Stenographisches Protokoll

694. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 13. März 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

694. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. März 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. März 2003: 9.06 – 19.11 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Erklärung der Bundesregierung

2. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge­­setz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wer­­den

3. Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Man­dats­verzicht                         5

Angelobung des Bundesrates Dr. Franz-Eduard Kühnel ................................... 5

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages be­treffend Ersatzwahl in den Bundesrat ........................................................................................................ 6

Personalien

Krankmeldungen ............................................................................................... 5

Entschuldigungen ............................................................................................. 5

Ordnungsruf ................................................................................................ 120

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesre­gie­rung sowie der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten ................................................................... 6


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 2

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Bundesre­gie­rung und der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................ 6

Wahlen in Institutionen

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen des Landeshaupt­mannes von Tirol DDr. Herwig van Staa als Mitglied und des Ersten Landes­hauptmann-Stellvertreters der Steiermark Mag. Franz Voves als stellver­tre­ten­des Mitglied des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG               8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ................................................................ 9

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................... 9

Verhandlungen

(1) Erklärung der Bundesregierung

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ......................................................... 10

Debatte:

Albrecht Konecny .......................................................................  18 und 115

Ludwig Bieringer ........................................................................  27 und 119

Stefan Schennach ..................................................................................... 30

Dr. Peter Böhm ......................................................................................... 34

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 39

Hans Ager ................................................................................................. 47

Dr. Elisabeth Hlavac .................................................................................. 50

Mag. John Gudenus ................................................................................. 52

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 56

Josef Saller ............................................................................................... 58

Manfred Gruber ........................................................................................ 59

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger ................................................................... 65

Bundesminister Günther Platter ................................................................ 68

Dr. Andreas Schnider ............................................................................... 69

Johanna Schicker ..................................................................................... 71

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................. 74

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................... 77

Paul Fasching ........................................................................................... 79

Günther Molzbichler ................................................................................. 81

Ulrike Haunschmid ................................................................................... 82

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................ 84

Margarete Aburumieh ............................................................................... 86

Harald Reisenberger ....................................................................... 89 und 97

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer .............................................  93 und 99

Mag. Gerhard Tusek.................................................................................. 97

Roswitha Bachner ................................................................................... 100

Ing. Gerd Klamt........................................................................................ 104

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ...................................................... 105

Mag. Harald Himmer ............................................................................... 107

Herbert Thumpser ................................................................................... 109

Jürgen Weiss .......................................................................................... 110

Karl Boden .............................................................................................. 113

Benno Sulzberger ................................................................................... 117

Engelbert Weilharter................................................................................ 118


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms der österrei­chi­schen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode ............................................................................. 29

Annahme (E/184-BR/03) ............................................................................... 119

Entschließungsantrag der Bundesräte Hans Ager, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Irak-Krise ...................................................................................................................... 49

Annahme (E/185-BR/03) ............................................................................... 119

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schen­nach und Kollegen betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfeh­lungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich ..................................................................................................................... 116

Ablehnung .................................................................................................. 120

(2) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bun­des­ge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steu­er­ge­setz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geän­dert werden (34/A und 16/NR sowie 6768/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml ...................................................................... 120

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ilse Giesinger .......................................................................................... 121

Johanna Schicker ................................................................................... 121

Engelbert Weilharter ............................................................................... 122

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................. 123

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ........................................................................................................... 123

(3) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird (35/A und 17/NR sowie 6769/BR d. B.)

Berichterstatter: Günther Molzbichler ........................................................... 124

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Helmut Kritzinger .................................................................................... 124

Harald Reisenberger ................................................................................ 126

Staatssekretär Dr. Alfred Finz................................................................... 128

Mag. John Gudenus ................................................................................ 128

Martin Preineder ..................................................................................... 129

Hedda Kainz ........................................................................................... 130

Ing. Gerd Klamt ....................................................................................... 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ........................................................................................................... 134

(4) Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (39/A und 15/NR sowie 6770/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 4

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ..................................................... ... 134

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ........................................................................................................... 134

