Stenographisches Protokoll
694.
Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 13. März 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
694. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 13. März 2003
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 13. März 2003: 9.06 – 19.11 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Erklärung der Bundesregierung
2. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden
3. Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird
4. Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird
*****
Inhalt
Bundesrat
Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht 5
Angelobung des Bundesrates Dr. Franz-Eduard Kühnel ................................... 5
Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend
Ersatzwahl in den Bundesrat ........................................................................................................ 6
Personalien
Krankmeldungen ............................................................................................... 5
Entschuldigungen ............................................................................................. 5
Ordnungsruf ................................................................................................ 120
Bundesregierung
Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung
sowie der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten ................................................................... 6
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 2 |
Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Bundesregierung
und der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................ 6
Wahlen in
Institutionen
Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen des Landeshauptmannes
von Tirol DDr. Herwig van Staa als Mitglied und des Ersten Landeshauptmann-Stellvertreters
der Steiermark Mag. Franz Voves als stellvertretendes Mitglied des
Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG 8
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ................................................................ 9
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................... 9
Verhandlungen
(1) Erklärung der Bundesregierung
Bundeskanzler Dr.
Wolfgang Schüssel ......................................................... 10
Debatte:
Albrecht Konecny ....................................................................... 18 und 115
Ludwig Bieringer ........................................................................ 27 und 119
Stefan Schennach ..................................................................................... 30
Dr. Peter Böhm ......................................................................................... 34
Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 39
Hans Ager ................................................................................................. 47
Dr. Elisabeth Hlavac .................................................................................. 50
Mag. John Gudenus ................................................................................. 52
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 56
Josef Saller ............................................................................................... 58
Manfred Gruber ........................................................................................ 59
Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger ................................................................... 65
Bundesminister Günther Platter ................................................................ 68
Dr. Andreas Schnider ............................................................................... 69
Johanna Schicker ..................................................................................... 71
Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................. 74
Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................... 77
Paul Fasching ........................................................................................... 79
Günther Molzbichler ................................................................................. 81
Ulrike Haunschmid ................................................................................... 82
Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................ 84
Margarete Aburumieh ............................................................................... 86
Harald Reisenberger ....................................................................... 89 und 97
Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ............................................. 93 und 99
Mag. Gerhard Tusek.................................................................................. 97
Roswitha Bachner ................................................................................... 100
Ing. Gerd Klamt........................................................................................ 104
Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ...................................................... 105
Mag. Harald Himmer ............................................................................... 107
Herbert Thumpser ................................................................................... 109
Jürgen Weiss .......................................................................................... 110
Karl Boden .............................................................................................. 113
Benno Sulzberger ................................................................................... 117
Engelbert Weilharter................................................................................ 118
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 3 |
Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode ............................................................................. 29
Annahme (E/184-BR/03) ............................................................................... 119
Entschließungsantrag der Bundesräte Hans Ager, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Irak-Krise ...................................................................................................................... 49
Annahme (E/185-BR/03) ............................................................................... 119
Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach und Kollegen betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich ..................................................................................................................... 116
Ablehnung .................................................................................................. 120
(2) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (34/A und 16/NR sowie 6768/BR d. B.)
Berichterstatter: Johann Kraml ...................................................................... 120
(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)
Redner:
Ilse Giesinger .......................................................................................... 121
Johanna Schicker ................................................................................... 121
Engelbert Weilharter ............................................................................... 122
Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................. 123
Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ........................................................................................................... 123
(3) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird (35/A und 17/NR sowie 6769/BR d. B.)
Berichterstatter: Günther Molzbichler ........................................................... 124
(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)
Redner:
Helmut Kritzinger .................................................................................... 124
Harald Reisenberger ................................................................................ 126
Staatssekretär Dr. Alfred Finz................................................................... 128
Mag. John Gudenus ................................................................................ 128
Martin Preineder ..................................................................................... 129
Hedda Kainz ........................................................................................... 130
Ing. Gerd Klamt ....................................................................................... 132
Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ........................................................................................................... 134
(4) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (39/A und 15/NR sowie 6770/BR d. B.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 4 |
Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ..................................................... ... 134
(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)
Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ........................................................................................................... 134
Eingebracht wurden
Anfragen
der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend Besteuerung von Pensionsabfindungen (2051/J-BR/03)
der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Zuschlag für Mehrlingsgeburten (2052/J-BR/03)
der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einrichtung eines Vorarlberger Beschäftigungsfonds (2053/J-BR/03)
der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Machbarkeitsstudie für einen Eisenbahntunnel durch den Pfänder (2054/J-BR/03)
der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Wissenschaft und Kultur betreffend finanzielle Gebarung des Denkmalfonds (2055/J-BR/03)
der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend „ganz besondere Publizistik-Förderung“ für das „Wiener Journal“ (2056/J-BR/03)
der Bundesräte Klaus Gasteiger und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Reformpläne im Bereich des Landesverteidigungsministeriums (2057/J-BR/03)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers
für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen
(1877/AB-BR/03 zu 2044/J-BR/02)
des
Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der
Bundesräte Jürgen Weiss und
KollegInnen (1878/AB-BR/03 zu 2045/J-BR/02)
des
Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen
(1879/AB-BR/03 zu 2046/J-BR/02)
des
Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1880/AB-BR/03 zu
2047/J-BR/02)
des
Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen
(1881/AB-BR/03 zu 2048/J-BR/02)
Präsident Herwig Hösele: Ich eröffne die 694. Sitzung des Bundesrates.
Das Amtliche Protokoll der 693. Sitzung des Bundesrates vom
30. Jänner 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als
genehmigt.
Krank
gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Walter Mayr, Reinhard Todt,
Uta Barbara Pühringer und Johann Ledolter.
Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Alfredo Rosenmaier, Gottfried
Kneifel und Wilhelm Grissemann.
Mandatsverzicht
und Angelobung
Präsident Herwig Hösele: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener
Landtages betreffend Mandatsverzicht.
Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.
Schriftführerin Hedda Kainz:
„Erster Präsident des Wiener Landtages Johann Hatzl
Sehr geehrter Herr Präsident!
Herr Bundesrat Mag. Michael Ikrath hat mit Wirkung vom 4. März
2003 sein an 11. Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurückgelegt. Auf
dieses Mandat rückte das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied, Herr
Dr. Franz Eduard Kühnel, nach.
Auf Vorschlag des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien wurde in der
Sitzung des Wiener Landtags vom 7. März 2003 Herr Mag. Werner
Suppan als neues Ersatzmitglied für die 11. Stelle gewählt.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Johann Hatzl“
Präsident Herwig Hösele: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde
daher sogleich seine Angelobung vornehmen.
Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die
Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.
Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.
Schriftführerin Hedda Kainz: „Sie werden geloben, unverbrüchliche Treue der
Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und
aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“
Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Ich gelobe, so wahr mir Gott
helfe.
Präsident Herwig Hösele: Ich begrüße Herrn Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel recht herzlich
in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 6 |
Einlauf und
Zuweisungen
Präsident Herwig Hösele:
Eingelangt ist
ferner ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages
betreffend Ersatzwahl in den Bundesrat.
Ich ersuche die
Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.
Schriftführerin
Hedda Kainz:
„Erste Präsidentin
des Oberösterreichischen Landtages Angela Orthner
Sehr geehrter Herr
Präsident!
Ich teile mit,
dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 23. Jänner 2003
gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der
Fassung von 1929 und Artikel 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die
Nachwahl eines Ersatzmannes durchgeführt hat.
Es wurde gewählt:
als Ersatzmitglied
an 6. Stelle:
Landtagsabgeordneter
Ludwig Hofmann, geboren am 22. 11. 1937,
5280 Braunau,
Friedhofstraße 18.
Mit freundlichen
Grüßen
Angela Orthner“
Präsident
Herwig Hösele: Danke.
Eingelangt ist
weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der
Bundesregierung sowie der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten.
Ich ersuche die
Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.
Schriftführerin
Hedda Kainz:
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Ich beehre mich
mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom
28. Februar 2003, GZ 300.000/3-BEV/03, die mit der Führung der
Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretärin im
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, den Staatssekretär im
Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen und den
Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen
vom Amt enthoben hat.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Schüssel“
Präsident
Herwig Hösele: Danke.
Eingelangt ist
weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der
Bundesregierung und der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten.
Ich ersuche die
Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.
Schriftführerin
Hedda Kainz:
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 7 |
Ich beehre mich
mitzuteilen, dass mich der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom
28. Februar 2003, GZ 300.000/2-BEV/03, gemäß Artikel 70
Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.
Weiters hat der
Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1
Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:
Mag. Herbert
Haupt zum Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen
Dr. Benita
Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
Elisabeth Gehrer
zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Mag. Karl-Heinz
Grasser zum Bundesminister für Finanzen
Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres
Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz
Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Günther Platter
zum Bundesminister für Landesverteidigung
Hubert Gorbach
zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
Dr. Martin
Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
sowie in
Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 B-VG
Maria Rauch-Kallat
zur Bundesministerin ohne Portefeuille.
Ferner hat der
Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit
Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz
Franz Morak zum
Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung
und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,
Mag. Karl
Schweitzer zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung
und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,
Dr. Alfred
Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung
und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen
beigegeben,
Mag. Helmut
Kukacka zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung
und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Verkehr, Innovation
und Technologie beigegeben,
Ursula Haubner zur
Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und
zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen beigegeben,
Univ. Prof.
Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur
Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat beigegeben.
Schließlich hat
der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit
Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung
des Bundesministeriengesetzes mich mit der vorläufigen Leitung des
Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport betraut.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 8 |
Mit besten Grüßen
Wolfgang Schüssel“
Präsident Herwig Hösele:
Danke.
Weiters gebe ich bekannt, dass zwei Schreiben des Herrn Bundeskanzlers
betreffend Nominierungen des Landeshauptmannes von Tirol DDr. Herwig van
Staa als Mitglied und des Ersten Landeshauptmann-Stellvertreters der Steiermark
Mag. Franz Voves als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der
Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
eingelangt sind.
Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.
Schriftführerin Hedda Kainz:
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Nach dem
Ausscheiden von Herrn Landeshauptmann a.D. Dr. Wendelin Weingartner als
Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis
2006 ein Nachfolger zu ernennen.
Gemäß
Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Dir mitteilen, dass die
Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 28. Januar 2003 beschlossen hat, aufgrund
eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG erfolgten Vorschlags des Landes
Tirol Herrn Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa als Mitglied des Ausschusses
der Regionen zu nominieren.
Mit freundlichen
Grüßen
Ich komme jetzt
zum zweiten Schreiben.
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Nach dem Ausscheiden von Herrn 1. Landeshauptmann-Stellvertreter a.D.
DDr. Peter Schachner-Blazizek als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss
der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2006 ein Nachfolger zu
ernennen.
Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Dir mitteilen, dass
die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 28. Januar 2003 beschlossen hat,
aufgrund eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG und nach Beschluss der
Steiermärkischen Landesregierung erfolgten Vorschlags der Verbindungsstelle
der Bundesländer Herrn 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Franz Voves
als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.
Mit freundlichen Grüßen
Präsident
Herwig Hösele: Ich danke
der Schriftführerin für die heute besonders umfangreiche Berichterstattung.
Eingelangt sind die Anfragebeantwortungen 1877/AB bis 1881/AB, die den
Anfragestellern übermittelt wurden.
Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen
Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der
eingelangten Anfragebeantwortungen.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 9 |
Den eingelangten Gewässerschutzbericht 2002 gemäß
§ 33e WRG des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserwirtschaft habe ich dem zuständigen Ausschuss zur weiteren
geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.
Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand
der heutigen Tagesordnung sind.
Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur
Vorberatung zugewiesen.
Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und
schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe diese Beschlüsse des Nationalrates sowie die Erklärung der
Bundesregierung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.
Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.
Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.
1. Punkt
Erklärung der
Bundesregierung
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen zum 1. Punkt: Erklärung der Bundesregierung.
Ich begrüße dazu
die anwesenden Mitglieder der Bundesregierung mit Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel an der Spitze. (Allgemeiner
Beifall.)
Ich begrüße Herrn Vizekanzler Mag. Herbert Haupt erstmals in dieser
Funktion. (Allgemeiner
Beifall.)
Ich begrüße die anwesenden neuen Mitglieder der Bundesregierung:
Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter (allgemeiner Beifall),
Herrn
Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll (allgemeiner Beifall),
Frau
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat (allgemeiner Beifall),
Herrn
Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer (allgemeiner Beifall),
Herrn
Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka (allgemeiner Beifall),
Frau
Staatssekretärin Ursula Haubner (allgemeiner Beifall)
und erlaube mir
anzumerken, dass viele Mitglieder der Bundesregierung in diesem Hause bereits
als Bundesrätinnen und Bundesräte tätig waren.
Bevor ich dem
Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches
Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der
Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn
Bundeskanzler namens der Bundesregierung abgegebene Erklärung eine Debatte
durchzuführen.
Da dieses
Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.
Ich erteile nun
dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. –
Bitte.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 10 |
9.18
Bundeskanzler,
betraut mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche
Leistung und Sport Dr. Wolfgang Schüssel: Hoher Bundesrat! Herr
Präsident! Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich die Regierungserklärung hier
abgebe – und zwar in einer etwas verkürzten Form, denn die schriftliche
Erklärung liegt Ihnen ja vor; ich glaube, es ist dies auch so in der
Präsidialkonferenz vereinbart worden –, einige Worte zum schrecklichen
Tod, zur Ermordung von Zoran Djindjic sage.
Zoran Djindjic ist vor nicht einmal
24 Stunden, um die Mittagszeit herum, von einem Scharfschützen vom
gegenüber liegenden Dach des Regierungsgebäudes aus erschossen worden. Ich muss
ganz offen sagen: Mich hat diese Ermordung tief getroffen, denn Djindjic war eine wirkliche Hoffnung für
diese ganze Region, für Südosteuropa, für den Balkan – nicht nur für
Serbien und Montenegro. Er war einer der ganz wenigen brillanten Politiker, die
eine europäische Vision und auch eine europäische Gesinnung verkörpert und
gelebt haben.
Wir Österreicher
haben da eine Rolle inne, die zwar im globalen Zusammenhang nicht übertrieben
werden darf, die aber, wie ich meine, gerade in diesem Bereich, in
Mitteleuropa, in Südosteuropa, in Richtung Balkan wichtig ist. Österreich hat
immer schon – das ist weit über die Parteigrenzen hinaus zu sehen –
eine Rolle zu leben versucht – diese ist auch angenommen und positiv
begründet worden –, die in Richtung Einbindung dieser Region in
europäische Strukturen, in verstärkte Demokratisierung, in wirtschaftliche
Zusammenhänge und Netzwerke und in Richtung Kulturaustausch gegangen ist. Wir
haben uns enorm bemüht, dieses neue Serbien, dieses neue Jugoslawien auf einen
europäischen Weg zu führen.
Für mich als
früheren Außenminister und jetzigen Bundeskanzler war Zoran Djindjic wirklich eine der ganz wenigen
Hoffungen in dieser Region, in diesem Land. Ich habe ihn immer unterstützt,
auch als er noch ein ganz unbekannter Oppositionspolitiker gewesen ist. Ich
werde es nie vergessen, wie er, als er das erste Mal nach Wien gekommen ist, im
Außenministerium seine Fragen, seine Hoffnungen und auch seine Befürchtungen
geäußert hat. Er ist dann einige Male, praktisch jedes Jahr ein-, zweimal
gekommen, zum Teil zusammen mit anderen Oppositionellen. Ich weiß auch, dass
viele politische Parteien – wo immer sie stehen – diese Hoffnung
sehr unterstützt haben.
Ich werde auch
nicht vergessen, was er mir, als ich meinen ersten Staatsbesuch beim damaligen
Ministerpräsidenten absolviert habe, erzählt hat. Er hat zweimal eine wirklich
historische Bedeutung erlangt, nämlich das erste Mal als er im Herbst 2000
mit einem absolut durchdachten und brillant geplanten demokratischen Coup
Milosevic gestürzt hat.
Er hat mir bei diesem meinem Besuch erzählt, dass in den Tagen und den Stunden
davor dreimal von Milosevic der
Tötungsbefehl gegen ihn ergangen sei. Die Armee habe sich geweigert, der
Geheimdienst habe sich geweigert, und die Präsidentengarde sei dann letztlich
unter dem Druck des Militärs vor diesem Tötungsauftrag zurückgeschreckt.
Er hat diese
Erzählung übrigens in einem sehr beeindruckenden Interview mit Paul Lendvai in
der „Europäischen Rundschau“ zu Protokoll gebracht.
Ein zweites Mal
hat Djindjic historische Bedeutung erlangt, als er am 28. Juni 2001,
ausgerechnet am Jahrestag der Schlacht am Amselfeld, was eine gewisse
Konnotation für jeden Serben hat, Milosevic gegen
heftigsten Druck im Inland, gegen die nationalistischen Kreise und die alten
Clan-Strukturen nach Den Haag ausgeliefert hat.
Ich glaube, dass
es wichtig ist, dass wir seiner gedenken, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen, dass wir wirklich versuchen, dieses Vermächtnis, das mit ihm
verbunden ist, mitzunehmen, und dass wir jene wenigen Hoffnungen, die es dort noch
gibt, stützen und stärken, damit die Attentäter nicht den Erfolg davontragen,
quasi einen doppelten Erfolg im Nachhinein. Ich würde Sie sehr darum bitten,
dass wir dieses Gedenken auch in diese heutige Sitzung mit aufnehmen. (Alle Anwesenden verharren einige Zeit in
stummer Trauer.)
Meine Damen und
Herren! Nun zur Regierungserklärung:
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 11 |
Herbert Haupt und
ich haben uns vorgenommen, dass wir Ihnen eine etwas verkürzte und, wie ich
glaube, freiere Darstellung der Inhalte des sehr umfangreichen Regierungsprogramms
vorstellen. Erlauben Sie mir, dass ich einleitend nur einige ganz wenige
Bemerkungen zu den Erwartungen und zur Stimmungslage in diesem Land sage.
Meine Damen und
Herren! Zunächst darf ich sagen, dass ich glaube, dass in Österreich die
Erwartung auf und auch die Bereitschaft zu sinnvollen, notwendigen und sozial
ausgewogenen Reformen absolut gegeben sind. Jeder erwartet das, und jeder weiß
natürlich auch, dass auf Grund der demographischen Entwicklungen und auf Grund
der globalen Zusammenhänge auf dem Gebiete der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte
interne Reformen und Akzentverschiebungen notwendig sind. Ich glaube, dass die
Bevölkerung auch durchaus bereit ist, da mitzugehen, wenn die Zusammenhänge
erklärt werden, wenn die einzelnen Maßnahmen begründet sind und wenn sie in
einem sachlichen Gesamtzusammenhang stehen, wo nicht einzelne Gruppen
ausgespart oder manche überproportional getroffen werden, also wenn wirklich
alle begreifen: Es hat einen Sinn, und es steht in einem Gesamtzusammenhang,
der Österreich letztlich stärken und fördern soll.
Zum Zweiten:
International stehen wir vor zwei ganz bedrohlichen Entwicklungen. Das eine ist
die Irak-Krise, auf die ich jetzt im Detail nicht eingehen kann. Im Moment wird
im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen um eine neue Kompromissformulierung
gerungen. Ich halte es für ganz wesentlich – ich hoffe, Sie stimmen mir da
zu –, dass der UNO-Sicherheitsrat für uns weiterhin die Autorität bleiben muss. Es wäre ein schwerer Fehler,
wenn sich der Sicherheitsrat quasi intern blockieren würde und nicht mehr
handlungsfähig wäre, und es wäre ein schwerer Fehler, wenn einseitige Aktionen
ohne die Autorisierung und die Legitimität durch die Vereinten Nati-onen
gesetzt würden, denn all diese Maßnahmen würden dann – und da hat Kofi
Annan Recht – außerhalb der UNO-Charta erfolgen, wären dann gegen die
UNO-Charta interpretierbar und damit nicht mit unseren völkerrechtlichen
Vorstellungen verknüpft.
Ich halte diese
Stärkung der UNO, die Betonung der politischen Möglichkeiten als sinnvolles und
notwendiges Instrument für ganz entscheidend. Krieg darf wirklich nur das
allerletzte Mittel sein. Ich glaube, dass dies ein Thema ist, das weit über die
Parteigrenzen hinweg Österreich mit den österreichischen Parteien und mit
Nationalrat und Bundesrat eint.
Wir werden daher
immer auf der Seite des Friedens und auf der Seite der Vereinten Nationen zu
finden sein, und ich werde auch nicht müde werden, die Europäische Union
aufzufordern, eine gemeinsame
Außenpolitik zu konzipieren und sich nicht in Flügelkämpfen zu zerreißen oder
sich in verschiedene Lager einteilen zu lassen. Daher haben die Österreicher
oder auch die Schweden oder die Finnen oder die Iren immer die jeweilige
Präsidentschaft unterstützt, denn das ist nach unserer europäischen Verfassung
sozusagen die Stimme Europas,
und sie muss und will gehört werden.
Die zweite große
Problematik ist natürlich die Konjunktursituation. Diese ist auch ein wenig von
der Irak-Krise betroffen. So ist zum Beispiel der Ölpreis um 10 Dollar pro
Barrel gestiegen. Allein dies macht bereits einige hundert Millionen Dollar an
Belastung für unsere Wirtschaft aus. Die Konjunkturparameter sind in fast allen
europäischen Ländern, aber auch in anderen Ländern, zurückgegangen, die
Konjunktur wird dadurch deutlich geschwächt. Auch wir bleiben natürlich von
diesen Entwicklungen nicht verschont.
Um Sie eine Stimme
hören zu lassen, die an sich ganz interessant ist, zitiere ich die „Salzburger
Nachrichten“ vom letzten Wochenende, in denen Österreich mit Deutschland in
diesem Zusammenhang verglichen wird. Ich zitiere:
„Wenn Österreich
heute mit Deutschland verglichen wird, geschieht dies vor allem zur Stärkung
des österreichischen Selbstwertgefühls. Das Resultat des Vergleichs wird gerne
so dargestellt: Im Gegensatz zum kranken Riesen Deutschland steht der agile
Zwerg Österreich glänzend da.“ (Ironische
Heiterkeit bei der SPÖ.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 12 |
„Was die
Wirtschaft betrifft, hat diese Botschaft einiges für sich. Österreich ist zur
Zeit dem großen Nachbarn in vielen Belangen überlegen. Das Wirtschaftswachstum
ist stärker. Die Arbeitslosigkeit ist niedriger. Österreich hat seinen
Staatshaushalt im Griff. Und Österreich hat Sozialpartner, die im Ernstfall
wissen, worauf es ankommt. Eine Blockadepolitik, wie sie von den deutschen
Gewerkschaften im Moment verfolgt wird, wäre hierzulande undenkbar.“
Nicht Wolfgang
Schüssel oder Herbert Haupt, sondern die „Salzburger Nachrichten“ sagen dies.
Aber etwas Wahres ist in
diesem Vergleich schon enthalten, das will ich ausdrücklich festhalten, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir haben uns in
unserer Regierungserklärung auf drei Eckpfeiler gestützt. Diese sind: „zukunftsfest“, „gerecht“ und „nachhaltig“. All unsere
inhaltlichen Vorgaben oder Lösungsantworten müssen folgendem Test standhalten:
Hat das für die Zukunft etwas Positives an sich? Ist das
eine nachhaltige und nicht
nur eine kurzfristige Lösung? Ist es eine gerechte
und faire Lösung, die die Bevölkerung auch akzeptiert?
Daher haben wir
uns auch ein längerfristiges Ziel als „Quasi-Leuchtturm“ gesetzt, und zwar
nicht nur für diese Legislaturperiode; manche haben gescherzt und gemeint, das
Jahr 2010 als Ziel zu sehen, hieße nur, dass sich diese Bundesregierung
nicht allein mit dieser Legislaturperiode beschäftigen will. Sie brauchen
keine Sorge zu haben, wir sehen uns nicht als pragmatisiert an, wir sind nicht
fest angestellt für die nächste und übernächste Legislaturperiode, aber wir
versuchen schon, unsere Zielvorstellungen in einem längerfristigen Parameterbereich
unterzubringen, denn dann macht es auch wirklich Sinn und dann ist
sichergestellt, dass das, was wir wollen, zukunftsfest,
nachhaltig und gerecht sein kann.
Dazu gehört, dass
wir die Erwerbsquote steigern wollen – gerade bei Frauen ist das ein wichtiges
Thema –, dass wir Österreich zu einem Ort machen wollen, wo es keine
Generationen- und Verteilungskämpfe gibt, sondern wo sich die Generationen fair
behandelt fühlen und die Lasten gerecht verteilt werden.
Im
Gesundheitsbereich wollen wir die Qualität halten, vor allem aber die Zahl der
Vorsorgeuntersuchungen verdoppeln. Kinder- und Familienfreundlichkeit soll
sehr stark in den Vordergrund gerückt werden. Die Wissensgesellschaft soll
noch mehr Betonung finden. Die Chancen der EU-Erweiterung sollen genützt
werden. Natürlich soll auch die Abgabenquote innerhalb dieser und der nächsten
Legislaturperiode nachhaltig auf 40 Prozent gesenkt werden.
Zu den Vorhaben im
Detail: Das erste Thema, mit dem wir unmittelbar konfrontiert sein werden, ist
die Europapolitik, denn von heute an in einem Monat werden die zehn
Beitrittsverträge unterzeichnet und der Ratifizierung zugeleitet. Diese
Erweiterung ist für Österreich eine wahrhaft historische Chance!
Ich habe meine
politische Karriere 1979 als Mandatar im nördlichen Waldviertel begonnen. Diese
Zeit ist mir noch absolut präsent: Stacheldraht, Minenfelder,
Maschinengewehrnester – Österreich war zur Hälfte von Stacheldraht
umzäunt. Heute wird dieses Gebiet die Herzzone der Erweiterung werden –
eine Zone beziehungsweise ein Projekt, das uns in den nächsten zehn
Jahren 24 Milliarden € an Wohlstandsgewinn und in diesen
Beitrittsländern Umweltinvestitionen in der Höhe von
120 Milliarden € bringen wird, welche bei uns wiederum massive Verbesserungen
in der Luftqualität bewirken werden.
Natürlich soll man
den Menschen nichts vormachen: Auch wir werden in diesem Zusammenhang Probleme zu bewältigen haben, etwa
den Ost-West-, aber auch den Nord-Süd-Transit. Daher ist es gerechtfertigt, dass Österreich in
diesem Punkt seine Interessen
vertritt, dass wir eine Nachfolgeregelung für unseren Ökopunkte-Vertrag
anstreben, dass wir eine moderne, noch nicht ausreichend definierte
Wegekostenrichtlinie anstreben, dass wir natürlich auch selbst in unsere Infrastruktur investieren und dass wir die
Grenzregionen stärken, wo vor allem in den nächsten Jahren etwa 30 000 neue Arbeitsplätze entstehen können.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 13 |
Ich glaube, eine aktive Europapolitik dieses
Zuschnitts wäre etwas ganz Bedeutsames, dem sich jedenfalls diese Bundesregierung voll
verpflichtet fühlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der
Freiheitlichen.)
Das zweite große
Thema – gerade in Zeiten einer außenpolitischen Krise – ist die Sicherheit. Zukunft braucht
Sicherheit!
Wir haben uns
daher vorgenommen, eines der großen Reformprojekte der nachhaltigen Stärkung der Sicherheitsstrukturen zu widmen. Ich
sage es ganz offen: Wir werden hier so manche Tabugrenze überschreiten müssen,
etwa im Bereich der Weiterentwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Für mich ist es kein
Schreckensbild, dass es irgendwann einmal einen europäischen Außenminister und
auch eine europäische
Verteidigungspolitik mit einer Beistandsgarantie geben wird, die ja übrigens
auch – was ich für sehr wichtig halte – bei den Sondierungsgesprächen
zwischen allen politischen Parteien außer Streit gestellt werden konnte. Das
heißt noch nicht, dass wir einem Militärbündnis beitreten! Aber dass Europa eine Beistandsgarantie für die jeweiligen Mitglieder abgibt, halte
ich für einen ganz großen Fortschritt! Österreich könnte einer der Vorreiter einer solchen Entwicklung
werden.
Wir werden also
durchaus mitgehen, wenn Europa etwa Planungsziele, Einsatzziele definiert. Wir
werden uns an einem solchen Europakorps mit etwa 1 500 Soldaten
beteiligen, das sind wirklich hoch spezialisierte Soldaten, die für europäische
Einsätze zur Verfügung stehen. Allerdings müssen wir auch dazusagen, dass es
diese Sicherheit nicht zum
Nulltarif geben kann. Sicherheit hat ihren Preis! Das ist quasi unsere
Versicherungspolizze gegen Unsicherheit, Kriminalität, Terror oder militärische
Bedrohungen von außen. Ich glaube, ein vergleichsweise relativ wohlhabendes
Land darf in dieser Frage kein Trittbrettfahrer, sondern muss bereit sein, sich
im Rahmen europäischer Verpflichtungen auch einzubringen.
Das Bundesheer
braucht dabei einige massive Veränderungen. Es ist unbestritten, dass wir
unsere Bedrohungsbilder neu überdenken
müssen. Die Zeit des Kalten Krieges ist vorbei, man braucht keine großen
Armeen, keine Landarmeen mehr. Daher wird eine Bundesheer-Reformkommission,
die wir in den nächsten Wochen einsetzen wollen, einen neuen Schwerpunkt, eine neue
Aufgabenteilung entwickeln und Antworten auf Fragen, die uns allen auf der
Zunge liegen – etwa: Welche Armee braucht ein moderner Staat für die
Zukunft? Wie groß soll sie sein? Was soll sie kosten? Welche Aufgaben sind dabei zu erfüllen? Wo
müssen die Strukturen schlanker sein, und wo muss mehr investiert
werden? – finden müssen.
All dies sind
Fragen, die entscheidend sind. Für mich, für uns steht aber außer Streit, dass
man – gerade als ein Land, das seine Neutralität immer ernst genommen
hat – auf einen Stützpfeiler
nicht verzichten darf, nämlich
auf die Überwachung des österreichischen Luftraumes.
Daher wird die
Beschaffung von Flugzeugen für
luftpolizeiliche Aufgaben natürlich – wie vorgesehen, wie von der vorletzten Regierung bereits
vorentschieden und der letzten
Regierung in der Typenwahl entschieden – in dieser Legislaturperiode
vollendet werden müssen.
Erlauben Sie, dass
ich zur Frage des Präsenzdienstes ein Wort sage! Mir ist dies sehr wichtig, und
es hat mir sehr gut gefallen, dass der neue Verteidigungsminister die Frage der
Attraktivität des Präsenzdienstes sehr stark in den Vordergrund gerückt hat.
Wenn junge Männer
zum Präsenzdienst einrücken, dann muss das einen Mehrwert für sie
ergeben. In den Monaten, in denen sie dort ausgebildet werden, kann man vieles
machen, etwa in punkto sportliche Ertüchtigung – Karl Schweitzer beginnt
zu strahlen, nein, im Moment ist er nicht da, egal (Zwischenrufe bei der SPÖ), er strahlt sowieso als
Sportstaatssekretär. Meiner Überzeugung nach ist das ein Thema. Ich glaube, dass man vom
Computerführerschein bis zu verschiedenen Techniken, die man beim Bundesheer erlernen kann, vieles
anbieten könnte, was die Attraktivität des Präsenzdienstes erhöhen kann, dass
auch das Bergerlebnis oder vieles andere mit eine Rolle spielen können. Ich
möchte Günther Platter auf dem Weg, den Präsenzdienst attraktiver zu machen, absolut unterstützen. Du hast unsere
Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 14 |
Weiters wollen wir
im Bereich der Sicherheitskörper, der Wachkörper, einen mutigen Schritt setzen, der früher zwar immer wieder diskutiert,
aber nie ernsthaft begonnen wurde, nämlich die Zusammenlegung der Wachkörper unter einem Dach.
Zum ersten Mal
wird das Innenministerium ein Ministerium sein, bei dem Bundesheer, Gendarmerie,
Schifffahrtspolizei und Zollwache gemeinsam
schlagkräftig für die Sicherheit sorgen. Ich halte das für ganz entscheidend.
Die Leitlinien dabei werden sein: engagiert für den Rechtsstaat, sensibel für
Menschenrechte, konsequent gegen die Kriminalität!
Meine Damen und
Herren! Ein weiteres Thema heißt für uns in Zukunft: Österreich neu denken!
Ich möchte
diesbezüglich zwei Themen herausstellen. Erstens geht es dabei vor allem um die
Verfassungsreform, die Erneuerung der österreichischen
Bundesverfassung, deren älteste Bestimmungen praktisch eineinhalb Jahrhunderte
zurückreichen, und um die Frage des Österreich-Konvents, der hier eine große
Rolle spielt.
Erlauben Sie mir,
dass ich da auch den Präsidenten des Bundesrates Herwig Hösele anspreche, der
diese Idee als einer der Ersten – ich glaube sogar als Erster überhaupt – in die
politische Diskussion eingebracht hat, eine Idee, die dann von allen politischen Parteien aufgegriffen
wurde und die ich in die Regierungserklärung auch gerne mit einbinde. Ich
glaube, dass ein solcher Österreich-Konvent – an dem natürlich alle Bundesländer, alle Städte und
Gemeinden in Gestalt von Städte- und Gemeindebund, natürlich auch der Bund,
alle politischen Kräfte und die Sozialpartner sowie Experten aus vielen
Bereichen mitwirken sollen – ein Instrument dafür ist, wie wichtige Fragen, die später, bei der
konkreten Umsetzung, möglicherweise auch einer Zweidrittelmehrheit bedürfen,
außer Streit gestellt werden können.
Ich bin sehr froh
darüber, dass der Präsident des Rechnungshofes Fiedler bereit ist, den Vorsitz
zu übernehmen, das steht außer Streit zwischen den politischen Parteien dieses
Landes. Damit kann dies, so glaube ich, ein wichtiger Impuls sein, um eine Verfassungsreform, die diesen Namen verdient, wirklich
umzusetzen.
Ein gutes Beispiel
für mögliche Veränderungen ist meiner Meinung nach auch die Schaffung eines
bundesweiten Tierschutzgesetzes, das wir gemeinsam
mit den Bundesländern diskutieren und erarbeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser.)
Das ist, glaube ich, ein vernünftiger Ansatz dafür, wie man einem Wunsch der
Bevölkerung nachkommen und ein Thema, das früher immer kontroversiell
diskutiert wurde, letztlich auch durchbringen kann.
Zukunft braucht
aber auch einen Partner Staat, der schlanke und effiziente Strukturen hat. Ich
werde selbst als Bundeskanzler eine interministerielle Plattform zum Thema
e-Government leiten, da dies wahrscheinlich eines jener wichtigen Themen sein
wird, die dem Bürger in Zukunft einen wirklichen Mehrwert bringen können. Es
gibt beispielsweise seit 1. Jänner die Möglichkeit, Steuererklärungen
über das Internet abzugeben. Neu dazukommen sollen etwa der Bereich
Arbeitsmarktservice, das Lernen
über Internet, der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen – zur
Vorsorge –, Buchungen und so weiter. Auch der Bereich der touristischen Infrastruktur könnte
über diese Möglichkeit österreichweit vernetzt viel besser gelingen. Med-Card
beziehungsweise E-Card im Sozialversicherungsbereich gehören ebenso dazu wie
die Vernetzung der einzelnen
Anbieter, Gemeinden, Länder und Bund.
Wir dürfen uns
nichts vormachen: Derzeit gibt es in manchen Bereichen Insellösungen, die nicht miteinander kompatibel sind. Dies gilt
es im Interesse der Bürger zu vermeiden. Daher wird das ein wichtiger
Themenschwerpunkt sein, durch den sich der Bürger – sei es im
Vergabewesen, im Förderwesen, bei Dokumentationen, bei Akteneinsicht oder durch
Dokumentenregister auf elektronischer Basis – sehr viel Zeit und sehr viele Behördenwege wird sparen können.
Natürlich haben wir uns auch vorgenommen, die Reduzierung der Dienstposten fortzusetzen. Wir hatten Anfang der neunziger Jahre ungefähr 180 000 Bundesbedienstete. Unser Ziel ist es, in den Jahren 2007/08 auf 140 000 Dienstposten zu kommen. Dafür wird ein großer Schritt auch in dieser Legislaturperiode zu machen sein, wobei ich dazusage, dass das Grenzen haben wird, denn es ist auch die Aufnahme von jungen, motivierten Mitarbeitern nötig, einfach
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 15 |
um die
Durchlässigkeit zwischen den Generationen und im jeweiligen Ausbildungsniveau
sicherstellen zu können.
Zu Wirtschaft und
Arbeit: Diesbezüglich haben wir, so glaube ich, eine an sich sehr gute Ausgangsposition,
wir sind immer noch das dritt- oder – ich glaube, dass wir fast schon
gleichauf mit den Niederländern sind – das zweitbeste Land innerhalb der
EU, bei der Jugendbeschäftigung sowieso. In diesem Bereich wollen wir einige
markante zusätzliche Zielsetzungen unterbringen. Arbeit Suchende unter 25 und
über 50 Jahren sollen einen Rechtsanspruch auf Qualifikation bekommen.
Wenn sie innerhalb von acht Wochen nicht vom AMS einen Job vermittelt bekommen,
soll es für sie einen Rechtsanspruch auf Qualifikation, auf Teilnahme an
Qualifikationsschulungen geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten
der Freiheitlichen.)
Wir wollen darüber
hinaus die Vereinbarkeit von Beruf und Familie deutlich verbessern. Zum ersten
Mal wird Eltern bis zum Schuleintritt ihrer Kinder ein Anspruch auf Teilzeit eingeräumt
werden. Das halte ich persönlich für eine ganz wichtige Maßnahme. Wir haben das
mit den Sozialpartnern diskutiert. Ich bin sehr froh darüber, und ich danke
ausdrücklich auch den Vertretern der Wirtschaft – die Gewerkschaft hat
diese Maßnahme immer verlangt –, dass sie nun zum ersten Mal bereit sind,
sich diesen wichtigen Schritt – ich glaube übrigens auch im Interesse
unseres Wirtschaftsstandortes – vorzunehmen und damit einen Meilenstein in
der Familien- und in der Standortpolitik Europas zu setzen. (Beifall bei der
ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
Im Bereich der
Ladenöffnungszeiten wollen wir einen bedeutenden Liberalisierungsschritt setzen,
aber nicht einfach durch eine Verordnung von oben, sondern dadurch, dass die
Landeshauptleute – natürlich nach Befassung der Sozialpartner – die
Möglichkeit erhalten, auf jede Tagesöffnungszeitgrenze zu verzichten oder sie
entsprechend den regionalen Bedürfnissen festzulegen beziehungsweise auch die
bundesweite Rahmenöffnungszeit pro Woche von 66 bis auf 72 Stunden
auszudehnen.
Auch die
Arbeitszeitflexibilisierung, die Gründeroffensive, die
Lehrlingsausbildung – all das sind Themen, die uns allen, glaube ich, am
Herzen liegen. Investitionen in die Infrastruktur sollen getätigt, der
Generalverkehrsplan soll umgesetzt werden. Der Privatisierungskurs bleibt und
wird, glaube ich, erfolgreich fortgesetzt. Die ÖBB-Reform ist gerade im
Hinblick auf EU-Liberalisierungen bedeutsam und wichtig.
Betreffend GATS
haben wir uns vorgenommen, die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst zu nehmen. (Bundesrat Gasteiger: Plötzlich!) Die österreichische Position reflektiert
auch, dass wir kein Interesse daran haben, öffentliche Dienstleistungen wie
etwa für Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung oder Kultur weiteren weltweiten
Liberalisierungen zu unterwerfen. Ich hoffe, Sie stimmen mir dabei zu. (Beifall
bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen. – Bundesrätin Bachner: Jawohl!)
Nun zur
Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates: Österreich ist
laut jüngster EU-Statistik, die für den Frühjahrsgipfel in Lissabon publiziert
werden wird, unter allen europäischen Ländern auf Platz 1, was
Nachhaltigkeit, Umweltqualität und Lebensqualität betreffen.
Damit hat
Bundesminister Sepp Pröll eine, so glaube ich, ausgezeichnete Arbeitsgrundlage,
die ihm seine Vorgänger hinterlassen haben, und ich bin ganz sicher, dass er
das erstklassig weiterführen wird. Die Einstandsinvestitionen werden in den
nächsten drei Jahren jeweils 30 Millionen € zusätzlich,
also 90 Millionen € für den Klimaschutz, für eine echte Offensive in
diesem Bereich, betragen. Ich bin ganz sicher, dass damit ein Schwerpunkt im
Interesse der Bevölkerung, im Interesse der Umweltqualität gesetzt werden wird.
Wir haben uns darüber hinaus auch einen Schwerpunkt im Bereich der Steuerpolitik vorgenommen, der bedeutsam ist. Zum ersten Mal werden wir eine sanfte Anhebung der Energiesteuern wirklich 1 : 1 weitergeben. Allen Aufgeregtheiten zum Trotz: Wer bei einem Cent für Benzin, zwei Cent für Diesel (Ruf bei der SPÖ: Plus Mehrwertsteuer!) von einer Belastungslawine redet,
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 16 |
der soll sich einmal anschauen, wie sich der Ölpreis in den letzten
Wochen entwickelt hat. Da habe ich nie irgendwelche kritischen Bemerkungen
gehört. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: ... Das darf nicht wahr sein!)
Wir werden diese
sanfte Energiesteuer vollinhaltlich für eine Entlastung der kleinen Einkommen
und für eine Senkung der Lohnnebenkosten, vor allem für die älteren
Mitarbeiter, einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der
Freiheitlichen.)
Genau das ist
ökosoziale Marktwirtschaft, dieser fühlen wir uns verpflichtet. Und alle, die
diesen Ausdruck immer wieder gebraucht haben, werde ich nicht nur bei
Sonntagsreden, sondern auch bei Montags-, Dienstags- und Mittwochsreden –
heute ist Donnerstag – daran erinnern, dass das eigentlich auch gelebt
werden soll.
Ich danke auch für
die Initiative, jetzt schon mit der OMV das Angebot für einen schwefelarmen
Diesel zu vereinbaren, das ist ganz wichtig. Es ist überhaupt nicht einzusehen,
dass Österreich noch einige Jahre lang 35-mal höhere Schwefelwerte in die Luft
bläst als etwa Deutschland oder die Schweiz. Damit wird ein ganz wichtiger,
längst überfälliger Schritt jetzt endlich gemacht.
Für die
bäuerlichen Betriebe garantieren wir mit dem 3-Milliarden-€-Pakt das
Lebenseinkommen für die gesamte Legislaturperiode, damit lassen wir auch
keinen Euro in Brüssel liegen. Wir werden alle Programme umsetzen können. (Beifall
bei der ÖVP.)
Im Bereich Sport
konzentrieren wir uns natürlich auf die Großevents, aber auch auf den Breitensport.
Das IOC befindet sich zurzeit in Salzburg. Karl Schweitzer und ich werden
morgen und übermorgen für die Bewerbung um die Olympischen
Winterspiele 2010 kämpfen. Ich hoffe sehr, dass die Qualität der Bewerbung
für sich sprechen wird.
In der Kunst- und
Kulturpolitik verweise ich auf das erstklassige Beispiel „Graz –
Kulturhauptstadt Europas 2003“. Es ist großartig, wie sich damit natürlich
besonders Graz und die Steiermark, aber ich glaube, auch ganz Österreich
präsentieren.
Im Bereich der
Bildung haben wir uns vorgenommen, die Bildungsoffensive der letzten Jahre
fortzusetzen. Wir peilen eine Forschungsquote von 2,5 Prozent an, es wird
zusätzliche Investitionen in der Höhe von 600 Millionen € geben.
Die Entlastung der
Schüler ist ein ganz wichtiges Thema! – Meine Damen und Herren! Lassen wir
uns nicht von legitimen Interessen fehlleiten, denn das wahre Interesse darf
nicht die Stundentafel sein, sondern das, was die Kinder lernen sollen, was
sie verkraften können! Wir sind der Jugend Österreichs verpflichtet.
Ich sage ganz
offen: Die Bildungsministerin verdient in dieser Frage jede Unterstützung. Man
muss sich nur vor Augen halten, dass Österreich verglichen mit Finnland in
manchen Jahrgängen ein Drittel mehr an Wochenstunden vorgibt, ohne dass die
Qualität gleich gut ist wie in Finnland. Daher ein absolutes Ja zu dieser
Reform, zu dieser Entlastung der Schüler! (Beifall bei der ÖVP und bei
Bundesräten der Freiheitlichen.)
Die Unireform wird
fortgesetzt (Ruf bei der SPÖ: Das ist
eine Drohung!), ein neues, zu Leistung motivierendes Dienstrecht vor allem
mit höheren Anfangsbezügen und flacheren Lebenseinkommenskurven ist notwendig.
Das steht aber, so glaube ich, zwischen den politischen Parteien im
Wesentlichen außer Streit.
Zur Gesundheit:
Neu im Team ist Maria Rauch-Kallat als Gesundheits- und Frauenministerin. Wir
haben uns in diesem Bereich sehr ambitiöse Ziele vorgenommen, und zwar zunächst
einmal mehr Gerechtigkeit bei den Beiträgen. Es ist nicht einzusehen, warum
Arbeiter höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen als Angestellte. Wir werden
das harmonisieren.
Es ist nicht einzusehen, dass Opfer von Freizeit- und Haushaltsunfällen nicht die gleiche Rehabilitation bekommen wie jene von Arbeitsunfällen, daher werden sie in Hinkunft die gleiche
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 17 |
medizinische Leistung erhalten, aber auch ein Zehntel an Eigenbeitrag dafür
leisten müssen. Und das halte ich für sehr gescheit. In Deutschland überlegt
Rot-Grün zurzeit die Abschaffung beziehungsweise das Hinausdrängen aller
Risken von Freizeit- und Haushaltsunfällen. Ich halte das für unsozial, unser
Modell hingegen für sehr vertretbar, für fair und gerecht, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
Gesundheit ist
keine Frage des Sparens, sondern eine Frage der Strukturreformen, und es muss
auch das notwendige Geld dafür zur Verfügung stehen. Daher werden wir in dieser
Legislaturperiode die Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten anheben,
und zwar um etwa ein Prozent. Ich halte das aber für gerecht, das sage ich ganz
offen, und es stand zwischen den politischen Parteien auch außer Streit. Ich
möchte das hier ausdrücklich positiv festhalten, weil damit auch die ältere
Generation den vollen Zugang zu medizinischen Höchstleistungen bekommt.
Wir haben mit
Herbert Haupt für unsere Fernsehdiskussion ausgerechnet, ... (Bundesrat Konecny: Das haben sie seit
40 Jahren!) –
Darf ich einmal das Beispiel sagen? (Zwischenrufe
der Bundesräte Schlaffer und Reisenberger.)
Vor zehn Jahren
gab es halb so viele Herzschrittmacheroperationen wie heute. Von den Menschen
unter 60 Jahren braucht das praktisch niemand, es sind nur einige Hundert,
von jenen über 60 Jahren haben das vor allem die Pensionisten. Und sie
bekommen es auch! Ich will keine Situationen wie in England, wo es üblich ist,
praktisch ab einem gewissen Alter bestimmte Operationen nicht mehr zu machen,
ebenso Hüfttransplantationen oder ähnliche Prothesen. Es ist ganz wesentlich,
dass wir diesbezüglich die Qualität unseres Systems aufrechterhalten.
Daher wird es auch
zu einer Reform der Selbstbehalte, die in manchen Bereichen sehr ungerecht
sind, kommen. Chronisch Kranke zahlen viel mehr als sie müssten. Wir wollen
daher die Sozialversicherungsträger in die Pflicht nehmen. Sie sollen die
Möglichkeit bekommen, faire und sozial gerechte Selbstbehalte einzuführen, die
absolut sinnvoll sind. Ich bitte Sie hier um Mitarbeit, meine Damen und Herren!
In der
Pensionsdiskussion steht außer Streit, dass die Menschen älter werden. Allein
seit 1970 ist die Lebenserwartung der Männer um zehn Jahre, die der Frauen um
acht Jahre gestiegen – langsam holen wir also doch ein wenig auf! Aber das
hat natürlich für die Pensionsstruktur, für den Generationenvertrag absolut
Konsequenzen. Daher ist es das erste wichtige Ziel – und dafür danke ich
vor allem Vizekanzler Herbert Haupt, der sich für dieses Thema enorm eingesetzt
hat –, in dieser Legislaturperiode erstmals ein einheitliches
Pensionsrecht für alle, ohne Privilegien, mit klaren Spielregeln,
beitragsorientiert, fair und nachvollziehbar mit einem individuellen
Pensionskonto zu schaffen.
Ich danke auch den
Grünen – das sage ich ganz offen – für die Sensibilisierung dafür,
dass man am Ende eine Mindestpension, eine Absicherung nach unten braucht. Das
finde ich eine absolut gute und positive Idee. Wir werden das verwirklichen!
Natürlich muss es sozial Bedürftigen zugute kommen und kann nicht unabhängig
von der sozialen Situation sein.
Die Anhebung des
Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension war auch ein Grundsatz, der mit
allen politischen Parteien außer Streit gestellt werden konnte. Ich glaube
daher, dass dieser Weg ganz konsequent und behutsam fortgesetzt werden muss.
Ich danke auch der SPÖ für die Anregung, sich das schwedische Modell für die
Übergangsphase näher anzusehen, dass man also sofort mit dem Übergang beginnt
und quasi für alle, die 35 Jahre alt oder jünger sind, das neue System und
für diejenigen, die älter sind, ein Mischsystem einführt. Wir werden das
prüfen, und wenn das technisch einigermaßen möglich ist, halte ich das für eine
absolut interessante Variante, die man dann hoffentlich auch mit einem
breiteren Parteienkonsens umsetzen kann.
Das umfangreiche
Begleitpaket für ältere Arbeitslose und für ältere Arbeitnehmer habe ich schon
erwähnt. Lohnnebenkostensenkungen von über 10 Prozent sind, so glaube ich,
ein beachtlicher Impuls in diesem Bereich.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 18 |
Zum letzten Punkt:
solide Staatsfinanzen. Sie sind nicht vergessen, nicht verdrängt, sie bleiben
unser gemeinsames Ziel. Würden wir keine Entlastungen schaffen, würden wir im
Laufe dieser Periode, nämlich schon 2005 und 2006, neuerlich ein Nulldefizit
haben. Wir wollen daher auf diesem Weg weitergehen, allerdings massive
Entlastungen für die Bürger, sozusagen als Zeit der Ernte eines
Konsolidierungskurses, spürbar machen.
Dies wird in zwei
Etappen erfolgen. Ab 1. Jänner 2004 sollen 200 000 Österreicherinnen
und Österreicher steuerfrei gestellt werden. Das werden überwiegend
Pensionisten und vor allem Frauen sein – ein ganz wichtiger
Bereich! –, auch kleine Gewerbetreibende oder Bauern, also genau jene
Zielgruppen, die auch in der jetzigen Konjunktursituation eine Entlastung
verdienen. Alle, die unter 14 500 € pro Jahr verdienen, werden dies
ab 1. Jänner 2004 steuerfrei tun. Ebenso sollen, was dem Mittelstand
massiv helfen wird, der nicht entnommene Gewinn deutlich entlastet werden und
die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung entfallen. Über die ökologischen
Aspekte der Reform habe ich bereits gesprochen.
Danach, im
Jahre 2005, wird – das habe ich in meiner Regierungserklärung vor dem
Nationalrat auch gesagt, und ich wiederhole das gerne, weil es offensichtlich
verdrängt wurde – eine zweite Etappe mit noch größeren Entlastungen,
nämlich in der Höhe von etwa 2,5 Milliarden €, erfolgen. Sie wird
eine Vereinfachung, niedrigere Tarife, vielleicht auch einen Formeltarif und
eine wesentliche Transparenz des Steuersystems bringen. Über all dies werden
wir noch zu diskutieren haben. Insgesamt wird dies die größte Steuersenkung
der letzten Jahrzehnte sein.
Den Spielraum dazu
holen wir uns durch die Fortsetzung der Verwaltungsreform, die Strukturreformen,
die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die Überprüfung der Bundesausgaben. Das
habe ich im Nationalrat gesagt. Daher waren alle darauf folgenden Diskussionen
ein wenig virtuell, so würde ich sagen. Wir haben nämlich beides vor: mit
Strukturreformen präzise und mit Fahrplan den Spielraum erkämpfen und die
beiden Steuerreformetappen, so wie das Herbert Haupt und ich gemeinsam mit
Finanzminister Karl-Heinz Grasser verfolgt haben.
Meine Damen und
Herren! Wir gehen damit fünf sehr große Reformthemen an, die in dieser
Legislaturperiode umgesetzt werden sollen: eine Verfassungs- und
Verwaltungsreform, die es in dieser Form noch nie gegeben hat; eine Reform des
Sicherheitsapparates – vom Bundesheer bis hinein in die Bereiche der
Exekutive, eine Zusammenfassung der Exekutive, die in der Form auch erst jetzt
erstmals überhaupt diskutiert werden kann –; eine Strukturreform im Gesundheitswesen,
durchdacht und für die Patienten sinnvoll; eine Pensionssicherung, die diesen
Namen auch wirklich verdient, sowie eine Entlastung, eine Steuerreform, die die
Bürger schon lange verdient haben.
Der Weg ist
interessant. Er wird spannend sein. Er wird auch vielleicht das eine oder
andere kontroversielle Thema aufbringen, das weiß ich. Aber das Ziel ist
bedeutsam. Das Ziel lohnt sich. Daher: Gehen Sie mit auf diesem Weg! (Anhaltender
Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
9.57
Präsident Herwig Hösele:
Ich danke dem Herrn
Bundeskanzler für seine
Erklärung und wünsche der von ihm geführten Bundesregierung viel Erfolg im
Interesse Österreichs.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny. – Bitte.
9.58
Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor drei Jahren, damals, im Jahre 2000, haben
Sie, Herr Bundeskanzler, am
Beginn Ihrer Regierungserklärung folgende Worte gesprochen:
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 19 |
„Wir sind
wirtschaftlich stark und wohlhabend. ..., und wir können den Bürgerinnen und
Bürgern eine hohe soziale Sicherheit anbieten. ... Unsere Arbeitslosenrate
sinkt und zählt zu den niedrigsten in ganz Europa.“ – Zitatende.
Heuer haben Sie
derartige Worte nicht wiederholt, und das aus gutem Grund, denn im
Jahr 2000 haben Sie damit die Eröffnungsbilanz Ihrer Regierung in höchstem
Maße zutreffend beschrieben – eine Bilanz, die sie von den vorhergehenden
sozialdemokratischen und sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen
übernommen haben.
Heute wären diese
Feststellungen so nicht mehr richtig. Unser Land ist heute wirtschaftlich noch
relativ stark und noch wohlhabend, aber das Ergebnis Ihrer Politik sind nicht die
Stärke und der Wohlstand, sondern das Wörtchen „noch“ in diesem Satz. (Beifall
bei der SPÖ.)
Wir können unseren
Bürgern nicht mehr dieselbe soziale Sicherheit anbieten wie vor drei Jahren,
und der Kern Ihrer Politik ist es, dieses Angebot weiter drastisch zu
vermindern. Wir haben eine dramatisch steigende Arbeitslosigkeit, und die
relative Position Österreichs in Europa auf diesem und auf vielen anderen
Gebieten hat sich deutlich verschlechtert.
Ihre
Eröffnungsbilanz war gut, aber das ist nicht Ihr Verdienst. Das Ergebnis Ihres
zunächst einmal dreijährigen Wirkens führt zu einem viel schlechteren
Resultat. Das, was Sie heute als Programm Ihrer Regierung vorgelegt
haben – ich beziehe mich auf die Langfassung –, lässt mit gutem Grund
befürchten, dass wir in vier oder, was wahrscheinlicher ist, in eineinhalb oder
in zwei Jahren vor einem noch sehr viel größeren Scherbenhaufen stehen.
Herr Dr. Khol
hat einmal den Weg dieser Regierung als einen „Marsch durch die Wüste Gobi“
charakterisiert. Das hat etwas für sich, und wie Recht er hatte, das wird einem
erst jetzt so richtig klar. Sie setzen Ihren Marsch unbeirrt fort, auch wenn
Sie inzwischen viele der Kamelführer gekündigt haben, auch wenn der
Karawanenführer die Orientierung verloren hat (Heiterkeit bei der SPÖ) und die Österreicherinnen und
Österreicher, die da ungefragt mitlaufen müssen, schon halb verdurstet sind. (Beifall
bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Ich weiß schon,
Sie pflegen auf eine solche harte, aber wahrlich nicht ungerechte Kritik immer
mit dem Satz zu antworten, der Kritiker spräche wohl von einem anderen Land,
Österreich könne er ja nicht meinen. Und Sie pflegen an dieser Stelle auch
freundliche Bemerkungen über den Fleiß der Bevölkerung und die Leistungskraft
unserer Wirtschaft zu machen. (Bundesrat
Mag. Gudenus: Weil’s wahr
ist! – Bundesrätin Haunschmid:
Weil’s wahr ist!) Sie sagen es: Weil es wahr ist. Wir brauchen, Kollegin
und Kollege, sowohl von Ihnen als auch von der Regierungsbank wahrlich keinen
Nachhilfeunterricht in Sachen Patriotismus und Heimatliebe. Uns braucht
niemand ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Seit wann?) – Seit
etwas mehr als 110 Jahren, seitdem es diese Partei gibt. (Beifall bei
der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann:
Die Sozialistische Internationale, das ist Ihre Treue!)
Uns braucht
niemand zu sagen, wie engagiert und aufopfernd die Menschen in diesem Land
arbeiten, wie hoch qualifiziert sie sind und welche Leistungen sie erbringen.
Wir leben ja mit und unter diesen Menschen. Aber wir sehen auch, wie Ihre
Politik diesen Menschen die Arbeit erschwert, wie sehr das, was sie für ihre
Arbeit bekommen, von Ihrer Regierung belastet wird und wie sehr man ihre
soziale Sicherheit unterminiert.
Uns braucht
niemand zu sagen, wie innovativ und engagiert unsere Wirtschaft die Chancen in
der Welt nützt und ihre Märkte auszuweiten versucht, aber sie muss das –
und auch das sagen uns die Verantwortlichen der Wirtschaft – ohne
ausreichende Unterstützung dieser Regierung tun, und sie bekommt oft genug Steine
in den Weg gelegt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Geh, geh, geh!)
Wenn dieses Land
eine andere Regierung hätte, die ihre Aufgabe ebenso engagiert und aufopfernd
wie die Menschen, so innovativ wie unsere Wirtschaft erfüllen würde, wenn sie
ebenso qualifiziert wäre wie die Arbeitskräfte in diesem Land, dann würde
Österreich anders dastehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 20 |
Schwarz-Blau war
zwischen 2000 und 2003 alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Diese Regierung
ist – wie nicht nur die Opposition, sondern auch viele politische
Beobachter es erwartet hatten – nach nur zweieinhalb Jahren auseinander
gebrochen. Ich will mir da kein Urteil anmaßen, ob der Herr Bundeskanzler mit
seiner Feststellung Recht hatte, mit einer FPÖ nach Knittelfeld könne man
einfach nicht mehr regieren, und deshalb vorzeitige Neuwahlen verlangte, oder
ob Ihr alter und auch jetzt wieder neuer Regierungspartner mit der Kritik Recht
hatte, dass all das ein gegen ihn gerichteter Bosheitsakt der ÖVP war. Wir
haben immer schon gesagt, mit der FPÖ ist kein Staat zu machen und erst recht
keiner zu regieren. Sie sind an einem gewissen Punkt auch draufgekommen, dass
das stimmt, allerdings war das ein relativ kurzfristiges Erweckungserlebnis.
Die Frage, die
sich die Österreicherinnen und Österreicher heute schon sehr laut stellen, ist,
warum denn eigentlich wirklich im Herbst gewählt werden musste, wenn es auf
Schwarz-Blau neuerlich Schwarz-Blau gibt. (Bundesrat
Bieringer: Geh hinüber ins Plenum
und schau, was sich verändert hat!) – Das ist mein nächster Satz, Kollege
Bieringer! Das, was du jetzt gesagt hast, ist nicht von dir, das hat auch der
Herr Bundeskanzler gesagt, als er auf die Frage, warum denn gewählt werden
musste, sagte: Schauen Sie sich die Zusammensetzung des Nationalrates an! Also
ich nehme nicht an, dass er die Mandatsgewinne der SPÖ und der Grünen damit
gemeint hat (Bundesrat Dr. Nittmann: Die sind ohnehin marginal!),
was er ganz offensichtlich gemeint hat und was du gemeint hast, ist
schlichtweg, dass sich die Machtverhältnisse innerhalb einer Regierungskoalition,
die offenbar nie in Frage gestanden ist, sehr zu Gunsten der ÖVP und zu Lasten
der FPÖ verschoben haben.
Ich sage es
anders: Der Herr Bundeskanzler hat also auch schon öffentlich klargestellt:
Gewählt werden musste nur, um die FPÖ zu schwächen. Mich darüber aufzuregen,
ist nicht mein Thema, das müssen Sie sagen, meine Damen und Herren von der FPÖ!
Sie müssen – oder müssen auch nicht – etwas dazu sagen.
Schreckgelähmt, wie Sie nun einmal sind, werden Sie wahrscheinlich nichts dazu
sagen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wo ist der Schrecken? Überhaupt
nicht!) Im Applausverhalten Ihrer Fraktion kann sich zweierlei ausdrücken:
Ihre mangelnde Begeisterung – aber das wage ich Ihnen nun nicht zu
unterstellen – oder eben ein Lähmungsverhalten. Und davon habe ich jetzt
gesprochen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Was ich zu diesem
Thema sagen muss, ist etwas anderes: Es ging Ihnen, Herr Bundeskanzler ...
Herr Präsident! Ich würde sagen, schalten wir das (auf das blinkende Licht am Rednerpult weisend) ab. Ich werde ein
bisschen länger brauchen, und wenn Sie es mir nicht übel nehmen, würde ich
dazusagen: Ich nehme sozusagen einen Vorschuss auf die nachfolgenden Ausführungen
des Herrn Vizekanzlers. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall des
Bundesrates Gasteiger. –
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Lindinger:
Eine höchst demokratische Gesinnung!)
Es ging Ihnen,
Herr Bundeskanzler, also darum, die Machtverhältnisse in einem feststehenden
Bündnis zu verändern. Sie waren es, der bei uns – nicht in dem Text der
Regierungserklärung, sondern bei Ihren Annotationen dazu – gemeint hat,
nicht Wolfgang Schüssel, sondern die „Salzburger Nachrichten“ hätten in
wirtschaftspolitischer Hinsicht diese Regierung gelobt. Darf ich das auch so
sagen: Nicht Albrecht Konecny, sondern die „Salzburger Nachrichten“ haben die Bildung dieser
Regierung – aber ich gebe ihnen Recht dabei – als eine Missachtung
des Wählerwillens bezeichnet. (Bundesrat
Dr. Aspöck: Sie haben die
Regierungsverweigerung der SPÖ außer Acht gelassen. Sie schreiben auch was von
der Regierungsverweigerung der SPÖ!)
Wenn eine Mehrheit von 54 Prozent nichts zusammengebracht hat, dann soll eine Mehrheit, die auf 52 Prozent, wenn auch mit verschobenen Gewichten, reduziert wurde, mehr zusammenbringen? (Bundesrat Weilharter: Ihre Partei hat diesen Wahlkampf zum Lagerwahlkampf gemacht! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Blödsinn!) Herr Kollege, das Lager, das es nicht gibt, hat auch entsprechend dazu gewonnen. Das eine „Lager“ – ich sagte es gerade – hat 2 Prozent gesamthaft verloren, das andere „Lager“ hat im Hinblick auf die im Parlament vertretenen Parteien ungefähr 5 Prozent dazu gewonnen. Das ist an sich nicht so schlecht. Wenn der Herr Bundeskanzler sagt – ich habe auch das schon erwähnt –, schauen Sie sich die Zusammensetzung des Nationalrates an, so muss ich sagen, ist vom Standpunkt der beiden
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Oppositionsparteien das, was dazu
gewonnen wurde, zwar nicht ausreichend, aber ganz anständig.
Herr
Bundeskanzler! Sie und Ihre Partei haben sich also dafür entschieden, eine
Zusammenarbeit, die dramatisch gescheitert ist, wieder aufzunehmen. Manche
Beobachter meinen, das war von vornherein Ihre Absicht, aber Sie haben das
heftig dementiert. Was ich freilich feststellen muss, ist, dass sich seit dem
Herbst, seit dem Zusammenbruch der Regierung, die Sie bisher geführt haben, in
der FPÖ nichts geändert hat. Alle innerparteilichen Probleme sind noch immer
da. Alle Unzuverlässigkeiten sind noch immer da. Fast alle Protagonisten der
innerparteilichen Konflikte sind noch da, insbesondere jener unberechenbare
„Stern des Südens“. Die „Knittelfelder“ sind noch da, sie haben allerdings
inzwischen wichtigere Funktionen übernommen, als sie vor Knittelfeld hatten.
Das Einzige, was nicht mehr da ist, das sind die Wähler, aber die haben eben
ein klareres Urteil als viele der Funktionäre Ihrer Partei.
Wenn wir immerhin
am 24. November diese Wahl gehabt haben und heute, am 13. März, im
Bundesrat die Regierungserklärung vorgelegt bekommen, dann ist schon auch zu hinterfragen,
was es denn war, das diese lange Periode der Inaktivität, der fehlenden
Entscheidungen und der versäumten Gelegenheiten verursacht hat. Sie haben den
ganzen Advent hindurch sondiert, aber zu Weihnachten ist nichts angekommen,
Sie haben weiter sondiert und verhandelt, so ernst, wie es der Faschingszeit
angemessen war, und erst zu Aschermittwoch haben Sie eine Regierung zu Stande
gebracht (Bundesrat Dr. Nittmann: Die SPÖ hat halt nicht mehr
hergegeben!), die jetzt jene Fastenzeit exekutieren soll, die Sie den
Österreicherinnen und Österreichern verordnet haben. (Bundesrat Dr. Nittmann:
Mit so einer Faschingspartei wie der SPÖ war halt nicht mehr drin!)
Sie haben in der
Öffentlichkeit diese Regierungskonstellation als die einzig mögliche bezeichnet
und SPÖ und Grüne beschuldigt, sich ihrer Verantwortung entzogen zu haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ja, lei, lei, Herr Professor!) Die Grünen können für
sich selbst sprechen, aber Berichte, denen zufolge viele Einigungen, die
zwischen grünen und schwarzen Verhandlern erzielt werden konnten, letztlich an
Ihrem höchstpersönlichen Veto scheiterten, stimmen immerhin nachdenklich.
Die SPÖ hat Ihnen
eine umfassende Reformzusammenarbeit angeboten. Sie haben sich viele Stunden
lang unsere Vorschläge angehört. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Die Suppe war zu
dünn! Es war ein Süppchen!) Ob Sie währenddessen an Ihren Karikaturen
gezeichnet haben, entzieht sich meiner Kenntnis, aber als wir die wesentlichen
Kernpunkte dieser unserer Vorstellungen vorlegten, haben Sie zornerfüllt davon
gesprochen, die ÖVP ließe sich keine Bedingungen stellen. (Bundesrat Dr. Nittmann:
Sie haben schlecht verhandelt!) Dass Sie dann in letzter Sekunde noch
einmal auf die SPÖ zurückgekommen sind, hat daran nichts mehr geändert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit Gusenbauer ist halt kein Staat zu machen! Er hat
schlecht verhandelt!) Denn dass eine Partei, die von fast 37 Prozent
der Menschen getragen wird, ohne weitere ernst zu nehmende Gespräche innerhalb
von 24 Stunden ein 28-seitiges Papier der Grausamkeiten einfach abnickt,
das können Sie doch nicht ernsthaft erwartet haben.
Die SPÖ ist
tatsächlich schuldig geworden; Michael Häupl hat das richtig zum Ausdruck gebracht:
Wir haben uns geweigert, den von Ihnen aufgestellten Gesslerhut zu grüßen, und
wer das tut, hat ja offenbar in der österreichischen Bundesregierung wirklich
keinen Platz. (Bundesrat Dr. Nittmann: Dafür haben Sie sehr lange
gebraucht! Dafür hat die SPÖ sehr lang gebraucht!)
An dieser Stelle
sei noch eine klare Feststellung gesagt: Sie und die Sprecher der ÖVP haben
versucht und versuchen weiter, die Legende aufrechtzuerhalten, SPÖ-Vorsitzender
Gusenbauer habe die Koalition schon gewollt, aber die Partei – besonders
originell ist es, wenn Sie da den berühmt-berüchtigten Radikalen Heinz Fischer
anführen (Heiterkeit bei der SPÖ) –
habe ihm dabei die Gefolgschaft versagt.
Das Gegenteil ist wahr. Alfred Gusenbauer hat im Bundesparteivorstand der SPÖ beantragt, ihm ein Mandat für diese Verhandlungen zu erteilen, und dieser Bundesparteivorstand hat ihm
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dieses Mandat nahezu einstimmig erteilt (Bundesrätin
Schicker: So ist es!),
jedenfalls mit einem Mehrheitsverhältnis, das sich von dem eines späteren
ÖVP-Bundesparteivorstandes nicht substanziell unterschied. Sie haben von diesem
Angebot keinen Gebrauch gemacht – was Ihnen auch zusteht; das ist eine
politische Entscheidung, die Sie zu treffen haben –, aber hier zu
versuchen, verschiedene Strategien in der Sozialdemokratie zu konstruieren, das
geht am Thema vorbei.
Niemand anderer
als Sie allein haben es zu verantworten, dass dieses Land drei Monate lang wie
gelähmt war, wiewohl eine dramatische Wirtschaftslage und eine noch
dramatischere internationale Situation energisches Handeln verlangt hätten.
Die Defizite wuchsen, die EU konstatierte eine Explosion der Staatsschulden,
die Arbeitslosenrate stieg, die Wirtschaft rief nach raschen Maßnahmen, aber
Sie sonnten sich lieber darin, dass ganz Österreich darüber spekulierte, was
Sie denn eigentlich wirklich wollen, und daran, dass eine Legion bewundernder
Schreiber Ihr einmaliges Verhandlungsgeschick pries.
