

Herr Landeshauptmann des Landes Vorarlberg und Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz! Ich als Vorarlberger Abgeordneter zum österreichischen Bundesrat fordere Sie auf: Veranlassen Sie ein Umdenken in der ÖVP, um eine Verfassungsänderung durchzusetzen, die dem Bundesrat die nötigen Voraussetzungen für eine echte Kontrolle des zentralistischen Systems in diesem Hause gibt (Beifall bei den Freiheitlichen) und den Bundesrat aus einer zahnlosen Institution zu einer echten Kontrollinstitution und Ländervertretung macht!

Ihre Rede heute war in Ansätzen schon sehr gut. Da habe ich schon sehr gute Ansätze herausgehört, die mir in diese Richtung sehr gut gefallen haben. Darum möchte ich Ihnen eines auf den Weg mitgeben. (Bundesrat Payer: Ist schon ein bisschen lehrerhaft, das Ganze!) Ich möchte Ihnen eines auf den Weg mitgeben, Herr Landeshauptmann: Wenn Sie es nicht für mich tun – tun Sie es für die Länder und auch für unser Vorarlberg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Hummer. – Bitte.

11.36

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine


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sehr verehrten Damen und Herren! Nach den guten Ratschlägen, die ein neuer Bundesrat nach sehr kurzer Erfahrung dem Landeshauptmann von Vorarlberg und anderen Bundesratskollegen gegeben hat, darf ich auf meine nur kurze Praxis im Bundesrat von zehn Jahren verweisen (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Rauchenberger ) und darauf, dass ich mich in diesen zehn Jahren wenigstens als aufmerksamer Zuhörer bewährt habe; wenn nicht als ein erfolgreicher Debattenbeitrager, so wenigstens als Zuhörer.

Da habe ich immer vom Föderalismus gehört und von den vielen, die sich mit den Lippen zu diesem Föderalismus und zur Bundesstaatlichkeit bekennen. Aber im politischen Alltag ist immer wieder das eigentliche Glaubensbekenntnis, der Zentralismus, durchgebrochen: der Glaube, dass von recht straffen und gut organisierten Institutionen in Wien, in den Ministerien, eigentlich die Probleme ganz anders in den Griff zu bekommen wären und dass es eigentlich doch, ganz genau gesagt, ein bisschen ein Luxus ist, dass wir unsere Kompetenzen auf neun Bundesländer verteilen. Der Vorschlag etwa, den Tierschutz von den Ländern dem Bund zu übergeben, wo er wahrscheinlich in viel besseren Händen wäre, ist von verschiedenster Seite gekommen.

Der Föderalismus genießt also das Schicksal vieler Weltanschauungen: Man ist mit den Lippen bei ihnen, aber nicht mit dem Herzen. Das tut jemandem, der ein echter Föderalist ist, ein bisschen in der Seele weh. Wir könnten sehr wohl in unserem schönen Staat Österreich bestehen, wenn wir kein Bundesstaat wären und wenn der Gesetzgeber des Jahres 1920 in seinem Artikel 2 nicht den Bundesstaat als Staats-Grundprinzip festgelegt hätte; es ginge schon irgendwie.

Aber für unsere Bestrebungen, eine neue Friedensordnung aufzubauen, uns Europa neu zu gestalten, große Spannungen zu verhindern, große, verhängnisvolle neue Paktbildungen, um Europa zu vereinen, gibt es nur eine Lösung: eine föderale Lösung. Wenn uns dies nicht gelingen sollte, wenn Europa nicht föderal aufgebaut würde, so würde es früher oder später das Schicksal aller großen Kolosse teilen: ein tönerner Koloss zu sein, der früher oder später wieder scheitern müsste. Alle großen Reiche, die zentral regiert wurden, sind in der Geschichte gescheitert. Deshalb sind das Subsidiaritätsprinzip und der Gedanke des Föderalismus ein Überlebensprinzip Europas und mithin auch der Welt.

Der Föderalismus und die Selbstverwaltung bilden auch innerstaatlich eine enorme Säule unserer Politik und Demokratie. Denn, meine lieben Damen und Herren, wenn heute von Demokratiereform die Rede ist, dann muss man zunächst sagen: Demokratie bedeutet Mitverantwortung. Wenn Sie Tag für Tag die Medien verfolgen und lesen, dass jedermann mit Forderungen an die Politiker – wie man so sagt – herantritt, so heisst das, dass hier eine gewaltige Überforderung der Repräsentanten im Gang ist, aber das Gefühl des Mitgestalten-Müssens fehlt, denn jeder Wähler und jeder Nichtwähler, jeder Bürger, ob er will oder nicht, ist zutiefst auch ein Mitverantwortlicher. Das ist das Prinzip der Volkssouveränität, dass das Recht vom Volk, von jedem Bürger ausgeht.

Welches Prinzip als das des Föderalismus und der Selbstverwaltung wäre in höherem Maß im Stande, die Verantwortung des Bürgers mit in die Institutionen zu tragen, etwa in den Gemeinderäten, in unseren Ländern, in den Selbstverwaltungskörpern? – Man kann sicherlich beipflichten, dass so manche Selbstverwaltungsinstitution reformbedürftig ist. Aber so, wie man sich das heute vorstellt – dass man sie sozusagen wegrasiert oder alle über einen Kamm schert –, ist das bestimmt der falsche Weg, und es zeigt, wie wenig der Föderalismus und der Gedanke der Selbstverwaltung in den Herzen so vieler bekannter und namhafter Politiker verankert sind und wie ihnen so viele sehr unkritisch folgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht erwähnen, dass so viele glauben, der Föderalismus habe etwas mit fördern zu tun, und an unsere guten Subventionen denken. Aber es bekennen sich auch viele ganz offen gegen den Föderalismus. Ein Chefredakteur einer sehr wichtigen und namhaften Tageszeitung schreibt in einer Kolumne, einem Leitartikel, ungefähr alle zwei, drei Monate, dass wir uns in Österreich, in einem so kleinen Land, den Luxus von neun Bundesländern und so vielen Gemeinden leisten. Was könnte man sich alles erspa


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ren, wenn man hier sozusagen auf eine straffe Zentralverwaltung umsteigen würde! – Bitte, die Zentralisten tarnen sich gar nicht, sondern sie bekennen sich teilweise ganz offen dazu.

Hat man jemals eine Stimme gehört, die etwa das falsche Kostenargument widerlegt hätte? Hat sich jemals irgendein namhafter Politiker von den Plätzen erhoben und dagegen revoltiert oder auch nur einen bescheidenen Leserbrief geschrieben? – Mir ist es jedenfalls entgangen. Wenn Sie solche Wahrnehmungen gemacht haben, wäre ich Ihnen für jede Mitteilung sehr dankbar. (Bundesrat Weilharter: An der Quelle hat man auch Landesrat Hirschmann gehört!)

Es gibt auch so viele, die sozusagen als letztes Geschenk, wenn Sie dieses Hohe Haus verlassen, noch geschwind die Abschaffung des Bundesrates ins Gespräch bringen, ein Wirtschaftssprecher der SPÖ etwa oder Frau Heide Schmidt, sozusagen als letzte Grüße: Bitte, rettet finanziell die Republik, schafft den Bundesrat ab! – Ich bin überzeugt davon, dass die Länder, wenn der Bundesrat politisch effektiver als ihr Organ in der Gesetzgebung des Bundes ausgestattet wird, gerne bereit wären – da komme ich Herrn Landeshauptmann Sausgruber zuvor –, auch die Kosten des Bundesrates zu übernehmen. Daran wird es also gewiss nicht scheitern.

Was ist nun die Ursache dafür, dass der Gedanke der Bundesstaatlichkeit und des Föderalismus – wenn man die Alemannen in Vorarlberg ausnimmt – in den Herzen unserer Bürger und so vieler Politiker nicht jenen Rang einnimmt, den wir erhoffen?

Es ist einmal das heute so tief verankerte Denken in bloßen Zahlen und Mengen, das kein Newton und kein Einstein überwinden konnte. Es ist die Globalisierung: dass wir immer näher aneinander rücken, woraus man den Schluss zieht, das müsse auch bedeuten, dass wir uns immer zentraler verwalten und regieren. Der unerhörte Fortschritt der Technik in der Kommunikationstechnologie hat sicherlich auch dazu beigetragen. Aber es ist auch ein unerhörter Verlust an Geschichtsbewusstsein und Traditionsbewusstsein – der Mensch von heute hat sozusagen das Lebensgefühl, als wäre er irgendwo aus dem Nichts in unsere Existenz hereingefallen und wäre nicht ein Produkt einer unerhörten Tradition und Überlieferung – und weiters die immer wieder gehörte, wenn auch widerlegte These, dass der Zentralismus billiger sei und sich besser rechne.

Wir können uns zum Ende unserer Diskussion und unserer Debatte über den Föderalismus einmal darüber freuen, dass Herr Landeshauptmann Sausgruber ein Bekenntnis zum Föderalismus, zur Weiterentwicklung der Bundesstaatsreform und der Bundesratsreform gegeben hat. Wir können hoffen, dass das, was Sie hier zu uns gesagt haben und was von den anwesenden Damen und Herren des Bundesrates positiv aufgenommen wurde, mit dazu beiträgt, eine Ordnung in Europa aufzubauen, die den Stürmen der Zukunft standhält.

Es ist nicht richtig, was so viele heute glauben: dass das Zusammenwachsen Europas sozusagen schicksalhaft gegeben und gar nicht mehr abzuwenden sei, sondern wir müssen darum kämpfen; darum kämpfen, dass wir nicht nur für die kurzen Aspekte unseres eigenen Lebens, sondern auch für künftige Generationen hier, im Herzen Europas, ausgehend von unserem Staat Österreich, eine Ordnung aufbauen, die den Stürmen der Zukunft standhält.

In diesem Sinne darf ich Ihnen, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr herzlich dafür danken, dass Sie unserem Bundesrat Ihren ehrenden Besuch abgestattet und in überzeugender Weise zu uns gesprochen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Dr. Hummer! Vielen herzlichen Dank für Ihre Wortmeldung! Aber ich möchte diesen Dank vor allen Dingen mit einer Gratulation verbinden. Sie haben gestern einen ganz besonderen Geburtstag gefeiert. Ich darf Ihnen von hier aus alles erdenklich Gute und Schöne wünschen, vor allen Dingen Gesundheit! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

11.48

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vizepräsidentin! Herr Landeshauptmann! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier jetzt mehrfach über das


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Thema Bundesstaatsreform und über die Bedeutung des Bundesrates gesprochen. Es ist interessant, dass dieses Thema nicht nur auf Österreich beschränkt ist. (In Richtung Landeshauptmann Dr. Sausgruber:) Was die Bundesstaatsreform anlangt, spricht man in Ihrem Nachbarland, der Schweiz, schon seit Jahren darüber.

Auch in Deutschland steht immer wieder die Bundesstaatsreform zur Debatte; und so auch hier in Österreich. Es scheint also etwas zu sein, was die Menschen bewegt, nicht nur die Politiker, aber auch sie, sodass Politiker der verschiedensten Richtungen ehrlich – so hoffe ich zumindest – ihre subjektive Meinung zum Ausdruck bringen, auch wenn sie jeweils unterschiedlich sein mag.

Herr Landeshauptmann! Sie haben von der Finanzausstattung der Länder gesprochen und davon, dass diese vernünftig sein müsse. Sie haben eigentlich zweimal darauf hingewiesen. Ich habe ein bisschen Bedenken, wenn man es bei diesen Worten belässt. Ist es nicht so, dass die Finanzausstattung der Länder und der Gemeinden durch diese selbst herbeigeführt werden soll, indem man ihnen einen Teil des Steuerfindungsrechtes überträgt?

Ist es nicht so, Herr Landeshauptmann, dass eigentlich der Herr Finanzminister, wenn er den Ländern und den Gemeinden großzügig gegenübertritt, als das liebe Christkind bezeichnet wird – ohne jetzt diesen Begriff so zu verwenden, aber inhaltlich –, und dass er, wenn er das eine oder andere Mal – und wahrscheinlich immer öfter – die Zügel anziehen muss und sagt: Das können wir uns nicht leisten!, der Krampus ist?

Nein, die Popularität oder Unpopularität einer Entscheidung, die ein Land – und auch eine Gemeinde – fällt und die mit Finanzen zusammenhängt, soll – schauen Sie in Ihr Nachbarland Schweiz! – in diesem selbst getroffen werden. Ein Minister, ein Landesrat für Finanzen, ein Gemeinderat, der die Finanzen überhat, muss selbst für seine Entscheidung und die seiner Fraktion bei der nächstfolgenden Wahl oder einer Volksabstimmung gutstehen. Immer alles auf den Überstaat zu deklarieren, ist unmöglich.

So verurteile ich auch – aber nur verbal und in aller Kollegialität – Landesrat Hirschmann, der da sagt: mehr Engagement für die EU. Was heißt das? – Dass unter Umständen die Europäische Union diejenigen Aufgaben den Ländern gegenüber wahrnimmt, die derzeit ein österreichischer Finanzminister für die Länder wahrnimmt. Das könnte zumindest sein. So hat er es noch nicht gesagt, aber es geht schon ein bisschen in diese Richtung.

Landesrat Hirschmann tritt auch dafür ein, dass es weniger Bundesländer gibt – eine unselige Einrichtung, die wir schon in der Zeit des Zweiten Weltkriegs hier in Österreich hatten. So radikal ist man damals nicht vorgegangen; es wurde das Burgenland aufgeteilt und Vorarlberg zugeordnet. Jetzt fordert Landesrat Hirschmann eigentlich ein Österreich der drei Regionen. Was ist das anderes als ein Anschlag auf die gewachsenen historischen Bedingungen, die sentimentalen Gefühle der Bürger, die in diesen Ländern und Bundesländern leben?

So einfach, meine ich, sollte man es sich nicht machen. Mag sein, dass es ökonomischer ist. Aber was ist die Ökonomie? Ist sie Selbstzweck oder dient sie den Bürgern zum Sich-wohl-Fühlen in ihren gewachsenen Strukturen? Müssen wir zwanghaft verändern, was tausend Jahre Österreich aufgebaut hat? – Meine lieben Freunde, ich weiß, tausend Jahre Österreich, das ist ein unhistorischer Begriff, das trifft nur für einen Teil zu. Herr Kollege Weiss! Sie schauen mich schon ein bisschen kritisch an; ich verstehe es und korrigiere es auch. Aber doch, tausend Jahre dieser Gebietskörperschaften, die jetzt "Republik Österreich" heißen, mit allem Auf und Ab – das hat dazu geführt, dass wir sentimentale Bindungen haben.

Daher meine ich, dass die Fragestellung, die in den letzten Tagen ein Seminar in Wien hatte: "Ist Österreichs Föderalismus überzogen?", schlicht und einfach nur mit einem Nein beantwortet werden kann. Er ist nicht überzogen, weil der Föderalismus, den Österreich aufweist, eine historische, sentimental gegebene Bedeutung erlangt hat, die man nicht mit ökonomischen und anderen praktischen Erwägungen abtun kann. Es geht nicht darum, dass alles praktisch und ökonomisch beurteilt wird. Es geht darum, die Herzen der Bürger für ihre Anliegen zu gewinnen.


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Das geht natürlich immer besser, je kleiner diese Verwaltungseinheiten sind. Das ist im Falle Vorarlbergs sowieso der Fall und auch in vielen Gemeinden und anderen Bundesländern, den großen und den kleinen. Wir wollen das nicht; ich will das zumindest nicht, und deswegen stehe ich da. Ich meine, der Bundesstaat gehört bei uns gestärkt. Nicht dadurch, dass jetzt jedes der Länder seine eigene Bauordnung, sein eigenes Fischerei- oder Jagdrecht oder ähnliche Dinge hat, sondern es gehört der gesunde Wettbewerb der Länder durch eigene Finanz- und Steuerhoheit hergestellt, so, wie wir es auch in der Schweiz – und nur die sehe ich jetzt ein bisschen vor mir – haben. Dieser gesunde Wettbewerb fehlt. (Bundesrat Payer: Ein bisschen Solidarität gehört auch noch dazu!) Er fehlt, und das führt eigentlich zur Stagnation unseres Anliegens.

Der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, Dr. Helmut Kramer, hat in diesem Zusammenhang gesagt: Es geht nicht an, dass die Länder das Geld ausgeben und die Rechnung an den Bundesfinanzminister schicken. – Frau Ministerin Gehrer! Es geht zumindest zum Teil in Ihre Fachrichtung, dass die Landeslehrer 30 Milliarden Schilling kosten, der Bund nichts mitzureden hat, der Bund es aber zahlen darf. Das ist eigentlich widersinnig.

Ich verlange nicht, dass der Bund etwas mitzureden hat. Aber es sollen die Länder für ihre Landeslehrer zahlen. Damit gehört der Finanzausgleich ganz anders gemacht. Man kann es gewissermaßen auch berechnen, dass grundsätzlich überhaupt nicht mehr an Steuer gezahlt werden muss, dass aber das Land und die Gemeinden Steuerhoheiten übertragen bekommen.

Dr. Kramer betont auch, dass durch den EU-Beitritt wesentliche Kompetenzen nach Brüssel abgewandert seien. In Österreich habe dies aber nicht zu einem Wegfall von Aufgaben geführt. Im Gegenteil, tatsächlich ist ein Mehraufwand entstanden. Ich bedauere, dass wesentliche Aufgaben nach Brüssel abgewandert sind. Aber wenn dem so gewesen ist, dann haben auf Bundesebene diese Aufgaben natürlich auch reduzierend in Bundesaufgaben hineinzuwirken, nicht jedoch bei den Ländern. Es sind keine Aufgaben der Länder nach Brüssel abgewandert.

Was die Finanzen anlangt, hat Dr. Kramer völlig Recht: Es ist eine Überprüfung der gesamten Finanzsituation notwendig. Ein Zero-Budgeting wäre wahrscheinlich einmal angesagt, und wir würden draufkommen, wie viele Reserven in Österreich noch angezapft werden könnten. Denn es ist bedauerlich, dass die Senioren eine Erhöhung von nur 0,6 Prozent bekommen und dass man sagt: Wir haben kein Geld. Wenn man wüsste, wie viel Geld irgendwo hin nur aus Gewohnheitsgründen abfließt – es wäre gut, dies zu überprüfen.

Dr. Kramer erwähnt dann auch: Er will nicht die Abschaffung der Bundesländer, aber eine genaue Überprüfung ihrer Aufgaben. – Genau das ist es, was gefordert werden muss. Die Aufgaben des Bundes und die Aufgaben der Länder gehören überprüft und im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auf die jeweils untere Ebene zurückverlagert.

Bundesrat Konecny hat richtig gesagt: Wer sich aufwertet, wertet sich ab. Ich glaube auch, es ist nicht notwendig, ständig von einer Aufwertung zu reden, sondern dass wir selbstbewusst für den Bundesrat als Vertreter der Länderinteressen – aber jener Länderinteressen, von denen ich meine, dass sie den Ländern auch erst zugeordnet werden müssen, zum Beispiel im Rahmen des Finanziellen – eintreten können.

Ich möchte jetzt – das Thema wird auch in Deutschland heftig diskutiert – kurz noch ein paar Zitate vorbringen Der ehemalige Minister Otto Graf Lambsdorff fordert eine Kur gegen den verkappten Zentralismus. Herr Landeshauptmann! Kolleginnen und Kollegen! Da müssten bei uns eine Anzahl von hohen Politikern ständig in irgendwelchen Kurheimen sein, um von diesem unsäglichen Zentralismus geheilt zu werden. Auf in die Kuranstalten, und wir hätten auf einmal mehr Subsidiarität!, kann ich nur sagen.

Zum Föderalismus gehört die Trennung der Aufgaben, der Ausgaben und der Steuerkompetenz – das verlangt Graf Lambsdorff für Deutschland; wobei ich, glaube ich, feststellen kann, ohne fehl zu liegen, dass diese Kompetenzen in Deutschland sowieso stärker zum Vorteil der Länder gegeben sind als in Österreich. Von der Schweiz möchte ich da gar nicht reden.


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Ein ehemaliger bayerischer Staatsminister für Finanzen fordert: Die Kompetenzen der Länder sind zu stärken. Die Zuständigkeit bei den Aufgaben, bei den Ausgaben und den Einnahmen ist neu zu ordnen. – Ich glaube, das sind Anliegen, die wir hier in Österreich vollinhaltlich übernehmen können.

Schlussendlich fordert ein Manifest der Friedrich-Naumann-Stiftung: Subsidiarität ohne Wenn und Aber für eine neue, klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und den Vorrang des Privaten. – Dem habe ich eigentlich nicht mehr hinzuzufügen. Es könnte mein Programm gewesen sein. – Ich danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Herr Landeshauptmann! Wir danken ganz herzlich für Ihren Besuch. (Allgemeiner Beifall.)

Angelobung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: Das Schreiben lautet:

"Das an sechster Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates, Herr Professor Josef Rauchenberger, hat mir mitgeteilt, dass er mit Schluss der Debatte zum Tagesordnungspunkt 2, am 18. November 1999, rechtsverbindlich auf sein Mandat verzichtet."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieses Schreibens.

Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs, die bis jetzt Ersatzmitglied war, ist im Hause anwesend. Ich werde sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein. – Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Ich gelobe. (Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich begrüße Frau Bundesrätin Fuchs ganz herzlich in unserer Mitte.

3. Punkt

Außenpolitischer Bericht 1998 der Bundesregierung (III-191/BR und 6074/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Außenpolitischer Bericht 1998 der Bundesregierung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ledolter übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Johann Ledolter:
Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen nunmehr den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zur Kenntnis bringen, der sich mit dem Außenpolitischen Bericht 1998 der Bundesregierung, geführt unter der Ziffer III-191 der Beilagen, beschäftigt.

Der gegenständliche Bericht wurde dem Bundesrat am 21. April 1999 zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet.

Die EU-Präsidentschaft Österreichs stellt das zentrale Thema des vorliegenden Berichtes dar. Eingehend behandelt werden zum Beispiel die – unter dem österreichischen Vorsitz getroffenen – letzten Vorbereitungen für die Einführung des Euros sowie die Bemühungen Österreichs um die Agenda 2000, die inzwischen – zu einem sehr wesentlichen Teil auf der Grundlage der unter dem österreichischen Vorsitz geleisteten Vorarbeiten – ausverhandelt werden konnte. Der Erweiterung der Europäischen Union ist ebenfalls ein eigenes Kapitel gewidmet. Insbesondere der tragische Konflikt auf dem Balkan hat im vergangenen Jahr wieder gezeigt, dass die Sicherheitsstrukturen Europas weiter gestärkt werden müssen. Der österreichische EU-Vorsitz hat sich nachdrücklich um die Belebung der Debatte über die Zukunft der europäischen Sicherheit und Verteidigung bemüht.