Eingebracht wurden

Anfragen

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend Be­steuerung von Pensionsabfindungen (2051/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Ge­nerationen betreffend Zuschlag für Mehrlingsgeburten (2052/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Ha­gen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit be­treffend Einrichtung eines Vorarlberger Beschäftigungsfonds (2053/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Ha­gen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Machbarkeitsstudie für einen Eisenbahntunnel durch den Pfänder (2054/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Wis­senschaft und Kultur betreffend finanzielle Gebarung des Denkmalfonds (2055/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler be­treffend „ganz besondere Publizistik-Förderung“ für das „Wiener Journal“ (2056/J-BR/03)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und KollegInnen an den Bundesminister für Lan­des­verteidigung betreffend Reformpläne im Bereich des Landesvertei­digungsmi­niste­riums (2057/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1877/AB-BR/03 zu 2044/J-BR/02)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1878/AB-BR/03 zu 2045/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1879/AB-BR/03 zu 2046/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1880/AB-BR/03 zu 2047/J-BR/02)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1881/AB-BR/03 zu 2048/J-BR/02)


 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr


Präsident Herwig Hösele: Ich eröffne die 694. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 693. Sitzung des Bundesrates vom 30. Jänner 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Walter Mayr, Reinhard Todt, Uta Barbara Pühringer und Johann Ledolter.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Alfredo Rosenmaier, Gottfried Kneifel und Wilhelm Grissemann.

Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Erster Präsident des Wiener Landtages Johann Hatzl

Sehr geehrter Herr Präsident!

Herr Bundesrat Mag. Michael Ikrath hat mit Wirkung vom 4. März 2003 sein an 11. Stelle ge­reihtes Mandat im Bundesrat zurückgelegt. Auf dieses Mandat rückte das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied, Herr Dr. Franz Eduard Kühnel, nach.

Auf Vorschlag des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien wurde in der Sitzung des Wiener Landtags vom 7. März 2003 Herr Mag. Werner Suppan als neues Ersatzmitglied für die 11. Stelle gewählt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“


Präsident Herwig Hösele: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Hedda Kainz: „Sie werden geloben, unverbrüchliche Treue der Republik Öster­reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“


Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe.


Präsident Herwig Hösele: Ich begrüße Herrn Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel recht herz­lich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 6

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt ist ferner ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Ober­österreichischen Landtages betreffend Ersatzwahl in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages Angela Orthner

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 23. Jänner 2003 ge­mäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Artikel 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die Nachwahl eines Ersatzmannes durchgeführt hat.

Es wurde gewählt:

als Ersatzmitglied an 6. Stelle:

Landtagsabgeordneter Ludwig Hofmann, geboren am 22. 11. 1937,

5280 Braunau, Friedhofstraße 18.

Mit freundlichen Grüßen

Angela Orthner“


Präsident Herwig Hösele: Danke.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung sowie der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Februar 2003, GZ 300.000/3-BEV/03, die mit der Führung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen und den Staats­sekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom Amt enthoben hat.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“


Präsident Herwig Hösele: Danke.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Bundesregierung und der Staatssekretäre durch den Herrn Bundespräsidenten.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Sehr geehrter Herr Präsident!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 7

Ich beehre mich mitzuteilen, dass mich der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Februar 2003, GZ 300.000/2-BEV/03, gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsge­setz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Mag. Herbert Haupt zum Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Genera­tionen

Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen

Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres

Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz

Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft

Günther Platter zum Bundesminister für Landesverteidigung

Hubert Gorbach zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

sowie in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 B-VG

Maria Rauch-Kallat zur Bundesministerin ohne Portefeuille.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz

Franz Morak zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Mag. Karl Schweitzer zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Ge­schäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben,

Mag. Helmut Kukacka zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie beigegeben,

Ursula Haubner zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Genera­tionen beigegeben,

Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin Maria Rauch-Kallat beigegeben.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministerien­gesetzes mich mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport betraut.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 8

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“


Präsident Herwig Hösele: Danke.

Weiters gebe ich bekannt, dass zwei Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Nominie­rungen des Landeshauptmannes von Tirol DDr. Herwig van Staa als Mitglied und des Ersten Landeshauptmann-Stellvertreters der Steiermark Mag. Franz Voves als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 4 Bundes-Verfassungsge­setz eingelangt sind.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.


Schriftführerin Hedda Kainz:

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Nach dem Ausscheiden von Herrn Landeshauptmann a.D. Dr. Wendelin Weingartner als Mit­glied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2006 ein Nachfolger zu ernennen.

Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Dir mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 28. Januar 2003 beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG erfolgten Vorschlags des Landes Tirol Herrn Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa als Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Schüssel

Ich komme jetzt zum zweiten Schreiben.

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Nach dem Ausscheiden von Herrn 1. Landeshauptmann-Stellvertreter a.D. DDr. Peter Schach­ner-Blazizek als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2006 ein Nachfolger zu ernennen.

Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Dir mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 28. Januar 2003 beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG und nach Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung erfolgten Vorschlags der Ver­bindungsstelle der Bundesländer Herrn 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Franz Voves als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Schüssel


Präsident Herwig Hösele: Ich danke der Schriftführerin für die heute besonders umfangreiche Berichterstattung.

Eingelangt sind die Anfragebeantwortungen 1877/AB bis 1881/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundes­rates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfrage­beantwortungen.


Bundesrat
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694. Sitzung / Seite 9

Den eingelangten Gewässerschutzbericht 2002 gemäß § 33e WRG des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft habe ich dem zuständigen Ausschuss zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tages­ordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zuge­wiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe diese Beschlüsse des Nationalrates sowie die Erklärung der Bundesregierung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Erklärung der Bundesregierung


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen zum 1. Punkt: Erklärung der Bundesregierung.

Ich begrüße dazu die anwesenden Mitglieder der Bundesregierung mit Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel an der Spitze. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße Herrn Vizekanzler Mag. Herbert Haupt erstmals in dieser Funktion. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße die anwesenden neuen Mitglieder der Bundesregierung:

Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter (allgemeiner Beifall),

Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll (allgemeiner Beifall),

Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat (allgemeiner Beifall),

Herrn Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer (allgemeiner Beifall),

Herrn Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka (allgemeiner Beifall),

Frau Staatssekretärin Ursula Haubner (allgemeiner Beifall)

und erlaube mir anzumerken, dass viele Mitglieder der Bundesregierung in diesem Hause bereits als Bundesrätinnen und Bundesräte tätig waren.

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schrift­liches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler namens der Bundesregie­rung abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. – Bitte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 10

9.18


Bundeskanzler, betraut mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffent­liche Leistung und Sport Dr. Wolfgang Schüssel: Hoher Bundesrat! Herr Präsident! Er­lauben Sie mir, dass ich, bevor ich die Regierungserklärung hier abgebe – und zwar in einer etwas verkürzten Form, denn die schriftliche Erklärung liegt Ihnen ja vor; ich glaube, es ist dies auch so in der Präsidialkonferenz vereinbart worden –, einige Worte zum schrecklichen Tod, zur Ermordung von Zoran Djindjic sage.

Zoran Djindjic ist vor nicht einmal 24 Stunden, um die Mittagszeit herum, von einem Scharf­schützen vom gegenüber liegenden Dach des Regierungsgebäudes aus erschossen worden. Ich muss ganz offen sagen: Mich hat diese Ermordung tief getroffen, denn Djindjic war eine wirkliche Hoffnung für diese ganze Region, für Südosteuropa, für den Balkan – nicht nur für Serbien und Montenegro. Er war einer der ganz wenigen brillanten Politiker, die eine euro­päische Vision und auch eine europäische Gesinnung verkörpert und gelebt haben.

Wir Österreicher haben da eine Rolle inne, die zwar im globalen Zusammenhang nicht übertrie­ben werden darf, die aber, wie ich meine, gerade in diesem Bereich, in Mitteleuropa, in Südost­europa, in Richtung Balkan wichtig ist. Österreich hat immer schon – das ist weit über die Par­teigrenzen hinaus zu sehen – eine Rolle zu leben versucht – diese ist auch angenommen und positiv begründet worden –, die in Richtung Einbindung dieser Region in europäische Struktu­ren, in verstärkte Demokratisierung, in wirtschaftliche Zusammenhänge und Netzwerke und in Richtung Kulturaustausch gegangen ist. Wir haben uns enorm bemüht, dieses neue Serbien, dieses neue Jugoslawien auf einen europäischen Weg zu führen.