Sie haben –
das hat diese Regierungsbildung gezeigt – einmal mehr bewiesen, dass Sie
ein fähiger Politiker sind, aber, Herr Bundeskanzler, sie hat noch mehr
gezeigt: Sie sind mehr als nur ein fähiger Politiker, Sie sind ein zu allem
fähiger Politiker! (Beifall bei der SPÖ.)
Sie haben davon
gesprochen, dass Ihr Regierungsprogramm von drei Eckpfeilern ausgeht. Wir haben
auch drei Eckpfeiler erkannt, allerdings waren es nicht dieselben, die Sie hier
angeführt haben. Es gibt einen Eckpfeiler, der sich darin ausdrückt, dass diese
Bundesregierung die Flucht aus der Verantwortung antritt. Es ist sehr einfach,
Belastungen zu verordnen und anderen deren Exekution zu übertragen.
Bei den
Ladenöffnungszeiten sind es die Landeshauptleute, auf die die tatsächliche
Entscheidung abgeschoben wird und denen damit die schwierige
Interessenabwägung zwischen den Forderungen der Wirtschaft und den Bedenken der
Beschäftigten übertragen wird.
Bei den
Selbstbehalten – nachdem das mit der Ambulanzgebühr ja so großartig
funktioniert hat – sollen es jetzt die Krankenversicherungsträger sein,
die Ihnen die Aufgabe abnehmen, denjenigen, die das Gesundheitssystem am
dringendsten brauchen, weil sie eben krank sind, zusätzlich zu ihren Sorgen und
ihrem Leid auch noch finanzielle Belastungen aufzuerlegen.
Besonders
originell ist aber, wie Sie die finanzielle Verantwortung für die von Ihnen so
heiß begehrten Abfangjäger einer nächsten Regierung überantworten, von der wir
nur hoffen können, dass Ihre beiden Parteien ihr nicht mehr angehören werden. (Beifall
bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm:
Wer sonst?) Ich habe da
noch irgendwie im Ohr: keine neuen Schulden! Wie ist denn das, wenn ich mir
eine Ware jetzt liefern lasse und sage, in fünf Jahren zahle ich das? Ist
das, was da inzwischen entsteht, nicht ein Schuldverhältnis? – Wenn ich
mich richtig entsinne, pflegen solche spät bezahlten Käufe die Kosten nicht
gerade zu senken. (Bundesrat Sulzberger: Die SPÖ hat jahrzehntelang
Schulden gemacht!)
Der zweite
Eckpfeiler – Sie haben uns heute auch ein paar Beispiele dafür
genannt – ist ein klar zu durchschauender Etikettenschwindel. Sie sprechen
von Wohltaten oder kündigen mehr Gerechtigkeit an, aber in Wirklichkeit geht
es immer nur um eines: nämlich zu Lasten der Bevölkerung einzusparen oder
dieser Bevölkerung sehr direkt Geld abzuknöpfen.
Sie haben das
Beispiel erwähnt: Die Frau Unterrichtsministerin hat ganz klar erkannt, wenn
man zwei Wochenstunden in den Schulen einspart, dann werden Österreichs Schulen
auf einmal PISA-tauglich. Sie weiß nicht, welche Stunden es sein sollen,
welche Gegenstände, aber sie weiß: Weg müssen sie!
Jetzt komme ich wieder zur Flucht aus der Verantwortung. Das sollen also jetzt, so höre ich, die Schulen entscheiden. Diese sollen sagen, bei uns gibt es keine Mathematik mehr oder keine Erdkunde oder wenig ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist absurd!) – Es ist absurd. Sie haben völlig Recht, Kollege Böhm, dieser Meinung bin ich auch! Aber ich habe das nicht gesagt, das hat die Frau Ministerin gesagt. (Bundesrat Dr. Böhm: Von Mathematik hat sie nichts gesagt!) Dahinter steht die nüchterne und zynische Überlegung: Wenn wir in der Stundentafel zwei
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Stunden eliminieren und gleichzeitig
natürlich die Lehrplananforderungen nicht revidieren, was dann heißt, dass die
Schüler wie die Mäuse im Tretrad in weniger Zeit denselben Stoff erarbeiten
müssen, dann erspare ich mir Lehrerposten. Vollzeitmäßig sind dies
wahrscheinlich 1 500, da jedoch jene, die rausfliegen, üblicherweise die
nur in Teilzeit beschäftigten Lehrer sind, wird das die doppelte oder dreifache
Anzahl an Menschen betreffen. – Eine Wohltat für die Schüler? – Nein!
Das ist eine zynische Einsparungsmaßnahme, die mit einem netten Etikett
verkauft wird. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Dann gibt
es – das finde ich auch sehr originell – die vollmundige Ankündigung,
man werde im Zuge jener so genannten Pensionssicherungsreform, was immer das
heißen soll, erstmals eine Mindestpension schaffen. Man muss also schon sehr
ahnungslos hinsichtlich der österreichischen Altersversorgung sein, um dieses
Wort „erstmals“ glauben zu können.
Wir haben ein
System, in dem alle jene, deren Pensionsanspruch unter einer bestimmten
Grenze – dem Richtsatz – liegt, eine Ergänzungszahlung bekommen, die
so genannte Ausgleichszulage. Die Richtsätze werden jedes Jahr festgelegt. Die
Ausgleichszulage ist die individuelle Höhe zwischen dem Anspruch und dem, was
man zum Überleben für notwendig hält. Das bekommen Hunderttausende
Österreicherinnen und Österreicher; erfreulicherweise sind es von Jahr zu Jahr
ein bisschen weniger, weil die Versicherungsverläufe positiver sind. (Bundesrätin Bachner: Das wird sich wieder steigern!) Es wird sich wieder
steigern; nach dieser Reform ins Unermessliche. Daher wird sie ja offenbar
abgeschafft.
Wir schaffen also
jetzt – offensichtlich – im Pensionsversicherungssystem eine
Mindestpension. Jene, die das verkündet haben, haben gleichzeitig den Kopf
schief gehalten und gesagt: Ja, aber womit wir das finanzieren, das wissen wir
leider noch nicht so ganz genau. – Das nüchterne Ergebnis ist: Die
Solidargemeinschaft der Altersversicherten übernimmt diese Last mit ihren
Beiträgen, die man entsprechend hinaufschrauben muss, aber im Budget wird
längerfristig diese Position ersatzlos gestrichen. – Ein nettes Etikett
über einer zynischen Maßnahme.
Dasselbe gilt für
die Krankenversicherungsbeiträge. Dort heißt das Etikett „Gerechtigkeit“. Die
Krankenversicherungsbeiträge der Arbeiter, die wegen der höheren Gefährdung in
der Berufsausübung seit Jahrzehnten höher waren, werden gesenkt, die
Krankenversicherungsbeiträge der Angestellten, die auf Grund eines geringeren
Risikos niedriger waren, werden angehoben. Aber inzwischen hat sich – und
darüber redet kein Mensch auf der Regierungsbank – die Berufsstruktur der
Versicherten völlig verschoben. (Bundeskanzler
Dr. Schüssel: Das hat aber
jeder akzeptiert!) Gut, gut, gut. – So nicht! Damit kommt ein
Körberlgeld in der Höhe von 374 Millionen € pro Jahr herein, und das
deckt allein das für heuer prognostizierte Defizit der
Krankenversicherungsträger ab. – Das ist ein nettes Etikett, eine Mehrbelastung,
und das – und damit komme ich zum dritten Eckpfeiler – von einer
Partei, die vor einem halben Jahr noch gesagt hat: Das ist der Inbegriff
sozialdemokratischer Ideenlosigkeit, dass Ihnen in der Krankenversicherung
nichts anderes einfällt als Beiträge zu erhöhen.
Das ist der dritte
Eckpfeiler Ihres Regierungsprogramms. Von Julius Raab wird der Satz überliefert:
Lug’ hin, Lug’ her, g’nutzt hat’s. – Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler,
so grobe, aber auch ehrliche Worte kommen Ihnen nicht über die Lippen, aber der
Tatbestand wird hier politisch erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Frau
Ministerin hat sich mir leider entzogen. (Zwischenbemerkung
von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) –
Ja, Lug’. Das ist nicht von mir, das ist ein Raab-Zitat. – Da hat also zum
Beispiel die damalige Frau Generalsekretärin Rauch-Kallat mit Nachdruck
erklärt, eine unglückliche oder wahltaktisch unglückliche Äußerung des Herrn
Staatssekretärs Finz korrigierend, die ÖVP plane in der nächsten, also in
dieser, Gesetzgebungsperiode keine weitere Anhebung des Frühpensionsalters.
Genau diese Anhebung ist aber jetzt ein Kernstück des Regierungsprogramms –
eines, das sich auch bei Verhandlungen mit uns als unüberbrückbar erwiesen hat.
Herr Minister Bartenstein, der damit irgendwie in die Mediengeschichte eingehen wird, ist mit diesem Widerspruch in einem ORF-Interview konfrontiert worden. Nachdem er minutenlang versucht hat, von etwas anderem zu reden, hat er sich nach der vierten Nachfrage in den tief-
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sinnigen und aussagekräftigen Satz geflüchtet:
Das ist für Außenstehende sicher schwer zu verstehen.
Ja, das ist vor
allem für die Betroffenen schwer zu verstehen, wenn man ihnen vor der Wahl
sagt, das Frühpensionsalter bleibt vier Jahre lang unverändert, und dann bei
der Neubildung der Regierung sagt: radikal, sofort, jetzt ohne
Begleitmaßnahmen. Ich will das gar nicht mit einem ordnungsruffähigen Ausdruck
belegen, aber klar ist, dass hier eine Grenze überschritten wurde, die in einem
Land, wo das ein Minderheitenrecht ist, einen Untersuchungsausschuss über
Wahlversprechen durchaus rechtfertigen würde. (Bundesrat Dr. Böhm: So
wie in Deutschland gegen Schröder!) – Ich habe das bewusst gesagt,
ja.
Die Außenstehenden
geht das nichts an, auch wenn sie Betroffene sind. Hat sich da die ÖVP in einen
Kanzlerbunker auf der „Wolfgang-Schanze“ zurückgezogen und kommuniziert nicht
mehr mit der Realität unserer Gesellschaft? (Beifall bei der SPÖ.) Kommt jene Bunkermentalität zum
Ausdruck, die Sie auch ... (Bundesrat
Dr. Böhm: Ein höchst
unpassender Vergleich!)
Präsident
Herwig Hösele: Herr Professor! Ich bitte
Sie – Sie sind mehrfach schon an der Grenze gewandelt – im Ton um
Mäßigung. (Unmutsrufe bei der SPÖ.)
Bundesrat
Albrecht Konecny (fortsetzend):
Das Wesen einer Grenze ist, dass sie eine Grenze ist. Man kann sie verletzen.
Das bemühe ich mich redlich, nicht zu tun. (Zwischenbemerkung
von Bundeskanzler Dr. Schüssel. –
Bundesrat Dr. Böhm: Das ist
eine unverblümte Anspielung! – Bundesrat Dr. Nittmann: Herr Professor, das ist peinlich! – Weitere
Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Herwig Hösele: Herr Professor, ich bitte Sie um
Mäßigung.
Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Gut, ich
mäßige mich und komme noch einmal auf Frau Rauch-Kallat zurück. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Sie entschuldigen sich nicht dafür? Dann ziehen Sie ihn
wenigstens zurück, diesen Vergleich!) Herr Bundeskanzler! Ich habe nicht
die Absicht, Sie mit Adolf Hitler zu vergleichen, aus einer Fülle von Gründen,
um das ganz klar zu sagen. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Bei Ihnen ist das
nicht so selbstverständlich! Bei einem permanenten Provokateur wie bei Ihnen
ist das nicht selbstverständlich!) Was ich zum Ausdruck bringen wollte,
ist, dass Sie den Kontakt mit der Realität dieses Landes verloren haben. Und
wenn Sie Maßnahmen treffen, von denen einer Ihrer Minister sagt, das sei für
Außenstehende schwer verständlich, dann nehmen Sie eine abgeschottete
Interpretationshoheit in Anspruch, die jede Diskussion unmöglich macht.
Dagegen verwehren wir uns! (Beifall bei
der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann:
Unsinn! Ihre Rhetorik ist blanker Unsinn! Das ist ja unglaublich, was er da
redet!)
Ich komme also zur
Frau Ministerin Rauch-Kallat zurück, die den in der Regierungserklärung
angekündigten Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bejubelt. Sie hat im
vergangenen Sommer – damals natürlich noch als Generalsekretärin –
die Forderung der SPÖ nach ebendieser Regelung als verantwortungslos
gebrandmarkt. Heißt das also jetzt, dass diese Regierung verantwortungslos
ist oder war ihre Bemerkung von vor einem halben Jahr schlicht daneben?
Da gibt es
Vizekanzler Haupt – ihn kann ich persönlich ansprechen –, der uns
monatelang in seiner damaligen Eigenschaft – noch immer Eigenschaft, aber
nur mehr kurze Zeit – als dafür zuständiger Minister erklärt hat, dass es
bei den Ambulanzgebühren um keine Geldbeschaffungsaktion, sondern um einen
Lenkungseffekt geht. Die Spitalsambulanzen seien zu teuer, die niedergelassenen
Ärzte könnten dieselben Leistungen um weniger Geld erbringen.
All das haben Sie
den Österreichern vor der Wahl gesagt. Nach der Wahl und nach Ihrem Wiedereintritt
in die Bundesregierung versuchen Sie als ersten Akt, diese unglückseligen Ambulanzgebühren –
Lenkungseffekt hin, Lenkungseffekt her – wieder abzuschaffen. Das hat sich
zwar die neue oder künftige Gesundheitsministerin nicht gefallen lassen, aber
Sie erfinden gleich die neue Unterstellung dazu.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 25 |
Sie haben als
Ausrede oder als Begründung dafür, dass diese Gebühr jetzt nicht abgeschafft
wird, erklärt, man könne das nicht tun, weil es 260 bis 280 – gestern
waren es nur mehr 200 – Beschäftigte in den Krankenversicherungen gäbe,
die das administrieren, und bevor es für diese keinen Sozialplan gibt, was
heißt, dass man sie hinausschmeißen will, könne man das natürlich nicht
abschaffen.
Das muss man sich
alles einmal so richtig auf der Zunge zergehen lassen. Als das eingeführt
wurde, haben Sie erklärt, verwaltungsmäßig werde das überhaupt nichts kosten,
das müssten die Krankenversicherungsträger locker administrieren können. Sie
haben es locker administriert – nein, nicht locker, sondern mit
zusammengebissenen Zähnen, weil dort der Unsinn dieser Maßnahme erkannt wurde,
aber sie haben es ohne Neuaufnahmen administriert. Und jetzt zu sagen, wir
müssen die Menschen, die das neben ihren anderen Aufgaben oder zu Lasten von
zusammengezogenen Tätigkeitsbereichen anderer Mitarbeiter administriert haben,
hinauswerfen, das ist ein Zynismus, das ist eine Verachtung der Menschen, die
beispiellos ist. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt
den Vorsitz.)
Ich will nicht die
ganze lange Liste der Drohungen, die die Zukunft unseres Landes und seiner
Menschen betreffen, herunterdeklinieren. Wir wissen, was sich im
Innenministerium tut, wir wissen, was sich im Flüchtlingsbereich tut, wir
wissen, welch wirklich bedrohliche Vision mit den rudimentär bekannten
Vorstellungen Ihrer Pensionsreform verbunden ist, aber diese Debatte wird im
weiteren Verlauf des heutigen Tages und bei vielen konkreten Anlassfällen zu
führen sein.
Ich will mich noch
auf eine Feststellung beschränken: Diese Regierung ist tatsächlich anders als
die erste schwarz-blaue Koalitionsregierung. Die erste schwarz-blaue
Koalitionsregierung ist im Chaos untergegangen. Die zweite ist viel besser, sie
schafft es, bereits im Chaos zu beginnen.
Was wir in den
letzten Tagen erlebt haben und was Sie selbst miterlebt haben, das muss Sie zur
Verzweiflung gebracht haben, das verstehe ich schon. Da stellt sich eine
Regierung hin und sagt, ein Kernstück ist eine große Steuerreform, und dann
sagt der Finanzminister, aber garantiert ist diese nicht, da muss ich schon
Bedingungen stellen. Und dann wird – wie haben Sie das genannt, Herr
Bundeskanzler? – eine virtuelle Diskussion geführt. Ich weiß nicht, ob der
Herr Vizekanzler virtuell ist. Mir kommt er eigentlich ziemlich real vor. Was
ist hier also virtuell? – Der Finanzminister oder, wie man befürchten
muss, die Steuerreform? – Tatsache ist, dass in ganz zentralen Punkten von
der ersten Stunde an Meinungsdifferenzen, unterschiedliche Auffassungen –
diese werden natürlich die Umsetzung behindern – bestehen.
Da gibt es –
er beehrt uns heute nicht mit seinem Besuch – einen Staatssekretär, den
ich so gerne gefragt hätte, ob er diese Woche schon weiß (zu Staatssekretär
Mag. Schweitzer) – nein, nicht Sie –, wofür er
zuständig sein wird! Ich kann auch die Frau Ministerin nicht fragen, die
sozusagen seine Chefin werden wird. Die Vorstellung, dass ausgemacht wird, die
FPÖ bekommt einen Staatssekretär, der irgendetwas Medizinisches macht –
das hat er im Fernsehen gesagt –, ist ganz gut. Wenn er irgendetwas
Verwaltungsmäßiges machen würde, hätte ich mehr Angst. – Das ist schlicht
und einfach Packelei und hat nichts mit der Aufgabenverteilung in einer
Bundesregierung zu tun, wenn man jemandem sagt, du bist es, aber leider habe
ich keine Ahnung, was du machen sollst, aber wir werden schon etwas finden. Das
ist an sich nicht dem Niveau einer Bundesregierung angemessen.
Herrn
Staatssekretär Finz – Herr Bundeskanzler, da haben Sie selbst einen
Ordnungsruf veranstaltet – ist es ähnlich gegangen. Dieser hat auf Grund
welcher Indizien immer gesagt: Ich werde für die Beamten zuständig sein! Dann
haben Sie gesagt: Nichts da, das mache ich selbst! Sie werden schon wissen,
warum. Was ist dann sein Aufgabenbereich? (Bundesrat Bieringer: Wo
hat der Kanzler etwas gesagt?) – Gut, ich werde Ihnen die
Medienberichte dann nennen, auch wenn alle österreichischen Medien darüber
unrichtig informiert haben. Herr Bundeskanzler! Ich bin aber gerne bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass Herr Staatssekretär Finz jetzt doch für die Beamten
zuständig ist. Ist das die Aussage, die Sie in Ihrer Replik hier treffen
wollten? – Okay. Sie haben durch Körperhaltung dementiert und nichts
gesagt; ist in Ordnung.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 26 |
Da gibt es
einen – er ist auch nicht mehr da, das ist eben das Schicksal des
Bundesrates – Verteidigungsminister, den man in ein Ressort schickt,
wobei man ihm nicht sagt, welche inhaltlichen Reformvorstellungen von
Amtsvorgängern angedacht sind, der also – vielleicht bin ich da jetzt zu
hart – von der Generalität gerade ins Haus gelassen wurde. Jedenfalls hat
sie ihm mitgeteilt, seinen Bürochef kann er sich gleich wieder abschminken. Er
hat dann Nachhilfeunterricht bekommen, damit er ungefähr weiß, was dort
angedacht ist.
Ein guter Start
ist das nicht, genau so wie es kein guter Start ist, wenn der bereits erwähnte
Kärntner Landeshauptmann der Regierung vom ersten Augenblick an sagt, wo es
eigentlich langzugehen hätte, und für den Fall, dass sie nicht pariert, nicht
nur mit der Abspaltung seiner FPÖ-Landesgruppe, was mich nicht sehr kränkt,
droht, sondern auch gleich mit einem Freistaat Kärnten, was immer das
inhaltlich sein soll. Dieser spielt hier jene Rolle weiter, die er drei Jahre
davor gespielt hat.
Sie haben keines
der Strukturprobleme dieser Regierungskoalition gelöst, und Sie haben vor allem
vom ersten Augenblick an gezeigt, dass das Chaos dieser Regierung treu bleibt.
Die alte Regierung hat, als noch alles Wonne und Waschtrog war, einmal am
Beginn ihrer Amtszeit eine Art Betriebsausflug nach Schönbrunn gemacht. Ich
würde Ihnen empfehlen, diese Tradition aufzugreifen. Aber damit das Ganze einen
gewissen politischen Lerneffekt beinhaltet, würde ich vorrangig den Besuch des
Krokodilgeheges und des Schlangenhauses empfehlen. Da kann man wenigstens etwas
für die innerkoalitionäre Praxis lernen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das
ist Menschenverachtung, was Sie da sagen!) Es ist vielleicht Krokodil
verachtend, aber ... (Bundesrätin Giesinger: Ihre Rede richtet
sich selbst!) – Ja, ist in Ordnung, Frau Kollegin! (Bundesrat
Ing. Grasberger: Sie reden von der Kanzel herunter!) Ich war
mir gar nicht bewusst, Sie so tief getroffen zu haben. (Bundesrätin Giesinger:
Sie haben mich nicht getroffen, aber es ist unglaublich, was Sie sagen!)
Liebe Frau
Kollegin! Lieber Herr Kollege! Sie haben mir nicht geglaubt. Davon gehe ich
aus, dass Sie mir nicht geglaubt haben. (Zwischenruf des Bundesrates
Dr. Nittmann.) – Gut. Ihr Urteil, Herr Kollege, werde ich
überleben. Ja, das habe ich vor.
Diese
Bundesregierung – halten Sie mich bei diesem lobenswerten Beginnen nicht
auf! – hat ein Programm vorgelegt, das in sich absolut inkonsequent ist,
das keine strukturellen Reformansätze über die Bühne bringt, sondern eines
versucht: über die Runden zu kommen und noch einmal bleibende negative
Tatsachen zu schaffen.
Diese
Bundesregierung, die schon einmal gescheitert ist, nämlich an sich selbst, wie
ich ehrlicherweise dazusagen muss, wird es ... (Zwischenruf.) – Ja,
ich sagte es, Herr Kollege! Sie brauchen nicht Dinge, die ich sage, zu
wiederholen. Das erwarte ich nicht von Ihnen.
Wir haben als
Opposition nicht den ausreichenden Beitrag dazu leisten können, dass diese
Regierung zerbrach. Es ist klar, dass sich die Auseinandersetzung zwischen
Regierung und Opposition im demokratischen Bereich abspielt. Aber diese
Opposition hat aus dem relativen Misserfolg, den ich freimütig eingestehe,
gelernt. Wir werden dieser Regierung in den verbleibenden Jahren ihrer
Amtszeit eine schärfere Opposition sein.
Nehmen Sie zur
Kenntnis, dass Sie – und zwar Sie, Herr Bundeskanzler, ganz
persönlich – eine Offerte zu einer tief greifenden Reformpartnerschaft
abgelehnt haben! Jawohl, der Reformbedarf in diesem Land ist gegeben. Unsere
Bereitschaft, an sinnvollen Reformen mitzuarbeiten, ist ebenfalls gegeben. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Nur die Kompetenz nicht!) – Und unsere Kompetenz,
Reformen umzusetzen, ist mehr als gegeben. Aber wir sind zu einem nicht bereit,
nämlich unter dem Schlagwort „Reform“ die Menschen dieses Landes zu
verunsichern und zu belasten. Wir sind nicht bereit, Strukturen, die diesem
Land Halt gegeben haben und in Zukunft Halt geben können, aus parteitaktischem
oder gesellschaftspolitischem Interesse zerschlagen zu lassen. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Spricht der alte Strukturkonservative!)
Sie werden eine harte Opposition erleben, und Sie werden eine Opposition erleben, die natürlich mit größerem Nachdruck ihre eigenen Vorschläge einbringt, ihre eigenen Konzepte der
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 27 |
Öffentlichkeit vorlegt. In der Demokratie sind immer der Wähler und die
Wählerin der letzte Souverän, der die Entscheidung bringt. Er hat
diesmal – die „Salzburger Nachrichten“ haben das in einer bestimmten Art
qualifiziert – nummerisch den beiden Parteien, die diese Regierung bilden,
eine Mehrheit gegeben. Dass das eine Zustimmung zu den Konzepten oder zu jenen
Maßnahmen war, die heute hier zur Umsetzung angekündigt wurden, das würde ich heftig
bezweifeln. (Bundesrat Dr. Nittmann: Würden Sie oder tun Sie
es?) Aber wir werden dafür sorgen, dass dann, wann immer sich diese
Regierung erneut dem Wähler stellen wird, es Ihnen nicht möglich ist,
in ... (Bundesrat Bieringer: Das haben Sie vor drei Jahren auch
schon gesagt, Herr Kollege!) – Nein, Herr Kollege, ich habe vor drei
Jahren ein Einziges gesagt: Es gibt ein paar – und ich habe es auch hier
gesagt –, die Oppositionserfahrung haben und gerne bereit sind, das mit
ihren jungen Kolleginnen und Kollegen zu teilen – offenbar nicht
wirkungsvoll genug; diese Selbstkritik muss ich mir erlauben oder muss ich in
Kauf nehmen. Aber die SPÖ ist sehr lernfähig; und wie lernfähig sie ist, das
wird diese Regierung in schmerzhaftester Art und Weise erfahren. (Beifall
bei der SPÖ.)
10.43
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Bieringer. Nehmen Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung in Anspruch? –
Gut, dann schalte ich die Uhr ein. – Bitte.
10.43
Bundesrat
Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Hoch geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine
Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Bevor ich auf die Ausführungen des Kollegen Konecny eingehe, möchte ich dem
Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Bundesregierung zu diesem
hervorragenden Regierungsprogramm gratulieren (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen, ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und darf namens der
ÖVP-Bundesratsfraktion festhalten: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wir werden
dich mit bester Tatkraft unterstützen, weil wir davon überzeugt sind, dass
dieses Programm das richtige Programm für Österreich ist. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir sind dabei
nicht alleine, sondern die überwältigende Mehrheit, die relative Mehrheit der
Österreicher hat Wolfgang Schüssel eindeutig zur Nummer eins in diesem Land
gemacht, und da können Sie nörgeln, kritisieren, was immer Sie wollen, die
Bevölkerung dieses Landes ist wesentlich klüger, als Sie glauben. (Beifall
bei der ÖVP.)
Nun zu Ihren
Ausführungen, Herr Kollege Konecny: Sie haben hier bewiesen, dass die
SPÖ ... (Bundesrätin Schicker: Aber die Regierung hat sie
nicht wollen, die Bevölkerung!) – Frau Kollegin Schicker! Sie können
doch rütteln und deuteln, was Sie wollen; die Nummer eins in diesem Land ist
die Österreichische Volkspartei. Da können Sie machen, was Sie wollen! (Bundesrätin
Schicker: Das habe ich nie bestritten! Ich habe gesagt: Diese
Regierung wollte die Bevölkerung nicht! Das ist ein Unterschied, bitte!)
Es gab den
24. November. Seitdem ist die Nummer eins in diesem Land eindrucksvoll die
Österreichische Volkspartei mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze!
Das können Sie nicht wegdiskutieren.
Herr Kollege
Konecny! Es hat mich schon ein bisschen gewundert, was Sie hier gesagt haben.
Sie unterstellen dem Bundeskanzler der Republik Österreich, dass er ein zu
allem fähiger Politiker ist, dass er alles mögliche macht. – Was heißt
denn das? Ja was soll denn das heißen? Wollen Sie damit sagen, dass Sie einem
Bundeskanzler, der in diesem Land angesehen und untadelhaft ist, womöglich ein
Verbrechen unterstellen, oder was? – Das ist doch unerhört! (Rufe bei
der SPÖ: Das ist ja lächerlich! – Bundesrätin Schicker: Sie haben
nicht zugehört, Herr Kollege!) Das ist doch unerhört! Wenn jemand sagt,
dass er ein zu allem fähiger Politiker ist, dann kann das irgendjemand
hineininterpretieren, ob Sie das wollen oder nicht. (Weitere Rufe bei der
SPÖ.)
Sie zitieren Julius
Raab. Wir können das nicht nachvollziehen, aber wir werden schauen, ob das
Julius Raab tatsächlich gesagt hat.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 28 |
Die
Geschmacklosigkeit kennt keine Grenzen, wenn Sie von einer „Wolfgang-Schanze“
sprechen. – Sie haben damit gezeigt, dass Sie ja gar nicht in diesem
Lande Regierungsverantwortung übernehmen wollen! Sie wollen das nicht und
haben Ihren Parteivorsitzenden Gusenbauer im Regen stehen lassen – nicht
nur Sie, sondern viele andere auch –, denn Gusenbauer wollte regieren und
Verantwortung in diesem Land übernehmen, aber die SPÖ hat ihn nicht gelassen. (Bundesrätin
Schlaffer: Lüge! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine
falsche Wahrnehmung deinerseits!)
Oder wie erklären
Sie sich, meine Damen und Herren von der SPÖ, dass Sie zwei Monate gebraucht haben,
bis Sie in Ihrem Parteivorstand einen Beschluss dahin gehend gefasst haben,
dass Sie mit der ÖVP Regierungsverhandlungen aufnehmen? (Bundesrat Manfred Gruber:
Zu Sondierungsgesprächen, Herr Kollege! Keine Verhandlungen!) – Na das ist doch nicht wahr!
Der Herr Bundeskanzler hat bereits am Dienstag nach der Wahl zu Gesprächen
eingeladen! Verdrehen Sie das doch nicht!
Oder wie erklären
Sie sich, meine Damen und Herren, dass Sie während der Verhandlungen dauernd in
die Öffentlichkeit gegangen sind und geplaudert haben? – Wenn jemand so
etwas tut, dann zeigt das allein schon, dass er keine Verantwortung übernehmen
will! (Bundesrat Gasteiger: Rede keinen Blödsinn, Bieringer!)
Oder wenn ein
maßgeblicher Funktionär Ihrer Partei den Spitzenkandidaten – sprich den
Bundeskanzler – öffentlich bloßstellt, indem er sagt, er sei ein
„Hietzinger Napoleon“ und dergleichen, dann muss ich Sie fragen: Glauben Sie
denn, dass so etwas Vertrauen erweckend ist? (Bundesrat Gasteiger: Ihre
Aktionen auch nicht! – Bundesrätin Schicker: Was haben Sie über
Gusenbauer gesagt! Seien Sie nicht so empfindlich!) – Frau Kollegin
Schicker! So etwas kann man in der Hitze eines Wahlkampfes sagen. (Bundesrat
Gasteiger: Schaut nach, was ihr selber gemacht habt! – Weitere
Zwischenrufe. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)
Frau Kollegin! So
etwas kann man in der Hitze eines Wahlkampfes sagen, aber nicht zwei Monate
nach dem Wahlkampf, wenn intensiv verhandelt wird. Das ist ein Beweis dafür,
dass Sie nicht wollen – anders kann man das nicht erklären.
Meine Damen und
Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits gesagt, dass bei allen Parteien bei
den Verhandlungen Grundkonsens darüber geherrscht hat, dass die
Budgetkonsolidierung fortgesetzt wird, die Pensionssicherungsreform zu machen
ist, dass Veränderungen im Gesundheitssystem herbeizuführen sind und dass eine
Bundesstaatsreform beziehungsweise eine Bundesreform umzusetzen ist, die
Effizienz in die Verwaltung bringt.
Die Verhandlungen
haben klar gemacht, wer in diesem Lande Verantwortung übernehmen will: Die
Grünen – und das sei hier ausdrücklich noch einmal betont – wollten
Verantwortung übernehmen, sie wollten mittragen, aber maßgebliche Funktionäre
insbesondere einer Landesgruppe wollten nicht, und so konnte Van der Bellen seine
Regierungsbeteiligung nicht durchziehen.
Aber das oberste
Ziel für diese Regierung – und das haben ÖVP und FPÖ bewiesen – muss
sein, die Zukunft Österreichs nachhaltig und gerecht zu gestalten. Dies ist in
diesem Land nur in einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ möglich. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich sage Ihnen,
meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diesen Auftrag der Wählerinnen
und Wähler, Verantwortung für Österreich zu übernehmen, ernst genommen. (Bundesrat
Konecny: Was ist das Ablaufdatum dieser Aussage?) Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat
mit seinem Team ordentliche Verhandlungen mit allen Parteien geführt. Ein
Konsens war nur mit der Freiheitlichen Partei möglich. Wir werden Ihnen
beweisen, dass diese Regierung reformfreudig ist, dass sie auch Reformen
durchziehen will.
Wir bauen dabei
auf die Leistungskraft der Arbeitnehmer dieses Landes. Wir bauen auf die
Leistungskraft der Bauern und Unternehmen. Wir bauen auf die soziale
Sicherheit, auf die hohe Lebensqualität und auf das hohe Maß an Sicherheit für
unsere Mitbürger. Es gibt viel zu tun.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 29 |
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Das Fundament der Regierungspolitik für diese Legislaturperiode
ist das von allen Parteien außer Streit gestellte Bekenntnis zur Notwendigkeit
nachstehender vorrangiger Problemlösungen, um die Zukunft unseres Landes
nachhaltig zu sichern. Es sind dies: die Budgetkonsolidierung, eine
Steuerentlastung, die Sicherstellung der mittel- und langfristigen
Pensionsfinanzierung, die Gesundheitsreform, die Stärkung des Wirtschaftswachstums
in Österreich, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Verwaltungs-
und Staatsreform.
Die Bedeutung Österreichs liegt aber auch in der Vielfalt der
Bundesländer, deren Rechte gestärkt werden sollen. Im Zuge der geplanten
Staatsreform wird daher gemeinsam von Bund, Bundesländern und Gemeinden durch
ihre befugten Repräsentanten ein Österreich-Konvent eingerichtet werden.
Das Regierungsprogramm ist die Grundlage für die Bewältigung der
Herausforderungen sowie für eine problemorientierte Umsetzung der anstehenden
Reformen und ist Garant dafür, dass zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes der Wirtschaftsstandort Österreich konkurrenzfähig bleibt,
Arbeitsplätze geschaffen werden, ein ausgeglichenes Budget über den Verlauf
einer Periode angestrebt wird, eine Steuerreform für alle kommt, die
EU-Erweiterung mit gewaltigen Chancen für Österreich verwirklicht wird, die
innere und äußere Sicherheit gewährleistet werden, die Pensionen nachhaltig
gesichert werden, die Gesundheitsvorsorge gesichert und weiterentwickelt wird,
Bildung und Forschung gefördert werden sowie im Rahmen einer Verwaltungs- und
Staatsreform die Verwaltung bürgernäher, kostengünstiger und effizienter gestaltet
wird.
Aus diesem Grunde erlaube ich mir daher, im Namen von Kollegen Böhm und
mir folgenden Entschließungsantrag einzubringen:
Entschließungsantrag
der Bundesräte Ludwig Bieringer, Dr. Peter Böhm und Kollegen
betreffend Umsetzung des Regierungsprogrammes der österreichischen
Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Der Bundesrat begrüßt, dass die österreichische Bundesregierung ein
umfassendes Regierungsprogramm zur Sicherstellung einer positiven
Weiterentwicklung unseres Landes mit weitreichenden Maßnahmen vorgelegt hat,
und unterstützt die in diesem Regierungsprogramm dargelegten Zielsetzungen.
Darüber hinaus ersucht der Bundesrat die Bundesregierung, das
beiliegende Regierungsprogramm und insbesondere seine Schwerpunkte
Europa, innere und äußere Sicherheit
Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort
Steuerentlastung
Budgetkonsolidierung
Pensionssicherung
Gesundheitsreform
Bildungs- und Forschungsinitiative
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 30 |
und Verwaltungs-
und Staatsreform
initiativ und
effizient umzusetzen.“
*****
Wir erlauben uns, auf das beiliegende
Regierungsprogramm zu verweisen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne wünsche ich der neuen österreichischen
Bundesregierung ein herzliches Glückauf für die Bewältigung ihrer schweren
Aufgaben. Wir sind davon überzeugt, dass Bundeskanzler Dr. Wolfgang
Schüssel und Vizekanzler Haupt die Garanten dafür sind, dass das zum Wohle der
Bürgerinnen und Bürger dieses Landes umgesetzt wird. Glück auf der neuen
österreichischen Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.55
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Bieringer, Dr. Böhm und Kollegen
eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des Regierungsprogrammes
der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode
ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Darf ich Sie nur um eines bitten: Bei
aller Rechtmäßigkeit von Zwischenrufen in einer parlamentarischen Versammlung
würde ich Sie doch bitten, wenn wir schon hören, dass der Redner Probleme beim
Sprechen hat, weil er erkältet ist, darauf Rücksicht zu nehmen. Es kann auch
andere Redner in diesem Haus betreffen, dass sie vielleicht heiser und
erkältet sind. Bitte, nehmen Sie darauf Rücksicht, vor allen Dingen auch
darauf, dass wir jeden verstehen wollen, der am Wort ist, aber auch die
Zwischenrufe verstehen wollen. Sie können in einer Lautstärke sein, dass auch
der Redner zu hören ist.
Ich bitte nun Herrn Bundesrat Schennach ans Rednerpult. – Bitte.
10.56
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler!
Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren des
Bundesrates! Österreich hat wieder eine neue Regierung. Aber wie neu ist sie
denn? – Um Schüssel II zu bekommen, hätte man eigentlich nicht wählen
müssen. Man hätte die Regierung einfach weiterarbeiten lassen können.
Wir alle erinnern
uns noch daran, mit welch dramatischen Worten damals der Herr Bundeskanzler
nach der Knittelfelder Rabaukenaktion – übrigens, Herr Klubobmann Böhm,
ich weiß bis heute nicht, was Sie dort zu suchen gehabt haben (Bundesrat Gasteiger: Hö!), das hat mich
wirklich sehr verwundert – angekündigt hat, dass Österreich vorzeitige
Neuwahlen braucht, und zwar mit dem Hinweis auf Stabilität.
Diese Stabilität
ist heute in keiner Weise anders als damals, als die Regierung vorzeitig aufgelöst
wurde. Vielleicht ist der Instabilitätsfaktor sogar noch gestiegen, denn die
Regierung hat erstens eine geringere Mehrheit im Nationalrat, aber der
derzeitige Regierungspartner der ÖVP ist schon auf Grund der Ereignisse der
Wahlen instabiler geworden: Er ist in Graz vom zweiten auf den fünften Platz
abgerutscht. Die Umfragen in Niederösterreich und Tirol versprechen der FPÖ den
Auszug aus den Landtagen. In Oberösterreich droht die nächste schwere Wahlschlappe.
Dieser Koalitionspartner ist stabiler? Mit diesem Koalitionspartner kann man
guten Gewissens eine Regierung bilden?
Bekommen haben wir
eine neue Bundesregierung nach dem Prinzip „more of the same“. Warum „more of
the same“? – Einerseits ist die Regierung um zwei Staatssekretariate vergrößert.
Das wird wahrscheinlich ein Zugeständnis auf Grund der Verkleinerung des
Koalitionspartners sein. Wir haben keine Präambel mehr in dieser
Regierungserklärung. Das Familienprinzip ist auch da.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 31 |
Aber man kann jede
Regierung, die gebildet wird, in schlechten und in positiven Punkten bewerten.
Ich möchte auch positive anführen: Ich bin sehr glücklich, dass wir keinen
Herrn Frauenminister mehr haben, dass es endlich wieder eine Frauenministerin
gibt und ein solches Ressort eingerichtet wurde. Dazu gratuliere ich.
Zweitens –
und das ist das Interessante –: In den tage- und nächtelangen
Verhandlungen mit den Grünen – diese Verhandlungen, meine Damen und
Herren, waren von dem Willen geprägt, dass tatsächlich eine solche Regierung zu
Stande kommt – sind Kompromisse erzielt worden. Es sind insgesamt
109 Seiten gemeinsames Regierungsprogramm in einem konsensualen Prozess
erarbeitet worden.
Es ist
interessant, das Regierungsprogramm zu lesen. Sehr viele Positionen, die
Schwarz und Grün erarbeitet, erkämpft und erstritten haben und bei denen man
gegenseitig nachgegeben hat, finden sich darin wieder. Für mich ist auch ganz
interessant, dass sogar Sätze in diesem schwarz-blauen Regierungsprogramm
enthalten sind, die wir selbst erkämpft haben, aber gut. (Bundesrat Dr. Böhm:
Dann werden Sie sie unterstützen!)
Lieber Herr
Klubobmann Konecny! (Bundesrat Dr. Böhm: So heiße ich nicht!) –
Entschuldigen Sie, ich habe jetzt nur die Stimme von vorne vernommen. (Ruf:
Realitätsverlust!)
Das zeigt auf der
anderen Seite, wie wenig offensichtlich der freiheitliche Koalitionspartner an
Themen eingebracht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Dort,
wo er sie eingebracht hat, schmerzt es besonders, Herr Professor Böhm! Zum
Beispiel das Kapitel, das die ÖVP mit den Grünen im Bereich der Migration und
Integration verhandelt hat, war vom Inhalt her um 180 Grad anders als
jenes von ÖVP und FPÖ. Aber im Wesentlichen hat sich die FPÖ offensichtlich
der Gestaltung der Politik entschlagen. Das ist auch klar: Für die FPÖ ist
diese Regierungsbeteiligung quasi ein Strohhalm des Überlebens, und für den
Bundeskanzler war die FPÖ mit Sicherheit der billigere Koalitionspartner.
Meine Damen und
Herren! Das ändert aber nichts. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Die Bevölkerung
ist durchaus bereit mitzugehen. Na gut, es bleibt ihr auch wenig übrig: Wenn eine
Regierung Maßnahmen beschließt, muss sie diese hinnehmen. – Herr
Bundeskanzler! Die Verhandlungen, die Sie zum Beispiel mit den Grünen geführt
haben, haben in der Bevölkerung, aber auch in Ihrer Partei Hoffnungen erweckt.
Und diese Hoffnungen sind in den Morgenstunden des damaligen Sonntags bitter
enttäuscht worden. Das zeigt sich auch darin, dass diese Regierung, so wie sie
jetzt gebildet ist, in den Umfragen, die gemacht wurden, auch in Ihren eigenen
Umfragen, keine Mehrheit mehr hat.
Warum? – Die
Bevölkerung hat am 24. November die FPÖ aus der Regierungsverantwortung
abgewählt. Das ist eine Tatsache. Wer von 27 Prozent auf 10 Prozent
fällt, der ist abgewählt. Eine solche Partei müsste eigentlich im Sinne des
Zeugnisses, das ihr die Bevölkerung ausstellt, sagen: Ich bin abgewählt. Ich
habe ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) –
Ich weiß, Herr Kollege, Sie setzen sich immer für die FPÖ ein. Früher
konnte man das noch verwechseln, aber jetzt haben Sie sich hinübergesetzt (allgemeine
Heiterkeit), aber irgendwie sind Sie hier immer der ehrenamtliche Sprecher
der FPÖ. Das müssten Sie einmal innerhalb der Fraktion besprechen.
Es könnte sein,
dass Sie darüber sehr traurig waren. Es könnte sein, dass Sie sehr traurig
waren, dass die FPÖ so viel verloren hat. Aber ich glaube, der Bundeskanzler
ist dies nicht, denn die Handschrift des Regierungsprogrammes ist die
Handschrift der ÖVP.
Politische
Verantwortung wahrnehmen heißt, dass ich, wenn ich einen Denkzettel von der Bevölkerung
bekomme, diesen Denkzettel ernst nehme, und das heißt nicht, dass ich den Ruhepolster
in der Regierung suche. Insofern, Herr Bundeskanzler, habe ich auch nicht die
Sorge, dass diese Regierung pragmatisiert wird, wie Sie zum Ausdruck brachten.
Die nächsten Wahlen – ich nehme an, es werden wieder vorzeitige Wahlen
sein, das signalisiert das Stimmungstief, das hier existiert –, vor allem
die nächsten Landtagswahlen werden dies beweisen. Die nächsten Landtagswahlen
werden Ihren Koalitionspartner nicht sicherer machen.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 32 |
Kollege Bieringer
hat gemeint, die Grünen seien über ihre Landesgruppe Wien gestolpert. (Bundesrat Dr. Böhm:
Das ist ein Faktum!) Ich komme aus dieser Landesgruppe Wien, Frau Glawischnig
war Spitzenkandidatin der Landesgruppe Wien und Herr Van der Bellen ebenso. Wir
alle haben mit großen Anstrengungen versucht, eine solche Regierungsbildung zu
Stande zu bringen. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Dr. Schüssel.)
Aber, Herr
Bundeskanzler, sind wir beide ehrlich: Sowohl die ÖVP als auch die Grünen waren
auf die neue mathematische Rechnung, 27 plus 7 ist 52, nicht vorbereitet. Beide
Parteien waren in ihren inneren Zusammenhängen darauf nicht vorbereitet, und es
bedurfte eines längeren Prozesses, in Optionen zu denken, die vorher die
normale Mathematik gar nicht zugelassen hat.
Meine Damen und
Herren! Wir haben Schüssel II, und ich sage und habe das auch öffentlich
immer wieder gesagt: Mir ist aus Respekt vor der Verfassung eine kleine
Koalition lieber als eine große Koalition. Mir ist eine kleine Koalition, die
mit der Opposition um Verfassungsmehrheiten ringen muss, lieber, denn sie
entspricht mehr dem Grundgedanken und dem Geiste der Bundesverfassung als eine
Regierungsform, die eine Zweidrittelmehrheit hat. Das fördert die Demokratie im
Lande, und insofern bin ich froh, dass es zu keiner großen Koalition gekommen
ist.
Trotzdem ist
Kritik an dieser Regierung angesichts der Belastungen, angesichts ihrer
Interpretation von Sicherheitspolitik notwendig. – Herr Kollege Konecny! Sozusagen als Kollege von
Opposition zu Opposition würde ich Sie um eines ersuchen: Man kann in einer
parlamentarischen Versammlung nicht etwas aus dem Protokoll streichen lassen,
aber ich würde Sie, damit die Kritik der Opposition auch gehört wird, ersuchen,
den Ausdruck „Wolfgang-Schanze“ auch formell und formal zurückzunehmen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich danke zwar für
den Applaus, aber das ist persönlich gemeint unter Kollegen der Opposition,
dass nicht jeder Vergleich das erhärtet, was man sagen will. Und mancher
Vergleich ist, so glaube ich, wirklich unpassend.
Kommen wir zu dem
Programm im Einzelnen: Von acht Seiten Umwelt, die wir zwischen Schwarz und
Grün bereits verhandelt haben, sind drei Seiten übrig geblieben. Aus einer aufkommensneutralen
Ökosteuerreform ist plötzlich eine Benzinpreiserhöhung im Ausmaß von
400 Millionen geworden. Die ein oder zwei Cent, Herr Bundeskanzler, müssen
Sie in der Gesamtrechnung darstellen. Das ist eine Belastung in der Höhe von
400 Millionen €, das soll man dazusagen. Ein Cent, zwei Cent klingen
irgendwie putzig, aber in Wirklichkeit sind es 400 Millionen €.
Unser Weg war
immer, wenn man am Benzinpreis „dreht“, dann muss es letztlich im Rahmen einer
aufkommensneutralen Ökosteuerreform sein.
Zweitens: der
Tourismus. Mit viel Pomp wurde im Jahr 2000 ein
Tourismus-Staatssekretariat eingerichtet. Schauen Sie einmal im
Regierungsprogramm nach, was vom Tourismus geblieben ist! Er ist einer unserer
wichtigsten Wirtschaftsbereiche, und übrig geblieben ist eine absolute
Minimalstformulierung. Als jemand, der auch Tiroler Wurzeln hat und um die
Bedeutung des Tourismus weiß, schmerzt mich das ganz besonders.
Drittens: der
Klimaschutz. Der Bundeskanzler hat es heute in seiner Rede besonders hervorgehoben,
und ich bin froh, dass er es getan hat; vielleicht war es ein Ausfluss unserer
gemeinsamen Verhandlungen, dass erstmals die Ökosteuerreform in ein
Regierungsprogramm eingeflossen ist. Aber auch der Klimaschutz ist enthalten.
Was wurde gestrichen? – Dass der Bund eine Vorbildwirkung haben soll, das
findet man nicht mehr. Oder dass öffentliche Förderungen und Subventionen auf
ihre Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit hin überprüft werden, das ist auch
nicht mehr enthalten. Auch das langfristige Ziel, aus der Nutzung der
Kernenergie in Europa auszusteigen, ist nicht mehr da. (Bundesminister
Dipl.-Ing. Pröll: Das steht drinnen!) – Ich werde gleich
nachschauen, und dann werde ich mich, wenn es notwendig ist, korrigieren.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 33 |
Wir stehen derzeit
vor den GATS-Verhandlungen. Und es stellt sich die Frage: Was ist eine
öffentliche Aufgabe? – Dass Wasserversorgung im öffentlichen Interesse und
eine öffentliche Aufgabe ist, das ist so nicht mehr enthalten.
Herr Kollege Steinbichler! Auch die gentechnikfreie Landwirtschaft ist in dieser
Form – und ich kann Ihnen sagen, wir haben damals mit Kollegen Molterer,
einen der ganz besonders bemühten Verhandler, Stunden verbracht – nicht
mehr enthalten.
Bei der
Gesundheit, Herr Kollege Haupt, sind die Formulierungen von besonderem
Interesse, insbesondere die Anpassung der Strukturen und die Beschickung der
Gremien. Ist das die neue Auflage einer groß angelegten Umfärbungsaktion zu
Gunsten der FPÖ? – Wahrscheinlich wird es das auch sein. Das Drama
Pflegegeld erleben wir ja dieser Tage öffentlich.
Zur
Nichtanerkennung der Gebärdensprache: Diese war schon einmal enthalten, ist
aber jetzt wieder verschwunden. So viele Menschen – auch in
Österreich – wollen, dass endlich die Gebärdensprache – und damit
auch ihre eigene Kultur – anerkannt wird, aber das fehlt wieder im
Regierungsprogramm.
Zum Bereich der
Bildung: Die Schülermitbestimmung bei den Verhaltensvereinbarungen wurde
gestrichen. Weiters: duale Ausbildung, Integration Behinderter,
Alternativschulen.
Bei den
Studiengebühren fällt auf, dass die ursprünglich verhandelten, doch
großzügigeren Stipendiensysteme verschlechtert wurden. Sie sind stark reduziert
worden.
Bezüglich
Kultur – ich bin froh, dass sich offensichtlich die FPÖ eigener
Vorstellungen gänzlich entsagt hat – ist nichts Freiheitliches zu finden.
Derzeit erleben
wir seit Wochen das Drama um die Minderheitenradios: in Kärnten, im Burgenland.
Diesbezüglich gab es eine sehr positive Formulierung – sie wurde
gestrichen. Etwas, was man mir immer gesagt hat, was auch ein besonderes
Herzblut der ÖVP ist, ist der Ausbau der Volksgruppenrechte und der
Volksgruppenradios.
Aber nun komme ich
zu einem Bereich, meine Damen und Herren, bei dem ich am allermeisten bedauere,
dass es diese Zusammenarbeit in der Umsetzung nicht gab: Das betrifft den
Bereich des Asyl- und Fremdenrechtes. Diesbezüglich waren Meilensteine
verhandelt; die blaue Handschrift ist aber jetzt unverkennbar: Abschaffung der
Familienzusammenführungsquote, Arbeitsmarktzugang, Ausweitung der offenen
Schubhaft wurden gestrichen und und und.
Was ich aber
besonders erschütternd finde, ist, dass von der Außenpolitik eigentlich nicht
mehr viel übrig geblieben ist. Wie das passiert ist, weiß ich nicht. Ein
bisschen Altösterreichisch, ein bisschen Beneš-Dekrete und ein bisschen
Schutzmacht – das ist die Außenpolitik abseits der
Entwicklungszusammenarbeit und der äußeren Sicherheit.
Meine Damen und
Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, hinsichtlich der Bedeutung der
Sicherheit und des Überdenkens der Rolle des Bundesheeres wird nun eine
Reformkommission eingerichtet, auf deren Ergebnisse wir warten. Nun frage ich
mich, warum setzt man eine Reformkommission ein, die über Bedrohungsbilder und
über die neue Rolle des Bundesheeres berät, und kauft vorher die unnützen Abfangjäger,
denn damit wird im Grunde genommen die Arbeit dieser Reformkommission
präjudiziert. Das heißt, das ist eine Reformkommission, die über vieles
nachdenken darf, aber über die Abfangjäger, über deren Sinnhaftigkeit, über
deren Implementierung im Rahmen eines Verteidigungssystems nicht. Diesbezüglich
ist das Denken verboten. Da ist dann sehr viel Geld im Umlauf, und
möglicherweise auf Grund dessen, was uns nun das Regierungsprogramm sagt, heißt
das – so kommt es mir jetzt vor –, dass das Prinzip der Finanzierung
nach dem Ausspruch erfolgt: Hinter mir die Sintflut, sollen sich doch dann
andere Regierungen mit den Kosten der Abfangjäger herumschlagen!
Nun zur Staatsreform, die ein wichtiges Kapitel ist: Herr Bundeskanzler! Gerade im Bundesrat haben Sie kein Wort über die angedachten Reformen des Bundesrates gesagt. Das habe ich schmerzhaft vermisst. Es wäre hier doch die Möglichkeit gewesen, dazu einiges zu sagen, denn Sie wissen, dass die Vorstellungen der ÖVP zum Bundesrat und zu den Landtagen sehr weit
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 34 |
reichend
sind, und da hätte der Bundesrat während Ihrer heutigen Regierungserklärung
doch ein offenes Wort hören sollen.
Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich abschließend zu der Regierungserklärung Folgendes
sagen: Herr Kollege Böhm, Sie haben Recht, wir werden genauest
darauf achten, dass jene Punkte, die auf Grund der Verhandlungen mit den Grünen
hier eingeflossen sind, auch in dem Geiste der Verhandlungen und des damaligen
Kompromisses umgesetzt werden. Das ist eine wichtige Aufgabe, und insofern hat
sich die Rolle der Grünen durch diese Regierungsverhandlungen mit der ÖVP gewandelt.
Die Grünen sind dadurch kein unschuldiges Kind mehr in der Innenpolitik, denn
sie haben sich einmal und sehr ernsthaft – das erste Mal in ihrer
Geschichte – mit den Regierungsverhandlungen und den Bemühungen, eine
Regierung zu erstellen, auseinander gesetzt.
Nach einer
Woche – 109 Seiten, zwei haben gefehlt, die Themen liegen auf der
Hand, Herr Konecny hat einige angesprochen, ich sage nur: Arbeitsmarkt, Pensionen, Abfangjäger,
Demokratie an den Universitäten – haben Sie als Kurssetzer dieser
Verhandlungen, Herr Bundeskanzler, in jener letzten Nacht das letzte Tor
versetzt, das bei der Besichtigung woanders stand. Und deshalb war der
Einfädler eine logische Folge des Endes. (Bundesrat Fasching: Schlechte
Kursbesichtigung!)
Deshalb stellt
sich ernsthaft die Frage (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers
Dr. Schüssel): Waren die Gespräche mit der SPÖ, waren
die Verhandlungen mit den Grünen nur dazu da, um letztlich der
Bevölkerung verkaufen zu müssen (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz
Gruber), jetzt müssen wir es halt mit einer abgewählten Partei
wieder probieren, diese wird es etwas billiger geben? – Warum war das Tor
in der letzten Nacht woanders hingestellt? – Das ist die Frage, die sich
stellt.
Da wir schon beim
Tor sind: Herr Bundeskanzler! Wenn Sie jetzt nach Salzburg fahren, haben Sie es
sicher leichter, denn Herr Eberharter hat gerade den Gesamtweltcup gewonnen. (Allgemeiner
Beifall. – Bravo-Rufe bei der ÖVP.)
11.17
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist
Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.
11.18
Bundesrat
Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr
Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte
Damen und Herren des Hohen Hauses! Die so instabile Weltlage mit der drohenden
Gefahr eines Irak-Krieges und einer nachfolgenden Krise der internationalen
Wirtschaft erfordert umso mehr unsere höchsten Anstrengungen, zumindest die
„Hausaufgaben“ im eigenen Land bestmöglich zu erfüllen.
Ziel der für alles
grundlegenden Finanzpolitik bleibt unverändert ein ausgeglichenes Budget über
den Konjunkturzyklus hinweg. Die geplanten Einsparungen in der Höhe von
3 Milliarden € sollen den Spielraum eröffnen, um Schwerpunkte bei
Zukunftsthemen wie Forschung, Bildung und Infrastruktur setzen zu können.
Das zentrale
Anliegen meiner Fraktion, nämlich eine grundlegende Steuerreform zu
bewirken, ist im Regierungsprogramm klar und unmissverständlich
festgeschrieben. Daran ist nicht und von niemandem zu deuteln.
Im ersten Schritt
muss es dabei zur Entlastung unterer und mittlerer Einkommen, konkret zur
vollständigen Steuerbefreiung für Bruttojahreseinkommen bis zu
14 500 € kommen.
Mit der zweiten Etappe der Steuerreform strebt die Bundesregierung eine Nettoentlastung in der Höhe von 2,5 Milliarden € an. Die damit verfolgten Ziele sind dabei neben der Verbesserung der Steuergerechtigkeit die Erhöhung der Kaufkraft der unteren und mittleren Einkommensbezieher, die Entlastung des Faktors Arbeit zur Sicherung und Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze und
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 35 |
nicht zuletzt die
Stärkung unseres Landes als Wirtschaftsstandort. – Nichts anderes waren
übrigens die sachlich durchaus legitimen Forderungen im viel geschmähten
Knittelfeld! Ich möchte behaupten, dass sich diese Forderungen besser
durchgesetzt haben als jene von Dr. Gusenbauer am selben Ort.
Die Einführung
einer begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne für Einzelunternehmen
und Personengesellschaften soll ferner Klein- und Mittelbetriebe und ihre
Eigenkapitalbildung fördern.
Die Senkung der
Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer wird als arbeitsmarktpolitische Maßnahme
die mit der Abschaffung der Frühpensionen zweifellos verbundenen Probleme
mildern.
Die ambitionierten
Einsparungsziele werden sich freilich nur dann erreichen lassen, wenn vor allem
die bereits eingeleitete Verwaltungsreform, um die sich die Vizekanzlerin der
letzten Regierung Verdienste erworben hat, energisch fortgesetzt wird.
Aus der Fülle der
Reformvorhaben greife ich nur Folgende heraus: den weiteren Ausbau der
Bezirksverwaltungsbehörden zu einer zentralen Anlauf- und Servicestelle des
Bürgers; die durchgehende Reduktion des administrativen Rechtszuges auf zwei
Instanzen; die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen; und die
Neuordnung des Bundeshaushaltsrechtes im Sinne der Schaffung von Globalbudgets
in den Ministerien.
Als wichtigste
Zukunftsperspektive wird heute zunehmend die Investition in Bildung, Forschung
und Innovation erkannt. Im Regierungsprogramm ist daher die Anhebung der
Forschungsquote bis 2006 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
vorgesehen. Auch dadurch werden Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze
gesichert.
Im Bereich der
Wissenschaftspolitik steht die Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 als
international anerkanntes Reformmodell im Vordergrund. Die eigenverantwortliche
Entwicklung ihrer Profile wird für die Universitäten die Grundlage für die mit
ihnen abzuschließenden Leistungsvereinbarungen bilden. Eine zu schaffende
Evaluierungsagentur nach europäischem Maßstab wird gleichsam als begleitende
Kontrolle fungieren. Die autonom eingehobenen Studienbeiträge verbleiben den
Universitäten, um damit die Studienbedingungen zu verbessern. – Ich verschweige
gerade als akademischer Lehrer nicht, dass es da durchaus Schwachstellen gibt,
die es auszugleichen gilt.
Im Bereich der
Bildungspolitik geht es um die zeitgemäße Fortentwicklung des Schulwesens und
seiner Qualitätssicherung, insbesondere durch Leistungsstandards.
Die gebotene
Entlastung der Schüler, Herr Kollege Konecny, ist meines Erachtens nicht auf
eine lineare Reduktion der Unterrichtsstunden beschränkt. Vielmehr ist unter
Beibehaltung des anerkannt hohen Niveaus unserer Ausbildung eine strukturelle
Umschichtung insbesondere durch Kernbereiche einerseits und Vertiefungs-
beziehungsweise Erweiterungsbereiche andererseits angestrebt. Fächerübergreifende
Projekte und exemplarisches Lernen sind die beste Einübung in das in Zukunft
ohnehin unerlässliche „lebensbegleitende Lernen“.
Das Herzstück
jeder Gesellschaftspolitik ist für uns Freiheitliche aber zweifellos die Familienpolitik.
Gerade darin war bereits in der vergangenen Legislaturperiode und ist auch
heute wieder im gegenwärtigen Regierungsprogramm die freiheitliche Handschrift
ganz besonders sichtbar. Stets ging es uns und geht es uns auch weiterhin
darum, den Eltern die Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder zu
ermöglichen.
An Reformanliegen
hebe ich dabei nur Folgende hervor: Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes,
Zuschläge zu ihm bei Mehrlingsgeburten, Förderung einer familienfreundlichen
Arbeitswelt, aber auch des „Unternehmens Haushalt“.
Entgegen dem ideologischen Vorurteil, dass Familienpolitik und Frauenpolitik (Bundesrätin Schicker: Nicht das gleiche ist!) einen Gegensatz bilden, betone ich bewusst die Absicht der Bundesregierung, Frauen eine eigenständige Alterssicherung dort zu gewährleisten, wo diese
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 36 |
ihnen heute noch fehlt. Gewiss
nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber ein ganz wesentlicher,
ist die Anhebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von derzeit 18
auf 24 Monate im Zuge der Gesamtpensionsreform. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Nicht zufällig
landet jede aktuelle Betrachtung der Familienpolitik auch bei der Problematik
des Pensionssystems und seiner zukunftsfähigen Absicherung. Beruht doch unser
Pensionsversicherungsrecht, das entgegen seiner Bezeichnung in
Wahrheit nach dem Umlagesystem gestaltet ist, auf dem dieses rechtfertigenden
Leitgedanken des Generationenvertrages. Eben dieser ist aus objektiv
nachvollziehbaren Gründen in eine bedenkliche Schieflage geraten.
Das zwei oder
richtigerweise vielleicht sogar drei Generationen übergreifende Umlagesystem
ging von folgenden Prämissen aus, die so heute alle mehr oder weniger
nicht mehr zutreffen: nämlich von einer annähernden Vollbeschäftigung; von
einer gleich bleibenden Lebenserwartung; von einer demografisch stabilen
Reproduktionsquote – wenn Sie mir den unschönen Ausdruck
gestatten –; von einer vergleichbaren Ausbildungs- und
Berufsbiographie – sprich: dem Zeitpunkt des Eintritts ins
Erwerbsleben – und in Verbindung damit von einem relativ proportionalen
Verhältnis von Pensionsbeiträgen und Pensionsleistungen.
In dem Maße, in
dem sich diese Parameter nicht mehr gleichsinnig entwickelten, wurde das
Problem der Finanzierung des überkommenen Pensionssystems vorerst auf den
Staatshaushalt – sprich: den Steuerzahler – und in den letzten
Jahren immer mehr auch auf die nachfolgenden Generationen verlagert.
Dieses an sich
unsachgemäße und ungerechte Vorgehen stößt inzwischen an seine absoluten
finanzpolitischen und sozialpsychologischen Grenzen. Früher oder später droht
die Überspannung, wenn nicht Aufkündigung des Generationenvertrages!
Wir können doch
nicht auf den Aufstand unserer Jugend warten, die bei zunehmend steigenden
Sozialversicherungsabgaben beziehungsweise/und erhöhten Steuerleistungen
die Ruhegenüsse von Frühpensionisten und von Pensionisten mit früherem
Antrittsalter zu finanzieren, selbst aber ein erheblich späteres Antrittsalter
und zudem noch erheblich verkürzte Pensionsleistungen zu erwarten hat und
infolge der hohen Abgaben auch nicht über die entsprechenden Einkommensteile
verfügt, um sich im Sinne der so genannten „dritten Säule“ in Eigenvorsorge den
Ausgleich für die fehlende Ersatzrate zu sichern.
Aus all diesen
Gründen bedarf es zur nachhaltigen Stabilisierung des Pensionssystems der
Harmonisierung aller gegenwärtig recht unterschiedlichen Teilsysteme und der
Schaffung eines einheitlichen Pensionsmodells – ohne jegliche
Privilegien – für alle Erwerbstätigen!
Ein Kernelement
dabei ist die Absicht, in Zukunft ein grundsätzlich beitragsorientiertes Pensionskonto
einzuführen. Neben der Konsolidierung des Umlageverfahrens, also der weiterhin
tragenden „ersten Säule“, werden auch die betriebliche und die individuelle
Altersversorgung, das heißt die so genannte „zweite“ und „dritte Säule“,
auszubauen sein.
Eine solche
Systemsicherung ist meines Erachtens, um es nochmals zu betonen, ein Gebot der
Gerechtigkeit gegenüber den jüngeren Generationen! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Das geplante
Auslaufenlassen der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer
wird durch die Verlängerung der volkstümlich so genannten „Hacklerregelung“,
also Pensionsantritt nach 40 beziehungsweise 45 Beitragsjahren, bis 2010
sozial abgefedert. Auch das war aus freiheitlicher Sicht unabdingbar! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Im Sachbereich „Inneres, Asyl und Integration“ waren meiner Fraktion der entschiedene Kampf gegen Drogenhandel, die Reform des Versammlungsgesetzes und die Beschleunigung des Asylverfahrens unter gleichzeitiger Verbesserung seiner Qualität zentrale Anliegen. Die Integration legal in Österreich lebender ausländischer Staatsbürger hat weiterhin Vorrang vor einem Neuzuzug; dieser unterliegt weiterhin der Quotenregelung. Der Familiennachzug innerhalb
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 37 |
dieser Quote ist auf die Kernfamilie zu beschränken. Deren
Mitgliedern wird dafür im Gegenzug der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet; das
wurde vorhin nicht richtig dargestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Die Justizpolitik
ist erneut durch ehrgeizige Vorhaben geprägt. So handelt es sich bei der Strafprozessreform
um ein international anerkanntes Reformwerk und zugleich um das größte und
komplexeste Legislativprojekt des Ressorts seit der Erlassung des
Strafgesetzbuches. Es wurde soeben im Ministerrat verabschiedet.
Entgegen anders
lautenden Behauptungen wird die richterliche Kontrolle voll erhalten und sogar
ausgebaut. Angesichts des gezielt geschürten Misstrauens gegenüber der
Weisungsbefugnis des Justizministers scheint es mir wesentlich zu sein, dass
die durch eine strafbare Handlung geschädigten Personen beim Oberlandesgericht
die Fortführung eines Verfahrens verlangen können, das von der
Staatsanwaltschaft – vielleicht auf Weisung des Justizministers –
eingestellt worden ist.
Die Verschärfung
der Strafbestimmungen gegen Kinderpornographie und die Schaffung eines
Straftatbestandes der sexuellen Belästigung sind ein Reformanliegen, das wir
alle wohl in diesem Hohen Hause teilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Gleiches gilt für
die Verbesserung des Opferschutzes und der Opferhilfe. – Erwähnt seien
auch noch weitere Maßnahmen zur Beschleunigung gerichtlicher Verfahren und die
Gesamtreform des Verfahrens in Außerstreitsachen; die Schaffung bundesweiter
Mindeststandards für Heimverträge; die Verbesserung des Schutzes von Ehegatten
vor Übervorteilung im Scheidungsverfahren; die Schaffung eines immateriellen
Schadensersatzanspruches bei Eingriffen in Persönlichkeitsrechte; die
Harmonisierung und Vereinfachung der heute bereits völlig unüberschaubaren
Wohnrechtsmaterien; die Gesamtreform des Handelsgesetzbuches im Sinne eines
modernen Unternehmensrechtes und vieles Andere mehr.
Aus Zeit- und auch
aus fachlichem Kompetenzmangel verweise ich zur Wirtschaftspolitik nur auf die
Verbesserung der Lehrlingsausbildung und den Ausbau der
Mittelstandsfinanzierung, auf die Jungunternehmerförderung, die Stärkung der
Eigenkapitalbildung der heimischen Tourismusbetriebe und nicht zuletzt auf das
Ziel, die organisierte Schattenwirtschaft als einen echten Sozialbetrug
einzudämmen. Auch darin wird freiheitliche Handschrift erkennbar! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Auf dem Gebiet des
Arbeitsrechtes hebe ich lediglich den Anspruch von Eltern auf Teilzeit
und flexible Arbeitszeitregelung hervor. Dieser Anspruch in Betrieben mit mehr
als 20 Mitarbeitern gilt für Eltern von Kindern bis zum Ablauf ihres
siebenten Lebensjahres oder bis zu deren Schuleintritt; und das unter Wahrung
des Rechtes der Eltern auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung.
Auch die volle
Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in Bezug auf die Entgeltfortzahlung
verdient Erwähnung.
In der
Verkehrspolitik kommt unverändert dem Ausbau der Schieneninfrastruktur im
Rahmen des Generalverkehrsplanes insbesondere in Richtung
EU-Beitrittskandidaten im Norden, Osten und Süden sowie auf den Hauptkorridoren
im Sinne des EU-Beitrittsvertrages Priorität zu.
Bei der
Erarbeitung der EU-Wegekostenrichtlinie geht es Österreich um die ausreichende
Umsetzung des Konzeptes ökosensibler Zonen und der Kostenwahrheit
durch die ökologische Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut
und um die Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur.
Zur Gesundheitspolitik will ich nur das Ziel hervorheben, alle Beitragsleistenden in der Krankenversicherung gleich zu behandeln, was sowohl für den einheitlichen Beitragssatz für alle Arbeitnehmer als auch für die Leistungskataloge gilt. Anstelle der Krankenscheingebühr und der Ambulanzgebühr – ich räume ein: keine Erfolgsgeschichte –, die abgeschafft werden, soll
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 38 |
die
Ermächtigung der Sozialversicherungsträger treten, von allen Versicherten einen
sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben.