Wie dieser Bericht aufzeigt, sind aber auch die laufenden Arbeiten des Ressorts, etwa in der Nachbarschaftspolitik in Bezug auf Südtirol und in bilateralen Beziehungen zu Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika, in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Auslandskulturpolitik, im Bemühen um die Auslandsösterreicherinnen und -österreicher und in der konsularischen Betreuung unserer Landsleute in aller Welt engagiert fortgesetzt worden.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. November 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche Sie, geschätzte Frau Präsidentin, die Debatte darüber zu eröffnen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

12.05

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Hochverehrte Beamte des Aussenamtes! Seien Sie herzlich gegrüßt! Wenn wir den Außenpolitischen Bericht heute hier diskutieren oder zumindest als Vorlage für unsere Äußerungen nehmen, dann ergibt sich die Möglichkeit, die Außenpolitik der österreichischen Bundesregierung als Ganzes oder zumindest die Arbeit derjenigen, die besonders für die außenpolitische Tätigkeit Österreichs verantwortlich zeichnen, zu kommentieren.

Vorgestern hatten wir im Ausschuss die Möglichkeit, den Herrn Bundesminister zu sprechen, zu fragen und seine Kommentare zu hören. Heute haben wir das Glück, Sie hier zu haben, Frau Staatssekretärin! Ich gehe davon aus, dass zwischen Ihnen beiden keine großen Bruchlinien zu sehen sind, wie sie so oft zwischen anderen politisch verschieden strukturierten Personen auftreten.

Was mich an diesem Bericht sehr interessierte, weil es doch sehr persönliche Eindrücke widergibt, ist das Vorwort, welches der Herr Bundesminister und auch Sie geschrieben haben, Frau Staatssekretärin! Das Vorwort des Bundesministers gibt nämlich Einblick in die Empfindungslage des Amtsträgers. Dr. Schüssel freut sich über die Einführung des Euro als Motor für die wirtschaftliche und politische Einigung Europas. Im Rahmen der Verhandlungen des Ausschusses hat er uns zwar gesagt, dass er nicht genau wisse, wohin die Reise gehe – entweder Bundesstaat oder Staatenbund –, aber irgendeine Mischform werde es wohl geben. Ich finde, dass das eine unbefriedigende Aussage ist, denn wenn wir in eine übergeordnete Ordnung eintreten, die EU heisst, dann wäre es mir sehr angenehm, wenn die österreichischen verantwortlichen


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Politiker genau sagen würden: Wir wollen den Staatenbund oder wir wollen den Bundesstaat. Von einer Mischform, einem Cocktail verschiedener Zutaten geschmackvoller und weniger geschmackvoller Art, halte ich persönlich recht wenig. Der Bürger hat das Recht zu wissen, wird es ein Bundesstaat oder ein Staatenbund. Sollte es eines der beiden nicht werden, möchte ich eine echte Zielvorgabe haben, was es dann wird und nicht irgendeine Mischform. Vielleicht hat der Herr Bundesminister auch nicht irgendeine gesagt, sondern nur Mischform. Aber grundsätzlich ist mir diese Mischform zu wenig.

Die Erweiterung der EU um bis zu sechs Kandidaten scheint beschlossen zu sein, um den Kontinent im Umbruch durch die dauerhafte Einbindung der Länder Zentral- und Osteuropas in eine Zone der Sicherheit und des Wohlstands zu verwandeln. Das ist ein ehrenwertes und ein ehrenhaftes Ziel. Dazu kann man stehen oder man kann es aus verschiedenen Gründen, wie wir Freiheitlichen, für nicht so gut empfinden, und zwar deswegen, weil wir der Meinung sind, dass die Hürde zu hoch gesetzt ist, Frau Staatssekretärin! Sechs Staaten, die sich zum Teil in einer miserablen sozialen Struktur befinden, in die Zone des Wohlstandes zu holen, würde vielleicht heißen, dass bei uns Wohlstand abgebaut wird und Teile unseres Wohlstandes dort aufgebaut werden. Das wäre zu überlegen.

Wir waren letztes Jahr auf der Weltbühne Sitz und Stimme Europas. Sechs Monate lang haben sich Sie, der Herr Minister, das ganze Amt, die österreichischen Kollegen und die politischen Kollegen im besonderen Maße um den Sitz und die Stimme Europas bemüht und haben Bürgernähe – so schreibt der Herr Bundesminister – gezeigt. Das mit der Bürgernähe stimmt aber nicht. Nicht einmal zu Kaisers Zeiten war die Wiener Innenstadt so abgesperrt wie anlässlich dieses großen, angeblich so bürgernahen Treffens in Wien. Auch in Pörtschach haben die Froschmänner im kalten Wasser – ich weiß nicht nach wem – gesucht. Die österreichische Bevölkerung, die zum Teil an diesem Fest teilnehmen wollte, wurde eigentlich durch Absperrungen abgehalten. (Bundesrat Prähauser: Wenn etwas passiert wäre, Herr Kollege, würden Sie hier das Gleiche sagen, nur aus umgekehrter Sicht! Vergessen Sie das nicht!) – Ich habe schon Verständnis für Sicherheit, aber dann soll man nicht von Bürgernähe reden. Die Bürgernähe wird nicht durch die Exekutive aufrecht erhalten.

Die Frage ist daher für mich: Wer soll vor wem geschützt werden? – Der Bürger vor den Politikern oder die Politiker vor den Bürgern? – Diese Frage müssen wir uns immer wieder stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den braven Mann mit menschlichem Gesicht sehe ich in diesem Europa noch nicht so ganz, dazu gehören noch viele Anstrengungen dazu, auf jeden Fall weniger Exekutiveinsätze.

Die schmerzlichen Wunden am Balkan hätten wir uns durch ein eindeutiges Agieren, durch eine Verweigerung des Waffeneinsatzes, der Mithilfe und des eindeutigen Ausdrückens, wir Österreicher lehnen einen von der UNO nichtsanktionierten Kriegsschauplatz ab, ersparen können. Dieses Verweigern hätte Österreich, so meine ich, mehr Ansehen gebracht als eine Mischform. Ein bisserl waren wir dabei, ein bisserl waren wir nicht dabei.

Professor Zemanek schrieb vor wenigen Tagen – er ist beileibe kein Neutralitätsapologet –, dass die Militäraktion des Westens, der NATO gegen Jugoslawien ein Bruch des Völkerrechts war. Denn durch das Vorgehen der USA und ihres europäischen Protektorates im Rahmen einer Militäraktion ist mehr Schaden angerichtet worden, als man zu beseitigen trachtete. Auch Graphitbomben widersprechen dem humanitären Völkerrecht, wonach im Krieg keine Waffen eingesetzt werden dürfen, die unterschiedslos auf Zivilisten und Militärs wirken. So ist auch die Zerstörung der Donaubrücken anzusehen, die wirklich keinen Zusammenhang zu Kosovo hat, sehr wohl aber einen Zusammenhang Rumäniens und Bulgariens zum westlichen Europa aufweist. Zemanek erachtet die extensive Interpretation der UNO-Satzungen, nach der jede Gewaltanwendung verboten ist, für überzeugender, weil sie nach gegenwärtigen Stand der internationalen Beziehungen weniger Raum für Missbrauch lässt und somit nicht die Gefahr besteht, dass sich auch andere Staaten demnächst einmal für befugt erachten könnten, irgendwo irgendwann bei irgendwem militärisch zu intervenieren.


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August Pradeto, ein Politologe an der Bundeswehruniversität in Hamburg, meint – es ist interessant, dass das ein deutscher Politologe macht, weil Deutschland sehr intensiv daran mitgewirkt hat –, dass weder in der Türkei noch in Russland, wo schlimmere Verletzungen der Menschenrechte vorkommen, so interveniert wurde oder interveniert werden wird wie im Kosovo. Auch der Völkerrechtler Gerhard Zimmer, ebenso an der Bundeswehruniversität lehrend, sieht in der humanitären Intervention ohne UNO-Mandat einen Rückschritt. Jedes unilaterale Eingreifen ohne UNO-Mandat unterhöhlt die Ächtung der Gewalt, die nicht der Verteidigung diene, und führt dazu, dass Kriege leichter führbar werden. Das ist etwas, was ich entschieden ablehne und, so glaube ich auch, ein Großteil von Ihnen hier im Raume.

Die Friedensgespräche von Rambouillet werden auch vom Herrn Bundesminister angeführt. Ohne dass ich mich serbophil gebe, aber als Vertragsentwurf waren diese Friedensgespräche für einen Staat, der ein bisschen Selbstachtung hat, unannehmbar, speziell das, was in den Zusatzklauseln, die nicht allgemein öffentlich sind, die man aber im Internet nachlesen kann, veröffentlicht wurde. Das waren keine Friedensvertragsentwürfe, sondern das war einfach ein Diktat, welches man nicht annehmen konnte.

Die Entwicklungszusammenarbeit wird vom Herrn Vizekanzler als eine der laufenden Arbeiten hervorgehoben. Diese staatliche Almosenpolitik ist gescheitert, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einem ihrer Wirtschaftsartikel. Die Unwirtschaftlichkeit schafft soziale Ungerechtigkeit, besonders in Afrika. Es ist offenkundig, dass die Millionen-, europaweit Milliardenbeträge, die nach Afrika flossen, die erhoffte Entwicklung nicht brachten. Die sozialen Indikatoren verharren seit Jahrzehnten auf niedrigstem Niveau, während die Entwicklungshilfe immer wichtiger wird, um die Grundversorgung der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des betroffenen Staates aufrecht zu erhalten.

Die Entwicklungshilfe als Hilfe zur Selbsthilfe ist gescheitert. Auch die Geberstaaten trifft die Schuld. Zu viele haben ein Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Systems, zu viele haben ihr Einkommen aus diesem System. Die Problematik der notwendigen Strukturanpassungen trägt fast immer mehr österreichische Züge, das heißt, sie liegt in ungleichen Machtverhältnissen zwischen reformbereiten und blockierenden Kräften.

Die Frau Staatssekretärin lässt in ihrem Vorwort eine langfristige Konzeption der österreichischen Afrikapolitik erkennen, so wie die wachsende wirtschaftliche und politische Rolle, die Österreich dort spielen werde. Der Bericht selbst schreibt dann viel nüchterner über die 14 SADC-Staaten, das sind das südliche Afrika und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas. Während die von den Serben Vertriebenen mit Milliardenkosten wieder in ihre Heimat rückkehren, sind in Afrika mindestens acht Millionen Menschen auf der Flucht heimat- und mittellos geworden.

Der ugandische Staatspräsident nannte unter viel Beifall die UNO-Truppen Feiglinge. Blutige Konfliktherde überziehen den schwarzen Kontinent, afrikanische Kriegerhorden sind Interessengemeinschaften, die entgegen der bei uns oft verbreiteten Meinung vorwiegend finanzielle Ziele verfolgen. Das physische Auslöschen eines dieser Kriegsherren mit einer Präzisionswaffe zum Beispiel ließe sofort einen anderen an seine Stelle treten. Zu oft auch überwiegen bei nordamerikanischen und europäischen Entwicklungshilfen ökonomische Interessen – ohne des Geberstaates, ohne echte moralische Interessen.

So drängt die USA in Sierra Leone, dass die grausamen Aufständischen, welche 20 000 Personen mit den Macheten Arme und Beine abgehackt haben, in die Regierung aufgenommen werden. Dafür zahlen die Vereinigten Staaten und Norwegen je eine Million Dollar für die Prothesen. Da erachte ich es schon als für die afrikanischen Staaten hilfreicher, wenn Österreich die Forderung der Organisation afrikanischer Staaten unterstützen würde, Entschädigung für vorangegangene Sklaverei, den afrikanischen Holocaust, in Milliarden Dollar – im Gerede sind 770 Milliarden Dollar – zu erlangen.

Die von der Frau Staatsseketrärin hervorgehobene partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem gestärkten europäischen Parlament erstaunt mich. Die Stärkung des einen führt zwangsläufig –


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das haben wir heute schon bei unserer vorangegangenen Debatte besprochen – zu einer Schwächung des österreichischen Parlaments. Frau Staatssekretärin! Wollen Sie eine Schwächung des österreichischen Parlaments? Wollen wir eine Schwächung des österreichischen Parlaments? Wollen wir Österreicher die Ausweitung der Möglichkeit zur Mehrheitsabstimmung im Ministerrat in Brüssel und Straßburg? Wollen wir, dass der Einstimmigkeitszwang nur noch bei politischen Grundsatzentscheidungen beibehalten wird? Soll einer Empfehlung von drei Sachverständigen folgend der Vertrag in einen grundlegenden und in einen ausführenden Teil aufgegliedert werden, der sich, ohne Zeit raubend und an das Einstimmigkeitsprinzip gebunden zu sein, ändern ließe? Soll eine enge Zusammenarbeit einer Gruppe ausgewählter Politiker von Mitgliedstaaten erleichtert werden, in dem das im Amsterdamer Vertrag noch vorgesehene Vetoprinzip wegfiele? – Der zuständige Kommissar Barnier vertritt auch die Meinung, dass sich die EU nicht mit der Rolle eines Supermarktes begnügen dürfe, sondern sich zu einer politischen Macht entwickeln müsse. Die Kommission wünscht Mehrheitsentscheidungen der Regierung der EU und die Neugewichtung der Stimmen für die EU-Partner im Ministerrat. Sind das die Anliegen, welche österreichische Regierungsvertreter in Brüssel mittragen?

Frau Staatssekretärin! Sie erwähnen weiters die Bedeutung des UNO-Amtssitzes in Wien, welcher durch die Anwesenheit von Michael Douglas und Nobelpreisträgern erhöht wird. – Ja, Michael Douglas kennen manche von uns, mich hätten aber die Nobelpreisträger interessiert, die Personen der Wissenschaft, welche diese Amtssitzfeier mitgetragen haben. Es amüsiert mich in diesem Zusammenhang auch, von meinem Jugendidol Joe Zawinul zu lesen, der im Außenpolitischen Bericht Erwähnung findet.

Tragen österreichische Politiker dazu bei, dass Österreich nicht von internationalen Organisationen vereinnahmt wird? – Hüten wir uns vor "global governments" und "one world"! (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Du hast Recht, ich werde es dir nachher buchstabieren.

Zbigniew Brzezinski schreibt in seinem jüngsten Buch: Es geht um die Erhaltung der Hegemonie der Vereinigten Staaten über ihre Protektorate und tributpflichtigen Vasallen. – Schon deshalb ist der Druck der USA auf die EU, die Türkei aufzunehmen, abzulehnen. Wenn die Türkei ein Teil Europas, der EU, werden soll, ist das von Österreich gesehen eine österreichische Angelegenheit, und wir brauchen keine Wohlmeinung oder keinen Druck von einem nicht-europäischen Staat – das sind immer andere Interessen und nicht jene Österreichs, die da vertreten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erstaunlicherweise lehnt auch der hessische Ministerpräsident Koch die Mitgliedschaft der Türkei derzeit ab, weil die Türkei de facto noch eine Militärdiktatur sei. – Wenn also die Strukturen in der Türkei demokratisch, menschenrechtlich und sozial auf ein Niveau angehoben werden und wurden, die beispielsweise jenem des Nachbarstaates Österreich entsprechen, dann, glaube ich, ist es so weit. – Aber das müssen wir nicht übereilen. Es ist notwendig, dort die Demokratie noch weiter zu entwickeln, aber dazu muss natürlich auch die Türkei viel beitragen.

Helfen wir mit, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser mit Leben zu erfüllen, ihre Eigenstaatlichkeit auf höchstem Niveau über ihre Bevölkerung und ihr Gebiet auszuüben! Reden wir nicht nur vom Nutzen der Globalisierung! Seien wir Österreicher – auch jene, welche die Globalisierung eher als Gefahr denn als Nutzen erkennen!

Zwei von drei Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, die weniger als 5000 Beschäftigte haben, sehen in der Globalisierung eine Gefahr, doch niemand nimmt diese Unternehmen ernst. Es sind dies auch jene Klein- und Mittelunternehmen, welche EU-Förderungsgelder erhalten, welche sie aber oft nicht erreichen, denn mehr als 5 Prozent der Ausgaben der EU sind nicht in Ordnung, sagt das Mitglied des EU-Rechnungshofes Bernhard Friedmann.

Das Europäische Parlament sperrt daher die obersten Rechnungsprüfer aus dem Plenarsaal, um gegen die vorzeitige Veröffentlichung des Berichtes der finanziellen Fehlleistungen zu protestieren. Das ist eigentlich auch ein einmaliger Vorgang, dass die Rechnungsprüfer, der Rechnungshof nicht in das Parlament hinein dürfen. – Wir Österreicher müssen als Nettozahler ein


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Interesse an einer peniblen Prüfung haben, denn schließlich sind wir Nettozahler. Wir sind es unseren Bürgern verantwortlich.

Es ist bemerkenswert, dass die Empfängerländer jene sind, welche die größten Unregelmäßigkeiten verursachen und aufweisen. Bis jetzt zeigt sich, dass die Kommission überfordert ist und überfordert war, die Missstände abzustellen. Das heißt, es wäre diesbezüglich ein Druck der Nettozahlerländer erforderlich, um auch ihren Steuerzahler zu schützen, doch dieser Druck fehlt derzeit noch.

Unser sorgenvoller Blick hat den Menschen, den Bürgern zu gelten und nicht den überverwalteten Institutionen. Deren haben wir in Österreich schon einige, wir brauchen in Brüssel und Straßburg nicht noch weitere.

Wir erleben, dass die antiquierten Großmachtbeziehungen zwischen Washington, Moskau und Peking erodieren. So wie sich die Erdplatten verschieben und zu Beben und offenen Brüchen führen, so verschieben sich auch geopolitische Erdplatten. Die Verschiebung der geopolitischen Erdplatten ist schon geraume Zeit im Gange und ist zwischen Amerika, Russland, Japan, China und Südostasien bis hin zum indischen Subkontinent bemerkbar. Die aus der Zeit des kalten Krieges stammenden Gegensätze und Bündnisse werden zerdrückt. Ebenso werden die Grundlagen der globalen Nuklearstrategie und der Rüstungskontrolle zwischen Moskau und Washington erschüttert.

Durch die Privilegienordnung der Vereinten Nationen mit den Siegermächten von 1945 als Inhaber des ständigen Veto bewahrt sich der Sitz in New York, und dieser gerät damit ins Rutschen.

Der Non-Proliferation-Vertrag erweitert sich – eigentlich vertragswidrig – um Indien und Pakistan und um weitere größere Länder, die sich aus der sich auflösenden Dritten Welt um Aufnahme bemühen und die Klammern und Fesseln west-östlicher Konfliktbeschränkung abstreifen wollen. Die so genannte Nachkriegsordnung ist jetzt, nach 54 Jahren, sicherlich kraftlos.

Da in diesem Bericht schamvoll und voller Rücksicht auf unsere Nachbarn zu den Beneš-Dekreten und zu AVNOJ-Gesetzen geschwiegen wird, zitiere ich den seinerzeitigen Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der vor einigen Jahren auch Wien besuchte.

Er schrieb in einem Grußwort an den Bund der Vertriebenen: Ich bin der Auffassung, dass, hätten die Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr über die Implikationen der Flucht, der Vertreibung und der Umsiedlung der Deutschen nachgedacht, die heutigen demographischen Katastrophen, die vor allem als ethnische Säuberungen bezeichnet werden, vielleicht nicht in dem Ausmaß vorgekommen wären. – Diesen Worten ist im Grunde genommen nichts hinzuzufügen.

Es irritiert mich ein bisschen, wenn der Herr Bundesminister vorgestern gesagt hat, man solle dieses Unrecht nicht immer aufzeigen, es würde eventuell als eine Provokation verstanden werden. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sie haben schlecht zugehört! – Bundesrat Schöls: Das ist Ihr Problem, wenn Sie die Aussagen des Ministers nicht verstehen!) – Ich darf mein Verständnis wiedergeben. Es steht Ihnen frei, dann Ihr Verständnis wiederzugeben, dazu haben Sie die Möglichkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass Unrecht Unrecht bleibt, egal von wem an wen, wo und wann es stattgefunden hat. Unsere Aufgabe ist, Unrecht darzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

12.29

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wie jedes Jahr ist die Debatte über den Außenpolitischen Bericht ein


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Anlass, die internationale Politik unseres Landes zu beurteilen, zu kritisieren, sich jene Themen herauszugreifen, von denen man meint, dass sie ein höheres Maß an Vordringlichkeit haben. Ich werde mich daher der Versuchung, der mein Vorredner unterlegen ist, zu den Beneš-Dekreten bis zur afrikanischen Entwicklungshilfe je eineinhalb Sätze abzuliefern, versagen und mich auf einen Bereich konzentrieren, der, wie ich meine, von besonderer Bedeutung ist, nämlich die Nachbarschaftspolitik Österreichs gegenüber jenen Staaten, mit denen wir direkt oder mit einiger Entfernung gemeinsame Grenzen haben, die Beitrittskandidaten für die Europäische Union und damit künftige Partner über den geographischen und geschichtlichen Bereich hinaus sind und mit denen wir eine Fülle von Problemen teilen oder sie uns auch gegenseitig machen.

Ich halte es – wenn mir hier jemand Ironie unterstellt, dann möchte ich das energisch zurückweisen – für einen wirklich Fortschritt, dass wir ganz offensichtlich dorthin gelangen, dass die Erweiterung der Europäischen Union um unsere ost- und mitteleuropäischen Nachbarstaaten aus dem tagespolitischen Streit als Thema ausscheidet. Wenn ich gewisse Erklärungen der Freiheitlichen Partei richtig interpretiere, was nie gewährleistet ist, dann haben sich führende Vertreter und auch der Obmann dieser Partei von der noch im Wahlkampf vertretenen Haltung abgewendet und sehen heute in einem Beitritt dieser Staaten nicht nur ein Stück weltgeschichtlicher Gerechtigkeit, wenn man so sagen darf, sondern auch etwas – das haben wir immer gesagt –, was im ureigensten Interesse Österreichs ist.

Die sich in zehn Jahren entwickelnden wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Österreich und diesen Staaten, die Tatsache, dass dieses kleine Land Österreich in vielen und in manchen dieser Staaten in besonderem Maße als Investor an führender Stelle steht – in der Slowakei etwa sind wir nur um zwei oder drei Zehntel Prozent hinter dem doch etwas ökonomisch potenteren Deutschland –, die Tatsache, dass wir natürlich auch gemeinsame geschichtliche Beziehungen haben, die in ihren konkreten Implikationen heute wieder aufleben, macht unser Land zu einem ganz zentralen Angelpunkt im Prozess der Osterweiterung. Und ich sage, wie ich hoffe, retrospektiv: Wir sollten diese politische, ökonomische und auch menschliche historische Chance nicht durch kurzfristig vielleicht nutzbringende – nämlich im eigenen Land –, aber langfristig schädigende Klimavergiftungen gefährden.