Für mich als früheren Außenminister und jetzigen Bundeskanzler war Zoran Djindjic wirklich eine der ganz wenigen Hoffungen in dieser Region, in diesem Land. Ich habe ihn immer unter­stützt, auch als er noch ein ganz unbekannter Oppositionspolitiker gewesen ist. Ich werde es nie vergessen, wie er, als er das erste Mal nach Wien gekommen ist, im Außenministerium seine Fragen, seine Hoffnungen und auch seine Befürchtungen geäußert hat. Er ist dann einige Male, praktisch jedes Jahr ein-, zweimal gekommen, zum Teil zusammen mit anderen Oppo­sitionellen. Ich weiß auch, dass viele politische Parteien – wo immer sie stehen – diese Hoff­nung sehr unterstützt haben.

Ich werde auch nicht vergessen, was er mir, als ich meinen ersten Staatsbesuch beim damali­gen Ministerpräsidenten absolviert habe, erzählt hat. Er hat zweimal eine wirklich historische Bedeutung erlangt, nämlich das erste Mal als er im Herbst 2000 mit einem absolut durchdach­ten und brillant geplanten demokratischen Coup Milosevic gestürzt hat. Er hat mir bei diesem meinem Besuch erzählt, dass in den Tagen und den Stunden davor dreimal von Milosevic der Tötungsbefehl gegen ihn ergangen sei. Die Armee habe sich geweigert, der Geheimdienst habe sich geweigert, und die Präsidentengarde sei dann letztlich unter dem Druck des Militärs vor diesem Tötungsauftrag zurückgeschreckt.

Er hat diese Erzählung übrigens in einem sehr beeindruckenden Interview mit Paul Lendvai in der „Europäischen Rundschau“ zu Protokoll gebracht.

Ein zweites Mal hat Djindjic historische Bedeutung erlangt, als er am 28. Juni 2001, ausgerech­net am Jahrestag der Schlacht am Amselfeld, was eine gewisse Konnotation für jeden Serben hat, Milosevic gegen heftigsten Druck im Inland, gegen die nationalistischen Kreise und die alten Clan-Strukturen nach Den Haag ausgeliefert hat.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir seiner gedenken, dass wir nicht einfach zur Tagesord­nung übergehen, dass wir wirklich versuchen, dieses Vermächtnis, das mit ihm verbunden ist, mitzunehmen, und dass wir jene wenigen Hoffnungen, die es dort noch gibt, stützen und stär­ken, damit die Attentäter nicht den Erfolg davontragen, quasi einen doppelten Erfolg im Nach­hinein. Ich würde Sie sehr darum bitten, dass wir dieses Gedenken auch in diese heutige Sitzung mit aufnehmen. (Alle Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.)

Meine Damen und Herren! Nun zur Regierungserklärung:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
694. Sitzung / Seite 11

Herbert Haupt und ich haben uns vorgenommen, dass wir Ihnen eine etwas verkürzte und, wie ich glaube, freiere Darstellung der Inhalte des sehr umfangreichen Regierungsprogramms vor­stellen. Erlauben Sie mir, dass ich einleitend nur einige ganz wenige Bemerkungen zu den Erwartungen und zur Stimmungslage in diesem Land sage.

Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich sagen, dass ich glaube, dass in Österreich die Erwartung auf und auch die Bereitschaft zu sinnvollen, notwendigen und sozial ausgewogenen Reformen absolut gegeben sind. Jeder erwartet das, und jeder weiß natürlich auch, dass auf Grund der demographischen Entwicklungen und auf Grund der globalen Zusammenhänge auf dem Gebiete der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte interne Reformen und Akzentverschiebun­gen notwendig sind. Ich glaube, dass die Bevölkerung auch durchaus bereit ist, da mitzugehen, wenn die Zusammenhänge erklärt werden, wenn die einzelnen Maßnahmen begründet sind und wenn sie in einem sachlichen Gesamtzusammenhang stehen, wo nicht einzelne Gruppen ausgespart oder manche überproportional getroffen werden, also wenn wirklich alle begreifen: Es hat einen Sinn, und es steht in einem Gesamtzusammenhang, der Österreich letztlich stärken und fördern soll.