Als besonders
zukunftsorientierter Ansatz scheint mir die Forcierung von Gesundheitsvorsorge
und gesundheitsfördernden Maßnahmen zu sein. Mit Blick auf die schon
angesprochene Altersstruktur der Bevölkerung erachte ich auch die Neuregelung
und Ausbildung von Gesundheitsberufen und die Unterstützung pflegender
Angehöriger für eine wichtige Aufgabe der Gesundheitspolitik.
Aus der
Umweltpolitik greife ich gleichfalls nur zwei Anliegen heraus: die Forcierung erneuerbarer
Energien und die Steigerung der Energieeffizienz und ebenso das Bemühen der
Bundesregierung, im Rahmen von Euratom darauf zu dringen, dass keine
zusätzlichen Mittel für den Neubau oder Kapazitätsausweitungen von
Atomkraftwerken und für die Nachrüstung von Atomkraftwerken mit einer damit
verbundenen Laufzeitverlängerung eingesetzt werden.
In der
Frauenpolitik muss es primär gelingen, die immer noch viel zu hohen
Einkommensunterschiede von Männern und Frauen in der Arbeitswelt zu
verringern. Für gleichwertige Arbeit muss es gleichen Lohn geben! (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Im Bereich Kunst
und Kultur muss ich mich auf die Wiedergabe der Zielsetzung beschränken, die
Breite und Vielfalt von Kunst und Kultur zu erhalten und den Nachwuchs zu
fördern; durch steuerliche Maßnahmen den Kunstmarkt zu beleben, für
Kunstsponsoren und zur Erhaltung des kulturellen Erbes Anreize zu schaffen und
nicht zuletzt das hohe Niveau unserer Bundestheater, Festspiele und
Bundesmuseen sicherzustellen.
Auf dem Gebiete
des Sports werden die Fußball-Europameisterschaft 2008 und die Olympiabewerbung
von Salzburg 2010 voll unterstützt. Auch soll es endlich zur bereits oft
angekündigten Ausarbeitung eines Berufssportgesetzes kommen.
Zuletzt wende ich
mich noch kurz der Außen- und Sicherheits- beziehungsweise Verteidigungspolitik
zu. Diese spielt sich aus österreichischer Sicht heute zwar nicht
ausschließlich, aber doch vornehmlich im Rahmen der Europäischen Union ab. Im
Konvent und in der Regierungskonferenz wird die Bundesregierung daher am
Prinzip der Einstimmigkeit für vitale Interessen, also Raumordnung,
Bodennutzung, Eigenmittelbeschlüsse, Rechtsakte mit konstitutivem Charakter,
Wahl der Energieträger und Wasserressourcen, festhalten. Das war auch stets
eine Grundforderung von uns Freiheitlichen.
Zuzustimmen ist
der Förderung der Beitrittsbestrebung von Kroatien. Hingegen stehe ich persönlich –
das ist meine eigene Meinung, das will ich nicht verhehlen – dem
EU-Beitritt der Türkei aus heutiger Sicht ablehnend gegenüber! (Beifall bei
Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)
Zwei für uns ganz
wesentliche Anliegen, die im Regierungsprogramm verankert werden konnten,
wurden von den Oppositionsparteien in der Nationalratsdebatte – heute auch
von Herrn Kollegen Schennach – als überholt abgetan, nämlich zum einen die
Aufgabe Österreichs, seine Schutzfunktion für die Volksgruppen mit deutscher
und ladinischer Muttersprache in Italien weiterhin wahrzunehmen, und zum
anderen das Bestreben der Bundesregierung, in der Frage der Vertreibungsgesetze
und -dekrete von 1945 und 1946 eine akzeptable Lösung zu erreichen.
Mir ist die
Abwertung dieser Anliegen und damit die offensichtliche Geringschätzung des unseren
Volksgruppen angetanenen Unrechts völlig unverständlich und nicht
nachvollziehbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Der für Südtirol
durch das auf Grund des Pariser Vertrages beschlossene „Paket“ erreichte Autonomiestatus
ist keineswegs so ungefährdet, wie das Abgeordnete der SPÖ und der Grünen
glauben machen wollen. Maßgebliche, weil regierungsnahe Kreise in Italien
stellen nachweislich diesen Sonderstatus als mit dem Gemeinschaftsrecht
unvereinbar grundsätzlich in Frage. Wachsamkeit ist also durchaus geboten.
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Was soll ferner an
einer Lösung schlecht sein, die in Bezug auf das – vom international anerkannten
Professor Ermacora ehedem als Genozid eingestufte – Unrecht der
Vertreibung der altösterreichischen „Volksdeutschen“ eine Klarstellung bringt,
die dem modernen Menschenrechtsverständnis und den gemeinsamen europäischen
Werten entspricht? (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ebenso wenig
Probleme habe ich mit der Zielsetzung, an der Weiterentwicklung einer gemeinsamen
europäischen Verteidigungspolitik aktiv mitzuwirken. Dazu hat sich Österreich
inzwischen längst völkerrechtlich und gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, und
es hat die dazu nötigen Änderungen des Verfassungsrechtes beschlossen –
und das bereits unter einer Bundesregierung unter sozialdemokratischer
Führung.
Das dann
jetzt – es ist heute im Bundesrat nicht geschehen, anders als im
Nationalrat – als Gefährdung der österreichischen Neutralität
hinzustellen, wäre geradezu doppelbödig! Deshalb kann eben auch die Begründung
für die Ablehnung des Ankaufs von Abfangjägern nicht ernst genommen werden.
Hält man einerseits an der Wahrung der Neutralität fest, wiewohl von ihr
höchstens noch ein Restbestand vorhanden ist, so kann man es andererseits nicht
für überflüssig erklären, den Luftraum zu überwachen und gegen
Neutralitätsverletzungen abzusichern.
Da somit den
internationalen Verpflichtungen immer größere Bedeutung innerhalb der Aufgaben
des Bundesheeres zukommt, bedarf es für die entsprechenden Einsätze einer
zunehmenden Erhöhung des Professionalisierungsgrades und einer grundlegenden
Heeresreform. Das würde mit der Reduktion der im Rahmen der allgemeinen
Wehrpflicht benötigten Zahl der Präsenzdiener zugleich auch eine Verkürzung des
Wehrdienstes ermöglichen – das wenigstens dann, wenn und sobald die
Sicherung der Schengen-Außengrenzen von einer dem Polizeikorps zugehörigen
Grenzschutzwache übernommen werden könnte.
Dringend geboten
erscheint mir die Modernisierung der Ausrüstung und der Gerätschaften des
Bundesheeres zum bestmöglichen Schutz für Leben und Gesundheit der Soldaten,
aber auch für die Sicherheit der Bevölkerung. Das unter dem Prätext von
Einsparungen abzulehnen, wäre meines Erachtens ein verfehlter Ansatz selbst
einer durchdachten, vorsichtigen Finanzpolitik.
Meine sehr geschätzten
Damen und Herren des Hohen Hauses! Was ist das Resümee meiner zugegeben knapp
gehaltenen Tour d’horizon durch das uns heute vorgelegte, breite Programm der
neuen Bundesregierung? – Ich denke, dass es ein äußerst ambitioniertes
Programm ist. Es wird durchaus auch unpopuläre Maßnahmen nötig machen, ist aber
auf höchst zukunftsfähige Zielvorstellungen ausgerichtet. In diesem Sinne
wünsche ich der neuen Bundesregierung für die Erfüllung ihrer schwierigen,
verantwortungsvollen Aufgaben im Interesse unseres Landes viel Glück und
Erfolg. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
11.42
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr
Vizekanzler. – Bitte.
11.42
Bundesminister
für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Es konnte nicht
überraschen, dass in dieser Debatte die beiden Vertreter der
Oppositionsparteien kein gutes Haar an der Regierungsbildung gelassen haben.
Aber ich konnte wenigstens einen erfreulichen Unterschied zwischen Kollegen
Schennach und dem Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion feststellen.
Herr Kollege Schennach! Ihre Diktion und Ihre Ausführungen waren durchaus auf
hohem Niveau, und Sie haben auch von Verunglimpfungen der Regierung Abstand
genommen, was ich für das Klima der Demokratie in Österreich als erfreulich
betrachte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Zum Zweiten hat der Vertreter der Grünen Fraktion zu jenen Punkten, die auch aus Sicht seiner Fraktion durchaus positiv sind, seinen Beitrag und seine Meinung eingebracht. Es ist wenig überraschend, dass der Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion in Zukunft offensichtlich mehr auf Fundamentalopposition zu setzen scheint. Immerhin ist es erfreulich, dass auch Ale-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 40 |
xander Böhm, der Chef der
Salzburger Arbeiterkammer – um das salopp auszudrücken –, meint, dass
eine 0,1-prozentige Lohnsummenabgabe aller Arbeitnehmer für eine Unfallversicherung
das Richtige wäre. Im Vorfeld der morgigen Eröffnung des Unfallkrankenhauses in
Salzburg hat er auch richtigerweise darauf hingewiesen, dass nur mehr etwa
20 Prozent der Aufgaben der Unfallkrankenhäuser der ursprünglichen
Zielsetzung entsprechen, nämlich der Erledigung von Arbeitsunfällen, während je
nach Unfallkrankenhaus zwischen 60 und 80 Prozent Freizeit-,
Heimwerkerunfälle und andere Unfälle aus dem Bereich des Alltags auftreten.
Man sieht also
auch, dass es Gott sei Dank innerhalb der Sozialdemokratie – wie es auch
der Herr Bundeskanzler richtigerweise gesagt hat – vernünftige Kräfte wie
Vorsitzenden Gusenbauer gibt, die wissen, dass der Rückstau aus der
Vergangenheit in Österreich so groß ist, dass Reformen im essenziellen Bereich
notwendig sind. Manche glauben – im Bewusstsein, die Regierungsbeteiligung
verspielt zu haben –, dass sie mit den alten Mitteln, so wie es auch Altfinanzminister
Androsch Tag für Tag in den Tageszeitungen formuliert, die Demokratie und den
Sozialstaat retten könnten. (Bundesrat Konecny: Ist die Demokratie bedroht, Herr
Vizekanzler?) Ich
wäre sehr zufrieden, wenn Dr. Androsch nicht jene Schuldenlast in
Österreich aufgenommen hätte, die wir heute abbauen müssen.
Sehr geehrter Herr
Professor Konecny! Allein in meinem Bereich haben Sie in der Zeit von 1995 bis 1999 im
Bereich der Pensionen einen nicht gedeckten Scheck für die ältere Generation in
der Höhe von 1,4 Milliarden € zu verantworten. Wir haben in der letzten
Legislaturperiode 0,2 Milliarden € davon abbauen können, aber
1,2 Milliarden € sind noch ein gewaltiger Brocken, die von dieser und den
nächsten Generationen in der Arbeitswelt abgebaut werden müssen.
Das Mittel, per
Gesetz den Menschen für die Zukunft in 10, 20 oder 30 Jahren ein gutes
Sozialsystem zu versprechen und nicht auch mittels einer nachhaltigen Politik
abzusichern, war jahrelang bei den Finanzministern der Sozialdemokratie
systemimmanent. Josef Riegler war vielleicht in den Jahren 1988, 1989 mit
seinen ökosozialen Überlegungen seiner Zeit voraus, aber heute ist Gott sei
Dank eine nachhaltige Politik – zumindest für drei Fraktionen im
Bundesrat – eine vorstellbare Dimension der Weiterentwicklung dieses
Staates, wenn ich auch die Vorstellungen des Kollegen Schennach mit in die
Diskussion einbringe.
Wir haben es auch
im Wahlkampf erlebt, bei einer Diskussion bei den „Salzburger Nachrichten“.
Daher kann es auch nicht überraschen, dass sehr viele, auch von der Grünen
Fraktion als ihre Kapitalien betrachteten Punkte in diesem Regierungsprogramm
enthalten sind, weil sich auch die Freiheitliche Partei, aber auch weite Teile
der Österreichischen Volkspartei über Jahrzehnte bemüht haben, diesen Staat
nachhaltig weiter zu entwickeln.
Daher kann es auch
nicht verwundern, dass es der Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion bei
der Diskussion um die Arbeitsmarktdaten peinlichst vermieden hat, das eine oder
andere richtig darzustellen. Eines haben Sie richtig dargestellt, nämlich dass
sich in den letzten sechs Monaten die Weltwirtschaft durch die
Kriegsbemühungen – wenn es nach Präsidenten Bush geht, ist am
17. März dieses Jahres mit dem Kriegsausbruch im Irak zu rechnen –
verschlechtert hat. Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass der
11. September 1991 und der damalige Zusammenbruch der
Weltwirtschaftssituation auch für die Rahmenbedingungen der österreichischen
Wirtschaft vieles verschlechtert hat. – Bitte, Sie wollten einen
Zwischenruf machen. (Bundesrat Konecny: Ich weiß nicht, was am
11. September 1991 ist?) – 2001! Entschuldigung! Danke, dass Sie mich für
diesen Fehler korrigiert haben, selbstverständlich war es der
11. September 2001. (Bundesrätin Schicker: Wir hören zu!)
Ich darf Sie aber
darauf hinweisen, dass es unter weitaus besseren Rahmenbedingungen der
Weltwirtschaft – hier habe ich die offiziellen Statistiken, für die damals
auch noch ein Ministerium unter sozialdemokratischer Führung verantwortlich
war, daher, so glaube ich, werden Sie sie auch nicht anzweifeln –, nämlich
in den Jahren 1995, 1996, 1997, 1998 und 1999 Arbeitsmarktdaten gab, die
insgesamt 5,3 bis 4,7 Prozent Arbeitslose auswiesen. Ich glaube, dass die
vorangegangene Regierung und diese Bundesregierung mit den Arbeitsmarktdaten
4,7, 4,0, 4,1 und nunmehr wieder 4,7 Prozent in wirtschaftlich schwierigeren
Zeiten ein besseres Ranking aufzuweisen hat, als Sie zuzugeben bereit sind. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 41 |
Wenn Sie und die
ehemalige Frauenministerin Prammer in einer heutigen Aussendung nach einer
Diskussion des BSA von gestern Abend bezüglich Frauenbeschäftigung meinen, dass
die Frauenpolitik von mir so insuffizient war, so darf ich Sie schon darauf
hinweisen, dass die Zahl der beschäftigten Frauen im Alter von 20 bis
45 Jahren die dritthöchste in der Europäischen Union ist. Ein ähnliches
Ranking konnte Frau Ministerin Prammer in ihrer Zeit nie erreichen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich darf Sie auch
darauf hinweisen, dass – in der Alterskategorie bis 25 Jahren sind
die Frauen noch in einer knappen Minderheit von 48,4 zu 51,6 oder
51,5 Prozent, je nach Jahrgangspunkten – die Quote der Maturantinnen
erfreulicherweise über 50 Prozent liegt. Auch dieser Sprung ist in der
vorangegangenen Regierung gelungen. Ich glaube auch, dass der Akademisierungsgrad
immer weiter steigt. (Bundesrätin Schicker: Dazu haben Sie aber
nichts beitragen können! – Bundesrat Konecny: Sie haben es nicht aktiv
behindert! – Bundesrätin Schicker: Dafür sind Sie aber nicht
zuständig, Herr Vizekanzler, dass mehr als die Hälfte der MaturantInnen Frauen
sind!)
Ich weiß, dass Sie
sehr ungern hören, dass die Regierung Schüssel I Erfolge gehabt hat, und dass
Sie noch weniger gern hören, dass auch die Regierung Schüssel II Erfolge haben
wird.
Ich glaube daher,
dass auch die Zahlen, die der Winterfremdenverkehr in der letzten, in dieser
Saison und der Fremdenverkehr in der Sommersaison gebracht haben, durchaus
aufgezeigt haben, dass es einen erfolgreichen Start im Fremdenverkehr gemeinsam
mit der Wirtschaft und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der
Wirtschaft während der Regierung Schüssel I gab. Dadurch wurde
erfreulicherweise zur wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich beigetragen.
Man sieht das auch in der Arbeitslosenstatistik von Ende Februar dieses Jahres,
dass sich die Frauenbeschäftigung Gott sei Dank besser entwickelt hat, als
erwartet war, nämlich um 5 Prozent, was auf die gute Auslastung im
Tourismus zurückzuführen ist. (Bundesrätin Schicker: Welche Jobs,
Herr Vizekanzler? Sagen Sie doch, welche Jobs das sind! – Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich darf Sie auch
noch korrigieren, Herr Professor, dass es auch in den letzten sechs Monaten
keinen Stillstand gegeben hat, sondern dass das Strukturpaket II, das im
Übrigen auch die Sozialdemokratie und die Grünen im österreichischen Parlament
noch knapp vor Auflösung des Parlaments mitgetragen haben, dafür verantwortlich
ist, dass die Prognosen des Kollegen Buchinger vom Arbeitsmarktservice
Österreich mit 320 000 Arbeitslosen Ende Februar dieses Jahres Gott
sei Dank um 26 000 Beschäftigte unterschritten worden sind.
Ich möchte mit
keinem Wort irgendwo falsch interpretiert werden, dass
294 000 Arbeitslose nicht so viel seien, aber ich sage auch dazu, es
ist immerhin erfreulich, dass das Strukturpaket II, das alle mitgetragen
haben und das ich auch mit der Arbeiterkammer, Kollegen Schüssel,
Gewerkschaftsvertretern und anderen Vertretern, nämlich Grasser aus der
Bundesregierung, verhandelt habe, einen erfreulichen Beschäftigungseffekt
gebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wenn man sich den
Stellenwert Österreichs in der Beschäftigung trotz 294 000 Arbeitslosen
ansieht, so stellt man fest, wir sind in der Jugendbeschäftigung immer noch in
der zweiten Position. (Bundesrat Manfred Gruber: 306 000!) Wir
sind auch in der dritten Position in Europa, was die Arbeitslosigkeit insgesamt
betrachtet betrifft. Das von Ihrer Schwesterpartei geführte Koalitionsgebilde
in Deutschland hat es geschafft, dass die ehemals in der Beschäftigung vorne
liegende Bundesrepublik Deutschland nun mit 8,4 Prozent unter dem
EU-Schnitt liegt. (Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Das ist insofern
unfair, Ihrer Partei kann man ja keine Schwesterpartei vorwerfen!)
Wenn Sie sich die aktuellen Zahlen der Arbeitslosen in Deutschland, 8 Millionen, zum Verhältnis der Bevölkerung mit 80 Millionen ansehen, so könnte man sie durch zehn dividieren. Das umgelegt auf Österreich würde bedeuten, dass wir bei gleichen Erfolgen wie die Regierung Schröder in Deutschland bei 420 000 Arbeitslosen halten würden. Da bin ich schon sehr froh, ein Mitglied der Regierung Schüssel I und Schüssel II und nicht ein Mitglied der Regierung Joschka
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 42 |
Fischer/Schröder und für den Sozialbereich zuständig zu
sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Schicker:
Äpfel mit Birnen kann man wirklich nicht vergleichen!)
Das ist auch im
Bereiche der Gesundheitspolitik so. Ich teile Ihre Meinung und auch die Meinung
sehr vieler in Österreich, dass wir gerade für die ältere Bevölkerung über
Jahre einen schnellen und prompten Zugang zum Gesundheitssystem in Österreich
auf hohem Niveau geschafft haben. Es ist geradezu unübersehbar, dass die
moderne Medizin moderne Möglichkeiten bringt, die Gott sei Dank auch zu einer
Lebensverlängerung für alle Bevölkerungsschichten geführt haben. (Bundesrat
Manfred Gruber: Ambulanzgebühr!) Es ist Gott sei Dank so, dass die
Prävention auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben dazu geführt hat, dass die
Todesrate bei Arbeitsunfällen drastisch gesenkt werden konnte und wir uns bei
der Zahl der Arbeitsunfälle, die insgesamt knapp 120 000 beträgt, der von
allen angestrebten Marke unter 100 000 nähern werden.
Es ist auch
unübersehbar, dass der Gesetzgeber innerhalb des Systems den Krankenversicherungsträgern
als Einsparungsziel mit 31. Dezember des Jahres 2003 die Verwaltungskosten
des Jahres 1999 vorgeschrieben hat. Es war für jeden, der die innenpolitische
Diskussion der letzten Monate verfolgt hat, unübersehbar, dass etwa Kollege
Oberchristl in Oberösterreich, aber auch Kollege Bittner in Wien im
Zusammenhang mit den Ambulanzgebühren und ihren Verwaltungsposten Summen in den
Raum gestellt haben, die aufzeigen – wenn Sie sich die durchschnittliche
Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereiche der oberösterreichischen
und der Wiener Gebietskrankenkasse anschauen –, dass die Verwaltungskosten
nicht von den Gebäuden und auch nicht von der Infrastruktur, sondern
ausschließlich von Verwaltungsbeamten durch Überstunden und sonstige
Tätigkeiten verursacht werden. Es handelt sich hier um ein Potenzial von 260
bis 280 Arbeitsplätzen.
Angesichts dieses
Potenzials und angesichts dessen, dass der Gesetzgeber den Sozialversicherungsträgern
für 31. Dezember 2003 die Erreichung der Kosten der Verwaltung im
Jahre 1999 vorgeschrieben hat, kann es nicht sein, dass, wenn ein später
eingeführter Selbstbehalt wieder abgeschafft wird und 16 von der
Sozialdemokratie eingeführte Selbstbehalte im Bereich der
Krankenversicherungen, der ASVG-Versicherten aufrecht bleiben, der Verwaltungsaufwand
unter dem Werte des Jahres 1999 bleibt. Das wäre ein ungesetzlicher Vorgang, und
ich unterstelle niemandem, dass er sich nicht bemühen wird, die gesetzlichen
Parameter für seine Krankenversicherungsanstalt nach bestem Wissen und Gewissen
einzuheben.
Daher glaube ich,
es ist recht und billig, die Damen und Herren schon jetzt darauf aufmerksam zu
machen, keine jungen Menschen mehr einzustellen, wenn durch Altersabgang der
eine oder andere Posten frei wird, sondern schon jetzt zu beginnen, durch eine
vorsichtige Umschichtung im Betrieb zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer tätig zu werden. (Bundesrat Konecny: Wer administriert das, was Sie
jetzt einführen wollen?)
Sehr geehrter Herr
Professor! Auch hier kann es nicht verwundern, dass diese Bundesregierung die
Experten der Krankenversicherung und des Hauptverbandes mit in die Beratungen
nimmt, um jene, die Tag für Tag sagen, dass sie die einzigen Experten desselben
Systems sind, zwecks Weiterentwicklung einer noch sparsameren Verwaltung so
einzubinden, dass das System für die Patienten besser und die Verwaltung
schlussendlich nicht aufgebläht wird. Dass Sie das, dass man jene, die auch von
Ihnen immer als Experten des Systems apostrophiert werden, nunmehr einbindet,
als besonders kritikwürdigen Umstand bezeichnen, verwundert mich.
Ich darf schon
auch darauf hinweisen, dass es mich als Sozialminister immer verwundert hat,
dass sich der ehemalige Präsident des Hauptverbandes Sallmutter schon vor drei
Jahren immer beständig gewehrt hat, Sozialpläne zu entwickeln, um eine für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schonende Arbeitswelt zu gestalten. Aber das
ist so. Das ist nachzulesen, das ist in den Protokollen nachzulesen, und ich
bin auch in der glücklichen Lage, das hier so sagen zu können, weil ich die
Protokolle der damaligen Sitzungen nicht nur gestapelt, sondern auch gelesen
habe.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 43 |
In der jetzigen
Diskussion sehen wir, dass es etwa für Ihre Kernwählerschichten, so wie es
Kollege Gusenbauer am Sonntag im Fernsehen zugegeben hat, eine
Sozialversicherungsanstalt gibt, die mit 14 Prozent Selbstbehalt für
alles und 20 Prozent Selbstbehalt für psychosomatische Betreuungen seit
Jahren mit sparsamer Verwaltung auskommt. Da gibt es Ausnahmeregelungen für
sozial Schwache und Ausnahmeregelungen für chronisch Kranke. Das ist ein
System, das von allen auf Grund der guten Leistungen als sozial empfunden wird,
es ist die Sozialversicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen.
Ich verstehe daher
nicht, warum von Seiten der Sozialdemokratie solch eine große Aufregung
besteht, wenn von Seiten der Freiheitlichen schon seit Jahren gefordert wird,
das System der Eisenbahner anzusehen und dieses System der Eisenbahner mit den
Ausnahmeregelungen für sozial Schwache und chronisch Kranke und für
Mitversicherte bei gutem Leistungsniveau für den gesamten Bereich aller
Arbeitnehmerinnen und aller Arbeitnehmer zu übernehmen. (Bundesrat Manfred Gruber:
Dann muss man aber auch die Leistungen erhöhen! Nicht nur die Selbstbehalte
erhöhen, sondern auch die Leistungen! – Zwischenruf der Bundesrätin Bachner.)
Sie sprechen das
aus, was ich immer gesagt habe: Es geht nicht nur um die Verteuerung, sondern
es geht auch um die Harmonisierung der Leistungen. Ich bin mit Ihnen einer
Meinung, und wenn Sie sich meine Äußerungen in der Öffentlichkeit zu diesem
Punkt ansehen, so können Sie feststellen, sie waren auch immer so zu verstehen.
Es versteht kein
Arbeitnehmer im ASVG-Bereich, dass ihm die gleichen Prozentsätze in Kärnten,
Vorarlberg, Tirol, Wien, Oberösterreich und Burgenland abgezogen werden und er
aber dafür unterschiedliche Leistungen der Kostenersätze bekommt, je nachdem,
ob er im Bereich einer so genannten „reichen“ oder im Bereich einer „armen“
Krankenversicherungsanstalt angesiedelt ist. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)
Ich verstehe bis
heute nicht – und das sage ich auch so klar –, dass Kollege
Oberchristl die Chance nicht genutzt hat, das Drittel der in Österreich
fehlenden Planstellen für Fachärzte, die allein in Oberösterreich fehlen, auf
Grund des Planes des ÖBIG endlich nachzubesetzen. Ich verstehe es nicht, dass
es eine Zwei-Klassen-Medizin zwischen dem ländlichen Raum und dem städtischen
Raum gibt. Denn durch die Nicht-Nachbesetzung und durch die Nichtbesetzung
dieser Facharztstellen im ländlichen Raum haben die dortigen Arbeitnehmer
erhebliche Fahrtkosten zu den Ärzten, erhebliche Verzögerungen dabei, zu den
Ärzten hinzukommen, und auch erhebliche Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, weil
längere Strecken mehr Zeit in Anspruch nehmen und die Arbeitnehmer unter
Umständen, um nicht gekündigt zu werden, ihren Urlaubsanspruch dafür nutzen
müssen, zum Arzt zu gehen.
Aber all das
interessiert offensichtlich in der Sozialdemokratie niemanden, weil es darum
geht, eine vordergründige Diskussion gegen die Freiheitliche Partei und diese
Bundesregierung zu führen, und nicht darum, im Interesse der Versicherten
endlich ein harmonisiertes System einzuführen, das für alle Vorteile hätte. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber:
Das ist eine Unterstellung!)
Daher bin ich
guten Mutes, dass die Menschen in Österreich, wenn sie nachzudenken anfangen
und in den Genuss der Lösungen kommen (Bundesrat Konecny: So wählen wie in Kärnten, jawohl!), erkennen, dass auch dieses System
für sie besser und zukunftsträchtiger ist.
Ich darf Ihnen zum
Sozialbereich Folgendes sagen: Es ist bezeichnend, dass Sie in Ihrer Rede die
Entlastung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – in zwei
Stufen: in der Stufe 56 bis 60 um 3 Prozent für den Betrieb und
3 Prozent für den Arbeitnehmer und in der Stufe 60 bis 65 um
10 Prozent für den Betrieb und 10 Prozent für den Arbeitnehmer –
nicht erwähnt haben. Ich glaube, es ist nicht einmal für Sie von der
Sozialdemokratie möglich, etwas daran zu kritisieren, dass man endlich
darangeht, die Altersarbeitslosigkeit, die seit mehreren Jahrzehnten immer
schon als Problem in der Statistik der österreichischen Bevölkerung, national und
international, zu sehen war, effizient anzugehen.
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Ich glaube, dass
auch die Harmonisierung zwischen Arbeitern und Angestellten – so wie es
der Arbeiterkammerpräsident von Salzburg gesehen hat, einschließlich der
Unfallversicherung – einen guten Lückenschluss in unserem Sozialsystem
darstellt. Was geschieht heute? – Wenn eine Hausfrau oder ein Pensionist
stürzt und etwa einen Oberschenkelhalsbruch mit einer Beckenfraktur hat,
bekommt sie oder er eine Krankenbehandlung und eine anschließende, nach der
Krankenversicherung erfolgende Rehabilitation. Wenn jemand dies als
Arbeitsunfall erleidet, bekommt er auch eine für das weitere Leben geeignete,
umfassende Rehabilitation, die ihm die beste Möglichkeit garantiert, wieder am
Arbeitsmarkt und am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Dieser
Lückenschluss kommt aber gerade denjenigen nicht zugute, die sich keine private
Unfall-, Arbeitslosen- und Freizeitversicherung leisten können. Daher sind
diese 0,1 Prozent eine Solidarleistung für die unteren Einkommensschichten
und für diejenigen, die sich keine Zusatzversicherungen in diesem Bereich
leisten können.
Ich kenne aus
zahlreichen Zuschriften an mein Ministerium sehr viele ältere Menschen, die
zeitlebens Zusatzversicherungen gehabt haben und beim Eintritt in die Pension
diese Zusatzversicherungen kündigen mussten. Diese Maßnahme ist daher auch
eine Solidarleistung für die ältere Generation. Deshalb halte ich bei diesen
Verbesserungen auch eine Erhöhung des Solidarbeitrags für die älteren Menschen
zum gleichen Zugang innerhalb der Solidargemeinschaft der älteren Menschen für
gerechtfertigt.
Ich sage es auch
so, wie ich es verstehe: In einem Staat, in dem die Abgabenquote derzeit
44,6 Prozent beträgt und wir alle uns in allen Diskussionen einig sind,
dass das unsere Wirtschaft international maßgeblich benachteiligt, wobei wir
während der letzten sechs Jahre für die tragende Säule der
Wirtschaftsentwicklung in Österreich, den Export, auf Grund der Paritätsänderung
zwischen dem Euro und dem Dollar erhebliche Nachteile für die Exportwirtschaft
hinnehmen mussten, ist der alte Vorschlag der Sozialdemokratie, einfach die
Rahmenbedingungen durch fortwährende Gebührenerhöhungen zu verschlechtern, ein
klassischer Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Österreichs und die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in den Betrieben. Auch wenn Sie es anders sehen, Herr
Professor: So ist es! (Bundesrätin Schicker: Das ist populistisch!)
Denn 0,3, 0,4 und
0,5 Prozent sind dann im Endeffekt in der Regelung 44,6, 44,9,
45 Prozent und noch mehr an Belastungen. (Bundesrat Konecny: Erhöhen Sie jetzt, oder erhöhen Sie
nicht?) Das können
wir uns nicht mehr leisten. Ich bin zufrieden, dass wenigstens manche in der
Sozialdemokratie auch in diesem Bereich umzudenken beginnen, dass die Rezepte
von gestern, als wir einen abgeschlossenen Markt mit Schutzzöllen hatten, in
der heutigen, vernetzten Wirtschaftswelt nicht mehr die Rezepte sind, mit denen
man bestehen kann.
Ich bin auch sehr
zufrieden, dass in diesem freiheitlich mitbestimmten Regierungsprogramm ein
Punkt enthalten ist, der mir als Tierarzt immer am Herzen gelegen ist. (In
Richtung SPÖ:) Ihnen als führender Partei in den alten Koalitionen ist es
nie gelungen, ein bundesweites Tierschutzgesetz in die Regierungserklärung
aufzunehmen, obwohl Sie immer sehr engagierte Tierschützer – etwa wenn
ich an die ausgeschiedene Abgeordnete Parfuss aus Deutschlandsberg denke –
in Ihren Reihen gehabt haben und wir gemeinsam dafür gekämpft haben. (Bundesrätin
Schicker: Aber es ist nicht an uns gelegen!)
Ich glaube daher,
dass dieser Fortschritt nicht als „billiger Preis“ zu bezeichnen ist, sondern
auf einem Umdenkprozess beruht und dass man in einer vernetzten Welt der
Konsumenten auch den österreichischen Bauern, die zu mehr als 98 Prozent
ihre Produkte ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung ihrer Tiere auf den
Markt bringen – ob biologisch oder in bäuerlicher Landwirtschaft –,
endlich die ewige Diskussion vor allem auf Kosten der Gestaltung ihrer Produktpreise
ersparen sollte. Es wäre meiner Ansicht nach schon früher dafür Zeit gewesen,
aber ich glaube, es ist auch jetzt wichtig.
Ich bin auch stolz darauf, dass wir in dieser Regierungsübereinkunft ein gutes Landwirtschaftskapitel haben. Denn für uns als föderale Partei, die immer Wert darauf gelegt hat, dass die Entwicklung der Nationalparks, die Entwicklung unserer Kulturlandschaft – als mittragende Säule neben der Potenz unserer Wirtschaftstreibenden und der Qualität unserer Mitarbeiterinnen und
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 45 |
Mitarbeiter
im Fremdenverkehr – ein wichtiges Standbein für unseren Fremdenverkehr
ist, ist es wesentlich, dass die Landwirtschaft, vor allem die klein- und
mittelstrukturierte Landwirtschaft, die den Löwenanteil für die Erhaltung
unserer Kulturlandschaft gebracht hat, durch dieses Drei-Milliarden-Paket
abgesichert ist und dass durch die Senkung des fiktiven Ausgedinges in
Ein-Prozent-Etappen schlussendlich im Jahre 2010 jene 20 Prozent
erreicht sein werden, die wir uns am Beginn der Regierung Schüssel I zum
Ziel gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich halte es auch
für wichtig, dass die Lebensmittelsicherheit und die Weiterentwicklung der
Lebensmittelagentur in diesem Regierungsprogramm festgeschrieben sind, denn der
hohe Standard der Produkte von vollbiologisch produzierenden Bauern und der
unübersehbare Preisvorteil auf dem Markt sind gut.
Wenn ich hier noch
einiges zum Thema Mineralölsteuererhöhung hinzufügen darf, so sollte ich Sie
daran erinnern, dass von der Mineralölsteuererhöhung auch das Bundesland Wien
und Ihr dortiger Landeshauptmann sowie auch jener des Burgenlandes profitieren,
weil ein Cent dieser Erhöhung auf Grund des Pakts der Bundesländer mit der
Bundesregierung über die Privatisierung der Bundesstraßen und die Übernahme
der Bundesstraßen in die Kompetenz der Länder den Bundesländern zugute kommt.
Daher bitte ich Sie – auch wenn Sie mit der Gesamtsumme der Erhöhung Recht
haben –, hier nur jenen Teil der neuen Bundesregierung anzulasten, der
auch tatsächlich der neuen Bundesregierung anzulasten ist, denn diese Teile werden
gezielt für Umweltmaßnahmen, für die Entschwefelung des Treibstoffs sowie für
flankierende Maßnahmen zur Verbilligung von älteren Arbeitskräften und für die
gezielte Schulung von jungen Arbeitskräften zwischen 19 und 25 Jahren
eingesetzt.
Ich glaube daher,
dass Kollege Schennach falsch liegt, wenn er das für kein ökologisches Konzept
hält. Es ist ein harmonisches ökologisches Konzept, das der österreichischen
Wirtschaft nicht schadet – wie es in der Bundesrepublik Deutschland
geschehen ist –, sondern Österreich durch eine nachhaltige Politik auch in
diesem Bereich sukzessive weiterentwickelt und gestaltet. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich glaube daher, es ist unübersehbar, dass wir im Verhältnis zu
der Zeit, als etwa Caspar Einem für die Forschung zuständig war, den Anteil der
Forschung in Österreich in der letzten Legislaturperiode von 1,5 Prozent
auf 1,9 Prozent des BIP steigern konnten und uns nunmehr daranmachen, dies
schlussendlich auf das von allen gewünschte Niveau von 3 Prozent
anzuheben. Ich glaube, das ist gut so, denn auch die Vertreter der Gewerkschaft
und der Arbeiterkammer sind der gleichen Meinung wie die Abgeordneten aller
Fraktionen des Hohen Hauses, dass die Forschung von heute die Arbeitsplätze von
morgen und die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich garantiert.
Daher glaube ich
nicht, dass dieses Regierungsprogramm so schlecht ist, wie Sie gesagt haben,
Herr Professor, sondern dass es in den wichtigsten, zukunftsweisenden Bereichen
dieses Staates Akzente setzt, die Sie im Kabinett Klima II nicht setzen
konnten. Ich sehe ein, dass Sie enttäuscht sind, dass Sie es nicht geschafft
haben. Aber für Österreich ist es gut, dass wir es jetzt schaffen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Herr Professor!
Wenn Sie sich die Mehrheitsverhältnisse der Regierung Kreisky ansehen, so waren
diese bedeutend unsicherer als die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse
dieser Bundesregierung. Ich darf Sie darauf hinweisen – wenn ich etwa an
die Gründung der Olah-Partei denke –, dass die innerparteilichen Querelen
in Ihrer Partei durchaus gleichzusetzen sind mit den jetzigen
Meinungsäußerungen in den beiden Regierungsparteien. (Heiterkeit bei der
SPÖ.)
Ich sage es Ihnen auch so, wie ich es betrachte: Ich habe es in einem föderalen Staat immer für wichtig erachtet, dass die Landeshauptleute – egal, welcher Couleur sie angehören, ob es Häupl in Wien ist, ob es Niessl im Burgenland ist, ob es Haider in Kärnten ist, ob es Pröll für Niederösterreich ist, ob es der Landeshauptmann von Vorarlberg oder von Salzburg ist oder ob es die Landeshauptfrau der Steiermark ist – ihre Stimme für die Interessen ihrer Landesbürger erheben. Das ist für mich unbestritten der Vorteil eines föderalen Staates, denn in einem zentra-
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listischen Staat sozialistischer Prägung gäbe es
diese Meinungsvielfalt nicht. Ich werde dafür kämpfen als Angehöriger einer
Partei, die sich dem Föderalismus verschrieben hat, dass das
Subsidiaritätsprinzip und der Föderalismus beim Konvent im Hohen Hause nicht
unter die Räder kommen, sehr geehrter Herr Bundesrat! (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wenn Sie sich in
der letzten Regierungssitzung die Einsetzung der gemischten Kommission für
Friaul–Julisch Venetien, Kärnten und Slowenien sowie Österreich auf der anderen
Seite ansehen, so ist es meiner Ansicht nach sehr gut, dass unsere
Bundesländer nach ihrer Fasson und nach der Fasson ihrer Bürger die
nachbarschaftlichen Beziehungen pflegen, entwickeln und weiter ausbauen. Auf
diesem behutsamen Weg des gemeinsamen Dialogs über die Gräben der Vergangenheit
hinweg geschieht mehr, als wenn uns von Brüssel oder Holland aus Zwangsregionen
vorgeschrieben werden, die von den Menschen nicht gelebt und im Kopf der Menschen
nicht umgesetzt werden. Ich setze daher auf den behutsameren Weg des
gewachsenen Föderalismus im neuen Europa und nicht auf den gewaltsamen Weg des
Europas der Zentralisten: dass man von oben her Europaregionen verordnet, die
dann von den Menschen wieder nicht gewollt werden.
Ich halte es daher
auch für wichtig, dass im ersten Teil – zur Außenpolitik – die
Altösterreicher jenseits der österreichischen Staatsgrenzen klar als Bindeglied
und als Brückenkopf des gemeinsamen Europas betrachtet werden, nicht jedoch als
Gegensatz und als trennendes Element der Vergangenheit. Ich gebe es offen zu,
selbstverständlich war ich in einem Spannungsfeld: in der Position vor der
Wahl zu verharren oder aus der Regierungsverantwortung dieses Miteinander in
Europa mitzugestalten, unter Einbeziehung der Altösterreicher, ob sie jetzt in
Südtirol, in Tschechien, in Ungarn oder in den zukünftigen Mitgliedstaaten
Rumänien, Bulgarien und der Ukraine leben.
Ich denke, dass
diese Position verantwortlich ist. Sie ist keine leichte Position und wird
oftmals auch öffentlich von Ihnen und anderen falsch dargestellt, sie ist aber
eine, die konsequent das fortschreibt, was uns immer am Herzen gelegen ist,
nämlich die Altösterreicher als Bindeglied für das neue Europa zu betrachten,
nicht als trennendes Element. Wir wollen es nicht so machen wie die Bundesrepublik
Deutschland, die die alten Minderheiten in das Gebiet Deutschlands
zurückführt, sondern im Gegenteil wir wollen die Minderheiten an ihrem
Standort blühend, lebensfähig und zukunftsträchtig gestalten. (Beifall bei
den Freiheitlichen.) Hier unterscheiden wir uns, und es ist gut so, dass es
in einer Demokratie auch die Möglichkeit der Unterscheidung gibt.
Wir unterscheiden
uns auch bei der Einwanderungspolitik. Wir sind der Meinung, dass der größte
Anteil daran, ein demokratisches Europa auch auf dem Balkan zu schaffen, darin
bestehen wird, dort einen Mittelstand aufzubauen. Nur wenn breite Schichten
der Bevölkerung etwas haben – Haus, Vermögen, Einkommen, Anteil am
sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben –, sind sie für
Diktaturen von links und rechts nicht anfällig.
Daher kann es
nicht sein, dass man mit Wirtschaftsflüchtlingen das Know-how und die Spezialisierung
von diesen Ländern abzieht, statt das Gegenteil zu tun, nämlich eine Stärkung
und Förderung dadurch zu erreichen, dass solche Eliten in ihren Ländern bleiben
und dort ihre Wirtschaft aufbauen, zum Blühen bringen und verstärken. Das
haben wir auch in das Kapitel Asyl geschrieben. Es ist für uns nie eine Frage
gewesen, dass Konventionsflüchtlinge in Österreich ihren Platz, ihren Hort,
ihre neue Heimat und ihren Schutz genießen müssen. Aber es ist für uns auch
unübersehbar, dass es nicht die österreichische Aufgabe sein kann, aus den
Nachbarländern qualifizierte Arbeitskräfte abzuziehen, damit diese Länder ewig
um eine Demokratisierung fürchten müssen und dort ewig die altkommunistischen
Parteien das Sagen haben, weil sie mit Recht darauf hinweisen können, dass sich
das soziale Gefüge in ihren Staaten nicht erholt. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Ich glaube daher, dass auch für die neue Entwicklung unsere Position besser ist als jene der Sozialdemokratie. Ich entnehme auch den Kontakten, die ich als Sozialminister im Bereich Gesundheit und Soziales mit den Oststaaten gehabt habe – wo wir in der Harmonisierung der Sozial- und Gesundheitssysteme schon heute sehr viel weitergebracht haben –, dass ich in den
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letzten drei Jahren mehr
Anteil gehabt habe an einer friedlichen Entwicklung in Europa als manche, die
Tag für Tag im Fernsehen Europa preisen und de facto die Verbesserung unserer
Existenz auf Kosten unserer Nachbarländer umsetzen.
Ich glaube, das
neue Europa wird nur dann stark werden, wenn es in den Köpfen der Bevölkerung
implementiert ist, wenn der Jugendaustausch in Forschung und Bildung
funktioniert, wenn die Minderheiten als Brückenkopf des Miteinanders und nicht
als Gegnerschaft der Vergangenheit angesehen werden, wenn in der Wirtschaft
tatsächlich eine Ressourcenbildung für einen gesunden Mittelstand und für
gesunde mittelständische Betriebe in den Oststaaten induziert wird und wenn wir
auch dafür sorgen, dass die Umwelt dort durch eine gesunde Landwirtschaft –
statt eines flächendeckenden landwirtschaftlichen Wegsterbens zu Gunsten
landwirtschaftlicher Industrien – gesichert wird.
Ich glaube, wir
haben sehr viel Verantwortung in diese Regierungsübereinkunft gepackt. Manches –
das weiß ich – wollen Sie hier nicht hören, weil es mit den Klischees, die
Sie über mich und meine Partei in der Öffentlichkeit verbreiten, nicht in
Einklang zu bringen ist. Aber ich werde darum kämpfen, dass diese
Bundesregierung an den Dingen gemessen wird, die sie umsetzen will, und nicht
an jenen Dingen, mit denen sie von der österreichischen Opposition denunziert
wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
12.17
Präsident Herwig Hösele:
Danke, Herr
Vizekanzler.
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Hans Ager. Ich erteile es ihm.
12.18
Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung!
Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Herr
Professor Konecny ist jetzt leider nicht mehr hier. Ab und zu fühle ich mich bei seinen
Reden wieder auf die Schulbank zurückversetzt. Vielleicht kann ihm ein Kollege
das mitteilen: Er sollte einmal darüber nachdenken, dass es, wenn sich bei
seinen Reden die Reihen lichten, nicht an der Institution Bundesrat liegen
muss.
Zu Kollegen
Schennach, der auch nicht anwesend ist und nach seiner Rede meistens damit beschäftigt
ist, diese in die Presse und in die Medien zu bringen – was ja nichts
Ehrenrühriges ist (Bundesrat Boden: Was ist da schlecht daran?) –,
muss ich etwas sagen, weil er den Skisport strapaziert hat, das letzte Tor und
den Kurssetzer kritisiert hat: Im Skisport kennen wir Tiroler uns aus, und
jeder, der mit dem Skisport zu tun hat, weiß, dass es nicht immer am Kurssetzer
liegen muss, wenn ein Läufer das letzte Tor nicht mehr erwischt. (Heiterkeit
und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser:
Wenn das Tor sehr versetzt ist, schon!)
Die Erklärung der
Bundesregierung ist aus meiner Sicht die Zusammenfassung der Arbeit für die
Zukunft Österreichs. Es muss, glaube ich, uns allen bewusst sein, dass jetzt
die Arbeit richtig losgeht. Die Erklärung, die unser Herr
Bundeskanzler ... (Bundesrat Gasteiger: Was war die letzten drei
Jahre, Hans?) – Wir haben gearbeitet, ihr habt auch gearbeitet. Aber
auf den Punkt komme ich noch, lieber Kollege, wie wir es in Zukunft vielleicht
gemeinsam besser machen könnten.
Herr
Dr. Schüssel hat in seiner Regierungserklärung im Nationalrat wie auch
heute hier exzellent die Punkte vorgebracht, auf die es in der Zukunft
ankommt. Sie wissen, dass ich aus der Wirtschaft komme, aus dem Tourismus.
Kollege Schennach hat hier angesprochen, dass der Tourismus jetzt kein
Staatssekretariat mehr hat. Dazu kann ich nur sagen: Ja, das hätten wir auch
ganz gerne wieder gesehen. (Bundesrätin Schicker: Dafür haben wir
andere gekriegt! Wir haben ja viel mehr!) – Das kommt gleich, liebe
Kollegin!
Der Tourismus ist eine kompakte Geschichte, die in sehr vielen Ministerien verankert ist. Zum Beispiel Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft und so weiter – all das hat mit Tourismus zu tun. Eines darf ich da schon sagen: Der Tourismus hat im Ministerium von Martin Bartenstein und mit Frau Mag. Udolf-Strobl eine sehr gute Heimat, und der Tourismus ist, so glaube ich, kom-
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pakt genug, und der
Chef, der da manchmal eingreift, wird das auch richtig machen. (Bundesrätin
Schicker: Das heißt, Sie vermissen die Frau Staatssekretärin nicht!) –
Das habe ich nicht gesagt; Sie haben nicht aufgepasst. Ich habe gesagt, ich
hätte es sehr begrüßt, wenn es ... (Bundesrätin Schicker –
in Richtung Bundesrätin Haunschmid –: Sogar die Kollegin bestätigt das!)
Die Kollegin möchte es auch. Kein Problem, der Tourismus wird nicht
untergehen, wenn es kein Staatssekretariat mehr gibt. Wenn Sie so wollen, ist
der Tourismus jetzt Chefsache geworden.
Ich darf auf ein
paar Punkte eingehen und werde sicher nicht zu lange sein. Da nach mir noch
33 Redner zu Wort gemeldet sind, kann ich gewisse Dinge nur streifen.
„Sozial ist, was
Arbeit schafft“, hat unser Chef gesagt. Dem ist vollinhaltlich zuzustimmen und
nichts hinzuzufügen. Ich glaube, dass sich unser Modell schon bei der Regierung
Schüssel I durchgesetzt hat – und es gab damals sehr viel
Kritik –, Arbeit und Wirtschaft in einem Ministerium zusammenzulegen.
Jetzt hat auch Deutschland das getan, aber Sie wissen, welche Horrormeldungen
wir täglich aus Deutschland bekommen. (Bundesrat Gasteiger: Ihr
wolltet ja zusammengehen mit den Grünen!) – Wir haben es jedem offen
gelassen, mit uns die Zukunft für Österreich mitzugestalten. Aber ich komme
gleich zu diesem Teil, weil ihr alle so ungeduldig seid.
Jetzt gibt
es – für viele: endlich! – ein eigenes Ministerium Gesundheit, Frauen
und Familien. Ich glaube, dass es der heutige Vizekanzler Haupt in seinem
Ministerium sehr gut gemacht hat, kann mir aber vorstellen, dass jetzt alle
zufrieden sind, wenn eine Frau das Ministerium für die Frauen führt – eine
kernige noch dazu. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube auch, dass,
was die Familienpolitik betrifft, die Keimzelle jeglichen Tuns die Familie
ist – ob man in der Wirtschaft ist, ob man selbständig oder unselbständig
ist.
Ein wesentlicher
Faktor für die Menschen in unserem Land ist die Sicherheit. Es ist, glaube ich,
Minister Strasser gelungen, gegen viele Widerstände diese Sicherheit zu
schaffen. (Bundesrat Gasteiger: Einen Wirbel hineinzubringen!)
Alle Studien können nicht lügen, Herr Kollege! Wenn wir jetzt das sicherste
Land in Europa sind, so wird das auch ein Teil der Arbeit von Minister Strasser
sein, der das mit seiner Exekutive geschafft hat.
Weitere Sicherheit
garantiert uns unser neuer Minister aus Tirol – jetzt ist er leider nicht
mehr da –, dem ich von dieser Stelle aus sehr herzlich gratuliere. Er ist
ein Kämpfertyp und wird es mit Sicherheit gut machen, was das Bundesheer
betrifft. Es wird das Ziel der Reformen sein, den Schutz der Bevölkerung zu
gewährleisten, die Einrichtungen der Demokratie und die Grenzen zu schützen.
Lassen Sie mich hier auf einen „Schlenker“ unseres Bundeskanzlers hinweisen:
Dieser Schutz wird in der Luft nicht aufhören. – Zum Zweiten geht es um
den Katastrophenschutz, der für uns Tiroler sehr wichtig ist. Sie alle können
sich sicherlich noch an das Lawinenunglück in Galtür erinnern.
Landwirtschaft und
Umwelt, eine Erfolgsgeschichte der Regierung Schüssel I, wird auch eine
Erfolgsgeschichte für Schüssel II werden. Viele der Themen, die damit
verbunden sind, werden wir gemeinsam in Angriff nehmen. Mein Thema in diesem
Zusammenhang ist zum Beispiel Landwirtschaft und Tourismus, da müssen wir mit
Sicherheit sehr viel enger als bisher zusammenkommen.
Nicht zuletzt darf
ich Benita Ferrero-Waldner erwähnen, unsere charmante, tüchtige und kompetente
Außenministerin, die in den schwierigsten Zeiten Österreich in der Welt sehr
gut vertreten hat und dies über alle Widerstände hinweg getan hat, sodass die
Welt diese gar nicht gemerkt hat. Dafür zolle ich ihr meine Anerkennung. –
Damit habe ich den Streifzug gemacht und komme nun ganz kurz zu einem zweiten
Punkt.
Lieber Herr Bundeskanzler! Ich wäre ein schlechter Vertreter des Landes Tirol, wenn ich nicht die Situation des Transits und des Verkehrs bei uns erwähnen würde. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Gasteiger.) – Der Applaus ist mir schon sicher, auch aus der linken Reichshälfte. Ich werde das aber auf eine andere Art und Weise versuchen, und zwar folgenderma-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 49 |
ßen: Ich würde es als eine
versäumte Gelegenheit empfinden – wie ich schon gesagt habe –, würde
ich nicht hier die Gelegenheit benützen, auf die besondere Transit- und
Verkehrssituation Tirols hinzuweisen. Ich tue dies nicht ultimativ fordernd,
wie es viele tun, nicht belehrend, sondern werbe einzig und allein um
Verständnis für diese außergewöhnliche Situation der Menschen, die an dieser
Route leben müssen, und der Millionen Gäste, die alljährlich unser schönes Land
besuchen.
Dort ist eine
intakte Umwelt und Landschaft die Grundlage für eine seit Jahrhunderten gewachsene
Tourismuswirtschaft, die Tausenden Familien Arbeit und Brot gibt. Besonders
wichtig wird dort die Brenner-Basistunnel-Variante sein, aber auch die
Zulaufstrecke der Unterinntalbahn sowie viele neue, innovative Ideen, die wir
gemeinsam für diese Sache aufwenden sollen, um diesen Tiroler Lebensraum für
Tiroler Menschen lebens- und liebenswert zu erhalten. Ich bitte dich hier,
lieber Herr Bundeskanzler, dich in einer starken Allianz gemeinsam mit unserem
neuen Landeshauptmann Herwig van Staa in Wien und in Brüssel wie bisher
besonders einzusetzen.
Jetzt komme ich
zum letzten Punkt, und da möchte ich ein paar ganz persönliche Worte finden.
Die Wahlen am 24. November 2002 haben die politische Landschaft in
Österreich stark verändert, das wissen wir alle, und jeder interpretiert das
auf eine andere Art und Weise. Es wurde lange sondiert und verhandelt. Ich bin
der Meinung: Hören wir auf, darüber zu lamentieren, wer mit wem wann nicht mehr
zu Rande gekommen ist! Hier möchte ich, bitte, ein Beispiel meiner Großmutter
bringen, die auch eine sehr resolute Frau war. In Tirol gibt es den Ausdruck
des „Vareiterns“. „Vareitern“ heißt es beim Dreschen, wenn Korn und Spreu
getrennt werden: Man wirft es immer wieder hinauf, die Spreu trennt sich vom
Weizen, und der Weizen fällt herunter. Dafür steht der alte Tiroler Ausdruck
„Vas“, und „reitern“ bedeutet, ständig auf etwas herumzureiten. Die Großmutter
hat immer gesagt, wenn etwas zu lange diskutiert und immer wieder besprochen
worden ist: „Hör auf mit der Vareiterei! Du kannst noch zwanzig Mal die Spreu
hinaufwerfen, es wird kein Weizen herunterfallen.“
So möchte ich auch
die heutige Situation beschreiben: Fangen wir endlich an, die Probleme der Zukunft
zu gestalten, und zwar gemeinsam, liebe Freunde auf der linken Seite! Viele
Gesetze im Nationalrat brauchen eine Zweidrittelmehrheit.
Da immer wieder
Finnland als positives Beispiel genannt wird, möchte ich sagen, ich hatte voriges
Jahr das Glück, mit einer Delegation der Wirtschaftskammer im finnischen
Parlament sein zu dürfen. In Finnland hat man mir gesagt: Vor etwa acht bis
zehn Jahren war Finnland in einer noch schwierigeren Situation, als es
Österreich jetzt ist, und zwar wegen des damaligen Niedergangs von Russland,
mit dem sehr eng zusammengearbeitet wurde. (Bundesrat Boden: Haben
die auch eine schwarz-blaue Regierung gehabt?) Nein, das hat jetzt an und
für sich noch nichts mit der Regierung zu tun, Herr Kollege; da komme ich
gleich hin. – Aber das Erfolgsgeheimnis war, dass man in den wichtigsten
Themen wie Budget, Pensionen, Gesundheit, Arbeitsmarkt im Konsens über
Parteigrenzen hinweg zusammengearbeitet und diese Dinge gemeinsam gemacht hat.
Wir sollten das auch tun, liebe Freunde!
Noch etwas sollten
wir tun: Am Vorabend eines wahrscheinlich unvermeidbaren Krieges im Irak, von
dem niemand weiß, wie er sich entwickelt und ob daraus nicht ein Flächenbrand,
der uns alle betreffen kann, entsteht, was die Menschen sehr nervös macht,
sollten wir hier ein wenig Abrüstung betreiben, und zwar Abrüstung mit
Worten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zuletzt darf ich
dazu noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesräte
Hans Ager, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise
Der Bundesrat
wolle beschließen:
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 50 |
„Die
Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen
Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im
Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“
*****
Ich bitte alle,
diesem Antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
12.31
Präsident
Herwig Hösele: Der von den Bundesräten Ager und
Weilharter eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Irak-Krise ist
genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Wir setzen die
Debatte fort.
Zu Wort gemeldet
ist Frau Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac. Ich erteile es ihr.
12.32
Bundesrätin
Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der
Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Ausführungen des
Herrn Vizekanzlers sehr genau zugehört und feststellen müssen, dass er gewisse
Widersprüche, die zwischen den Aussagen seiner Regierungskollegen und jenen
der Kollegen von der ÖVP bestehen, sehr elegant übergangen hat.
Es hätte mich doch
interessiert, wie er das sieht, dass die Erhöhung des Pflegegeldes leider zurückgestellt
wird – etwas, das wir durchaus bedauern. Ich habe auch nicht verstanden,
was er zu den Ambulanzgebühren gesagt hat, für die er jetzt zwar nicht mehr
zuständig ist, die aber – auch unserer Auffassung nach und das haben wir
auch im Wahlkampf gesagt – wieder abgeschafft werden sollten. Ich
verstehe diese Verknüpfung Postenabbau bei der Sozialversicherung und
Abschaffung der Ambulanzgebühr nicht. Ich denke, das ist nur eine billige
Ausrede gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Auf Grund der Diskussionen in den letzten Tagen spürt man: Es spießt
sich schon in der Regierung! Es gibt beachtliche Widersprüche zwischen den
beiden Parteien, die miteinander die Regierung gebildet haben. Es fehlt der Mut
zu großen Reformen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.) Was bleibt, sind Belastungen. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) –
Ich werde das ausführen, Herr Bundeskanzler! – Die Verantwortung wird in
sehr vielen Bereichen auf andere abgeschoben.
Beispiel:
Nahverkehr – die Stärkung des Besteller-Prinzips. Das heißt, dass die
Länder und Gemeinden die Lasten zahlen müssen; wenn nicht, dann gibt es
weitere Ausdünnungen des öffentlichen Verkehrs. – Das ist nicht das, was wir
unter Föderalismus verstehen.
Beispiel:
Selbstbehalte. Die Krankenkassen sollen die Selbstbehalte selbst einführen. Da
sie für die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben zu wenig Geld bekommen, wird
ihnen nichts anderes übrig bleiben, als die Selbstbehalte einzuführen. Der
schwarze Peter liegt somit bei ihnen und natürlich in allererster Linie bei den
Betroffenen, bei den Kranken, die eben höhere Beiträge in Form von
Selbstbehalten zahlen müssen. Das ist sozial ungerecht, weshalb wir das auch
ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)
Weiteres Beispiel:
Studiengebühren. Es ist damit zu rechnen, dass die Studiengebühren dann von den
Universitäten selbst eingehoben werden können. Das heißt dann, die
Universitäten sind schuld daran und nicht die Bundesregierung.
Beispiel:
Abfangjäger. Die nächste Regierung soll diese extrem teuren Flieger bezahlen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 51 |
Beispiel:
Kinderbetreuung. Wir wissen natürlich, dass die Kinderbetreuung Landessache
ist, aber es war üblich in Zeiten der großen Koalition, als es noch
sozialdemokratische Frauenministerinnen gegeben hat, dass auch der Bund einen
Beitrag dazu geleistet hat. Wir halten das für richtig, denn es ist ein
gesamtpolitisches Anliegen, dass Frauen Beruf und Familie vereinbaren können.
Es besteht daher nicht nur die Verpflichtung für die Länder, sondern auch für
den Bund, denn es ist, wie gesagt, ein gesamtpolitisches Anliegen. (Beifall
bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)
Ich möchte die
Gelegenheit nutzen und an dieser Stelle sagen, dass ich es erfreulich finde,
dass es wieder eine Frauenministerin gibt – auch wenn der Herr Vizekanzler
vorhin gesagt hat, dass sich in seiner Zeit als Frauenminister vieles
verbessert hat. Dazu wurde vornehm geschwiegen, und ich muss sagen, ich habe
nicht den Eindruck gehabt, dass das irgendjemand hier herinnen so sieht.
Ich meine, dass es
in der Frauenpolitik neue Impulse geben muss. Im Regierungsprogramm ist
festgehalten, dass das Gender Mainstreaming durchgeführt werden soll. Das
heißt, jede Maßnahme soll daraufhin geprüft werden, welche Auswirkung sie auf
Frauen hat. Das ist grundsätzlich positiv, und wir unterstützen das auch, aber
es sind bereits einige Maßnahmen im Regierungsprogramm vorgesehen, die dem
entgegenlaufen.
Beispiel:
Ladenschluss-Liberalisierung. Was bedeutet das für die Lebenssituation von
Frauen mit Kindern? – Im Handel sind die meisten Angestellten Frauen,
viele davon haben Kinder. Das kann zu einer sehr großen Belastung und
Benachteiligung der Familien führen. Wir befürchten, es werden auch
Verschlechterungen im Bereich des Arbeitsrechtes kommen. Das Recht darauf,
jeden zweiten Samstag frei zu haben, soll gestrichen werden, und einiges andere
mehr.
Beispiel:
Pensionsreform. Durchrechnung ja – aber was bedeutet das wiederum für
Frauen, die mehrere Jahre bei den Kindern zu Hause geblieben sind, die eine
Zeitlang Teilzeit gearbeitet haben? Wie wird das berechnet werden? Wie wird der
Ausgleich sein?
All das sind
Fragen, die für uns noch offen sind, die aber ganz wichtig sind, um sagen zu
können: Hier wird das Gender Mainstreaming wirklich ernst genommen!
Anhebung der
Frauenbeschäftigungsquote: Das ist etwas, das wir natürlich begrüßen, aber auch
hier muss ich fragen: Was wird konkret geschehen? – Bisher ging die Politik
der Regierung Schüssel I nicht in diese Richtung. Bisher war es leider
so, dass man versucht hat, die Frauen an den Herd zurückzudrängen. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Himmer
und Steinbichler.)
Das Problem der
längeren Abwesenheit von Frauen am Arbeitsmarkt kennen Sie genau. Je länger
jemand vom Arbeitsmarkt weg ist, je länger eine Frau zu Hause bleibt, desto
größere Probleme hat sie, wieder in den Beruf einzutreten. Das ist auch einer
der Hauptgründe dafür, dass es so große Lohnunterschiede zwischen Männern und
Frauen gibt. Maßnahmen in diesem Bereich wären dringend notwendig.
Es ist vorgesehen,
die Familie in die Verfassung aufzunehmen. Ich kenne diese Debatte von früher.
Das ist immer wieder von ÖVP-Seite vorgeschlagen worden, ich weiß nur nicht,
was es bringen soll. Wenn es nur eine inhaltsleere Deklaration ist, dann frage
ich mich, wozu das Ganze, wenn es aber Folgen hat, dann frage ich mich, welche
Folgen und für wen. Wir wollen sicher nicht, dass ein einziges Familien-Modell
vorgeschrieben wird. Wir wollen, dass die Menschen ihr Familienleben so
gestalten können, wie sie es sich vorstellen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein anderes Thema,
das mir sehr am Herzen liegt, ist der Verkehr. Mein Vorredner hat als Tiroler
die Transitfrage angesprochen. Ich als Wienerin möchte dies auch tun, denn auch
Wien leidet unter dem starken Verkehrsaufkommen. Die Osterweiterung der
Europäischen Union, die ich sehr begrüße, wird zu einer weiteren Verkehrslawine
führen. Schon heute ist die Südosttangente die meistbefahrene Straße
Österreichs, und daher erwarten auch wir Wienerinnen und Wiener uns eine
Entlastung.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 52 |
Ich begrüße in
diesem Zusammenhang den Bau des Brenner-Basistunnels, ich erwarte mir aber auch
Maßnahmen für die Ostregion. Wo bleibt der Semmering-Basistunnel? – Das
ist eine alte Forderung, die leider von der ÖVP immer wieder verhindert wurde.
Ich erwarte mir
ebenfalls Maßnahmen für den Zentralbahnhof in Wien und einiges andere mehr. Der
Bahnausbau ist eine Voraussetzung dafür, dass der Transport von der Straße auf
die Schiene verlegt wird – etwas, das aus Umweltgründen unabdingbar ist.
Abschließend noch
ein paar Worte zur Justiz: Herr Minister Böhmdorfer ist leider nicht hier, was
mich allerdings nicht überrascht, zumal ich schon in der letzten Gesetzgebungsperiode
den Eindruck gewonnen habe, dass er seine Anliegen weniger gerne diskutiert,
als vielmehr diktiert. Und eines dieser Anliegen ist die Abschaffung der
Jugendgerichtsbarkeit.
Ich habe gehofft,
dass mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode auch dieses unsinnige Projekt, den
Wiener Jugendgerichtshof zu beseitigen, aufgegeben wird. Alle Experten sind
dagegen. Es wäre – im Gegenteil! – sinnvoller, die
Jugendgerichtsbarkeit auszuweiten. Trotzdem scheint es jetzt leider endgültig
zu sein, dass der Jugendgerichtshof abgeschafft wird.
Ich hätte eine
Frage an den Herrn Minister stellen wollen – jetzt werde ich eine
schriftliche Anfrage an ihn richten –, nämlich was er mit dem Thema
„Sozialbetrug“ wirklich meint. Wenn er damit meint, dass Unternehmer im großen
Stil Arbeitnehmer illegal beschäftigen, dann ist das für uns in Ordnung. Wir
haben schon im Jahr 1995 versucht, eine gesetzliche Regelung gegen dieses
Schwarzunternehmertum zu treffen, sind aber gescheitert. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: ... Häuslbauer!) –
Nein, nein, es ist nicht nur um die Häuslbauer gegangen. Das war auch ein
Thema, ich kann mich erinnern. (Bundeskanzler
Dr. Schüssel: Das war das Thema!) Nein, nein, es hat sehr wohl
eine Beschlussfassung gegeben, die die ÖVP nicht mitgetragen hat.
Aber mich
interessiert jetzt Folgendes: Der Herr Justizminister hat erwähnt, dass
sozusagen auch der Missbrauch von Krankenständen und Kuraufenthalten
strafrechtlich geahndet werden soll. – Das ist etwas, was ich mir nicht
vorstellen kann. Ich weiß gar nicht, wie er das praktizieren möchte. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.)
Abgesehen davon,
dass es immer weniger Menschen gibt, die sich trauen, in Krankenstand zu gehen,
weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben, abgesehen davon, dass
Kuraufenthalte genehmigt werden müssen – und es ist gar nicht so leicht,
einen Kuraufenthalt genehmigt zu bekommen –, frage ich mich, wie das
kontrolliert werden soll. Werden wir dann, sollten wir im Krankenstand sein und
uns auf der Straße aufhalten, gefragt, ob wir auf dem Weg zum Arzt sind oder
uns zu Unrecht herumtreiben? – All das ist sehr eigenartig, und ich muss
sagen, diese Art der Bespitzelung gefällt mir gar nicht.
Meine Damen und
Herren! Egal welchen Punkt des Regierungsprogramms wir aufgreifen: Es gibt
einige positive Ansätze, aber im Großen und Ganzen – das muss man leider
sagen – enthält das Programm Belastungen. Belastungen, das Weiterreiten
alter Steckenpferde – das hätten die Österreicherinnen und Österreicher
auch ohne vorgezogene Neuwahlen haben können.
Die
Österreicherinnen und Österreicher werden daher enttäuscht sein über das
Ergebnis der Regierungsverhandlungen. Wir wissen, dass sie sich eine Regierung
auf breiter Basis vorgestellt haben. – Sie haben das zu verantworten, und
Sie werden bei der nächsten Wahl auch die Rechnung dafür präsentiert bekommen! (Beifall
bei der SPÖ.)
12.45
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.
12.46
Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Einleitend möchte ich Bezug nehmend auf Herrn Professor Konecny folgende Bemerkung machen: In seiner Stellungnahme und in der
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 53 |
Tendenz waren seine Ausführungen letztklassig,
in der Rhetorik geschliffen ölig, als ob er mit der Babynahrung eine verquere
Moral aufgenommen hätte. – Das ist meine Meinung. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der övp.)
Zur
Regierungserklärung möchte ich gewissermaßen in der Reihenfolge Stellung
nehmen, wie sie uns vorliegt.
Es ist nicht
erstaunlich, dass das Thema Irak auch in der Regierungserklärung seinen Raum
einnimmt. Den Entschließungsantrag, den Kollege Hans Ager vorgelegt hat, werde
ich aus folgendem Grund nicht mit unterzeichnen. (Oh-Rufe bei der SPÖ. –
Bundesrat Gasteiger: Krise! Wieder Krise! – Bundesrätin Schicker:
Die Stabilität der Regierung ist gefährdet, Herr Gudenus!)
In dem Antrag
heißt es Bezug nehmend auf einen Text des Europäischen Rates vom 17. Februar:
„Zur Lösung dieser Probleme ist die Einheit der internationalen Gemeinschaft
von wesentlicher Bedeutung.“ – Jetzt kommt der Satz, den ich nicht
nachvollziehen mag; es könnte sein, dass es überhaupt ein redaktioneller Fehler
ist, dass dieser Satz so aufgenommen wurde. – „Wir sind entschlossen, mit
allen unseren Partnern, insbesondere mit den Vereinigten Staaten,
zusammenzuarbeiten, ...“
Es muss doch
heißen: Wir sind entschlossen, mit allen unseren Partnern, insbesondere mit den
Ländern in dieser Region, zusammenzuarbeiten. Mit den Vereinigten
Staaten haben wir nicht zusammenzuarbeiten, bei denen haben wir nur Angst, dass
sie einen Krieg beginnen und mit der modernsten Bombe, die jener damals in
Hiroshima gleichkommt – sie hat nur keine Strahlungen –, diese ganze
Gegend beunruhigen und destabilisieren. – Solch einen Antrag kann und
werde ich nicht unterschreiben. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. –
Bundesrätin Schicker: Ich applaudiere für Ihren Mut!)