Ich glaube – nein, ich weiß es, weil ich dort sehr viele Gespräche geführt habe –, dass wir in diesen Ländern sehr wohl auch für unsere Bedenken, Anliegen und Kritiken Verständnis finden, dass sich die Menschen, vor allem die verantwortlichen Menschen in diesen Ländern sehr wohl der Begrenztheit ihres eigenen Fortschritts bewusst sind. Aber wie so oft – wir Österreicher wissen das auch –, leitet nicht das Kommando eine fruchtbringende Entwicklung ein, sondern das verständnisvolle Sprechen, das auch die Rahmenbedingungen in diesen Ländern mit einschließt.

Es kann überhaupt keine Frage sein, dass der Prozess der Erweiterung der Europäischen Union keinen Rabatt für neue Mitglieder gewähren kann, auch wenn wir, nicht nur von unserer Seite, von Übergangsbestimmungen zu reden haben. Länder, die fünf oder viereinhalb Jahrzehnte unter einem politischen und ökonomischen Regime ganz anderer Ausrichtung zu leben und auch zu leiden hatten, sind nicht von einem Tag auf den anderen in der Lage, ihre Rechtssysteme, ihre Administration und Ähnliches auf den Standard der Europäischen Union umzustellen.

Ich halte es zwar für überzogen, wenn etwa der ungarische Ministerpräsident Orban die Zahl 200 in den Raum stellt, um zu illustrieren, wie viele Ausnahmebestimmungen und Übergangsbestimmungen sein Land in der Europäischen Union brauchen wird, denn das ist sicherlich nicht akzeptabel, weil dann nicht mehr sehr viel Gemeinsames überbleibt, aber es wird Übergangsbestimmungen geben müssen, um diesen Ländern – ich sage es einmal so – eine weiche Landung in dieser gemeinsamen Union zu ermöglichen.

Ebenso selbstverständlich ist – das kommt in dem Bericht auch sehr klar zum Ausdruck –, dass vom österreichischen Standpunkt aus – da wir als unmittelbar angrenzendes Nachbarland mit Recht Bedenken haben, ob ein Sog auf Arbeitskräfte ausgeübt wird – Übergangsbestimmungen und Befristungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt und andere Bereiche gefordert werden, was im


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Übrigen, wie zu betonen ist, in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen der Europäischen Union steht, die auch seinerzeit bei der Süderweiterung die Freizügigkeit der Arbeitskräfte nicht über Nacht eingeführt hat. Es ist das kein orchideenhaftes Sonderbegehren, sondern ein Rekurrieren auf eine durchaus bewährte achtjährige Übergangsperiode, die dazu geführt hat, dass das ohne Friktionen in den alten und in den neuen Mitgliedstaaten über die Bühne gehen konnte.

Dazu gehört auch – ich glaube, auch dazu ist ein klares Wort notwendig – die Debatte über die Kernkraftwerke in einigen dieser Nachbarstaaten. Keine Frage, wir haben uns in diesem Land in einer Volksabstimmung und in einem davor und zum Teil auch danach liegenden, langwierigen Entscheidungsprozess mit klaren Ergebnissen unsere Meinung gebildet, dass Österreich ein Land ohne Kernkraftwerke sein soll und bleiben soll. Das ist eine Option, die auch innerhalb der EU praktisch kein anderer Staat in dieser Deutlichkeit teilt. Bei allem Respekt vor der Entscheidung in diesem Land muss uns klar sein, dass nicht der Schwanz mit dem Hund wedelt. Wenn es also in diesem Verbund der Europäischen Union Kernkraftwerke auf einem Standard gibt, der gemeinsam von den anderen als ausreichend empfunden wird, dann werden wir darüber hinausgehende Standards gegenüber neuen Mitgliedern nicht durchsetzen können. Das muss man klar aussprechen.

Wir werden allerdings mit aller Entschiedenheit darauf zu drängen haben, dass diese Standards auf Punkt, Beistrich und Komma erfüllt werden und dass Kernkraftwerke, bei denen die Erreichung dieses Standards nicht möglich ist, aus welchen Gründen immer, seien es ökonomische oder technische oder seismische Gründe, abgeschaltet werden.

Es ist aber auch klar, dass das ein Prozess ist, der diesen wirtschaftlich in einer durchaus schwierigen Situation befindlichen Staaten ein zusätzliches Opfer abverlangt, an dem wir solidarisch – mit "wir" meine ich die Europäische Union – mitwirken müssen.

Wenn wir es mit Energiewirtschaften zu tun haben, die aufgrund einer unserer Überzeugung nach historischen Fehlentscheidung zu einem guten Teil auf Kernkraft aufgebaut sind, dann bedeutet die Korrektur dieses Kurses auch eine gewaltige ökonomische, sprich finanzielle Anstrengung, weil bestehende Kraftwerke, wie unsicher immer sie sein mögen, durch andere Formen der Energieerzeugung, die erst zu schaffen sind, ersetzt werden müssen.

Ich sage ganz klar, dass die Europäische Union diesen neuen Mitgliedstaaten signalisieren muss – wir sollten das auch tun –, dass wir sie in diesem Prozess der Umstellung, soweit er erforderlich ist, nicht allein lassen werden. Wenn wir uns schützen wollen, haben wir keine andere Möglichkeit. Wir können keine Zäune an unseren Grenzen, die gegen atomare Verseuchung gegebenenfalls schützen würden, aufstellen. Dieser Prozess ist gemeinsam durchzuführen.

Ich sage das auch – Kollege Gudenus ist mit einem seiner Zwei-Sätze-Passagen darauf eingegangen – mit großer Deutlichkeit im Hinblick auf die Beneš- und AVNOJ-Dekrete.

Die Geschichte Mitteleuropas ist ein Prozess der gegenseitigen Verletzungen. Diese Dekrete, die heute erratisch in der aktuellen politischen Landschaft herumstehen, bringen eine entsetzlich historische Kontinuität des Gegenseitig-sich-etwas-Antuns zum Ausdruck. Diese Dekrete hätte es nicht gegeben, wenn es nicht auch eine mitleidlose Verfolgung jugoslawischer Bevölkerungsgruppen gegeben hätte durch die deutsche Besetzung unter – ich kann und will das nicht quantifizieren ... (Bundesrat Schöls: Ist das eine Verteidigung der Beneš-Dekrete?) – Herr Kollege! Ich verteidige nicht die Beneš-Dekrete, aber ich versuche – das würde ich Ihnen auch empfehlen –, den historischen Kontext ihres Entstehens ein wenig zu begreifen. Im Übrigen habe ich jetzt ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Ich glaube, solche Dekrete haben keinen Platz in der jetzigen Gesellschaft!)

Herr Kollege! Nein! Genau das ist der Irrtum, den ich anprangere. Es sind die Völker dieser Länder, die erkennen müssen, dass Rache keine Dimension politischen Handelns ist. Nicht das Diktat derer, die schon in der EU sind und sagen, diese Dekrete haben keinen Platz, kann tatsächlich einen Prozess der Veränderung einleiten, sondern nur ein Diskussionsprozess in


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diesen Staaten selbst. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) – Da haben Sie bedauerlicherweise in manchen dieser Fälle Recht. (Bundesrat Ing. Scheuch: Es ist erstaunlich, daß Sie das bedauern!) – Ich bedauere es sehr. Herr Kollege! Sie brauchen nicht zuzuhören, das erwarte ich nicht von Ihnen, aber machen Sie wenigstens aufgrund des Nicht-Zuhörens keine Zwischenrufe. – Es ist natürlich zu bedauern, wenn in diesen Ländern selbst der Diskussionsprozess nicht in ausreichendem Maße in Gang kommt. (Bundesrat Prähauser: Das ist eine semantische Feinheit, die muß er nicht verstehen!) – Gut, okay. Das ist nicht Eintrittsvoraussetzung in dem Saal, das ist richtig.

Herr Kollege! – Nein, weniger, Herr Kollege! Die übrigen Kolleginnen und Kollegen offensichtlich. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sehr präpotent!)

Es ist dies bei Symposien, bei persönlichen Kontakten eine Aufgabe österreichischer Politik – die erfüllt wird, wie ich ausdrücklich betonen muss –, es ist aber auch eine Aufgabe vieler Österreicherinnen und Österreicher, die in diesen Ländern agieren. Ich war vor zwei Monaten bei einem Symposion in Brünn, wo das eine ganz zentrale Rolle gespielt hat. Es wurde an die geschichtliche Zweisprachigkeit und Von-zwei-Völkern-Belebtheit dieses Gebietes, an das seinerzeitige Brünner Nationalitätenprogramm der Sozialdemokratie erinnert. Unter den tschechischen Gesprächspartnern war vom "Das ist historisch abgeschnitten und nie wieder belebbar" bis zum Versuch, hier etwas neu zu beleben, was einmal da war, alles spürbar. Es kommt schon sehr darauf an, welche Prozesse man hier stützt, welche man fördert.

Es ist unbestritten, dass die Rechtskonsequenz dieser Regelungen in der Europäischen Union in einem modernen Rechtsbestand keinen Platz hat. Das ist unbestreitbar und unbestritten, aber es ist auch so, dass diese Regelungen und die Mentalität, die dahinter steht, eine historische Verletzung zum Ausdruck bringen, die wir nicht einfach als unzeitgemäß wegwischen können, sondern wo sehr wohl auf das Leid dieser Völker respektvoll einzugehen ist. Es gäbe keine Beneš-Dekrete, wenn es nicht davor ein Lidice und vieles andere gegeben hätte. – Das hat nichts mit Entschuldigung zu tun, sondern es hat mit dem Wissen um Geschichte zu tun, und Geschichtslosigkeit ist in der Beziehung zwischen Völkern das, was man sich am wenigsten leisten kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht – ich möchte damit zum Schluss kommen, das Lichtchen leuchtet schon viel zu lange – das Selbstbewusstsein dessen, dem eine geschichtliche Entwicklung es erspart hat – wir als Österreicherinnen und Österreicher –, auf der anderen Seite des Eisernen Vorhanges die Nachkriegsgeschichte erleben zu müssen, nicht das Selbstbewusstsein dessen, der jetzt seit fünf Jahren Mitglied im Klub der Europäischen Union ist – mit großen Vorteilen –, kann unser Verhältnis zu diesen Staaten regieren, sondern genau jenes Verständnis für Schwierigkeiten, die wir nicht oder nicht im gleichen Umfang gehabt haben und die die Menschen dieser Länder erleiden mussten. Solidarität und Partnerschaft sind die Parole, nicht Abgrenzung und Eigennutz! Das gemeinsame europäische Projekt, von dem alle, die dabei sein können, profitieren, kann nur dadurch gestärkt werden, dass man zunächst diesen scheinbaren Eigennutz zurückstellt, um dann nachher festzustellen, dass sich das erstaunlicherweise noch sehr gelohnt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

12.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

12.47

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs der Frau Staatssekretärin dafür danken, dass sie heute Herrn Bundesminister Schüssel, der am OSZE-Gipfel in Istanbul teilnimmt, vertritt.

Ich möchte die Debatte zum Außenpolitischen Bericht 1998 zum Anlass nehmen, um gerade der Frau Staatssekretärin, ihrem Stab und dem ganzen Außenministerium für den Einsatz und das Engagement zu danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Das Jahr 1998 war sicher eines der wichtigsten Jahre der österreichischen Außenpolitik seit 1945. Es erfolgten äußerst wichtige Weichenstellungen für die österreichische Außenpolitik; ich möchte nur einige besonders erwähnen.

Als 1996 Überlegungen laut wurden, den UNO-Standort Wien zu schwächen, war es gerade Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner, die alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um dies zu verhindern. Heute können wir mit Freude sagen, dass nicht nur die Abwertung Wiens verhindert wurde, sondern im Gegenteil eine Aufwertung des UNO-Standortes eingetreten ist. Die UNIDO ist dem Sparstift in New York nicht zum Opfer gefallen, vielmehr konnte auch die Atomteststopp-Organisation in Österreich angesiedelt werden. So ist der Standort Wien für die UNO heute attraktiver denn je.

Die größte Aufgabe, die gerade die Frau Staatssekretärin in ihrer Funktion als Staatssekretärin bewältigt hat, war aber sicher die Vorbereitung und Koordination unserer EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr. Bis heute kommen viele meiner Gesprächspartner immer wieder auf die großartige Organisation und Atmosphäre zu sprechen, die die EU-Tagungen in Wien und den Bundesländern ausgezeichnet haben.

Schließlich ist es deinem sehr persönlichen Engagement im Bereich der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu verdanken, daß es dir gelungen ist, wichtige Akzente zu setzen, wie etwa die Bündelung der Leistungen, die eine effiziente Hilfe für viele Länder der Dritten Welt möglich macht.

Eine der wichtigsten Weichenstellungen, die wir in unserer EU-Präsidentschaft gegen den Widerstand von vielen in der EU durchsetzen konnten, war sicherlich die Verhandlungseröffnung mit den Beitrittskandidaten. Letzte Woche erst gedachte man in Berlin des zehnten Jahrestages des Falles der Berliner Mauer – mit ihr wurde de facto der erste Schritt der Ost-Erweiterung der Union vorgenommen.

Die Vision einer künftigen Mitgliedschaft dieser Staaten in der Gemeinschaft mag einer breiten Öffentlichkeit Österreichs Ende der achtziger Jahre/Anfang der neunziger Jahre nicht bewusst gewesen sein. Dass die erste Runde konkreter Beitrittsverhandlungen mit Polen, Slowenien, Ungarn und der Tschechischen Republik auf Ministerebene am 10. November 1998 – also fast am Tag genau 80 Jahre nach dem Ende des übernationalen Österreich-Ungarn – unter dem Vorsitz eines österreichischen Außenministers – nämlich Schüssel – stattfinden sollte, mögen in den historischen Herbstmonaten des Jahres 1989 wohl nur sehr wenige geahnt haben.

Verhandlungen zu sieben der insgesamt 31 Kapitel wurden unter österreichischer Präsidentschaft eröffnet, etwas weniger als ein Viertel des gesamten Arbeitsumfanges nach bloßen Kapiteln, nicht nach effektiven Acquis gerechnet, wurde damit behandelt. Wenig sagen Kritiker und verweisen darauf, dass sich Österreich nur der so genannten leichten Kapitel annahm. Viel sagen Insider der Erweiterungsagenden, standen doch der österreichischen Präsidentschaft effektiv nur zwei Monate zur Verfügung, um nach Einbringung der ersten Positionspapiere durch die Bewerberstaaten ab Mitte September 1998 den Prozess konkreter Verhandlungen zu einzelnen Kapiteln überhaupt in Gang zu bringen. – Einige Mitgliedsländer waren nämlich mehr als skeptisch bezüglich der Sinnhaftigkeit, schon ein halbes Jahr nach Eröffnung des Prozesses der Beitrittsverhandlungen am 31. März 1998 in Detailgespräche zu einzelnen Kapiteln einzusteigen. Österreich musste daher gegen Mitte seiner Präsidentschaft in Erweiterungsagenden vor allem Überzeugungsarbeit mit seinen Partnern in der Union leisten.

Diese Überzeugungsarbeit wurde von Außenminister Schüssel und Staatssekretärin Ferrero-Waldner meisterhaft geleistet. Beide haben schon 1996 unsere EU-Partner dazu aufgerufen, mit allen Beitrittswerbern Verhandlungen aufzunehmen. Heute, drei Jahre später, herrscht in dieser Frage Konsens in Europa, und beim Gipfel in Helsinki im Dezember dürfen wir den formellen Beschluss erwarten, mit allen Beitrittswerbern Verhandlungen aufzunehmen.

Die Weitsicht der ÖVP-geführten Außenpolitik hat sich also bezahlt gemacht. Diese Weitsicht ist wichtig, denn nur sie garantiert Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Kontinuität in der Außenpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)


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Diese Erfahrung und Weitsicht in der Außenpolitik von Wolfgang Schüssel und Ferrero-Waldner zeigen sich gerade dieser Tage wieder. Natürlich ist die Diskussion über den EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder auch mit der Frage der Sicherheit der Atomkraftwerke verknüpft. Mit einer Veto-Drohung, wie dies SPÖ-Konsumentenschutzministerin Barbara Prammer kürzlich angekündigt hat, werden wir das Problem aber trotzdem nicht lösen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Im Salzburger Landtag einstimmig!) – Das ist das, was ich sage.

Man darf sich aber über eine uns widerstrebende Atompolitik nicht nur empören, sondern muss auch das politische Geschäft verstehen. Tatsächlich reden hier viel zu viele mit. Anti-AKW-Politik ist Außen- und Sicherheitspolitik höchsten Grades. Das ist Chefsache und nicht für die Konsumentenschutzministerin bestimmt. Wir von der Volkspartei wissen, wie man Außen- und Sicherheitspolitik macht und setzen daher auf Dialog statt auf Verhandlungsverweigerung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die hohen Sicherheitsstandards in der Nutzung der Atomenergie müssen für alle künftigen EU-Staaten gelten. Das verlangt die österreichische Bevölkerung, und das hat auch das österreichische Parlament auf Initiative der Volkspartei beschlossen – daran werden wir uns auch halten. Außenminister Schüssel und Staatssekretärin Ferrero-Waldner weichen daher bei den Beitrittsverhandlungen beim Kapitel Energie – entgegen so mancher Unkenrufe – in keiner Weise von der grundsätzlichen Linie ab und treten weiterhin dafür ein, dass bei neu zu errichtenden Kernkraftwerken der letzte Stand der Technik, wie er in der Union zur Anwendung käme, maßgebend zu sein hat. Schon in Funktion stehende Atomstrom erzeugende Anlagen der drei Beitrittskandidaten Slowenien, Tschechien und Ungarn haben sich nach den Standards zu orientieren, wie sie für die derzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke der Mitgliedstaaten gelten. Diese Haltung ist nicht nur die Position Österreichs, sondern fand auch Eingang in die gemeinsame Position der Union zum Kapitel Energie.

Die Volkspartei wird sich auch weiterhin für die Finalisierung jenes historischen Prozesses der Etablierung einer wirklich europaweiten Gemeinschaft, der vor zehn Jahren begonnen hat, einsetzen. Die weiteren Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel sollen genauso überlegt und besonnen, aber auch mit jenem Enthusiasmus gesetzt werden, wie sie im Wendejahr 1989 in Angriff genommen worden sind.

Die Volkspartei und ihre Außenpolitik begreift Krisen und Chancen als europäische Herausforderung – beim Kosovo bis zum grenzüberschreitenden Umweltschutz –, denn nur dadurch wächst Europa. Wer globale Entwicklungen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend betrachtet, begreift schnell: Allein schafft es niemand in Europa, aber gemeinsam haben wir alle Chancen – für uns in Europa und für unsere Verantwortung gegenüber einer Welt.

Ich darf abschließend noch allen Mitarbeitern und Beamten des Außenministeriums in Österreich und im Ausland sehr herzlich danken. Sie haben für unser Vaterland wirklich Erstklassiges geleistet. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

12.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat d'Aron. – Bitte.

12.57

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt uns also das Jahrbuch der österreichischen Außenpolitik, der Außenpolitische Bericht 1998, vor, der vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten herausgegeben wurde. Das ist ein sehr umfangreicher Bericht und darin steckt eine Menge Arbeit. Ich möchte mich bei den Redakteuren dieses Berichtes und bei den Verfassern der einzelnen Beiträge herzlich bedanken, möchte aber auch auf dieses Buch näher eingehen, weil man doch im Zusammenhang mit diesem Außenpolitischen Bericht das eine oder andere für die Republik überlegen könnte.

Der Herr Vizekanzler hat uns die Ehre zuteil werden lassen und ist in dem entsprechenden Ausschuss zu uns gekommen; ich möchte mich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, bedanken, dass er zu uns gekommen ist. Es hat eine politische Diskussion stattgefunden – sonst ist es eher eine


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sachliche Diskussion, die von den Mitarbeitern Ihres Ressorts ausgezeichnet durchgeführt wird. Es hat natürlich schon eine andere Qualität, wenn der Herr Vizekanzler als Außenminister kommt, weil wir diverse Fragen, die uns wichtig waren, klären und diverse Punkte anbringen konnten. Ich darf vielleicht zu meiner Wortmeldung, die ich im Ausschuss hatte, noch etwas dazusagen, sie etwas näher konkretisieren, sodass man sieht, in welche Richtung man noch denken könnte.

Der Außenpolitische Bericht besteht im Wesentlichen aus zwei großen Teilen: Der eine Bereich handelt wesentliche Themen ab, der andere Teil beschäftigt sich mit der Frage der Länderinformationen, wo bei den einzelnen Ländern steht, was wir getan haben. Es steht zum Beispiel auf der Seite 353 – das ist der Standard, der eingehalten wird –, wie sich die Exporte und die Importe entwickelt haben. In weiterer Folge steht dann – bei einigen Ländern wesentlich deutlicher –, welche kulturellen Aktivitäten stattgefunden haben. Da findet man zum Beispiel eine Ausstellung eines Lithografen, auf einer anderen Seite findet man die Darstellung eines Filmes, der aufgeführt wurde, oder zum Beispiel auf der Seite 309 nur ganz kurz die wirtschaftliche Situation. Oder es wurden aus sozialen oder auch aus kulturellen Zwecken gewisse Maschinen zur Verfügung gestellt.

Frau Staatssekretärin! Das sind schon wichtige Informationen, und sie geben uns ein Bild, welche Aktivitäten Österreich im Zusammenhang mit einem bestimmten Staat hatte. Ich meine aber auch, dass wir uns im Rahmen dieses Außenpolitischen Berichtes – er wird auch von der Wirtschaft herangezogen – konkretere Wirtschaftsinformationen, wenn es schon um die Ländeinformationen geht, erwarten könnten.

Denn es ist nicht so, dass die Wirtschaftskammer unsere Außenhandelsstellen als Außenhandelsinformationsmonopol hat, sondern es sollte eher so sein, dass zum Beispiel auf Grund der Lektüre des Außenpolitischen Berichts – er wird auch von der Wirtschaft gelesen – gewisse Motivationen entstehen, etwas im Rahmen der Wirtschaft zu tun.