Man geht natürlich
davon aus, dass der Irak die eine oder andere Resolution der UNO nicht befolgt
hat. Dazu kann man statistisch sagen: 91 UNO-Resolutionen wurden nicht
befolgt; 59 durch Verbündete der Vereinigten Staaten wie etwa Israel: 32 oder
Türkei: 24; Marokko, das nicht zu den Verbündeten gehört, aber auch nicht zu
den Gegnern: 16. Man kann also das Thema des Vorderen Orients nicht nur an der
Situation im Irak aufbauen oder behandeln, sondern wir müssen auch die
Ungerechtigkeit Israels gegenüber Palästina betrachten.
Ich meine, es wäre
gut, der Meinung des Herausgebers der Academia –
immerhin eine Verbindung, die dem Herrn Bundeskanzler sehr nahe stehen
kann – zu folgen. Er hat, veröffentlicht in der gestrigen Ausgabe der
„Presse“, einen Leserbrief, eine „Meinung zum Tag“, formuliert, in dem es zum
Schluss wie folgt heißt:
„Österreich jedoch
sollte diesen provokanten Dauerzustand nicht länger hinnehmen und Israel vor
die Entscheidung stellen, entweder seine diplomatische Vertretung in Österreich
wieder auf Botschafterrang anzuheben, oder zu akzeptieren, dass Österreich
seinerseits die Vertretung in Tel Aviv entsprechend hinunterstuft.“
Eine der beiden
Lösungen müsste in der nächsten Zeit stattfinden. Sich diese Art und Weise der
Behandlung seitens Israels seit zwei, schon bald drei Jahren gefallen lassen zu
müssen, ist unserer Republik unwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Jawohl, wir sind
für eine aktive Europa-Politik, aber, Herr Bundeskanzler, das heißt natürlich
nicht ohne Wenn und Aber! Auch der Herr Vizekanzler hat schon darauf
hingewiesen, dass uns die Anliegen im Zusammenhang mit Beneš-Dekreten,
Vertriebenen, Temelin besondere sind und dass wir diese auch in dieser Bundesregierung
positiv in unserem Sinne gelöst haben wollen.
Es mag natürlich sein, dass der eine oder andere meint: Wenn man in einer Koalition ist, muss man die gleichen Meinungen vertreten wie der Koalitionspartner. – Verehrte Anwesende! Wir sind nicht der vierte Bund der ÖVP. Die ÖVP hat drei Bünde (Rufe bei der ÖVP: Mehr! – Bundesrätin Schicker: Sechs!), sogar sechs Bünde, da braucht sie uns als siebenten Bund nicht
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 54 |
dazu. (Bundesrat Manfred Gruber:
Sie haben die Funktion des Beiwagerls!) Wir werden unsere Politik gemeinsam
mit der ÖVP bestimmen – aber mit einzelnen Akzenten, die wir anders setzen
dürfen.
Ich halte es für
sehr wichtig, besonders auf die Vertriebenen und die Beneš-Dekrete hinzuweisen.
Wenn der Standard in der Europäischen Union gleich hoch bleiben soll wie
bisher, dann muss auch das berücksichtigt werden. Es geht nicht an, dass
einzelne Länder noch immer von der Vertreibung profitieren und
Österreich – auch Deutschland – die Geschichte wirklich, auch
materiell, soweit das überhaupt möglich ist, aufgearbeitet und abgearbeitet
hat – das heißt, der österreichische Steuerzahler hat es getan.
Eine aktive
Europa-Politik ist daher ein Herzstück dieser Regierung. Das ist voll zu
bejahen, aber aktiv heißt natürlich nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen, was
aus Brüssel kommt. So meine ich, dass wir gut beraten sind, unsere Sicherheit
auch selbst in dieser Republik wahrzunehmen.
In einer Zeitung
vom 5. März steht: In Wien passieren in 17 Stunden
9 Raubüberfälle. Ist da nicht irgendwo Gefahr in Verzug? Müssen wir nicht
handeln, um auch innenpolitisch unsere Sicherheit in den Griff zu
bekommen? – Es ist zu wenig, wenn der Herr Bundeskanzler von Flugzeugen
zur Luftpolizei spricht. Ich bin Ihrer Meinung, Herr Bundeskanzler, wir
brauchen eine Luftpolizei, aber – und ich glaube, darüber werden wir noch
eine Zeitlang diskutieren müssen; das heißt nicht, dass Sie mit mir darüber
diskutieren, aber ich nehme die Möglichkeit wahr, hier darüber zu
sprechen – müssen wir das teuerste Modell der Nullserie anschaffen? Müssen
wir für die Luftpolizei ein Kampfflugzeug, eine Kampfmaschine, wie die
Sozialdemokraten richtig sagen, beschaffen? (Demonstrativer Beifall bei der
SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Der ist heute in der falschen Partei!)
Tut es nicht eine
gebrauchte Maschine F 16 oder der Gripen? Reicht es nicht – wenn wir
in die Zukunft schauen wollen –, sich Heimatverteidigungsabfangjäger, wie
sie in den Vereinigten Staaten, aber auch von EADS entworfen worden sind und
auch schon aus der Fabrikshalle rollen, zuzulegen, die ein Zehntel vom
Eurofighter kosten? Angesichts der finanziellen Situation dieser Republik halte
ich es nicht für vertretbar, sich die teuerste
Maschine auf dem Markt zu besorgen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)
Für mich ist das
jetzt nicht der Applaus auf der falschen Seite, für mich ist das der Applaus
jener, die sich ebenso wie jene, die nicht applaudiert haben, Gedanken machen
über die teuerste Anschaffung der Republik – auch jene, die nicht
applaudiert haben! Ich bin froh, dass Sie mir zuhören und mir innerlich vielleicht sogar Recht geben. Wenn ich das eine
oder andere Auge so betrachte, habe ich den Eindruck, durchaus ein bisschen
Verständnis zu finden, auch bei Freunden in der ÖVP.
In Anwesenheit
meines hoch verehrten neuen Bundesministers muss man in Bezug auf die
Sicherheit im Bundesheer schon die Frage stellen: Ist das Bundesheer als Heer
überhaupt noch jene Formation, die wir vor 20 Jahren gedacht haben? Ist
das österreichische Bundesheer in den letzten Jahren nicht zu einer
verlängerten Gendarmerie oder Polizei heruntergestuft worden? Sollte man sich
nicht überlegen, ein Staatssekretariat für Landesverteidigung, nein, vielleicht
sogar ein Sicherheitsministerium zu schaffen, in dem die Polizei, das
Bundesheer und die Gendarmerie gemeinsam jenen Aufgaben nachgehen, die ein
moderner Staat in einem modernen Europa zu erfüllen hat? – Ich zweifle
nicht daran, dass das sein kann. Es muss möglich sein, diese drei Einheiten
zusammenzufassen. Auch in Deutschland überlegt man sich solche Vorgangsweisen,
nämlich das Verteidigungsministerium sehr stark mit der inneren Sicherheit zu
verquicken.
Eine Bitte habe ich an den Herrn Bundesminister: Wir haben Wehrpflichtige, die derzeit mit einem Taggeld in der Höhe von 100 S, rund 7,50 €, auskommen müssen. – Herr Bundesminister! Für 7,50 € nimmt nicht der billigste Fremdarbeiter, der hier illegal im Land arbeiten sollte – den gibt es natürlich nicht! –, ein Werkzeug in die Hand. (Bundesrat Gasteiger: Jetzt hast du die Kurve gut gekratzt!) Ich rege daher an, das Taggeld auf mindestens 15 € anzuheben. Es
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 55 |
kann nicht menschenwürdig sein, Leute mit
100 S am Tag zu Zwangsarbeitern der Republik herabzugraduieren;
Verpflegung und Bekleidung sind natürlich dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Bundesräten der SPÖ.)
Ich warne auch
davor, die Wehrdienstzeit von derzeit acht auf sechs Monate zu reduzieren. Soweit
das auch notwendig
oder möglich ist, es erhöht die Arbeitslosigkeit, Herr Bundesminister! Zwei
Monate länger arbeitslos wären dann jene, die jetzt acht Monate Dienst mit der
Waffe oder auch ohne Waffe leisten können.
Es ist sehr
erfreulich, dass in der Regierungserklärung vom Diesel-Boom gesprochen wird. Jawohl,
der Diesel-Boom ist wichtig. Wir wissen, Benzinmotoren bieten Mord- und
Selbstmordmöglichkeiten, Dieselmotoren nicht, aber Dieselmotoren haben
Partikel, feinste Partikel im Nanometerbereich. Es sollten überall
Partikelfilter eingebaut werden. In der Schweiz ist das der Fall, Österreich
ist aber der Internationalen Messmethodenkonvention über die Partikel nicht
beigetreten. – Es wäre zweckmäßig, dieser Konvention, dieser
Arbeitsgruppe, beizutreten, damit wir den Wissensstand haben. Wir haben
hervorragende Wissenschafter, aber möglicherweise ist der eine oder andere
Wissenschafter nicht
der Meinung, international gemeinsam arbeiten zu können.
Jetzt zur Familie:
Ich glaube, dass die Familien eine der wichtigsten, wenn nicht die
wichtigste Säule unseres Staates darstellen. Die Familie besteht aber für mich
nicht nur aus Ehepaaren oder Lebensgemeinschaften, nein, für mich besteht die
Familie aus Vater, Mutter, Kinder, Großeltern, Schwiegereltern. (Bundesrätin Schicker: Hund und Katz! – Bundesrat Gasteiger: Die Mali-Tant’ hat er vergessen!) Darauf müssen wir Wert legen, dass diese
Kombination von natürlich gewachsenen Elementen einer Familie auch vorhanden
bleibt. Es ist unmöglich,
mit einer Geburtenrate von 1,3 Kinder pro Frau – statt 2,1 – die
soziale Sicherheit in Bezug auf die Pensionen aufrechtzuerhalten.
Mein Kollege
Steinbichler – er ist im Moment nicht im Saal – sagt, dass in
Österreich per anno ungefähr 260 000 Abtreibungen vorgenommen werden.
Diese Zahl ist zu hoch; überhaupt jede Abtreibung, die stattfindet, ist zu
viel. Wir können noch so viele Pensionsregelungen austüfteln, Herr
Bundeskanzler, wir müssen von dieser unnatürlichen Art der
Fortpflanzungsbegrenzung wegkommen, indem wir Lebewesen töten, während wir uns
andererseits zu einem gemeinsamen bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz
bekennen! Das kann einfach nicht zusammenpassen. Wir müssen das menschliche
Leben wieder in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen setzen. (Bundesrätin Schicker: Aber Frauen dürfen weiterhin selbst entscheiden, ob sie
Kinder haben wollen oder nicht, hoffe ich doch!)
Es wird ein
Drei-Säulen-Pensionssystem angeboten: einmal das staatliche Pensionssystem,
umlagefinanziert – vielleicht –, zweitens die neue betriebliche
Zusatzpension für die Mitarbeiter und drittens ein attraktives privates
Versorgungsmodell. Es gibt auch noch eine vierte Säule, die schon erwähnt
wurde, nämlich die Teilzeitarbeit in der Pension. Ich habe einige Zweifel, dass
sich bei der derzeitigen Wirtschaftssituation die Säulen zwei und drei
verwirklichen lassen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)
Wir müssen Acht
geben, dass die Personen, die in Pension gehen, auf Grund der höheren Steuern
und Abgaben, die wir haben, nicht so viel zahlen müssen, dass sie es sich nicht
leisten können, eine private Pension aufzubauen; dass die
Betriebe, in die sie einzahlen, nicht plötzlich in Konkurs gehen, und dann ist
das Geld weg. Wenn man sich privat versichert, hört man, dann kann es
passieren, dass auch internationale Lebensversicherungen in Konkurs gehen. Wo
dann das Geld ist, möchte ich wissen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) –
Ich kann nur sagen, die erste Betonung muss auf der staatlichen Vorsorge
liegen.
Vermutlich brauchen wir auch einen Seniorenindex, einen Verbraucherindex, denn es darf nicht wahr sein, dass die Heimhilfe ab 1. Januar – oder war es ein paar Tage später? – am Wochenende um 50 Prozent teurer wird, und das ohne bessere Pension. So wird sukzessive für die Senioren – nicht nur für die Senioren, aber ich spreche hier als Seniorensprecher meiner Par-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 56 |
tei –
alles teurer, ohne dass die Pension diesen Teuerungsschritten Rechnung trägt,
also nachträglich erhöht wird. (Bundesrat Kraml: Ihr seid eh in der
Regierung!)
Wir können das den
Senioren nicht zumuten, wenn wir zugleich erwarten, liebe Freunde in der
Koalition, dass die Familien die Senioren auch zu Hause pflegen. Das
Zuhause-Pflegen kostet Geld, auch dann, wenn der Senior allein in seiner
Wohnung ist, denn er muss ja seine Wohnung erhalten können, sonst kommen wir
dorthin, wo wir in der Koalition nicht hinkommen wollen, nämlich dass die
Senioren in städtische oder staatliche Versorgungsanstalten kommen. Dieser
Punkt scheint mir wichtig für die Senioren zu sein.
Letzter Punkt:
Professor Felderer hat, so glaube ich, doch Recht. Er sagt: Gehen wir eine
Steuerreform mit mehr Mut an, weniger zaghaft! – Wir Freiheitlichen
standen einmal für die Flat Tax. Davon haben wir schon lange Abschied genommen,
denn das wäre eine Quote von 23 Prozent gewesen. Wir müssen aber von der
jetzt rund 45-prozentigen Staatsquote – vielleicht beträgt sie sogar
schon 47 Prozent, Herr Bundeskanzler – möglichst schnell
herunterkommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)
13.02
Präsident
Herwig Hösele: Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler,
der sich zu Wort gemeldet hat, das Wort erteile, möchte ich Herrn
Vizepräsidenten Jürgen Weiss namens des Hauses sehr herzlich gratulieren. (Allgemeiner
Beifall.) Der Landeshauptmann von Wien, Herr Dr. Michael Häupl, hat
ihm vor zwei Stunden das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land
Wien überreicht.
Es ist dies ein
Zeichen verdienter Anerkennung für das unermüdliche und unverdrossene Wirken
von Jürgen Weiss als fachkundiger Anwalt des Föderalismus. Herzliche
Gratulation des gesamten Hauses! (Allgemeiner lebhafter Beifall.)
Dieser Termin ist
schon lange vor der Regierungserklärung festgestanden. Daher bitten wir den
Herrn Bundeskanzler, die Unhöflichkeit zu verzeihen, dass wir nicht ganzzeitig
anwesend waren.
Ich bitte nun den
Herrn Bundeskanzler, das Wort zu ergreifen. – Bitte.
13.03
Bundeskanzler,
betraut mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche
Leistung und Sport Dr. Wolfgang Schüssel: Ich darf mich den Glückwünschen sehr herzlich anschließen, zumal
Jürgen Weiss einer der wirklichen Vordenker der Verwaltungsreform gewesen
ist. – Vieles, was heute verwirklicht wird, trägt durchaus deine
Handschrift, Jürgen, und ist von dir vorausgedacht worden.
Herr Präsident!
Erlauben Sie, dass ich nur einige Worte zu den Beiträgen einiger Vorredner
sage. Ich habe es nicht vorgehabt, aber ich glaube, ich muss darauf reagieren.
Erstens bitte ich
sehr herzlich darum, das Grundprinzip einer diplomatischen Vertretung zu
respektieren. Es ist nicht unser Interesse, dass jetzt ein israelischer
Botschafter in Österreich voll akkreditiert ist, sondern es ist dies ein
israelisches Interesse, und die Türen sind offen. (Vizepräsident Weiss
übernimmt den Vorsitz.)
Ich denke
überhaupt nicht daran, die legitimen Vertretungsinteressen von Österreichern in
Israel dadurch zu gefährden oder herunterzustufen, dass wir auf Grund
irgendwelcher Protokollerwägungen den österreichischen Botschafter dort
heruntergraduieren. Das tue ich nicht, das habe ich immer so argumentiert, und
das werde ich auch in Zukunft nicht tun. Die Außenministerin denkt ganz
ähnlich.
Die Türen bleiben
offen, und ich wäre sehr dankbar, wenn niemand Öl ins Feuer gießen würde. Ich
glaube, der Nachdenkprozess auf israelischer Seite hat eingesetzt. Dabei soll
man es belassen! – Rufzeichen. Ende. (Beifall bei der ÖVP.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 57 |
Zweiter Punkt: Ich
muss auch wirklich dem Eindruck entgegenwirken, dass Saddam Hussein ein
unschuldiges Kind ist – ganz im Gegenteil! Der Herr ist ein Diktator, er
hat zwei Kriege selbst begonnen, gegen jedes Völkerrecht. Er hat Giftgas und
andere schauerliche Stoffe, die vom Völkerrecht und von der UNO sanktioniert
gewesen sind, gegen seine eigene Bevölkerung, gegen die Bewohner des südlichen
Sumpflandes und gegen die Kurden im Norden eingesetzt. Seit zwölf Jahren
erfüllt er – und zwar nicht einige wenige, sondern zentrale –
Forderungen von UNO-Resolutionen nicht.
Ich glaube, es
muss die gemeinsame Ambition aller Demokraten und aller
Staaten sein – das ist gedeckt, angefangen vom UNO-Generalsekretär Kofi
Annan bis zu allen anderen –, zu erkennen, dass der Schlüssel zum Frieden
in Wahrheit in Bagdad liegt! Ich bitte Sie, keine unpassenden
Vergleiche zu ziehen, die einfach der Sachlage nicht entsprechen.
Jeder von uns will
den Frieden, aber wir alle müssen mit klarer Stimme Saddam
Hussein dazu auffordern, das Seine dazu beizutragen. Und da darf kein Zweifel
an der gemeinsamen Haltung Österreichs entstehen, meine Damen und Herren!
Dritter Punkt: zu
den Fliegern. Herr Bundesrat Gudenus! Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die
Güte gehabt hätten, all das, was Sie hier vorgetragen haben, dem früheren
Verteidigungsminister des Kabinetts Schüssel I, Herbert Scheibner –
Ihnen nicht ganz unbekannt –, zu sagen, der nach zweijährigen, sehr
gründlichen Prüfungen – ich war Zeuge dabei; ich selbst verstehe von
diesen technischen Dingen gar nichts –, transparent, objektiv und bereits
vom Rechnungshof überprüft, ein Verfahren eingeleitet hat, das ganz klar
ergeben hat, dass auf seinen Antrag hin die vorige Bundesregierung eine Typenentscheidung
zu treffen hatte.
Im Nachhinein dann
zu sagen, da wäre etwas anderes billiger, und wir könnten gebrauchte Flieger
kaufen, ist leicht. Abgesehen davon würde ich jetzt gerne die Frage aufwerfen,
ob es eigentlich in der jetzigen Situation sehr gescheit wäre, amerikanische
Gebrauchtflieger zu kaufen. Bedenken Sie, was das für ein Signal wäre (Bundesrat
Mag. Gudenus: Das habe ich nicht daraus abgeleitet!), abgesehen
davon, dass es überhaupt nicht der österreichischen Vergabepraxis entspricht!
Bleiben wir daher
bei den objektiven Verfahren! Sprechen wir darüber ohne jegliches persönliches
Interesse, wie ich das tue, wie Herbert Scheibner das gemacht hat und wie das
auch mit Sicherheit Günther Platter tut, und stehen wir zu der Notwendigkeit,
auch den österreichischen Luftraum zu schützen, meine Damen und Herren! (Bundesrat
Mag. Gudenus: Mit anderen Maschinen geht das auch!)
Weiters: Sie haben
auch ganz leichthin erklärt, Sie hätten Zweifel, ob sich die zweite und dritte
Pensionssäule überhaupt verwirklichen ließen. – Bitte, Herr Bundesrat
Gudenus: Die zweite Säule beruht auf einem gemeinsamen, einstimmigen Beschluss
des Nationalrates und des Bundesrates, die Mitarbeitervorsorge einzurichten. (Bundesrat
Mag. Gudenus: Aber ob es das spielt!) Das ist eine der ganz
wichtigen, sozialpolitischen Neuerungen! (Bundesrat Mag. Gudenus:
Und wenn die Firma eingeht?!) – Warum soll da wer in Konkurs gehen,
bitte? Hören Sie doch auf, den Menschen hier Angst zu machen!
Die dritte Säule
haben wir als individuelle Eigenvorsorge gedacht. Daran war, gerade in der
letzten Bundesregierung, wenn ich mich richtig erinnere, auch der
Koalitionspartner sehr interessiert; aber auch wir von der ÖVP
als Mehrheitsfraktion in der jetzigen Regierung sind es.
Wir haben damit
ein Produkt geschaffen, das dreimal so gut gefördert wird wie etwa die Bausparkassenprodukte,
und dieses Produkt wird derzeit geradezu überrannt! Reden Sie mit den
Versicherungen, reden Sie mit der Bankenwelt! Diese dritte Säule wird so gut
angenommen wie derzeit nur ganz wenige Produkte auf dem Kapitalmarkt.
Ich finde, die österreichische Bevölkerung verdient es, dass man ihr reinen Wein einschenkt und ihr sagt, dass hier sehr attraktive Dinge zur Verfügung stehen: ein staatliches System, das natürlich weiterhin das tragfähige Rückgrat einer Altersvorsorge sein wird, aber zusätzlich noch
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 58 |
ein sozialpartnerschaftlich
außer Streit gestelltes zweites System und die Eigenvorsorge, die steuerlich
sehr attraktiv gestaltet ist.
Letzter Punkt:
Herr Bundesrat Gudenus! Sie haben gemeint, man sollte bei der Steuerreform noch
ambitiöser sein. – Bitte, Herr Bundesrat, können Sie mir dann auch
erklären, wie man das finanzieren soll? – Acht Milliarden, sagt ein
Experte; gut. Jetzt machen wir mit drei Milliarden die größte Reform der
letzten Jahrzehnte, wir lassen uns vorrechnen, wie all das finanziert wird und
so weiter, und Sie sagen: Das ist alles nicht genug. – Wenn Sie die Güte
haben, legen Sie uns doch bitte auch einen Finanzierungsvorschlag vor, wie man
acht Milliarden finanzieren soll, noch dazu, wo doch jeder einzelne
Sparvorschlag oder Strukturreformvorschlag ohnehin von der Opposition in Frage
gestellt wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Daher: Kein
Beifall von der falschen Seite, wohl aber die Argumente von der richtigen
Seite – darum würde ich sehr herzlich bitten! (Beifall bei der
ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Deutlich! Sehr deutlich!)
13.10
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn
Bundesrat Josef Saller das Wort. – Bitte.
13.10
Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und
Herren! Erlauben Sie mir, aus dem verantwortungsvollen und anspruchsvollen
Regierungsprogramm einige Punkte betreffend Seniorenpolitik hervorzuheben und
herauszustreichen.
Eine
verantwortungsvolle Sozialpolitik muss die Schwächen der Gesellschaft erkennen
und das Wohl aller Menschen im Auge haben. Unser Verständnis von einer
modernen, leistungsfähigen und solidarischen Sozialpolitik stellt neben allen
Fragen der Finanzierung und der Organisation den einzelnen Menschen in den
Mittelpunkt des Solidarsystems. Allerdings stellt sich in einer Zeit enormer
sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen bei einem gleichzeitig hohen Maß an
sozialem und wirtschaftlichem Wohlstand die soziale Frage neu.
Die Frage nach der
Finanzierbarkeit des Sozialstaates wird immer weniger unter ideologischen, als
vielmehr unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen. Die
Finanzierbarkeit des Sozialstaates auf Kreditbasis ist nicht nur
unverantwortlich gegenüber der kommenden Generation, deren
Gestaltungsspielraum durch die Notwendigkeit, die Schuldenberge abzubauen, eingeschränkt
wird, sondern zerstört auch unseren Grundsatz der Nachhaltigkeit.
Unter diesen
Gesichtspunkten ist auch das verantwortungsvolle Regierungsprogramm zu sehen.
Der Seniorenbund – und damit eine große Gruppe der Pensionsbezieher –
hat sich genau angesehen, ob und welche Anliegen der älteren Generation
festgeschrieben sind, und diese Bilanz fällt sehr positiv aus.
Im Bündnis für
Österreich und Senioren ist eine besondere Wichtigkeit die Pensionsanpassung.
Und im Regierungsprogramm heißt es – das möchte ich als besonders positiv
hervorheben –: „Die Pensionsanpassung hat sich weiterhin am Ziel der
Wertsicherung zu orientieren. Einmalzahlungen sowie Fix- und Sockelbeträge für
sozial Schwächere.“ – Das ist vorgesehen.
Anzustreben –
das muss man auch sagen – sind vereinfachte, verständlichere gesetzliche
Regelungen. Zum Beispiel sollte statt der Ermittlung via Anpassungsfaktor in
Hinkunft wieder der Lebenskostenindex für die Pensionserhöhung herangezogen
werden.
Weiters aus dem
Regierungsprogramm als sehr positiv hervorzuheben sind die Anhebung der
pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate und die
Senkung des fiktiven Ausgedinges sowie die Erhöhung des Pflegegeldes, die in
absehbarer Zeit kommen wird.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 59 |
Hinsichtlich der
Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge wird der Kelch an den Pensionsempfängern
nicht vorbeigehen können. Die Ausgangslage hat sich gegenüber früher auch
völlig verändert, das muss man natürlich auch darstellen. Darauf wird häufig
vergessen.
Früher waren die
medizinischen Kosten eben geringer, die Lebenserwartung war nicht so hoch, die
Dauer der medizinischen Versorgung war kürzer, und die Pensionserwartungszeit
war auch kürzer. – Heute haben wir das Glück, dass die Menschen gesund
älter werden, und wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. (Bundesrat
Boden: Noch! Noch haben wir ein gutes System!)
Wir
brauchen – das ist schon gesagt worden – keine englischen
Verhältnisse, wo ein 65-Jähriger eben keine Hüftoperation mehr
bekommt. Wir brauchen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wir brauchen weiterhin
unser ausgezeichnetes Gesundheitssystem, und dafür sorgt die künftige
Regierung. Wir müssen auch bekennen, dass die ältere Generation einen
vertretbaren und verantwortungsvollen Beitrag leisten wird müssen.
In Sachen
Staatsreform ist im Regierungsprogramm dankenswerterweise neuerlich die Einführung
des Briefwahlrechtes enthalten. Das ist nicht nur eine Forderung unseres
Seniorenbundes, sondern auch des SPÖ-Pensionistenverbandes unter der Führung
des ehemaligen Ministers Karl Blecha. Da ist die Opposition wirklich gefordert
und wird aufgefordert, endlich über die selbst errichtete Barriere zu springen
und diesem Punkt zuzustimmen.
Im Justizbereich
sind festgeschrieben – das ist sehr positiv zu bewerten –:
Mindeststandards für Heimverträge – wie Konsumentenschutz, Information,
Kündigung und vieles andere mehr – sowie Sicherung der Patientenrechte in
Alten- und Behindertenheimen zum Schutz der Bewohner.
Der
Bundesseniorenbeirat hat sich kürzlich mit dem Thema „Generika“ befasst und
einhellig festgelegt, dieses Projekt weiter zu betreiben. Auch das steht im
Regierungsprogramm und beinhaltet große, vernünftige Einsparungen.
Hinsichtlich der
Seniorenpolitik sind noch drei Punkte des Regierungsprogramms als besonders
positiv herauszustreichen. Das Erste ist die Verankerung der Alterssicherung
und des Diskriminierungsverbotes auf Grund des Alters in der
Verfassung. – Das müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Ältere Menschen sind keine Bittsteller, sondern es geht um die Festschreibung
wohl erworbener Rechte. Die Opposition ist auch da aufgefordert, mitzutun.
Das Zweite ist die
Verankerung der Seniorenvertretung als Pensionistenkurie in der Selbstverwaltung
der Sozialversicherung.
Das Dritte ist die
Seniorenanwaltschaft und Schaffung von Seniorenbeiräten in den Ländern und den
Gemeinden. Wir wollen mitreden, mit entscheiden und mit verantworten – als
gleichberechtigte Partner auf allen politischen Ebenen,
besonders auch im Hinblick auf die vorliegenden Bevölkerungsprognosen und die
Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur.
Abschließend stelle
ich fest, dass das Regierungsprogramm eine gute und verantwortungsvolle
Grundlage für die Bewältigung der Anliegen der älteren Generation bietet. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.17
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Manfred Gruber. Ich erteile ihm das Wort.
13.17
Bundesrat
Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir ein
bisschen Leid – das ist aber keine Missachtung des Herrn
Staatssekretärs –, dass der Herr Bundeskanzler
fort musste. Er hat diese Regierungserklärung mit einem Zitat aus den
„Salzburger Nachrichten“ eröffnet, und ich habe kurz in meinen Koffer geschaut
und habe darin auch einige interessante Beiträge aus den „Salzburger
Nachrichten“ gefunden.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 60 |
Die Ankündigung
der Steuerreform bezeichnen die „Salzburger Nachrichten“ als den zweitbesten
Werbespruch aller Zeiten. Der beste war das Nulldefizit, und das ist der
zweitbeste Spruch. – Gekommen ist das Nulldefizit nicht, und kommen wird
die Steuerreform vermutlich auch nicht. Und wenn ich in den „Salzburger
Nachrichten“ weiterblättere, dann finde ich die Schlagzeile: „Die Zukunft der
Unis findet nur auf dem Papier statt.“
Eine ganze Seite
ist dem Innenministerium gewidmet – mit Bild. Man schreibt: „Aus besseren
Zeiten – keiner traut sich mehr etwas zu sagen.“ – Das heißt, wir
sind im Innenministerium mit der Umfärbung – nicht auf rot-weiß-rot,
sondern auf schwarz – bereits so weit, dass sich niemand mehr etwas zu
sagen getraut.
Eine weitere
Überschrift lautet: „Wenig Freude über längere Einkaufszeiten.“ – Ich weiß
aus dem persönlichen Bereich, dass viele Geschäftsleute in Salzburg abends
schon wieder zusperren, weil die Menschen in diesem Land nicht mehr Geld zum
Ausgeben haben. Das hat sich anscheinend noch niemand angesehen, aber es ist
tatsächlich so.
Die Leute haben
nur eine bestimmte Menge Geld zur Verfügung. Dafür, dieses Geld auszugeben,
sind die bisherigen Öffnungszeiten ausreichend. An höhere Umsätze auf Grund
längerer Öffnungszeiten zu glauben, ist eine falsche Rechnung. Gesteigert
werden nur die Betriebskosten, gesteigert werden nur die Lohnkosten, aber die
Umsätze werden in der Regel nicht gesteigert.
Das ist eine
falsche Rechnung, und ich verstehe nicht, warum die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten
das große Ziel dieser Regierung ist. Wir alle wissen, dass davon nur die großen
Konzerne profitieren, die ihren Mitarbeitern dann Teilzeitarbeit anbieten
können, dass aber gerade die Geschäfte, die wir vor Ort brauchen würden, leider
gar nichts davon haben, sondern dass diese eher zusperren müssen. Ich denke,
dass das ein wesentlicher Beitrag zur Ausdünnung der Nahversorgung auf dem
Land ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Eine weitere
Überschrift aus den „Salzburger Nachrichten“ lautet: „Salzburg misstraut neuer
Regierung.“ – Die „Salzburger Nachrichten“ sind sicher kein Lokalorgan der
Sozialdemokratischen Partei, sondern eine Zeitung, die einen
christlich-sozialen Hintergrund hat. Aber ich habe mir erlaubt, weil der Herr Bundeskanzler das für ihn so angenehme
Beispiel Deutschland hier vorgetragen hat, einmal ein bisschen in den Ausgaben
der letzten Wochen der „Salzburger Nachrichten“ zu blättern und einiges
auszugraben.
Ein weiteres
Beispiel ist mir dabei aufgefallen, weil heute über die Forschung gesprochen
wurde: Vergebene Chance für Forschung. Forschungsrat ist enttäuscht über
Koalitionsprogramm. Kompetenzwirrwarr und Geldnot bleiben. – Also, was da
besser werden soll, weiß ich nicht, meine Damen und Herren, aber vielleicht
wird es uns noch jemand sagen.
Dem Herrn
Bundeskanzler wollte ich auch eines sagen: Der Vergleich mit Deutschland hat
mich sehr gestört. – Herr Kollege Bieringer! Du hast das heute schon
angesprochen: Im Wahlkampf ist einiges erlaubt, aber nach der Wahl sind wir
wieder die Braven, da darf man nichts mehr sagen, wir lassen alles beim Alten,
und es passt.
Meine Damen und
Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber mich hat die Inseratenkampagne
in den Wochenzeitschriften gestört, in der man aus österreichischer Sicht, aus
der Sicht der ÖVP, den deutschen Bundeskanzler recht protzig mit einer Zigarre
im Mund dargestellt hat, und man hat damit vor Rot-Grün gewarnt.
Gleichzeitig hat
man in Österreich aber selbst mit den Grünen verhandelt, also in diesem Moment
hatte Grün seinen Schrecken offenbar verloren. – Das ist auch ein
eigenartiger Umgang mit der „Farbe Grün“, so sage ich jetzt einmal.
Was mich aber viel
mehr gestört hat, meine Damen und Herren, das war, dass sich niemand ernsthaft
damit auseinander gesetzt hat. Ich bin kein Pflichtverteidiger für Deutschland,
aber die Zusammenführung der beiden deutschen Staaten zu diesen Bedingungen hätte kein Land in Europa geschafft!
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 61 |
Wenn wir in
Österreich zu unseren acht Millionen Einwohnern zwei Millionen dazu bekommen
hätten, die wirtschaftlich darnieder gelegen wären, und wenn wir sie in unser
Sozialsystem integrieren hätten müssen, dann, so muss man zugeben, hätten wir
damit enorme Schwierigkeiten
gehabt, wahrscheinlich größere Schwierigkeiten als Deutschland. In Deutschland
wird das versucht, das muss man auch einmal offen sagen. (Beifall bei der
SPÖ.)
Kein Land in
Europa hätte das geschafft, außer Deutschland, 20 Millionen Menschen zu
übernehmen, die aus einem Staat kommen, der wirtschaftlich ruiniert ist, der
sozialpolitisch ruiniert ist, und diese 20 Millionen Bürger in das
westdeutsche System zu integrieren. Das muss man in diesem Zusammenhang auch
einmal sagen, wenn man über die Grenzen schaut und die österreichische Seele
sozusagen ein bisschen streichelt, so nach dem Motto: Immer waren wir hinter
Deutschland, und jetzt geht es uns scheinbar etwas besser.
Meine Damen und
Herren! Zum Herrn Vizekanzler möchte ich nur sagen, wir werden uns in der SPÖ
überlegen, ob es irgendwo einen Preis gibt für schön und lang Reden. Sollten
wir einen solchen Preis irgendwo finden, dann werden wir ihn gerne
übergeben – und das natürlich „in aller Klarheit“. Da der Herr Vizekanzler
so gern den Ausdruck „in aller Klarheit“ verwendet und hier von diesem Platz
aus betont hat, der Zugang zur Gesundheit sei unter seiner Führung wesentlich
besser geworden, möchte ich dem Herrn Vizekanzler nur ein paar Sachen in Erinnerung
rufen.
Wie gesagt, es ist
schade, dass er nicht da ist. Die Ambulanzgebühr sollte jetzt abgeschafft
werden, aber jetzt wird sie doch wieder nicht abgeschafft. Mittlerweile ist man
draufgekommen, dass man 270 oder 280 Leute eingestellt hat, die sich mit
dieser Ambulanzgebühr herumschlagen. Und wenn man diese jetzt abschafft, stellt
sich die Frage: Was tut man mit diesen 280 Personen? – Diese muss
man weiter beschäftigen. Also lassen wir es noch ein bissel, okay.
Die Erhöhung des
Selbstbehaltes im Spital um 43 Prozent ist auch eine Leistung des Herrn
Vizekanzlers und der vergangenen Bundesregierung. Die Erhöhung der Rezeptgebühr
um 22 Prozent, Herr Kollege Saller, ist für die Pensionisten und die
Rentner sicher kein Spaß; ausgenommen für jene, die davon befreit sind.
Oder: die Kürzung
des Krankengeldes für Schwerstkranke von 78 auf 52 Wochen; die Streichung
der Zuschüsse für Heilbehelfe und Hilfsmittel; ein 20-prozentiger Selbstbehalt
für Leistungen bei klinisch-psychologischer Diagnostik. – Wenn das der „freie Zugang“ zur
Gesundheitspolitik ist, dann muss ich sagen, ich kann mir etwas Besseres
vorstellen. Das deckt sich sicher nicht mit meinen Überlegungen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Der Herr
Vizekanzler ist nicht da, dabei wollte ich ihn noch etwas fragen: Es hat das
Gerücht gegeben, der Herr Vizekanzler hätte gerne auf alle Kompetenzen
verzichtet – einige hat man ihm ja weggenommen –, weil er beide Hände
frei haben wollte, um die FPÖ zusammenzuhalten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) –
Aber etwas wird er doch tun müssen, nur Vizekanzler spielen, das wird zu wenig
sein.
Herrn Kollegen
Gudenus – er ist jetzt leider auch nicht hier – gebe ich völlig
Recht. Die FPÖ ist nicht der
vierte Bund der ÖVP, sondern mittlerweile zu einem „Beiwagerl“ verkommen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Faktum ist, dass dieses Regierungsexperiment Schüssel I von den
Österreicherinnen und Österreichern als gescheitert betrachtet wird. Was davon
übrig blieb – ich habe es schon betont –, ist ein wirtschaftlicher
und sozialer Scherbenhaufen; das wurde heute auch schon erwähnt. Auch wenn der
Herr Vizekanzler vorhin versucht hat, es zu beschönigen, Faktum ist: Es gibt
eine Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land, und es gibt die höchsten Steuern in
der Geschichte der Zweiten Republik.
Der Herr
Vizekanzler hat vorhin auch zum Thema Deutschland eine Wortspende abgegeben.
Aber man sollte eines nicht vergessen: In Deutschland beträgt die Steuerquote
41 Prozent, und in Österreich beträgt sie 46 Prozent. (Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 62 |
Meine Damen und
Herren! Diese Form des Regierens soll jetzt, obwohl eine große Mehrheit der
Österreicherinnen und Österreicher der FPÖ die Regierungsfähigkeit bei den
Nationalratswahlen aberkannt hat, unter anderen Kräfteverhältnissen
weitergeführt werden.
Es stimmt schon,
Herr Bundeskanzler Schüssel ist der große Sieger dieser Wahl, aber er ist als
Verantwortlicher der Bundesregierung Schüssel I auch ein Verlierer dieser Wahl. –
Immerhin hat die Opposition 5 Prozent dazu gewonnen, haben die
Regierungsparteien diese 5 Prozent letzten Endes verloren und auch
gemeinsame Mandate verloren.
Ja, man kann
Sieger und gleichzeitig Verlierer sein. Wie immer man das sieht, ein Erfolg für
die vergangene Regierung war das sicher nicht, und diese Regierung wird jetzt
halt unter anderen Kräfteverhältnissen weitergeführt.
Wenn man immer von
Reformen hört, dann bekomme ich den Eindruck, dass das Wort „Reform“
eigentlich nur die Überschrift ist. Darunter steht in erster Linie Sparen.
Aber, meine Damen und Herren, ich vermisse, dass die Regierung bei sich selbst
spart. Die Österreicher haben die höchste Steuerquote, wir haben, wie schon
erwähnt, eine sehr hohe Arbeitslosenzahl, aber jetzt haben wir eine
vergrößerte Regierung. Wenn ich nicht irre, kostet diese um zwei
Staatssekretäre vergrößerte Regierung im Jahr um – in Schilling
gerechnet – 4 Millionen Schilling mehr. Wenn man schon spart, dann
frage ich mich, ob es wirklich notwendig ist, zwei Staatssekretäre mehr zu
haben. (Beifall bei der SPÖ. – Staatssekretärin Haubner: So kostbar sind wir! Wahnsinn!)
Meine Damen und
Herren von der Regierungskoalition! Sie haben in der Vergangenheit den
Österreicherinnen und Österreichern 31 Steuererhöhungen – Herr
Kollege, 31! – zugemutet. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wenn
Sie mich lange ärgern, dann lese ich sie Ihnen einzeln vor! – Damit müssen
Sie leben, und so wird es auch in Zukunft weitergehen.
An der
versprochenen Steuerreform ist letzten Endes die Regierung Schüssel I auch
gescheitert. Aber für uns hoch interessant ist der Herr Finanzminister, der ja
nirgends Wurzeln schlägt, sondern eher „darüber steht“. Er ist laut Kärntner
Meldungen aber ein Genie, so wie die „Salzburger Nachrichten“ auch schreiben;
ich erinnere an den „zweitbesten Werbespruch seit dem Nulldefizit“!
Er hat sich sehr
großspurig – ich habe das zufällig im „Mittagsjournal“ gehört – über
die „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ ausgelassen. – Als ihn dann
die Journalistin gefragt hat: Wie schaut es mit Garantien aus?, oder, sollte es
nicht gelingen: Ziehen Sie die Konsequenzen? –, da hat er sich ganz
vornehm zurückgezogen. In Salzburg würden wir etwas anderes sagen, nämlich: Er
hat den ... eingezogen. – Ich wiederhole: Er hat sich vornehm zurückgezogen.
Meine Damen und
Herren! Für mich heißt das im Klartext ungefähr so: Der größten Steuerreform
der Zweiten Republik, angekündigt vom besten Selbstvermarkter der Republik,
droht dasselbe Schicksal wie der Steuerreform in der gescheiterten Regierung
Schüssel I.
Dass Sie selbst
nie daran gedacht haben zu sparen, wird daran sichtbar, dass 200 Millionen
Schilling – oder 14,53 Millionen € –, Herr Vizekanzler,
ausgegeben wurden, nur um Manager, die farblich nicht passen, nach Hause zu
schicken. Das ist eine schöne Stange Geld, und ich denke, wenn man auf der
anderen Seite von den Österreichern verlangt, zu sparen und zurückzuschalten,
dann ist es eine Zumutung, gleichzeitig 200 Millionen Schilling
auszugeben! (Beifall bei der SPÖ.)
Ein weiterer Beweis Ihrer, meiner Meinung nach, schlechten Spargesinnung in den letzten drei Jahren sind die 45 Millionen € – oder 619 Millionen Schilling –, die für externe Berater ausgegeben wurden. Ich frage mich, wozu es bei uns in Österreich Ministerien gibt, wozu es bei uns Beamte, hoch qualifizierte Beamte gibt (Bundesrat Sulzberger: Das ist so wie bei der Post!), wenn man für alles (Ruf bei der ÖVP: Wie beim Gusenbauer!) erstens zusätzliche externe Berater braucht (Ruf bei der ÖVP: Der Gusenbauer hat auch Berater gehabt!) und diese zweitens
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 63 |
nicht nur im Inland sucht (Ruf bei der ÖVP: Einen amerikanischen
Berater hat er gehabt!), sondern auch im Ausland. (Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)
Herr Kollege!
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Einzelauftrag des „Sparmeisters
der Nation“ – das ist, wie Sie alle wissen, der Herr Finanzminister, der
immer bei den anderen spart und den Gürtel enger schnallt, aber bei sich selbst
nicht – in der Höhe von 59 Millionen Schilling! Das müssen Sie sich,
bitte, einmal auf der Zunge zergehen lassen! Der Herr Finanzminister, der uns
von früh bis spät predigt, dass überall gespart werden muss, dass überall der
Gürtel enger geschnallt werden muss, gibt in einem Einzelauftrag für eine
Beraterfirma 59 Millionen Schilling aus! (Bundesrat Gasteiger: Wahnsinn! Wahnsinn!) Lassen Sie sich
das einmal auf der Zunge zergehen, und erklären Sie das einmal den Mindestrentnern
und den Pensionisten! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Sulzberger:
So wie bei der Post!)
Meine Damen und
Herren! Aber nicht nur der Herr Finanzminister, sondern alle Ministerien
zusammen haben in der Zeit vom 4. Februar 2000 bis zu den Wahlen
287 Millionen Schilling an Werbungskosten für Inserate ausgegeben. Herr
Vizekanzler! Wenn ich Sie so anschaue, dann muss ich sagen: In den letzten drei
Wochen vor der Nationalratswahl habe ich das Gefühl gehabt, das
Sozialministerium führt einen Wahlkampf für die Nationalratswahl – und
nicht die FPÖ. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der SPÖ
und Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Staatssekretär Mag. Schweitzer:
So viel hat Klima allein gehabt!)
Wenn den Menschen
in einer Werbekampagne – damit sie es endlich begreifen – von einer
Zukunft ohne Schulden erzählt wird, aber die Schulden nicht weniger werden,
dann weiß ich nicht, wie man das deuten soll. (Ruf bei der ÖVP: Es ist ja weniger geworden!) Ich finde, man kann
den Leuten in Österreich viel einreden, aber so dumm sind sie nicht, dass sie
nicht kapieren, dass sich diesbezüglich nichts geändert hat.
Meine Damen und
Herren! Jetzt komme ich noch einmal auf unseren Herrn Finanzminister zu
sprechen: Das, was meiner Meinung nach der Gipfel der Verschwendungspolitik des
Herrn Finanzministers war, war ein Inserat in der „Financial Times“ vom
30. November 2001 mit einem Foto des Ministers – geschmückte
Persönlichkeitswerbung, die dem Steuerzahler in Österreich 812 000 S,
oder 59 000 €, gekostet hat! – Da muss ich in Bezug auf diesen
Finanzminister, der immer zum Sparen und zum Umdenken aufruft, schon sagen:
Ein „toller Bursche“! – Er sieht ja auch gut aus, er ist der Liebling
aller (Ruf bei der ÖVP: Schwiegermütter!)
Frauen, die Töchter zum Verheiraten haben (Bundesrat
Sulzberger: Auch der sozialistischen!); aber auch das muss einmal
gesagt werden.
Meine Damen und
Herren! Besonders betroffen macht mich als langjährigen Kommunalpolitiker –
das bin ich nunmehr immerhin seit 24 Jahren – allerdings, dass in
dieser Regierungserklärung und auch im Regierungsprogramm den Gemeinden
Österreichs nicht der Stellenwert zukommt, den sie sich eigentlich verdient
haben. Gerade für den ländlichen Raum waren die letzten zwei Jahre dieser
Regierung besonders schlimm, denn mit einer noch nie da gewesenen
Schließungswelle wurden viele ländliche Regionen ausgedünnt – man kann
auch sagen: kaputt gespart. 648 Postämter wurden zugesperrt, Herr Kollege (Bundesrat Sulzberger: Ja, weiß
ich ...!), 70 Bezirksgerichte geschlossen,
119 Gendarmerieposten zugesperrt, und 1 700 Planstellen sind im
Innenministerium verschwunden.
Mit dieser Politik
der letzten Jahre und mit Ihrer zukünftigen Politik nehmen Sie, meine Damen und
Herren von den Regierungsfraktionen, dem ländlichen Raum jede Zukunftschance. (Zwischenruf des Bundesrates
Ing. Franz Gruber.) Kein Wort steht in der Regierungserklärung
über die Absicherung der Gemeindeautonomie oder gar über eine Stärkung der
finanziellen Situation der Gemeinden. – Herr Bürgermeister Bieringer hat
da keine Probleme, er hat eine Gemeinde im Speckgürtel rund um Salzburg, aber
anderen Gemeinden geht es nicht so gut. (Bundesrat
Ing. Franz Gruber: „Speckgürtel“? – Ironische Heiterkeit bei
Bundesräten der ÖVP.)
In den vergangenen Jahren – das muss man sich auch auf der Zunge zergehen lassen – sind 500 Millionen € von den Gemeinden zum Bund gewandert. Diese schleichende Aushöhlung der
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 64 |
Gemeindefinanzen durch den Herrn Finanzminister
muss gestoppt werden! 500 Millionen – (in Richtung des Bundesrates Sulzberger) ich zeige es dir dann!
Die Gemeinden sind
der größte Arbeitgeber und auch der größte Investor. Wenn man ihnen das Geld
wegnimmt, stehen viele Klein- und Mittelbetriebe vor großen Problemen. Darauf
brauche ich nicht erst hinzuweisen, denn in jeder Gemeinde weiß man, dass die
Klein- und Mittelbetriebe in erster Linie von Aufträgen aus den Gemeinden
leben, und wenn diese nicht kommen, dann sieht es eben leider schlecht aus.
Ich möchte hier
aber auch erwähnen, dass ich es sehr bedauere, dass das Tourismus-Staatssekretariat
der Familienzusammenführung und der Überwachungsstrategie geopfert wurde. Man
hat statt dessen jetzt Familienzusammenführung (der Redner blickt in die Richtung von Staatssekretärin Haubner) betrieben
und einiges andere mehr. Mir wäre ein Tourismus-Staatssekretariat lieber
gewesen. Als Bürgermeister eines Ortes mit 1,1 Millionen Nächtigungen,
dessen Betriebe in einem harten Konkurrenzkampf mit anderen Urlaubsregionen
stehen, muss ich sagen: In unserem Ort würde man die Unterstützung eines
Tourismus-Staatssekretärs beziehungsweise -Staatssekretariats dringend
benötigen. Ich kann es nur so sagen, wie es ist: Wir haben damit sehr gute
Erfahrungen gemacht. Ich bedauere es außerordentlich, dass es dieses
Staatssekretariat jetzt nicht mehr gibt.
Im
Regierungsprogramm wird zwar eine Stärkung der Länderrechte vorgeschlagen; die
Gemeinden, die vor Ort für das Wohl der Bürger verantwortlich sind, wurden
hingegen nicht einmal erwähnt.
Mir fehlt in
dieser Regierungserklärung ein Bekenntnis zur Nachfolgeregelung für die
Getränkesteuer. Sollte der Europäische Gerichtshof Ende März die Gemeinden zur
Rückzahlung verurteilen, droht eine Belastung in der Höhe von
1,2 Milliarden €. Diese Summe entspricht dem Doppelten der jährlichen
Investitionsmittel der Gemeinden. Und wenn ich diverse Andeutungen richtig
verstanden habe, dann möchte man den Gemeinden auch noch die Werbesteuer wegnehmen.
Gleichzeitig darf ich hier bemerken, dass der Ersatz der Getränkesteuer bei
weitem nicht das bringt, was uns ursprünglich mitgeteilt wurde. (Bundesrätin Haunschmid: Selber
verantwortlich! Selber verantwortlich!)
Ich nehme mit
großem Bedauern zur Kenntnis, dass diese schwarz-blaue Bundesregierung für die
Gemeinden und Städte genauso wenig übrig hat wie ihre Vorgängerin, die
blau-schwarze Regierung. So wie Sie die Verantwortung bei den
Ladenöffnungszeiten an die Landeshauptleute abschieben, die Abfangjäger die
nächste Generation zahlen lassen wollen, die Verantwortung für die
Altenfürsorge jedem einzelnen Bürger übertragen wollen, so lassen Sie auch die
Gemeinden, die einen erheblichen Anteil am Staatswohl mittragen, im Regen
stehen. Das muss ich leider feststellen, und das bedauere ich sehr.
Ich darf, Herr
Staatssekretär, nachdem jeder Bundesrat aus Salzburg ein Exemplar davon erhalten
hat (der Redner hält eine Broschüre in
die Höhe) – auch meine Kollegen von der ÖVP, wie ich annehme –,
hiemit auch Ihnen ein solches überreichen. Es sind sehr viele wichtige Dinge
darin enthalten. Es sind Wünsche der Salzburger Landesregierung darin
enthalten, aber auch sehr viele andere Punkte, von denen meiner Meinung nach
die Unterpunkte 7 und 8 von Punkt 10, nämlich „GATS“ und „Die Rolle
der Gemeinden in einer zukünftigen europäischen Verfassung“, von besonderem
Interesse sind. Ich darf Ihnen dieses Exemplar stellvertretend überreichen mit
der Bitte, die Gemeinden diesbezüglich zu unterstützen. Es ist dies nicht nur
mein persönlicher Wunsch, es ist auch der Wunsch des Landes Salzburg. –
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 65 |
13.39
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Da Herr Kollege Gruber für die
Länder und die Gemeinden gleichzeitig gesprochen hat, mag eine gewisse
Nachsicht angesichts dessen, dass er seine Redezeit verdoppelt hat, angebracht
sein.
Nächster Redner ist
Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. – Bitte.
13.39
Bundesrat
Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger
(Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Vizekanzler! Sehr
geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren des
Hohen Hauses! Ich habe es erwartet, dass von der Opposition heute in dieser
Sitzung des Bundesrates furchtbare Kritik an den Vorhaben der neuen
Bundesregierung geübt werden wird. Aber es wundert mich trotzdem, denn, meine
Damen und Herren von der Opposition, Sie hätten es ja in der Hand gehabt, in
diese Regierung einzutreten! (Rufe bei
der SPÖ: Nein, danke! Nein, danke!) Warum haben Sie es nicht getan?
Sie haben es nicht
getan (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll –
in Richtung SPÖ –: Sie wollten nicht! – Bundesrat Boden: Nicht
andere verantwortlich machen!), weil Sie Angst davor hatten, mit den
Problemen fertig werden zu müssen! (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Widerspruch und
ironische Oh!-Rufe bei der SPÖ.)
Diese Probleme,
meine Damen und Herren des Hohen Hauses, sind nicht erst in der Zeit zwischen
den Regierungen Schüssel I und Schüssel II entstanden, sie sind auch
nicht während der Amtszeit der Regierung Schüssel I entstanden, sondern
diese Probleme haben wir von einer sozialdemokratischen Regierung geerbt! (Ruf bei der SPÖ in Richtung ÖVP: Wo wart
denn da ihr?) Das sind die 2 Billionen Schilling Schulden, meine Damen
und Herren – ich habe es hier schon zweimal gesagt; Herr Kollege Thumpser
lächelt. (Bundesrat Gasteiger: Ein
alter Hut!)
2 Billionen
Schilling Schulden – das ist eine Zahl mit 12 Nullen hinten dran!
Damit, meine Damen und Herren, kommen Sie nicht zu Rande! (Bundesrat Thumpser: Ich glaube, du hast die falsche Zeit
erwischt! 14 Tage zu spät! Der Villacher Fasching ist schon vorbei!) Und
wenn jetzt eine verantwortungsvolle Bundesregierung hier ein Programm vorlegt,
um diese Schulden zu reduzieren, die Schulden nicht weiter wachsen zu lassen,
dann sind Sie dagegen. (Bundesrat Gasteiger:
Nicht gescheit sein hier herinnen, was wir alles falsch gemacht haben!)
Ob Sie es falsch
gemacht haben oder nicht, darauf soll hier gar nicht eingegangen werden (Bundesrat Gasteiger: Nicht Wasser
predigen und Wein trinken!) – ich messe Sie am Ergebnis! Und das
Ergebnis, das Sie der Regierung Schüssel I hinterlassen haben, waren mehr
als 2 Billionen Schilling Schulden. Mit diesem Problem war die Regierung
Schüssel I und ist die Regierung Schüssel II belastet, und es
werden, wie ich fast befürchte, auch die nächsten Regierungen noch damit
belastet sein und damit nicht zu Rande kommen können.
Sie haben es in
der Hand gehabt! Der Bundeskanzler hat es sich sicher nicht leicht gemacht,
einen Partner zu finden. (Bundesrat Kraml:
Das glaube ich! Da hat er lange überlegen müssen!) Es hat lange
gedauert – für viele hat es zu lange gedauert –, bis er sich
entschieden hat. (Bundesrat Kraml:
Bei euch hat er lange überlegen müssen!) Er hat sich für die Freiheitliche
Partei entschieden (Rufe bei der SPÖ: Ja,
ja! – Bundesrat Gasteiger: Er hat sich für die Freiheitliche Partei
entschieden!), weil die Politik der vergangenen Legislaturperiode in den
wesentlichen Grundzügen fortgesetzt werden muss – und das ist nur mit der
FPÖ möglich. (Weiterer Zwischenruf des
Bundesrates Gasteiger.)
Die Freiheitliche
Partei ist somit die erste Wahl für das nun hier vorliegende Regierungsprogramm.
Alle anderen Parteien wären bloß zweite oder dritte Wahl gewesen (Bundesrat Gasteiger: Ha, ha, ha!),
da diese nicht bereit waren, wirklich ein Reformprogramm für unser Österreich
mitzutragen. (Bundesrat Kraml: Ihr
habt ja ein stolzes Wahlergebnis!) – Sie von der SPÖ hätten auch gerne
mit den Grünen verhandelt, nur ist es sich mathematisch nicht ausgegangen. Aber
die mathematische Schwäche Ihrer Fraktion – besonders Ihrer
Finanzminister – ist ja hinlänglich bekannt! (Bundesrat Kraml: Stolzes Ergebnis!)
Auf das
Regierungsprogramm möchte ich nicht im Detail eingehen, das haben schon so
viele Redner vor mir getan. Ich meine auch, dass es in vielen Punkten
vielleicht hätte anders formuliert werden können; es ist aber, meine Damen und
Herren des Hohen Hauses, ein Kompromiss zwischen zwei Partnern, zwei Partnern,
die bereit sind, gemeinsame Verantwortung zu tragen. Gerade deswegen ist dieses
Programm nicht allein ein blau-schwarzes Regierungsprogramm, sondern ein
Programm für Österreich!
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 66 |
Viele Punkte waren
auch in den Vorverhandlungen, in den Sondierungsgesprächen der ÖVP mit den
anderen Parteien schon paktiert und finden sich nun auch im vorliegenden Pakt
wieder. Es wurde sogar heute reklamiert, dass der Wortlaut der Grünen wieder
aufgetaucht sei.
Das heißt, so
fremd kann auch Ihnen das, was heute vorgelegt worden ist, nicht sein! Da Sie
schon die wesentlichen Punkte mit der Österreichischen Volkspartei paktiert
hatten und diese Punkte auch jetzt in dem hier vorliegenden Regierungsprogramm
wieder finden, hoffe ich doch, dass die Beschlüsse, die in diesem Pakt
festgehalten wurden, auch von Ihnen, den Oppositionsparteien, mitgetragen
werden.
Ich erinnere mich
oft an die letzte Legislaturperiode, in der es immer geheißen hat: Ja, wir sind
bereit, und wir sind d’accord!, aber dann gab es immer irgendwo noch ein
Prozent, mit dem Sie nicht einverstanden waren. – Natürlich wird auch ein
Beschluss, an dem die Opposition teilnimmt, kein Beschluss sein, den alle zu
100 Prozent mittragen können. Aber es ist doch das Wesen der Demokratie,
dass man in solchen Fällen einen Kompromiss findet und Beschlüsse, die
weitgehend den eigenen Vorstellungen entsprechen, auch mittragen kann!
Ein Programm, so
wie auch dieses, ist immer eine positive Vorstellung der Zukunft. Ein gutes
Programm vermeidet rosarote Euphorien – „rosarot“ meine ich aber jetzt
nicht parteipolitisch –, und es soll auch auf dem Boden kalkulierbarer
Tatsachen verbleiben.
Das, was aus
heutiger Sicht in der nächsten Zukunft auf Österreich zukommen wird, hat im
Regierungsprogramm seinen Niederschlag gefunden. Das war in der heutigen Rede
des Herrn Bundeskanzlers eher an seinem Tonfall als an den doch eher kurz
gehaltenen inhaltlichen Ausführungen zu erkennen, aber der Ernst der
österreichischen Lage war unüberhörbar.
Er ergibt sich auf
der einen Seite aus dem vor uns liegenden riesigen Schuldenberg, den ich gerade
beziffert habe, mit allen seinen Konsequenzen, wie Verwaltungsreform, Steuerreform,
Pensionsreform, Krankenkassensanierung und so weiter. Diese Reformen, die den
Betroffenen immer wehtun – ich weiß das –, sind aber notwendig, denn
wir können nicht gleichzeitig alles beim Alten lassen und alles ändern. Das ist
eine Quadratur des Kreises, die nicht möglich ist, oder naturwissenschaftlich
ausgedrückt: Es wäre ein Perpetuum mobile, das Sie hier verlangen.
Auf der anderen
Seite ergibt sich der Ernst der Lage Österreichs aus der unmittelbar vor uns
stehenden EU-Osterweiterung. Dieses Projekt wird nicht nur eine europäische
Bewährungsprobe sein, sondern in erster Linie eine Bewährungsprobe für den
Nettozahler Österreich.
Ob es gelingen
wird, für viele österreichische Probleme europäische Lösungskonzepte zu finden,
wird nicht nur von unserer Bereitschaft abhängen, dieses Europa zu wollen,
sondern vielmehr von unseren derzeitigen europäischen Partnern, vor allem aber
von unseren zukünftigen europäischen Partnern, nämlich davon, ob sie auch
wirklich bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen.
Oder sind es
andere Vorstellungen, um nicht zu sagen finanzielle Erwartungen, die die neu
aufzunehmenden Mitglieder von diesem Europa haben? – Die Töne einiger
Beitrittsländer zur amerikanischen Militärmusik bei der Vorbereitung eines
Irak-Krieges lassen andere Einsichten in ein europäisches Konzept vermuten, als
viele Europäer erwarten. Verwechselt man nicht hier EU-Bereitschaft mit
Globalisierung? Und Globalisierung ist nicht
die europäische Sehnsucht, nicht die Sehnsucht nach Frieden und nationaler
Entfaltung der EU-Mitgliedsländer!
Meine Damen und
Herren! Weltherrschaftspläne im Mantel wirtschaftlicher Überlegungen hat
es – um jetzt in US-Diktion zu reden – im alten Europa genug gegeben.
Die Lehre, die daraus gezogen wurde, soll sich im Konzept der Europäischen
Union wieder finden. Ein Welt-Sheriff, der mit Schuss- und Treffsicherheit das
Böse bekämpft, ist im Western-Movie schon bis zur Penetranz ausgewalzt worden.
Aber auch in diesem war das Böse nicht immer eindeutig. Nach dem Spaß an der Massenkeilerei
hat man nur äußerst selten oder nie die Tränen der Nichtbeteiligten gezeigt.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 67 |
Huntingtons „Kampf
der Kulturen“ habe ich vor Jahren als treffliche Analyse auch des Orients
gelesen. Dass es aber ein Konzept US-amerikanischer imperialer Politik war,
hielt ich damals nicht für möglich.
Saddam Hussein
oder Frieden? – Das ist nicht die Frage, sondern: Öl oder Frieden? – Das ist die Frage! – Die
irakische Bevölkerung wird das Grauen der von Atombomben getroffenen Städte
Hiroshima und Nagasaki kennen lernen – mit 270 000 Toten sind
diese Atombombenabwürfe quittiert worden – oder den Feuersturm über
Dresden mit über 130 000 Toten. Dieser Feuersturm trifft uns
emotionell natürlich unmittelbarer, weil auch sehr viele Österreicher unter den
Opfern waren.
Es wird dieser
Krieg, so fürchte ich, kommen. Eine Viertelmillion Soldaten, so hörte ich
heute, wenn ich mich recht erinnere, in den Nachrichten, sind bereits vor Ort.
Die wird man nicht einfach wieder nach Hause schicken. Wenn eine Europäische
Gemeinschaft, also die EU, versucht, diesen Wahnsinn zu verhindern, dann hat
sie auch für ihre eigene Stabilisierung viel erreicht.
Wir wollen nach
der Liquidation der Kolonialreiche keine Neokolonisation durch die wirtschaftliche
Abhängigkeit von einer einzigen Supermacht. Wenn die USA in ein „altes“ und ein
„neues“ Europa einteilt, dann soll das vielleicht heißen: schon bereit und noch
nicht bereit für diesen Endkampf für das Gute. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)
Das sei zum Weg
nach Europa gesagt, den zu gehen wir gerne bereit sind, wenn es ein Weg der
Vaterländer sein wird. Da bin ich gerne ein „alter Europäer“, will es sein und
auch bleiben, und ich begrüße deshalb auch den Entschließungsantrag betreffend
die Irak-Krise, wenngleich ich wie mein Vorredner Gudenus meine, dass statt
„USA“ die Vereinten Nationen gemeint sind, ist doch in der Regierungserklärung,
die uns heute ausgehändigt worden ist, schon auf Seite 4 rechts unten zu
lesen:
„Österreich ist
immer für den Frieden, für die Abrüstung des Irak, für den Vorrang der
Vereinten Nationen eingetreten.“
Ich glaube, das
war gemeint, und das meinen wir auch.
Unser Staat, unser
Österreich ist ein äußerst fein abgestimmter Mechanismus, von dem viele
Kompetenzen in Zukunft an Brüssel abgegeben werden müssen. Das
Regierungsprogramm, das uns heute vorgelegt wurde, ist eine
Bedienungsanleitung, die unter den gegebenen Verhältnissen einzuhalten sein
wird. Vergessen wir aber nie die Reibungsverluste, die jeden Mechanismus in
seinem Wirkungsgrad herabsetzen.
Es sollte aber,
meine Damen und Herren, nicht die Aufgabe der Opposition allein sein, diesen
Reibungswiderstand zu bewirken. Sicher wird das eine oder andere exakter
formuliert werden müssen, abgeändert werden müssen, neuen Verhältnissen
abgepasst werden müssen, oder wie der Herr Bundeskanzler bezüglich des Beginns
der Steuerreform am 1. Jänner 2004 gesagt hat: Wir müssen uns das erst
erarbeiten!
Wie recht, meine
Damen und Herren des Hohen Hauses: Wir müssen uns alles erst erarbeiten, denn
ein Füllhorn steht uns nicht zur Verfügung. Viele Entscheidungen verlangen
nicht nur unsere Arbeit, sondern vor allem unseren unbeugsamen Willen, zum
Wohle Österreichs zu entscheiden. – Das sei auch an die Adresse der
Opposition gerichtet.
Das ist nicht nur
ein Problem von morgen, sondern das sind die Probleme der Zukunft, die uns hier
im Hohen Haus alle gemeinsam verpflichten sollten. Nicht die Chancen einer
Partei bei der nächsten Wahl sind das Entscheidende einer Regierungsarbeit,
sondern die Chancen der österreichischen Bevölkerung, mit Anstand in Freiheit
im nun größer werdenden Vaterland leben zu können! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
13.54
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 68 |
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist der Herr
Bundesminister für Landesverteidigung. – Bitte, Herr Bundesminister.
13.54
Bundesminister
für Landesverteidigung Günther Platter:
Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Folgenden ganz kurz
auf die Verteidigungspolitik eingehen.
Ich möchte zuerst
sagen, dass das wichtigste Gut für die Bürger darin besteht, in Frieden, Freiheit
und Sicherheit leben zu können. Die Österreicherinnen und Österreicher haben
ein Recht auf Schutz und Sicherheit!
Die
Verteidigungspolitik nimmt hiebei eine zentrale Rolle ein. Gestatten Sie mir,
hier etwas zu sagen, was ich bereits anlässlich der Regierungserklärung im
Nationalrat zum Ausdruck gebracht habe: Schließen wir im Bereich der
Sicherheitspolitik, insbesondere auch im Bereich der Verteidigungspolitik einen
parteiübergreifenden Konsens! Nehmen wir davon Abstand, Leistungen für
Soziales und Leistungen für die Verteidigung gegeneinander aufzurechnen, denn
es geht dabei um wesentlich mehr. Es geht um ein unglaublich wertvolles Gut: Es
geht um die Sicherheit des Einzelnen, und es geht darüber hinaus um die
Sicherheit der Republik Österreich.
Geschätzte Damen
und Herren! Wenn man für die Verteidigungspolitik Verantwortung trägt, hat man
sich auf die sicherheitspolitischen Veränderungen einzustellen, und man hat vor
allem zu beurteilen: Wie entwickelt sich die Lage in Österreich, in Europa und
natürlich über die Grenzen unseres Kontinents hinaus, und welche Maßnahmen sind
erforderlich?
Die Situation hat
sich in den letzten Jahrzehnten, vor allem in den letzten eineinhalb Jahrzehnten
maßgeblich verändert, und es stellen sich daher eindeutige Fragen. Früher hat
man sich mit der Verteidigung Österreichs als einem Land, das zwischen den
Fronten lag, auseinander gesetzt. Heute stellen sich uns ganz andere Fragen,
nämlich: Was können wir heute und morgen im gemeinsamen Europa und darüber
hinaus tun, damit wir unseren solidarischen Beitrag in einer neuen
Friedensarchitektur leisten und damit unsere staatliche Gemeinschaft sichern?
Zum Zweiten: Wie
können sich Österreich und Europa vor neuen Bedrohungen schützen, Bedrohungen,
die uns am 11. September 2001 schmerzhaft vor Augen geführt
wurden? – Die Antwort darauf ist: Wir müssen Konflikte und Bedrohungen
bereits im Vorhinein vermeiden. Konfliktprävention erhält damit in allen
möglichen Facetten einen neuen Stellenwert. Unverzichtbare Instrumente sind
dafür die Kooperation und darüber hinaus die Solidarität.
Für die Umsetzung
dessen, geschätzte Damen und Herren, ist eine Weiterentwicklung der
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unerlässlich. Wir
unterstützen alle Bemühungen, die einer solidarischen Sicherheitserzeugung im
europäischen Raum dienen, bis hin – der Herr Bundeskanzler hat es
gesagt – zu einer Beistandsgarantie. Das bedeutet, dass neben den
territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen,
Katastrophenhilfe und Assistenzleistungen schwerpunktmäßig zu bewältigen sein
werden.
Dazu ein sehr
klares Wort: Wir brauchen Luftraumüberwachungsflugzeuge, denn es ist selbstverständlich
so, dass wir Schutz und Sicherheit am Boden brauchen, und diesen Schutz und
diese Sicherheit müssen wir in der Luft ebenfalls gewährleisten. Diesbezüglich
hat die Regierung in der letzten Legislaturperiode schon einen klaren Weg
vorgegeben, indem sie sich zu dieser Notwendigkeit bekannt hat. Die
Typenentscheidung wurde getroffen. Gerade in einer Zeit, in der wir unter
Umständen am Vorabend eines militärischen Konfliktes im Irak stehen, ist es
notwendig, dass auch in der Luft die bestmögliche Sicherheit gewährleistet
wird. Dafür zu sorgen, ist eine Notwendigkeit und darüber hinaus, so möchte ich
sagen, eine Verpflichtung, wenn man für die Sicherheit eine entsprechende
Verantwortung trägt.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 69 |
Letzter Punkt: Mir
ist es ein Anliegen – der Herr Bundeskanzler hat das ebenfalls bereits zum
Ausdruck gebracht –, dass wir im Bereich des Präsenzdienstes ein Angebot
machen, nämlich dass wir den jungen Leuten ein Angebot machen, sodass sie gerne
einige Monate ihres Lebens beim Bundesheer dienen. (Beifall bei der ÖVP
sowie des Bundesrates Sulzberger.)