Ich möchte auf den Allgemeinen Teil eingehen. Im Allgemeinen Teil, in welchem wesentliche Themen behandelt und auch sehr gut dargestellt werden, habe ich – ebenso wie auch meine Vorredner – gewisse Aussagen vermisst, etwa Stellungnahmen zu den Beneš-Dekreten und den AVNOJ-Bestimmungen sowie zu den Atomkraftwerken. Für das Außenamt scheint es mir auch ein bisschen schwierig zu sein, dazu konkret Stellung zu nehmen. Denn wir hatten, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben – das wurde manchmal überspitzt so bezeichnet, aber es läuft vielleicht doch darauf hinaus –, zwei Außenpolitiken, manche sagen sogar, dass es drei Außenpolitiken waren. – Die Außenpolitik im Bundeskanzleramt – ich blicke jetzt auf meinen Freund Vincenz Liechtenstein und zitiere aus einer Rede, die er in der Vergangenheit gehalten hat – war mit der Außenpolitik im Außenamt nicht unbedingt abgestimmt. Daher ist es relativ schwierig, dazu konkrete Aussagen zu finden, und deswegen finden wir in den einzelnen Ausführungen des Außenpolitischen Berichtes auch immer wieder Worte wie "Heranführen", "Behandlung eines Themas", "Weiterführung einer Verhandlung" oder "Deutlichmachung". – Das ist meiner Meinung nach die Ausdrucksweise einer möglicherweise nicht ganz optimal abgestimmten Außenpolitik zwischen Kanzleramt und Außenministerium.

Diese Woche haben wir erfahren, dass es offensichtlich ein Informationsdefizit der Botschafterin in Preßburg gibt. Sie hat uns dargelegt, dass die Meinung der Bundesregierung in der Frage Atomkraftwerke deutlicher geäußert werden sollte. So habe ich es jedenfalls den Medien entnommen. Wenn es anders war, dann sollte man das hier in diesem Haus richtig stellen. – Ich glaube, dass dies nicht eine bewusst medial nach außen gerichtete Vorgehensweise unserer Botschaft in Preßburg war; vielmehr dürfte tatsächlich ein entsprechendes Ersuchen an das Außenamt oder an andere österreichische Stellen den Medien zugegangen sein, welches in weiterer Folge so gesehen wurde. Von meinem Standpunkt wäre es offensichtlich günstig, gewisse Standpunkte der Republik in den einzelnen Botschaften näher zu konkretisieren und auch zu thematisieren, sodass diese leichter zu einer entsprechenden Vorgangsweise finden. Dies dürfte ein Indiz dafür sein, dass Handlungsbedarf besteht.


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Für uns Freiheitliche ist natürlich die Frage der Altösterreicher in den Nachbarstaaten und die Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Gesetze sehr wesentlich. Frau Staatssekretärin! Vielleicht könnte sich hier im Rahmen unserer Sitzung die Möglichkeit ergeben, dass Sie dazu noch etwas ausführen! Es wäre uns nämlich ganz wichtig, dass hier eine Stellungnahme für unsere Altösterreicher erfolgt!

Ich bedaure, dass der Herr Fraktionsvorsitzende der SPÖ derzeit nicht im Raum ist, denn er hat zwei Aussagen getroffen, die ich doch als bemerkenswert kommentieren möchte.

Er hat uns zum Beispiel dargestellt, dass Solidarität vor Eigennutz kommt. Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Sitzung erwähnen, die im Oktober stattfand, an der ich im Rahmen der EU als Vertreter des österreichischen Parlamentes – konkret: als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses in der EU – teilnahm. Bei den Verhandlungen im entsprechenden Ausschuss im Rahmen der EU waren alle EU-Staaten vertreten, und diese haben natürlich sehr deutlich – darauf möchte ich Fraktionsvorsitzenden Konecny schon aufmerksam machen – ihren Eigennutz in den Vordergrund gestellt und nicht die Solidarität. Ich glaube, dass auch Österreich diesen Standpunkt vertreten und ebenfalls einen gewissen Eigennutz – genauso wie das auch die anderen europäischen Staaten im Rahmen der EU tun – an den Tag legen sollte.

Natürlich haben die Freiheitlichen – ich gehe jetzt wiederum auf Herrn Fraktionsvorsitzenden Konecny ein – Verständnis, dass es eine geschichtliche Entwicklung und eine gewisse geschichtliche Dynamik gibt. Die Freiheitlichen haben aber kein Verständnis für einen Unrechtsgehalt in einer Rechtsordnung, und das hat, wie ich meine, kein Volk dieser Welt, und das ist auch in der EU anerkannt. So weit kann das geschichtliche Verständnis doch nicht gehen, dass man den Unrechtsgehalt einer Rechtsordnung anerkennen will!

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie bezüglich einer völkerrechtlichen Frage ansprechen, die hier offensichtlich im Raum schwebt: Es wird derzeit überlegt, ob die Übernahme der Europäischen Menschenrechtskonvention in die Rechtsordnung der einzelnen Staaten – ich spreche hier die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Dekrete an – tatsächlich bereits jetzt zu einer Derogierung geführt hat. Vielleicht ließe sich, wenn Sie entsprechende Unterlagen beziehungsweise Informationen haben, bei unserer heutigen Sitzung im Bundesrat dazu etwas sagen.

Ich möchte zum Schluss kommen. Frau Staatssekretärin! Ich denke, dass die österreichische Außenpolitik ein sehr dynamisches Feld ist, dass wir unsere Republik Österreich selbstverständlich in den Vordergrund stellen und die Interessen der Republik Österreich natürlich voll vertreten müssen. Wir Freiheitlichen wollen gerne an der österreichischen Außenpolitik mitarbeiten und unser Bestes tun. Wir bitten Sie aber, in diesem Zusammenhang auch auf unser Altösterreicher im Ausland oder in Österreich nicht zu vergessen! – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Staatssekretärin. – Bitte.

13.07

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zur Diskussion steht heute der Außenpolitische Bericht über das Jahr 1998. Es war dies – wie schon in der Debatte angeklungen – ein wirklich spannendes Jahr für die österreichische Außenpolitik. Geprägt war dieses Jahr – auch das ist selbstverständlich gesagt worden – durch eine klare und berechenbare Außenpolitik vor allem während unserer EU-Präsidentschaft.

Ich darf noch einmal kurz die wesentlichsten Punkte herausgreifen, die automatisch die Punkte betreffen, die heute in der Debatte genannt wurden.

Zum einen – ich glaube, das sollte man nicht zu gering beurteilen – ist es während unseres Vorsitzes gelungen, den Euro einzuführen. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist für viele EU-Europäer Europa überhaupt erst begreiflich geworden, und zwar "begreiflich" im we


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sentlichen Sinne des Wortes. – Das wird sicher der wichtigste Motor für die weitere wirtschaftliche und auch politische Einigung unseres Kontinents sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist uns aber auch gelungen – das ist ein zweiter wesentlicher Punkt, der heute angesprochen wurde –, vor allem substantielle Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern aufzunehmen. Gerade uns Österreichern ist es gelungen, das entgegen vielen Widerständen möglich zu machen. Ich möchte jetzt an das anschließen, was Herr Bundesrat Konecny gesagt hat: Auch für mich persönlich und für die österreichische Außenpolitik ist es ganz wesentlich, dass uns der historische, der politische, der wirtschaftliche und der kulturelle Ansatz dazu führen müssen, dass wir selbstverständlich positiv zur Erweiterung der Europäischen Union stehen. Denn gerade uns Österreichern steht das erstens aus historischer Sicht an, und zweitens haben wir bisher schon am meisten von der EU-Erweiterung profitiert. Ich habe das in wesentlichen und vielen Vorträgen immer wieder ausgeführt. Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen. Man kann das aber in jedem Wirtschaftsbericht nachlesen. Aus politischen Gründen ist es überhaupt selbstverständlich, denn nur so bringen wir langsam Stabilität und Sicherheit in diese Zone, und daher müssen wir mit aller Kraft weiterwirken.

Selbstverständlich habe ich aber auch – auch das ist angesprochen worden – für die Schwierigkeiten Verständnis, die sich in einem kurzfristigen Übergangsprozess ergeben können, und dabei meine ich selbstverständlich auch die Arbeitskräfte. Diejenigen, die mich auch im Nationalrat in den verschiedenen Ausschüssen gehört haben, in denen ich selbst schon vor rund eineinhalb Jahren das Thema angesprochen habe, wissen, dass wir selbstverständlich wollen, dass in diesem Zusammenhang gewisse Übergangsbestimmungen getroffen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch gleich ansprechen, dass in der Debatte selbstverständlich auch das Thema der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Dekrete – wie übrigens in jeder außenpolitischen Debatte – wieder angesprochen wurde. Sie wissen – auch das habe ich schon oft gesagt –, dass wir die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Dekrete gegenüber den Vertretern der entsprechenden Kandidatenländer selbstverständlich immer wieder ganz klar ansprechen. Diesbezüglich hat sich ein sehr intensiver Dialog herauskristallisiert. Diese Fragen sind allerdings sehr heikel, auch das möchte ich betonen. Konecny sagte bereits, dass in diesem Zusammenhang eine gewisse historische Situation gegeben ist, die für die entsprechenden Länder schwierig zu verarbeiten ist. Noch sind sie nicht immer so weit. Daher ist das ein heikler Dialog, den wir weiterführen müssen.

Aber ich möchte auch betonen, dass es selbstverständlich noch eine gewisse Zeit dauern wird – wie auch im Fall der Kernkraftwerke, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde –, denn es ist sicherlich nicht im Interesse der österreichischen Außenpolitik, wenn wir sozusagen mit Blockadedrohungen antreten und ein Veto einlegen wollen, wenn gerade wir der Staat sind, der am meisten von der Erweiterung profitiert und selbstverständlich auch in unseren Nachbarländern jene Märkte vor der Haustür haben, die für uns besonders wichtig sind. – Das möchte ich noch einmal ganz klar unterstreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Debatte um die Kernkraftwerke betrifft, möchte ich sagen, dass selbstverständlich für uns klar ist – auch das ist gesagt worden –, dass die Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke, die nicht nach sowjetischer Bauweise gebaut wurden, dem höchsten EU-Standard zu entsprechen haben. Ebenso ist klar, dass die Kernkraftwerke, die nach Expertenmeinungen nicht mehr nachrüstbar sind, abzuschalten sind; aber selbstverständlich werden die Abschaltdaten in Verhandlungen mit den drei Kandidatenländern ausverhandelt werden müssen. Wir haben bereits erreicht, dass entsprechende Vertragstexte für die Beitrittsprozesse in die Europäischen Union von all unseren Partnern angenommen wurden. Auch das ist eine Errungenschaft der österreichischen Außenpolitik. Das wird gewissermaßen immer abgetan, obwohl das keineswegs klar ist, weil wir diesbezüglich keinen gleichen Acquis haben. Es gibt eben Atomstaaten in der Europäischen Union, und es gibt andere, die es – wie wir – ablehnen, überhaupt mit Nuklearenergie zu arbeiten. – Daher halte ich das für besonders wichtig.

Sie wissen, dass wir hinsichtlich Ignalina, Kozloduj und Bohunice selbstverständlich meinen, dass diese Kernkraftwerke abzuschalten sind. Sie sind sicherlich abzuschalten, bevor diese


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Staaten in die Europäische Union eintreten, aber es wäre jetzt gegen unsere eigenen Interessen gerichtet, den Verhandlungsprozess in Helsinki zu blockieren. Daher haben wir Formulierungen gefordert und auch gefunden, die so gehalten sind, dass die gesamte Europäische Union unsere Position der höchsten Sicherheitsstandards oder des Abschaltens der nicht den Standards entsprechenden Kernkraftwerke mitträgt.

Ich möchte sagen – ich habe mich immer so geäußert –, dass wir diesbezüglich nur im Dialog mit diesen Staaten etwas erreichen können, und zwar auch im Dialog mit der Slowakei. In diesen sehr schwierigen Fragen, die vor allem auch die Regierungen dort betreffen, ist es meist wesentlich besser, in stiller Diplomatie zu agieren. Denn gerade in der Slowakei könnte sich eine Regierungskrise ergeben, wenn wir mit einer Veto-Drohung kommen. Daher sind wir in stiller Diplomatie vorgegangen. Außenminister Schüssel hat mit Premierminister Czurinda bei der CEI und ich zwei Tage nach unserer Wahl in Prag gesprochen, als ich zur Eröffnung des Europahauses dort war. Jetzt beim OSZE-Gipfel in Istanbul wird Außenminister Schüssel dieses Thema wieder besprechen. Es ist also selbstverständlich Druck da. Ich meine aber, dass nicht immer alles nach außen so medienwirksam dargestellt werden muss, wie das manche fordern. – Das möchte ich auch klar sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer der wichtigsten Schwerpunkte der Aktivitäten während unserer Präsidentschaft war aber selbstverständlich auch die Frage der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, denn gerade die Menschenrechtsverletzungen – zum Teil die Massenmorde, Brandschatzungen und Vertreibungsaktionen –, die es im Kosovo gegeben hat, haben natürlich zu einem Umdenken im Bereich der europäischen Sicherheitspolitik und zu einer Beschleunigung derselben geführt.

Unter unserem Vorsitz haben wir eine ganze Reihe von Initiativen gesetzt. Sie werden sich etwa an den europäischen informellen Gipfel in Pörtschach, aber auch an das erste informelle Verteidigungsminister-Treffen während unserer Präsidentschaft und an das Treffen im Anschluss daran in Saint-Malo erinnern. Diese Gespräche haben zu neuen Initiativen und einer Beschleunigung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik während der finnischen Präsidentschaft geführt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass der frühere NATO-Generalsekretär, der jetzige neue "Mister GASP" Javier Solana gleichzeitig auch WEU-Generalsekretär wird und diese gemeinsame Schiene schließlich bis zu einer Fusion führen wird.

Ich möchte Ihnen sagen, dass sich beim letzten Rat Allgemeine Angelegenheiten am 15. November zwei Schwerpunkte in der Diskussion ergeben haben, die auch für Österreich sehr bedeutungsvoll sein werden, weswegen es für uns von Interesse ist, in die Entwicklung dieser Politik möglichst aktiv und umfassend eingebunden zu sein.

Der erste Schwerpunkt betrifft die Frage nach den militärischen Mitteln, die die EU zur Durchführung vor allem der Petersberger Aufgaben – wir sprechen hier von Krisenmanagement – benötigen wird. Es sind dies primär qualitative Ziele, aus denen sich auch gewisse quantitative Notwendigkeiten ergeben werden. Sie wissen, dass in Diskussion steht, dass 15 Brigaden mit einer Einsatzbereitschaft von 60 Tagen und einer Aufrechterhaltbarkeit von bis zu zwei Jahren eingebracht werden sollen, um sofort handlungsfähig zu sein.

Das Zweite ist die Schaffung des entsprechenden institutionellen Gefüges, das dazugehört und das eine rasche und nötige politische und militärische Expertise verlangt. Zu diesem Zweck wird es wahrscheinlich zur Schaffung eines politischen und sicherheitspolitischen Komitees, aber auch eines beratenden Militärkomitees und eines Militärstabes kommen.

Schließlich wird es, was für uns ganz besonders wichtig ist, zur Errichtung eines beratenden Komitees vor allem für das zivile Krisenmanagement kommen, das wir ganz besonders begrüßen werden. In diesem Zusammenhang sind Aktionsfähigkeit und Visibilität wünschenswert, sie sind aber auch vorgesehen.

Für Österreich ist in diesem Zusammenhang die gesamte Debatte um das Krisenmanagement essentiell, die in allen Entscheidungsgremien geführt wird, und es ist ganz wesentlich, dass


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Österreich überall in jedem Stadium auch selbst mit dabei sein kann, sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung und Operation. Das wollte ich hier anführen.

Weiters ist in der Debatte die Frage hinsichtlich einer zukünftigen Vision gefallen, wie es in Europa weitergehen wird: Bundesstaat oder Staatenbund. – Selbstverständlich, Herr Bundesrat, besteht derzeit noch nicht die Möglichkeit, klar zu sagen, wohin das führen wird. Das wird jetzt, da es sich um eine supranationale Organisation handelt, wahrscheinlich noch gar nicht klar feststellbar sein; in zehn Jahren werden wir aber vielleicht so weit sein. Wir sind auf dem besten Weg dazu. Neben der Wirtschaftsunion, die vor allem durch den Euro gefestigt ist, wird die Europäische Union künftig auch zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion. Das Gefüge wird immer mehr zusammenwachsen. Dabei geht es auch, wie der Herr Bundesminister beim letzten Komitee ausgeführt hat, um die Frage, wie dann die diversen Politiken eingefügt werden können. Dabei wird natürlich auch die Frage der Subsidiarität, die gerade auch Ihnen ein Anliegen sein sollte und die Sie vorhin in der Debatte auch angesprochen haben, eine große Rolle spielen: Wie können wir in dieser gesamteuropäischen Verfassung einerseits die Region, andererseits den Nationalstaat und schließlich die Europäische Union richtig einbinden?

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Frage des Europäischen Parlaments, das Sie ebenfalls angesprochen haben, wichtig. Dazu möchte ich sagen, dass ich gerade während der Präsidentschaft ausgezeichnete Kontakte mit dem Europäischen Parlament aufgebaut habe, und zwar nicht umsonst, denn das Europäische Parlament hat heute zum Teil eine Mitentscheidungsbefugnis und wird immer stärker. Sie fragten, ob das für uns von Interesse sei, wenn dadurch unter Umständen das österreichische Parlament abgewertet werden könnte. – So ist die Diskussion nicht zu führen! Vielmehr wird das Europäische Parlament automatisch immer mehr zusätzliche Entscheidungsbefugnis verlangen. Das wird auch bei der nächsten Institutionenreform sicherlich wieder aufs Tapet gebracht werden. Deshalb ist ein partnerschaftliches Arbeiten mit dem Europäischen Parlament und ein Eingehen auf die Forderungen des Europäischen Parlamentes nötig. Dabei muss man aber keineswegs das nationale Parlament abwerten.

Ferner haben Sie sich auch zur Entwicklungszusammenarbeit verbreitet. Sehr geehrter Herr Bundesrat Gudenus! Meiner Meinung nach kommt es keineswegs auf die Größe eines Landes an, wenn man in Europa mitgestalten will. – Wenn ich Sie recht verstanden habe, so haben Sie gesagt, dass die "staatliche Almosenpolitik" gescheitert sei. So würde ich das nicht sehen! Zweifellos kann man gewisse Kritik an manchen Entwicklungshilfeleistungen der Vergangenheit – das war auch die damalige Diktion – üben. Damals hat man geglaubt, dass man mit großen LKW-Lieferungen in bestimmte Länder – ich nenne jetzt das berühmte Beispiel der Schuhlieferungen nach Afrika – oder Ähnlichem Entwicklungszusammenarbeit machen könne. – Das sage ich jetzt ganz pointiert.

Heute hat man jedoch einen völlig anderen Ansatz. Ich glaube, Sie sollten sich mehr mit diesem Thema beschäftigen: Heute ist der partnerschaftliche Ansatz in diesem Zusammenhang sowohl auf der Ebene der Europäischen Union als auch auf der Ebene der UNO, aber selbstverständlich auch auf nationalstaatlicher Ebene absolut abgesegnet: Die Empfängerländer müssen selbst Ownership – das ist das Schlagwort – zeigen, das heißt, die Länder selbst müssen Verantwortung für das tragen, was sie entwickeln wollen. Nur wenn wir ihnen eine solche Fähigkeit – man nennt das Capacity Building – beibringen, werden sie weiterkommen. Auf diesem Weg sind tatsächlich viele Fortschritte erzielt worden, aber selbstverständlich bleibt im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung noch enorm viel zu tun. Das ist unser erstes Ziel im Rahmen der Europäischen Union und auch der UNO. Auch in diesem Bereich hat Österreich enorm viel getan und wird weiterarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Zu diesem Thema könnte ich natürlich noch viel anbringen. Aber ich möchte Ihnen sagen, dass sich gerade Österreich sehr bemüht hat, die Entwicklungshilfegelder, die wir bilateral verwalten können – das fällt in meinen Bereich –, effizient zu verwalten. Das habe ich auch schon mehrmals betont, weil mir das ein großes Anliegen ist: Wir haben eine Schwerpunktbildung vorgenommen, es wurden Schwerpunkte gegenüber Ländern gesetzt und Schwerpunktsektoren ausgewählt, und innerhalb der Sektoren werden entsprechende Programme durchgeführt, die wir


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mit dem jeweiligen Empfängerland erstellt haben und die laufend kontrolliert und evaluiert werden. Das heißt, daß ich die von Ihnen gemachte Äußerung keineswegs akzeptieren kann!

Ich möchte auch noch zu Post-Lomé Stellung nehmen: Sie wissen, dass gerade die große Post-Lomé-Verhandlung läuft, bei welcher Österreich als eines der EU-Mitglieder selbstverständlich mitverhandelt. Ich habe die Verhandlungen während der EU-Präsidentschaft sogar selbst eröffnet. Auch bei diesen Verhandlungen sind die Ansätze, die ich genannt habe, heute wesentlich. Ich versuche, vor allem einen Ansatz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durchzusetzen, einen Ansatz, der die Frage der Klein- und Mittelbetriebe betrifft. Wir wollen langsam erreichen, dass sich dort Mikro-, Klein- und Mittelbetriebe ansiedeln, welche die Wirtschaft des eigenen Landes dann zu einer verbesserten Leistung bringen. Das gehört heute ebenfalls zum "State of the Art", wenn ich so sagen darf, und auch das wird von uns selbst keineswegs vernachlässigt.

Ich möchte auch noch ein Wort zur UNO sagen: Ich habe selbstverständlich die internationalen Organisationen gefördert. Das ist schon angeklungen. Ich möchte jetzt nur auf die von Ihnen angesprochene konkrete Veranstaltung zu sprechen kommen, nämlich auf das Fünf-Jahres-Jubiläum der Weltkonferenz für Menschenrechte, welches in Österreich und Wien stattgefunden hat. Diese Veranstaltung fand im Juni 1998 statt. Österreich hat als Mitveranstalter Michael Douglas, der von Kofi Annan als Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für Menschenrechte und gegen Small Arms – gegen kleine Waffen – bestellt war, eingeladen. Gleichzeitig waren auch der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka aus Nigerien, der Friedensnobelpreisträger Bischof Tutu aus Südafrika und die russische Witwe Sacharows Elena Bonner sowie Jimmy Carter eingeladen. Sie alle haben sich hier in einer äußerst interessanten Diskussion eingebracht.

Auch heuer hatten wir eine sehr interessante und wichtige Veranstaltung, nämlich das 20jährige UN-Jubiläum der UN-Organisationen hier in Österreich. Auch im Zusammenhang damit haben wir versucht, über einen inhaltlichen Ansatz neues österreichisches Gedankengut einzubringen, nämlich das unter dem Schlagwort "Human Security" laufende Programm, das, wie ich meine, auch von vielen Parteien mitgetragen werden kann, weil es etwa die Frage der Small Arms und die Frage der Kindersoldaten betrifft, die uns Österreichern auch normalerweise humanitäre Anliegen sind.

Schließlich möchte ich noch kurz auf die künftige OSZE-Präsidentschaft eingehen, weil diese sozusagen den Bogen abrundet. Sie wissen, dass wir ab 1. Jänner 2000 die OSZE-Präsidentschaft innehaben werden. Wir Österreicher wollen eine sehr aktive Präsidentschaft führen, die sich nicht nur auf den Balkan – obwohl das selbstverständlich ein Thema sein müssen wird –, sondern auch auf andere Regionen der Welt konzentriert, wo es sehr viele Konflikte gibt – ich spreche jetzt vor allem von Zentralasien und vom Kaukasus. Der Herr Vizekanzler und Außenminister hat schon im Vorfeld dieser OSZE-Präsidentschaft eine Kaukasusreise durchgeführt, um die Fragen und die Akteure zu kennen, damit wir dann zu Lösungsmöglichkeiten und Ansätzen kommen, deren Einbringung dem Vorsitz anstehen. Ich selbst werde nächste Woche aus demselben Grund eine Reise nach Zentralasien durchführen, denn man muss im Vorfeld der Präsidentschaft manche dieser Fragen ausloten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auch im Rahmen der OSZE-Präsidentschaft wird es uns – wie auch während der EU-Präsidentschaft – wieder ein sehr wichtiges Anliegen sein, dass möglichst alle hier im Interesse Österreichs zusammenarbeiten. Ich darf Sie daher auch um Ihre Zusammenarbeit bitten! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Frau Staatssekretärin! Könnten Sie etwas zum Einstimmigkeitsprinzip im Rahmen der EU-Entwicklung sagen?)


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13.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Gudenus! Sie können diese Debatte jetzt nicht zur Fragestunde machen!

Ich erteile Herrn Bundesrat Meier das Wort. – Bitte.

13.29

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Vor uns liegt ein umfangreicher Außenpolitischer Bericht über das Jahr 1998. Er bietet viel Inhaltliches, die Aufzählung von Ereignissen, Daten und natürlich auch viele statistische Einzelheiten. Ich bin davon überzeugt, dass die Autoren in der Lage wären, einen doppelt so starken inhaltlichen Bericht zu erstellen. Es geht aber immer um die Frage, was im Bericht enthalten ist, und unter diesem Aspekt meine ich, dass es das gute Mittelmaß ist, welches diesen Bericht zu einem erfolgreichen Bericht macht.

Bevor ich auf das, was ich sagen will, eingehe, möchte ich ein paar Worte zu Bundesrat d'Aron betreffend Beneš-Dekrete sagen, die ich eigentlich nicht mehr erwähnen wollte: Es ist nicht richtig, wenn Sie Herrn Bundesrat Konecny unterstellen, dass Unrechtsgehalte einer Rechtsordnung anerkannt würden! – Sie werden nicht anerkannt! Wenn Sie es ganz einfach von mir hören wollen: Die Beneš-Dekrete gehören weg! Wir stimmen diesen nicht zu, sie sollen schleunigst verschwinden! (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was Herr Bundesrat Konecny in den Vordergrund stellen wollte – ich meine, er hat das sehr ernst genommen –, ist, dass man aus der Kette gegenseitigen Unrechts herauskommen muss. Ich vergleiche das mit der Blutrache: Wenn immer nur der Letzte verurteilt wird, dann wird man dieses System, dem wir alle wahrscheinlich nicht zustimmen können, nicht beenden. Vielmehr muss es eine grundsätzliche Haltungsänderung auf allen Seiten geben, um auch die letzte unrechtmäßige Tatsache zu beseitigen. So hat Konecny das meiner Meinung nach gemeint.

Auch ich bekenne mich zu einer Außenpolitik, die mit allen diplomatischen vernünftigen, von inhaltlichem Geist getragenen Mitteln versucht, begangenes Unrecht der Vergangenheit aus der Welt zu schaffen. Ich glaube, diesen Weg muss Österreich gehen, ohne dass wir letzten Endes nachgeben und sagen: Leider haben wir nichts geschafft! Aber das tun wir ja nicht. – Das noch einmal dazu.

Ich möchte noch eine zweite Anmerkung zu den einander gegenüberstehenden Begriffen "Eigennutz" und "Solidarität" machen. Meine Damen und Herren! Wir selbst sind als Personen auch hie und da egoistisch, und jeder sucht das Beste herauszuholen. Das tun auch Staatengemeinschaften und andere Gruppierungen. Das gibt es überall auf der Welt und natürlich auch in der EU. Das soll aber nicht heißen, dass dem Begriff "Solidarität", den ich jetzt nicht weiter definieren und ausführen will, nicht auch Beachtung geschenkt werden soll und man versuchen soll, andere Leute zu einer Solidarität, die man auch selbst mitzutragen bereit ist, zu bewegen und zu überzeugen. Ich glaube, das hat Konecny gemeint. Man kann nicht nach Brüssel fahren – ich nehme Brüssel stellvertretend für die EU –, um immer nur alles für sich allein herauszuholen. Denn wenn das jeder in einer extremen Form tut, dann haben wir miteinander überhaupt keine Zukunftsaussichten. – Ich glaube, so hat Konecny das gemeint. (Bundesrat Dr. d'Aron: Konecny hat es aber etwas anders gesagt!)

Ich möchte ein paar Worte zum Thema Europa sagen, denn die Europäische Union und der Europarat nehmen etwa ein Drittel des Berichtes ein.

Im zweiten Halbjahr 1998 – das wurde schon ausgeführt – hatte Österreich die EU-Präsidentschaft inne. Es war dies die erste Präsidentschaft eines der jüngst beigetretenen Mitgliedstaaten, das muss man auch sagen. Ich glaube, eine solche Präsidentschaft ist für alle, die daran mitwirken, und für den Staat insgesamt eine ganz gewaltige Aufgabe, und Österreich hat diese EU-Präsidentschaft gut bewältigt.

Man sieht nach außen hin immer nur die einzelnen größeren Sitzungstermine, wo immer sie nun stattfinden. Eine solche Präsidentschaft erfordert jedoch umfangreiche organisatorische und inhaltliche Vorbereitungsmaßnahmen, viele Vorsprachen, Absprachen, Kommunikation mit den Partnerländern und das Einbringen von Vorschlägen. Denn es verhält sich nicht so, dass bei einer großen Sitzung erstmalig entsprechende Themen behandelt und erfolgreich Beschlüsse gefasst werden, sondern das bedarf vieler Vorbereitungen. In Anbetracht dessen meine ich,


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dass während unserer Vorsitzführung eine umfangreiche Zahl von Veranstaltungen mit den dazu notwendigen Vorbereitungen stattgefunden hat. Diese Vorbereitungen inkludieren alle relevanten Gremien: die Regierungschefs, den Rat der Außenminister, die gesamten Ministerräte, COREPER I und II, die verschiedensten Fachausschüsse bis hin zur COSAC, nämlich der Vertretung von europäischen Parlamentariern. Das sollte hier positiv bemerkt werden. Ich meine, dass Kritik oft von jenen kommt, die selbst nicht involviert sind und das Ausmaß dieser Vorbereitungen gar nicht abschätzen können.

Wir sind auf dem Weg nach Europa, und ich glaube, wir können jetzt schon "Europa" sagen, nachdem dieses Europa bisher doch eher Westeuropa gewesen ist. Wir haben bis jetzt sehr viel erreicht, Dinge, an die man – wenn ich auf meinen Lebensweg zurückschaue – vor 55 Jahren nicht denken konnte und die nicht vorstellbar waren. Herr Kollege Bieringer, der du direkt dort lebst! Allein der Wegfall der Grenze am Walserberg in Salzburg war damals doch praktisch unvorstellbar, ebenso wie der Wegfall von Pass- und Zollkontrolle, Handelsbeschränkungen und so weiter! Ich habe vor 30 Jahren dort an die in langen Schlangen wartenden Autofahrer im Namen der Europäischen Jugend Prospekte ausgeteilt, etwa in dem Sinn: Wäre es nicht schön, wenn diese Grenze verschwände? – Ich habe aber eigentlich kaum geglaubt, dass das wirklich einmal der Fall sein wird.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese Erfolge sollten wir bei allen weiterführenden Bemühungen sehen! Wir haben natürlich noch einen langen Weg vor uns. Es standen und stehen vor allem auch die Themen "Staatenbund", "Bundesstaat" und "Europa der Vaterländer" zur Diskussion. Ich glaube, derzeit gibt es eine Mischform daraus: Wir sind nicht mehr Staatenbund und sind noch nicht Bundesstaat. Es wird diese EU in ihrem Aufbau auch mit keinem der gegenwärtigen Mitgliedstaaten völlig gleich sein, sondern es werden verschiedenste europäische Elemente eingebracht werden. Ich glaube allerdings, dass der Weg doch in Richtung Bundesstaat geht, wie immer dieser inhaltlich mit einer Verfassung beziehungsweise verfassungsähnlichen Verträgen dann definiert sein wird.

Ich glaube, man sollte den Menschen heute nicht sagen: Ihr bleibt völlig selbständig, ihr könnt tun, was ihr wollt, denn es wird sowieso keinen Bundesstaat geben, sondern die einzelnen Staaten werden wie ein loser Staatenbund miteinander verbunden bleiben! – Ich möchte aber gleichzeitig betonen, dass das nicht eine Entwicklung in Richtung zentraler Staat sein wird, sondern in Richtung föderalistischer Staat mit Subsidiaritätsprinzip: Nur das Wichtigste, was wir als kleine Einheiten nicht erledigen können, wird dieser größeren Einheit übertragen werden. Es wird notwendig sein, in den nächsten Regierungskonferenzen – es werden noch mehrere sein müssen – dieses Europa weiterzuentwickeln.

Eine der tragenden Säulen bildet das Parlament, das noch stärkere Rechte bis hin zu einem Initiativrecht bekommen müssen wird. Auch die Kommission muss sich weiterentwickeln, auch dort, wo sie bisher negative Äußerungen getan hat. Und auch der Rat als Vertreter der Länderinteressen wird sich diesem Gesamtgefüge anzupassen haben. Eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Römer Verträge – die letzten Etappen waren Maastricht und Amsterdam – ist auf jeden Fall notwendig.

Ich glaube, dass wir darüber hinaus weitere Säulen einbeziehen müssen, darunter auch den Ausbau der Sozialcharta, wofür der Regierungswechsel in Großbritannien verbesserte Chancen bietet. Es wird noch mehr "Vergemeinschaftung" – obwohl mir dieses Wort übrigens nicht gefällt – geben müssen. Das Ganze hat mit einer Wirtschaftsgemeinschaft begonnen, das ist zweifellos sehr wichtig. Weiters kommt es zu einer Währungsgemeinschaft. Aber auch hinsichtlich Umwelt, Ausbildungsmöglichkeiten, Forschung, Wissenschaft, Wettbewerb und Steueranpassungen wird eine gemeinsame Politik notwendig sein. Trotzdem müssen auch die unteren Einheiten der Mitgliedstaaten, die Bundesländer oder Distrikte und Regionen – denn die meisten EU-Staaten haben keine Bundesländer – bis hin zu den Gemeinden ihre Rolle spielen. Die nationale Identität und die Kultur in ihrer Vielfalt müssen erhalten bleiben.

Ich meine, dass wir auch heute schon sehen, dass manche, die gegen die EU waren, sie bereits dort so nützen, wo sie für Österreich nützlich ist. Das hat man auf den verschiedensten Ebenen


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gesehen, und das bestätigt, wie wichtig und vorteilhaft die Europäische Union ist, auch im Hinblick auf die EU-Erweiterung. Es gibt nun hinsichtlich Erweiterung zwei Staatengruppen. Es wird jetzt auch über die Türkei gesprochen. Ich bin diesbezüglich noch sehr vorsichtig, weil ich glaube, dass die Unterschiede zwischen diesem Staat und uns noch größer sind als zu den anderen Staaten, aber Europa muss sich weiterentwickeln. Das hat Vorteile für alle gebracht, obwohl es natürlich auch der Opfer und der Beiträge dazu bedurfte.

Ich vergleiche diese EU-Erweiterung irgendwie mit der Wiedervereinigung Deutschlands, wenn das auch nicht ganz passt: Denn in Deutschland hätte es doch eigentlich leichter sein müssen, weil die Trennung nicht so groß war. So gibt es dort zum Beispiel eine einheitliche Sprache. Aber auch dort herrscht noch Unzufriedenheit zwischen Ossis und Wessis, weil jeder seinen eigenen Standpunkt hat. Ich meine, man muss beim Zusammenwachsen mit den weiteren Staaten in Europa Wege gehen, die gegenseitige Anschuldigungen, Misstrauen und Unzufriedenheit nach Möglichkeit ausschließen, wenn das auch nicht ganz auszuschalten sein wird. Diese Wege müssen mit einer gewissen Geschwindigkeit beschritten werden, die beiden Seiten passt, und es muss Hilfe für die notwendige Angleichung und entsprechende Maßnahmen geben, die sowohl den bestehenden Mitgliedstaaten als auch den neu beitretenden in ihrer Substanz nicht wehtun, sodass unter den Bürgern und Bürgerinnen von Anfang an keine starken Abwehrreaktionen entstehen können.

Ich glaube, das ist unser Ziel. Österreich kann dazu sehr viel beitragen. Wir liegen diesem Erdteil, diesem Europa, inmitten, und sind, wie ich hoffe, einem starken Herzen gleich. Allerdings beträgt unser Anteil nur 2,5 Prozent der jetzigen Fläche und Bewohner. Das müssen wir auch sagen. Wir sind kein großer Staat. Aber trotzdem kann Österreich seinen Beitrag leisten, und ich meine, dass wir in dieser Entwicklung auch mit unserer Außenpolitik versuchen sollten, unsere Beiträge und unseren Rechtsbeistand zu leisten.

Ich möchte zum Abschluss kommen und ein kleines Beispiel nennen. Ich war auf einer internationalen Konferenz in Stockholm, bei welcher Delegationen der verschiedensten europäischen Staaten – wichtige Persönlichkeiten und Abgeordnete – vertreten waren. Dabei fiel mir auf, dass ich die Vertreter aus dem skandinavischen Raum aufgrund ihrer Aussagen keinem politischen Spektrum zuordnen konnte, weil sie lediglich ihren Staat vertraten. Ich glaube, so sollten auch wir in Zukunft – nach zulässigen inneren Diskussionen – nach außen hin auftreten. Das wünsche ich unserer Außenpolitik! Das sollte der kommende Bericht, den wir im nächsten Jahr diskutieren werden, widerspiegeln! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Linzer. – Bitte.

13.43

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Außenpolitische Bericht 1998 beschäftigt sich naturgemäß mit dem Hauptthema, der österreichischen Präsidentschaft in der Europäischen Union. Die Frau Staatssekretärin hat in ihrem mündlichen Bericht schon ausführlich die Erfolgsbilanz – ich denke, es ist dies eine absolute Erfolgsbilanz – unserer Präsidentschaft dargelegt. Die Bundesregierung hat in einem ausführlichen schriftlichen Elaborat die Ergebnisse unserer EU-Präsidentschaft aufgezählt und dargelegt.

Ich glaube, wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, zumal wir auch von internationaler Seite und von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich unserer Präsidentschaft und unserer Arbeit durchaus Respekt und Anerkennung gefunden haben. Frau Staatssekretärin! Ich stehe nicht an – so wie auch schon meine Vorredner –, Ihnen und Ihrem Stab sehr herzlich zu danken, aber natürlich auch den verantwortlichen Herren, insbesondere auch dem Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel.

Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Debatte – wie gesagt – schon ausführlich von den wichtigsten Punkten und Ergebnissen gehört. Trotzdem, Frau Staatssekretärin, gestatte ich


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mir, ebenfalls einige Gedanken einzubringen und den einen oder anderen Diskussionspunkt noch zu verstärken.

Ich glaube, dass es uns während unserer Präsidentschaft gelungen ist, die Europäische Union in ihrer Weiterentwicklung und in ihrer Entwicklung zu einer echten Integration wesentlich zu stärken. An vorderster Stelle war es unser Anliegen, die wirtschaftspolitische Koordination zu einer besseren Funktion zu bringen. In der Tat gab es 1998 über unsere EU-Präsidentschaft hinaus 1,7 Millionen neue Jobs, während es beispielsweise in den USA nur 1 Million an neuen Arbeitsplätzen gegeben hat. Die Arbeitslosigkeit in Europa fiel in den zwölf Monaten des Jahres 1998 unter 10 Prozent. Die Beschäftigungspolitik war getragen von dem Motto "Mehr Beschäftigung durch mehr Bildung", und die Bildungsminister haben damals beschlossen, dass die Bildungsprogramme der EU SoKrates beziehungsweise Leonardo nicht nur fortgeführt, sondern auch entsprechend aufgestockt werden.

Der große Stabilitätsanker, der Euro, wurde von Ihnen, Frau Staatssekretärin, bereits ausführlich angesprochen; dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich glaube, die Stabilität des Euro hat sich zweifellos bewährt.

Die EU-Außenpolitik hat durch unsere Präsidentschaft einen besonderen Inhalt bekommen. Auch das wurde hier schon ausgeführt. Ich denke jetzt beispielsweise an den Balkan. Im Sinne der Nachbarschaftspolitik ist für uns das wichtigste Thema die EU-Erweiterung. Es soll an der österreichischen Grenze keine kalten EU-Außengrenzen zu den Nachbarstaaten geben. Das Ziel der österreichischen Präsidentschaft war der Beginn von konkreten Verhandlungen zu gewissen Themenbereichen mit den Beitrittswerbern Ungarn, Tschechien, Slowenien, Polen, Estland und Zypern. Die österreichische Entscheidung, diese Verhandlungen zu beginnen, kam genau zeitgerecht, da entsprechender Reformbedarf natürlich gegeben war.

In diesem Zusammenhang ist ein aktuelles Thema natürlich die Sicherheit der Atomreaktoren. Es wurde schon mehrfach hier erwähnt, dass der EU-Standard absolut eingehalten werden soll. Auch wurde bereits die Problematik der Beneš-Dekrete beziehungsweise der AVNOJ-Dekrete in Slowenien diskutiert. Ich glaube, dass dieses Thema rein politisch ist. Wie sonst wäre zu erklären, dass selbst der Präsident des tschechischen Verfassungsgerichtshofes bereits von Illegitimität der Beneš-Dekrete gesprochen hat! Wie die Frau Staatssekretärin gesagt hat, sollte und muss diesbezüglich ein ständiger Dialog geführt werden. In diesem Zusammenhang gilt es – wie vielfach im Leben –, im Sinne des Sickerprozesses unter dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein" vorzugehen. Wir dürfen natürlich nicht lockerlassen, sondern müssen im Verein mit unseren Kollegen in der Europäischen Union dem Recht zum Durchbruch verhelfen.

Die Zukunftsstrategien von Pörtschach, insbesondere diejenigen der Außenpolitik betreffend die Konzeption eines friedenserhaltenden Systems und eines Verteidigungssystems wurden schon erörtert. Ich möchte den besonderen Standpunkt Österreichs in puncto Menschenrechte und Kinderrechte erwähnen. Kollege d'Aron hat dieses Thema bereits angezogen. Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, dass wir nicht nur die Menschenrechtskonvention der UNO brauchen, sondern vor allem auch die Europäische Menschenrechtskommission des Europarates. Mittlerweile hat sich auch eine Kommission etabliert, die eine Kodifikation der Grund- und Menschenrechte innerhalb der Unionsstaaten festlegen soll. Ich sehe darin keinerlei Widerspruch und keine Probleme der Überschneidung. Im Gegenteil: Der Europarat hat in einer seiner vergangenen Plenarsitzungen die Forderung nach einer gewissen Selbständigkeit des Europarates, der bei den Anfängen dieser Kodifikation federführend war, gestellt, und ich meine, dass der Europarat vorbildhaft bleiben soll. Frau Staatssekretärin! Ich bin jetzt nicht sicher, ob es diese Kommission schon arbeitet, ich weiß nur von einem Besucher der COSAC in Helsinki, dass sie demnächst installiert werden soll.

Dem Thema innere Sicherheit – Bekämpfung der Kriminalität wurde natürlich auch während unserer Präsidentschaft besondere Bedeutung beigemessen. Wir haben beim Wiener Gipfel an einem Aktionsplan gearbeitet, und zuletzt wurden beim Gipfel in Tampere entsprechende Beschlüsse gefasst. Wie wichtig dieses Thema ist, zeigt sich daran, dass leider Gottes nur bescheidene Erfolge bei der Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere der OK – Stichworte:


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Schlepperunwesen, Menschenhandel et cetera –, verzeichnet werden konnten. In Tampere wurde diesem Problemkomplex sehr wohl verstärkt der Kampf angesagt. Die Verstärkung der Europol durch operative Handlungsfähigkeit ist eine Forderung, die schon vor zwei bis drei Jahren im Europäischen Parlament erhoben wurde.

Meine Damen und Herren! Natürlich sollte jetzt auch die Entwicklungshilfe entsprechenden Raum zur Diskussion bekommen. Ich möchte nur anführen, dass dieses Thema natürlich auch bei den Institutionen auf europäischer Ebene – nach meiner Erfahrung auch immer wieder im Europäischen Parlament – sehr große Bedeutung hat. Ein Grund dafür ist vor allem, dass die Entwicklungshilfe vor Ort, vor allem auch in den Bereichen Naher Osten und Nordafrika, verstärkt angegangen werden muss, weil ansonsten das Problem und der Druck der Migration auch in unseren Ländern immer stärker werden. Denn dass die Themen Migration, Asylgewährung, illegales Schlepperunwesen et cetera natürlich brennend sind und ein sehr drückendes Problem darstellen, wissen wir aus den täglichen Zeitungsberichten.