Geschätzte Damen
und Herren! In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass wir im Bereich des
Präsenzdienstes auch Veränderungen einführen. Ich möchte, dass die Leute am Ende
eines Präsenzdienstes sagen: Es war eine sinnvolle Zeit, es war eine wertvolle
Zeit, als ich im Präsenzdienst war. (Beifall bei der ÖVP sowie des
Bundesrates Sulzberger.)
Geschätzte Damen
und Herren! Das war ein kurzer Ausschnitt aus der momentanen Situation, was die
Herausforderungen des Bundesheeres betrifft. Sie können davon aber deutlich
ablesen, dass das Bundesheer mit seinen Fähigkeiten, aber auch in seiner
Eigenständigkeit – das möchte ich in besonderem Maße betonen –
unverzichtbar ist.
Herr Bundesrat
Gudenus hat sich dafür ausgesprochen, dass es nur ein einziges Sicherheitsministerium
geben soll. Dazu muss ich ein klares Nein zum Ausdruck bringen. Es ist nicht
gut, wenn die Macht zusammengeführt wird! Das hat in verschiedenen Ländern zu
großen Problemen geführt. Daher werden wir diesen guten Weg, einerseits ein
starkes Innenministerium und andererseits ein starkes Verteidigungsministerium
zu haben, weiter gehen. (Beifall bei der ÖVP.)
Geschätzte Damen
und Herren! Zum Schluss kommend: Wie bereits erwähnt, ist es das höchste Gut,
in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben zu können. Ich ersuche Sie alle, im
Rahmen eines parteiübergreifenden Konsenses die notwendigen Bestrebungen zu
unterstützen. Ich garantiere Ihnen, dass das Bundesheer mit den Soldatinnen
und Soldaten seinen Beitrag dazu leisten wird, und das Bundesheer wird stets
bereit sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei
Bundesräten der Freiheitlichen.)
14.00
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Dr. Andreas Schnider. Ich erteile es ihm.
14.00
Bundesrat
Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter
Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung!
Meine lieben Damen und Herren! Wenn es um Politik geht, geht es um ganz
bestimmte Lebensräume, die es zu gestalten gilt – die es von uns
hier mitzugestalten gilt –, es geht um bestimmte Zeiten, in denen
diese Lebensräume immer wieder neu zu verändern sind. Der Mensch von heute
steht in einer veränderten Haltung zur Politik. Menschen von heute wollen in
erster Linie wissen – und das besonders von uns politischen
Verantwortungsträgern –, was auf sie zukommt, womit sie in Zukunft rechnen
können und auf welchem Lebensbogen sie ihre Lebenszukunft aufbauen dürfen.
Wenn wir heute im
Zusammenhang mit den Beziehungen in der Familie, in einer größeren Zusammenschau
von Kindern und Familienangehörigen, immer wieder auch von einem Familiensystem
sprechen, dann müssen wir aber auch in einer ähnlichen Weise von einem Staatssystem
sprechen lernen. Der Blickwinkel unseres Verantwortungsbewusstseins wird sich
dann gründlich verändern, denn es gilt dabei, nicht nur an sich und das Heute,
sondern im Besonderen an die eigenen Kinder und Kindeskinder und an das Morgen
zu denken. Das heißt, die Verantwortung, von der wir heute in der Politik
auch hier sprechen und die wir heute zu übernehmen haben, ist im Grunde
genommen gleichzeitig eine Verantwortung, die wir für das Morgen und Übermorgen
zu übernehmen haben.
Nicht in Vier-Jahres-Wahlzyklen
zu denken, sondern Zeit und Räume in Lebenszyklen zu betrachten, das ist eine
veränderte politische Kultur. Es gilt, nicht nur den bereits Lebenden Sicherheit
zu geben, sondern auch denen, die noch nicht leben, die aber gerne im Morgen,
das wir heute hier mitgestalten, leben möchten. So gilt es, dem Menschen von
heute deutlich zu machen – ja, zu erklären! –, womit er morgen
rechnen kann.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 70 |
Mache deine
Politik, die du im Heute durchsetzt, für das Morgen berechenbar! – Wenn
man das aber will, dann muss man, so glaube ich, ein verändertes Denken bewusst
machen, dann muss man die alten Rechenarten der Politik ein für alle Mal
verändern.
Was meine ich mit
„alten Rechenarten“? – Alte Rechenarten sind zum Beispiel, Dinge immer nur
zu addieren, zu subtrahieren oder zu multiplizieren. All das, was wir heute
wollen, was wir politisch beschließen, läuft doch vielfach darauf hinaus,
dass wir immer noch etwas dazuaddieren, etwas hinzufügen, die Ausgaben
verdoppeln und multiplizieren oder einfach etwas abschaffen und subtrahieren.
Das heißt, jede Leistung, jeden Dienst an der Gesellschaft, den wir von der
öffentlichen Hand erbringen wollen, müssen wir mit neuen Rechenarten
untersuchen oder näher anschauen.
Die neuen
politischen Rechenarten, wenn ich das so sagen darf, wären meiner Meinung nach
eher, Dinge oder Anliegen miteinander zu vergleichen oder das eine oder andere
zu verknüpfen oder die eine oder andere Ressource, die noch nicht entdeckt ist,
zu finden, um da und dort auch das eine oder andere zu entlasten. Ich denke,
das sind Rechenarten des Menschen, und ich glaube, das sind Rechenarten, die
sich auch in diesem Regierungsprogramm wieder finden, denn – und das
möchte ich hier auch sagen – ein Regierungsprogramm ist für mich keine Menükarte
oder ein Prospekt, in dem Angebote gemacht werden, die eventuell umgesetzt
werden oder auch nicht, sondern – und das ist mir dazu eingefallen –
das Wort „Programm“, das sich ja aus dem Altgriechischen herleitet – aus
dem Wort „prographo“, was so viel heißt wie „vorzeichnen“ –, bedeutet,
solch eine Vorzeichnung zu erstellen. Das zu tun und mit anderen zu beschließen,
bedarf der Zeit – nicht des Sich-Zeit-Lassens, sondern des Sich-Zeit-Nehmens
für das Wesentliche in diesem Staatssystem.
Ich glaube, dass
wir auch da einiges demokratiepolitisch dazuzulernen haben, wenn wir uns für
das Wesentliche, wenn wir uns für einen Vertrag, für den wir uns gemeinsam
einsetzen und auf den wir uns einigen, auch Zeit nehmen.
Anhand des
Bereiches Bildung sei das in Kürze angedacht und angesprochen: Bildung ist und
bleibt das Grundnahrungsmittel einer demokratischen Gesellschaft. Es ist das,
was ich immer bei mir habe; weder eine große Erbschaft noch ein volles Sparbuch
können Bildung ersetzen. Der Zugang zur Bildung muss jedem Menschen
hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten gegeben werden. Ich meine,
es gilt ganz einfach, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen –
klare Leistungsstandards sind dafür Voraussetzung. Jedem Menschen ist eine Qualifizierung
zu ermöglichen – auch die Möglichkeit einer Teilzertifizierung bedeutet,
sich mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu qualifizieren.
Weiters ist eine
eindeutige Verknüpfung von Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftspolitik in
diesem Regierungsprogramm ausgewiesen, denn nur diese drei zusammen im Verbund
sind Grundlage für eine gesellschaftliche Entwicklung. Mittel in der Höhe von
700 Millionen € für Forschung, 72 Millionen € für Bildung
bis zum Jahr 2006 sprechen doch eine eindeutige Sprache!
Doch das setzt
voraus, dass wir auf Qualität in ihrer Sicherung und in ihrer Verbesserung und
auf eine Bildung, die ins Leben begleiten will, setzen. Kurz gesagt: Es geht um
Lebensqualität, wenn es um Bildungsqualität geht. Hiebei geht es
um Menschen, die ihr ganzes Leben lang lernen wollen – und das nicht nur
im Lebensraum Schule mit einer ganz bestimmten Zahl an Unterrichtsstunden. So
muss auch ein Weg gefunden werden, mit dem die immer höher werdende
Stundenanzahl in der Schule verringert wird, denn kein Mensch lernt nur in der
Schule für das Leben.
Will man das, dann müssen wir wohl auch darüber nachdenken, was wir hier im Bundesrat einbringen. Frau Ministerin Gehrer hat das im Nationalrat ganz klar gesagt: Sie lädt alle Verantwortungsträger ein mitzutun, denn das hier Vorliegende ist eine – um in meinem Jargon zu bleiben – Vorzeichnung. Da möchte ich gerne mitdenken. Ich meine, gerade wir, die wir aus den Ländern kommen und diese hier vertreten, müssen uns zweierlei fragen, nämlich: Ist es nicht häufig so, dass die Schule in der gesellschaftspolitischen Wahrnehmung und schließlich auch in
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 71 |
der Entlohnung eine reine Addition und somit eine Summe von
Stunden und Werteinheiten ist? Ist es nicht auch so, dass Schule mehr ist als
nur dieses?
Fragen wir uns doch
ernsthaft: Was bedeutet es, fächerverbindend zu unterrichten? Oder: Was bedeutet
es, fächerübergreifend zu unterrichten? Oder – wie es heute schon
angesprochen worden ist –: Was bedeutet exemplarisches Lernen? –
Hierin liegt wesentliche Zeit, und hierin liegt die Möglichkeit einer Reduktion
von Zeit.
Fragen wir uns
auch: Wie schauen unsere staatlichen Bildungsziele aus? Sind wir aus den Ländern
mutig genug, Möglichkeiten zu suchen, wie wir wirklich auch vor Ort regionale
Leitbilder in enger Vernetzung mit bereits bestehenden Bildungseinrichtungen
entwickeln können? Oder wollen wir bei jedem Studienlehrgang eine neue
Bildungseinrichtung schaffen? Wie wäre es, an Hochschulen für pädagogische
Berufe in einem Hochschulverbund oder Hochschulenverbund zu denken? – Wir
brauchen eine Politik, die Freude am Gestalten hat!
Das sollten wir hier auch ausstrahlen, nämlich eine Politik, die in die Zukunft blickt; nicht bloß eine moderierende und analysierende Politik, sondern eine, die es sich zutraut, neu zu denken und neu zu agieren, die es sich zutraut, mit Sozialpartnern, Ländern, Gemeinden und möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern – und für eine etwas andere Zukunftsgestaltung wären wir hier wesentlich zuständig – eine Reform für Österreich zu initiieren. Nicht umsonst – so hoffe ich – ist gerade vom Bundesrat die Initialzündung für den Österreich-Konvent ausgegangen. Worauf wir dabei aber immer Wert legen müssen, ist, nicht nur die Gegenwart zu berechnen, sondern besonders mit der Zukunft zu rechnen. Und auf diese setze ich! (Beifall bei der ÖVP.)
14.11
Präsident Herwig Hösele:
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr
dieses.
14.11
Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Geschätzte Frau Staatssekretärin und ehemalige Bundesratskollegin! Meine
Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den
letzten Wochen und Monaten vor dieser Regierungsbildung haben wir immer wieder
gehört: Wir brauchen eine stabile Regierung – Worte, die wir vor allem aus
dem Munde von ÖVP-Regierungsmitgliedern und in erster Linie natürlich auch vom
Herrn Bundeskanzler gehört haben. Heute, nicht einmal zwei Wochen nach dieser
Regierungsbildung, wissen wir bereits, was „stabil“ für die nächste Zeit bedeuten
wird: Stabil heißt, dass – und ich sage das wirklich überspitzt, aber ich
stehe dazu – die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, beziehungsweise
bekommen wir das über das Fernsehen so vermittelt.
Ohne Wenn und Aber
hat uns der Herr Finanzminister wissen lassen, dass die Österreicherinnen und
Österreicher vor den Wahlen, nach den Wahlen und bis nach den Regierungsverhandlungen
hinters Licht geführt wurden, denn die Steuerreform sei nicht fix. Sie müsse,
wie es so schön formuliert wurde, erst erarbeitet werden.
Der Herr
Bundeskanzler hat heute mehrmals gesagt, diese Auseinandersetzung sei nur
virtuell hochgespielt worden. Wir haben sehr wohl recherchiert, was die
einzelnen Regierungsmitglieder und was der Herr Bundeskanzler gesagt haben
und welche Differenzen und Diskrepanzen dabei herausgekommen sind.
Was heißt: Wir
müssen es erst erarbeiten? Wodurch oder womit, frage ich Sie, meine sehr verehrten
Damen und Herren auf der Regierungsbank, erarbeiten wir uns diese Steuerreform?
Vielleicht durch eine Nichtankurbelung der Wirtschaft, wie es jetzt passiert,
oder durch praktisch keine Maßnahmen im Arbeitsmarktbereich?
Ich sage es Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir werden uns die Steuerreform durch mehr Selbstbehalte zu erarbeiten haben. – Bitte geht mehr zum Arzt, damit es da höhere Einnahmen gibt! Wir werden uns die Steuerreform durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu erarbeiten haben. – Bitte fahrt mehr mit dem Auto, damit wir mehr Cent pro Liter Treibstoff plus Mehrwertsteuer einnehmen, damit der Herr Finanzminister auf höhere Einnahmen zurückgrei-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 72 |
fen
kann! Wir werden uns die Steuerreform durch die Streichung der Notstandshilfe
zu erarbeiten haben. Werdet bitte zu Sozialhilfeempfängern, denn dann müssen
die Länder und die Gemeinden zahlen und nicht mehr der Herr Finanzminister!
So schaut es in
Wirklichkeit aus, meine Damen und Herren! Das bedeutet es, in der Realität eine
Steuerreform zu erarbeiten oder zu erwirtschaften. So will man es haben.
Ich möchte mich
aber bei den nächsten Punkten in erster Linie auf das Regierungsprogramm 2003
bis 2006 beziehen, und zwar auf die geplanten Änderungen – auf die so
genannten Reformen – im Speziellen im Sozial-, Pensions- und
Frauenbereich.
Ich komme gleich
zu Punkt eins, zur Notstandshilfe. Die Notstandshilfe soll, so heißt es,
künftig vom Arbeitsmarktservice weg in Länderkompetenzen überführt werden. Was
heißt das, meine Damen und Herren? – Die Notstandshilfe würde mit der
Sozialhilfe gekoppelt werden und müsste von den Ländern und Gemeinden getragen
werden. Wenn man weiß, dass die Länder und Gemeinden schon jetzt mit kräftigen
Budgeteinbußen auf Grund der zuletzt deutlich zurückgegangenen Ertragsanteile
zu kämpfen haben, so ist dies eine weitere große Belastung für Länder und
Gemeinden, die so nicht hingenommen werden kann.
Meine steirischen
Kollegen hier im Saal werden mir Recht geben. Wir haben es ja bereits in der
Steiermark gehört, Finanzlandesrat Paierl hat vor einer Woche darauf
hingewiesen, dass sein Budget für 2003 nicht zu halten sein wird – und das
schon zwei Monate nach der Beschlussfassung! Die zuständigen
Regierungsmitglieder werden dann ihre Ermessensausgaben um zehn Prozent
zurückzunehmen haben.
Das heißt aber
wiederum, dass viele Projekte im Sozial-, im Gesundheits- sowie im Arbeitsmarktbereich
nicht mehr weitergeführt werden können beziehungsweise sehr stark eingeschränkt
werden müssen. Da müssen Sie mir Recht geben: Das ist bei uns in der Steiermark
der Fall. Das ist schon eine der wenigen Auswirkungen auf Grund dieses
Regierungsprogrammes!
Rechnet man jetzt
noch neuerliche Belastungen für die Notstandshilfe hinzu, dann kann man die
Auswirkungen auf die Länder und Gemeinden schon jetzt absehen. Ich weiß nicht,
wie es in den anderen Bundesländern ist. Bei uns in der Steiermark ist es auf
alle Fälle so, dass es einen Aufteilungsschlüssel für die Sozialhilfe gibt:
60 Prozent vom Land, 40 Prozent von den Gemeinden. Und die
Gemeinden – ich glaube, Herr Kollege Bürgermeister Gruber hat schon darauf
hingewiesen – sehen sich bereits jetzt oftmals außerstande, diese
hohen Sozialleistungen zu erbringen beziehungsweise überhaupt einen
ausgeglichenen Haushalt zu Stande zu bringen. Neuerliche Belastungen wie die
Notstandhilfe, so meine ich, werden in vielen Gemeinden jegliche Investitionen
für die Bürgerinnen und Bürger unmöglich machen.
In der Steiermark
haben wir noch zusätzlich die Auflage – ich weiß nicht, wie es in den
anderen Bundesländern ist –, dass Sozialhilfe, sollte eine Verbesserung
in der Einkommenssituation eintreten, zurückgezahlt werden muss.
Meine Damen und
Herren! Was heißt das wieder umgelegt auf eine zukünftige Koppelung der
Notstandshilfe mit der Sozialhilfe? – Das könnte bedeuten, dass Männer und
Frauen, die vorübergehend oder auch für einen längeren Zeitraum Notstands-
beziehungsweise Sozialhilfebezieher sind, bei einem späteren eventuell
höheren Pensionsbezug dann die vorher erhaltene Notstandshilfe zurückzahlen
müssen. Das kann es nicht sein! Das sind fürwahr „schöne“ Aussichten für all
jene, die unverschuldet in solch eine Lage kommen. Sie werden zuerst ausgesteuert
und dann zu Bittstellern.
Durch die geplante
Ausgliederung aus dem AMS wird es wahrscheinlich auch keinen Vermittlungsauftrag
mehr für diese Personengruppe geben. Sie werden ihr Schicksal selbst in die
Hand nehmen müssen. Und das trifft eine Gruppe, der eigentlich unser besonderes
Augenmerk und unsere ganz besondere Hilfe gelten sollte.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 73 |
Der nächste Punkt,
den ich ansprechen möchte, ist das Recht auf Teilzeitarbeit. Das ist heute
schon einige Male angeführt worden. Ich muss sagen, es ist zu begrüßen, dass
diese langjährige Forderung – vor allem der SPÖ –, Eltern bis zum
Schuleintritt ihrer Kinder das Recht auf Teilzeitarbeit zu gewähren und
ihnen danach die Rückkehr auf einen Vollzeitarbeitsplatz zu ermöglichen,
nunmehr in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll.
Doch wie sieht
diese Lösung aus? – Die Einschränkung, dies nur jenen Frauen und
Männern – es sind ja wirklich nur ein paar Prozent – zu gewähren, die
mindestens drei Jahre in einem Betrieb gearbeitet haben und dieses Unternehmen
mindestens 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen muss, stellt
doch eine Diskriminierung sondergleichen dar und schließt von vornherein, so
meine ich, mehr als die Hälfte aller Frauen dieser betroffenen Personengruppe
aus.
Wie sehen Sie das,
Frau Staatssekretärin? Was glauben Sie? – Sie müssen mir Recht geben, wenn
ich sage: Die Teilzeitarbeit ist weiblich. Das betrifft also in erster Linie
Frauen. Es sind sehr viele Frauen in Klein- und Kleinstbetrieben, in
Nahversorgungsbetrieben auf dem Land, in Arztpraxen, in Rechtsanwaltskanzleien
und vielen anderen Kleinunternehmen tätig. All diese Frauen haben dann kein
Recht auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt ihrer Kinder? Wo ist da die
Gleichheit für die Frauen?
Das verstehe ich
überhaupt nicht. Es ist mir schon klar, damit wird der Wirtschaft und den Kleinunternehmen
geholfen. Aber das ist keine Besserstellung für die Frauen, wie es in der Überschrift
heißt, beziehungsweise nur für einen Teil. Das sind dann privilegierte Frauen.
Und was machen die anderen?
Wir alle kennen
das aus unseren Gemeinden. Wir haben viele Kleinunternehmen und Nahversorger,
in denen eben nur drei oder vier Frauen – wenn überhaupt; und es sind ja
in erster Linie Frauen, die im Handel beschäftigt sind – arbeiten. Diese
haben kein Recht auf Teilzeitarbeit. Das ist ungerecht!
Die zwar positive
Überschrift „Recht auf Teilzeitarbeit“ allein ist zu wenig. Und wie immer
stecken die Hürden, die Barrieren für die Frauen, die wir beseitigen sollten,
im Detail, um endlich eine Besserstellung für die Frauen bei der Vereinbarkeit
von Job und Familie zu erreichen. Frau Staatssekretärin! Auch Sie sprechen
immer wieder diese Vereinbarkeit an, und auch die Frau Bundesministerin setzt
sich immer wieder dafür ein. Ich finde, es ist ein ehrliches Wollen vorhanden,
aber solch eine Regelung kann für die Frauen nicht gut sein, wenn sie nur die
Hälfte von ihnen umfasst.
Mein Appell an
Sie, Frau Staatssekretärin, und an die Mitglieder der Bundesregierung lautet daher:
Schaffen Sie nicht schon wieder eine Kluft zwischen jenen Frauen, die dann das
so genannte Privileg des Rechts auf Teilzeitarbeit haben, und jenen, die auf
Grund ihrer Beschäftigung in einem Kleinbetrieb dasselbe nicht in Anspruch
nehmen können! Wir SPÖ-Frauen werden auch Sie, Frau Staatssekretärin, daran
messen, wie ernst Sie mit der Gleichheit der Frauen umgehen.
Ein paar Sätze
noch zum Problem der Kinderbetreuungseinrichtungen; das ist heute schon des
Öfteren angesprochen worden. Kollegin Dr. Hlavac hat auch schon
richtigerweise darauf hingewiesen: Es ist zu wenig, wenn im
Regierungsprogramm steht, dass den Ländern empfohlen wird, mehr Augenmerk auf
die Errichtung weiterer Kinderbetreuungseinrichtungen zu legen. Ich bin schon
sehr viele Jahre in diesem Haus und weiß um die Problematik der Finanzierung
von Kinderbetreuungseinrichtungen, aber wir haben es im Jahre 1995
erreicht, zusätzliche Mittel seitens des Bundes für Kinderbetreuungseinrichtungen
zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Noch unter
Bundesministerin Dr. Helga Konrad haben wir zwar nicht die so genannte
„Kindergartenmilliarde“, aber immerhin 600 Millionen Schilling aus
Bundesmitteln lukrieren können und haben das an die Länder weitergegeben,
damit Kinderbetreuungseinrichtungen – damals mit nicht so flexiblen
Öffnungszeiten – errichtet werden konnten. Und es ist etwas
weitergegangen!
Nur zu sagen, wir geben diese Empfehlung an die Länder weiter – Ministerin Dohnal hat schon vor fünfzehn Jahren mittels 15a-Vereinbarungen versucht, die Länder diesbezüglich zu bin-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 74 |
den –, so wird es nicht gehen. Wenn der Bund nicht
sagt, ich gebe dafür Geld aus, dann werden es die Länder von sich aus auf
Grund von Empfehlungen sicher nicht machen – noch dazu auf Grund der
jetzigen finanziellen Situation in den Ländern.
Noch ein paar
Sätze zu den Frühpensionen: Frauen sind nicht nur in den schon von mir aufgezählten
Bereichen, sondern auch von der Abschaffung der Frühpensionen – natürlich
ohne Begleitmaßnahmen – massiv betroffen. Frauen würden bei der
vorgesehenen Regelung in die Altersarmut fallen, wenn die Frühpensionen,
losgelöst von umfangreichen Arbeitsmarktmaßnahmen, abgeschafft werden.
Meine Damen und
Herren auf der Regierungsbank! Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich befürchte,
dass durch die plötzliche Anhebung des Frühpensionsalters ohne weitere Maßnahmen
pro Jahr 20 000 bis 30 000 ältere Arbeitslose dazu kämen. Es ist
einfach absurd, das Pensionsalter immer weiter hinaufsetzen zu wollen, aber
keinen Lösungsansatz für die immer stärker steigende Arbeitslosigkeit älterer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzubieten. Diese Problematik der ungleichen
Chancen wird weder durch eine vorzeitige Angleichung noch durch ein
Hinaufsetzen des Pensionsalters gelöst.
In einer
Wochenzeitschrift sagte Frau Bundesministerin Rauch-Kallat – ich
zitiere –: Die Österreicherinnen wollen immer weniger eine Politik für
Frauen, sondern vielmehr eine von Frauen gemachte Politik. – Hier muss ich
leider widersprechen – ich kann es ihr leider nicht persönlich sagen –,
ich sage: Die Österreicherinnen wollen eine Politik für Frauen,
natürlich von Frauen gemacht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
14.25
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin
Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile es ihr.
14.25
Bundesrätin
Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr
geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr
geehrte Damen und Herren! Auf Grund der schon sehr emotionsgeladenen
Kommentare zum Regierungsprogramm werde ich nur auf einige mir wichtig
erscheinende Punkte eingehen, die, wie ich meine, die Österreicherinnen und
Österreicher besonders betreffen, weil sie eigentlich fast jeden berühren –
ob jung, ob alt, ob reich, ob arm.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Das sind natürlich die Pensionen, und das ist die Gesundheit.
Wir haben heute schon davon gehört, dass es demographische Veränderungen gegeben
hat beziehungsweise geben wird. Die Menschen werden glücklicherweise immer
älter, wir müssen aber auch damit rechnen, immer mehr Geld für kostspielige
medizinische Behandlungen auszugeben. Es ist klar, dass wir alle keine
Zwei-Klassen-Medizin haben wollen, dass wir dem gemeinsam eine Absage erteilen.
Ich meine, wenn
wir diesen Bereich als wichtig erachten und wenn wir auch erkennen, dass wir
die Pensionen unserer Kinder zu sichern haben, dass wir ihnen einen intakten
Staat hinterlassen müssen, dann müssen wir ein Maßnahmenprogramm erlassen. Es
wäre unverantwortlich von jeder Regierung, wie auch immer sie ausschauen würde,
wenn sie sich von diesen Problemen zurückziehen und diese wiederum auf die
nachfolgende Regierung schieben würde. Daher ist es fast eine Conditio sine qua
non, in diesem Regierungsprogramm unpopuläre Maßnahmen zu verabschieden. Es
wäre noch viel unpopulärer und vor allem unverantwortlicher, wenn wir dies
nicht täten, weil dann würden sich die Probleme multiplizieren oder
potenzieren, und dann stünde fast jede Regierung vor der Situation, dass es
keine Lösungsmöglichkeiten mehr gibt.
Dennoch gebe ich natürlich auch den Kritikern Recht, die sagen, man kann die Frühpensionen nicht sukzessive abschaffen beziehungsweise reduzieren und gleichzeitig keine einschleifenden oder flankierenden Maßnahmen setzen. Ich gebe ihnen Recht: Da sind selbstverständlich Maßnahmen zu setzen. Dem Regierungsprogramm ist aber auch zu entnehmen, dass solche vorgesehen sind. Ich sehe es auch als – vielleicht neuere – Aufgabe der Parlamente an, die Regierung sehr genau zu beobachten, ob das, was am Papier steht, auch in den nächsten Monaten
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 75 |
und
Jahren umgesetzt wird. Ich sehe es durchaus auch als Aufgabe von uns allen,
egal welcher Fraktion wir angehören, an, entsprechend als Controller an der
Seite zu stehen und zu beobachten, ob für die Menschen tatsächlich
Erleichterungen umgesetzt werden.
Eines ist auch
klar: Wir können nicht nur Maßnahmen, die für die Betroffenen erschwerend sind,
beschließen. Wir haben selbstverständlich auch das, was wir versprochen haben,
was den Menschen zur Erleichterung dient, umzusetzen. Daher ist es mir
persönlich besonders wichtig – und ich werde mein Augenmerk darauf
richten –, dass eine Steuerentlastung kommt. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Die Steuerquote in
Österreich – das wurde heute bereits erwähnt – gehört zu den höchsten
in Europa; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Wir haben den Menschen
versprochen, dass wir sie entlasten werden, dass die Steuerquote letztlich in
zwei Etappen auf 40 Prozent gesenkt wird. Das ist zwar noch immer eine
hohe Quote, aber das wäre eine doch spürbare Entlastung für die Betriebe, aber
natürlich vor allem für die Menschen, die in diesen Betrieben tätig sind.
Weiters möchte ich
noch zum Thema Frauen etwas sagen, weil sich Kollegin Schicker zu diesem Thema
besonders geäußert hat. Auch mir liegt dieser Bereich sehr am Herzen. Ich
möchte aber vorweg etwas sagen: Herr Vizekanzler Haupt hat als Frauenminister
entgegen aller Unkenrufe, die zuerst gekommen sind – unerwartet und
nicht vorhersehbar –, sehr gute Arbeit geleistet, vielleicht weil er als
Mann bestimmte Bereiche anders gesehen hat und unbefangener an die ganze Sache
hergegangen ist, als es früher schon Frauen in dieser Position getan haben,
die zwar Frauen waren, aber nicht unbedingt Frauenpolitik mit aller Konsequenz
umsetzen konnten. (Bundesrätin Schicker: Es ist nichts passiert in
dieser Zeit! Was ist denn umgesetzt worden? – Zwischenrufe bei der SPÖ.) –
Ich widerspreche mir dabei nicht.
Ich sage Ihnen
gerne, was er umgesetzt hat. Sie werden wohl nicht in Abrede stellen, dass wir
heute im Bereich der Familienförderung Vorbildwirkung in ganz Europa haben. Und
das war mit einem Frauenminister Haupt erreichbar. (Beifall bei den Freiheitlichen. –
Bundesrätin Schicker: Sie
verwechseln Frauen- mit Familienpolitik!) – Ich verwechsle nicht Frauen-
mit Familienpolitik, aber dass die Frau einen Teil der Familie darstellt, das
werden Sie mir auch nicht in Abrede stellen können. (Bundesrätin Schicker: Aber
das gehört nicht zum Aufgabengebiet des Frauenministers! Das wissen Sie auch!)
Die
Frauenbeschäftigung hat sich in den letzten zwei Jahren erhöht; der Herr
Vizekanzler hat Ihnen den Prozentsatz genau mitgeteilt. Wir haben derzeit die
dritthöchste Beschäftigungsquote in der EU. Das ist weitaus mehr, als es unter
anderen Frauenministerinnen der Fall war.
Ich gebe Ihnen
aber Recht, wenn Sie sagen, dass hinsichtlich der Ausbildung der Frauen noch einiges
geschehen muss und dass wir vor allem auch das Gender Mainstreaming in allen
Bereichen umzusetzen haben. Wir stehen erst am Beginn dieser Maßnahme, deren
Auswirkungen wahrscheinlich erst in den nächsten Jahren zu spüren sein werden.
Ich gebe Ihnen
Recht, wenn Sie sagen, dass wir verstärkt bei den jungen Mädchen und bei den
Schülerinnen die mathematisch-technische Kompetenz zu stärken haben. All diese
internationalen Studien wie TIMSS oder PISA zeigen uns, dass wir da einen
Nachholbedarf haben. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Ich bin aber zuversichtlich,
dass die Unterrichtsministerin Gehrer ebenfalls diese Intention hat, sodass
wir in Gemeinsamkeit diesbezüglich in den nächsten Jahren durchaus etwas
erreichen können.
Zur Teilzeit: Ich meine, dass wir trotz des grundsätzlichen Einverständnisses, dass Frauen ein Recht auf Teilzeit haben – und wir begrüßen das –, sehr wohl auch die wirtschaftliche Problematik im Auge haben müssen. Wenn Sie mir sagen, dass ein Betrieb mit zwei oder drei Beschäftigten einen Rechtsanspruch zuerst auf Teilzeit und dann auf Rückkehr in ein Vollbeschäftigungsverhältnis gewährleisten muss, dann muss ich Ihnen sagen, bitte rechnen Sie mir das vor. Das wird ein organisatorisches Problem sein. Aber ich gebe Ihnen auch Recht, dass wir nicht zwei verschiedene Arten von Frauen schaffen sollen. Wir müssen uns überlegen, wie wir einen Ausgleich schaffen können. Dass das natürlich nicht ohne organisatorische Verände-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 76 |
rungen und vielleicht zusätzliche
Förderungen möglich sein wird, ist auch klar, und dabei werden Sie mir wahrscheinlich
Recht geben. Der Betrieb wird das sonst nicht tragen können, und dann werden
einfach keine Frauen mehr eingestellt werden. Das hat dann einen negativen
Effekt, weil ... (Bundesrat Konecny: Haben Sie das schon mit dem Finanzminister abgeklärt?)
Zum Finanzminister
habe ich mich schon geäußert – da haben Sie, glaube ich, noch Zeitung gelesen.
Ich habe Ihnen gesagt, dass mir die Steuerentlastung sehr wichtig ist, Herr
Professor Konecny! (Bundesrat Konecny: Sie haben gesagt: zusätzliche Unterstützungen!) Ich freue mich, dass wir in Ihnen
auch einen Unterstützer in der Frauenpolitik gefunden haben, Herr Professor
Konecny! (Beifall
bei den Freiheitlichen.) Ich werde Ihr Verhalten auch in Zukunft daran
messen. (Bundesrat Konecny: Das dauert lange, bis
Sie draufkommen, aber fraktionsintern ist das bekannt!)
Die erste Etappe
der Steuerentlastung ist eine große Hilfe gerade für Frauen, weil die Gruppe
der unteren Einkommensbezieher bedauerlicherweise noch immer zu zwei Dritteln
aus Frauen besteht. Daher ist die Umsetzung ganz wichtig und muss diese
Steuerreform rechtzeitig – und da wende ich mich an Herrn Staatssekretär
Morak als Vertreter des Kanzlers – eingefordert werden.
Ich sage es noch
einmal: Ich werde hier von dieser Kanzel aus das sehr wohl einfordern –
das ist keine Büttenkanzel, aber immerhin (Heiterkeit
bei der SPÖ) –, denn es kann nicht sein – und das betone ich noch
einmal –, dass man den Leuten die Belastungen ankündigt und diese auch umsetzt
und die Entlastungen aufgeschoben werden. Dafür werde ich mich sicherlich nicht
hergeben, und ich bin überzeugt davon, meine Fraktion ebenfalls nicht. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Bildung und
Forschung wurden schon erwähnt; ich kann das nur unterstreichen. Für mich ist
es sehr wichtig, dass ein Land – und auch da beziehe ich mich wieder auf
die Frauen – einen hohen Ausbildungsstand hat, um auch die
Wirtschaftskraft zu erhalten und auszubauen. Nur gut ausgebildete Menschen sind
ein Garant dafür, dass entsprechende Arbeitsplätze in einem Staat geschaffen
werden können und dass es auch ein hohes Einkommensniveau gibt.
Einen Aspekt
möchte ich noch erwähnen, weil Kollege Schennach die Volksgruppen angesprochen
und gesagt hat, wir würden in Kärnten die Volksgruppen zu wenig beachten. Ich
würde mir wünschen – leider ist Kollege Schennach jetzt nicht da –,
dass die anderen Staaten, die jetzt in den europäischen Raum eintreten werden,
mit den italienischen, mit den tschechischen und mit den rumänischen
Volksgruppenangehörigen in dieser Weise umgehen würden, wie Kärnten das mit den
Slowenen tut. Ich würde mir wünschen, dass es nur annähernd so
wäre, denn dann könnten wir von einem friedlichen Miteinander, von einem
demokratischen Miteinander in diesem Bereich reden. Ich und meine Fraktion
werden hier ebenfalls darauf schauen, dass die entsprechenden Maßnahmen, die
im Regierungsprogramm dazu enthalten sind, auch umgesetzt werden.
Das heißt also,
dass wir darauf achten werden, dass all das, was mit den Beneš-Dekreten beziehungsweise mit entsprechenden
Forderungen verbunden ist, auch in Zukunft eingehalten wird und dass wir in
Europa den Volksgruppen das Recht geben, so zu leben und ihre Kultur zu
pflegen, wie das in Kärnten bei den Slowenen oder in Burgenland bei den Kroaten
der Fall ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Eines möchte ich noch sagen, weil mir das als Kärntnerin doch am Herzen liegt: Ich weiß schon, dass das nicht unbedingt im Regierungsprogramm stehen kann, aber mir ist es schon wichtig, dass die Kärntner Forderungen, die teilweise schon in früheren Jahren paktiert wurden, zum Beispiel betreffend Infrastruktur, auch von der neuen Regierung umgesetzt werden, denn es kann nicht so sein, dass gewisse Bundesländer schlechter gestellt sind als andere. Das erwarte ich mir, auch wenn wir jetzt einen neuen Infrastrukturminister haben, der kein Kärntner ist. So viel Fairness, so viel Gleichheitsdenken erwarte ich mir auch in Zukunft. Das heißt, die Förderungen sollen auch in Zukunft dort hinfließen, wofür sie bereits beschlossen wurden. Ich
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 77 |
meine auch, dass eine endgültige Lösung für
die Doppelmaut in Kärnten getroffen werden muss, weil es nicht angeht, dass einige
mehr bestraft werden als die anderen.
Abschließend: Herr
Professor Konecny hat auf den „Stern des Südens“ verwiesen. Ein Stern ist doch immer
eine Orientierungshilfe, wenn die Nacht sehr dunkel ist. (Ruf bei der SPÖ: Er verblasst, dieser Stern!) In diesem Sinne
sehe ich das direkt als Positivum (Beifall bei den Freiheitlichen),
wenn die Orientierungshilfen von Kärnten entsprechend angenommen werden, wenn
die Nacht dunkel sein sollte. Ich glaube – auch das hat Vizekanzler Haupt
schon sehr deutlich gesagt –, es soll jedem Landeshauptmann unbenommen
bleiben, die Interessen seines Landes zu vertreten, und das wird auch der
Kärntner Landeshauptmann in Zukunft machen. Ich glaube, es ist gar nicht
schlecht, wenn er manchmal die soziale Reißleine etwas zieht, um die Interessen
der Bevölkerung und jener Menschen zu schützen, die am schwächsten sind und
sich selbst nicht schützen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
14.38
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau
Bundesrätin außer Dienst Staatssekretärin Ursula Haubner. Ich erteile ihr das
Wort. (Allgemeine Heiterkeit. –
Beifall bei den Freiheitlichen.)
14.38
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren
Kollegen von der Regierung! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich freue
mich wirklich, dass ich heute nach sieben Jahren wieder die Möglichkeit habe,
im Bundesrat mein Wort zu erheben – zwar von der anderen Seite aus, aber
ich freue mich, hier meine Rede als neue Staatssekretärin vor Ihnen halten zu
können, denn meine Erinnerungen an meine Arbeit im Bundesrat in den Jahren von
1994 bis 1996 sind durchaus positiv.
Als
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen – und ich hoffe sehr, dass ich Herrn Kollegen Gruber seine so
sehr geschätzte Staatssekretärin für Tourismus auch in diesem Bereich gut
ersetzen kann – erstreckt sich mein Zuständigkeitsbereich auf den
Bereich Familie, Jugend, Senioren und Konsumentenschutz. Ich kann in diesem Bereich
auf großartige Reformen aufbauen, die Vizekanzler Haupt umgesetzt hat. Und ich
möchte auch sagen, weil es heute schon angeklungen ist: Vizekanzler Haupt redet
schön und lang, das stimmt, aber er arbeitet auch sehr intensiv, sehr schön und
sehr hart.
Ich erinnere nur
daran, was er alles in seinem Ressort gemacht hat. Es waren dies: die Einführung
des Kinderbetreuungsgeldes, die Einführung der „Behindertenmilliarde“, um
Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Arbeitsleben besser verankern zu
können, die Einführung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten, die
Erhöhung der Familienbeihilfe, die Erhöhung des Mehrkinderzuschlages und vieles
mehr. Ich kann also in einem wohl bestellten Haus weiterarbeiten.
Für mich hat
dieses Regierungsprogramm ein großes Ziel: die Zukunft aller Generationen durch
rechtzeitiges Handeln nachhaltig sicherstellen. Für mich ist dieses gesamte
Regierungsprogramm ein stimmiges und vor allem ein sehr ganzheitliches
Programm. Lassen Sie mich nur ein Beispiel sagen: Wenn in einem Kapitel die
Anhebung der Frauenbeschäftigungsquote auf über 60 Prozent festgeschrieben
ist, dann sind im anderen Kapitel, nämlich im Kapitel „Familie“, Maßnahmen
zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitszeitregelungen
enthalten, denn beides ist notwendig, das eine ist ohne das andere nicht
möglich.
Damit bin ich schon bei dem Beispiel, das Sie, liebe Frau Kollegin Schicker, gebracht haben: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist der zentrale Punkt einer Familienpolitik, die sich an der Realität orientiert. Hier gibt es natürlich sehr viel zu tun. Sie haben den Anspruch auf Teilzeit angesprochen. Korrekterweise muss man sagen, es heißt: Anspruch auf Teilzeit und flexible Arbeitszeitmöglichkeiten. Ich habe gerade in den Verhandlungen und Vorverhandlungen zu diesem Regierungsprogramm immer wieder gesagt, dass Teilzeit nicht die Lösung des Problems betreffend die nachhaltige Sicherung der Frauen auch im Alter ist, denn sehr oft ist es so, dass es nicht die Summe der Zeit ist, die Frauen belastet, sondern die Arbeitszeit, die ihnen die
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Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ermöglicht. Daher haben wir
Freiheitliche das in das Regierungsprogramm hineinreklamiert.
Es ist mir auch
bewusst, dass wir nicht zwei Klassen von Müttern oder Vätern schaffen dürfen:
von denjenigen, die das Glück haben, in Großbetrieben zu arbeiten, und
denjenigen, die – unter Anführungszeichen – das „Unglück“ haben, in
kleinen Betrieben zu arbeiten. Daher haben wir in diesem Regierungsprogramm
festgeschrieben, dass parallel dazu, bevor dieser Anspruch auf Teilzeit
eingeführt wird, eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Sozialpartnern
installiert wird, die Anreize und Initiativen ausarbeiten soll, wie in
kleineren und mittleren Betrieben dieses Problem der Vereinbarkeit von Beruf
und Familie, vor allem für die Zeit bis zum Schuleintritt der Kinder, gelöst
werden kann. Das war unsere freiheitliche Forderung, weil wir gesagt haben, die
eine Maßnahme wäre zu einseitig, da müssen wir noch etwas dazutun. (Beifall
bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)
Der zweite
Bereich, der mir auch sehr wichtig erscheint, ist die Kinderbetreuung. Wir
können nicht umhin: Kinderbetreuung ist Länderkompetenz. Das heißt jetzt nicht,
dass sich der Bund davon verabschieden soll, aber ich glaube, die so viel
gepriesene „Kindergartenmilliarde“ hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie
nicht der Stein der Weisen war. (Bundesrätin
Schicker: Aber sie hat viel
weitergebracht!) Ich weiß es aus Oberösterreich, aber auch aus anderen Bundesländern:
Es war so, dass die Länder diese „Kindergartenmilliarde“ mitfinanzieren
mussten, was viele Länder einfach nicht gemacht haben. Daher ist sehr viel Geld
in Wien liegen geblieben und nie dort eingesetzt worden, wo es eigentlich
hätte eingesetzt werden sollen.
Daher halte ich
wesentlich mehr davon, dass die Länder, die sich jetzt auf Grund der Neuregelung
der Kinderbetreuung, auf Grund der Neuregelung beim Kinderbetreuungsgeld in den
ersten drei Jahren einiges ersparen, dieses Geld nehmen und für bedarfsgerechte
Kinderbetreuungseinrichtungen verwenden und der Bund die Länder bei
Projekten, die innovativ sind, die neu sind, wie altersgemischte Gruppen und
Ähnliches, auch entsprechend unterstützt. Das, glaube ich, ist zielorientiert,
lösungsorientiert und ganzheitlich.
Meine Damen und
Herren! Familienpolitik – das habe ich schon gesagt – ist ein zentraler Punkt
dieses Regierungsprogrammes, denn Familie hat nicht nur für die Menschen in
unserem Land einen großen Stellenwert, sondern wir wissen, ohne Familie ist die
Gesellschaft nichts, ohne Familie geht es auch unseren Kindern nicht gut.
Daher werden wir im Rahmen unseres Programms auch sehr stark auf die Rechte
der Kinder schauen, wir werden demnächst die Kinderrechte in unserer
Verfassung verankern. Wir werden im Bereich der Sucht- und Drogenprävention
weiterarbeiten. Ein besonderes Anliegen ist mir auch die Bewältigung der
Problematik der Gewalt von Jugendlichen und gegen Jugendliche. Hier, denke
ich, ist gut begonnen worden, aber da müssen wir noch sehr viel weiterbringen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP sowie Beifall der
Bundesrätin Bachner.)
Meine sehr
geschätzten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Dieses Regierungsprogramm
ist ein Plädoyer für eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik, denn
wir alle wissen, dass Familie eine Schlüsselrolle in unserer sozialen
Sicherheit spielt. Im Sinne einer umfassenden Generationenpolitik ist der uns
allen bekannte demographische Wandel keine Bedrohung für uns, sondern eine
Bereicherung. Die steigende Lebenserwartung, die wir dem wissenschaftlichen,
medizinischen und vor allem gesundheitspolitischen Fortschritt verdanken, ist
unbestreitbar eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit.
Gesund,
selbstbestimmt und gesellschaftlich integriert alt zu werden, das ist eine
Perspektive, die wir als Politikerinnen und Politiker aller Couleurs nicht aus
den Augen verlieren dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Bundesräten der ÖVP.)
Ich sage daher
auch, neue und zukunftsorientierte Seniorenpolitik darf sich nicht nur auf die
wichtigen Fragen der Alterssicherung und auf die wichtigen Fragen der
Gesundheitsausgaben beschränken, sondern muss auch das Handlungsfeld und den
Spielraum der Förderung der Emanzipation und vor allem der Integration der
älteren Menschen in allen Bereichen unserer Gesellschaft sehen.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 79 |
Wir haben daher
unter anderem im Regierungsprogramm festgeschrieben, dass die Seniorinnen und
Senioren in der Durchsetzung ihrer Rechte auch in Form einer so genannten
Seniorenanwaltschaft unterstützt werden sollen. Das, was sich im Bereich der
Frauen in Form der Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei der Jugend in Form der
Jugendanwaltschaft sehr gut bewährt hat, sollte, so denke ich, auch für die
Seniorinnen und Senioren zur Durchsetzung ihrer Rechte eingerichtet werden.
Aber nicht nur den
Senioren, sondern allen Menschen dient die Rechtssicherheit durch den Konsumentenschutz.
Konsumentenschutz wird immer wichtiger, denn durch den freien Waren- und
Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Union tun sich für uns alle sehr
schwierige Situationen auch in diesem Zusammenhang auf. Die Sicherstellung
eines effizienten, bürgernahen und vor allem unabhängigen Konsumentenschutzes
im Informations-, Beratungs- und Rechtsdurchsetzungsbereich wird mir ebenso
ein großes Anliegen sein wie meinem Vorgänger, Justizminister Dr. Dieter
Böhmdorfer.
Zum Schluss, meine
Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas über die Freiwilligen sagen,
denn gerade auch den Freiwilligen, der Freiwilligenarbeit hat sich diese
Regierung verschrieben. Wenn Sie an die Hochwasserkatastrophe im Vorjahr und
an den Einsatz der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer denken, dann ist
es, glaube ich, notwendig und legitim, dass sich diese Regierung auf die
Einrichtung eines so genannten Freiwilligenrates festgelegt hat. Wir haben
somit den Wunsch der Freiwilligen selbst erfüllt, denn sie werden damit
erstmals in einer Bundesregierung eine Stimme, eine Interessenvertretung und
vor allem eine Plattform haben, wo sie sich vernetzen können.
Die Leistungen der
Freiwilligen sind in jeder Hinsicht unbezahlbar. Würde man das Arbeitsvolumen
der ehrenamtlichen Arbeit auf ganztags beschäftigte Personen umlegen, dann
ergibt das bei vorsichtigen Schätzungen ein Arbeitsvolumen von
32 Millionen Stunden pro Woche, was etwas mehr als 900 000
Ganztagsbeschäftigten entspricht. Wir sehen, hier ist ein soziales Potenzial,
das wir uns als Republik Österreich erhalten müssen.
Meine Damen und
Herren! Hinter Zahlen, hinter Programmen steht immer Leben, Leben von Menschen,
Leben von Frauen, von Männern, von Kindern, von Jungen und von Älteren, und diesen
Menschen ist die Regierung verpflichtet. Ich persönlich hatte immer das Motto
„den Menschen verpflichtet“, und ich freue mich sehr, dass das auch in diesem
Regierungsprogramm zum Ausdruck kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und
bei Bundesräten der ÖVP.)
Ich werde mit
meinen Kolleginnen und Kollegen diesem Motto auch folgen, vor allem im Bereich
der Generationen- und Konsumentenpolitik, und ich lade die Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition sehr herzlich ein, sich mit ihrer sehr
konstruktiven Kritik an all den Dingen zu beteiligen, bei denen sie glauben,
dass es keine Chancengleichheit, keine Chancengerechtigkeit zwischen Frauen
und Männern oder zwischen den Generationen gibt, denn letztendlich wollen wir
alle das Gleiche: das Beste für die Menschen in Österreich. – Danke schön.
(Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
14.51
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Paul Fasching. Ich erteile es ihm.
14.51
Bundesrat
Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr verehrter
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf eingangs meiner Ausführungen
ein schlichtes, aber einfaches und herzliches Dankeschön sagen, ein Dankeschön
dem Agrarminister außer Dienst Willi Molterer für seine jahrelange Tätigkeit
im Interesse der österreichischen Bäuerinnen und Bauern. (Beifall der Bundesrätin
Fösleitner.)
Ich glaube, er hat
nicht nur durch Jahre hindurch gezeigt, dass er ein profunder Kenner der Agrarwirtschaft
ist, sondern er hat auch viele Dinge erledigt, die heute unseren Bäuerinnen und
Bauern zu Gute kommen. – Danke schön, Willi Molterer! (Beifall bei der
ÖVP.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 80 |
Dem neuen
Agrarminister darf ich recht herzlich gratulieren. Dipl.-Ing. Sepp Pröll
ist ein Kenner der bäuerlichen Szene, ein Mann, der von der Basis kommt, der weiß,
wo die Sorgen und Probleme der Bäuerinnen und Bauern liegen. Wir werden dir,
lieber Herr Minister, sicherlich so gut wie möglich auf diesem Weg helfen. Viel
Glück für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Heute hat es sich wie ein roter Faden in der Diskussion durchgezogen,
dass die Opposition und in besonderer Weise die Sozialdemokraten darüber
jammern, dass sie nicht in der Regierung sind. Ich habe einen guten Spruch
gefunden und möchte es eigentlich dabei belassen. Dieser lautet: Der Erfolg
bietet sich meist denen, die kühn handeln, nicht denen, die alles wägen und
nichts wagen wollen. – Ich glaube, dass damit gesagt ist, dass der
Herrgott vor dem Preis den Schweiß gesetzt hat und dass man ohne Fleiß
sicherlich keinen Preis ergattern kann. (Beifall bei der ÖVP und bei
Bundesräten der Freiheitlichen.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Im Regierungsprogramm bekennt sich die Bundesregierung
zu einer starken österreichischen Land- und Forstwirtschaft, deren Leistungen
gerechte Einkommen gegenüberstehen. Diese gewährleistet die Versorgung der
Bevölkerung mit sicheren Nahrungsmitteln von höchster heimischer Qualität.
Darüber hinaus erbringt sie unverzichtbare Dienste im Rahmen der nachhaltigen
Bewirtschaftung unserer natürlichen Ressourcen und für die Entwicklung des
ländlichen Raumes.
Das
Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung bietet eine gute Basis für die Umsetzung
der agrarpolitischen Schwerpunkte. Erlauben Sie mir daher, dass ich auf einige
wichtige Eckpfeiler dieses sehr ehrgeizigen Programmes näher eingehe.
Unsere Bäuerinnen
und Bauern sind mit ihren Familien das Rückgrat des ländlichen Raumes. Ihre
Produktion ist die Grundlage für die regionale Wertschöpfung. Die Sicherung der
Einkommen der ländlichen Familien ist und bleibt uns ein wichtiges Anliegen.
Der Schwerpunkt ist daher das 3-Milliarden-€-Paket, welches die Finanzierung
der Leistungsabgeltung und Direktzahlungen an unsere landwirtschaftlichen
Betriebe in den nächsten vier Jahren sicherstellt. Damit wird eine der
Hauptforderungen der Landwirtschaft in dieser Legislaturperiode umgesetzt.
Ein weiterer
wichtiger Eckpunkt im Koalitionsabkommen der neuen Bundesregierung ist aus
Sicht eines Bauernvertreters natürlich die Fixierung der Preissenkung für Agrardiesel
auf ein konkurrenzfähiges Niveau im Rahmen der Steuerreform. Dadurch werden
eine langjährige Forderung und ein zentrales Anliegen der bäuerlichen
Interessenvertretung erfüllt. Damit unsere Bauernfamilien angesichts der großen
Herausforderungen im Hinblick auf die EU-Erweiterung davon profitieren können,
wird auf eine rasche Umsetzung besonders geachtet.
Österreichs
Position als europäisches Bioland soll weiter ausgebaut werden. Das österreichische
Bio-Aktionsprogramm soll fortgesetzt werden. Weiters soll die Schaffung eines
EU-Bio-Aktionsplanes forciert werden. Die vorrangigen Ziele sind die
langfristige Erhaltung einer lebenswerten Umwelt mit gesunden Böden, klarem
Wasser und gesunder Luft sowie die Produktion von gesunden und geschmackvollen
Lebensmitteln.
Ein weiterer
zentraler Punkt des Koalitionsabkommens ist der Ausbau der Biomassenutzung. Bis
2010 soll der Biomasseeinsatz um 75 Prozent erhöht werden, und der
Öko-Stromanteil soll bis 2008 auf 78 Prozent gesteigert werden. Zur
Förderung biogener Treibstoffe sind der Mineralölwirtschaft Quoten analog dem
Quotensystem der Elektrizitätswirtschaft vorzuschreiben.
Diese im
Regierungsprogramm festgeschriebenen Maßnahmen sind als überaus positiv zu werten,
weil damit, meine Damen und Herren, bäuerlichen Betrieben neue Einkommensperspektiven
eröffnet werden beziehungsweise neue Einkommenschancen für die heimische Land-
und Forstwirtschaft entstehen werden und gleichzeitig ein wesentlicher Schritt
zur Erreichung des Kyoto-Zieles gesetzt wird. Durch diesen Ausbau der
Bioenergie sind weitere 15 000 Arbeitsplätze möglich.
Das Regierungsprogramm enthält auch eine klare Position zur Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik. So tritt die Bundesregierung für eine Verankerung des europäischen Landwirtschaftsmodells in der Verfassung der EU ein. Weiters wurde festgehalten, dass für allfällige
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 81 |
Preissenkungen bei gemeinsamen
Marktorganisationen entsprechende Kompensationszahlungen vorzusehen sind.
Meine Damen und
Herren! Zur Stärkung des ländlichen Raumes soll im nächsten Finanzausgleich
ein aufgabenorientierter Bevölkerungsschlüssel anstatt des bisherigen
abgestuften Schlüssels eingeführt werden.
Die Entwicklung
des ländlichen Raumes soll als zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik ausgebaut
werden. Dieser richtungsweisende Schritt ermöglicht es Österreich, eine Reihe
wichtiger Maßnahmen umzusetzen und weiterzuentwickeln, um spezifische
Benachteiligungen in den ländlichen Gebieten abzubauen und regional
wirtschaftsbelebende Akzente zu setzen.
Als eine soziale
Errungenschaft ist die weitere schrittweise Senkung des fiktiven Ausgedinges
für Bauernpensionisten anzusehen. Jeder österreichische Pensionist soll über
ein Mindesteinkommen in der Höhe der Ausgleichszulage verfügen können. Für
Bauernpensionisten, meine Damen und Herren, mit niedrigen Pensionen ist dies
auf Grund einer überhöhten Anrechnung von Ausgedingeleistungen nicht mehr
gewährleistet. Um die finanzielle Mindestabsicherung der Bauernpensionisten zu
gewährleisten, muss das fiktive Ausgedinge entsprechend den realen
Verhältnissen weiter gesenkt werden.
Um den zunehmenden
Bedarf an qualitativ hochwertiger Pflege und medizinischer Versorgung der
älteren Generation zu sichern, wird es auch notwendig sein, die
Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten in Jahresschritten um
0,25 Prozent auf 4,75 Prozent anzuheben. Nur dadurch kann
gewährleistet werden, dass ein dementsprechendes Gesundheitssystem und der
medizinische Fortschritt für unsere ältere Generation aufrechterhalten werden können.
Man muss sich auch zu dieser Maßnahme bekennen.
Überaus positiv zu
bewerten sind die im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen zur
Verwaltungsvereinfachung, wie etwa die europaweite einheitliche Zulassung und
Besteuerung von Betriebsmitteln und Tierarzneimitteln, die Harmonisierung und
Zusammenführung von Kontrollen oder die automatische Antragstellung bei
Tierprämien.
Die im
Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft
sind sehr zu begrüßen, weil sie unseren fleißigen Bäuerinnen und Bauern neue
Zukunftschancen einräumen und den erfolgreichen österreichischen Weg der
familiär geprägten Landwirtschaft stärken. Diese Bundesregierung wird die
notwendigen Reformen gerecht und nachhaltig umsetzen, um eine gute und sichere
Zukunft für Österreich möglich zu machen. Das Ziel ist, im Jahr 2010 unter
die drei besten Länder Europas zu gelangen. Das bedarf mancher Anstrengung,
aber das Ziel ist es wert. Österreichs Bäuerinnen und Bauern werden diesen Weg
mit der Bundesregierung mitgehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der
ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
15.00
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Günther Molzbichler. Ich erteile es ihm.
15.00
Bundesrat
Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident!
Frau Staatssekretärin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kollegen des
Bundesrates! Ich möchte heute eigentlich nicht auf Details dieser
Regierungserklärung eingehen, sondern ich sehe das eher global und werde darlegen,
warum ich nicht glaube, dass diese Regierung lange halten wird. (Ironische
Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat
Dr. Böhm: Ist das ein
Wunschtraum?)
Das ist kein Wunschtraum! Ich erwähne an dieser Stelle nur die Entwicklung in Kärnten. Wie Ihnen bekannt ist, haben wir vor einer Woche gewählt. Die Freiheitliche Partei – in unserem Bundesland wird sie immer als Hochburg bezeichnet! – hat eine schwere Schlappe erlitten. In den Bezirksstädten hat die SPÖ bis zu 70 Prozent gewonnen – und die Freiheitliche Partei hat teilweise bis zu 14 Prozent verloren! In meiner Heimatstadt, in Spittal a. d. Drau, wo Vizekanzler
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 82 |
Herbert Haupt herkommt, wurde die Fraktion
halbiert. Ich bin auf meine Kollegen in Spittal, ja in ganz Kärnten sehr stolz,
denn ich glaube, dass unser Weg längerfristig der richtige ist. (Beifall bei
der SPÖ.)
Auch die
Publikation der Jubelbroschüren des Landeshauptmannes über das Resümee des
Jahres 2000 hat nichts geholfen. In einer Broschüre mit 115 Seiten
wurden 130 Fotos des Landeshauptmannes abgebildet! – Wenn das kein
Personenkult ist, dann frage ich Sie, was ist es dann! (Bundesrätin
Dr. Kanovsky-Wintermann: Haben Sie sie gezählt?) –
Ich habe sie gezählt, genau!
Liebe Frau
Kollegin Kanovsky-Wintermann! Wenn Sie vom „Stern des Südens“ gesprochen haben,
dann muss ich schon sagen: Er verblasst, liebe Frau Kollegin! (Beifall bei
der SPÖ.)
Frau Kollegin
Kanovsky-Wintermann! Sie haben Herrn Vizekanzler Haupt bezüglich seiner
Funktion als Frauenminister angesprochen: Es ist eigentlich schon traurig, dass
in Österreich, wo es mehr Frauen als Männer gibt, ein Mann die Frauen vertreten muss! (Ruf bei der ÖVP: Das ist
Geschichte!)
Sie lenken immer
von dieser Wahlniederlage in Kärnten ab, es wird nicht über das Wahlergebnis gesprochen.
Hingegen ist wieder von einem Freistaat die Rede, was Kärnten angeht; das haben
wir schon vor zehn Jahren gehabt. Das geht so weit, dass es wahrscheinlich eine
eigene Währung in Kärnten geben wird, wenn der Herr Landeshauptmann das
durchsetzt. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich glaube, die Währung heißt
dann „Bärentaler“. (Heiterkeit.)
Herr Minister
Haupt hat natürlich alles getan, um von der ÖVP wieder als Partner akzeptiert
zu werden, inklusive öffentlicher Demutskundgebungen von Ihrer Seite. Aber was
bekommen Sie dafür? – Eine Wahlniederlage nach der anderen! Letzten
Sonntag haben wir das in Kärnten miterlebt, aber die freiheitlichen Kollegen
sprechen natürlich nicht sehr gerne drüber. Es ist nicht so, dass es mir
besonders Leid tut, dass Ihnen die WählerInnen davonlaufen, ganz im Gegenteil.
Allerdings sollten Sie sich einmal überlegen, ob Ihnen der Wähler noch
irgendwann glaubt – und Glaubwürdigkeit ist nun einmal das Wichtigste in
unserer Politik, wie ich meine. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPÖ.)
15.05
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau
Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile es ihr.
15.05
Bundesrätin
Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich):
Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Herr Staatssekretär!
Liebe Damen und Herren! Es steht natürlich außer Zweifel, dass ich mich als
Oberösterreicherin und als langjährige Mitstreiterin besonders freue, Ursula
Haubner als Staatssekretärin in den Regierungsreihen zu wissen. Für Oberösterreich
ist es ein direkter Verlust, aber für uns alle hier, dessen bin ich mir ganz
sicher, ein besonderer Gewinn, meine Damen und Herren! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Sie hat als
Landesrätin in Oberösterreich ein bestimmt nicht leichtes und vor allem umfangreiches
Ressort bewältigen müssen und bewiesen, wie man mit Hausverstand, Herzlichkeit,
Zugänglichkeit, Offenheit und klarer Sachpolitik viel erreichen kann, wie man
über die Parteigrenzen hinweg zu einem Miteinander kommt und sich dadurch der
Anerkennung aller Parteien und aller Menschen sicher sein kann.
Alleine die
teilweise so strengen Lebensmittelpolizisten in Oberösterreich – und
das darf ich dir, liebe Frau Staatssekretärin, jetzt mitteilen – sind jetzt
sehr traurige „Hinterbliebene“. Sie hoffen, dass du auch als Staatssekretärin
weiterhin ihr Ansprechpartner sein wirst.
Gestatten Sie, meine Damen und Herren, hier von dieser Stelle aus, Ursula Haubner für die so erfolgreiche und gute Politik für Oberösterreich, für ihre Normalität und Herzlichkeit ein großes Danke zu sagen! Wenn diese gute Arbeit in Oberösterreich nur ein wenig Einfluss auf diese
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 83 |
Regierung und die
Parlamentarier hat, dann bin ich sicher, dass diese Legislaturperiode unter
einem guten Stern stehen wird und wir das erfüllen, was die Menschen draußen
von uns erwarten, nämlich das Beste für dieses Land und seine Bürger zu tun.
Ich weiß, dass es
sich diese Regierung nicht leicht gemacht hat, diesen gemeinsamen Weg
weiterzugehen. Wir wissen aber auch, dass viele Übereinstimmungen von
vornherein dadurch gegeben waren, dass viele Erfolge der letzten zweieinhalb
Jahre deutlich freiheitliche Handschrift trugen und sich der Koalitionspartner
ÖVP sicher sein konnte, dass viele seiner Vorhaben und Vorschläge mitgetragen
werden.
Auch wenn diese
Vorhaben nicht immer erfreulich sein können, meine Damen und Herren, so war es
doch bemerkenswert, dass erstmals – zumindest bei den
Freiheitlichen – auch die Bereichssprecher sowohl bei den Vorverhandlungen
als auch bei den Verhandlungen voll mit eingebunden waren. Ich versichere
Ihnen, jeder unserer Bereichssprecher hat natürlich das Maximum an Forderungen
eingebracht, aber es muss auch zur Kenntnis genommen werden, dass vorläufig nur
das erfüllt werden kann, was auch langfristig finanzierbar ist.
Die Regierung
Schüssel I hat eine hervorragende Vorarbeit – vorwiegend, glaube ich,
Aufräumarbeit – geleistet, ja leisten müssen in den letzten zweieinhalb Jahren. Ich sage bewusst:
leisten müssen, aber ich
nehme Abstand von der Ausdrucksweise des Herrn Kollegen Konecny vorhin. Ich sage nur, dass diese
30 Jahre sozialistischer Regierung eben unwiederbringlich vorbei sind und
Sie das endlich einmal zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Vor drei Jahren
gelang es den Freiheitlichen, dem Tourismus zu dem Stellenwert zu verhelfen,
der ihm eigentlich schon längst gebührte, und zwar in Form eines eigenes
Staatssekretariates für Tourismus. Es ist – glauben Sie mir das, bitte –
für mich und für meine Tourismuskollegen auch schwer zu verstehen gewesen,
warum gerade die Vertretung eines der größten Wirtschaftszweige Österreichs
abgeschafft wurde. Es war dies eine wichtige Funktion, obwohl sicherlich, wie
bereits erwähnt wurde, die entsprechende Arbeit jetzt auch erledigt wird, aber
es geht darum, für den Tourismus tatsächlich präsent zu sein. Ich glaube, wir
dürfen auch von dieser Stelle aus unserer ehemaligen Staatssekretärin Mares
Rossmann für ihre konstruktive Arbeit ein herzliches Danke sagen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Aber: Es ist nun
einmal so, es ist unwiederbringlich, und man sollte Vergangenes nicht immer nur
bereden, denn bekanntlich behindert das die Arbeit für die Zukunft. Ich sehe
das daher bereits positiv: Der Tourismus ist jetzt eine Herausforderung für alle Ministerien. Der Tourismus
findet überall statt und hat
somit in allen Ministerien
seinen Platz, vor allem im Wirtschaftsministerium – und wir bezeichnen
natürlich Herrn Minister Bartenstein als Tourismusminister –, aber auch
beim Finanzminister. 1,5 Milliarden € sind nämlich das Mindeste,
meine Damen und Herren, was jährlich allein zur Qualitätssicherung im Tourismus
notwendig ist. Da sind diese Regierung und dieser Finanzminister gefordert,
dass dieser Qualitätsstandard in einem der größten Wirtschaftszweige
Österreichs erhalten bleibt, denn wenn Qualität geschmälert wird, bedeutet das
weniger Gäste, weniger Einnahmen und schließlich weniger Steuern. (Vizepräsidentin
Haselbach übernimmt den Vorsitz.)
Es hat also der
Tourismus in allen Ministerien seinen Platz – egal ob Soziales, ob
Sicherheit, ob Frau, ob Familie, ob Generationen, ob Umwelt, Wasser, Land- und
Forstwirtschaft, ob Sport, Kultur oder auch Landesverteidigung. Vor allem die
Sicherheit ist da gefordert, weil Österreich gerade in diesen schwierigen
Zeiten das Plus hat, sich als eines der sichersten Urlaubsländer dieser Welt
bezeichnen zu können. Ich bitte alle Minister und alle Staatssekretäre, den
Tourismus in Österreich voll und ganz zu unterstützen, so wie es die Regierung
Schüssel I vor genau einem Jahr am Obertauern versprochen hat.
Meine Kollegen und ich vertrauen auf dieses Versprechen. Besinnen wir uns auf unsere Pflicht und Schuldigkeit dem Bürger gegenüber, und nützen wir die kostbarste Zeit, die wir hier miteinander arbeiten, für wirklich konstruktive Arbeit – vor allem auch hier in der Länderkammer, denn die Länder, meine Damen und Herren, machen Österreich aus! Mit unnötiger Polemik, mit
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Worten, die wir teilweise nicht im
Griff haben, mit Vorwürfen, die immer wieder gemacht werden, sogar, wie wir
gerade wieder gehört haben, von einem neuen Bundesrat aus den Reihen der
Sozialdemokraten, mit Aussagen, die jeder Grundlage entbehren, sind wir auf dem
besten Weg, jenen Recht zu geben, die die Länderkammer als leicht verzichtbar
bezeichnen. Besinnen wir uns auf eine gemeinsame Sachpolitik, besinnen wir uns
doch ein bisschen auf Politik mit Herz und vor allem mit Verstand!
Ich glaube, dass
es möglich sein wird, wenn Sie alle es wollen, gemeinsam viel Positives für
dieses Land und für diese Bürger zu leisten. Ich bin fest davon überzeugt, dass
diese Regierung alle guten, alle positiven Sachvorschläge auch von den
Oppositionsparteien gerne aufgreifen wird und auch aufgreifen soll, denn es
ist auch in den nächsten Jahren vieles zu regeln.
Es wird manchmal
die Sonne scheinen, aber es wird auch viel regnen, es werden Schauer über diese
Regierung kommen – aber denken wir bitte daran: Nach jedem großen Unwetter
scheint doch immer wieder Sonne, und ich glaube, auch bei dieser Regierung wird
das so sein. Die Kraft, die dazu nötig sein wird, wünsche ich dieser Regierung
und natürlich vor allem uns allen hier im Bundesrat mit einem kräftigen
Glückauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
15.15
Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister
Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.
15.15
Bundesminister
für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Kollegen auf der Regierungsbank! Liebe Bundesrätinnen und liebe
Bundesräte! Es ist für mich eine Premiere, heute hier zu stehen. Ich bin froh
darüber, Ihnen meine Vorstellungen darüber skizzieren zu dürfen, was im Bereich
der Umweltpolitik, im Bereich der Agrarpolitik vor uns liegt, was wir planen
und was das Regierungsübereinkommen vorgibt.
Wir sind –
und ich habe ein Ressort übernommen, in dem Willi Molterer hervorragende
Erfolge erzielt hat – als Bioland in Europa Nummer eins. Wir sind in der
Wasserqualität sehr weit vorne; auch wenn das manche Studien jetzt anders
skizzieren. Die Vielzahl der Studien zeigt, Österreich ist da im Spitzenfeld zu
finden. Wir sind im Bereich der Biomasse, im Bereich der Alternativenergien
Spitzenreiter in Europa geworden, und wir haben eine Lebensqualität und eine
Umweltqualität erwirtschaften können, die ihresgleichen suchen.
Ich bin froh
darüber, dass ich auf Basis eines Regierungsübereinkommens Umweltpolitik machen
kann, die sich mit folgenden Schwerpunkten beschäftigen wird:
Erstens – und
aus meiner Sicht prioritär und wichtig für die Zukunft –: Verwirklichung
des Kyoto-Ziels von minus 13 Prozent an Treibhausemissionen. (Beifall
bei Bundesräten der ÖVP.) Im Regierungsübereinkommen haben wir
festgeschrieben, dass wir bis 2006 für diese große Aufgabe 90 Millionen j mehr haben werden. Wir werden
dadurch Schwerpunkte setzen im Bereich der Biomasse, bei Großanlagen, aber auch
bei bäuerlichen Anlagen, wir müssen uns Antworten überlegen im
Verkehrsbereich, und wir werden im Emissionshandel gemeinsam auch mit den
Bundesländern die entsprechenden Akzente setzen.
Ich bitte Sie als
Bundesrätinnen und Bundesräte, die aus den Ländern kommen: Wir müssen auch
darauf schauen, dass die Länder ihre Hausaufgaben im Bereich der
Wohnbauförderung erledigen. Ich weiß, dass manche Bundesländer diesbezüglich
schon sehr weit vorne und Vorreiter sind. Wenn wir bei allen ein so hohes
Niveau erreichen können, dann wird das ein entscheidender Beitrag zur
Erreichung des Klimaschutzzieles sein.
Zweitens – und das erfreut mich als jemand, der aus der ökosozialen Marktwirtschaft und Agrarpolitik kommt, ganz besonders –: Wir setzen am 1. 1. 2004 erstmals ein Zeichen in Richtung ökologische Steuerreform. Es stimmt nicht, dass wir einfallslos fossile Energieträger besteuern und erhöhen und nicht gegenfinanzieren, sondern wir geben es allen Einkommensbeziehern unter 14 500 j zurück; das sind 200 000 Personen. Das ist das Grundprinzip
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einer ökologischen Steuerreform: fossile
Energie besteuern, Arbeitskraft entlasten. Und wir beginnen damit am
1. 1. 2004, das sollte man nicht vergessen. (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Dritter Punkt: Ich
werde im Bereich der Antiatompolitik Österreichs auch von dem, was das
Parlament in einem einstimmigen Entschließungsantrag vorgegeben hat, nicht
abgehen. Es wird eine konsequente Fortsetzung dieses Kurses geben. Sie können
sich bei mir darauf verlassen: Die Antiatompolitik Österreichs wird konsequent
fortgesetzt und in allen Bereichen in Europa auch dementsprechend konsequent
vertreten.
Ich will im
Bereich der Biomasse und im Bereich der Ökosteuer zwei Akzente setzen, von
denen ich glaube, dass sie auch richtungsweisend sind. Ich will die
Biomasse-Produktion um 75 Prozent erhöhen, und das hat eine durchaus
interessante Nebenwirkung, die sich auch in meinem Ressort zeigt – ich
sage das, weil viele auch kritisieren, Umwelt und Landwirtschaft passen nicht
zusammen –: Genau in diesem Bereich zeigt sich, Biomasseeinsatz und
Klimaschutz bringen auch Einkommen für den ländlichen Raum, für unsere Bauern.
Idealer kann es gar nicht sein, so gut passen also beide Bereiche in diesem
Ressort zusammen.
Deswegen will ich
bei der Biomasse einen Akzent setzen. Im Bereich des Ökostroms wollen
wir – mit dem Ökostromgesetz sind wir auch Vorreiter – von derzeit 70 Prozent
Anteil – das wissen auch wenige: 70 Prozent des derzeitigen
Stromaufkommens stammen aus Ökostromquellen, inklusive Wasserkraft – auf
78 Prozent kommen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber mit dem
Umweltförderungsgesetz, mit den im Regierungsübereinkommen definierten Mitteln
glaube ich, dass wir es durchaus erreichen können.
Im bäuerlichen
Bereich stehen wir vor großen Herausforderungen. Sie wissen, dass am 1. 1. oder
1. 4. kommenden Jahres die EU-Erweiterung Realität sein wird, dass wir schwerste
Verhandlungen auf europäischer Ebene im Bereich der Reform der Agrarpolitik
haben werden und dass wir mit den WTO-Verhandlungen ebenfalls ein Szenario
haben werden, das für die österreichischen Bauern nicht leicht ist. Deswegen
ist es besonders wichtig, dass das Regierungsübereinkommen eine klare Sprache
spricht, und ich werde es bis zum Ende der Legislaturperiode auch Punkt für
Punkt abarbeiten, um den bäuerlichen Betrieben eine gute Basis legen zu können.
An dieser Stelle
sei das 3-Milliarden-€-Paket zur Absicherung der bäuerlichen Familienbetriebe
genannt. – Ich habe aus Oppositionskreisen schon gehört, das sei zu viel.
Sie wissen, wir hatten in der abgelaufenen Periode ein 40-Milliarden-Paket. Das
jetzige 3-Milliarden-Paket ist nichts anderes als die Weiterführung dieses
Pakets, und wir brauchen es, wenn wir die bäuerliche Landwirtschaft absichern
wollen.
Genauso brauchen
wir dazu Wettbewerbsgleichheit. Der Agrardiesel ist keine Bevorzugung der
österreichischen Bauern innerhalb der österreichischen Gesellschaft, sondern er
stellt sie auf eine Stufe mit den europäischen Kollegen.
In Europa zahlen
Österreichs Bauern mit Abstand den höchsten Dieselpreis. In allen anderen
Staaten gibt es Verbilligungsmodelle, auch in Deutschland unter Rot-Grün. Ich
sage das hier ganz deutlich, weil der Vorwurf erhoben wurde, wir nehmen die
österreichischen Bauern mittels einer Sonderregelung aus. – Nein, wir
stellen sie gleich mit den Mitbewerbern! Das ist höchst an der Zeit, und im
Rahmen der großen Steuerreform im Jahr 2005 ist die Zeit angebrochen, um
dieses große Projekt endlich zu verwirklichen und den Bauern angesichts der
Erweiterung und auch der Herausforderungen Wettbewerbsgleichheit zu
gewährleisten.
Auf das Bioaktionsprogramm möchte ich nicht mehr im Detail eingehen. Wir sind da Spitzenreiter. Auch da sage ich ein herzliches Danke an die Konsumenten, die diesen Weg mitgegangen sind. Es ist überhaupt keine Frage, dass in Österreich der Konsum an Bionahrungsmittel sehr hoch ist und damit die Einkommensbasis schafft. Mit einem Bioaktionsprogramm will ich gemeinsam mit den Bioverbänden hier neue Akzente setzen, um die Ver-
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marktungskraft noch zu stärken und den
Biobauern ein entsprechendes Einkommen zu sichern. Ich glaube, das ist ein
wichtiger Schritt.
Gemeinsam mit
Maria Rauch-Kallat wird eine Aufgabe auf uns zukommen, der ich mich gerne
widme, weil ich glaube, dass sie von zentraler Bedeutung ist: die
Lebensmittelagentur gemeinsam mit den Bundesländern auszubauen. Auch da meine
Bitte an Sie: Hier sind die Länder gefordert, denn es gibt etliche
Kompetenzbereiche, die die Länder noch verwalten, Lebensmittelkontrolle und so
weiter, wo es keinen Anschluss an die Ernährungsagentur gibt. (Bundesrätin Schicker: Da werden Sie einen guten Draht haben zu den Ländern, Herr
Minister!)
Wenn wir wollen,
dass wir vom Feld und vom Stall bis zur Ladentheke eine transparente Kette
nachweisen können, dann müssen sich auch die Bundesländer mit ihren
Vorstellungen und mit ihren Kontrollsystemen in der Ernährungsagentur wieder
finden. Das ist ein Ziel, das ich verfolgen werde, und da geht es nicht um
Kompetenzfragen, sondern da geht es darum, dass wir dem Konsumenten eine klare,
nachweisbare Kontrollkette anbieten können. Das ist wichtig für die
Positionierung auf den Märkten, und ich halte das im Sinne der
Lebensmittelsicherheit für einen zentralen Punkt.
Ein Letztes: das
Thema Wasser. Wir haben heuer das Internationale Jahr des Wassers. Ich werde in
Kürze in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union eine
Novelle zum Wasserrechtsgesetz vorlegen. Ich plane auch – und das soll
auch irgendwo meinen Stil unterstreichen –, dem mit einer dreimonatigen
Begutachtungszeit Raum zu geben, um Stellung dazu nehmen zu können und darüber
diskutieren zu können. Ich bitte Sie, das auch so zu akzeptieren. Wir haben uns
unsere Gedanken gemacht, wir werden darüber diskutieren, und es wird sich jeder
einbringen können.
Diese
Wassergesetz-Novelle wird neue Impulse bringen. Wasser schützen, Wasser nützen
ist das Thema. Vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU werden wir nicht abgehen,
das ist im Regierungsübereinkommen definiert und auch klar. Wir sollten alles,
was zum Thema Wasser geschrieben wird, auch unter dem Gesichtspunkt sehen: Es
droht nicht der ungehemmte Ausverkauf! Wir nützen derzeit 3 Prozent des
dargebotenen Wassers in Österreich. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie
wir das gestalten wollen. Wie wollen wir Wasser schützen, wie wollen wir es
sinnvoll nützen? – Ich biete Ihnen an – und ich will meinen Teil in
der Regierung dazu beitragen –, Zukunft gerecht und nachhaltig für die
Bauern, für die Umwelt und für den ländlichen Raum zu gestalten.
Ich habe mit
Überraschung vernommen, dass auch aus Oppositionskreisen der ländliche Raum
sehr interessiert beackert werden wird. Da haben wir gemeinsam eine Plattform. (Bundesrat
Kraml: Klar! Das war schon immer so!) Ich werde jedenfalls bis 2006
intensiv für die Bauern, für die Umwelt und für den ländlichen Raum arbeiten. (Bundesrat
Thumpser: Der ländliche Raum besteht
aber nicht nur aus der Landwirtschaft!) – Das habe ich auch gesagt!
Ich bin ausführlich auf die Umwelt eingegangen – ich hoffe, Sie haben mir
zugehört! – und habe die Querverweise auch aufgezeigt.
In diesem Sinne
will ich arbeiten und freue mich schon auf die eine oder andere Auseinandersetzung
auch hier im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)
15.25
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau
Bundesrätin Aburumieh. – Bitte.
15.25
Bundesrätin
Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau
Vizepräsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Lieber Sepp Pröll! Ich
gratuliere dir herzlich zu deiner Funktion. Wir freuen uns als
Niederösterreicher ganz besonders über deine letzten Sätze, nämlich dass du
Punkt für Punkt das Regierungsprogramm abarbeiten wirst – zum Wohle des
ländlichen Raumes, zum Wohle unserer Regionen.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 87 |
Punkt für Punkt
das Regierungsabkommen abarbeiten wollen wir aber in allen Bereichen. Liebe
Frau Kollegin Schicker (diese ist gerade im Begriff, den Saal zu verlassen),
bevor Sie gehen, bedanke ich mich, dass Sie uns ein „vorhandenes ehrliches
Wollen“ attestieren. Wir werden dann Bilanz ziehen, und ich hoffe, Sie
attestieren uns dann auch die Umsetzung. (Bundesrätin Schicker: Das
werden wir sehen!)
Zur Frauenpolitik
wurde heute bereits einiges gesagt. Ich möchte aber doch unsere Position,
nämlich die Position der ÖVP-Frauen, hier kurz noch einmal dokumentieren und
zusammenfassen.
Für uns ist
Frauenpolitik ein breiter politischer Gestaltungsauftrag, eine Querschnittmaterie,
die in allen Ressorts Platz finden muss. In einer Zeit aber, in der sich die
Lebenswelten grundsätzlich verändern, brauchen wir neue Positionierungen, und
daher ist die Schaffung eines eigenen Ressorts ein deutliches Signal dieser
Bundesregierung, ein deutliches Signal der Neuorientierung einer Frauenpolitik.
Und ich freue mich ehrlich, dass an der Spitze des Ressorts
Maria Rauch-Kallat als Ministerin steht. (Beifall bei der ÖVP.)
Geschätzte Damen
und Herren! Die Stärke von uns bürgerlichen Frauen – und die Wahlen am
24. November haben die politische Mitte gestärkt – liegt in der
Vielseitigkeit und der Entscheidungsfreiheit, in der Entscheidungsfreiheit,
eine berufliche Ausbildung und Karriere in Angriff zu nehmen, einen Haushalt
und eine Familie zu gründen, die Betreuungskette für Kinder und Eltern
aufrechtzuerhalten und die eigene Lebenskarriere aufzubauen.
Aufgabe unserer
Frauenpolitik ist es, die Rahmenbedingungen für alle Frauen zu
schaffen, diese Wahlfreiheit wirklich in Anspruch nehmen zu können. Wir wollen
und müssen daher eine Frauenpolitik für alle Frauen machen, eine Politik, die
alle Frauen in allen Bereichen anspricht, vor allem auch Frauen in allen
Lebensphasen, im Alter, in der Jugend, am Arbeitsmarkt, im Haushalt, Frauen mit
Kindern und Frauen ohne Kinder.
Wir werden
daher – und das ist ein Zukunftsprogramm – eine Frauenpolitik machen,
die die unterschiedlichen Lebenswelten von Frauen und Männern voll akzeptiert,
die Unterscheidbarkeit nicht leugnet, sondern anerkennt, das Recht auf
Anderssein schätzt, und wir werden dafür sorgen, dass diese Unterscheidbarkeit
in vielen Lebens- und Arbeitswelten endlich Anerkennung findet.
Es wurde das
Gender Mainstreaming als politisches Verfahren erwähnt, das als Ausgangspunkt
für seinen Ansatz die Unterscheidbarkeit der Geschlechter nimmt, die als
Grundlage für Entscheidungen herangezogen werden. Gender Mainstreaming wird in
Zukunft vermehrt Eingang in alle Bereiche finden. Ich glaube, es war Frau
Dr. Hlavac, die meinte, man müsste Gender Mainstreaming neu erfinden. Wir
haben begonnen, in allen Lebensbelangen, in allen öffentlichen Bereichen den
Einzug dessen zu ermöglichen, und es ist keine Frage, dass genau dieser Prozess
vermehrt ausgebaut werden muss.
Ein Schwerpunkt
unserer Frauenpolitik wird die Chancengleichheit in der Arbeitswelt sein, wenn
wir die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen erreichen wollen. Positiv und
von allen anerkannt ist die Anhebung der österreichischen
Frauenbeschäftigungsquote auf 65 Prozent, weil es ein deutlicher Schritt
in diese Richtung ist.
Natürlich brauchen
wir die optimalen Rahmenbedingungen der Länder, nämlich die individuellen
familiengerechten Kinderbetreuungseinrichtungen, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf bedingen. Und da meine ich Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht
nur für Frauen, sondern auch für Männer.
Heute ist schon einige Male das Thema „Kinderbetreuung“ angesprochen worden. Es sind sich zwar alle darin einig, dass das Ländersache ist, ich frage mich nur: Warum kann Wien nicht das, was wir in Niederösterreich schaffen? – In Niederösterreich ist die Bildungszeit im Kindergarten gratis, und wir liefern damit einen sehr guten Ansatzpunkt. Wenn ich mir anschaue, wie teuer im Vergleich dazu die Kinderbetreuung in Wien ist, dann muss ich sagen: Da kann ich Ihnen nur den Rat mit auf den Weg geben, unserem Beispiel zu folgen und sich einmal an-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 88 |
zusehen,
welch optimale Situation wir in Niederösterreich haben. Diese wird noch durch
Tagesmütter, durch „flying nannys“ und durch andere Kinderbetreuungsprogramme,
die natürlich für unsere Familien leistbar sind, ergänzt.
Ein weiterer
Punkt, den die Frauenministerin in Angriff nehmen wird und den diese Regierung
in ihrem Programm festgeschrieben hat, ist das Vorhaben, die Einkommensschere
zwischen Männern und Frauen zu verkleinern. Zwischen Männern und Frauen gibt es
immer noch einen Einkommensunterschied von rund 31 Prozent. Das ist nicht
allein auf den Umstand zurückzuführen, dass viele Frauen in
Niedriglohnbranchen beschäftigt sind, sondern das hängt auch damit zusammen,
dass unsere gewerkschaftlichen Vertretungen bei der Gestaltung der Einkommensverläufe
in den letzten Jahren wenig Erfolg gehabt haben. Daher wird die Frauenministerin
da gravierende Schritte setzen müssen.
Zweifelsohne haben
Frauen gewaltige Fortschritte in der Qualifikation und in der Ausbildung
gemacht, daher ist diese im Regierungsprogramm festgeschriebene Verringerung
der Einkommensunterschiede ein machbares Ziel. Es ist dies ein wesentlicher
Punkt einer zukunftsorientierten Frauenpolitik. Auch der Rechtsanspruch auf
Qualifikation, der in diesem Programm enthalten ist, wird bewirken, dass der
Einkommensunterschied verkleinert wird.
Eine neue
Frauenpolitik, geschätzte Damen und Herren, wie sie das Regierungsübereinkommen
vorsieht, geht nicht vom alten abgedroschenen Opferfeminismus, dem alten
Feminismus, den die sozialdemokratischen Frauen gepredigt haben, aus, also von
einer Rolle, die die Frau als Opfer verkörpert, sondern sie will Kraft und Mut
zur Selbstbestimmung mit Selbstbewusstsein geben. Wir wollen mit Stärke und
vor allem mit Weiblichkeit einen gesellschaftlichen Dialog führen, der
gesellschaftspolitische Vereinbarungen auch möglich machen wird.
Die
Zusammenführung der Bereiche Frauen und Gesundheit in der Hand von Maria
Rauch-Kallat sehe ich als optimale Lösung an. Das ist eine ideale Kombination.
Ich möchte zu diesen Bereichen nur zwei Punkte anführen. Wir streben, wie im
Regierungsabkommen auch festgeschrieben ist, ein zeitgemäßes Gesundheitssystem
an. Um dies zu erreichen, müssen folgende zwei wesentliche Punkte umgesetzt
werden:
Erstens: Wer krank
ist, der muss sich auf das Angebot und auf die Leistungen eines hochwertigen
Gesundheitssystems verlassen können. Vorrangiges Ziel dabei muss sein, für alle
Bürgerinnen und Bürger, unabhängig vom Einkommen, eine hochrangige Versorgung
zu gewährleisten.
Zweitens: Wer
gesund ist, der soll dabei unterstützt werden, Krankheiten vorzubeugen. Das
heißt, dass wir die Vorsorgemedizin deutlich stärker akzentuieren werden, als
das bisher der Fall war. Wir werden über Bonus-Modelle Anreize zur
Eigenverantwortung geben, denn wir sind der Meinung, dass der Prävention ein
weit höherer Stellenwert als bisher eingeräumt werden muss.
Ich bin davon
überzeugt, dass die Zusammenführung von Krankenversicherung und Unfallversicherung
sowie effiziente Strukturreformen in den Gebietskrankenkassen in Form von
weniger Verwaltung ohne Qualitätsverlust den Versicherten viel Geld werden
einsparen helfen. Wir kennen das am Beispiel des Landesgesundheitsfonds in
Vorarlberg. Er zeigt, dass eine Kostenersparnis bei gleichzeitig besserer
Versorgung im niedergelassenen medizinischen Bereich möglich ist.
Des Weiteren wurde
heute die Beitragsgerechtigkeit angesprochen. Dazu möchte ich sagen: Das ist
doch wohl eine Frage der Fairness und steht daher außer Diskussion.
Zum
Gesundheitsbereich gehören der gesamte Arzneimittelbereich und der
Heilmittelbereich. Der Bogen im Regierungsprogramm spannt sich da von der
Anpassung des Generika-Einsatzes an den europäischen Durchschnitt bis hin zu
einer ökonomischen Verschreibweise.
Abschließend: Was ich mir wünsche, das ist die enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, die im ÖKAP, im Österreichischen Krankenanstalten- und Großgeräteplan, nieder-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 89 |
geschrieben
ist, und zwar vor allem dort, wo wir in den Regionen besonders betroffen sind.
Wenn ich das Wort „Kompetenzzentren“ im Regierungsprogramm lese, dann kann ich
als Niederösterreicherin mit Stolz darauf verweisen, dass wir in unseren
Kooperationsverträgen mit den einzelnen Krankenhäusern bereits diese
Kompetenzzentren haben und auch sehr erfolgreich führen. (Beifall bei der
ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
15.36
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster
Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.
15.36
Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Einleitend ein paar Worte zu dem,
was heute hier gesagt wurde: Wenn sich Herr Bundeskanzler Schüssel für weniger
Schule ausgesprochen und damit gemeint hat, dass die Stunden durchaus dort oder
da reduziert werden könnten, dann muss ich sagen: Man sollte bei diesen
Aussagen auch daran denken, dass wir bereits seit einigen Tagen wissen, dass
jeder vierte Schüler Nachhilfe benötigt. Es wird dafür einen Grund geben. Wenn
man aber in Gesprächen versucht, über effiziente Systeme für die
Wissensvermittlung an den Schulen, die zweifelsohne verbesserungswürdig sind,
zu diskutieren, dann ist Frau Ministerin Gehrer nicht sehr gesprächig. Sie hat
da eher die Vorstellung, all das, was an Veränderungen nötig wäre – was
unserer Meinung nach von Land zu Land unterschiedlich ist –, in der Form
zu machen, dass die Landesschulinspektoren abgeschafft werden. Dazu möchte ich
sagen: Das ist auch eine Möglichkeit – aber nicht jene, die wir uns
vorstellen!
Wenn Vizekanzler
Haupt meint, mit diesem Programm einen schnelleren Zugang zur medizinischen
Versorgung erwirken zu können, dann muss ich ihm sagen: Das hat er das letzte
Mal auch schon gesagt. Ausfluss daraus war die Einführung der Ambulanzgebühren,
die offensichtlich gar nicht so einfach abzuschaffen sind, wie er es
eigentlich gerne möchte. Er will – und das ist auch eine interessante
Sache; bei der Wiener Gebietskrankenkasse kann man das ganz genau
nachvollziehen – zuerst jene Angestellten kündigen, die sich mit der
Einhebung dieser Ambulanzgebühren abplagen mussten, die aber zu dieser
Aufgabenerfüllung gar nicht aufgenommen worden sind. Das heißt, es gibt gar
keine zusätzlichen Arbeitskräfte, die damit befasst waren. Aber Vizekanzler
Haupt will von deren Kündigung abhängig machen, ob man solch eine sinnwidrige
Ambulanzgebühr den Menschen weiterhin zumutet oder nicht.
Der Herr
Vizekanzler will – so lauten seine eigenen Worte – daran gemessen
werden, was er will. Er hat aber ein Problem dabei: Die meisten Menschen und
wir messen ihn an seinen Taten. Doch diese schauen ein bisschen anders aus, als
seine Ankündigungen versprechen.
Wenn Minister
Platter heute gemeint hat, dass er in Bezug auf den Irak den Ankauf der
Eurofighter als notwendig erachtet, dann frage ich mich schon, ob er sich
vorstellt, dass er dann damit aufsteigt und dann hinunterfliegt und irgendwie
mithilft, oder ob er nicht doch die alten Ideen aufleben lassen will, die schon
einmal da waren: NATO – wir spielen mit beim Krieg, wir spielen tschinbum!
Vielleicht glaubt er, damit diese Politik eins zu eins umsetzen zu
können. – Das ist nicht die Politik, die wir uns vorstellen,
meine sehr verehrten Damen und Herren, da können wir nicht
mitgehen!
Aber auch äußerst
Überraschendes und Positives hat man in den Redebeiträgen fast aller
Bundesrätinnen und Bundesräte der hier im Hause vertretenen Parteien gehört.
Ich fand zum Beispiel die Worte von Frau Staatssekretärin Haubner äußerst positiv.
Sie überraschten mich. Es ist vieles okay von dem, was sie heute hier geäußert
hat. Ich wünsche mir aber allerdings, dass ihr die Umsetzung des Programmes, so
wie sie es hier heute dargestellt hat – wobei ich mir bezüglich vieler
Bereiche vorstellen kann, dass sie es wirklich ernst meint und fest daran
arbeiteten wird, um es umzusetzen –, auch gelingt. Ich hoffe, dass sie es
auch mit dieser Regierung zusammenbringt.
Wie gesagt: Nicht Kritik der Kritik wegen soll geübt werden – das ist etwas ganz Wichtiges! Ich möchte es noch einmal sagen, dass ich das Gefühl habe, dass jede Bundesrätin und jeder
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Bundesrat in diesem Haus heute versucht hat, uns mit
ehrlichen Worten hier klar zu machen, was ihr oder ihm an dem
Regierungsprogramm der nächsten Jahre nicht gefällt oder gefällt.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Man sieht aber leider Gottes auch die Unterschiede,
die es offensichtlich allein schon in dieser Bundesregierung gibt und die es
uns schwer machen, diese Regierung als einen homogenen Bereich zu sehen, der
mit einer Stimme spricht.
Es hat zum
Beispiel der Herr Staatssekretär für Sport Schweitzer heute als
Regierungsmitglied von der Regierungsbank aus dieses Haus, diesen Bundesrat als
„Heumarkt“ bezeichnet und sich, und zwar immer von der Seite her, um nur ja
nicht vom Präsidenten oder von der Präsidentin bemerkt zu werden, im
Zusammenhang mit der Rede des Kollegen Molzbichler lustig gemacht und an seine
Adresse gemeint: Und das hast du dir noch aufschreiben müssen! – ich sehe,
er selbst hat sich sehr viel aufgeschrieben und noch sehr viel umgeschrieben,
er wird es offensichtlich selbst noch mehr brauchen –, und hat dann
„herübergeprustet“, wir hätten kein Niveau.
Dazu muss ich
schon sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass allein die Wortwahl
dieses Staatssekretärs zeigt, dass leider bei der Auswahl der
Regierungsmitglieder offensichtlich nicht immer auf Qualität und Niveau Wert
gelegt wurden. – Das muss ich leider Gottes zur Kenntnis nehmen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Noch ein paar Punkte im Schnelldurchgang, die heute teilweise
schon aufgegriffen worden sind und bei welchen wir uns natürlich auch sehr
genau angeschaut haben, von welchen Zahlen da gesprochen wird, welche Zahlen
berechenbar sind, in welchem Konnex sie zu dem stehen, was von dieser
Regierung für die nächsten Jahre an Maßnahmen geplant ist und was auf uns
Österreicher in den nächsten Jahren zukommen wird.
Wenn wir davon
ausgehen, dass allein infolge der Abschaffung der Frühpension bis 2006
zusätzlich 28 000 Menschen Arbeit brauchen werden, dass neue
Grenzgänger, Praktikantenabkommen, Harmonisierung, Aufenthalt und
Beschäftigung, Familiennachzug und EU-Erweiterung in etwa 70 000
zusätzliche Arbeitsplätze notwendig machen werden, es also 12 000 Familienangehörige
laut den Beitrittsverträgen, 11 500 Arbeitskräfte laut Beschäftigungsabkommen,
Wochenpendler und Schlüsselarbeitskräfte, 11 500 Grenzgänger und
Praktikanten und 15 000 Arbeitskräfte auf Grund des
Familiennachzuges bei der EU-Erweiterung sein werden, und wenn wir dann auch
noch die Einschränkung der Altersteilzeit mitberücksichtigen, dann müssen wir
feststellen, dass rund 110 000 Menschen mehr im Jahr 2006 Arbeit
brauchen werden – zusätzlich zu den rund 300 000 Menschen, die
bereits jetzt Arbeit suchen!
Das bedeutet,
meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich,
wenn es in diesem Stil weitergeht, wie dieses Programm zeigt, denn darin sind
keine Folgen, die daraus zu ziehen sind, berücksichtigt, bis zum Jahr 2006
um rund 2 Prozentpunkte steigen wird. Das ist traurig, das ist schlimm!
Was können wir
dagegen machen? – Wir können die Infrastruktur ausbauen – ein ganz
wichtiger Punkt, den wir immer wieder eingefordert haben. Auch Sie, meine Damen
und Herren von den Regierungsfraktionen, sprechen davon, nur: Konkrete Pläne,
konkrete Absichten bleiben Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der
FPÖ, in Ihren Aussagen, in Ihren Programmen und auch in Ihren Umsetzungen
schuldig. Ausbau der Infrastruktur kann nur bedeuten, endlich zu bauen, anstatt
nur zu planen. Das heißt, Sie müssen klar sagen, welche Projekte wann
verwirklicht werden.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Eines ist wohl klar, und Sie wissen es genau so gut
wie ich: Jede Milliarde, die in Straße und Schiene investiert wird – um in
diesem Bereich zu bleiben –, schafft und sichert Arbeitsplätze, und um
diese geht es uns schlussendlich allen. Mindestens
20 000 Arbeitsplätze im Jahr wären notwendig.
Längere Ladenöffnungszeiten – die von dem einen oder anderen als Mittel zur Arbeitsplatzbeschaffung genannt werden – bringen, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, keinen
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 91 |
einzigen Arbeitsplatz. Dabei geht es nur um
Umschichtung, nur darum, dass in vielen Betrieben – ich sage: nicht alle
Unternehmer, aber doch sehr viele – die Möglichkeit gesehen wird, Teilzeit
beziehungsweise geringfügige Beschäftigung einzuführen und Überstundenleistungen
1 : 1 in Form von Freizeit
abzugelten.
Es gibt die
verschiedensten Überlegungen in Richtung Patentrezept „Senkung der Lohnnebenkosten“. –
Wir haben das schon einmal im Bereich der Jugendlichen erlebt. Es ist in
Wirklichkeit nichts geschehen: Es sind nicht mehr Lehrstellen angeboten worden,
es sind nicht mehr Jugendliche in Lehrverhältnisse gekommen. Derzeit suchen
nach wie vor 7 800 Jugendliche einen Lehrplatz, offen sind hingegen
nur 2 700 Lehrstellen, obwohl wir die Lohnnebenkosten für diesen
Bereich um rund 10 Prozentpunkte gesenkt haben.
Wir haben gehört,
die größte Steuerreform, die es je gegeben hat, soll kommen – ich werde
wirklich versuchen, mich zu diesem Thema kurz zu fassen –: Die erste
Etappe ist in einem Ausmaß von 385 Millionen € geplant.
Steuerfreiheit gibt es für einen Monatsbezug in der Höhe von 1 000 €
brutto. – Wunderbar, gut, hervorragend!, sage ich. Eines, bitte, dürfen
wir aber nicht dabei vergessen: Ein Angestellter mit 1 000 € brutto
zahlt 31,80 € an Lohnsteuer. Das wird sich also im Großen und Ganzen mit
dem, was an Verschlechterungen und Verteuerungen kommen wird, teilweise die
Waage halten, das wird teilweise aufgesogen werden. Die höchste Entlastung
durch die erste Etappe wird also dazu führen, dass ein Arbeitnehmer mit
1 000 € zirka 31,80 € weniger wird zahlen müssen.
Der Herr
Bundeskanzler hat heute gesagt, die Steuerreform solle bis 2006 auch ein
Nulldefizit bringen. – Ich fasse das schon fast als eine gefährliche
Drohung auf, denn wie kann man es anders verstehen, wenn wir hier ... (Zwischenbemerkung des Staatssekretärs
Mag. Kukacka.) Herr Staatssekretär! Na, sehr wohl! Wenn wir es
uns leisten können, sehr wohl, aber nicht auf Kosten der unselbständig
Beschäftigten in Österreich! (Neuerliche
Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Mag. Kukacka.)
Ein
Angestellter – Herr Staatssekretär, lassen Sie das auf der Zunge
zergehen! – mit einem Einkommen in der Höhe von 1 000 € gewinnt
durch die erste Etappe der Steuerreform, wie gesagt, 31,80 €, aber für die
Erhöhung der Energiesteuer muss er 3,10 €, für die Freizeitversicherung
0,1 €, für die erhöhten Krankenversicherungsbeiträge 2,50 € und für
die Selbstbehalte 3,90 € zahlen, und somit macht die verbleibende
Entlastung 21,30 € aus.
Bei einem
Angestellten können wir die gleiche Rechnung machen: Da würden von 29,42 €
ganze 24,42 übrig bleiben. Dabei sind aber noch gar nicht alle Selbstbehalte,
die von dieser Regierung geplant sind, miteingerechnet, weil wir sie noch nicht
kennen, und diese kann man auch gar nicht 1 : 1 einrechnen.
Das heißt also,
die Entlastung gibt es nur für diejenigen, die 1 000 € verdienen.
Jene 1,15 Millionen Arbeitnehmer, die jetzt nur 900 € verdienen,
zahlen keine Lohnsteuer, was so viel bedeutet, dass für sie nur die Erhöhungen,
die ich vorhin aufgezählt habe, zum Tragen kommen. Für die Bezieher solch
kleiner Einkommen gibt es also absolut keine Entlastung, sondern es gibt für
sie eindeutig nur eine Verschlechterung, eine Mehrzahlung. Es geht anscheinend
darum, dass man, je weniger an Einkommen da ist, umso mehr herausholen will.
Fast 2,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die
erste Etappe der Steuerreform stärker belastet als entlastet. Ich betone:
2,5 Millionen Arbeitnehmer, meine sehr verehrten Damen und Herren!
385 Millionen €
Entlastung für Arbeitnehmer stehen in der ersten Etappe der Steuerreform
204 Millionen € Belastung allein auf Grund der höheren Energiesteuer
gegenüber. Diese Energiesteuer – und das ist, bitte, auch nicht ganz
unwesentlich, wenn wir von den unselbständig Beschäftigten in Österreich
sprechen – kostet die Unternehmen 200 Millionen €. Die
steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne bringt ihnen aber
400 Millionen bis 600 Millionen €. Das heißt, da ist tatsächlich
ein Gewinn vorhanden.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 92 |
So war es auch
schon unter der letzten Regierung, unter der Regierung Schüssel I. Da
haben wir – und ich durfte oder musste es von diesem Platz aus schon
einmal sagen – aus Indiskretion von Seiten der Arbeitgeber den Brief in
die Hand bekommen, in welchem man den Unternehmen mitgeteilt hat: Leute, regt
euch nicht auf, unter dem Strich bleibt für euch etwas übrig, wir machen das
schon sehr gut! (Ruf bei der ÖVP: Das ist
ein Klassendenken!)
Keine Rede von
Gerechtigkeit, lieber Herr Kollege! Wir reden von Gerechtigkeit: Wenn wir
zahlen müssen, dann sollen es alle tun! Man darf nicht diejenigen, die am
wenigsten haben, zur Kasse bitten, und dort, wo es ohnehin relativ gut
ausschaut, noch etwas dazugeben. (Bundesrat
Himmer: ... 14 000 €
steuerfrei ...!)
Kollege Himmer!
Wenn ich es richtig im Kopf habe, kommen Sie heute noch an dieses Rednerpult.
Heben Sie sich die Worte für diesen Zeitpunkt auf, Sie haben dann die Chance,
sie auszusprechen! (Bundesrat Mag. Himmer: Sie werden es ja noch
aushalten, wenn es einen Zwischenruf gibt!)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Keine Rede von Gerechtigkeit: Pendler bezahlen
mehr, Bauern fahren günstiger. Wenn der Herr Landwirtschaftsminister heute
gesagt hat, das sei eine Gleichstellung gegenüber anderen Ländern, dann muss
ich eigentlich davon ausgehen ... (Neuerlicher Zwischenruf des
Bundesrates Mag. Himmer.) – Sind Sie jetzt fertig? Oder
machen wir noch ein bisschen so weiter? Es ist ja ganz lustig. Die
Störgeräusche, die manchmal von der rechten Seite kommen und den Namen Himmer
als Verursacher haben, sind uns wohlbekannt. – Sagen Sie mir, wenn Sie
fertig sind, dann mache ich weiter. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Himmer und Steinbichler.)
Ich habe es
bereits einmal gesagt: keine Rede von Gerechtigkeit! Das tut natürlich weh, da
muss man sofort anfangen, dazwischen zu schreien. Pendler bezahlen mehr, Bauern
fahren günstiger. Bei Diesel und Benzin geht es um ein paar Cent, wie heute der
Herr Bundeskanzler gesagt hat. Da wir heute schon bei Sprichwörtern waren, es
gibt auch das – umgewandelte – Sprichwort: Wer den Cent nicht ehrt,
ist den Euro nicht wert! Und die Cents, die hier zum Tragen kommen, machen
schon einiges aus.
Der Herr Minister
hat gemeint, die Vergünstigungen für die Bauern in Form der Verbilligung von
Agrardiesel seien eigentlich nur eine Gleichstellung unserer Bauern gegenüber
jenen anderer Länder. Gut, schön! (Zwischenruf
des Bundesrates Steinbichler.)
Ich gehe also
davon aus, lieber Kollege Steinbichler, dass du natürlich nur bei deinem
Traktor diesen Agrardiesel tanken und deine Privatautos, die in der Regel auch
alle Dieselautos sind (Bundesrat Kraml: Mercedes!), nicht mit diesem günstigeren
Agrardiesel auftanken wirst. Oder, noch besser gesagt: Ich muss davon ausgehen,
dass es in dieser Verordnung, in diesem Gesetz (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler), eine Regelung gibt, die diesen
Missbrauch ausschließt. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Ist ja unglaublich!)
Weiters:
20 Prozent weniger bei der „Hacklerregelung“, mehr Pension für die
Bauern! – Die so genannten Reformen bei der „Hacklerregelung“ bedeuten für
diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 20 Prozent weniger Pension –
20 Prozent, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der anderen Seite
gibt es für die Bauern das System mit dem höchsten Bundeszuschuss.
Herr
Staatssekretär! Auch wenn Sie das als unglaublich empfinden, wie Sie wieder
durch einen Zwischenruf kundgetan haben, werden Sie das doch wohl wissen. Dies
erfolgt – ganz einfach! – durch eine Senkung des fiktiven
Ausgedinges. So kann man es machen.
Weiteres Beispiel: weniger Freizeit für die Handelsangestellten, Millionen für gewisse Bereiche der Unternehmer. – Die so genannte Liberalisierung der Ladenöffnungszeit bedeutet für 190 000 Angestellte im Einzelhandel – darunter, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, 140 000 Frauen! – weniger Freizeit am Wochenende. Einzelvereinbarungen können dem Unternehmer dann auf Kosten der Arbeitnehmer 500 Millionen € an nicht ausbezahlten Überstundenzuschlägen bringen. Ich bin seit über 28 Jahren in der Gewerkschaft tätig und
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 93 |
weiß, dass das leider Gottes keine Ausnahme sein
wird, dass diese Möglichkeiten sehr schnell und gleich als Erstes wahrgenommen
werden.
Während es also
Belastungen für Arbeitnehmer regnet, gibt es Steuergeschenke für sehr gut
verdienende Unternehmer und Freiberufler. Ein Unternehmer, der
700 000 € Gewinn macht und nur die Hälfte davon auf dem Firmenkonto
parkt, gewinnt dadurch 85 000 € – ohne dass er davon auch nur
einen Euro in das Unternehmen investieren muss! Auch diese Möglichkeit haben
wir mit diesen neuen Gesetzen, mit diesen Vorschlägen auf dem Tisch liegen.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Es ist eine Flucht aus der Verantwortung, die wir
hier feststellen müssen. Bei den Ladenöffnungszeiten wird die Verantwortung
Richtung Landeshauptleute abgeschoben, das ist einfach und billig! Bei den
Abfangjägern soll die nächste Regierung für die finanzielle Bedeckung sorgen. (Bundesrat Mag. Himmer: Das sagen Sie ...!) Bei den Pensionen wird die
Verantwortung für die Altersvorsorge jedem einzelnen Bürger überlassen –
auch hier gibt es also ein „Ballerl-Schupfen“ in Perfektion. Und hinsichtlich
der Selbstbehalte soll die Selbstverwaltung der Krankenversicherungsträger der
Regierung ihre Aufgaben abnehmen beziehungsweise sollen die Menschen selbst
schauen, wie sie in ihrer Pension mit dem Geld, das von einer so genannten
staatlichen Pension noch übrig bleibt, auskommen.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Bei aller Gutwilligkeit vieler einzelner Personen
ist in diesem Programm angesichts dessen, was gesagt worden ist, sehr viel
Ungereimtes zu finden. Ich glaube, wir müssen – und damit schließe ich
mich meiner Vorrednerin an – gemeinsam versuchen, zumindest die Eckpunkte
wieder so zu verrücken, dass wir für Österreich und nicht gegen
Österreich arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des
Bundesrates Schennach.)
15.55
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr
Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.
15.55
Staatssekretär
im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur mich
betreffenden Bemerkung meines Vorredners halte ich fest, dass ich eigentlich
sehr unvoreingenommen in diese Kammer gekommen bin. Aber wenn einer gleich zu
Beginn versucht, jemanden, der unvoreingenommen hereinkommt, zu provozieren,
dann muss er die Antwort – die dann ungefähr auf dem gleichen Niveau
ausfällt, weil sie verstanden werden soll, auch weiß ich nicht, welches Niveau
Sie sonst noch beherrschen (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen) – ebenfalls zur Kenntnis
nehmen. (Zwischenrufe bei der
SPÖ. – Bundesrätin Schicker:
Erklären Sie uns das!) Da darf man nicht dünnhäutig sein, meine sehr
geehrten Damen und Herren von der SPÖ!
Man soll nicht
dünnhäutig sein, wenn man austeilt. Sie haben Ihrerseits jetzt gerade einmal
mehr dem Kollegen von der ÖVP, wenn ich Sie richtig verstanden habe,
unterstellt, es gebe die Dieselpreisregelung für die Bauern deshalb, damit sie
dann auch ihre Privat-PKWs mit billigem Diesel betreiben können. (Bundesrat Hensler: So ist es! – Bundesrat Reisenberger: Sie haben nicht zugehört!) Das ist eine
Unterstellung, die sogar ich zurückweise, obwohl ich nicht Landwirt bin. Das
ist eine Vorgangsweise, die schlicht und einfach abzulehnen ist. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich lehne es auch ab, dass ein Herr Professor
Albrecht Konecny, ein Fossil einer gescheiterten linken Bewegung (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen), in diese Kammer kommt und 45 Minuten lang (Bundesrat Gasteiger: Sagen Sie ihm das, wenn er da ist, und nicht, wenn er
sich nicht wehren kann!) – er ist immerhin Fraktionsvorsitzender einer
staatstragenden Partei, zumindest möchte das die SPÖ sein – etwas von sich
gibt, das ich Ihrer Beurteilung überlassen möchte. Mir fällt nur auf, dass
vieles von dem, was er gesagt hat, polemisch, manches halbwahr und vieles
unwahr war.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 94 |
Frau Präsidentin!
Sie gestatten, dass ich mich damit etwas genauer auseinander setze, weil es
nicht angehen kann, dass man Halbwahrheiten und Unwahrheiten unwidersprochen
stehen lässt.
Die erste
FPÖ-ÖVP-Bundesregierung musste ihre Arbeit unter schwierigsten Voraussetzungen
beginnen, nicht zuletzt auch deshalb, weil Ihre Parteivorsitzenden Erhebliches
dazu beigetragen haben, dass diese Voraussetzungen auf internationaler Ebene
besonders schwierig waren. Ich denke noch an Klima und an Stockholm, an
Gusenbauer und an Paris sowie viele andere internationale Auftritte, die nicht
im Interesse der österreichischen Bevölkerung waren. Ich habe das nicht
vergessen. (Bundesrat Gasteiger:
Als Haider in Bagdad war, war das auch nicht im Interesse der Bevölkerung!)
Aber diese
Bundesregierung hat es trotzdem geschafft, aus diesem Vermächtnis, das Sie uns
aus Zeiten der Hochkonjunktur hinterlassen haben, einiges zu machen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Da stellt sich
Konecny her und
erzählt uns 45 Minuten lang von einem Land, das ich nicht kenne. (Bundesrat Gasteiger: Sie träumen! – Bundesrätin Schicker: Sie kennen nur das Burgenland!) Zumindest hat vieles
von dem, was er über Österreich gesagt hat, mit Österreich nichts zu tun, Frau
Kollegin Schicker! Ich weiß nicht, warum er Österreich so schlecht machen will.
Geht es ihm zu gut in Österreich? – Es bleibt ihm unbenommen,
auszuwandern. (Bundesrat Gasteiger: Wach werden, Herr
Staatssekretär!) Geht es ihm nicht gut genug? – Es bleibt ihm
unbenommen, dorthin zu gehen, wo jene Zustände herrschen, die er hier
geschildert hat. (Bundesrat Gasteiger: Wach werden, Herr
Staatssekretär!) In Österreich ist das jedenfalls nicht so, meine sehr
geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Bundesräten der ÖVP.)
Aber, mein lieber
Herr Kollege, der Sie mir noch nicht so aufgefallen sind, dass ich Ihren Namen
kenne (Bundesrat Gasteiger: Es reicht mir schon, wenn ich Ihren kenne!), gehen wir zu den Fakten! (Ruf bei der SPÖ: Das ist wirklich
letztklassig!) Herr Kollege Konecny malt Österreich als Land mit den schlechtesten Werten an die Wand.
Die Fakten: Das
Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahre 1999, als wir von Klima die
Regierungsverantwortung übernommen haben, 197 Milliarden €. Heute
sind es 216 Milliarden € – ein Plus von fast 10 Prozent!
Besser oder
schlechter? – Meine Damen und Herren! Besser, und zwar um 10 Prozent.
(Beifall bei den Freiheitlichen.)
Thema
Arbeitsplätze: Österreich hat im Jahre 1999 bei weitem nicht so viele
Arbeitsplätze gehabt wie heute. Wir können mit 3,2 Millionen
Arbeitsplätzen einen Höchststand in der Zweiten Republik verzeichnen, meine
sehr geehrten Damen und Herren von der Linken!
Besser oder
schlechter? – Zahlen sprechen für sich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker:
Früher waren das Vollarbeitszeitplätze!)
Thema
Einkommensentwicklung: Frau Kollegin Schicker! Schauen wir uns einmal an, wie
es dort ist, wo Sie mit Ihrer Geisteshaltung regieren. (Bundesrätin Schicker: Danke!) In Deutschland mit seiner
rot-grünen Regierung gibt es die schlechtesten Wirtschaftsdaten, seit die
Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt damit begonnen haben, derartige
Daten zu erfassen. (Bundesrätin Schicker:
Was hat das mit uns zu tun? – Ruf bei der SPÖ: ... die Konservativen!)
Das ist das Ergebnis einer roten Geisteshaltung, die dort leider in der
Regierung vorherrscht. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Zu welchem Thema reden Sie?)
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Darf ich Sie
nur kurz unterbrechen und ersuchen, mir zuzuhören. Ich bin an sich ein Mensch,
der für seine Geduld bekannt ist. Kollege Bieringer hat mich sogar einmal als
„Mutter des Bundesrates“ bezeichnet. Mütter haben meistens mit Kindern und
anderen durchaus Geduld.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 95 |
Aber ich muss Sie
wirklich darauf hinweisen, dass es um die Vertretung der Position der Regierung
und ihre Regierungserklärung geht. (Staatssekretär
Mag. Schweitzer: Genau das tue ich! – Bundesrat Mag. Gudenus:
Das tut er!) Das, was wir bis jetzt zu hören bekommen haben, war eine Rede
des ehemaligen Abgeordneten Schweitzer. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Nein, nein, nein!) Ich muss Sie also wirklich
bitten!
Sie haben sich
über den Ton hier im Haus beklagt. Ich muss Sie bitten, dass auch Sie sich
eines Tones befleißigen, den wir von Regierungsmitgliedern gewohnt sind. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. –
Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist eine parteiische Vorsitzführung! –
Bundesrat Ing. Klamt: Das sind ja Zahlen und Fakten!)
Staatssekretär
im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Frau Vizepräsidentin!
Ich werde mich weiter mit dem Vergleich zwischen Deutschland und Österreich
sowie mit einem Vergleich der Zeit vor dem 4. Februar 2000 mit jener
danach beschäftigen, und zwar anhand von Zahlen der Statistik Österreich sowie
Zahlen von Eurostat. Ich glaube, diese Zahlen sind von allen hier unbestritten.
Diese Zahlen sagen
aus, dass zum Beispiel die Einkommensentwicklung in Österreich im Vergleich zu
jener im rot-grünen Deutschland wesentlich besser ist. Die deutsche Bruttolohnentwicklung
weist im Zeitraum von 1999 bis 2002 ein Plus von 0,3 Prozent auf. In Österreich
haben wir bei schlechten internationalen Rahmenbedingungen eine
Bruttolohnentwicklung von plus 1,3 Prozent.
Besser oder schlechter,
meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ? – Ich denke, das ist
allemal um einiges, nämlich viermal besser als im rot-grünen Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen. –
Bundesrat Schennach: Sie vergessen die Kosten der Wiedervereinigung!)
Thema
Armutsbekämpfung, Herr Kollege Schennach: Die Mindestpension für Ehepaare
betrug im Jahre 1999 ... (Bundesrat
Schennach: 700 Milliarden € kostet die deutsche Wiedervereinigung!)
Frau Präsidentin!
Ich verstehe nicht, warum die Vertreter der Oppositionsparteien das Datenmaterial
nicht vertragen und immer wieder zu lautstarken Äußerungen hingerissen werden. (Bundesrat Schennach: Laut waren nur
Sie!) Ich würde mich dafür sehr bedanken, wenn ich in aller Ruhe das bloße
Datenmaterial – ohne Polemik, ohne irgendwelche Zusätze, nur um einen
Vergleich anzustellen – vortragen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Zur
Armutsbekämpfung, die Ihnen, Kollege Schennach, so am Herzen liegt: Die
Mindestpension für Ehepaare betrug im Jahre 1999, als Konecny und seine Genossen noch kräftig
mitregiert haben, 841 €, heute hingegen 966 € – ein Plus von
15 Prozent.
Welche Regierung
war besser: die vorherige unter Klima oder die mit einer FPÖ-Beteiligung? (Bundesrat Dr. Nittmann: Die mit
einer FPÖ-Beteiligung!) – Die Zahlen sprechen für sich.
Der Herr Kollege
aus der letzten Bank hat zum Beispiel beklagt, dass es zu keinen Maßnahmen im
Bereich der Infrastruktur komme. Ich darf Ihnen wieder nur Zahlen, ohne
Polemik, entgegenhalten: Die Infrastrukturinvestitionen in Österreich stiegen
von 1999 bis 2002 um fast 21 Prozent, Herr Kollege! 1999 lagen sie bei
2 Milliarden 107 Millionen €, im Jahr 2002 waren es
2 Milliarden 548 Millionen € – und das in Zeiten, in denen
die internationalen Rahmenbedingungen wesentlich schlechter geworden sind.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Zum ersten Mal seit 1945 – und zwar im vorigen
Jahr – gab es in diesem Land überhaupt einen Handelsbilanzüberschuss. Das
haben Sie überhaupt nie zu Stande gebracht. Ich würde gerne den Herrn
Professor fragen, der uns 45 Minuten lang mit Halbwahrheiten geplagt hat,
ob das jetzt besser ist oder schlechter? – Die Zahlen sprechen für sich,
meine Damen und Herren! Das ist wesentlich besser! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 96 |
Wo lag Österreich
im internationalen Ranking, als Ihre Genossen das Ruder in der Hand hatten? Wo
liegt Österreich im internationalen Ranking heute?
Meine Damen und
Herren von der Sozialdemokratie! Österreich hat sich in den letzten drei Jahren
um elf Plätze verbessert und hat das rot-grüne Deutschland sehr flott überholt.
(Bundesrat Schennach: Warum
rasselt man dann von 27 auf 10 Prozent?) Österreich liegt heute im
internationalen Ranking so gut wie noch nie. Auch das ist ein Ergebnis der
Arbeit dieser Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren!
In der
Produktivitätsentwicklung hat Österreich mit einem Wert von 62 Prozent
über den letzten Berechnungszeitraum die Spitze eingenommen, weit vor Japan mit
17 Prozent, den USA mit 43 Prozent und Deutschland mit
51 Prozent. (Bundesrat Schennach:
Herr Schweitzer! Warum sind Sie dann auf 10 Prozent gestürzt? – Bundesrat
Thumpser: Falsche Rede oder wie?) Österreich: 62 Prozent,
meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen sprechen für diese
Bundesregierung.
Herr Kollege
Schennach! Schauen wir einmal die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, für die
Jungunternehmer an! Die Überlebensquote von Jungunternehmen ist ein Indikator.
Diese betrug nach fünf Jahren in Österreich 72 Prozent –
international gesehen absolute Spitze! (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Zahlen, Daten,
Fakten – da kann Herr Kollege Konecny reden, was er will. Ich habe damit, so glaube ich, eindeutig den
Beweis dafür erbracht, dass er von einem anderen Land, irgendwo auf der Welt,
geredet hat. Es kann nicht Österreich gewesen sein, meine sehr verehrten Damen
und Herren! Er sollte froh sein, dass er das Glück hat, nicht in jenem Land
leben zu müssen, von dem er geredet hat, sondern hier in Österreich, wo es eine
sehr erfolgreiche FPÖ-ÖVP-Regierung gegeben hat und es jetzt, wie das sehr
ambitionierte Regierungsprogramm zeigt, weiter eine sehr gute Zukunft für Sie
geben wird. (Bundesrat Schennach:
... 10 Prozent ...! – Rufe bei der SPÖ: 10 Prozent!)
Aber es bleibt Ihnen ja unbenommen. In der Europäischen Union gibt es Reise-
und Niederlassungsfreiheit. Sie können nach Deutschland gehen, meine sehr
geehrten Damen und Herren von der Opposition – problemlos. Packen Sie!
Gehen Sie, wenn es Ihnen hier nicht passt! (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Tiefer als das geht
es nicht!)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ziehen wir doch einmal Bilanz über die heutige Debatte!
(Bundesrat Thumpser: Das ist ja
ein Wahnsinn, dass so etwas auf Schüler losgelassen wird!) – Wo waren
Ihre Vorschläge, mein lieber Herr? Tut Ihnen das sehr weh, wenn man Zahlen
vergleicht? (Bundesrat Thumpser:
Da kann man nur froh sein, dass Sie Staatssekretär sind und nicht mehr Lehrer!) –
Tut Ihnen das sehr weh? (Bundesrat Thumpser:
Nein!) – Gut, nicht. (Bundesrat Thumpser:
Wenn Sie als Lehrer auch so umgegangen sind mit Ihren Schülern, dann kann man
nur froh sein, dass Sie Staatssekretär geworden sind und nicht mehr Lehrer!)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Bei Ihnen hat mir etwas gefehlt, und deshalb habe
ich bei Ihrem Abgang gemeint, Sie hätten noch etwas länger reden sollen,
nämlich so lange, bis Sie mindestens einen konstruktiven Vorschlag in die
Diskussion eingebracht haben. – So viel zum Abschluss.
Vielleicht können
wir uns dann auf eine sachliche und konstruktive Ebene begeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bringen
Sie einen diskutierenswerten Vorschlag, und ich werde mit Ihnen darüber
reden! – Danke, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
16.10
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Der Herr Staatssekretär ist noch nicht aus der Übung als Parlamentarier
gekommen, wie wir alle gehört haben. Sie waren begeistert wie am Fußballplatz.
Ich hoffe, wir machen nicht so weiter.
Es hat sich nun Herr Bundesrat Reisenberger zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich darf ihn aber darauf hinweisen, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 97 |
5 Minuten nicht überschreiten darf. Ich mache weiters darauf aufmerksam:
Die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des zu
berichtigenden Sachverhaltes müssen der Inhalt Ihrer Wortmeldung sein. – Bitte.
16.11
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Es geht ganz
einfach darum, dass man die feinen Unterschiede zwischen Behauptungen und
Unterstellungen hier durcheinander gebracht hat.
Ich habe nicht
behauptet, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, dass ich jedem Bauer unterstelle,
den Agrardiesel für seinen Mercedes oder für sein Dieselfahrzeug zu verwenden,
sondern ich habe die Frage gestellt, ob es auch abgesichert ist, dass er nicht
für Privatzwecke verwendet wird. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie
unterstellen es schon wieder!)
Aber – und
das als Schlusssatz, dann bin ich schon wiederum in meiner letzten Bank, Herr
Staatssekretär – es ist interessant, was wir heute über die Zukunft
bezüglich Sport in Österreich erfahren haben. – Danke schön. (Beifall
bei der SPÖ.)
16.12
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Mag. Tusek. – Bitte.
16.12
Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte
Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates!
Wenn wir nun nach über sieben Stunden Debatte über diese Regierungserklärung in
einzelnen Bereichen, in einzelnen Fragen sehr kontroverser Meinung sind, dann,
so glaube ich, gehört das einfach dazu. Eine Regierungserklärung stellt das
Programm von vier Jahren dar, und in der Demokratie ist es legitim und durchaus
richtig, dass man über verschiedene Detailfragen unterschiedlicher Meinung
sein kann, wenn nicht sogar sein muss.
Wenn ich
allerdings an die Rede von Kollegen Reisenberger denke – er ist leider
nicht da – und hier kurz repliziere, dann halte ich es zumindest für
bedenklich, wenn er ein Horrorszenario für das Jahr 2006, was seiner
Meinung nach die Arbeitslosigkeit dann betreffen wird, aufbaut. Ich halte es
auch für bedenklich, wenn man im Sinne des alten und längst totgeglaubten Klassenkampfes
eine Bevölkerungsgruppe gegen eine andere ausspielen will oder meint, ausspielen
zu müssen. Ich glaube, es bringt nichts, in einer Gesellschaft den Neidkomplex
zu schüren und darzustellen, wie arm die Pensionisten, wie arm kleine Arbeiter
und Angestellte durch diese Regierung gemacht werden, weil sie nur 21 €
oder 24 € im Monat mehr haben, und welche Geschenke dafür Bauern,
Wirtschaftstreibende oder sonst welche Berufsgruppen bekommen sollen. Ich
glaube, das bringt nichts, sondern man soll sich kritisch mit Vorhaben der
Regierung beschäftigen und soll seine Meinung zu einzelnen Fragen
positionieren.
Was mich besonders
freut, ist, dass es einige Bereiche, einige Punkte aus dieser Regierungserklärung
gibt, über die weitgehend Konsens herrscht oder Konsens herrschen dürfte, weil
diese Punkte von der Opposition nicht oder wenn, dann nur in positiver Form,
angesprochen wurden.
Ich denke, gerade
in einer sehr unruhigen Zeit – der Herr Bundeskanzler hat das eingangs in
seiner Regierungserklärung betont –, in einer Situation, in der wir nicht
wissen, wie lange der Weltfriede, sofern es den überhaupt gegeben hat, hält und
wie sich die Situation im Irak entwickeln wird, ist das sehr wichtig. Oder
denken wir – auch das hat der Bundeskanzler eingangs in seiner Rede
erwähnt – an diesen brutalen Mord am serbischen Ministerpräsidenten Zoran
Djindjic. Das sind furchtbare Entwicklungen, genauso wie die Entwicklungen in
der internationalen Terrorszene.
Daher halte ich es
für sehr wichtig und für sehr positiv, dass im Bereich der Außenpolitik offenbar
in diesem Haus Einhelligkeit darüber herrscht, dass auch wir in Österreich
alles daransetzen müssen, dass es zum Frieden und zu keinem Krieg kommt.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 98 |
Dass die
Abrüstung, die Entwaffnung des Irak auch für uns wichtig sind, ist eine zweite
Sache, aber der Vorrang der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates muss
vor Alleingängen einzelner Kriegstreiber, auch wenn sie noch so mächtige
Positionen in der Welt verkörpern, gegeben sein.
Daher ist es
erfreulich, dass in diesen Fragen Einhelligkeit herrscht, wie es der Nationale
Sicherheitsrat auch im Sinne des Europäischen Rates vom 17. Februar
bestätigt hat, im Rahmen dessen vor allem der Wunsch nach Friede betont und
klar und deutlich ausgedrückt wurde, dass Gewalt nur das allerletzte Mittel
sein kann, aber auch nur dann, wenn eine Legitimierung durch den Sicherheitsrat
gegeben ist.
Es ist wichtig,
dass wir gerade in diesen grundlegenden Fragen der Außenpolitik, in den grundlegenden
Fragen einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik möglichst Konsens in diesem
Haus haben.
Innerhalb der
Europäischen Union haben diese letzten Wochen gezeigt, dass wir von der wichtigen
Forderung sehr weit weg sind, dass diese Union mit einer Stimme spricht, wenn
es um außenpolitische Fragen geht. Es ist das sicher kein leichter Weg. Wenn ich
hier in aller Kürze die Erfahrung aus dem Zukunftskonvent einfließen lassen
darf, dann kann man sehr klar und deutlich sagen, dass sich der Konvent bemüht,
eine Lösung für eine einheitliche, effiziente europäische Außenpolitik zu
finden, und dass sich alle Konventmitglieder in der Frage einig sind, dass es eine Außenpolitik und vor allem eine Stimme in der Außenpolitik
geben muss.
Allerdings sind
die Details – das darf ich hier sagen – völlig ungeklärt. Es sind viele
wichtige und entscheidende Fragen in diesem Zusammenhang offen, so zum Beispiel
auch die Frage: Soll der künftige europäische Außenminister – von dem der
Herr Bundeskanzler heute auch gesprochen hat – der Kommission angehören
oder soll er im Rat verankert sein? Soll – und das ist sicherlich gerade
in der jetzigen Zeit eine wichtige und entscheidende Frage – Europa als
eigene Rechtspersönlichkeit einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben? Was
wird auf der einen Seite das ständige Sicherheitsratsmitglied Frankreich, was
wird auf der anderen Seite das ständige Sicherheitsratsmitglied Großbritannien
dazu sagen? Oder soll es in Jahrzehnten eine einheitliche Außenvertretung in
Drittstaaten geben, also keine Botschaften der einzelnen Mitgliedstaaten der
Union, sondern EU-Botschaften?
All diese Fragen
werden sicherlich zu lösen sein, und es ist dies eine Herausforderung nicht nur
für den Konvent, sondern diese Fragen sind auch Herausforderungen für die neue
Bundesregierung, denn letztlich wird die Regierung, wird das Parlament und
höchstwahrscheinlich wird auch das Volk zu diesen Fragen und zu den Ergebnissen
des Konvents Stellung beziehen müssen. Es werden die Ergebnisse – ich bin
sicher, dass im Juni Ergebnisse dieses Konvents vorliegen werden – und
all diese Fragen dann sicherlich innerstaatlich zu diskutieren und dann zu
entscheiden sein.
Das Gleiche, was
für die Außenpolitik gilt, gilt für die Sicherheits- und für die Verteidigungspolitik.
Diesbezüglich kann ich sehr positiv anmerken, dass es in den letzten Jahren, so
scheint es, zu einem Zusammenrücken aller vier in diesem Hause vertretenen
Parteien gekommen ist, dass es Übereinstimmung darüber gibt, dass eine
gemeinsame europäische Sicherheitspolitik anzustreben ist. Das ist sicherlich
ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Auch im Bereich
der Entwicklungszusammenarbeit wird es notwendig sein, neue Wege zu suchen und
neue Wege zu finden. In diesem Zusammenhang erscheint mir besonders wichtig,
dass wir richtige Entwicklungszusammenarbeit betreiben, dass wir nicht weitere
Abhängigkeiten schaffen, sondern in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe für die
Völker der Dritten Welt geben, damit sie – als Ziel, das sicherlich nicht
heute oder morgen zu erreichen sein wird – selbst in der Lage sind, ihre
Aufgaben eigenverantwortlich zu erfüllen, und Existenzgrundlagen in ihren
Ländern finden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ganz bewusst versucht, wichtige Punkte der Außen-, der Sicherheits- und der Verteidigungspolitik im europäischen Kontext zu sehen, weil
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 99 |
diese Fragen für uns und auch für uns als Ländervertreter in
diesem österreichischen Bundesrat wichtig sind. Ich halte es für eine ganz
wichtige und richtige Entwicklung, dass diese entscheidenden Fragen von allen
in diesem Haus entsprechend getragen werden. – Danke. (Beifall bei der
ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)
16.23
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr
Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.
16.24
Staatssekretär
im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Reisenberger hat natürlich ein Recht darauf, auch zum Kapitel „Sport“
einiges zu hören. Da Sie aber gerade gestern und vorgestern in vielen großen
Tageszeitungen so unter dem Motto „Und ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt
sich’s völlig ungeniert!“ inserieren haben lassen und unter anderem auch die
Einrichtung des Sportstaatssekretariats in der Bundesregierung massiv
kritisiert haben, habe ich mir gedacht, wenn Sie das so massiv kritisieren und
in Wahrheit nicht haben wollen, dann haben Sie sicherlich kein gesteigertes
Interesse an dem Ganzen. Aber ich freue mich, dass ich mich in Ihnen getäuscht
habe, und bin gerne bereit, Ihnen einiges Wesentliche zu sagen, was wir im
Bereich des Sports vorhaben.
Im Vordergrund und
ganz aktuell steht natürlich die Bemühung, die Olympischen Winterspiele für das
Jahr 2010 nach Salzburg zu bekommen. Seit gestern hält sich die
Evaluierungskommission des IOC in Österreich auf, und ich werde noch heute
Abend mit den Mitgliedern dieser Evaluierungskommission zusammenkommen. Wir
werden die Sportstätten, die für die Austragung vorgesehen sind, in den
Bundesländern Tirol, Salzburg, Steiermark und auch im benachbarten Bayern
besichtigen und versuchen, der Evaluierungskommission diesen Austragungsort als
den optimalen – und ich bin überzeugt davon, dass es von den
Voraussetzungen her die optimalen Sportstätten sind – entsprechend zu
übermitteln.
Ich bin sehr froh
darüber, dass es meiner Vorgängerin gelungen ist, Österreich und die Schweiz
gemeinsam zum Austragungsort für die Europameisterschaft im Fußball –
immerhin das drittgrößte Sportereignis auf der Welt – zu machen. Es
bedarf jetzt einer intensiven Vorbereitung, insbesondere in den Städten, in
denen Spiele ausgetragen werden. Die Finanzierung von Stadienneubauten und
Stadienausbauten ist gesichert. Gerade am Samstag wurde eines dieser
Europameisterschaftsstadien in der Gemeinde des Kollegen Bieringer eröffnet,
das meiner Meinung nach ein wirklich richtungsweisendes Stadion ist.
In diesem Bereich,
was internationale Großveranstaltungen betrifft, sind wir auf einem guten Weg.
Wir wissen, dass es auf Grund der Tatsache, dass es eine Vielzahl von
Umwegrentabilitäten gibt, immer wieder Sinn macht, sich um solche
Großveranstaltungen zu bewerben.
Mir – und ich
sage das jetzt trotz massiver Kritik – als ausgebildetem Sportler, der ein
Sportwissenschaftsstudium abgeschlossen hat, ist aber auch die Förderung des
Gesundheits- und des Breitensports ein wesentliches Anliegen. Hier bedarf es
einer Professionalisierung bereits im Kindergartenalter. Ich glaube, dass es
wichtig ist, dass von entsprechend ausgebildeten KinderbetreuerInnen ein
umfassendes Bewegungsangebot gemacht wird. Es mangelt mir am umfassenden
Bewegungsangebot bereits in den Kindergärten, und dieses Angebot nimmt
dramatisch ab, wenn man in die Volksschule kommt. Da ist ein Hebel anzusetzen (Bundesrätin Schicker: Ja, durch
Kürzung von zwei Stunden!), und
ich glaube, dieser Hebel ist so anzusetzen, dass wir insbesondere beim
Volksschullehrer, bei der Volksschullehrerin mehr Wert auf die Ausbildung im
Bereich Bewegungserziehung legen.
Was mir auch ein besonderes Anliegen ist – und es sind alle eingeladen, ihre Ideen entsprechend einzubringen –, ist eine bessere Verbindung zwischen Schulsport und Vereinssport. Dieses Bindeglied ist nach wie vor nicht vorhanden, und ich habe das Gefühl, weil wir dieses Bindeglied nach wie vor nicht haben, gehen dem österreichischen Sport viele Talente verloren, weil sie nicht erkannt werden beziehungsweise weil sie in der Schule nicht so lange professio-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 100 |
nell betreut
werden, bis sie tatsächlich den Weg zum Vereinssport und über den Vereinssport
unter Umständen zum Spitzensport gefunden haben.
Auch da bin ich
für jede Idee, die umsetzbar ist, äußerst dankbar. Ob das dann in Form eines
Schulsportvereines oder eines Fachverbandes Schulsport seine Umsetzung finden
wird, ist völlig egal, Hauptsache ist, dass wir ein entsprechendes Bindeglied
zwischen Schule und Verein entwickeln können.
Es wird ganz
wichtig sein – Kollege Schennach wird hoffentlich alle unsere Bemühungen
unterstützen –, dass wir die Darstellung der gesamten Palette des Sports,
einschließlich des Behindertensports, im ORF nicht nur sicherstellen, sondern
auch ausbauen und es vor allem ermöglichen, dass die Sendezeiten so gelagert
sind, dass es entsprechende Einschaltquoten geben kann, denn
Berichterstattungen in TW1 von 1 Uhr Früh bis 3 Uhr Früh erzielen
nicht sonderlich hohe Einschaltquoten (Bundesrat
Binna: Gar keine!) und sind dann auch für Sponsoren nicht sonderlich
attraktiv. – Bitte? (Bundesrat Binna:
Gar keine!) – Ja. Es wird also an uns liegen, bessere Sendeplätze für alle
Sportarten im Bereich der Berichterstattung auch vom ORF1 zu bekommen, weil
Sponsoren natürlich Interesse an Quoten haben. Und nur so ist es möglich, mehr
Geld für den Sport flüssig zu machen.
Das Budget wird in
Summe nicht viel mehr hergeben, obwohl wir erreichen konnten, dass, weil wir
jetzt das Jahr der Behinderten haben, ein Extrazuschuss in der Höhe von
1,5 Millionen € insbesondere für den Behindertensport in diesem Budget
vorgesehen sein wird.