Meine Damen und Herren! Alles in allem war die österreichische Präsidentschaft, wie ich schon eingangs erwähnt habe, von respektablem Erfolg. Wir haben nicht nur entscheidende Beiträge im internationalen Krisenmanagement, etwa betreffend Kosovo, Albanien, die wirtschaftlich-politische Krise in Russland oder die Konflikte in Zentralamerika, geleistet. Österreich hatte eine seriöse, bestimmende Stimme innerhalb der Europäischen Union und in der ganzen Welt. Frau Staatssekretärin! Ihnen und allen Damen und Herren, die diese große Aufgabe nicht nur vorbereitet, sondern letztlich auch getragen haben, gilt mein aufrichtiger Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

13.55

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Außenpolitische Bericht 1998 – auch "Jahrbuch der österreichischen Außenpolitik" genannt – ist nicht nur ein umfassendes Werk von rund 400 Seiten Umfang, sondern er spannt auch inhaltlich einen sehr weiten Bogen. Dem Inhaltsverzeichnis ist zu entnehmen, welche Themen beinhaltet sind. Nach den Vorworten des Bundesministers für äußere Angelegenheiten und der Frau Staatssekretärin finden sich Kapitel wie "Österreich in der Europäischen Union", "Österreich in anderen europäischen Foren", "Die universelle Zusammenarbeit – Die Vereinten Nationen", "Der internationale Schutz der Menschenrechte", "Die humanitäre Dimension in den internationalen Beziehungen" und viele mehr.

Meine Damen und Herren! Einen Schwerpunkt dieses Berichtes bildet – das ist aufgrund der Entwicklungen innerhalb des Jahres 1998 verständlich – die österreichische Position innerhalb der Europäischen Union. Ich meine, dass dieser Schwerpunkt selbstverständlich gesetzt werden muss. Denn Österreich ist Mitglied dieser Union, vor allem aber fällt in diesen Berichtszeitraum die Präsidentschaft Österreichs.

Meine Damen und Herren! Mein Kollege Gudenus hat es im Ausschuss und jetzt auch in seiner Wortmeldung wieder gefordert: Wir Freiheitlichen hätten natürlich auch gerne die österreichische Zielbestimmung von Seiten der Regierungsvertreter zu der Frage, ob sich die Europäische Union zu einem Staatenverbund oder letztlich zu einem Bundesstaat entwickeln wird. Hiezu hätten wir uns eine klare Aussage erwartet, denn dann wäre eine Zurkenntnisnahme natürlich etwas leichter.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Kapitel dieses Berichtes bildet der sogenannte globale Umweltschutz. Diesem Kapitel sind allerdings nur sage und schreibe ganze vier Seiten gewidmet: Es wird unter anderem über das "Basler Übereinkommen über grenzüberschreitende Transporte gefährlicher Sonderabfälle und deren Entsorgung" sowie über das "Übereinkommen über vorhergehende Inkenntnissetzung" der beteiligten Import- und Exportstaaten und die Nachbehandlung derartiger gefährlicher Güter berichtet.


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Ich persönlich bin ein wenig darüber betroffen, dass diesem sehr wichtigen Kapitel in diesem Bericht nur vier Seiten gewidmet sind. Das lässt natürlich auch den Schluss zu, dass der Bereich des globalen Umweltschutzes, der für alle eigentlich Menschenschutz sein sollte, in diesem Bericht nicht unbedingt einen vorrangigen Stellenwert hat.

Meine Damen und Herren! Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der Frage der österreichischen Atompolitik unterschiedliche Positionen eingenommen werden. Es ist auch nicht verwunderlich, dass von von Österreich entsandten Vertretern mitgeteilt wurde, dass gerade in dieser wichtigen Frage eine verständliche, einheitliche Sprache gefunden werden muss und nicht mit zwei Zungen gesprochen werden darf.

Meine Damen und Herren! So hat sich zum Beispiel die Frau Konsumentenschutzministerin Prammer vom Schweigen über einen Fingerzeig bis hin zum Protest und wieder retour zum Schweigen bewegt und hat all diese Positionen und Möglichkeiten ventiliert. Meine Damen und Herren! Dazu muss man aber auch sagen: Das Handeln in diesem Bereich kann sehr wohl von einem Parlament, also von uns, eingefordert werden. (Vizepräsident Dr. Linzer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es ist andererseits aber auch unerträglich, wenn sich eine Frau Konsumentenschutzministerin in diesem Bereich zögerlich beziehungsweise gar nicht definierbar in die Außenpolitik einmengt, obwohl die Außenpolitik gar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Dafür, meine Damen und Herren, ist uns die Außenpolitik zu wichtig! Die Außenpolitik darf nicht Spielball einer zögerlichen Umweltpolitik sein, und die Außenpolitik ist zu wichtig für internationale Gehversuche zu diesen Themen!

Meine Damen und Herren! Es muss an diesem Bericht aber auch bemängelt werden, dass die internationalen Aktivitäten der Länder keinen Niederschlag finden. Ich weiß – ich habe es eingangs gesagt –, dass dieses Jahrbuch 400 Seiten umfasst, und für die Auflistung aller Aktivitäten der Länder würden wahrscheinlich 800 und mehr Seiten auch nicht reichen. Meine Damen und Herren! Es gibt aber doch beachtliche Bemühungen der Länder im Bereich der Außenpolitik. Ich nenne als Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria. Dieser Arbeitsgemeinschaft gehören nicht nur Länder wie Kärnten und Steiermark an, sondern in dieser sind auch Regionen Ungarns, Sloweniens und Italiens aktiv. Daher hätte ich mir erwartet, dass diese Aktivitäten im Außenpolitischen Bericht zumindest eine Erwähnung finden, denn die Ziele dieser länderübergreifenden und letztlich internationalen Arbeitsgemeinschaft sind mit unseren staatspolitischen Zielen identisch.

Ziel dieser Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria war es immer, in einer größeren grenzüberschreitenden Gemeinschaft die Zusammenarbeit im Bereich der wirtschaftlichen Belange, im Bereich des Kulturaustausches bis hin zum gemeinsamen Katastrophenschutz zu forcieren. In Summe sind das durchaus staatspolitische Ziele.

Meine Damen und Herren! Würden wir das nicht reklamieren, dann wären wir schlechte Ländervertreter. Daher werden Sie verstehen, dass wir insbesondere als Ländervertreter diesen Bericht in der vorliegenden Form nicht zur Kenntnis nehmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.02

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

14.02

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretärin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte mich all jenen anschließen, die der hohen Beamtenschaft im Außenministerium und der Frau Staatssekretärin ein dickes Lob ausgesprochen haben. Auch ich darf unterstreichen, dass der Bericht sehr übersichtlich gegliedert und auch sehr informativ ist.


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Frau Staatssekretärin! Ich darf auch erwähnen, dass ich eigentlich über Ihre Bescheidenheit betreffend das Jahr 1998 überrascht bin, weil Sie doch eine wesentliche tragende Säule im Außenministerium gewesen sind.

Frau Staatssekretärin! Sie haben den Endabschluss des Euro nur erwähnt. Ich glaube, dass es unbedingt notwendig ist, das um zwei, drei Punkte zu ergänzen. Ich denke auch an die Agenda 2000 und an den EU-Vertrag mit der Schweiz, bei dessen Abschluss wir Österreicher – wie ich sagen möchte – eine gewisse Geburtshelferfunktion gehabt haben, und zwar sicherlich auch aus Eigennutz in Anbetracht des Transitverkehrs. Außerdem möchte ich vor allem auch die Initiative zum Schutz der Kinder erwähnen.

In den letzten zwei Stunden ist sehr viel über die Europäische Union gesprochen worden, vor allem über die Osterweiterung. Meiner Meinung nach ist dabei allerdings die Betroffenheit der Arbeitnehmer sowohl auf der einen Seite als auch auf der anderen Seite zu kurz gekommen. Außerdem ist mir auch die Betroffenheit der Klein- und Mittelbetriebe aufgrund der Dienstleistungsfreiheit zu kurz gekommen. Aber ich bin gerne bereit, auch zum wirtschaftlichen Bereich, der immerhin einen sehr großen Teil von Arbeitnehmern beschäftigt, einige Anmerkungen zu machen.

Ich glaube, man braucht nicht zu wiederholen, dass die Osterweiterung insbesondere für uns Österreicher, aber auch für die gesamte Europäische Union eine sehr große Herausforderung ist. Wir sind aufgrund unserer Grenznähe besonders sensibel. Selbstverständlich können wir uns mit Übergangsregelungen und Übergangsfristen einverstanden erklären, doch lehne ich es nach wie vor ab, dass wir das zeitlich begrenzen. Wichtig ist für uns aber vor allem, dass man auch die Situation im Bereich der Beschäftigung, des Sozialen, der Umwelt, der Konsumenten, aber auch der Verkehrspolitik beachtet. Es muss darauf geachtet werden, dass die entsprechenden Vorgaben schon vor dem Beitritt der beitrittswilligen Ländern übernommen worden sind und auch umgesetzt sein müssen.

Nicht unwesentlich und unverzichtbar ist auch, dass in der Europäischen Union sichergestellt ist, dass eine Weiterentwicklung der europäischen Beschäftigungsunion und der europäischen Sozialunion auch in einer erweiterten Europäischen Union erfolgen muss. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nun in die bereits über zwei Stunden dauernde Diskussion einen neuen Aspekt einbringen. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass er bereits von irgendjemandem eingebracht werden wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige von Ihnen werden wissen – mit Sicherheit weiß es die Frau Staatssekretärin –, dass am 30. November in Seattle in den Vereinigten Staaten die WTO-Ministerkonferenz beginnt. Ich glaube, als Interessenvertreter von Arbeitnehmern darf man sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen, aber auch die Wirtschaft wäre dazu aufgerufen, sich mit dieser Ministerkonferenz aus europäischer Sicht auseinander zu setzen.

Vor wenigen Tagen hat die WTO eine zusätzliche Dimension bekommen. Es ist nämlich zu erwarten, dass China, das sich seit 13 Jahren um die Aufnahme in die WTO bemüht, bei dieser Konferenz in die WTO aufgenommen werden wird. Das bietet sicherlich auch für die Europäer eine Chance, in den chinesischen Markt zu importieren. Es bestehen dabei aber natürlich auch Gefahren für die europäischen Arbeitnehmer und für die europäische Wirtschaft, vor allem für jene, die keine globalen Spieler sind.

Ich meine, dass ich daher mit Fug und Recht die Forderung an die österreichische Politik stellen und erwarten kann, dass vor allem auch die Sozialpartner noch stärker als bisher in die innerösterreichische Koordination dieser Verhandlungen einbezogen werden. Bei den Verhandlungen selbst gilt es darauf zu achten, dass das Gesamtergebnis dieser Ministerkonferenz auf WTO-Ebene nicht dadurch zustande kommt, dass zwischen den einzelnen Abkommen der WTO ein Ergebnisaustausch erfolgt und dieser Ergebnisaustausch zu Lasten der Arbeitnehmer in Europa geht. Das gilt insbesondere auch für die Landwirtschaft und für die Dienstleistungen: Die Opfer sollen nicht von den Konsumenten und von den Arbeitnehmern erbracht werden müssen.


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Im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen – Kurzbezeichnung: Gats – ist die Personenfreizügigkeit eine der vier Einbringungsarten der Dienstleistungen. In diesem Bereich sind die Verhandlungen im Rahmen des Abkommens besonders heikel, und es darf keinesfalls zu einseitigen Zugeständnissen kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Verhandlungen entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Köln auch Ergebnisse in den Bereichen der sozialen Standards, des Handels sowie auch der Umwelt bringen müssen.

Es ist dies die letzte Gelegenheit für mich, im auslaufenden Jahrhundert noch einige Anmerkungen über die internationale Lage am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu machen, eines Jahrhunderts, das, wie es der renommierte britische Historiker Eric Hobsbawm formuliert hat, sehr kurz gewesen ist. Dieses Jahrhundert umspannte das Attentat in Sarajewo und den beginnenden Schrecken des Ersten Weltkrieges 1914 und erstreckte sich bis zur Bombardierung desselben Sarajewo und den Schrecken der diversen Balkankriege in den neunziger Jahren. Es ist dies ein Jahrhundert, das mit letztlich erfolglosen Friedensappellen einer Berta von Suttner begonnen hat und mit der Ohnmacht der Vereinten Nationen, weltweit Frieden und Entwicklung zu sichern, zu Ende geht.

Für uns Sozialdemokraten und auch für mich als Gewerkschafter sind das leider keine neuen Erfahrungen. Gerade die Ereignisse der letzten Monate in und um Jugoslawien haben uns neuerlich vor Augen geführt, dass wir schlecht beraten sind, wenn wir die Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik den so genannten Spezialisten, nämlich dem Militär oder den selbst ernannten nationalistischen und revanchistischen Propheten, überlassen. Wir wissen nur zu gut, dass politische und militärische Konflikte nicht zuletzt von sozialen Spannungen und Konflikten genährt werden. Dennoch mussten wir wieder dieselben Erfahrungen machen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Auch in Zeiten des allgemeinen Budgetsparens auch in Europa bedurfte es wiederum kaum einer Anstrengung seitens jener Regierungen, um die notwendigen finanziellen Mittel für kriegerische Operationen aufzutreiben und diese Kriegshandlungen durch eine aggressive Propaganda und durch die Verbreitung von Falschinformationen und Feindbildern zu rechtfertigen. Dass dies für die serbische Seite zutrifft, ist uns allen hinlänglich bekannt. Dass sich vielfach jedoch auch die so genannten alliierten Streitkräfte derselben oder ähnlicher Manipulationstechniken bedienten, ist vielen, vor allem der breiten Bevölkerung, weniger geläufig.

Geschätzte Damen und Herren! Weitgehend wird es daher den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Europas vorbehalten bleiben, etwa durch humanitäre Aktivitäten das Elend der aus dem Kosovo vertriebenen Flüchtlinge zu lindern. Auf Jahre hinaus werden unsere Steuerleistungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wahrscheinlich gefordert sein, um den Wiederaufbau dieser so sinnlos zerstörten Region Europas voranzutreiben. Ich zolle in diesem Zusammenhang der Aktion "Nachbar in Not", an der sich auch die österreichischen Arbeitnehmer in größtem Maße auf das Großzügigste beteiligt haben, meinen Tribut und meine vollste Anerkennung.

Ich weise in diesem Zusammenhang auch auf die Bemühungen zur Bekämpfung der verbrecherischen Technologie der Landminen hin, die in Jugoslawien wie in anderen Krisenherden der Welt, etwa in Moçambique oder in Kambodscha, gelegt wurden. Diesbezüglich spreche ich dem Außenministerium ein Lob aus. Denn es ist insbesondere auf die Bemühungen des Außenministeriums zurückzuführen, dass es zu einer Verabschiedung der internationalen Konvention gegen Landminen gekommen ist, sehr geehrte Frau Staatssekretärin! (Allgemeiner Beifall.)

Vieles bleibt jedoch noch zu tun. Es muss in unserem ureigensten Sinn als Österreicherinnen und Österreicher, vor allem als Sozialdemokraten und auch als Gewerkschafter sein, dass wir in Europa eine dauerhafte Friedensordnung schaffen, die auf der strikten Einhaltung des Völkerrechts basiert. Wir sagen daher ja zu der 1975 von der KSZE-Konferenz in Helsinki beschlossenen Unversetzlichkeit der europäischen Grenzen. Frau Staatssekretärin! Wir sagen daher ja zu einem gesamteuropäischen Sicherheitssystem, mit welchem die legitimen Sicherheitsinteressen aller europäischen Staaten berücksichtigt werden und ein Europa der Atomwaffenfreiheit, der


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Abrüstung und der Friedenspolitik angestrebt wird. Wir sagen als Sozialdemokraten auch ja zur Neutralität Österreichs und deren Beibehaltung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe Verständnis dafür, dass manche Kollegen von der Österreichischen Volkspartei und von der Freiheitlichen Partei (Bundesrat Schöls: Bitte nicht in einem Atemzug!) bei dem Wort "Neutralität" unruhig werden und vielleicht ihre hintersten Gedanken nicht mehr zügeln können. Aber im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik glauben wir, dass das der beste Grundstein einer solchen europäischen Friedensordnung sein könnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur der Friede scheint am Ausgang dieses Jahrhunderts Mangelware zu sein, ich behaupte, dass auch die weltweite soziale Entwicklung Mangelware ist. Auch 1998 – wie überhaupt in den letzten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts – hat sich die Kluft zwischen reichen und armen Ländern und zwischen Nord und Süd weiter vertieft. Das wissen auch Sie, Frau Staatssekretärin! Erst vor wenigen Wochen hat die UNDP, die Organisation für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, wiederum auf den Skandal der globalen Verarmung aufmerksam gemacht. Die drei reichsten Menschen der Welt verfügen demnach über ein größeres Vermögen, als das Bruttosozialprodukt aller am wenigsten entwickelten Länder beträgt. Meine sehr geehrten Damen und Herren Ich wiederhole: Die drei reichsten Menschen – Frau Staatssekretärin, ich erzähle das nicht für Sie, sondern für meine Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates – verfügen über ein größeres Vermögen, als das Bruttosozialprodukt aller am wenigsten entwickelten Länder insgesamt beträgt, und in diesen Ländern leben 600 Millionen Menschen.

Die UNDP zögert nicht, die immer stärker werdende auseinander klaffende Wohlstandsschere mit der dominierenden Wirtschaftspolitik der Globalisierung in Zusammenhang zu bringen. So heißt es auch im Bericht der UNDP: Die Marktwirtschaft ist zwar der beste Garant für eine effiziente Produktion, nicht aber für eine menschliche Entwicklung. Makroökonomische Strategien von Konzernen, von kriminellen Syndikaten und Regierungen schränken den Spielraum für Beschäftigungspolitik auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene immer stärker ein. Als Folge der berüchtigten Strukturanpassungsprogramme und der internationalen Finanzsituation ist zwar in sehr vielen Ländern die Inflation gesenkt und ein großer Teil der Wirtschaft privatisiert worden, zugleich hat sich aber die Arbeitslosigkeit mit ihren negativen sozialen Folgen dramatisch erhöht. Armut und Unterentwicklung haben sich weltweit vergrößert.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund hat daher unter anderem im Oktober 1998 der Dialogkonferenz der Mitgliedsländer – ich glaube, Sie haben das schon erwähnt, Frau Staatssekretärin – zweier regionaler Staatengemeinschaften, der Europäischen Union und der Entwicklungsgemeinschaft im südlichen Afrika, die einen der außenpolitischen Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft bildete, großes Interesse gewidmet und mitgeholfen – auch dafür sei herzlicher Dank gesagt –, eine begleitende Konferenz von Parlamentariern und von Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen zu ermöglichen.

Frau Staatssekretärin! Ich begrüße es, dass im kürzlich erschienenen Bericht über diese Konferenz nicht nur der Bedeutung der Sozialpartner und anderer Nicht-Regierungsorganisationen für die innenpolitische Suche nach realistischen Entwicklungsperspektiven großer Raum eingeräumt wird, sondern ich danke auch für den weltweiten Einsatz für neue, verträglichere und globalere Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte diese Betrachtung, die weltwirtschaftliche Betrachtung und die soziale Betrachtung, am Ende des 20. Jahrhunderts hier im Bundesrat vornehmen, weil ich meine, dass wir uns zwar sehr wohl – das ist unverzichtbar – mit wirtschaftlichen Fragen auseinander setzen, aber bei unseren gesamten Bemühungen die Menschen, die hier in Europa und darüber hinaus leben, immer zu kurz kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.24

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

4. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998 (III-194/BR und 6075/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1998 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich gleich zur Antragsverlesung komme:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. November 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

14.26

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Volksanwaltschaft hat uns, dem Bundesrat, nunmehr bereits zum dritten Mal ihren Jahresbericht vorgelegt. Dieser Bericht veranlasst mich zu der Feststellung, dass es aus demokratiepolitischen Überlegungen wirklich geboten erscheint, sich mit der Frage zu befassen, wie die Volksanwaltschaft als Instrument der parlamentarischen Kontrolle gestärkt werden kann, um ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag noch besser als bisher gerecht werden zu können.

Die Volksanwälte haben selbst in ihrem 20. Bericht über das Jahr 1996 einen ausformulierten Vorschlag dazu unterbreitet. Darüber hinaus wäre es aber auch sinnvoll, wenn der Nationalrat in einem eigenen Unterausschuss des Verfassungsausschusses diese Anregungen der Volksanwaltschaft, aber auch andere Überlegungen zur Stellung der Volksanwaltschaft in der österreichischen Verfassung beraten würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft hat wie in den vergangenen Jahren auch in diesem vorliegenden Bericht viele Problemsituationen aufgezeigt, mit denen auch wir Mandatarinnen und Mandatare sehr oft konfrontiert wurden und werden. Die Volksanwaltschaft hat auch Maßnahmen angeregt, um entsprechende Abhilfe zu schaffen. Teilweise wurde diesen Anregungen bereits Rechnung getragen. Ich denke dabei etwa an die Verlängerung der Frist zur Beantragung des Karenzgeldes, die nunmehr drei Monate beträgt. Ich denke aber auch an die rückwirkende Gewährung des Karenzgeldes bei Verzögerungen durch nachträgliche Feststellung der Versicherungspflicht von Beschäftigungsverhältnissen, wie es zum Beispiel unter Punkt 2.2.6.11 dargestellt wird. Aber auch im Leistungsrecht der Pensionsversicherung, im Bereich der Leistungen nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung und des


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Pflegegeldes sowie in vielen anderen Bereichen wurden ebenfalls Anregungen der Volksanwaltschaft bereits umgesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allerdings ist dem Anhang des Berichtes auch zu entnehmen, dass es zahlreiche Anregungen der Volksanwaltschaft gibt, die in den letzten Jahren erstellt und bereits mehrfach fortgeschrieben wurden und werden, ohne dass konkrete Maßnahmen gesetzt wurden oder die Bereitschaft erkennbar wäre, hier irgendwelche Änderungen herbeizuführen. Es handelt sich dabei etwa um die verbesserte Absicherung von pflegenden Angehörigen, die unter Aufbietung all ihrer Kräfte pflegebedürftigen Familienmitgliedern zur Seite stehen. Für diese Menschen schlägt die Volksanwaltschaft in diesem Jahresbericht abermals konkrete Maßnahmen vor, um deren Situation zu verbessern.

Immer wieder hat die Volksanwaltschaft auch die Lockerung des strengen Antragsprinzips im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung gefordert. Es ist auch aus meiner Sicht tatsächlich nicht einzusehen, wenn Ansprüche nach dem Gesetz zweifellos bestehen, der Bürger diese aber nicht erlangen kann, weil ihm diese nicht bekannt waren, er keine Beratung bekommen konnte oder – was ebenfalls von der Volksanwaltschaft wiederholt beanstandet wurde – eine Beratung unrichtig erfolgt ist. Auch wenn die Volksanwaltschaft in den zuletzt genannten Fällen bei nachgewiesenen Beratungsmängeln den Menschen zu den ihnen zustehenden Ansprüchen verhelfen konnte, sollten auch in den anderen Fällen Verbesserungen möglich sein.