Das sind die
wesentlichen Vorhaben in Kürze, damit ich nicht mit dem Vorwurf leben muss, ich
hätte zu meinem ureigenen Bereich im Bundesrat nicht entsprechend Auskunft
gegeben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
16.30
Vizepräsidentin
Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau
Bundesrätin Bachner. – Bitte.
16.30
Bundesrätin
Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau
Präsidentin! Sehr geschätzte Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen, liebe
Kollegen des Bundesrates! Ich gebe zu, dass ich heute zu dieser Sitzung mit
einer gesteigerten inneren Erwartung gegangen bin. Erstens war ich neugierig,
wie man denn von Seiten der Regierung das Regierungsprogramm interpretieren
wird, und zweitens war ich natürlich sehr gespannt auf die neuen Kolleginnen
und Kollegen, die jetzt hier auf der Regierungsbank sitzen. Ich muss ganz
ehrlich sagen, ich war angenehm überrascht.
Ich habe heute in
den vielen Stunden – der Kollege hat es schon gesagt, es sind mittlerweile
schon etwas mehr als sieben Stunden – doch sehr viel von den neuen
Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, von den neuen
Regierungsmitgliedern an fachlichem Input erlebt. (Beifall bei Bundesräten
der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Langsam!)
Vor allem habe ich auch gemerkt ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Man
sollte auch positiv denken, völlig richtig, so sehe ich das auch immer, auch
wenn es nur kurze Zeit andauert. – Nein, Spaß beiseite, ich meine es so, wie
ich es gesagt habe, ich war angenehm überrascht und habe sehr viel Positives an
fachlichem Inhalt gehört. (Vizepräsident Weiss übernimmt den
Vorsitz.)
Vor allem haben
mir die Vortragsweise, die Tatsache, dass doch ein Händereichen festzustellen
war – das habe ich großteils bemerkt –, und auch die Einladung gefallen. Es hat
mir besonders von Herrn Minister Pröll gefallen, dass er gesagt hat: Wir wollen
drei Monate Zeit geben, jeder soll sich einbringen können, auch die
Sozialpartner sind eingeladen. – Das sind für mich Vorgangsweisen, mit
denen ich leben kann. Wenn man das in Zukunft so handhabt, dann ist es, so
meine ich, möglich, Programme gemeinsam zu gestalten, und dann werden sie auch gemeinsam
getragen.
Dieser positive Eindruck, den ich jetzt geschildert habe, hat genau bis zu dem Zeitpunkt angehalten, als Sie, Herr Staatssekretär, am Wort waren. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Un-
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glaublich! Was ist passiert?) Sie haben die Vorarbeit
Ihrer Kolleginnen und Kollegen – diese können nicht einmal etwas
dafür – leider mit ein paar Worten, insbesondere mit Ihrem Auftritt, muss
man eigentlich sagen, zunichte gemacht. Ich denke mir, dass das Ihrer nicht
würdig ist, denn genau in Ihren zweiten Ausführungen, in denen Sie fachlich auf
Ihr Ressort eingegangen sind, haben Sie bewiesen, dass Sie es können. (Heiterkeit.)
Warum beginnen Sie
nicht schön langsam, sich in die Rolle des Staatssekretärs einzufügen? (Staatssekretär
Mag. Schweitzer: Habe ich ja begonnen! –
Bundesrat Konecny: Nach der Probezeit kann man ihn
nicht kündigen!)
Sie würden sich selbst, Ihrer Partei, ja der gesamten Regierung einen Gefallen
damit tun. Das ist nur ein kleiner Hinweis von mir.
Nachdem Sie, Herr
Staatssekretär, einige Zahlen interpretiert haben – und das ist Ihr gutes
Recht –, nehme ich mir auch dieses Recht heraus. Und das sind belegbare
Zahlen. Das hat aber nichts mit Ihnen alleine zu tun; Sie haben sich allerdings
so auf Ihre Zahlen berufen.
Ich gehe in meinen
Ausführungen zuerst einmal auf die Arbeitslosenzahlen ein. Diese wurden heute
schon ein paar Mal zitiert, aber leider immer falsch, denn in Wahrheit gibt es
genau 340 000 Arbeitslose. Unsere Statistiken werden nämlich nie genau
zitiert, es handelt sich immer nur um die arbeitslos Gemeldeten. Da bin ich
schon bei den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers Haupt, der gesagt hat, es
seien 295 000. Da hat er Recht. Was er aber nicht dazu gesagt hat, sind
die 45 000, die in Schulungsmaßnahmen sind. Diese haben derzeit noch keine
Arbeit, sondern werden nach Beendigung dieser Schulungsmaßnahme auch als Arbeit
Suchende auf dem Arbeitsmarkt sein. Das heißt, in Wahrheit haben wir
340 000 Arbeitslose.
Jetzt kann man
lange hin- und herreden, in Vergleich mit welchem Land wir besser oder schlechter
sind. Das ist den 340 000 Menschen, die davon betroffen sind, in
Wahrheit schnurzegal – ich sage das so ungeschönt –, denn sie stehen
vor der Situation, dass sie keine Arbeit haben. Von diesen 340 000 sind
45 000 Jugendliche – man muss sich einmal die Perspektive von
45 000 jungen Menschen vorstellen! – und 60 000 ältere
Arbeitnehmer, davon sind wiederum 15 000 bereits länger als ein
Jahr – länger als ein Jahr! – in der Arbeitslosigkeit.
Wenn heute der
Beschäftigungszuwachs und so weiter propagiert wurde, dann muss ich dem
entgegenhalten: Das stimmt ja auch nicht, bitte! Auch dort werden Zahlen
eingerechnet, die einfach zu den Steigerungsraten nicht gehören. Rechnet man
nämlich die Kindergeldbezieher heraus, dann sieht man, dass in Wahrheit die
Beschäftigtenrate um 24 000 Personen gesunken ist. – Wenn man
Statistiken zitiert, dann sollte man sie auch richtig zitieren!
Jetzt komme ich zu
meinem nächsten Thema. Ich habe es in der letzten Sitzung des Bundesrates
schon angesprochen, aber da heute die Regierungsvertreter anwesend sind, möchte
ich das noch einmal tun und ihnen manches Ersuchen mit auf den Weg geben. Ich
habe jetzt die Arbeitslosensituation dargestellt. Heute haben wir schon sehr
oft auch darüber gesprochen, dass im Regierungsprogramm die Maßnahme vorgesehen
ist, dass die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer oder bei
Arbeitslosigkeit bis 2009 wegfallen soll.
Ich habe das auch
das letzte Mal bereits erwähnt, aber man kann es, wie ich meine, nicht oft
genug sagen: Allein durch die Anhebung des vorzeitigen Pensionsalters um
eineinhalb Jahre, die vor zwei Jahren erfolgt ist, ist die Arbeitslosigkeit bei
Männern um 117 Prozent und bei Frauen um 80 Prozent gestiegen. Mehr
als 50 Prozent der Menschen, die derzeit in Pension gehen, gehen nicht
mehr aus dem Berufsleben in Pension, sondern gehen aus der Arbeitslosigkeit,
aus der Sozialhilfe oder aus dem Notstand heraus in Pension.
Genau durch diese
Maßnahme – und das bestätigen auch die Wirtschaftsforscher –, wenn
wir das vorzeitige Pensionsantrittsalter bis 2009 streichen, wird sich entweder
die Situation auf dem Arbeitsmarkt oder auf dem Arbeitslosensektor
verschärfen. Aber in Wahrheit sind die Leute davon betroffen. Entweder sie
haben keine Arbeit, oder sie haben das Problem, dass sie zu jung für die
Pension, aber zu alt für den Job sind.
Es wurde heute sehr oft gesagt, dass es die „Hacklerregelung“ gibt. Ich weiß jetzt noch nicht genau, wie das gemeint ist. Es steht auch nur mit einem sehr kurzen Satz im Regierungspro-
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gramm. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob alle wissen,
was die „Hacklerregelung“ ist. Es gibt nämlich die vorzeitige Alterspension
wegen langer Versicherungsdauer und die so genannte „Hacklerregelung“. Es wird
so interpretiert, dass die „Hacklerregelung“ – dies wurde mehrfach auch
in Zeitschriften so erwähnt – für Schwerarbeiter oder Sonstiges gilt. Das
ist nicht der Fall, sondern die „Hacklerregelung“ gilt für alle, für Männer und
für Frauen, für Frauen, die mit 55 Lebensjahren 40 Beitragsjahre
haben, und für Männer, die mit 60 Lebensjahren 45 Beitragsjahre
haben. Und das ist völlig unabhängig davon, wo jemand vorher beschäftigt war.
Es ist egal, ob es sich um einen Arbeiter, Angestellten oder sonst jemanden
handelt. – Das ist die „Hacklerregelung“.
Jetzt freut es
mich sehr, wenn man diese beibehalten möchte, weil ich denke, dass das auch der
richtige Ansatz ist. Frauen erreichen dies nur ganz schwer, Männer noch eher,
aber auch nur dann, wenn sie bereits mit 15 Jahren zu arbeiten beginnen
und kontinuierlich ohne längere Unterbrechung – denn weder
Krankengeldbezug noch Sonstiges wird da hineingerechnet – bis 60 arbeiten
gehen. Kolleginnen und Kollegen! Wenn man nicht gerade wirklich einen traumhaften
Job hat, dann meine ich, das müsste eigentlich für die Alterssicherung
ausreichen. Ich denke mir, dass das ausreichende Zeiten sind.
Es wird zwar
gesagt, diese so genannte „Hacklerregelung“ soll bleiben, aber im Regierungsprogramm
steht in jenem Absatz, der sich mit dem Bonus-Malus-System beschäftigt, dass es
in Zukunft keine Deckelungen mehr geben wird. Das würde bei der
„Hacklerregelung“ sehr wohl das bedeuten, was Kollege Reisenberger schon
erwähnt hat. Wenn ich nämlich die 4,2 Prozent Malus betrachte und die
Tatsache, dass jene Kolleginnen und Kollegen, die nach der „Hacklerregelung“ in
Pension gehen, dies vor dem Regelpensionsalter tun, dann folgt daraus, dass
diese über 20 Prozent im Vergleich zu früher verlieren. Das heißt, das
muss man den Leuten auch klar machen, oder man ist so fair und gerecht und zieht
eine Deckelung ein, so wie es jetzt der Fall ist. Bei den Abschlägen ist jetzt
eine Deckelung eingezogen, somit kann das nicht voll durchgreifen.
Ich hoffe, dass
das bei den endgültigen Verhandlungen – ich hoffe, dass noch nicht alles
fixiert ist – noch mit berücksichtigt werden kann.
Alle anderen
Maßnahmen, und zwar sowohl die Reduzierung des Steigerungsprozentsatzes von
2 Prozent auf 1,78 Prozent als auch die Durchrechnung, werden sich in
Zukunft bei den Pensionen massiv niederschlagen, vor allem bei den
Frauenpensionen, weil diese unterschiedliche Berufsverläufe haben und
dadurch die Durchrechnung besonders massiv schlagend wird.
Das heißt, in
Zukunft wird Folgendes eintreten: Die Menschen müssen länger arbeiten und
werden weniger Pension bekommen.
Jetzt bin ich bei
all jenen, die heute schon gesagt haben, ja aber man muss doch die demographische
Entwicklung kennen, und muss doch wissen, dass die Menschen länger leben, und
das muss man finanzieren können und so weiter. – Da bin ich völlig
d’accord, das habe ich schon das letzte Mal gesagt. Sehr geschätzte Damen und
Herren des Bundesrates! Diese Maßnahme wird allerdings nur deswegen gesetzt,
weil der Finanzminister bis zum Jahr 2006 eine Milliarde € fürs
Budget braucht, und nicht, weil das System gesichert werden soll! Wir kennen
die Problematik bei der Pensionsvorsorge und verlangen schon seit langem, dass
dieses Thema bei den Gesprächen über das Regierungsprogramm und bei den
Verhandlungen ausgeklammert wird und dass sich alle vier Parteien zusammensetzen
und in Ruhe über ein neues System diskutieren sollten. Da soll man sich ruhig
Zeit lassen, so sehr drängt die Zeit noch nicht. Man sollte zu einem
harmonisierten System kommen, das für alle gleich gilt. Ich denke, wenn da die
Lebensplanung berücksichtigt ist, wird es auch jeder mittragen. Wir sind aber
gegen Ad-hoc-Situationen und Geldbeschaffungsaktionen, die derzeit von dieser
Regierung gemacht werden. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Sehr geschätzte Damen und Herren! Da das Licht schon leuchtet, muss ich meine Ausführungen etwas kürzer halten, aber ein paar Punkte möchte ich zu den anderen Bereichen noch machen. Es gäbe zu den Pensionen noch viel zu sagen, es ist dies eines meiner Lieblingsthemen,
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 103 |
aber auch zum Gesundheitssystem. Es wurden heute viele
Dinge dazu gesagt. Es wurde gesagt, die Krankenscheingebühr soll abgeschafft
werden, die Ambulanzgebühr soll abgeschafft werden. Ich bin positiv denkend,
ich nehme an, dass dies letztendlich doch passieren wird.
Es ist dies derzeit
noch nicht passiert, weil man die 280 Personen, die mit der Verrechnung
der Ambulanzgebühr beschäftigt waren, nicht einfach vor die Tür setzen möchte.
Da kann ich mich als Gewerkschafterin nur dafür aussprechen und dafür bedanken,
dass das nicht passiert. Ich kann Ihnen aber auch mit auf den Weg geben, dass
das gar nicht notwendig ist, denn diese 280 Personen, die sowieso nicht
nur für diesen Bereich aufgenommen wurden, könnte man, sofern sie jetzt nicht
ausgelastet sind – ich weiß, wie schwer beschäftigt die Kolleginnen und
Kollegen in den Versicherungsträgern sind –, ohne weiteres in der
Betriebsprüfungsabteilung einsetzen. Dort wäre höchster Handlungsbedarf, diese
Abteilung ist total unterbesetzt, das heißt, sie kommen mit den
Betriebsprüfungen nicht nach. Sehr viele Sozialversicherungsbeiträge, die uns
in Wahrheit im System wieder fehlen, können somit nicht rechtzeitig eingefordert
werden. Deshalb wäre es sinnvoll, diese Überlegungen anzustellen, bevor man
einen Sozialplan für diese Personen überlegt. Diese würden sich ungeschaut
rechnen angesichts dessen, was sie bei den Betriebsprüfungen hereinbringen.
Das kann ich Ihnen versprechen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Ich halte es für
nicht sehr fair – das haben viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner
schon gesagt –, dass man Verantwortung auf die Sozialversicherungsträger
abschiebt und diesen den Auftrag erteilt, Selbstbehalte einzuführen, weil man
selbst in Wahrheit mit der Reform des Gesundheitssystems überfordert ist. Das
halte ich für keine sehr mutige Vorgangsweise, auch wenn die Regierung das
Gegenteil behauptet.
Wenn ich an die
Strukturreform der Gebietskrankenkassen und die Aufteilung der Unfallversicherungsanstalten
denke, läuft mir der kalte Schauer über den Rücken. Herr Kollege Schennach hat
es heute schon gesagt, und ich bestätige das: Dort soll in Wahrheit unter dem
Titel „Strukturreform“ Folgendes passieren – und das steht klar und
deutlich auch darin –: Anpassung an das Modell des Hauptverbandes. –
Na wunderbar! Das Modell des Hauptverbandes, das wir jetzt haben, kostet
nämlich mehr als jenes, das wir vorher hatten. Oder können Sie mir nachweisen,
dass das anders ist? – Großartige Reformen hat dieser Hauptverband in der
letzten Zeit nicht geschafft, ganz im Gegenteil. (Zwischenruf des
Bundesrates Fasching.) – Nein,
das ist ein Irrtum.
Sie könnten sagen,
dass wir Hans Sallmutter decken müssen oder Sonstiges. Dazu möchte ich
bemerken, Herr Wetscherek – er ist sicher nicht der Sozialdemokratischen
Partei zuzuordnen (Beifall bei der SPÖ) – bestätigt in Wahrheit,
dass dieses Vorhaben völlig sinnlos ist. Vielleicht hören Sie, wenn Sie schon
uns nicht glauben wollen, etwas mehr auf die eigenen Leute, das sind nämlich
die Experten! Vielleicht hören Sie einmal zu, denn dann können wir vielleicht
noch einiges verhindern. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Was ich aber als
Affront betrachtet habe, war die Aussage des Herrn Vizekanzlers am „Runden
Tisch“ am Dienstagabend. Das ist wieder die typische Art zu polemisieren.
Offensichtlich sind sich einige ihrer Rolle noch nicht bewusst. Er hat gesagt,
dass es notwendig sei, Reformen zu machen, denn da gebe es noch immer
Privilegien bei Pensionen und so weiter und so fort. Und dann sagte er vor
laufender Kamera in der Sendung „Runder Tisch“, dass das die Menschen draußen
nicht verstehen würden. – Glauben Sie wirklich, dass die Menschen verstehen,
dass die Frau Vizekanzlerin oder Herr Reichhold ihr Gehalt weiter bekommen? So
ist es! (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.)
– Für alle gleich! Da
stimme ich voll mit Ihnen überein. Auch das werden die Leute nicht verstehen.
Man kann nicht immer nur einseitig polemisieren! (Zwischenruf des
Staatssekretärs Mag. Kukacka.)
Da kennen Sie mich
aber schlecht! Mag schon sein, aber ich bin an und für sich in meiner Gruppe
bekannt dafür, dass ich auch bei eigenen Kollegen sehr kritisch bin, wenn etwas
aus meiner Sicht nicht passt.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 104 |
Abschließend
möchte ich zu diesem Thema sagen, dass auch der Herr Bundeskanzler –
leider kann ich es ihm nicht selbst sagen – eine irritierende Behauptung
aufgestellt hat, indem er nämlich die Mitarbeitervorsorgekasse als
Pensionskasse deklariert und gesagt hat, dass es diesbezüglich eine
Übereinkunft mit den Sozialpartnern gebe. (Bundesrätin Kainz: Das kann
nicht stimmen!) – Das stimmt überhaupt nicht. Die
Mitarbeitervorsorgekasse ist keine Pensionskasse, sondern eine
Abfertigungskasse. Über die Abfertigungskasse gibt es Einvernehmen mit den
Sozialpartnern, aber nicht über eine Pensionskasse. – Das sei nur gesagt,
damit Sie das auch richtig gestellt mit auf den Weg nehmen können.
Zum Abschluss
kommend: Beim vorletzten „Runden Tisch“ hat unser Herr Bundeskanzler zum Thema
„Abfangjäger“ nach längerer Diskussion und vehementer Hinterfragung eines Journalisten
gesagt: Also, bitte schön, tun Sie doch nicht so herum, ein so reiches Land wie
Österreich wird sich doch die Luftsicherheit leisten können! – Auch heute hat
er dasselbe noch einmal gesagt, er hat nicht „reiches“ Land gesagt, ich habe
ganz genau aufgepasst, sondern er hat gesagt, ein „wohlhabendes“ Land wie
Österreich werde sich doch die Luftsicherheit leisten können. Aber von diesem
wohlhabenden oder reichen – jetzt können Sie es sich aussuchen – Land
verlange ich auch, dass wir uns die soziale Sicherheit leisten können. Und es
geht nicht an, dass wir dort sparen! (Beifall bei der SPÖ und des
Bundesrates Schennach.)
16.48
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 105 |
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich
Herrn Bundesrat Ing. Klamt das Wort. – Bitte.
16.48
Bundesrat
Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr
Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr verehrten Damen und
Herren des Bundesrates! Die Freiheitliche Partei Österreichs hat in den letzten
Jahrzehnten für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes eine hervorragende
Oppositionspolitik gemacht. Natürlich muss man festhalten, dass wir damals während
der Zeit der rot-schwarzen Koalition ein weites Betätigungsfeld vorgefunden
haben. Wir haben Ungerechtigkeiten, die sich über Jahre aufgebaut haben,
schonungslos angeprangert und damit den Boden für notwendige Reformschritte
aufbereitet.
Die Freiheitliche
Partei Österreichs hat sich in der letzten Legislaturperiode zur Übernahme von
Regierungsverantwortung bekannt und mutige Reformvorhaben getragen. Wir sind
auch in dieser Legislaturperiode wieder bereit, Verantwortung zu übernehmen
und den für Österreich so wichtigen Reformkurs mitzutragen.
Die
Budgetkonsolidierung muss natürlich fortgesetzt werden. Eine Steuerentlastung
muss kommen. Die Pensionsfinanzierung ist mittel- und langfristig
sicherzustellen. Die medizinische Versorgung der Österreicherinnen und
Österreicher muss in hoher Qualität weiterhin leistbar sein. Die Sicherung und
Schaffung von Arbeitsplätzen und die damit in unmittelbarem Zusammenhang
stehende Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreichs sind uns ein echtes
Anliegen.
Die
Verwaltungsreform und die Staatsreform sind unabdingbar, weil wir unser
Gemeinwesen moderner, effizienter und für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
nachvollziehbarer machen wollen.
Bei aller
Wertschätzung für das Regierungsprogramm, das ich selbstverständlich mittragen
werde, muss ich aber festhalten, dass dieses Regierungsprogramm im Moment
natürlich nur ein Papier ist. Dieses Papier muss erst mit Leben erfüllt
werden, und das wird kein leichter Weg sein. Die Abgeordneten der
Freiheitlichen Fraktion in unserem Hause werden sehr darauf achten, dass die
Umsetzung des Regierungsprogramms sozial verträglich bleibt. Die freiheitliche
Handschrift wird in der Arbeit dieser Regierung – davon bin ich
überzeugt – erkennbar sein und garantiert, dass in den nächsten Jahren
Politik nicht nur mit Vernunft, sondern auch mit Herz betrieben wird.
In diesem Sinne
wünsche ich der neuen Regierung sehr viel Kraft und sehr viel Erfolg. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
16.52
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich
Herrn Staatssekretär Mag. Kukacka das Wort. – Bitte.
16.53
Staatssekretär
im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut
Kukacka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Zuerst möchte ich einige Worte zu Kollegin Bachner sagen. Sie
ist zwar leider jetzt nicht anwesend, aber man kann es ihr vielleicht
mitteilen.
Ich bedanke mich
zuerst einmal für die freundliche Qualifizierung der Regierungsmitglieder. Ich
werde meinen Kollegen das natürlich weiterleiten, und ich hoffe sehr, dass sie
sich mit ihrer Überzeugungskraft auch in der eigenen Fraktion entsprechend
durchsetzen wird, denn, meine Damen und Herren, das, was an sonstigen
Unfreundlichkeiten gegenüber der Regierung gesagt wurde, werde ich heute nicht
näher kommentieren.
Ich habe heute
meinen staatstragenden Tag. Wir sind in der Zeit schon sehr fortgeschritten.
Ich habe mir selbst eine Redezeitbeschränkung auferlegt. Ich will also heute
hier entsprechend zurückhaltend sein.
Aber eines, so
glaube ich, muss man schon sagen: Wenn Sie ehrlich und gerecht sind, dann
wissen Sie so gut wie wir, dass Österreich nach wie vor ein Land mit ganz hohen
Sozialleistungen ist, und dann müssen Sie mit uns auch einer Meinung sein,
dass wir dieses hohe Niveau nur dann halten können, wenn es zu den von der
Regierung vorgesehenen Reformen kommt. Darüber sind sich alle Experten dieses
Landes einig, meine Damen und Herren!
Deshalb glaube
ich, sollten wir in dieser Frage nicht vordergründig parteipolitisch
polemisieren, sondern sollten wir gemeinsam diese Kraftanstrengung versuchen,
dieses hohe Sozialsystem zu halten und alles dafür zu tun, dass wir zum
Beispiel in der Familienpolitik, so wie das derzeit der Fall ist, auch in den
nächsten zehn Jahren Europameister bleiben können. (Beifall bei der ÖVP und
bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Zuerst möchte ich als neuer Staatssekretär im Bundesministerium für
Verkehr, Innovation und Technologie meinen Bundesminister Hubert Gorbach für
die heutige Sitzung entschuldigen. Sie wissen, er ist heute in Brüssel, er ist
wegen der Transitproblematik bei der Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, und
ich bitte den Bundesrat, auch in seinem Namen um Verständnis für seine heutige
Abwesenheit.
Die
Bundesregierung und unser Ministerium haben sich für die nächste
Legislaturperiode ein ganz großes Aufgabengebiet vorgenommen. Seit der
Zusammenlegung der Infrastrukturbereiche Straße und Schiene in ein
Bundesministerium, so wie das letzte Legislaturperiode geschehen ist und wie
wir das auch heuer in den neuen Regierungskompetenzen weiter fortsetzen werden,
ist ein ganz wichtiges Standortministerium für den Wirtschaftsstandort
Österreich geschaffen worden, von dem auch in Zukunft ganz erhebliche wichtige
Impulse für Wirtschaft und Arbeitsplätze in diesem Lande ausgehen werden.
Als positive
Konsequenz daraus ist auch eine entsprechende Koordinationskompetenz mit diesem
neuen Ministerium entstanden, das heißt, alle Verkehrsträger, also Wasser,
Luft, Schiene, Straße, sind in einer Hand zusammengefasst worden, und es ist
daraus in der letzten Legislaturperiode zum ersten Mal in dieser Republik ein
Gesamtverkehrsplan, ein Generalverkehrsplan entwickelt worden. Erstmals seit
Jahrzehnten verfügen wir also über ein entsprechendes Planungsinstrument, das
Bund, Länder, Gemeinden und allen Interessenvertretungen, aber auch der
Öffentlichkeit entsprechend zur Verfügung steht und auch die notwendige Transparenz
bei den zukünftigen Infrastrukturausbaumaßnahmen garantiert.
Dieser
Generalverkehrsplan, meine Damen und Herren, wird in dieser Legislaturperiode
entsprechend evaluiert und weiter entwickelt werden, vor allem in seinen
Hauptkorridoren nach den EU-Beitrittskandidatenländern, also in Richtung
Norden, Osten und Süden, weil es darum geht, schnelle und leistungsfähige
Anbindungen zu schaffen.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 106 |
Natürlich wird ein
wichtiges Hauptaugenmerk auch auf den Hauptkorridoren liegen, insbesondere
beim Schienenverkehr. Das heißt, wir müssen ganz massiv weiter in die Westbahn
und in die Südbahn investieren.
Verstärkt werden
wir in diesem Zusammenhang auch versuchen, so genannte PPP-Modelle umzusetzen,
also mit Beteiligung privater Investoren und Betreiber, um den Straßen- und
Schienenausbau schneller, billiger, effizienter und natürlich auch
budgetschonender durchführen zu können.
Aus diesem Grunde
werden wir auch das Vergaberecht und das UVP-Recht auf seine Beschleunigungsmöglichkeit
überprüfen, das heißt, wir wollen die Genehmigungs- und Behördenverfahren
beschleunigen. Wir wollen, dass unsere Infrastrukturbauten schneller,
effizienter und damit auch billiger abgewickelt werden können.
Eine sinnvolle und
zukunftsorientierte Übergangsregelung für den Transit zu finden, ist natürlich
auch eine ganz wichtige Aufgabe dieser Bundesregierung. Die Bundesregierung
wird jedenfalls alles unternehmen, um von der Europäischen Union die
bestmögliche Übergangslösung nach Auslaufen des Transitvertrages bis zum
In-Kraft-Treten der neuen Wegekostenrichtlinie zu erreichen.
Dazu, meine Damen
und Herren, bedarf es aber vor allem auch der Unterstützung aller Parteien
sowohl hier im Hause als auch im Europäischen Parlament. Die Transitfrage
sollte kein parteipolitisches Streitthema sein, sondern im nationalen Konsens
und in einem gemeinsamen Schulterschluss aller Parteien gelöst werden.
Schließlich, meine
Damen und Herren, wird die Einführung des LKW-Road-Pricings ab 1. Jänner 2004
auch dazu führen, dass der Straßengüterverkehr insgesamt teurer wird, und wird
damit letztlich auch im Verkehr zu einer besseren Kostenwahrheit führen.
Mit dieser
Verteuerung der Straße wird es auch zu einer besseren Konkurrenzfähigkeit der
Schiene und der Wasserstraße kommen, und das wird natürlich auch dem
nationalen Schienenverkehr und den Österreichischen Bundesbahnen nützen. Aber
wir brauchen auch eine Reform dieser Österreichischen Bundesbahnen, denn nur
dann, wenn es gelingt, eine tatsächliche Verlagerung zu umweltverträglicheren
Verkehrsträgern, also von der Straße zur Schiene und zur Wasserstraße zu
finden, werden wir die Verkehrsprobleme der Zukunft lösen.
Meine Damen und
Herren! Deshalb hat sich die Bundesregierung auch eine umfassende Strukturreform
der Österreichischen Bundesbahnen vorgenommen. Die Bahn muss moderner, sie muss
schneller, sie muss effizienter, und sie muss kundenorientiert und damit
insgesamt wettbewerbsfähiger werden.
Meine Damen und
Herren! Eine nicht zu unterschätzende Frage dabei ist: Die Kosten, die heute
die ÖBB verursachen, müssen in einer besseren Relation stehen zum
verkehrspolitischen Nutzen, den derzeit die Österreichischen Bundesbahnen
erreichen. Das ist derzeit nicht ausreichend der Fall; und dieses Verhältnis
deutlich zu Gunsten des Konsumenten, zu Gunsten gesamtpolitischer
Verkehrslösungen zu verändern, ist auch eine wichtige Aufgabe, die sich diese
Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Nur so werden wir die verkehrspolitischen
Herausforderungen der Zukunft bewältigen können, meine Damen und Herren!
Dazu brauchen wir
eine Verkehrspolitik, mit der man sich diesen Herausforderungen tatsächlich
mutig stellt und mit der man wichtige und notwendige Entscheidungen auch
tatsächlich trifft und nicht wie in der Vergangenheit immer wieder auf den
Sankt Nimmerleinstag verschiebt.
Diese Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, hat sich die Bundesregierung zur Aufgabe gestellt, und es wird eine Verkehrspolitik der Sachlichkeit und der realistischen Problemlösungen sein müssen. Wir dürfen in diesem Bereich nicht, wie das auch des Öfteren geschieht, Emotionen und Ängste schüren, sondern wir müssen gerade in diesem Bereich Ängste abbauen und verantwortungsbewusst umgehen. So kann es uns gelingen, dem Wirtschaftsstandort Öster-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 107 |
reich eine gute Weiterentwicklung zu sichern. – Danke. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
17.03
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort.
17.03
Bundesrat
Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Die heutige
Diskussion um die Regierungsbildung, die ich wie Sie alle seit den
Morgenstunden verfolge, hat auch für mich überraschende und nicht überraschende
Komponenten gehabt.
Das, was mich in
keiner Weise überrascht hat, war die Professionalität, mit der die Regierungserklärung
vorgetragen wurde. Ich glaube, gerade wenn man sich an die Worte, die der
Bundeskanzler anlässlich der Ermordung des Zoran Djindjic gefunden hat,
erinnert, hat man das Gefühl, dass wir einen Bundeskanzler haben, der ein
Staatsmann von Format ist. Es überrascht mich auch überhaupt nicht, dass die
einzelnen Mitglieder der Bundesregierung ihre Kompetenz in Ruhe und Sachlichkeit
in die Diskussion eingebracht haben.
Es hat mich in der
Zwischenzeit auch nicht mehr überrascht, dass dann Kollege Konecny ordentlich angezündet und
eingeheizt hat und doch mit einer gewissen Tiefe den Angriff „geflogen“ hat.
Es ist dann auch immer üblich, wenn die Stimmung angeheizt ist und von der
Regierungsbank vielleicht das eine oder andere derbere Wort kommt, dass die
Empörung darüber groß ist. Das Schauspiel haben wir schon einige Male –
ich weiß nicht, wie oft – hier erlebt.
Ich muss in diesem
Zusammenhang auch sagen: Gerade die Wortmeldung von Staatssekretär Schweitzer
war sicherlich nicht der diplomatische Höhepunkt einer staatsmännischen Rede,
aber etwas Inkriminierendes war nicht dabei. (Zwischenruf der
Bundesrätin Auer.) Ich
würde mir daher wünschen, dass sich Frau Kollegin Haselbach die Sorgen, die sie
sich immer macht, wenn es um Redner, seien es Regierungsmitglieder oder
Mandatare, anderer Fraktionen geht, dann macht, wenn der eigene Fraktionsobmann
am Wort ist. Diesbezüglich gebe es auch immer wieder einiges zu bemängeln. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nun zur
Regierungserklärung selbst: Von Seiten der Opposition ist der Eindruck
entstanden, dass richtige Themen angesprochen worden sind, und das zeigt
eindeutig, dass diese Regierungserklärung die Handschrift von Profis hat, die
erkannt haben, worum es in den nächsten Jahren in diesem Land tatsächlich geht.
Für wesentlich halte ich, dass, wenngleich wir hier immer wieder darüber
Debatten führen werden, wie die Verteilungspolitik stattfinden soll, wohl zunächst
einmal klar sein muss, dass das Geld, das wir zur Verteilung bringen, zuvor einmal
irgendwo erwirtschaftet worden sein muss.
In diesem
Zusammenhang ist wohl klar, dass wir die hervorragende Stellung, die Österreich
in der Exportwirtschaft, im Tourismus hat, auszubauen haben, die Stärken
verbessern und unsere Schwächen abbauen müssen. Ich glaube, dass wir auch beim
Bildungssystem auf einem guten Fundament aufbauen, aber selbstverständlich
kann hinsichtlich der Qualifikation nie genug getan werden.
Ich habe die
Diskussion darüber, ob es zwei Unterrichtsstunden weniger für die Schüler geben
soll – ich weiß nicht, wer damit angefangen hat, ich glaube, es war
Kollege Reisenberger –, etwas kleinlich gefunden, vor allem den Hinweis,
das in Zusammenhang mit den Nachhilfestunden zu stellen. Ich kann mich an
meine Schulzeit noch sehr gut erinnern und habe den Kontakt zu den Leuten, die
noch in der Ausbildung sind, nicht verloren. Ich glaube, dass gerade Schüler
mit 14, 15 Jahren sehr viele Unterrichtsstunden haben, und dann sollen sie
noch nach Hause gehen, die Hausaufgaben machen und etwas lernen. Das steht
überhaupt in keinem Widerspruch, denn wenn man noch zwei Stunden mehr
Unterricht hat, dann kommt man noch weniger dazu, zu Hause zu repetieren.
Diesen Zusammenhang habe ich also nicht verstanden. Ich weiß auch nicht, wie es
Kollegen Reisenberger in der Schule ergangen ist.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 108 |
Worauf ich hinaus
möchte und was mir am Wesentlichsten erscheint, ist, dass wir als Österreicher
einfach die Kraft haben müssen, die spannenden politischen Fragen anzugehen,
die uns tatsächlich weiterbringen. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass das
Thema mit der Osterweiterung außer Streit steht. Es ist wohl völlig klar,
dass wir mit der kommenden Erweiterung der Europäischen Union in den
Mittelpunkt des europäischen Wirtschaftsraumes rücken, dass das für uns, für
die gute Exportwirtschaft, die wir haben, natürlich eine weitere große Chance
bedeutet, zusätzliche Märkte zu erobern, und dass wir damit die Euros in unser
Land bekommen, die wir dann hier im Rahmen heftiger Debatten, bei denen wir
über die Verteilungspolitik sprechen, auch zuordnen können.
Es wurde immer
wieder angesprochen, man müsse investieren. Das ist völlig richtig, und es ist
auch klargestellt worden, dass die Infrastrukturinvestitionen in der letzten
Legislaturperiode 21 Prozent Steigerungsrate erreicht haben.
Es ist richtig und
wichtig, dass man in die Straße und Schiene investiert. Es ist by the way auch
nicht so unwichtig, in die entsprechenden Datennetze zu investieren, aber
gleichzeitig muss dabei auch gewusst werden, wenn der Aufruf kommt, dass wir
in die Infrastruktur investieren müssen, dass auch dieses Geld, das wir aus
guten und richtigen Gründen in die Infrastruktur investieren und indem wir um
die weiteren volkswirtschaftlichen Implikationen, um Arbeitsplätze Bescheid
wissen, a priori einmal von irgendwo herkommen muss.
Daher möchte ich
noch auf den zweiten Bereich, auf die Verteilungspolitik eingehen. Wenn wir
heute hören, der Vorschlag der Sozialdemokratie wäre gewesen, es sollten sich
alle vier Parteien zusammensetzen und einen gemeinsamen Konsens über die
Pensionsreform finden, dann muss ich sagen: Ich höre die Botschaft wohl, allein
mir fehlt der Glaube. Das kann wohl auch nie eine Grundlage dafür sein, dass
man auf einer solch weichen Basis etwa eine Regierung bildet – nach dem
Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. – In dem
Arbeitskreis werden genau dieselben Dinge auch mit den unterschiedlichen
Betrachtungspunkten herausbrechen, wie wir sie hier aus den Debatten kennen.
Daher muss ich sagen: Der Vorschlag, dass man sich zusammensetzt, ist
prinzipiell immer gut, aber die „Innovativität“ dieses Vorschlages hält sich
in engen Grenzen.
Auch bei dieser
Debatte um die Pensionsreform sind wir natürlich in einer Auseinandersetzung,
dass jeder seine Gruppe vertritt, ob das jetzt bei den Frühpensionisten, bei
den Beamten, Bauern et cetera ist. All das ist gut und richtig und natürlich,
aber ich glaube, man muss trotzdem immer festhalten, dass das Geld – für
welche Gruppe auch immer es dann erobert wird – nur ein Mal ausgegeben
werden kann. So fair und sozial man immer für jemanden in dem Zusammenhang
eintritt, muss man immer gleichzeitig mit bedenken, welcher anderen Gruppe man
denselben Betrag weniger rechnet. (Präsident Hösele übernimmt den
Vorsitz.)
Nachdem schon das
Lämpchen blinkt, möchte ich zum Schluss kommen und noch auf eine Frage
eingehen, die immer wieder gestellt worden ist: Wozu haben wir gewählt? –
Ich möchte in aller Höflichkeit sagen, diese Fragestellung halte ich für sehr
beschränkt intelligent (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger), weil
es letztendlich niemandem verborgen geblieben ist – daraus hat weder die
Volkspartei noch die Freiheitliche Partei ein Geheimnis gemacht oder hätte es
auch nicht machen können –, dass es einen fundamentalen Konflikt in dieser
Regierung gegeben hat. Aber daraus abzuleiten, dass es danach diese Form der
Regierung nicht mehr geben darf, wenn sich aus den Beratungen mit den anderen
Parteien ergibt, dass die inhaltliche Übereinstimmung über das, was man
sachlich für dieses Land weiterbringen möchte, mit den Freiheitlichen am
stärksten gegeben ist, mit denen wir gemeinsame Positionen zu all den Themen,
die heute angesprochen worden sind, erarbeitet haben, dann sage ich, das ist
echte Politik. Es gefällt mir auch am Kabinett Schüssel, dass tatsächlich
Politik gemacht wird.
Ich denke, das ist der Paradigmenwechsel, den das Land in den letzten Jahren erfahren hat. Man richte den Blick auf die Abnützungserscheinungen der Sozialdemokratie, die ihren Höhepunkt in Viktor Klima gefunden haben, der sozusagen in der „Seitenblicke“-Gesellschaft geglaubt hat, mit Ankündigungen Politik machen zu müssen, und damit seiner Partei selbst ein Ei gelegt hat, weil der Nachfolger als Vorsitzender genau in das selbst kreierte „Schicki-Micki-Bild“,
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 109 |
wie Sie die
Politik selbst mit Spin-Doktoren und allem Drum und Dran dargestellt haben, am
wenigsten hineingepasst hat. (Bundesrat Gasteiger: Herr Himmer!
Lassen Sie das!)
Daher gefällt mir
sehr gut, dass ganz konkret Politik gemacht wird – eine Regierung mit
einem klaren Programm, Regierungsmitglieder, die Vollprofis sind. Ich habe ein
gutes Gefühl für dieses Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
17.15
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat
Herbert Thumpser. Ich erteile es ihm.
17.15
Bundesrat
Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr
geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte mich nur ganz kurz auf ein Thema „stürzen“, das ich leider im
Regierungsprogramm überhaupt nicht finde. Es wird zwar in zwei Randbemerkungen
der ländliche Raum erwähnt, es wird aber in keinem einzigen Wort in diesem
Regierungsprogramm die Stärkung der Gemeinden niedergeschrieben.
Wenn man sich das
Regierungsprogramm durchliest, dann muss man auch als Bürgermeister einer
kleinen Gemeinde mit rund 3 500 Einwohnern etliches oder einiges
befürchten, weil ich glaube, dass sich zum Beispiel – um nur zwei
Beispiele herauszunehmen – gerade die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten
auf kleine Gemeinden kontraproduktiv auswirkt. Es steht zwar im Programm, dass
die Ladenöffnungszeiten deshalb ausgeweitet werden sollen, um den Kaufkraftabfluss
ins Ausland zu verhindern, ich glaube aber, dass man mit der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten
nicht den Kaufkraftabfluss ins Ausland verhindert. Man begünstigt
allerdings dadurch den Kaufkraftabfluss in die Ballungszentren, weil kleinere
und mittlere Betriebe mit den Ladenöffnungszeiten nicht mehr mitkommen, weil
zum Beispiel eine Bäckerei in Traisen mit zwei Beschäftigten im Rahmen der
Ladenöffnungszeiten nicht länger offen halten kann und deshalb in einem anderen
Spannungsverhältnis zu den Großmärkten steht. Deshalb glaube ich, dass sich die
Ladenöffnungszeiten in diesem Zusammenhang kontraproduktiv auswirken.
Jetzt komme ich
kurz zu Kollegen Himmer; es dürfte anscheinend in diesem Hause so üblich sein,
dass die Redner nach ihrer gehaltenen Rede gleich gehen. (Bundesrat Weiss: Sie sind
erschöpft!) – Sie sind erschöpft.
Ein zweites
Beispiel, das zwar im Regierungsprogramm enthalten ist, aber mit Bildung und
auch mit den Gemeinden in einem Zusammenhang steht: die zwei Stunden, die Kollege
Himmer angesprochen hat. Ich glaube auch, dass die zwei Stunden pro Woche für
Schülerinnen und Schüler entbehrlich sind. Sie sind dann entbehrlich, wenn
nicht – wie es in der Vergangenheit bei Einsparungsmaßnahmen geschehen
ist – Förderstunden gestrichen werden. Das ist eines der Hauptprobleme,
mit denen wir im ländlichen Raum in kleineren Gemeinden kämpfen. Seit
zweieinhalb, drei Jahren werden die Leistungen seitens des Bundes an der
Lehrerschaft, an der Bildung gekürzt. Und was ist gekürzt worden? – Förderstunden.
Das ist der eine Bereich.
Auf der anderen
Seite weiß ich nicht, wie der Herr Staatssekretär reagieren würde, wenn gerade
die Turnstunden entfallen würden, weil er in seiner Erklärung genau das
Gegenteil behauptet hat. Aber wenn zwei Stunden entfallen, dann habe ich die
Befürchtung, dass es genau diese Förderstunden sind, die für jene Kinder da
sind, die Lernschwächen haben. Dann ist schon auf die Ausführungen des Kollegen
Reisenberger Bezug zu nehmen, der das in Zusammenhang mit den dementsprechenden
Kosten für zusätzlichen Unterricht außerhalb der Regelschulzeit gebracht hat.
Auf etwas anderes
will ich hinweisen, Herr Staatssekretär: Es steht im Regierungsprogramm –
ich möchte das vorlesen –: Um die Grundausbildung auch weiterhin
flächendeckend zu sichern, werden wir die kleinen Schulen im ländlichen Raum
erhalten. Sie sind nicht nur Bildungs-, sondern auch zentrale Kulturträger in
den Gemeinden.
Ich kann diesen Satz nur dreimal oder viermal unterstreichen, nur hätte ich mir auch gewünscht, dann in dem Regierungsprogramm zu finden, wie diese Schulen, wie die Gemeinden finanziell
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 110 |
ausgestattet werden, um ihnen die gleichen Rahmenbedingungen bieten
zu können wie jenen Schulen in den städtischen Gebieten. Das ist zurzeit eines
der Hauptprobleme der Gemeinden. Gemeinden sind zum Teil heute nicht mehr
finanzierbar, wir haben in Niederösterreich – ich weiß nicht, wie
viele – viele Ausgleichsgemeinden, die zum Land betteln gehen müssen, um
den Haushalt ausgleichen zu können. Diese Gemeinden sind nicht in der Lage, die
Infrastrukturen für diese Schulen anzuschaffen.
Gestern im
Sonderpädagogischen Zentrum in Traisen sagte die Frau Direktor zu mir: In
Zukunft wird ein Teil der Schulbücher nur mehr auf CDs und über Internet
gelehrt. Die Schulbücher kommen zum Teil auf CDs oder via Internet. Das heißt
für ein Sonderpädagogisches Zentrum: Jede Klasse hat einen Internet-Anschluss,
jede Klasse braucht die dementsprechende Anzahl an Computern, damit die Kinder
auch lernen können – mit der Problematik, dass das natürlich über die
Gemeinden finanziert werden muss.
Sehr geehrter Herr
Staatssekretär! Den Gemeinden fehlt zum Teil – wenn das in anderen Regionen
anders ist, dann freue ich mich – für diese notwendigen, sinnvollen
Investitionen das Geld. Da hätte ich mir in einer Regierungserklärung auch
etwas zum Thema Gemeinden erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich hätte mir zum
Beispiel auch erwartet, dass unter dem Schlagwort „Näher zum Bürger“ unter
Umständen auch Vorschläge in dieser Regierungserklärung enthalten sind, welche
Aufgaben Gemeinden in Zukunft übernehmen könnten. Ich kann mir als Bürgermeister
gut vorstellen, dass bei uns das Meldeamt vielleicht in Zukunft Pässe
ausstellt. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir als Gemeinde zum Beispiel
Führerscheine ausstellen. All das kann ich mir vorstellen. Nur steht in diesem
Regierungsprogramm nichts. Ich kann es mir nur dann vorstellen – das
möchte ich auch dazu sagen –, wann natürlich die Gemeinden das Geld dafür
bekommen, um diese Investitionen anzuschaffen. Aber es steht leider nichts in
diesem Regierungsprogramm.
Aber wir als
Gemeinden – ich glaube, da bin ich nicht alleine – wären unter dem
Schlagwort „Näher zum Bürger“ gerne bereit, Aufgaben in diesem Bereich zu
übernehmen. So wie es bisher war, kann es meiner Meinung nach nicht mehr sein.
Wir haben seit kurzem ein neues Fundgesetz. Der Bürgermeister ist zuständig
für die gefundenen Sachen, deren Auffindung auch ins Internet zu stellen
ist – mit all den notwendigen Administrationen. Das finde ich in Ordnung.
Aber dieses Gesetz wurde beschlossen, dieses Gesetz wurde gemacht und muss von
den Gemeinden exekutiert werden, und zwar ohne einen Cent eines finanziellen
Ausgleiches dafür.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zu diesem Thema Gemeinden
hätte ich mir in diesem Regierungsprogramm mehr erwartet – vor allem auch
unter der Voraussetzung, dass der Städte- und der Gemeindebund mittlerweile den
Gemeinden mitgeteilt haben, dass für das Jahr 2003 die Erhöhung der
Krankenhausfinanzierung um rund 8 Prozent ins Haus steht, dass die
Erhöhung der Sozialhilfe für die Gemeinden mit einer Steigerungsrate in der
Höhe von 7 Prozent erwartet wird und dass aber gleichzeitig die
bundeseinheitlichen Abgaben um 5 Prozent gesenkt werden. Nicht umsonst
steht zum Schluss in diesem Schreiben, die Gemeinden können den Staat
finanziell nicht retten, aber der Staat kann die Gemeinden finanziell
ruinieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
17.23
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr
Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.
17.23
Bundesrat
Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident!
Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der im
Nationalrat beschlossene und in ähnlicher Form auch heute eingebrachte
Entschließungsantrag ist verschiedentlich auf Kritik gestoßen.
Ich verstehe nun eine gewisse Überraschung darüber, dass die Regierung in einer Art Zirkelschluss ersucht wird, das von ihr vorgelegte Programm auch tatsächlich umzusetzen. Andererseits kann es wirklich keine Überraschung sein, dass auch auf parlamentarischer Ebene ein
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 111 |
Signal der grundsätzlichen Übereinstimmung mit den
Zielen der Bundesregierung gesetzt wird, und das wollen wir heute tun.
Zu der weiters
gehörten Befürchtung, die Gesetzgebungsorgane würden sich mit einer solchen
Entschließung geradezu selbst fesseln, und der Bundesrat würde sein
Einspruchsrecht und Zustimmungsrecht vorweg konsumiert haben, sage ich
Folgendes: Wir sollten in dieser Frage, die theoretisch ihre Berechtigung haben
mag, nicht päpstlicher sein als der Papst. Die beiden Klubobmänner der Regierungsparteien
haben die Wirkung der Entschließung wie folgt charakterisiert: Klubobmann
Mag. Molterer am 9. März im „Kurier“: Von einem Blankoscheck für die
Regierung kann keine Rede sein. – Klubobmann Scheibner am 8. März in der
„Presse“: Man hat Unterstützung für die Regierung gezeigt, aber sicherlich
nicht alle Vorhaben abgesegnet.
Diese Art von
Zustimmung kann auch ich gerne geben. Ich gebe sie für das Land Vorarlberg auch
ausdrücklich und auf der Grundlage der gegenüber den Landeshauptmännern gemachten
Zusage des Herrn Bundeskanzlers, dass beim Finanzausgleich und bei der
Staatsreform, namentlich beim Verfassungskonvent, in bewährter Weise nur im
Einvernehmen mit den Ländern vorgegangen werde.
Diese starke
Einbindung der Länder wird gelegentlich so interpretiert und kritisiert, dass
damit bloß teurer Föderalismus erstarrt und fortgeschrieben werde. Das geht nun
völlig an der Tatsache vorbei, dass andere Bundesstaaten wie beispielsweise
die Schweiz oder Deutschland deshalb – unter anderem maßgeblich
deshalb – einen geringeren Verwaltungsaufwand haben, weil sie Föderalismus
im Gegensatz zu uns etwas konsequenter umgesetzt haben. Ich erwähne nur als
kleines Beispiel von vielen, dass dort die Bundesministerien den
Gesetzesvollzug nahezu ausnahmslos den Ländern überlassen, während bei uns
viele zusätzliche Bundesbehörden in den Ländern für aufwändige
Doppelgleisigkeiten sorgen und regionale Synergieeffekte verhindern.
Dass der Bundesrat
im Regierungsprogramm nicht aufscheint, ist einerseits eine Beruhigung und
andererseits eine Herausforderung. Die Beruhigung liegt darin, dass es im
Gegensatz zu früher – ich erinnere an die Koalitionsvereinbarungen mit
der SPÖ –, abgesehen von der allgemeinen politischen Zweckmäßigkeit und
der der eigenen Partei naturgemäß geschuldeten Gemeinschaftlichkeit, keine
ausdrückliche vertragliche Verpflichtung gibt, wonach die Willensbildung im
Bundesrat ausnahmslos jener des Nationalrates folgen müsse, und zwar selbst
dann, wenn das im Widerspruch zur Vertretung von Länderinteressen stünde, die
beispielsweise durch eine Landtagsentschließung artikuliert sein könnten.
Die
Herausforderung liegt andererseits darin, dass der Bundesrat bisher –
nicht einmal mehrheitlich – über das Stellungnahmerecht hinaus keine konkreten
Vorschläge für eine stärkere Stellung in der Bundesgesetzgebung entwickelt hat.
Wir sollten uns daher nicht darüber alterieren, dass sich andere Leute den
Kopf darüber zerbrechen, ob der Bundesrat in seiner derzeitigen Form –
nicht an sich – tatsächlich geeignet sei, die Länder an der Bundesgesetzgebung
wirkungsvoll zu beteiligen. Die Bedeutung dieser Beteiligung wird naturgemäß
in dem Maße zunehmen, in dem die Länder Gesetzgebungszuständigkeiten an den
Bund übertragen. Dass sich das abzeichnet, ist auch aus dem Regierungsprogramm
unschwer zu entnehmen. Bei der Neuordnung der Zuständigkeit für das
Vergaberecht haben allerdings sowohl der Nationalrat als auch die Länder
deutlich gemacht, dass sie unter wirkungsvoller Mitwirkung der Länder etwas anderes
als den Bundesrat in seiner heutigen Form verstehen. Dort wurde
ausdrücklich – zusätzlich, nicht alternativ – ein eigenes
Zustimmungsrecht der Landesregierungen verankert.
Die erwähnten
Stellungnahmen der Klubobmänner von ÖVP und FPÖ stellen ganz deutlich klar,
dass es sich beim Regierungsprogramm durchwegs um eine gesamthafte
Bemühenszusage handelt, deren konkrete Ausprägung – je nach Materie
unterschiedlich – erst noch vorzunehmen sein wird.
Zwischen dem Zeithorizont der gesamten Gesetzgebungsperiode und der jeweils nächsten Sitzung gäbe es natürlich noch eine abgestufte Konkretisierung, nämlich ein Jahresprogramm der gesetzgebenden Vorhaben der Bundesregierung. In der Schweiz ist es beispielsweise be-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 112 |
währte Übung, dass die Regierung dem Parlament für
jedes Jahr ein konkretes Arbeitsprogramm vorlegt, über dessen Schwerpunkte und
Prioritäten diskutiert wird und das einen wesentlichen Beitrag dazu leistet,
dass die Gesetzgebung nicht zu kurzatmig und fehlerhaft wie bei uns arbeitet.
Auch die Kommission
der EU – im Allgemeinen sonst als schlechter Gesetzgeber verschrien –
ist verhalten, jedes Jahr ein konkretes Arbeitsprogramm vorzulegen und zur
Diskussion zu stellen. Ich rege daher neuerlich an, dass sich auch bei uns die
Bundesregierung um die Formulierung von jährlichen Etappenzielen bemüht und
dass darüber jeweils ein eingehender Dialog mit den Organen der
Bundesgesetzgebung und naturgemäß auch mit den Ländern und Gemeinden
stattfindet. Damit würde die Gesetzgebung transparenter und von den bekannten
nachteiligen Formen legistischer Ungeduld befreit. Natürlich muss auch in einem
solchen System Platz für ausnahmsweise kurzfristige Entscheidungen sein, aber
ihre faktische Regelmäßigkeit würde doch weitgehend eingeschränkt.
Das
Regierungsprogramm zählt bereits in seinem ersten Kapitel zahlreiche
verfassungspolitische Vorhaben auf, die für die Länder und Gemeinden von
großem Interesse sind. – Kollege Thumpser, der sich vorhin über die
kurzfristige Abwesenheit des Vorredners Himmer alteriert hat, ist
interessanterweise jetzt selbst auch nicht mehr im Saal. (Heiterkeit und
Beifall bei der ÖVP.)
Diese Vorhaben
münden letztlich in der Absicht, einen Verfassungskonvent einzurichten. Das ist
ein begrüßenswertes Signal, die einzelnen Vorhaben noch eingehend diskutieren
zu wollen, denn ich nehme nicht an, dass sie als Vorwegnahme der
Konventsberatungen zu verstehen wären. Das wäre auch deshalb schwer möglich,
weil sie durchwegs konkretisierungsbedürftig sind.
Ich nenne nur drei Beispiele: Was ist beispielsweise konkret unter einer Stärkung der Koordinierungs- und Planungskompetenz des Bundes zu verstehen? Oder was soll unter einem europäischen Legalitätsprinzip verstanden werden? Wie soll diese wünschenswerte Adaptierung der Kompetenztatbestände aussehen?
Eine weitere
interessante Frage, die ziemlich bald aktuell werden dürfte, lautet: Auf
welchem Niveau erfolgen Vereinheitlichungen? – Vorarlberg unterstützt voll
und ganz die Haltung des Landes Wien, wonach sich beim Tierschutz die
Einheitlichkeit nicht an dem niedrigsten, sondern an dem höchsten Schutzniveau
orientieren sollte. Alles andere wäre jedenfalls für unser Land kein
Fortschritt, sondern ein Rückschritt für den Tierschutz.
Ähnliches wird
wohl auch für ein einheitliches Dienstrecht der Verwaltung gelten.
Diesbezüglich ist nach wie vor die Antwort auf unsere Frage offen, ob wir in
Vorarlberg unsere Gehaltsreform – mit einer völligen Gleichstellung von
Angestellten und Beamten, einer Abkehr von der Einstufung nach Schulbildung
und der Abschaffung der Pragmatisierung – etwa wieder rückgängig machen
müssten, obwohl sich diese in der Praxis sehr bewährt und auch als Innovation
im öffentlichen Dienstrecht anerkannt ist.
Zur
Einheitlichkeit noch ein kurzer Vorgriff auf die anstehende Änderung des Bundesministeriengesetzes:
Dass beim Tierschutz an die Stelle von neun Landesgesetzgebern gleich vier Bundesministerien
treten sollen und die Vielfalt tierschutzrechtlicher Bestimmungen in zahlreichen
Bundesgesetzen und unterschiedlichen Vollziehungszuständigkeiten offenbar
völlig unberührt bleibt, ist kein hoffnungsfroh stimmendes Beispiel für die
angebliche Effizienz von Einheitlichkeit. (Demonstrativer
Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)
Ähnliche Vorsicht ist am Platze, wenn den Ländern Eigenständigkeit bei der Einhebung eigener Steuern verheißen wird. Abgesehen von der Frage, wo dem im Sinne des Belastungsausgleichs und der Belastungsneutralität eine ausgleichende Entlastung auf Bundesebene gegenüberstünde, ist auf Folgendes hinzuweisen: Eine Steuerhoheit der Länder setzt die Möglichkeit voraus, dass die Länder in völlig unterschiedlicher Weise davon Gebrauch machen können. Wie lange das nun Bestand haben würde, wenn wir andererseits von einer Abschaffung der Anzei-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 113 |
gen- und
Ankündigungsabgabe der Länder – die in der Sache selbst natürlich gute
Gründe für sich hat – und von einer Vereinheitlichung des
Abgabenverfahrensrechtes lesen, sei mit einem großen Fragezeichen versehen. Wir
fürchten nämlich, dass der Vereinheitlichungsdruck sehr bald auch vor der
Finanzhoheit der Länder nicht Halt machen würde. Dass mehr Steuerhoheit der
Länder weniger Finanzausgleichsmasse bedeutet, möchte ich aus der Sicht meines
Landes nur am Rande, aber doch durchaus teilnahmsvoll erwähnen.
Nationalratspräsident
Fischer hat die Sorge geäußert, dass aus dem geplanten Verfassungskonvent ein
Regierungskonvent werden könnte. Mich beschäftigt aus Ländersicht eine ganz
andere Sorge. In der von den Präsidenten des Nationalrates und des Bundesrates
gemeinsam vorgenommenen Weichenstellung für den Konvent gab es zwei für die
Länder wesentliche Fixpunkte – ich füge an dieser Stelle einen Dank dafür
ein, was der derzeitige Präsident des Bundesrates in einer für die Länder sehr
vorteilhaften Weise in diesen Vorschlag eingebracht hat –: Erstens soll
die Einrichtung des Konvents nicht einseitig durch den Bund, sondern im Wege
einer politischen Vereinbarung aller Gebietskörperschaften als gemeinsames
Projekt erfolgen, bei dem alle wesentlichen Rahmenbedingungen gemeinsam
festgelegt werden. Zweitens sollen nicht nur alle Landesregierungen, sondern
auch alle Landtage mit zwei Vertretern eingebunden sein.
Das orientiert
sich ganz offenkundig an der von Österreich beim EU-Konvent gerne wahrgenommenen
Möglichkeit einer entsprechenden Repräsentanz der Gesetzgebungsorgane. Nach
Tisch liest es sich nun möglicherweise etwas anders: Von zwei Vertretern der
Landtage – das heißt, von einer Einbeziehung auch der zweitstärksten
Partei – ist angesichts der Festlegung auf rund 50 statt 80 Konventsmitglieder
natürlich keine Rede mehr. Es ist auch völlig offen, ob jeder Landtag mit einem
eigenen Mitglied mitwirken kann oder ob vielleicht die Landtagspräsidentenkonferenz
nur gemeinsame Vertreter entsenden darf. Wie hätte wohl der österreichische Nationalrat
reagiert, wenn man ihm bedeutet hätte, dass im EU-Konvent leider nur Vertreter
der einzelnen Regierungen und im Übrigen nur ein gemeinsamer Vertreter der
kleineren Staaten Platz finden könne? – Die Einbindung der einzelnen
Gesetzgebungsorgane war eine wesentliche Voraussetzung für den Stellenwert des
EU-Konvents, und es wäre völlig verfehlt, bei uns aus einem Österreich-Konvent
plötzlich einen Bundeskonvent machen zu wollen.
Was sich die
Länder in diesem Fall und ganz allgemein vom Bund wünschen, lässt sich sehr
einfach und allgemein verständlich zusammenfassen: vom Bund nicht schlechter
behandelt zu werden, als dieser sich selbst in der Europäischen Union behandelt
wissen will! Angesichts der weitgehenden Zusagen des Bundeskanzlers nach faktischer
Wahrung der Einstimmigkeit – nicht nur in wichtigen Angelegenheiten der
EU, sondern auch in den wichtigen Fragen der Bundesstaatlichkeit in
Österreich – haben wir heute erfreulicherweise wirklich keinen Anlass, an
dieser Bereitschaft zu zweifeln. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schennach.)
17.35
Präsident Herwig Hösele:
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Karl Boden. Ich erteile es ihm.
17.35
Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr
Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr
Staatssekretär Morak pflegte in einigen seiner Reden, die ich schon gehört
habe, meist zu sagen: Es wurde bereits alles gesagt, aber nicht von jedem. –
Ich darf daher zusammenfassend noch ein paar Bemerkungen einbringen – angesichts
der langen Rednerliste wurde tatsächlich schon sehr viel gesagt – und
möchte auf den Punkt kommen: Bewerten wir die Regierung nach ihren
Taten! – Gefordert vom Bundeskanzler der Regierung Schüssel I im
Jahr 2000.
Die Taten der Regierung sahen so aus, dass die Legislaturperiode vier Jahre dauern sollte, aber nach nicht einmal drei Jahren das gesamte Programm zu Ende war. Das ist eine Tat, die man bewerten kann. Ein anderes Instrument, mit dem man vielleicht messen kann (Bundesrat Fasching: Vom Volk schon bewertet worden, Herr Kollege!), ist: Die Freiheitliche Partei ist mit 26,9 Prozent der Stimmen angetreten. Messen wir sie an ihren Prozentzahlen: minus 16! Das
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 114 |
sind Taten, an denen man ein Maß
anbringen kann, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber
Qualität, und das zählt! – Bundesrätin Haunschmid: Nicht Masse!)
Oder, wie wir
heute vom Herrn Bundeskanzler gehört haben: sinnvolle Einsparungen. Welche
Einsparungen sind sinnvoll? Ein Ministerium mehr? Zwei Staatssekretäre mehr?
Sind das sinnvolle Einsparungen? (Bundesrat Dr. Nittmann: Das
haben Sie 30 Jahre nicht gewusst, und jetzt ...!) Oder die
Abfangjäger? – Erklären Sie einem Pensionisten, einem Mindestrentner, ob
das sinnvolle Einsparungen sind!
Oder: ein
Finanzminister, der in Österreich eine Beliebtheit besitzt, die gleich nach
Arnold Schwarzenegger kommt, ein Finanzminister, der für die Damen sehr
hübsch, sehr fesch aussieht – auch mein Kompliment dem Herrn
Finanzminister! (Bundesrat Mag. Gudenus: Was? Für die Damen?) Er
hat nämlich die Gabe, den Österreicherinnen und Österreichern, die fleißig
arbeiten, das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen zu erklären, dass sie
jetzt keine Sorgen mehr zu haben brauchen (Bundesrätin Haunschmid:
Was hat denn Edlinger gemacht?): Sie brauchen auf ihr Geld nicht mehr
aufzupassen. – Das ist unser Finanzminister, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Oder der Herr
Vizekanzler – beim Schreiben heißt es „Vizekanzler“, aber beim Sprechen
sagt man „Herr Witzekanzler“ – verkündet am Montag die Abschaffung der
Ambulanzgebühr, und es soll das Pflegegeld angehoben werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Aber es kommt nichts, am Dienstag ist alles wieder vorbei!
Sie haben uns
heute zu erklären versucht, wir hätten unseren Bundesparteivorsitzenden Alfred
Gusenbauer ganz einfach im Regen stehen lassen, er wäre der Einzige
gewesen. – Meine Damen und Herren! Die ÖVP hätte doch mit niemand anderem
als mit der FPÖ eine Koalition machen können! Das war die billigste Variante.
Wenn Sie mit der SPÖ eine Koalition hätten machen müssen, dann frage ich, wie
viele Minister hätten Sie hergeben müssen? – Sie hätten einen Aufstand in den
eigenen Reihen gehabt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Dass ein
Baumeister aus Niederösterreich, ein Baumeister der Koalition Schüssel I,
oder der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich (Bundesrat Dr. Nittmann:
Wie heißt der?) heute dagegen stimmen oder dass sich der Herr
Wirtschaftskammerpräsident der Stimme enthält (Bundesrätin Haunschmid:
Zur Sache!), ist natürlich auf den bevorstehenden Wahlkampf in
Niederösterreich und auf den Wahlkampf in Oberösterreich zurückzuführen. (Zwischenruf
des Bundesrates Steinbichler.) Um Herrn Pröll doch gut zu stimmen,
versucht man, den Neffen in die Regierung zu holen, und um Herrn Haider ruhig
zu stimmen, versucht man, die Schwester in die Regierung zu holen. Wenn das ein
Regierungsprogramm ist, meine Damen und Herren, dann verstehe ich das Ganze
nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann:
... der sozialistische Nepotismus! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. –
Bundesrat Gasteiger: Was seid ihr so nervös dort hinten?)
Es ist heute schon
angesprochen worden, dass seitens der Regierungsparteien sehr konkrete Aussagen
gemacht wurden. Meine Damen und Herren! Schade, dass Herr Staatssekretär Kukacka
nicht mehr hier ist! Mir hat in diesem Ganzen eines gefehlt. Herr Kukacka will
die Schiene entsprechend ausbauen, es soll, was die Eisenbahnunternehmungen
betrifft, liberalisiert werden. Wenn ich mir das Eisenbahngesetz anschaue,
dann kann ich feststellen, es fehlen an allen Ecken und Enden die Richtlinien
für eine Liberalisierung im Schienenverkehr. (Bundesrat Steinbichler:
Da waren vorher andere drin! Sie selbst ...!)
Herr Steinbichler!
Sie sind hier um vier Jahre zu spät dran! (Bundesrat Steinbichler:
Das ist ja selbst ...!) Die Liberalisierung ist erst heuer gekommen.
Wir haben nicht einmal Richtlinien. Durch Österreich kann jeder, der eine
Eisenbahngenehmigung besitzt, auf den Schienen fahren, solange er will und
wohin er will. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.) Ich
bin selbst Lokführer – mir graut davor, dass mir auf einer eingleisigen
Strecke jemand entgegenkommt, der vom Eisenbahnverkehr keine Ahnung hat! (Zwischenrufe
bei der ÖVP.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 115 |
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Das heißt, es wurde tatsächlich sehr viel gesagt. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Ich glaube, jetzt ist ...! – Bundesrätin Haunschmid:
Das ist eine arme Rede!) Frau Kollegin Haunschmid! Besser eine arme Rede,
als nur von hinten irgendwelche Zwischenrufe zu machen! Sie haben die
Gelegenheit, sich nach mir zu melden, noch besteht die Gelegenheit. (Beifall
bei der SPÖ.)
Ich hätte mir auch
von der Regierung eine bessere Erklärung erwartet, aber es war nicht mehr
drinnen. Es wird auch in Zukunft nicht mehr drinnen sein, und wenn es der Herr
Landeshauptmann aus Kärnten nicht will, dann wird diese Regierung nicht einmal
ein Jahr halten. So schaut die Realität aus! (Beifall bei der SPÖ.)
Im Sinne von
Österreich wünsche ich dieser Regierung, dass sie länger arbeiten kann. (Bundesrat
Dr. Nittmann: ... mehr als die SPÖ!) Wir werden Sie auch nach
dieser Periode wieder an Ihren Taten messen. (Beifall bei der SPÖ.)
17.43
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat
Professor Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.
17.43
Bundesrat
Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine
Herren Staatssekretäre! Werte Rückseite der Kollegin Haunschmid! Meine Damen
und Herren! Wir haben oder – besser gesagt – ich habe heute schon über
Etikettenschwindel gesprochen. Dem Haus liegt vor ein Entschließungsantrag der
Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen, der den Titel betreffend Irak-Krise
trägt. In diesem Text ist eine Reihe von richtigen Feststellungen getroffen worden,
und es wird im Entschließungsantrag selbst die Bundesregierung ersucht, im
Sinne des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates vom 29. Jänner 2003
vorzugehen. Es ist dieser Beschluss – aber ich hätte das auch sonst
gewusst – dankenswerterweise auch hier abgedruckt.
Ich erinnere
daran, dass Kollege Ager einen Entschließungsantrag betreffend Irak-Krise eingebracht
hat. Darin wird davon gesprochen, dass der Nationale Sicherheitsrat empfiehlt,
für den Frieden in der Region einzutreten. Darin wird davon gesprochen –
das ist der zweite Absatz –, dass selbstverständlich die vollständige
Abrüstung von Massenvernichtungswaffen des Irak nachdrücklich zu vertreten ist.
Es wird davon gesprochen, dass Österreich eine ausdrückliche Ermächtigung
durch den Weltsicherheitsrat als Voraussetzung für eventuelle militärische
Aktionen betrachtet; das ist Absatz 4. Danach wird davon gesprochen, dass
der Regierung empfohlen wird, die Sicherheit der österreichischen Staatsbürger
zu gewährleisten; das ist Absatz 5.
Dann aber wird
vorgeschlagen, dass die österreichische Bundesregierung verstärkte Anstrengungen
zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraums unternimmt. (Bundesrätin
Schicker: Oh!) Können mir die Antragsteller erklären, in welchem
Zusammenhang die Anschaffung der Eurofighter mit der Irak-Krise steht? –
Ich gehe nach der sonstigen Beschlusslage nicht davon aus ... (Zwischenruf
des Bundesrates Bieringer.) Es gäbe eine einfache
Formulierung ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das steht nicht
drin!) Es steht drin, Herr Kollege – bitte, Seite 2 Ihres Textes!
Über das, was gleichlautend Sie vor sich und ich vor mir habe, brauchen wir
nicht zu diskutieren – zweiter Absatz von oben!
Es wäre relativ
einfach, hier zu einer gemeinsamen Textierung zu kommen, weil klar ist, dass
auch im Nationalen Sicherheitsrat diese Formulierung lediglich mit Mehrheit
beschlossen wurde. Wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir die einstimmig
beschlossenen Teile der Erklärung des Nationalen Sicherheitsrates als Grundlage
unserer Aufforderung an die österreichische Bundesregierung verwenden, dann
hätten wir mit diesem Entschließungsantrag kein Problem. So aber können wir
diese Hintertür zur Anschaffung der Eurofighter leider nicht durchschreiten.
Dabei kann ich es nicht verabsäumen, dem Haus eine interessante Publikation zu zeigen. Manche werden es vielleicht gesehen haben: Da es sich bei Eurofightern offensichtlich um Konsumartikel handelt, hat es am vergangenen Samstag im „Kurier“ eine immerhin vierseitige Beilage, Auftraggeber: EADS-Konsortium, gegeben – ich will keine Verbindungen zu den Mehrheits-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 116 |
eigentümern des „Kurier“
herstellen, aber ein vierseitiges Inserat ist üblicherweise kein schlechtes
Geschäft. Darin haben in der Art von Testimonials Herr Generalmajor Wolf und
Herr Oberst Dr. Feichtinger sozusagen ihre Wohlmeinung – ob das mit
Genehmigung des Ministeriums geschehen ist, würde mich sehr
interessieren – über die Eurofighter abgegeben. Vierspaltig freut sich ein
Pilot besonders darauf, statt der Draken bald die Eurofighter fliegen zu
dürfen; das ist Herr Oberleutnant Dieter Springer.
Meine Damen und
Herren! Das ist in der Geschichte einmalig: diese Verknüpfung eines Geschäftspartners
ganz offensichtlich mit dem Personal des Bundesheeres. Das lässt auch noch
nachträglich die Objektivität der getroffenen Entscheidung rein von der
rechtlich-sachlichen Seite her in höchstem Maße zweifelhaft erscheinen –
wir werden das zum Gegenstand von Anfragen machen –, weil diese
Verknüpfung zwischen dem Ressort und einem nunmehr zugegebenermaßen
bestätigten Anbieter in einer Art und Weise an der Grenze der guten Sitten
entlangtaumelt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das ohne rechtliche
Konsequenzen abgeht.
Sie legen hier
einen Antrag vor, der zum Irak eine Reihe von Dingen sagt, die wir
vollinhaltlich unterschreiben können, sonst hätten wir im Nationalen
Sicherheitsrat nicht zugestimmt, mischen aber sozusagen als politische Fußnote
die Eurofighter hinein.
Ich bringe daher
folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesräte
Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise,
beruhend auf den – das ist der Unterschied – einstimmigen
Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich
Seit der
einstimmigen Verabschiedung der Resolution 1441 durch den Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen am 8. November 2002 hat sich die Situation im
und um den Irak zugespitzt. Obwohl die seit 1998 unterbrochene
Inspektionstätigkeit der Vereinten Nationen wieder aufgenommen werden konnte
und einige Fortschritte gemacht wurden, mussten die Chefinspektoren Blix und
ElBaradei berichten, dass das irakische Regime seinen internationalen
Verpflichtungen zwar verstärkt, jedoch weiterhin nicht vollständig nachkommt.
Im Weltsicherheitsrat, aber auch in der Europäischen Union bestehen teilweise
grundsätzliche Differenzen über den richtigen Weg zur Durchsetzung der
völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse des Weltsicherheitsrats.
In Österreich hat
der Nationale Sicherheitsrat in seiner Sitzung vom 29. Jänner einen Beschluss
gefasst, in dem alle Passagen, die sich unmittelbar auf die Irak-Krise bezogen
haben, einstimmig beschlossen wurden.
Dieser einstimmige
Text hatte folgenden Wortlaut:
„Der Nationale
Sicherheitsrat (im Folgenden kurz Rat) empfiehlt der Bundesregierung, sich gemeinsam
mit anderen interessierten Staaten im Rahmen der Vereinten Nationen für alle
Maßnahmen einzusetzen, die geeignet sind, den Frieden in der Region zu wahren
und zu stärken.
Der Rat empfiehlt
der Bundesregierung, in diesem Zusammenhang weiterhin die Positionen der Europäischen
Union – insbesondere betreffend die Unterstützung der EU für die Anstrengungen
des Weltsicherheitsrates, alle relevanten Resolutionen, vor allem
Res. 1441 umzusetzen, und betreffend die notwendige vollständige Abrüstung
von Massenvernichtungswaffen des Irak – nachdrücklich zu vertreten, wie
sie zuletzt am 27. Jänner 2003 vom Rat der EU formuliert wurden.
Der Rat empfiehlt
der Bundesregierung, sowohl in der EU als auch in den Vereinten Nationen klarzustellen,
dass Österreich eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Weltsicherheitsrat
als Voraussetzung für eventuelle militärische Aktionen gegen den Irak
betrachtet.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 117 |
Der Rat empfiehlt
der Bundesregierung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit
der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in der Region ebenso zu
gewährleisten wie in Österreich selbst.
Der Rat empfiehlt
der Bundesregierung, an der Position festzuhalten, dass sich keine österreichischen
Kräfte an eventuellen militärischen Kampfhandlungen gegen den Irak beteiligen
werden.“
Lediglich ein
Passus, der sich auf den Ankauf von Abfangjägern bezogen hat
(„... verstärkte Anstrengungen zur Überwachung und zum Schutz des
österreichischen Luftraumes zu unternehmen“), wurde nur mit den Stimmen von
ÖVP und FPÖ beschlossen.
Auch die
Europäische Union hat in den Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten
am 27. Jänner 2003 und in den Schlussfolgerungen der Sondertagung des
Europäischen Rates am 17. Februar 2003 eine gemeinsame und daher von
Österreich voll inhaltlich unterstützte EU-Position erzielt.
Die
unterzeichneten Bundesräte stellen daher den nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Bundesrat
wolle beschließen:
„Die
Bundesregierung wird ersucht, im Sinne der einstimmig beschlossenen
Punkte 1, 2, 3, 4 und 5 des Beschlusses des Nationalen
Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im
Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“
*****
Wenn es Ihnen um
die österreichische Politik in der Irak-Krise geht – das sage ich ganz
offen an die Adresse jedes Einzelnen von Ihnen –, dann haben wir hier
einen gemeinsamen Standpunkt, dem Sie problemlos zustimmen können. (Beifall
bei der SPÖ.)
17.54
Präsident
Herwig Hösele: Der von den Bundesräten Professor
Konecny, Schennach
und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Irak-Krise,
beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der
Republik Österreich, ist genügend unterstützt und steht demnach in
Verhandlung.
Wir setzen die
Debatte fort.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Bundesrat Benno Sulzberger. – Bitte.
17.55
Bundesrat
Benno Sulzberger (Freiheitliche, Niederösterreich):
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Herren Staatssekretäre! Sehr
verehrter Herr Vizepräsident Weiss! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen und
Ihnen nochmals für das nette Einstiegsschreiben danken, das Sie mir im Dezember
geschickt haben. Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben
heute fast neun Stunden lang über die Regierung neu, über die
Regierungserklärung und das Regierungsprogramm gesprochen.
Herr Professor Konecny hat sozusagen in seiner Ouvertüre festgehalten, dass am 4. Februar 2000 für die neue Wenderegierung auf Grund der hervorragenden Leistungen aus 30 Jahren sozialistischer Regierungstätigkeit die besten Voraussetzungen bestanden haben. Er hat aber vergessen zu erwähnen, dass bei einem Schuldenstand in der Höhe von 2,2 Billionen Schilling alle nachfolgenden Regierungen größte Probleme haben werden und sich im wahrsten Sinne des Wortes zusammenreißen müssen, um diese Probleme zu bewältigen. Sie alle wissen, dass
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 118 |
ein übermäßiger
Schuldendienst die Freiheit der Finanzspitze, die eine Regierung braucht,
hemmt. Es müssen weit reichende Sparmaßnahmen gesetzt werden, die natürlich
viele Sozialschichten unserer Gesellschaft treffen.
Schon in früheren
Jahren, beginnend in den siebziger Jahren, ging es um die große philosophische
und politische Frage: Wem gehört eigentlich die Zukunft in diesem Land? Dem
urbanen Bereich, der Stadt, oder dem Land, dem ländlichen Raum? – Heute – und
darüber bin ich erfreut – hat die Sozialdemokratie zum ersten Mal bekannt,
dass auch der ländliche Raum eine wesentliche Bedeutung hat. (Bundesrätin Schicker: Sie
haben es das erste Mal geäußert! Wir sagen das schon die ganzen Jahre! –
Rufe bei den Freiheitlichen: Nein, nein, nein!) – Nein, da kenne ich
die großen politischen Zielsetzungen der Sozialdemokratie in den vergangenen
30 Jahren ganz anders.
Ich fordere die
Sozialdemokratie auf, in der Situation, in der sich Österreich heute befindet,
in der so viele Reformmaßnahmen gesetzt werden müssen – die Wenderegierung
hat sie im Februar 2000 eingeleitet und muss sie weiter verfolgen; die
Betonung liegt auf muss –,
ihre Wunden-lecken-Mentalität abzulegen. Heraus aus der Zementierung! Heraus
aus der Bunkerstimmung! Helfen Sie mit, die Situation, teilweise
herbeigeführt durch Ihre Verschuldenspolitik der letzten 30 Jahre, zu
bewältigen – im Sinne von uns Österreichern! – Ich danke. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
17.58
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Engelbert Weilharter. Bevor ich ihm das Wort erteile, gratuliere ich
ihm zum bevorstehenden runden Geburtstag. (Beifall bei den Freiheitlichen,
der ÖVP und der SPÖ.) – Bitte.
17.59
Bundesrat
Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark):
Erlauben Sie mir, mich für diese Wünsche zu bedanken. Ich nehme sie sehr gerne
wohlwollend zur Kenntnis. – Danke.
Herr Präsident!
Werte Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Kollege Konecny hat meinen Kollegen Ager und mich
gebeten, zu unserem gemeinsamen Entschließungsantrag eine Klarstellung auf
Seite 2 zweiter Absatz vorzunehmen. Herr Kollege Konecny! Sie haben von einer
Typenentscheidung innerhalb der Präambel gesprochen.
Ich stelle klar,
dass in der Präambel weder eine Type noch ein Luftfahrtgerät genannt ist, und
ich darf jetzt Absatz 2 auf Seite 2 wortgetreu wiedergeben (Zwischenruf des Bundesrates Konecny):
„Der Rat empfiehlt
der Bundesregierung, zur Wahrung der österreichischen Souveränität auch
verstärkte Anstrengungen zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen
Luftraums zu unternehmen.“ – Zitatende.
Zweiter Punkt:
Herr Kollege Konecny! Über Präambeln, über Begründungen kann man diskutieren. Es ist auch
Ihr gutes Recht, daraus Typenentscheidungen herauszulesen. Entscheidend ist
aber der Text des Entschließungsantrages.
Zur Information
und Kenntnisnahme aller darf ich den Text wiederholen.
Die
unterzeichneten Bundesräte stellen folgenden Entschließungsantrag:
Entschließungsantrag
der Bundesräte
Hans Ager, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Irak-Krieg
Der Bundesrat
wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 119 |
der Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“ – Zitatende.
Herr Kollege Konecny! Ich meine, Sie sind ein
Gespaltener in dieser Frage. Sie meiden die Gemeinsamkeit in dieser sehr
wichtigen innen- und außenpolitischen Frage. Vielleicht liegt der Grund darin,
dass die Sozialistische Internationale in dieser Frage uneinig ist. Sie wissen
es noch nicht: Obsiegt Tony Blair oder Bundeskanzler Schröder? – Das wird
für Sie wahrscheinlich entscheidend dafür sein, dass Sie selbst einen eigenen
Entschließungsantrag einbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
18.01
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Bieringer. Ich erteile es ihm.
18.01
Bundesrat
Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident!
Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte
mich an und für sich nicht zu Wort melden, aber als Mitglied des Nationalen
Sicherheitsrates weiß ich, was der Nationale Sicherheitsrat beschlossen hat,
wie der Beschluss zu Stande gekommen ist und worüber dort abgestimmt wurde.
Ich darf namens
der ÖVP-Fraktion erklären, dass wir unseren Entschließungsantrag nicht
zurückziehen. Wir haben nichts anderes gesagt, als der Nationale Sicherheitsrat –
fünf Punkte, wie ich glaube, einstimmig, den sechsten Punkt mehrstimmig –
beschlossen hat. Diesen Beschluss, der auch mehrstimmig angenommen als
Beschluss gilt, wollen wir beibehalten. Wir werden daher auf unserem
Entschließungsantrag beharren und darüber auch abstimmen. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
18.02
Präsident
Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht
vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Es liegt ein Antrag
der Bundesräte Bieringer, Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Entschließung
betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms der österreichischen Bundesregierung
für die XXII. Gesetzgebungsperiode vor.
Ich lasse über
diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. –
Es ist dies Stimmenmehrheit.
Der Antrag auf
Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/184-BR/03)
Es liegt weiters
ein Antrag der Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen auf Fassung einer
Entschließung betreffend Irak-Krise vor.
Ich lasse über
diesen Entschließungsantrag
der Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen ebenfalls abstimmen.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen.
(Bundesrat Mag. Gudenus
verlässt den Saal.) – Es ist dies Stimmenmehrheit.
(Rufe bei der SPÖ: Um eine weniger!)
Der Antrag auf
Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/185-BR/03)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 120 |
Weiters liegt ein
Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend
Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen
Sicherheitsrats der Republik Österreich, vor.
Ich lasse über den
Entschließungsantrag der
Bundesräte Professor Konecny, Schennach und Kollegen abstimmen.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. –
Es ist dies Stimmenminderheit.
Der Antrag auf
Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.
Ordnungsruf
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 121 |
Präsident Herwig Hösele: Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich habe am Vormittag Herrn Professor Konecny bei seinen Ausführungen um
Mäßigung gebeten. Der ÖVP-Fraktionsführer des Bundesrates Ludwig Bieringer hat
gemäß § 71 der Geschäftsordnung des Bundesrates in Verbindung mit
§ 70 der Geschäftsordnung des Bundesrates in zwei Fällen die Erteilung
eines Rufes zur Ordnung an Herrn Professor Konecny verlangt. Er beruft sich dabei auf
das vorläufige Stenographische Protokoll, wonach Bundesrat Konecny zum Bundeskanzler wörtlich gesagt
hat – ich zitiere –:
„Sie haben –
das hat diese Regierungsbildung gezeigt – einmal mehr bewiesen, dass Sie
ein fähiger Politiker sind, aber, Herr Bundeskanzler, sie hat noch mehr
gezeigt: Sie sind mehr als nur ein fähiger Politiker, Sie sind ein zu allem
fähiger Politiker!“
Es handelt sich
dabei um eine Unterstellung einer Unehrenhaftigkeit. Ich erteile Ihnen daher
gemäß § 70 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates für die
Äußerung „Sie sind ein zu allem fähiger Politiker“ einen Ordnungsruf.
Ferner hat
Bundesrat Bieringer für folgende Äußerung Ihrerseits einen Ordnungsruf
verlangt – ich zitiere –: „Von Julius Raab wird der Satz überliefert:
Lug’ hin, Lug’ her, g’nutzt hat’s. Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler, so
grobe, aber auch ehrliche Worte kommen Ihnen nicht über die Lippen, aber der
Tatbestand wird hier politisch erfüllt.“
Bundesrat
Bieringer sieht darin ebenfalls eine Beleidigung des Bundeskanzlers, da Sie
diesem damit Unehrlichkeit unterstellt haben. Da man Ihre Äußerung auch anders
interpretieren kann, nehme ich davon Abstand, Ihnen dafür einen Ruf zur Ordnung
zu erteilen. Alles in allem würde ich noch einmal um Mäßigung bitten.
2. Punkt
Beschluss des Nationalrates
vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (34/A und 16/NR sowie
6768/BR der Beilagen)
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 2. Punkt
der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988,
das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden.
Die
Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte um den
Bericht.
Berichterstatter
Johann Kraml: Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich
vor. Ich komme zum Beschlussantrag.
Der
Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 2003 mit
Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
keinen Einspruch zu erheben.
Präsident
Herwig Hösele: Ich danke für die
Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile
ihr dieses.
18.07
Bundesrätin
Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Finz! Sehr geehrte
Damen und Herren des Bundesrates! Wir behandeln jetzt das Bundesgesetz, mit dem
das Einkommen-, Umsatz-, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert
werden.
Im Einkommensteuergesetz werden neben anderem gesellschaftliche
Veränderungen nachvollzogen und somit im Bereich der Hinterbliebenenversorgung
Partner, die in einer Lebensgemeinschaft gelebt haben, den Ehepartnern und
Kindern als Rentenbezieher aus prämienbegünstigten Pensions- und
Zukunftsvorsorgen gleichgestellt. Da es heute Tatsache ist, dass viele Paare
ohne Trauschein zusammenleben, ist diese Anpassung wohl richtig, trotzdem soll
das gegenseitige Eheversprechen nach wie vor einen großen Wert für Frau und
Mann darstellen.
Weiters möchte ich noch auf die Änderung des Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetzes eingehen. Darin wird sichergestellt, dass bei der Übertragung
von Ansprüchen auf Zukunftsvorsorgen keine Steuerpflicht anfällt. Ebenso wird
die Schenkungssteuerbefreiung auf Sparbücher, die am 31. 12. 2002
ausgelaufen ist, um ein Jahr verlängert – jedoch mit der Einschränkung,
dass Personen der Steuerklasse V nur bis zu einem Betrag von
100 000 € steuerbefreit sind.
Grundsätzlich möchte ich zur Änderung dieses Gesetzes Folgendes sagen:
Ich halte es für notwendig und richtig! Wir dürfen nicht vergessen, dass Geld
auf Sparbüchern bereits versteuertes Geld ist. Menschen, die Sparbücher haben,
leisten sich oft weniger als andere, verzichten zugunsten des Sparens oft auf
vieles, wie zum Beispiel auf Urlaub, Konsum, Kino, Kleidung, teure
Freizeitbeschäftigungen und so weiter. Sie sparen sich das Geld – wie es
im Volksmund heißt – oft vom Mund ab. Daher bin ich der Meinung, dass es
nur Recht ist, wenn dieses Geld bei Schenkung an Familienangehörige nicht noch
einmal versteuert werden muss.
Dasselbe gilt auch für Menschen, die Zukunfts- und Pensionsvorsorge
betreiben. Ich persönlich halte es aus den vorher angegebenen Gründen daher
auch für notwendig, dass zum Beispiel für Familienangehörige, Eltern, Kinder,
Geschwister, bei Erbschaft für Sparbücher und Zukunftsvorsorgen keine Steuer
mehr anfallen sollte. Herr Staatssekretär Finz! Ich möchte Sie bitten, in Ihrem
Ministerium auch einmal darüber nachzudenken. Die Gründe habe ich vorhin
erwähnt.
Ich möchte abschließend noch erwähnen, dass es unser Ziel ist, dass die
Menschen in Österreich eigenverantwortlich leben und handeln können. Hiefür
müssen wir noch mehr Ansätze und Rahmenbedingungen schaffen, und das geschieht
mit diesem Gesetz nun teilweise. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
18.11
Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich
erteile es ihr.
18.11
Bundesrätin
Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Herr Staatssekretär! Kollegin Giesinger hat schon sehr ausführlich über die
Erbschafts- und Schenkungssteuer gesprochen. Aus diesem Grund kann ich mich
sehr kurz fassen, noch dazu weil meine Fraktion den Gesetzesbeschlüssen
zustimmen wird.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 122 |
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Rund 24 Millionen Sparbücher sind in Österreich
in Umlauf. Etwa ein Drittel davon – so heißt es seitens der Banken –
wurde im Vorjahr ab der Jahresmitte verschenkt. Das steuerfreie Schenken hätte
nämlich mit 31. Dezember auslaufen sollen. Sie, Herr Finanzstaatssekretär
Finz, haben am Silvestertag des Vorjahres überraschend die Verlängerung der
Frist bis Ende 2003 angekündigt, und heute werden wir diesen Termin auch im Bundesrat
beschließen.
Herr
Staatssekretär! Eine Zwischenfrage: Was ist in der Zeit zwischen 1. Jänner
und jetzt passiert? Läuft das mit mündlicher Vereinbarung gleich weiter? –
Vielleicht könnten Sie kurz darauf antworten. Ich habe das in den Erläuterungen
nicht gefunden.
Jedenfalls können
Sparbücher noch das ganze heurige Jahr über steuerfrei verschenkt werden –
mit der Einschränkung, dass die Beschenkten enge Verwandte, also etwa
Großeltern, Eltern, Kinder oder Enkel sein müssen. Bei dieser Gruppe spielt der
Betrag keine Rolle. Bei beschenkten Personen – darauf hat Kollegin
Giesinger schon hingewiesen –, die nicht zum engen Familienkreis gehören,
sind nur noch Beträge bis insgesamt 100 000 € – früher
1,4 Millionen Schilling – steuerfrei, auch wenn sie auf mehrere
Sparbücher aufgeteilt sind.
Wie gesagt, meine
Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei
der SPÖ.)
18.13
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 123 |
Präsident Herwig Hösele:
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.
18.13
Bundesrat
Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Auch ich darf vorweg
bekannt geben, dass meine Fraktion gegen die vorliegenden Gesetzesänderungen
keinen Einspruch erheben wird. Wir erkennen mit dieser Vorlage, mit dieser
Gesetzesänderung, sehr wohl eine positive Entwicklung.
Erstens werden die
Unterschiede und die Ungleichbehandlung zwischen Lebensgemeinschaften und Ehen
im Steuerrecht beseitigt. Das entspricht durchaus dem Zeitgeist und beendet
auch im Steuerrecht die Diskriminierung von Lebensgemeinschaften. Man kann in
dieser Frage durchaus unterschiedlicher Meinung sein, aber diese Änderung
entspricht jedenfalls einer gewissen gesellschaftspolitischen Entwicklung.
Der zweite Punkt
betrifft die Befreiung von der Schenkungssteuer. Auch hiezu ist zu sagen: Die
Verlängerung der Befreiung von der Schenkungssteuer auf Sparbücher, gedeckelt
mit 100 000 €, ist durchaus positiv zu sehen – es wurde heute
schon erwähnt –, weil davon natürlich die Bezieher von kleineren
Einkommen und Inhaber von kleineren Guthaben profitieren werden.
Meine Damen und
Herren! Beide Ziele, beide genannten Maßnahmen sind ein Erfolg. Diese Erfolge
widerlegen eindeutig den Vorwurf der Kälte in diesem Land. Ich bin sehr froh
über die Zustimmung der Sozialdemokraten in dieser Frage, weil gerade von
sozialdemokratischer Seite in der Vergangenheit in der Wahlpropaganda immer
gesagt wurde, durch die vorige Regierung sei es in diesem Staat kalt geworden.
Ich will nicht auf
das Zitat des „wandelnden Kühlschranks“ hinweisen, sondern ich möchte betonen:
Gerade diese Maßnahme zeigt, dass es nicht
kalt ist in dieser Regierung, und es wird auch die jüngste Propaganda
widerlegt, wonach über die so genannten kleinen Einkommensbezieher, über die
kleinen Sparer „drübergefahren“ werde. Ganz im Gegenteil: Die kleinen Sparer
finden in dieser Gesetzesänderung Berücksichtigung. Es ist gerade unser Ziel,
den Besitzern von kleinen Guthaben, den kleinen Sparern entgegenzukommen. (Beifall
bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)
18.15
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr
Staatssekretär Dr. Alfred Finz. Ich erteile es ihm.
18.15
Staatssekretär
im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zur Frage: Was gilt,
bis das Gesetz in Kraft tritt? – Diese Frage wird im heute zu
beschließenden Gesetz in Artikel III Z 2 beantwortet, und zwar gilt
dieses Gesetz rückwirkend weiter, und ab dem In-Kraft-Treten des Gesetzes gilt
die einschränkende Bestimmung bezüglich 100 000 € für Personen der
Steuerklasse V.
Die Maßnahme der
Befreiung der Schenkungssteuer war als flankierende Maßnahme zur Abschaffung
der Anonymisierung des Sparbuches gedacht. Sie sollte verhindern, dass die erwähnten
24 Millionen Sparbücher vom Markt abgezogen werden und in andere
Anlageformen abfließen. Es wurde auch von den Pensionistenverbänden der
deutliche Wunsch geäußert, dass man dem Rechnung trägt, weil es sich noch nicht
überall herumgesprochen hatte, dass man das noch um ein Jahr verlängert.
Zur gesamten
Erbschafts- und Schenkungssteuer möchte ich grundsätzlich feststellen, dass es
sich dabei um eine Bagatellsteuer handelt. Wir haben ein jährliches
Abgabenaufkommen in der Höhe von rund 55 Milliarden €, und die
gesamte Erbschafts- und Schenkungssteuer macht lediglich
150 Millionen € davon aus.
Wenn ich ungefähr
50 Prozent für die Erbschaftssteuer abrechne – das ist eine
Faustregel; man kann es nicht genau auseinander dividieren –, dann setze
ich das Aufkommen aus der Schenkungssteuer mit rund 75 Millionen €
an. Das sind 1,3 Promille vom gesamten Steueraufkommen in Österreich.
Daher würde ich meinen, der Verwaltungsaufwand ist höher, als dem Staate daraus
Erträge anwachsen. (Bundesrätin Schicker: Wie bei der
Ambulanzgebühr!) Das ist sicherlich ein Punkt, der bei einer großen
Steuerreform, bei einer neuen Form der Besteuerung zur Diskussion stehen
würde. – Danke schön. (Beifall bei
der ÖVP.)
18.18
Präsident
Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht
vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag
zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch
zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag, keinen
Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
3. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird (35/A und 17/NR sowie 6769/BR der Beilagen)
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 3. Punkt
der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird.
Die
Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Molzbichler übernommen. Ich bitte
ihn um den Bericht.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 124 |
Berichterstatter
Günther Molzbichler: Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Werte Kollegen des Bundesrates! Der Bericht des
Finanzausschusses liegt Ihnen vor.
Der
Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 2003 mit
Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
keinen Einspruch zu erheben.
Präsident
Herwig Hösele: Ich danke für die
Berichterstattung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Helmut Kritzinger. Ich erteile es ihm.
18.19
Bundesrat
Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident!
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zum ersten Mal hier in diesem
Haus, und ich freue mich, dass ich die Gelegenheit dazu habe.
Ich werde über das
Gesetz, das jetzt einstimmig beschlossen worden ist, keine weiteren Worte
verlieren. Die Debatte darüber hat schon sehr lange gedauert.
Bezüglich
Pensionsgesetz glaube ich, dass dieser Antrag einstimmig genehmigt werden wird,
denn damit verhindert man Armut bei vielen Menschen, vor allem im ASVG-Bereich.
Aber auch bei der Ergänzungszulage handelt es sich um einen ganz ordentlichen
Betrag. Das ist erfreulich, und ich kann das nur begrüßen.
Es wird überhaupt
so sein, dass sich in Zukunft jede Regierung mit der Pensionsfrage und mit den
Anliegen der Pensionisten immer eingehender beschäftigen wird müssen, denn das
ist ein eminent wichtiges Thema.
Ich bin
Landesobmann des Tiroler Seniorenbundes, daher liegt mir dieses Thema natürlich
am Herzen. Ich darf mich vorstellen: Ich komme aus Innsbruck. Dieses Thema hat
gerade in diesem Gremium, dem zweitwichtigsten im Staat, das eines der
wichtigsten politischen Multiplikatoren ist, eine besondere Bedeutung. Von
hier aus muss auch eine Orientierungshilfe in Bezug auf die Pensionisten an die
Öffentlichkeit gehen. Ich finde, betreffend Älterwerden fehlt derzeit vielfach
eine Orientierung. Daher meine ich, dass wir uns in diesem Gremium öfter und
eingehend mit diesem Thema beschäftigen sollten.
Wir haben die
historisch einmalige Gelegenheit, der heutigen Gesellschaft die Bevölkerungsstruktur
bekannt zu machen und Begriffe und Vorstellungen des Altersbildes zu
formulieren. Die Seniorenpolitik betrifft sehr viele Bereiche wie Gesundheit,
Wohnen und auch Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Es gibt heute eine
enorme Zahl von älteren Menschen, die auf ehrenamtlichem Gebiet Unglaubliches
leisten – sei es in der Familie, in Vereinen, in Betrieben, bei den
Freiwilligen Feuerwehren und vieles andere mehr. Es gibt sehr viele ältere
Menschen, die in diesen Bereichen mithelfen, und ich denke, dass unsere
Gesellschaft darunter leiden würde, wenn es diese Bevölkerungsgruppe nicht
gäbe.
Wenn von
Pensionisten die Rede ist, dann wird und wurde immer wieder von den steigenden
Kosten im Budget gesprochen. Es gibt einerseits viel mehr ältere Personen, weil
sich die Lebenserwartung der Menschen verändert hat – das wurde heute
schon erwähnt –, aber andererseits haben wir vor allem viel zu wenig junge
Menschen! (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)
Wir haben zu wenig Kinder, weil das
Kinderkriegen heute berechenbar geworden ist, und zwar durch die Pille, das
muss man sagen. (Bundesrätin Schicker:
Aber für die Frauen ...!) – Ja, Frau Schicker, berechenbar für die
Frauen. Das ist aber mit ein Grund dafür, dass wir eben so wenig Kinder
haben. – Sicher auch mit
ein Grund, sage ich.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 125 |
Die gesamten
Budgetzuschüsse für die Pensionisten im ASVG-Bereich – man hört sehr oft,
die Pensionisten kämen uns zu teuer – betragen 5,8 Milliarden €.
Ich spreche dabei vom ASVG-Bereich. Ungefähr ein Viertel dieser Aufwendungen
ersetzt der Staat. Ich finde, bei einem Budget in der Höhe von
59 Milliarden € ist das durchaus akzeptabel. (Demonstrativer
Beifall der Bundesräte Konecny, Schicker und Mag. Gudenus. – Bundesrat Konecny: Sie sagen es! So ist es!)
Es tut mir
jedenfalls um keinen Euro Leid, den man für Pensionisten ausgibt. (Beifall
des Bundesrates Mag. Gudenus.)
Ich möchte noch
auf das Thema Arbeitslose zu sprechen kommen. Österreich hat eine
Arbeitslosenrate in der Höhe von 4,2 Prozent. Deutschland – um dieses
Land zu erwähnen, das heute schon öfters genannt worden ist – hingegen hat
eine Arbeitslosenrate in der Höhe von 8,5 Prozent, also unglaublich viel.
Auch der europäische Durchschnitt liegt weit über 8 Prozent.
Österreichs
Arbeitslosenrate beträgt im Vergleich zu Deutschland also nur die Hälfte, und
das ist eine sehr günstige Zahl. Diese günstige Zahl konnte aber nur dadurch
erreicht werden, dass man sehr viele Österreicher in Pension geschickt hat,
dass man das gesetzliche Pensionsantrittsalter seit vielen Jahren nicht
eingehalten und zahlreiche Arbeitslose in Pension geschickt hat.
Erst die jetzige
Regierung gebietet dem Einhalt. Vielleicht sollte man auch bei den Politikern
einen entsprechenden Schritt setzen und deren Pensionsalter von 60 auf
65 Jahre erhöhen. Das wäre durchaus ein akzeptables Signal, finde ich,
auch für die Öffentlichkeit.
Die Regierung hat
eine interessante Parallelschiene für die Arbeitslosen aufgebaut. Aber man darf
nicht ständig quasi verdeckte Arbeitslose aus dem Topf der Pensionisten
bezahlen und dann den Pensionisten vorhalten, wie teuer sie kämen.
Es gibt aber eine
weitere Schiene, die die Regierung jetzt „baut“. Es werden nämlich die Lohnnebenkosten
für ältere Arbeitnehmer gesenkt. Ich würde begrüßen, wenn man sie zur Gänze
streichen würde, denn es kommt immer noch billiger, die Lohnnebenkosten zu
senken oder zu streichen, als wenn diese Leute in Pension gehen, nichts mehr
einzahlen und sogar noch etwas kosten.
Es gibt viele
ältere Menschen, die sehr gerne bereit sind, zu arbeiten. Sehr viele, die man
mit 50 oder 52 Jahren in Pension schickt – das geschieht schon seit
Jahren! –, möchten in Wahrheit noch arbeiten. Arbeitslosigkeit ist ein
schweres Schicksal. Nur 22 Prozent der Über-55-Jährigen in Österreich
arbeiten noch. In Schweden oder in Norwegen sind es über 70 Prozent.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich glaube, jeder der Anwesenden wünscht sich ein hohes Alter, aber
dieser Trend des Älterwerdens hat auch beträchtliche Auswirkungen. Die Regelung
des Pensionssystems wird immer wichtiger. Private Versicherungen, die angeboten
werden, können wohl eine Zusatzhilfe sein, aber sie ersetzen nie und nimmer die
staatliche Fürsorge. Der Staat hat die große Verpflichtung, für die älteren
Menschen zu sorgen. Natürlich können wir diesen gesellschaftlichen Pegel nur
halten, wenn es dem Land wirtschaftlich gut geht und entsprechende
Investitionen vorhanden sind. Auch in der Forschung müssen entsprechende
Investitionen getätigt werden.
Meine Damen und
Herren! Die jungen Menschen haben keine problemfreie Zukunft vor sich, aber
verglichen mit dem, was unsere Eltern und Großeltern teilweise mitgemacht
haben, können sie doch mit Optimismus in die Zukunft blicken.
Ich möchte noch
etwas sagen, meine Damen und Herren: Erstmals ist in einer Regierungserklärung
auch das Thema Südtirol erwähnt worden. Dabei möchte ich darauf aufmerksam
machen, dass dieses Land – es hat ungefähr die Größe von Salzburg –
das einzige Land außerhalb der Grenzen Österreichs ist, dessen Bevölkerung
sich zum Vaterland Österreich zugehörig fühlt. Daher finde ich es richtig,
dass in der Regierungserklärung Südtirol speziell erwähnt ist. (Beifall des
Bundesrates Ing. Klamt.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 126 |
Österreich hat in
der Außenpolitik kein anderes so wichtiges Thema wie Südtirol. Es gibt
wirtschaftliche Themen, die selbstverständlich enorm wichtig sind und die wir
zum Leben brauchen. Aber abgesehen davon ist Südtirol das wichtigste Thema. (Bundesrat
Mag. Gudenus: Und die Beneš-Dekrete!)
Daher wird dieses
Thema hoffentlich auch in Hinkunft im Bundesrat einen entsprechenden Platz
finden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie
Beifall der Bundesrätin Schicker.)
18.30
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Harald Reisenberger. Ich erteile es ihm.
18.30
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu
meinem Vorredner möchte ich nur ganz kurz erwähnen: Ich bin in vielen Sachen
d’accord. Ich weiß nicht, ob er in seiner eigenen Partei gewisse Probleme damit
gibt. Ich will aber schon feststellen, auch wenn das seine erste Rede hier im
Bundesrat war: Das Thema Südtirol ist nicht zum ersten Mal Thema! Darüber wird
hier schon seit langer Zeit gesprochen, und zwar, wie ich glaube, zu Recht,
weil es wichtig ist. (Bundesrat Kritzinger:
Da gab es aber Konsens zwischen allen Parteien!) – Wunderbar!
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Es ist erst ein paar Wochen her, dass ich hier an
dieser Stelle zur Gesetzesänderung betreffend Ausgleichszulagenrichtsätze
gesprochen habe. Wir haben damals als kleinen, aber wichtigen Schritt –
wie ich es bezeichnet habe – die Ausgleichszulagenrichtsätze für die
Verheirateten auf das Eineinhalbfache gegenüber den unverheirateten Beziehern
angehoben. Dass das von mir als kleiner Schritt bezeichnet wurde, hat sich als
richtig herausgestellt, da wir heute das Bundesgesetz, mit dem das
Pensionsgesetz 1965 geändert wird, verändern beziehungsweise anpassen.
Das Gehaltspaket
für BeamtInnen und PensionistInnen, welches im Dezember eingebracht und im
Jänner beschlossen wurde, muss jetzt bereits repariert werden. Wie kann denn
bei der langfristigen und vorausschauenden Politik dieser schwarz‑blauen
Regierung so etwas notwendig sein? – Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Auf die verheirateten PensionistInnen im Bereich der Beamten wurde ganz
einfach vergessen!
Der jetzige
Vizekanzler und damalige Sozialminister Haupt hat – offensichtlich
abgelenkt von seinen natürlich außerordentlichen Anstrengungen, um mit allen
Mitteln mit seiner FPÖ trotz katastrophaler Wahlniederlage, die sich erst
letztes Wochenende in Kärnten weiter vollzogen hat, wieder Regierungspartei zu
werden – auf die verheirateten PensionistInnen im Bereich der Beamten
total vergessen! (Bundesrat Dr. Böhm: Die
Wahlniederlage war nicht katastrophal!)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er hat darauf
vergessen, genau so wie die gesamte Regierung am liebsten viele
kontraproduktive Gesetze und Verordnungen dieser letzten drei Jahre vergessen
will. Ich denke in diesem Zusammenhang nur – sie wurde heute schon des
Öfteren zitiert – an die Ambulanzgebühr. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)
Daher müssen wir
das, was vergessen wurde, eben heute nachholen, und Gott sei Dank reparieren
wir damit diesen unverständlichen Fehler. Denn nicht umsonst, meine sehr
verehrten Damen und Herren, glaubt nur noch jeder fünfte junge Mensch in
Österreich – das ist das Ergebnis einer IFES-Umfrage –, dass er
selbst einmal eine Pension bekommen wird beziehungsweise diese noch erleben
wird. Das muss uns zu denken geben, denn der Pensionsantritt soll, wenn Sie,
meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in diesem Stil weiter
arbeiten beziehungsweise – vielleicht besser gesagt – fuhrwerken,
erst im hohen Alter, nach wahrscheinlich langer Arbeitslosigkeit, wie es im
Moment aussieht, möglich sein! (Zwischenruf
des Bundesrates Dr. Böhm.)
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 127 |
In Wahlzeiten hört
sich das natürlich ganz anders an, lieber Herr Kollege! Das kennen wir!
Natürlich müssen die unterschiedlichen Pensionssysteme vereinheitlicht werden.
Ich glaube, diesbezüglich sind wir uns zum Großteil einig. Wobei wir uns
offensichtlich nicht mehr einig sind, ist, dass wir meinen, dass sie sozial,
gerecht und solidarisch vereinheitlicht werden müssen, und zwar mit
Voraussetzungen und Leistungen, die in allen Bereichen gleiche Chancen,
Möglichkeiten und bindende Ziele darstellen, und nicht so, wie es sich zur Zeit
verhält, dass ein Arbeiter und eine Arbeiterin unter Umständen von jedem Euro,
den er/sie in dieses System einzahlt, nur noch 90 Cent bekommt, während
ein Beamter – daran sind nicht die Beamten schuld, sondern es ist das
System schuld –, wenn er ein bisschen Glück hat, für einen Euro zwei Euro
bekommt.
Ich denke zum
Beispiel auch daran, dass Andreas Khol vor sich hin philosophiert, Arbeiter 45,
46, 47 oder gar 50 Jahre arbeiten zu lassen, Beamte hingegen nach 30 oder
40 Jahren in den Ruhestand zu schicken. – Das ist eine Aussage von
ihm.
Doch auch bei den
Beamten, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich glaube, auch
diesbezüglich werde ich in allen Fraktionen die eine oder andere Zustimmung
finden –, muss man sich genau ansehen, welche Tätigkeit jeweils ausgeübt
wird. Nicht alle Beamten sitzen, wie so schön immer wieder gesagt wird, am
Schreibtisch. Auch hier gibt es unterschiedliche Tätigkeitsbereiche – ich
denke nur an die Feuerwehr und die Exekutive –, die komplett anders zu
bewerten sind. Ich glaube, auch darauf muss man ein bisschen eingehen!
Ebenso ist
weiterhin nicht zu akzeptieren, dass im Bereich der ASVG der Bundeszuschuss
nicht einmal 20 Prozent ausmacht, bei den Pensionen der Bauern,
Gewerbetreibenden und Beamten der Bundeszuschuss hingegen 50, 60 oder fast
70 Prozent beträgt. (Zwischenruf des
Bundesrates Fasching.)
Wir
Sozialdemokraten haben uns bereits seit einiger Zeit vor allem im Bereich der
Gewerkschaften und der Arbeiterkammer mit diesem Problem auseinander gesetzt
und auch Reformvorschläge gemacht. Allerdings besteht für diese
Reformvorschläge seitens dieser Regierung kein Interesse. – Es ist auch
klar, warum, denn das wären echte Reformen, meine sehr geehrten Damen und
Herren! Das wären echte Reformen, die diesen Namen auch verdienen würden!
Von Ihnen wurde
behauptet, dass Ihre letzte Pensionsreform – auch das konnte beziehungsweise
musste ich vor ein paar Wochen hier bereits sagen – die nächsten
15 bis 20 Jahre locker halten würde. – In Wirklichkeit stehen
wir bereits heute vor neuen Überlegungen und neuen Ideen. Die Frage, wie
ernsthaft darüber diskutiert wird, steht wiederum auf einer anderen Seite.
In Wahrheit wollen
Sie sich mit Ihrer Regierungserklärung – darauf sind wir heute schon oft
genug eingegangen – aus der Verantwortung stehlen, indem Sie jedem
einzelnen Bürger Verantwortung übertragen wollen. Mein Vorredner hat meiner
Meinung nach völlig richtig gesagt, dass es ein Zusatz sein kann, wenn man es
sich leisten kann, es aber nicht Voraussetzung sein darf, damit den Lebensabend
bestreiten zu müssen.
Die
Österreicherinnen und Österreicher haben es sich nicht verdient, ein Leben lang
gute, über unsere Landesgrenzen hinaus bekannte und hervorragende Arbeit zu
leisten und dann nicht die bei Beginn ihres Vertrages – denn es gibt im
Prinzip ein mit der Republik Österreich vereinbartes Vertragsziel –
vereinbarte Pension zum vereinbarten Zeitpunkt mit einem errechenbaren Ergebnis
zu bekommen.
Wir reparieren
hier und heute wieder einmal Unzulänglichkeiten, die diese Regierung verursacht
hat, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Änderung
zustimmen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso diese Regierung? Das waren doch Sie!)
Herr Professor Böhm! Es hat sich seit 2000 nicht viel geändert! Ihr seid
ein bisschen weniger geworden, aber Schwarz‑Blau hat sich nicht geändert, es
gibt nur andere Akzente.
Meine Damen und Herren vor allem von den Regierungsfraktionen! Ich spreche in erster Linie diejenigen Kolleginnen und Kollegen an, die Gewerkschafter sind, und alle, die verantwortungs-
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 128 |
voll in diesem Bereich Überlegungen anstellen und arbeiten
wollen. Nehmen Sie die Verantwortung, die Sie mit Ihrer Funktion übernommen
haben, über Parteigrenzen hinweg wahr, und handeln Sie im Interesse der
Österreicherinnen und Österreicher! Machen wir Reformen, die auch zu Recht
Reformen genannt werden dürfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
18.38
Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Staatssekretär Dr. Finz. Ich erteile es.
18.38
Staatssekretär
im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Reisenberger! Ich darf
eine Berichtigung anbringen: Der Herr Vizekanzler hat nicht auf
einen Gesetzentwurf vergessen. Zuständig für diese Regelung im Pensionsgesetz
ist, da es um öffentlich Bedienstete geht, das Bundesministerium für
öffentliche Leistung und Sport. (Bundesrat Reisenberger: Dann
war es die Frau Vizekanzlerin!) Wenn
also jemand etwas vergessen hat, dann ordnen wir es bitte dem Richtigen zu!
Ich könnte Ihnen
aber auch eine lange Liste darüber geben, was sozialdemokratische Minister bei
gesetzlichen Regelungen vergessen haben! Also werfen wir nicht mit Steinen! Ich
möchte jene Personen kennen lernen, die noch nichts übersehen haben! Da wurde
eben eine Regelung übersehen, und das wird heute repariert. (Zwischenruf
des Bundesrates Reisenberger.)
Hinsichtlich der
Vergleiche der öffentlichen Pension, der Beamtenpensionen, mit Angestelltenpensionen
muss ich Sie natürlich auch auf einen grundlegenden Irrtum aufmerksam machen:
Sie vergleichen hier fürwahr Äpfel mit Birnen! Andernfalls müssten Sie als
Gewerkschafter doch wissen, dass die öffentliche Hand keinen Dienstgeberbeitrag
zahlt, dass der öffentlich Bedienstete einen prozentuell höheren
Pensionsbeitrag zahlt als der Angestellte oder der ASVG-Versicherte, dass es
beim öffentlichen Dienst keine Höchstbemessungsgrundlage gibt und der Beamte
daher nicht nur prozentuell, sondern auch absolut einen wesentlich höheren
Pensionsbeitrag leistet, dass es außerdem keine Abfertigung gibt und so
weiter.
Würde man dasselbe
Prinzip ansetzen, dass man die öffentlichen Anteile einrechnet, dann ergibt
sich beim öffentlichen Dienst ein Deckungsbeitrag in der Höhe von ungefähr
60 Prozent und beim ASVG ein Deckungsbeitrag in der Höhe von
70 Prozent. Wieso ist da noch immer ein Unterschied? – Der Grund
dafür ist, dass beim öffentlichen Dienst der Akademiker‑ und Maturantenanteil
wesentlich höher ist als bei den ASVG‑Versicherten.
Aber in einem
Punkt stimme ich auch mit Ihnen überein: Es ist das Ziel dieser Bundesregierung –
das ist auch in diesem Regierungsprogramm enthalten –, dass die
Pensionssysteme harmonisiert und angeglichen werden müssen, denn dann hören
sich derartige Diskussionen auf, in welchen man sich nur die Rosinen
herauspickt und in der Öffentlichkeit falsche Vergleiche anstellt. Ihr
Vergleich war falsch! – Danke. (Beifall
bei der ÖVP.)
18.41
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.
18.41
Bundesrat
Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Insbesondere wende ich mich jetzt an meinen
sehr geschätzten Kollegen Reisenberger: Herr Kollege Reisenberger! Ich finde es
gut, dass Sie sich hier und heute dieser Angelegenheiten annehmen, denn
immerhin haben Sie in der Zeit zwischen 1994 und 2000 – Ihre Fraktion,
nicht Sie persönlich! – zur Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes
nichts beigetragen. Darauf hat der Herr Staatssekretär auch hingewiesen.
Ihre Fraktion unterliegt noch immer dem Irrtum, dass sie den kleinen Mann vertritt. Herr Kollege! Ich sage Ihnen: Wir Freiheitlichen vertreten den kleinen Mann, und das besser als Sie! Sie hätten das, was wir jetzt in den letzten Wochen beschlossen haben, schon ab dem Jahr 1994 tun können! (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Warum nicht? – Aber Ihre Worte
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 129 |
drücken gewissermaßen ein schlechtes Gewissen aus, und das ist der Weg
zur Besserung! Immerhin ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: An den Nationalratswahlen und den Wahlen
in Kärnten sehen Sie, wie gut Sie die Leute vertreten! – Bundesrätin Bachner: Nehmen Sie die
kleinen Frauen auch mit?) –
Ein bisschen! Ich werde es mir aussuchen!
Wenn auch im
Nationalrat die Frau Kollegin von den Sozialdemokraten Mag. Lapp die
Armutsbekämpfung in Österreich als sehr positiv darstellt – immerhin sind
es in Österreich, wie sie sagt, nur 13 Prozent der Bevölkerung –,
so muss ich sagen, das ist mir trotzdem zu viel! Daher werden wir Freiheitlichen uns für diese
13 Prozent verwenden. Die Kollegin hat Recht: Das ist sehr traurig, wenn
auch Österreich damit recht gut liegt und sich zeigt, dass in den letzten zweieinhalb
Jahre keine so schlechte Politik gemacht wurde. Immerhin liegt die Armutsgrenze
auch in EU‑Staaten, zum Beispiel in Portugal, bei 23 Prozent.
Wir Freiheitlichen
haben also einen guten Status. Wir werden weiterhin mit der Bundesregierung,
mit Hilfe der Staatssekretäre und Minister und in diesem Fall mit dir, Herr
Staatssekretär, eine gute Politik machen! Wenn es darauf ankommt, machen wir
eine sehr gute Politik, und ich hoffe, dass auch Sie dann immer mitmachen
werden, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten
der ÖVP.)
18.43
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Martin Preineder. Ich erteile es ihm.
18.43
Bundesrat
Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr
geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen im Bundesrat!
Ich glaube, betreffend diese Änderung des Bundesgesetzes aus dem Jahr 1965
sind wir in diesem Saal einer Meinung.
Ich möchte aber,
nachdem heute schon jemand gesagt hat, dass es keine unversorgten Staatsbürger
gibt, trotzdem darauf hinweisen, dass wir deswegen eine Anpassung durchführen,
weil verheiratete Ehepartner eben nur durch die Heirat versorgt sind. (Bundesrat
Mag. Gudenus: Verheiratete Ehepartner?)
Verheiratete Ehepartner sind nur durch den Ehepartner mitversorgt
und nicht eigenständig! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) – Danke
sehr! Daher glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir für eine eigene
Pensionsvorsorge Sorge tragen!
Ich glaube, es ist
auch insofern ein gutes Signal, dass wir dieses Gesetz reparieren, weil wir als
Volkspartei zeigen, dass wir die Armut bekämpfen wollen und unseren sozialen beziehungsweise
christlichen sozialen Auftrag ernst nehmen.
Wenn wir diesen
Auftrag ernst nehmen, dann ist es wichtig, dass wir das Pensionssystem auch
entsprechend weiterentwickeln, um es stabil zu erhalten, denn das öffentliche
Pensionssystem ist, so glaube ich, vorrangig dazu da, dass es die
Grundbedürfnisse unserer Staatsbürger abdeckt und niemanden in den Bereich der
Armut abrutschen lässt, wie es bei manchen Pensionisten oder vor allem bei
Familien mit vielen Kindern leicht passieren kann. (Beifall und Bravoruf des
Bundesrates Mag. Gudenus.)
Ich glaube, für
die Aufgabe, den Schutz unseres Pensionssystems wahrzunehmen, gibt es
Möglichkeiten, die darin liegen, dass wir überlegen sollen: Wie kommen wir zu
einem Drei-Säulen-Modell bestehend aus staatlicher Mindestversorgung,
betrieblicher Vorsorge und privater Vorsorge? – Dazu ist es in Anbetracht
der demographischen Daten und der Bevölkerungsentwicklung sicherlich notwendig,
dass eben – so Leid es uns tut, jeder möchte so gut und sozial wie möglich
sein, aber wir müssen uns nach der finanziellen Decke strecken – über eine
Anhebung des Pensionsantrittsalters diskutiert wird und gleichzeitig eine Entlastung
bei den Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer erfolgt. Ich glaube, hier liegt
ein Schlüssel verborgen.
Ich glaube, die Idee, über ein Bonus-Malus-System im Pensionssystem nachzudenken, ist sicherlich gut und sinnvoll, und zwar deswegen, weil dadurch die freie oder eine freiere Wahl
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 130 |
des Pensionsantrittsalters möglich ist. (Bundesrätin Bachner: Das darf ja nicht
wahr sein!) Es ist
dies durchaus eine Maßnahme, um unser System zu sichern und dem staatlichen
sozialen Auftrag nachzukommen, nämlich eine Mindestpension für alle
unversorgten Staatsbürger zu gewährleisten.
Ich glaube, nur
wenn wir das System verändern, können die Stabilität und die Sicherheit des
Pensionssystems erhalten bleiben. Ich glaube, man kann – Herr Kollege
Konecny ist nicht da – zwar Redezeit auf Kredit der Nachredner nehmen, man
sollte aber nicht Pensionen auf Kredit nachfolgender Generationen konsumieren. (Beifall
bei der ÖVP.)
Ich glaube, es ist
wichtig, dass wir alle gemeinsam in diesem Haus versuchen, Probleme zu lösen
und Lösungen im Dienst der Staatsbürger dieser Republik gemeinsam zu
erarbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
18.48
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau
Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.
18.48
Bundesrätin
Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr
Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Wenn wir
heute über die Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze für die Beamten, die
mit der jetzigen Aktion erhöht werden sollen so wie jene im Bereich des ASVG,
im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung reden, dann muss ich sagen, dass das
eine sehr bedenkliche Entwicklung ist – vor allem auch in Anbetracht
dessen, was meine Vorredner im Zusammenhang mit der Alterssicherung von sich
gegeben haben.
Meine Damen und
Herren! Die Alterssicherung war bei ihrer Einführung nicht als Armutsbekämpfungsmittel
gedacht! Die Pensionszahlungen sind in einer bestimmten, der Realität und dem
System entsprechenden Höhe als Ersatzquote des Aktiveinkommens zu sehen! Denken
wir an all das, was heute im Zusammenhang mit der Regierungserklärung schon an
zukünftigen Maßnahmen unter dem Titel einer Pensionsreform angesprochen wurde!
Herr Kollege! Woher kommen diese 100 000 €? – Diese muss
irgendjemand bezahlen!
Wenn wir einen
Teil der Maßnahmen, die hier als Pensionsreform diskutiert werden, als
realistisch und wirksam annehmen, dann werden wir sehr bald wieder über
Armutsbekämpfungsmittel diskutieren müssen. Wenn daran gedacht wird, die
Durchrechnungszeiträume drastisch zu erhöhen, was bedeuten würde, dass im
Bereich der manuell Tätigen in dem Moment, in dem die Körperkraft nachlässt,
auch das Einkommen nachlässt und dass es hingegen bei den Angestellten im
Know-how-Bereich die genau umgekehrte Entwicklung gibt, nämlich dass es zuerst
niedrige Einkommen gibt und erst in höherem Alter die Einkommen steigen, dann
müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich im Durchschnitt in beiden Bereichen
die Pensionsleistungen drastisch verringern werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Es wird in dieser
Diskussion auch immer auf die Entwicklung der Frauenerwerbsquote verwiesen,
nämlich im Hinblick auf eine sich daraus ergebende Verbreiterung – was
grundsätzlich richtig wäre – der Finanzierungsgrundlage, nur dies mag zwar
als plakative Aussage positiv klingen; wenn wir aber sowohl die bisherigen
Erfahrungen als auch die sich bereits deutlich abzeichnenden Entwicklungen
berücksichtigen, dann stellt sich die Situation wesentlich anders dar.
In Oberösterreich
wurde eine Studie durchgeführt, bei der die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
bis zum Jahr 2008 untersucht wurden. Darin wird klar festgehalten, dass
die Entwicklung im Zusammenhang mit der Frauenerwerbsquote im Bereich der
Teilzeitbeschäftigung und der nicht qualifizierten Tätigkeiten stattfinden
wird. Was das dann für spätere Ersatzquoten im Bereich der Pensionsversicherung
bedeutet, lässt sich, so glaube ich, ganz leicht nachvollziehen.
Wenn heute im Zusammenhang mit der Regierungserklärung auch der Arbeitsmarkt am Rande erwähnt wurde, dann muss ich sagen, dass das zwar als kleiner Mosaikstein zu sehen ist, aber
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 131 |
nicht im Sinne einer gravierend notwendigen Maßnahme im Zusammenhang mit
der Sicherung der zukünftigen Pensionen und deren Finanzierung.
Heute wurde vom
Herrn Bundeskanzler – ein bisschen in einem „sidestep“ – die
Abfertigung beziehungsweise die Mitarbeitervorsorgekasse angesprochen, die, wie
übrigens dann von Kollegin Bachner klargestellt wurde, als dritte Pensionssäule
dienen soll. Dazu muss ich schlichtweg sagen: Jetzt ist die Katze aus dem
Sack! Ich erinnere daran: Wir – damit meine ich die Sozialpartner –
haben die Einstimmigkeit in diesem Zusammenhang nur vor dem Hintergrund
erreicht, dass klargestellt ist, dass diese neue Variante eine Abfertigung
bleibt und keinen Ersatz für die staatliche Pensionsvorsorge bedeuten kann!
Was die
Finanzierung einer freiwilligen Pensionssicherung betrifft, so möchte ich
sagen: Herr Kollege Gudenus! Ich gestehe Ihnen gerne zu, auch wenn mir
diesbezüglich der Glaube fehlt, dass Sie sich für den „kleinen Mann“
einsetzen – wobei ich diese Bezeichnung überhaupt nicht mag, denn wer sind
schon der „kleine Mann“ und die „kleine Frau“? – Aber wenn wir von
Beziehern geringer Einkommen reden, dann kann ich nur sagen: Diese können sich
die dritte Säule erst recht nicht leisten!
Meine Damen und
Herren! Das geht im Zusammenhang mit einer Alterssicherung am Grundthema
vorbei. Ich glaube, wir müssen uns dazu bekennen, die Pensionsleistungen, die
Altersvorsorge auf generell neue Finanzierungsgrundlagen zu stellen. Wir
stellen heute fest, dass es in manchen Bereichen eine hohe Wertschöpfung gibt,
zum Beispiel im High-Tech-Bereich oder im Bereich der Finanztransaktionen. Es
sind heute weltweit vernetzte globalisierte Finanzmärkte vorhanden, und dort
entsteht eine Wertschöpfung, die wir uns im Einzelnen gar nicht vorstellen
können. Wir in Österreich, soweit wir von diesen Transaktionen betroffen
sind – das sind wir auch, wir leben nicht fern von diesen
Vorgängen –, wollen ein Pensionssystem nur mit Reparaturmaßnahmen
verbessern oder verändern? – Wenn von „verbessern“ die Rede ist, stellt
sich die Frage: besser für wen? – Besser für das Budget, aber nicht für
die betroffenen Menschen!
Wir müssen daher
von dieser Methode und diesem System der personenbezogenen Finanzierung
weggehen. Ich sage es jetzt ganz offen – auch wenn dieser Terminus bei
manchen auf große Ablehnung stößt und als Bezeichnung für unmoderne
Vorgangsweisen erachtet wird –: Wir müssen eine Methode, eine Art der
Finanzierung erreichen, die wir als Wertschöpfungsabgabe bezeichnet haben. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Ob wir bei diesem
Terminus bleiben oder nicht, ist nicht wichtig. Tatsache ist, dass wir von der
Wertschöpfung und nicht von den personenbezogenen Finanzierungsmöglichkeiten ausgehen
müssen, weil auf deren
Basis die notwendige Finanzkraft nicht mehr entstehen kann. (Beifall bei der
SPÖ.)
Solange eine
Regierung nicht den Mut hat, von einer Klientelpolitik wegzugehen, so lange
wird es in diesem Bereich zu keiner tatsächlichen Lösung kommen. – Meine
Damen und Herren! Sie brauchen jetzt nicht aufzuheulen, denn ich darf zumindest
die Mandatare der ÖVP daran erinnern, dass sie auch in den letzten Jahren, in
denen sie die eine oder andere Maßnahme vermisst haben, an diesen Maßnahmen beteiligt
waren und dass wir sehr viele Dinge in der Diskussion gerne weiter getrieben
hätten, dies aber daran gescheitert ist, dass Sie, meine Damen und Herren von
der ÖVP, in jenen Bereichen, in denen Sie Ihre Wähler sehen, nicht die
Bereitschaft aufgebracht haben, über solch grundlegende Maßnahmen zu
diskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus.)
Solange eine
Regierung nicht bereit ist, diese Dinge tatsächlich grundlegend anzugehen, ohne
darauf zu achten, wo ihre Wählerstimmen herkommen, wird es kein
funktionierendes System geben, es wird kein gerechtes System geben, und es wird
kein zukunftsträchtiges System geben – all das sind Dinge, die der Herr
Bundeskanzler, wie er es heute zum Ausdruck gebracht hat, als wesentliche Säulen
im Hinblick auf die zukünftige Arbeit der Regierung sieht.
Meine Damen und Herren! Bitte tragen Sie diese Vorstellungen von einer grundsätzlichen Stabilisierung beziehungsweise Sicherung der finanziellen Situation dieser Menschen in Ihre Reihen hinein – dorthin, wo das diskutiert wird und wo die Entscheidungen fallen können. Wir können es uns in Zukunft nicht mehr leisten, bloße Reparaturmaßnahmen durchzuführen,
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 132 |
sondern wir brauchen eine
Sicherung jener Menschen, die diesen Staat durch ihre Berufstätigkeit, durch
die Tätigkeit ihrer Hände und ihrer Köpfe sichern! Das bedeutet dann auch eine
Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
18.56
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Ing. Gerd Klamt. Ich erteile es ihm.
18.57
Bundesrat
Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr
Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Sehr verehrte Damen und Herren des
Bundesrates! Im Zuge des gegenständlichen Tagesordnungspunktes befassen wir uns
mit einem durchaus positiven Beschluss des Nationalrates betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird.
Im Rahmen des
Nationalen Aktionsplanes wurde der Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare
außertourlich auf das Eineinhalbfache des Mindestsatzes für Alleinstehende
erhöht. Die Änderung des § 26 Abs. 5 Pensionsgesetz 1965 –
es mag sein, dass es sich dabei um eine Reparatur handelt – vollzieht
diese Erhöhung für Bundesbeamte nach. Die Freiheitliche Fraktion im Bundesrat
wird diese Änderung vollinhaltlich mittragen.
Gestatten Sie mir
aber zu Beginn dieser Legislaturperiode im Folgenden noch einige Worte zu der
sehr schwierigen und sensiblen Thematik der Pensionen.
Natürlich konnte
ich die einführenden Worte zum Thema Pensionen in der Regierungserklärung
mittragen, die wie folgt lauten:
Noch in dieser
Legislaturperiode soll ein einheitliches Pensionsrecht für alle eingeführt
werden. Das bedeutet keine Privilegien mehr, dafür klare transparente Regeln:
beitragsorientiert, fair und nachvollziehbar.
Wenn ich mir aber jetzt im Detail die geplante Erhöhung des Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ansehe – ab 1. Jänner 2004 zunächst um vier Monate, 2005 um sechs Monate, 2006 bis 2009 um je acht Monate –, dann decken sich meine Gedanken mit Aussagen, wie sie auch aus dem ÖVP-Lager kommen. Ich möchte Ihnen diese nicht vorenthalten und darf einige davon zitieren:
Die Fraktion
Christlicher Gewerkschafter meint, dass die Anhebung nicht durchführbar sei.
Landeshauptmann Herwig van Staa droht Widerstand an. Und Arbeiterkammerchef
Dinkhauser meint sogar, dass die Anhebung in der geplanten Form extrem unsozial
wäre.
Ich persönlich
kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Pensionsverschlechterungen im ASVG-Bereich
mitzutragen, bevor nicht die Privilegien in anderen Bereichen gefallen sind.
Ich zitiere zum
besseren Verständnis im Folgenden aus einem Artikel der „Kleinen Zeitung“ vom
4. Jänner 2003 – ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sich
die Zahlen einmal wirklich deutlich vor Augen hält –:
„Die
durchschnittliche Höhe der Pensionen beträgt bei den zwei Millionen
ASVG-Pensionisten 910 Euro – Männer 1 198, Frauen
697 Euro. ... Die 235 000 Bundespensionisten einschließlich
Landeslehrer, Eisenbahner und Postler kommen beim Ruhebezug auf einen Schnitt
von 2 110 Euro im Monat. Ihre Pension ist damit im Schnitt fast so
hoch wie die höchstmögliche ASVG-Rente von 2 364 Euro.“ – Das
muss man sich einmal vorstellen!
„Der Bund musste im Vorjahr das ASVG-System mit seinen zwei Millionen Pensionisten mit einem Zuschuss von 4,9 Milliarden Euro vor dem Kollaps retten.“ (Bundesrat Boden: Wie viel Prozent zahlen sie ein?) „Das sind 175 Euro Bundeszuschuss pro Rentner und Monat. Werden von den Pensionsleistungen des Bundes an die Beamtenpensionisten deren Eigenleistungen und Zahlungen von ÖBB und Post abgerechnet, betragen diese für die genannten 235 000 Ruhebezugsempfänger 4,8 Milliarden.“ – Das ist in etwa ein vergleichbarer Betrag. –
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 133 |
„Pro Kopf und Monat sind das
1 459 Euro, die als Bundeszuschuss bezeichnet werden können.“ (Bundesrat Boden: Wie viel Prozent zahlt jeder ... ein?)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Diese Fakten, die ich aus der „Kleinen Zeitung“
zitiert habe, „belegen,“ so heißt es weiter, „wie brisant die Diskussion ist“,
mit der wir uns beschäftigen. „Sie wird nicht wesentlich durch den Hinweis
entschärft, dass der Bund für seine Dienstnehmer nicht wie die Wirtschaft
Pensionsbeiträge bezahlt,“ (Ruf bei der
ÖVP: 50 Prozent!) „dass Beamte höhere Pensionsbeiträge leisten als
ASVG-Versicherte und dass die Beamtenpensionisten einen
Pensionssicherungsbeitrag leisten müssen.
„Übrig bleibt die
Tatsache“ – damit schließt dieser Artikel – „,dass der Staat für
235 000 Beamtenpensionisten mit hohen Ruhebezügen praktisch gleich
viel ,Zuschuss’ zahlt wie für die – individuell schlechter
gestellten – zwei Millionen ASVG-Rentner.“ (Bundesrätin Schicker: So
ist es! Ja! Richtig!)
Das ist die
Botschaft, die ich einmal vermitteln wollte, wenn wir von Gerechtigkeit und von
Ungerechtigkeit sprechen. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass wir von
Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Thema Pensionen in unserem Staate
Österreich noch meilenweit entfernt sind (Bundesrätin
Schicker: So ist es!) und dass
wir alle noch ein sehr weites Betätigungsfeld vor uns haben.
Wissen Sie, meine
sehr verehrten Damen und Herren, wie schwierig es im ASVG-Bereich ist, die
Berufsunfähigkeit zugesprochen zu bekommen? – Informieren Sie sich einmal
darüber, dann werden Sie die Unterschiede merken! (Bundesrätin Schicker: Ja!)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren von der ÖVP! Wollen Sie es Bauarbeitern und
Dachdeckern tatsächlich zumuten, dass sie mit weit über 60 Jahren noch auf
Gerüsten und Dächern herumklettern? Wollen wir das? – Wir müssen uns mit
diesem Thema auseinander setzen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)
Sollten wir die
Schaffung der Möglichkeit – diese steht auch im Regierungsprogramm, sie
ist dort aber erst ab 2009 vorgesehen –, nach eigener Disposition ab 60
mit entsprechenden Zu- und Abschlägen in Pension zu gehen, nicht vorziehen und
vielleicht die Zu- und Abschläge auch nach der Schwere des Berufes zu
differenzieren beginnen? – Das ist auch sehr wichtig.
Müssen wir uns
nicht darüber Gedanken machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es
auch in geschützten Bereichen, in denen der Arbeitsplatz sicher ist, in denen
man nur zum Schreibtisch hingehen muss, nicht gelang, das effektive
Pensionsantrittsalter an das jeweils geltende Antrittsalter heranzuführen?
Sollten wir uns da nicht Gedanken machen?
Glaubt jemand hier
in diesem Saal wirklich daran, dass flankierende Maßnahmen wie die Senkung der
Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft die
Arbeitsmarktsituation so entspannen werden, dass ältere Arbeitnehmer eine
echte Chance auf einen angemessenen Arbeitsplatz bekommen? (Bundesrätin Bachner: Nein!) – Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich glaube nicht daran, und ich meine, dass wir alle – hier appelliere ich
an alle – der Realität ins Auge blicken müssen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und bei der SPÖ.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Die Wirklichkeit ist manchmal sehr hart. Aber wenn
man bereit ist, die Realität zu sehen, dann gibt es auch Lösungen.
Wir werden aber
nicht daran vorbeikommen, die Privilegien in den geschützten Bereichen sukzessive
abzubauen. Wenn Gerechtigkeit in den verschiedenen Pensionssystemen hergestellt
ist, wird es leichter sein, notwendige Reformschritte zu setzen beziehungsweise
Verständnis für das Setzen notwendiger Reformschritte zu finden. (Bundesrätin Schicker: Ja, weil sie dann für alle gleich sind!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Bereich der Pensionen noch einen langen Marsch vor uns. Wir Freiheitlichen sind bereit, diesen steinigen Weg zur Auf-
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rechterhaltung des Generationenvertrages mit viel Feingefühl und
vor allem mit viel sozialem Empfinden zu gehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der
SPÖ.)
19.08
Präsident
Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht
vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein
Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag, keinen
Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
4. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (39/A und 15/NR sowie 6770/BR der Beilagen)
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 4. Punkt
der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird.
Die
Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher übernommen. Ich bitte
um den Bericht.
Berichterstatter
Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher
sogleich zum Antrag:
Der Ausschuss für
soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am
11. März 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.
Präsident
Herwig Hösele: Danke für den Bericht.
Wortmeldungen dazu
liegen nicht vor.
Wünscht jemand das
Wort? – Dies ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein
Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag, keinen
Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Die Tagesordnung
ist erschöpft.
Ich gebe noch
bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt
sieben Anfragen – 2051/J bis 2057/J – eingebracht wurden.
Die Einberufung
der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege
erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 11. April 2003, in Aussicht
genommen. – Es ist Ihnen in den letzten Stunden ein Arbeitsplan für die
Zeit April 2003 bis Juli 2004 übergeben worden.
Bundesrat | 694. Sitzung / Seite 135 |
Für die
Tagesordnung der Sitzung vom 11. April 2003 kommen jene Vorlagen in
Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie
dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates
unterliegen.
Die
Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 8. April 2003, vorgesehen.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der
Sitzung: 19.11 Uhr
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