Ich spreche hier aber auch den Wunsch der Damen und Herren Volksanwälte an, auch in den ausgegliederten Bereichen wie zum Beispiel Post, Eisenbahn, Verbund oder Wiener Verkehrsbetriebe – ich könnte hier noch eine Reihe von Gesellschaften anführen – ein Kontrollrecht ausüben zu können, weil dies, wie ich meine, auch im Interesse vieler unserer Bürger wäre.

Meine Damen und Herren! Mit Beschluss vom 6. Mai 1999 haben wir unsere Geschäftsordnung geändert und damit den Volksanwältinnen und Volksanwälten offiziell ein Rederecht eingeräumt. Ich meine, dass damit durch den Bundesrat eine Anerkennung dieser für unser Land so wichtigen Institution erfolgt ist. Meine Fraktion wird den vorliegenden Bericht zur Kenntnis nehmen. Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an die Volksanwaltschaft aussprechen. Ich möchte mich auch für die Auskunftsfreudigkeit im Ausschuss herzlich bedanken und diesen Dank mit den besten Wünschen für eine weitere erfolgreiche Tätigkeit verbinden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. – Bitte.

14.31

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und mein Herr von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Wir haben heute zum dritten Male hier in der Länderkammer die Möglichkeit, den Bericht der Volksanwaltschaft zu diskutieren und uns damit auch einen Einblick zu verschaffen, was in diesem Land so läuft.

Ich möchte am Beginn meiner Wortmeldung sowohl den beiden Damen von der Volksanwaltschaft, also den Volksanwältinnen, für ihre Tätigkeit als auch dem Herrn Volksanwalt für seine Tätigkeit ein aufrichtiges Danke sagen. Ich möchte es aber auch nicht verabsäumen, allen Mitarbeitern sowohl in der Volksanwaltschaft selbst als auch in den vorgelagerten Bereichen zu danken. In den Bundesländern ist auch in den Landesdienststellen und in den Gemeindedienststellen sehr viel an Zuarbeit erforderlich. Dafür möchte ich von dieser Stelle aus ebenfalls herzlich danken.

Ich kann es mir jetzt nicht verkneifen, betreffend das Personal der Volksanwaltschaft auch zu erwähnen, dass sich trotz mancher Kritik am Dienstrecht der Bediensteten der Volksanwaltschaft dieses Dienstrecht letztlich als sehr positiv herausgestellt hat. – Diese Bemerkung sei mir am Beginn gestattet.

Wir konnten dem Bericht entnehmen, dass in nahezu zehntausend Fällen Mitbürgerinnen und Mitbürger von dem gesetzlich verbrieften Recht Gebrauch gemacht haben, gewisse Dinge zu


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hinterfragen. Wir können dem Bericht auch entnehmen, dass nicht in allen Fällen die Kompetenz der Volksanwaltschaft gegeben ist, weil auch die Anzahl der Zivilrechtsfragen immer stärker zunimmt. – Aber ich glaube, das zeigt, dass wir uns in Richtung mündiger Bürger entwickeln und dass unsere Bürgerinnen und Bürger von der Möglichkeit Gebrauch machen, auch gewisse Dinge zu hinterfragen, die nach dem Motto gehandhabt werden: Es wurde angeordnet, und daher wird es schon stimmen! – Diese Mentalität ist Gott sei Dank im Aussterben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch jene Bestrebungen besonders erwähnen, die dazu führen, dass die Möglichkeit, die Damen und den Herr der Volksanwaltschaft anzusprechen und von diesem Informationsrecht Gebrauch zu machen, nicht nur – wobei ich als öffentlich Bediensteter nicht möchte, dass Sie das als abwertend verstehen – in den Amtsstuben besteht, sondern dass diesbezüglich auch sehr unkonventionelle Wege beschritten werden. – Auch dafür ein herzliches Danke.

Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht der Volksanwaltschaft gibt aber auch uns, die wir in der Gesetzgebung mit verantwortlich sind, ein Feedback über die Befindlichkeit der Menschen in diesem Land. So zeigt der Bericht auch, dass die Volksanwaltschaft nicht das ist, was man im Volksmund gelegentlich als "Salzamt" bezeichnet, bei dem eine Vertröstungstaktik betrieben wird und das quasi der "Landes- oder Bundesgrabstein" ist, bei dem man sich ausweinen kann, und damit hat es sich. Ich möchte ganz besonders darauf aufmerksam machen und meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass in sehr vielen Fällen auch Lösungen gefunden wurden, wenngleich manches auch bis dato noch keiner gerechten Lösung zugeführt werden konnte.

Hohes Haus! Dieser Bericht ist für mich aber auch das, was im bekannten Joe Harry-Fenster als der blinde Fleck angesprochen werden kann. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass viele Gesetze, die unter dem Schlagwort Anlassgesetzgebung von uns Parlamentariern beschlossen werden, den Menschen draußen im Land sehr wohl Probleme bereiten, wobei ich an dieser Stelle – ich habe mit Ihrer Reaktion gerechnet, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von der Freiheitlichen Partei – sagen muss, dass das selbstverständlich auch eine Schwäche der Regierenden ist. Aber für viele Bestimmungen, die bei dieser Anlassgesetzgebung passiert sind, waren Sie das, was ich als Genius Loci bezeichnen möchte. Sie haben hier manche Dinge in den Raum gestellt und waren dann – das ist jetzt ein Vorwurf, den ich auch meiner Partei mache – zu feige oder vielleicht zu bequem, die Dinge richtig darzustellen. Aber Sie richten sich teilweise selbst, denn aus dem hoch gepriesenen Kinderscheck ist schon ein Kinderschreck geworden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In manchen anderen Dingen verhält es sich auch so, dass sich Ihre Versprechen dann selbst auflösen. – Ich sage hier: Die Schwäche der regierenden Parteien, der "Hoheit über dem Stammtisch" nachzugeben und die Anlassgesetzgebung verstärkt voranzutreiben, ist ein Punkt, der mir aufstößt und den ich hier angesprochen haben möchte.

Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Bereich betrifft die Tatsache – das sage ich jetzt als Interessenvertreter der öffentlich Bediensteten, weil ich natürlich nicht darüber hinwegsehen möchte und auch nicht kann –, dass viele angesprochene Mängel aus menschlichem Fehlverhalten der in den Verwaltungsstellen Tätigen resultieren. Das soll und darf überhaupt nicht verschwiegen werden. Es ergeben sich aber bedauerlicherweise auch viele Mängel, die der Bevölkerung aufstoßen, im Zusammenhang mit der Länge mancher Verfahren, die darauf zurückzuführen ist, dass die Personalsituation in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes schlichtweg unzulässig ist; ich denke da beispielsweise an den Personalstand des nicht richterlichen Personals. In Anbetracht dessen ist es ein Skandal, dass hier nicht die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden, sondern dass wir den Menschen lange Zeiträume vorschreiben, um zu ihrem Recht zu kommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das Gleiche gilt auch für manche Bereiche der Finanzverwaltung, in denen sich auch gewisse Dinge ereignet haben. Manchmal wird so getan, als ob das Dienstrecht der öffentlich Bediensteten so gut sei, wir uns nur auf den Lorbeeren auszuruhen bräuchten, ohnedies alles gesichert


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sei und es zahlreiche Privilegien gebe. Solche Schlagwörter hört man oft. Daher habe ich mit großem Interesse auf Seite 164 des Berichtes gelesen:

Eine in den Auswirkungen noch weit bedenklichere Haltung hat der Bundesminister für Inneres als oberste Dienstbehörde im Falle eines Gendarmeriebeamten eingenommen. Der Beamte litt an einer ärztlich attestierten psychischen Störung, wodurch die Verlässlichkeit zum Führen und Gebrauch einer Faustfeuerwaffe zweifelhaft war. Die Krankenstandsmeldung wurde dienstbehördlich nicht akzeptiert, der Beamte wurde ohne Bedachtnahme auf die ärztlichen Feststellungen für voll exekutivdiensttauglich gehalten, und es wurde ihm verboten, im Falle einer weiteren krankheitsbedingten Abwesenheit privatärztliche Bescheinigungen vorzulegen.

Diesen Umstand nahm der Bundesminister für Inneres aufsichtsbehördlich nun nicht – wie zu erwarten wäre – zum Anlass einer Klarstellung an die nachgeordnete Dienstbehörde, sondern er ließ diese von der Volksanwaltschaft schließlich als schikanös bezeichnete Anordnung weiter in Kraft. – Das ist nur ein kleines Streiflicht auf das, womit die angeblich privilegierten Bediensteten in den Amtsstuben zu tun haben.

Ich komme zum Schluss und möchte noch einmal für das Zustandekommen dieses objektiven Berichtes danken. Ich darf mitteilen, dass meine Fraktion diesem Bericht natürlich die Zustimmung erteilen wird.

Ich möchte nun aber das, was meine Vorrednerin angesprochen hat, als Wunsch noch einmal deponieren: Es ist höchst an der Zeit, dass wir als Parlamentarier der berechtigten Aufforderung der Volksanwaltschaft nachkommen, uns mit jenen Punkten, welche diese in ihrem 20. Bericht angesprochen hat, zu befassen. Ich denke jetzt vor allem daran, dass, wenn mit den Ausgliederungen einige Punkte vakant werden, Handlungsbedarf gegeben ist und die qualifizierte Arbeit der Volksanwaltschaft der Vergangenheit auch in Zukunft fortgesetzt werden muss. Aus diesem Grund unterstützen wir und unterstütze ich diese Anregungen voll. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm dieses.

14.41

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Korosec! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Dr. Krammer! Sehr geehrter Herr Volksanwalt Schender! Werte Damen und Herren! Wie schon die früheren Berichte der Volksanwaltschaft gibt auch der heute vorliegende 22. und dem Bundesrat vorgelegte dritte Bericht über das Geschäftsjahr 1998 meiner Fraktion und mir persönlich Anlass, den Volksanwälten und ihren Mitarbeitern erneut aufrichtig Dank zu sagen und höchsten Respekt für ihre hervorragende Arbeit zu zollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Anerkennung gebührt den nicht hoch genug zu schätzenden Leistungen zur Erhaltung und zum Ausbau der rechtsstaatlichen Struktur unserer Gesetzesvollziehung, nicht minder für den Rechtsschutz unserer Bürger, ja vielfach sogar für deren Zugang zum Recht überhaupt, der erst durch die Einschaltung der Volksanwaltschaft gewährleistet ist, weil sich zahlreiche Bürger die hoch qualifizierte Beratung durch zu honorierende Rechtsfreunde wie Rechtsanwälte und Notare gar nicht leisten könnten.

Der Bericht als solcher ist umfassend, in sachlich anspruchsvoller Weise und dennoch zugleich praxisnahe und gut nachvollziehbar erstellt. In 9 792 Fällen war die Volksanwaltschaft im Berichtsjahr eingeschaltet, und von den erledigten 5 173 Fällen waren immerhin 878 Beschwerden berechtigt beziehungsweise führten zu Beanstandungen.

Höchst bemerkenswert erscheint uns, dass die Volksanwaltschaft in zunehmendem Maße auch in solchen Fällen befasst worden ist, in welchen ihr streng nach dem Gesetz gar keine Prüfungskompetenz mehr zukommt. Ich spreche damit die ausgegliederten Unternehmen und Organisationen an, auf die ich noch zurückkommen werde.


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So erfolgreich das Wirken der Volksanwaltschaft auch im Geschäftsjahr 1998 wieder war, so sehr bedrücken bei näherem Studium der behandelten Problembereiche die aus dem Bericht klar ersichtlichen rechtsstaatlichen Defizite und strukturellen Mängel der Gesetzesvollziehung, handelt es sich dabei doch vielfach nicht bloß um untypische Fehlleistungen einzelner Organe oder lediglich um Härtefälle, die aus Lücken oder Mängeln der Gesetze resultieren. Als Rechtslehrer im Zivilberuf, der, ohne seine Hörer allzu praxisfern unterrichten zu wollen, immer noch von der grundsätzlich hohen Qualität und Leistungsfähigkeit unserer Rechtsprechung überzeugt ist, haben mich aber gerade die auf die Justiz bezogenen negativen Wahrnehmungen der Volksanwaltschaft ganz besonders irritiert.

Bedenkt man zudem, dass die Volksanwaltschaft diesen Zweig der Vollziehung mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit ausschließlich in Bezug auf die Justizverwaltung überprüfen darf, dann machen die der Gerichtsbarkeit geltenden Beanstandungen umso mehr betroffen. Hier reicht die Palette der Kritik von der unzumutbaren Verfahrensdauer bis zu schweren Eingriffen in Bürgerrechte durch fehlerhafte, insbesondere abgeirrte Exekutionen, die sich fälschlich gegen Schuldner, die einen gleichen oder ähnlichen Namen wie der tatsächlich Verpflichtete tragen, richteten.

Was die überlange Verfahrensdauer betrifft, so beruht diese gewiss auf vielfältigen Faktoren, insbesondere auf der Komplexität mancher Verfahrensgegenstände, oft aber auch auf Fehlverhalten der Beteiligten und nicht zuletzt allerdings auch auf der unzureichenden finanziellen und auch personellen Ausstattung der Justiz. Dieser Umstand muss jedoch der Regierung angelastet werden, der die Qualität und die Effizienz der Rechtspflege offensichtlich kein vorrangiges politisches Anliegen ist.

Bedauerlicherweise beruht dieses Phänomen allzu oft aber auch auf der mangelnden Entscheidungsfreudigkeit von Richtern und auf Verfahrensstillständen, die durch Säumigkeit der vom Gericht bestellten Sachverständigen bedingt sind.

Aus der Sicht des Parlaments – jetzt komme ich auf meinen Vorredner zurück – muss freilich am negativsten berühren, dass allzu viele der im Bericht der Volksanwaltschaft erstatteten konstruktiven Vorschläge für legislative Verbesserungen, welche die Volksanwaltschaft aus ihren konkreten Erfahrungen mit Vollzugsdefiziten entwickelt hat, folgenlos geblieben sind, das heißt, dass sie weitaus überwiegend weder in Form von Regierungsvorlagen noch von parlamentarischen Initiativanträgen umgesetzt wurden. Das gilt vor allem für die Kompetenzen der Volksanwaltschaft als solcher.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere daran, dass meine Fraktion zuletzt am 22. Oktober 1998 in einem Entschließungsantrag zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft gefordert hat, dass die Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf die ausgegliederten Rechtsträger im Umfang der Zuständigkeit des Rechnungshofes erweitert werden sollte, zumindest in Fällen des Mehrheitseigentums des prüfungspflichtigen öffentlichen Rechtsträgers. Denn wir hatten bei gewissen Ausgliederungen den fatalen Eindruck, dass es den Regierungsparteien dabei nicht zuletzt um den Ausschluss der Rechnungskontrolle und der Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft zu tun war.

Es geht jedoch nicht an, dass sich das Parlament sehenden Auges selbst entmachtet, indem es sich seiner Kontrollfunktionen begibt, die es mittels des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft, also mit Hilfe von allein dem Parlament verantwortlichen Organen, ausübt. Als wir die Prüfungspflicht auch in Bezug auf die ausgegliederten Unternehmungen beziehungsweise Einrichtungen einforderten, sind wir mit diesem rechtsstaatlichen Anliegen bedauerlicherweise allein geblieben.

Gleiches gilt für unsere weiteren damaligen Anträge betreffend die Anordnung einer entsprechend knapp bemessenen Frist für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte an die Volksanwaltschaft, betreffend die Verpflichtung der Bundesregierung, die Nichtumsetzung legislativer Anregungen der Volksanwaltschaft innerhalb einer bestimmten Frist zu begründen,


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und betreffend die Teilnahme der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse des Nationalrates und des Bundesrates.

Einen auf die ausgegliederten Unternehmen bezogenen Verfassungsgesetzentwurf hatte die Volksanwaltschaft selbst konkret ausformuliert und sich dabei an der vorbildlichen Regelung des Landes Vorarlberg orientiert.

Ebenso sehr bedaure ich, dass zahlreiche höchst sachgerechte legislative Anregungen der Volksanwaltschaft, oft sogar bereits seit mehreren Jahren unwidersprochen erhobene Forderungen bis heute nicht realisiert worden sind. – Bloß beispielhaft führe ich Folgendes an:

Bis heute fehlt eine Angleichung der für Amtshaftungsansprüche des Bürgers geltenden kürzeren als die im allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzrecht vorgesehenen längeren Verjährungsfristen, denn es dürfen sich doch gerade die der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung verpflichteten Körperschaften nicht bei Fehlverhalten ihrer Organe noch selbst privilegieren. Mit Recht hebt die Volksanwaltschaft auch den laufenden Abbau von Anrainerrechten in gewerblichen Betriebsgenehmigungsverfahren hervor. Selbst das anzuerkennende vorrangige Anliegen, den Wirtschaftsstandort Österreich zu fördern, rechtfertigt nämlich nicht, dass rechtsstaatlich gebotene Bürgerrechte eliminiert werden.

Besonders dankenswert erscheint mir, dass die Volksanwälte – selbst ehemalige Parlamentarier und von verschiedenen Parteien entsandt – die Besetzung der Planstellen leitender Beamter nach dem koalitionären Proporz in verschiedenen Bereichen, insbesondere in jenem des Schulwesens, mehrfach deutlich gemacht und scharf kritisiert haben. Mit guten Gründen fordert daher die Volksanwaltschaft seit Jahren die Aufhebung des verfassungsrechtlich verankerten Parteienproporzes in den vorschlagsberechtigten Kollegien der Bezirks- oder Landesschulräte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da sich indes die gesamte von mir geübte Kritik keineswegs an die Volksanwaltschaft selbst richtet, sondern vielmehr ausschließlich an die Bundesregierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit, nimmt meine Fraktion den exzellenten Bericht der Volksanwaltschaft selbstverständlich mit voller Zustimmung zur Kenntnis. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.49

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile ihm dieses.

14.49

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der heute zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung vorliegende Jahresbericht der Volksanwaltschaft über das Kalenderjahr 1998 ist eine sehr anschauliche und übersichtliche Dokumentation der Tätigkeit dieser verfassungsmäßigen Einrichtung. Er liegt nunmehr zum dritten Mal auch dem Bundesrat vor.

Dieser Bericht enthält nicht nur Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die sich an die Volksanwaltschaft gewendet haben, sondern – was für mich von besonderer Bedeutung zu sein scheint – auch eine sehr eindrucksvolle Darlegung jener Bemühungen der Volksanwaltschaft, die letztlich zur Behebung von berechtigten Beschwerdeursachen geführt haben. Er enthält aber auch eine Übersicht jener Maßnahmen des Bundesgesetzgebers, die zu einer besseren Rechtssituation in Österreich ganz allgemein geführt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich dies vor allem anhand des Abschnittes, der das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales betrifft, verdeutlichen. – Die Volksanwaltschaft hat in den Abschnitten zu den jeweiligen Rechtsmaterien jene legistischen Maßnahmen angeführt, die seit dem 20. Tätigkeitsbericht umgesetzt wurden. Es handelt sich dabei um Verbesserungen des Versicherungsschutzes in der Krankenversicherung, des Leistungsrechtes der Pensionsversicherung sowie im Bereich des Leistungsrechtes der Arbeitslosenversicherung und des Pflegegeldes.


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Die Volksanwaltschaft hat darüber hinaus zahlreiche neue Anregungen in den heute zur Diskussion stehenden Bericht aufgenommen, deren Wichtigkeit daraus zu ersehen ist, dass Maßnahmen zu deren Umsetzung – wie uns allen bekannt ist – in die Wege geleitet wurden. In diesem Zusammenhang möchte ich aus dem Sozialbericht die Frage der Kostenübernahme für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung und die Frage des Gesamtvertrages über die psychotherapeutische Behandlung hervorheben.

Von den auch im Zusammenhang mit den Ländern stehenden Anregungen sind aus meiner Sicht jene von besonderer Bedeutung, welche die Anliegen behinderter Menschen und ihrer Angehörigen betreffen. Die Volksanwaltschaft weist zu Recht darauf hin, dass es eine Erklärung darüber geben muss, dass die Deckung des Aufwandes für notwendige Behelfe inkontinenter Menschen in Pflegeheimen nicht aus dem 20-prozentigen Pensionsanteil, der den Heimbewohnern als Taschengeld zur freien Verfügung zu verbleiben hat, sondern aus den Mitteln des jeweiligen Sozialhilfeträgers zu erfolgen hat. In gleicher Weise halte ich es für dringend geboten, dass der Anregung der Volksanwaltschaft Rechnung getragen wird, die Probleme bei der Ermittlung des Pflegebedarfes schwerst behinderter Kinder endlich einer Lösung zuzuführen.

Zum Bereich Finanzen zeigt die Volksanwaltschaft eine Problematik auf, die seit vielen Jahren weder durch die Gesetzgebung noch durch die Rechtspflege einer befriedigenden Lösung zugeführt werden konnte. Die durch die Gesetzeslage schwierige Differenzierung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten sollte so bald wie möglich einer Lösung zugeführt werden.

In allen Bereichen der Bundesvollziehung hat die Volksanwaltschaft aus meiner Sicht vermeidbare Verfahrensverzögerungen festgestellt. Ich glaube, dass es für die Bürger unseres Landes nicht zumutbar ist, dass sie auf Bescheide oder sonstige Erledigungen der Verwaltungsbehörde – wie in diesem Bericht der Volksanwaltschaft dargestellt ist – 24 Monate warten müssen. Mit dem Beispiel auf Seite 132 des Berichtes wurde das ganz besonders verdeutlicht. Aber auch im Gewerbeverfahren hat die Volksanwaltschaft Verfahrensverzögerungen festgestellt und dies im Bericht hervorgehoben. So stellt etwa die auf Seite 151 beschriebene 15-jährige Dauer eines derartigen Verfahrens einen exemplarischen Missstand dar, der – wie ich meine – zu Recht auch zu Unmut in der Bevölkerung führt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben – auch das wurde heute schon erwähnt – mit Beschluss vom 6. Mai 1999 unsere Geschäftsordnung dahin gehend geändert, dass den Volksanwälten offiziell ein Rederecht eingeräumt wurde. Sie können somit auch auf diesem Wege ihre Beanstandungen und Anregungen dem Bundesrat unmittelbar zur Kenntnis bringen. Dies ist auch aus meiner Sicht eine Anregung ihrer Tätigkeit. – Danke vielmals.

Dem Dank an die Volksanwaltschaft, der hier bereits mehrfach für die geleistete Arbeit ausgesprochen wurde, möchte ich mich daher anschließen und betonen, dass es nunmehr an den Ressorts gelegen ist, die Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft zu intensivieren oder zu verbessern beziehungsweise an der Umsetzung der von den Volksanwälten angeregten Maßnahmen zu arbeiten und festgestellte Schwachstellen zu beseitigen. – Recht herzlichen Dank für diese Anregung! – Meine Fraktion kann diesem Bericht der Volksanwaltschaft die volle Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm dieses.

14.56

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und geschätzter Herr der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Ich möchte mich am Beginn auch dem Dank anschließen, den meine Vorrednerin und meine Vorredner schon ausgedrückt haben. Ich meine, die Volksanwaltschaft hat auch ein Stück der Aufgabe übernommen, dem Bürger und der Bürgerin ein Stück der Ohnmacht im wahrsten Sinne des Wortes – denn man hat oft das Gefühl, ohne Macht zu sein, das empfinden die Bürger in dem einen oder anderen Fall schlicht und einfach – zu nehmen und ein Stück Macht zurückzugeben.


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658. Sitzung / Seite 64

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Bericht ist, wie ich meine, in erster Linie eine wichtige Unterstützung und ein wichtiger Input für uns Parlamentarier, denn er legt dar, welche Missstände unter Umständen auftreten können und welche Gesetze in ihrer Endausprägung schlecht anwendbar sind.

Ich denke, dass dieser Bericht auch die Bewertung unserer Arbeit beinhaltet, nämlich die Kontrolltätigkeit gegenüber der Regierung und unserer Tätigkeit in den Ausschüssen bei der Entwicklung von Gesetzen. Denn ich glaube, es passiert auch – da bin ich mit Herrn Kollegen Schöls einer Meinung –, dass Gesetze, obwohl wir sie nach bestem Wissen und Gewissen hier beschließen, in der Endauswirkung nicht so das Ziel erreichen, wie es geplant und angelegt war. Daher sind die diesbezüglichen Anregungen der Volksanwaltschaft aus meiner Sicht für uns sehr wertvoll.

Nun ein paar Bemerkungen und Gedanken zum Inhalt des Berichtes. – Auffällig ist, dass es eine Zunahme der Beschwerden gegeben hat. Für mich ist das ein Zeichen in mehrfacher Hinsicht. Auch ich glaube, dass das möglicherweise ein Stück Qualitätskriterium für den Bürger ist und dessen Mündigkeit zeigt. Ich glaube aber auch, dass eine Ursache dafür durchaus auch in der Verwaltung und in den Gesetzen liegt. Es gibt wahrscheinlich ein Bündel von Ursachen.

Interessant für mich war die Information auf Seite 14, dass ein Auskunftsdienst eingerichtet wurde: Es hat insgesamt rund 5 600 telefonische und persönliche Auskünfte gegeben, in ungefähr 3 000 Fällen lag Nichtzuständigkeit der Volksanwaltschaft im Bereich zivilrechtlicher Angelegenheiten vor. Auffällig im Zusammenhang mit diesen zivilrechtlichen Angelegenheiten ist, dass ungefähr 62 Prozent davon das Thema Familienrecht betrafen. Ich glaube daher, dass hier Handlungsbedarf im Sinne von Aufklärung und Klarstellung besteht, etwa bei allen Fragen der Unterhalts-, Obsorge- und Besuchsregelungen nach Scheidungen. Ich denke, dass auch dieser Teil des Berichtes zum Nachdenken anregen sollte, ob die Unterstützung betreffend die Klarheit der Gesetze für den Bürger tatsächlich so ist, wie sie sein sollte.

Von Interesse waren für mich auch die Ausführungen auf Seite 117. Es geht da um die Differenzierung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten. Die Volksanwaltschaft wurde vermehrt mit Beschwerden konfrontiert, die sich gegen die Verweigerung der Anerkennung von Bildungsmaßnahmen als abzugsfähige Werbungskosten richteten.

Im Grunde genommen haben wir heute in der Wirtschaft eine Situation, in der sich Technologien sehr schnell verändern. Wir wissen, dass wir heute, bis wir in Pension gehen, ungefähr drei bis fünf Berufsbilder erlernen müssen. Wir haben es mit einer globalisierten Welt, mit einer internationalisierten Welt zu tun; Kollege Drochter hat in seinem Bericht ausführlich dazu Stellung genommen. Das heisst, Lernen und Bildung werden für Menschen in diesem Land in Zukunft ein Schlüsselfaktor werden, und zwar viel mehr, als bisher in der gesetzlichen Realität abgebildet worden ist.

Ich zitiere bewusst aus dem Bericht, in dem steht: "Die derzeitige Abgrenzung zwischen der bei den Werbungskosten angesiedelten Weiterbildung und der steuerlich nicht zu berücksichtigenden Ausbildung ist einerseits schwierig und andererseits in ihren Ergebnissen unbefriedigend. Sie begünstigt lediglich die Fortbildung in den engen Grenzen des bestehenden Berufsbildes. Der Aufstieg in eine – auch in der selben Berufssparte liegende – höhere Ausbildungsebene wird steuerlich nicht berücksichtigt, geschweige eine wirtschaftlich noch so sinnvolle Umschulung in andere Berufssparten. Den heutigen Gegebenheiten würde es besser entsprechen, die für eine sinnvolle Berufsentwicklung – sei sie nach derzeitigen Kriterien Ausbildung oder Fortbildung – getätigten Aufwendungen steuerlich gleich zu behandeln. Dies könnte mit strengeren Anforderungen bei der steuerlichen Absetzung von Fortbildungskosten einhergehen und auf diese Weise Aufkommensneutralität gewährleistet sein." – Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Ich würde es für sehr sinnvoll halten, diese Differenzierung, wie sie derzeit ist, auch entsprechend aufzuheben.


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658. Sitzung / Seite 65

Ich glaube, da ist dringender Handlungsbedarf gegeben, um den Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich den Anforderungen eines sich schnell ändernden Arbeitsmarktes in Form von Bildung anzupassen.

Abschliessend möchte ich sagen, es ist wohltuend zu wissen, dass Sie von der Volksanwaltschaft nicht nur die Gespräche in den Landeshauptstädten suchen, sondern auch vor Ort in den Bezirkshauptstädten und in den Regionen tätig sind.

Geschätzte Damen und geschätzter Herr der Volksanwaltschaft! Ich glaube, Sie sind ein wichtiges Bindeglied geworden. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit, und wir werden dem Bericht natürlich zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.03

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

15.03

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und sehr geehrter Herr Volksanwalt! Alle meine Kollegen haben schon sehr viel Dank und Lob für Ihre Tätigkeit ausgesprochen. Ich möchte es daher nicht im Einzelnen wiederholen, sondern mich diesen Danksagungen insgesamt vollinhaltlich anschließen.

Es ist sehr angenehm, zu sehen oder auch in dem Bericht in vielen Bereichen zu lesen, dass vieles von dem, das Sie kritisieren, ohne Sie jetzt vereinnahmen zu wollen, auch wir schon als Kritik bei der Gesetzwerdung angemerkt haben, allerdings ohne gehört worden zu sein.

Es beruhigt mich nicht, dass Sie oft genug auch nicht gehört werden; ich kann aber dem Bericht entnehmen, dass es Ihnen doch schon etliche Male gelungen ist, und darüber bin ich sehr froh.

Besonders gefallen wäre jetzt schlecht ausgedrückt, aber es ist etwas, das mich besonders bewegt: Das dritte Mal lese ich in Ihren Volksanwaltschaftsberichten die berechtigte Kritik am Proporz im Schulwesen.

Leider hat sich diesbezüglich überhaupt nichts geändert, und ich kann dieser Ihrer Kritik nur zustimmen – aber nicht freudig, sondern leider. Ich bin Mitglied des Stadtschulratskollegiums in Wien, und ich erlebe ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ihr sagt das immer nur, aber es ändert sich nichts. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das erlebe ich auch immer wieder in der Praxis. Immer wieder gibt es große Worte, die die Abschaffung dieses Proporzes, nämlich von den beteiligten Parteien ÖVP und SPÖ, beschwören und auch versprechen, dass sie es tun werden, ohne dass sich etwas tut. Wir haben keinen einzigen Schuldirektor, wir haben keinen einzigen Landesschulinspektor, wir haben keinen einzigen Bezirksschulinspektor. Das habt ihr zwei euch brav aufgeteilt. Da braucht ihr nicht auf uns hinzuhacken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Es ist ein Malheur! – Bundesrat Prähauser: Gott sei Dank! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber ich verstehe natürlich schon, dass man versucht, die Schuld von sich zu weisen, wenn man ein schlechtes Gewissen hat, wie Sie es offensichtlich haben. (Bundesrat Payer: Es regt sich nur die ÖVP auf!) – Ich glaube, es ist eher so, dass die ÖVP das Gedächtnis verlassen hat. Ich glaube, ihr habt gar kein Gedächtnis. Da ist es noch besser, man hat ein Kurzzeitgedächtnis.

Ebenso weisen Sie darauf hin – das ist einer der Punkte, den ich anfangs angesprochen habe und bei dem wir schon Kritik geübt haben –, dass Sie bei der Berufsreifeprüfung zu Recht beklagen, dass der Zugang nicht einheitlich geregelt ist, dass es verschiedene Ausbildungen gibt, die keinen "Zulass" haben. Ich muss aber dazusagen, dass wir die Berufsreifeprüfung insgesamt kritisch gesehen haben; nicht nur wegen der vorhersehbaren Schwierigkeiten, sondern auch weil wir gemeint haben, die derzeit geltenden Instrumente – dafür spricht die Studienberechtigungsprüfung oder das Nachholen einer Matura – wären ausreichende Instrumentarien gewesen.


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Auch beim Akademie-Studiengesetz gibt es dieselbe Verfahrensweise. Selbstverständlich haben Sie Recht, wenn Sie bekritteln, dass es keine einheitliche Lehrerausbildung gibt oder dass sie aufgrund der autonomen Lehrpläne der einzelnen Akademien zumindest in großer Gefahr ist. Noch dazu ist dieses Akademie-Studiengesetz nicht Fisch und nicht Fleisch, weil Frau Ministerin Gehrer gesagt hat – das ist auch unsere Kritik –, dass es keine Hochschule sei, das müsse man sich jetzt anschauen und dann sehen, wie es weitergeht. Das ist ein Synonym für die Schulpolitik der Frau Ministerin Gehrer. Da hat sich leider auch nichts geändert und wird sich auch so schnell nichts ändern.

Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings auch, dass die Sozialdemokraten im Stadtschulrat auch eine ablehnende Stellungnahme zu diesem Akademie-Studiengesetz abgegeben haben, und zwar mit einer ähnlichen Begründung.

Das heißt insgesamt, es ist gut, sehr geehrte Damen und sehr geehrter Herr von der Volksanwaltschaft, dass es Sie gibt. Das Problem der ausgegliederten Institutionen, bei denen Sie nicht mehr von Rechts wegen prüfen dürfen, halte ich auch für eine Schwäche, und so weit es uns betrifft, werden wir Ihre Forderung, dass das geregelt wird, gerne unterstützen. Kollege Schöls hat heute auch schon anklingen lassen, dass ihm das ein Anliegen ist, und da kann er dann den Wahrheitsbeweis antreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Ich habe kein Problem mit dem Wahrheitsbeweis!)

Jedenfalls vielen Dank für Ihre Arbeit. Diesem Bericht stimmen wir besonders gerne zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.09

Vizepräsident Dr. Milan Linzer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Volksanwältin Ingrid Korosec. Ich erteile ihr dieses.

15.09

Volksanwältin Ingrid Korosec: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Hohes Haus! Als derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft darf ich zu den aufgeworfenen Fragen, aber vor allem zu allgemeinen Überlegungen, die unseren Bericht betreffen, Stellung beziehen.

Vorweg bedanke ich mich aber sehr herzlich im Namen meiner Kollegin, meines Kollegen und im eigenen Namen für das Lob, das von allen Fraktionen dieses Hauses an uns gerichtet wurde. Ich danke auch für das Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn, wie ich schon im Ausschuss gesagt habe, wir Volksanwälte sind mit Begeisterung bei der Sache. Es ist eine unglaublich faszinierende Aufgabe, für Menschen da zu sein – aber mit Menschen. Wir allein könnten es nicht.

Es ist ganz wesentlich, dass unsere Mitarbeiter gute Juristen und natürlich Juristinnen sind, das ist die Voraussetzung. Wir haben in unserem Bereich 50 Prozent Juristinnen und 50 Prozent Juristen, also bei uns gibt es eine Ausgewogenheit. Aber davon abgesehen, dass sie fachlich gut sein müssen, ist ganz wichtig, dass auch die soziale Komponente stimmt, weil es sich bei jedem Fall um Menschen handelt, um ein Schicksal handelt, bei dem wir zu helfen versuchen. Daher sind wir wirklich ein Team, die drei Volksanwälte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich danke natürlich, dass wir mit Lob bedacht wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Seit 22 Jahren gibt es die Volksanwaltschaft – eine Institution, die, als sie gegründet wurde, durchaus nicht mit ganz großer Begeisterung von allen aufgenommen wurde, denn man hat zuerst einmal gemeint, man mache es befristet, man müsse sich das anschauen. Man konnte dann aber sofort feststellen, wie groß der Zulauf der Bevölkerung war, und 1981 hat man es fixiert.

Die Volksanwaltschaft ist sehr wichtig, das wurde heute auch sehr zum Ausdruck gebracht, aber wie alles muss man sich auch weiter entwickeln. Es ist ganz wesentlich – die Wortmeldungen haben das heute wieder deutlich gezeigt –: Auch die Volksanwaltschaft muss sich weiter entwickeln. Ich denke nur an die ausgegliederten Betriebe, es ist nach wie vor für die Bürgerinnen


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und Bürger unfassbar, dass die Post, die Bahn, die Bundesforste oder die Bundestheater et cetera – wir wissen nicht, was noch alles kommt – plötzlich von der Volksanwaltschaft nicht mehr geprüft werden sollen. Was hat sich geändert, was hat sich am Mehrheitseigentümer geändert? – Das sind doch keine Privatisierungen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es tatsächlich um Privatisierungen geht, dann schaut die Welt ganz anders aus. Aber so ist es nicht. Ich danke sehr herzlich, und ich habe von allen drei in diesem Haus vertretenen Fraktionen heute deutlich Zustimmung gehört. Das macht mich sehr froh, weil ich annehme, dass das sicher in irgendeiner Form weiter behandelt wird. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wäre es sicher von Vorteil, wenn hier eine Änderung käme.

Wir haben – das wurde auch gesagt – eingebracht, dass wir die Möglichkeit bekommen, im Ausschuss unsere Meinung zu vertreten, und zwar im direkten Dialog, weil es einfacher ist, ein Beispiel in einem Ausschuss mit den Abgeordneten und Bundesräten anzuführen. Natürlich kann man als Gegenargument sagen, wir können schriftliche Begutachtungen machen, aber viel wirkungsvoller ist natürlich das Gespräch. Wir sind sehr dankbar, dass der Bundesrat diesbezüglich Vorreiterstellung eingenommen, Pioniertätigkeit übernommen hat und wir die Möglichkeit haben, bei Ihnen in den Ausschuss zu kommen, wenn wir glauben, es ist notwendig.

Das vergangene halbe Jahr hat gezeigt, dass wir Sie nicht mit ständiger Anwesenheit im Ausschuss nerven. Wir waren einmal in einer ganz konkreten Sache bei Ihnen, im Zusammenhang mit den Stempelmarken, weil wir gesagt haben, das ist wichtig. Im Ausschuss wurde gesagt – Sie werden sich daran erinnern –, dass wir auch wollten, dass dann, wenn die Stempelmarken fallen – in einigen Fällen sind sie gefallen –, als Zahlungsmittel auch Zahlscheine verwendet werden können. Das ist etwas ganz Logisches. Aus unerfindlichen Gründen hat das Finanzministerium gesagt, das ginge nicht. Auch im Ausschuss wurde damals von den Vertretern des Finanzministeriums gesagt, aus organisatorischen Gründen wäre das nicht machbar. Was ist passiert? – Einige Wochen später ist ein Erlass gekommen, in dem steht, dass es in Ausnahmefällen – was immer das heißt – durchaus möglich ist, auch Zahlscheine zu verwenden. – Das nur als kleines Beispiel, wie wichtig es gewesen wäre, wenn wir auch im Nationalrat vor der Gesetzwerdung diese Möglichkeit gehabt hätten.

Ich sage noch einmal: Ihre Pioniertätigkeit ist nicht zu unterschätzen. Ich bin davon überzeugt, es ist nur eine Frage der Zeit – uns geht alles zu langsam, weil wir ungeduldig sind –, bis wir auch im Nationalrat diese Möglichkeit bekommen.

Es wurde aufgezeigt, dass die Zahl der Prüfungsverfahren etwas gestiegen ist. Es sind 8 Prozent. Man kann nicht sagen, dass das den Schluss zulässt, dass die Verwaltung schlechter geworden ist. Aber ich gebe zu, worauf Herr Bundesrat Missethon hingewiesen hat, dass es natürlich schon mit der Gesetzgebung zusammenhängt. Immer mehr Menschen kommen zu uns, und wir üben auch Dolmetschtätigkeit aus, weil der Bürger das oft nicht mehr versteht und überhaupt nicht mehr weiß, welche Novelle die letzte Fassung ist, weil es oft in einem Jahr mehrere Novellen gibt.

Ich denke an die Studienförderung, zu der im Vorjahr drei Novellen gekommen sind. Auch die Studenten tun sich schon bei den Prüfungen schwer, weil sie nicht mehr wissen, was die letzte Fassung ist. Da ist schon etwas dran, und das ist auch der Grund, warum wir meinen, es sollten Änderungen kommen, wir sollten die Möglichkeit bekommen mitzuwirken. Ich sage immer als Schlagwort, eine Bürgerverträglichkeitsprüfung für Gesetze wäre sicher sinnvoll, weil das natürlich auch den Bürger verdrossen macht, und er sagt, er wird mit Dingen konfrontiert, die er nicht versteht. Er kann sich keinen Juristen leisten, nur damit er einmal ein Gesetz liest. – Also hier ist sicher Handlungsbedarf gegeben.

Es wurde auch von Ihnen angeführt – auch von Kollegen Missethon –, dass nahezu ein Drittel der 10 000, die bei uns vorgesprochen oder uns geschrieben haben, Zivilrechts- und in erster Linie Familienangelegenheiten an uns heran getragen haben. Das sind Probleme mit Scheidungen, mit Pflegschaftsangelegenheiten, mit Besuchsrecht. Natürlich versuchen wir, obwohl wir nicht zuständig sind – ich bin überzeugt davon, es ist auch in Ihrem Sinne, dass wir das so


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halten –, den Weg zu weisen, versuchen wir, Hilfestellung zu geben. Aber trotzdem: Das allein genügt nicht. Es müssen Änderungen kommen. Es ist einfach untragbar, dass zum Beispiel bei Alimentationen das Kind schon bald erwachsen ist, bis die Mutter endlich die Alimentation bekommt, weil die Gutachten immer wieder hinausgezögert werden und aus welchen Gründen auch immer der Gutachter keine Zeit hat. Es ist unglaublich, welche Schicksale sich abspielen. Da muss ich sagen, da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Eine stärkere Einbindung in den Gesetzgebungsprozess – das habe ich schon erwähnt – ist uns bisher nicht geglückt. Ich danke sehr für Ihre Unterstützung hier, und ich bin überzeugt, dass das sicher seine Auswirkung haben wird.

Ich möchte noch etwas sagen. Gerade der 3. Oktober hat gezeigt, dass die Menschen unzufrieden sind. Der 3. Oktober hat offensichtlich auch ausgelöst, dass wir den Medien entnehmen können, dass die Volksanwaltschaft aufgewertet werden soll. Ich möchte sagen, wir lesen das. Mit uns hat niemand gesprochen. Wenn es so ist, werden wir das sehr begrüßen. Es sind große Vorhaben beabsichtigt. Wir hoffen allerdings, dass wir bei diesen Diskussionen um Neuordnung des Bundesstaates, um Kontrolle der ausgegliederten Rechtsträger, um Deregulierung auch eingebunden werden, weil wir natürlich in dem Bereich viel Erfahrung haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein so schönes Land, und Österreich ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Wir haben hervorragende Wirtschaftsdaten. Es muss doch betroffen machen, dass trotzdem bei einer Wahl herauskommt, dass die Menschen so unzufrieden sind. Das sind aber die Probleme des kleinen Mannes, der kleinen Frau – genau die Probleme, mit denen wir täglich konfrontiert werden, bei denen die Menschen einfach das Gefühl haben, sie würden zu wenig beachtet, man gehe über sie hinweg, man nehme sie zu wenig ernst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf diese Probleme, die die Bürger haben, die glauben, die sogenannte große Politik gehe über sie hinweg, muss in Zukunft mehr geachtet werden. Wenn das gemacht wird, dann bin ich davon überzeugt, dass die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ganz anders sein wird.

Wir Volksanwälte sind bereit, alle unsere Möglichkeiten zu nützen, auszuschöpfen, damit wir beitragen, dass nicht die Menschen verstaatlicht werden, sondern der Staat immer mehr vermenschlicht wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und den Freiheitlichen.)

15.21


Bundesrat
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658. Sitzung / Seite 69

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Bitte, Herr Kollege Weilharter.

15.21

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Werte Volksanwälte! Kollege Schöls hat mich veranlasst, etwas klarzustellen. Er hat in seiner Rede Klage geführt, dass es sehr viel Anlassgesetzgebung gibt. Er hat für meine Begriffe in einer sehr mutigen Art seine eigene Partei dabei genannt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Gleichzeitig, meine Damen und Herren, hat er in diesem Zusammenhang das freiheitliche Modell, den sogenannten Kinderbetreuungsscheck, genannt und als Beispiel angeführt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich halte fest und stelle klar, dass allein der Versuch einer Zieldefinition einer politischen Partei mit Anlassgesetzgebung nicht gleichzustellen ist. Erstens ist es in formeller Hinsicht falsch und daher nach meinem Dafürhalten nicht zulässig, zweitens kann es sich dabei nur um die subjektive Meinung des Kollegen Schöls handeln (Zwischenruf des Bundesrates Schöls ), und drittens, meine Damen und Herren, halte ich auch fest, dass das freiheitliche Modell des Kinderbetreuungsschecks in keiner Weise etwas mit einer Anlassgesetzgebung zu tun hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich teile Ihnen mit, dass ein Selbständiger Antrag der Bundesräte Weiss und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes eingelangt ist. Da dieser Antrag von einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates unterstützt wird, wird er gemäß Artikel 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz unmittelbar dem Nationalrat unterbreitet.

Ich gebe Ihnen weiters noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 14 Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Dienstag, der 21. Dezember 1999, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen und soweit mit den Ländern das Einvernehmen über die Abstandnahme von der Einspruchsfrist besteht, sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das erste Halbjahr 2000.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 20. Dezember, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 15.26 Uhr