Zum Zweiten: International stehen wir vor zwei ganz bedrohlichen Entwicklungen. Das eine ist die Irak-Krise, auf die ich jetzt im Detail nicht eingehen kann. Im Moment wird im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen um eine neue Kompromissformulierung gerungen. Ich halte es für ganz wesentlich – ich hoffe, Sie stimmen mir da zu –, dass der UNO-Sicherheitsrat für uns weiterhin die Autorität bleiben muss. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn sich der Sicherheitsrat quasi intern blockieren würde und nicht mehr handlungsfähig wäre, und es wäre ein schwerer Fehler, wenn einseitige Aktionen ohne die Autorisierung und die Legitimität durch die Vereinten Nati­-onen gesetzt würden, denn all diese Maßnahmen würden dann – und da hat Kofi Annan Recht – außerhalb der UNO-Charta erfolgen, wären dann gegen die UNO-Charta interpretierbar und damit nicht mit unseren völkerrechtlichen Vorstellungen verknüpft.

Ich halte diese Stärkung der UNO, die Betonung der politischen Möglichkeiten als sinnvolles und notwendiges Instrument für ganz entscheidend. Krieg darf wirklich nur das allerletzte Mittel sein. Ich glaube, dass dies ein Thema ist, das weit über die Parteigrenzen hinweg Österreich mit den österreichischen Parteien und mit Nationalrat und Bundesrat eint.

Wir werden daher immer auf der Seite des Friedens und auf der Seite der Vereinten Nationen zu finden sein, und ich werde auch nicht müde werden, die Europäische Union aufzufordern, eine gemeinsame Außenpolitik zu konzipieren und sich nicht in Flügelkämpfen zu zerreißen oder sich in verschiedene Lager einteilen zu lassen. Daher haben die Österreicher oder auch die Schweden oder die Finnen oder die Iren immer die jeweilige Präsidentschaft unterstützt, denn das ist nach unserer europäischen Verfassung sozusagen die Stimme Europas, und sie muss und will gehört werden.

Die zweite große Problematik ist natürlich die Konjunktursituation. Diese ist auch ein wenig von der Irak-Krise betroffen. So ist zum Beispiel der Ölpreis um 10 Dollar pro Barrel gestiegen. Allein dies macht bereits einige hundert Millionen Dollar an Belastung für unsere Wirtschaft aus. Die Konjunkturparameter sind in fast allen europäischen Ländern, aber auch in anderen Län­dern, zurückgegangen, die Konjunktur wird dadurch deutlich geschwächt. Auch wir bleiben natürlich von diesen Entwicklungen nicht verschont.

Um Sie eine Stimme hören zu lassen, die an sich ganz interessant ist, zitiere ich die „Salzburger Nachrichten“ vom letzten Wochenende, in denen Österreich mit Deutschland in diesem Zusam­menhang verglichen wird. Ich zitiere:

„Wenn Österreich heute mit Deutschland verglichen wird, geschieht dies vor allem zur Stärkung des österreichischen Selbstwertgefühls. Das Resultat des Vergleichs wird gerne so dargestellt: Im Gegensatz zum kranken Riesen Deutschland steht der agile Zwerg Österreich glänzend da.“ (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)


Bundesrat
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694. Sitzung / Seite 12

„Was die Wirtschaft betrifft, hat diese Botschaft einiges für sich. Österreich ist zur Zeit dem großen Nachbarn in vielen Belangen überlegen. Das Wirtschaftswachstum ist stärker. Die Arbeitslosigkeit ist niedriger. Österreich hat seinen Staatshaushalt im Griff. Und Österreich hat Sozialpartner, die im Ernstfall wissen, worauf es ankommt. Eine Blockadepolitik, wie sie von den deutschen Gewerkschaften im Moment verfolgt wird, wäre hierzulande undenkbar.“

Nicht Wolfgang Schüssel oder Herbert Haupt, sondern die „Salzburger Nachrichten“ sagen dies. Aber etwas Wahres ist in diesem Vergleich schon enthalten, das will ich ausdrücklich festhal­ten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben uns in unserer Regierungserklärung auf drei Eckpfeiler gestützt. Diese sind: „zu­kunftsfest“, „gerecht“ und „nachhaltig“. All unsere inhaltlichen Vorgaben oder Lösungsant­worten müssen folgendem Test standhalten: Hat das für die Zukunft etwas Positives an sich? Ist das eine nachhaltige und nicht nur eine kurzfristige Lösung? Ist es eine gerechte und faire Lösung, die die Bevölkerung auch akzeptiert?

Daher haben wir uns auch ein längerfristiges Ziel als „Quasi-Leuchtturm“ gesetzt, und zwar nicht nur für diese Legislaturperiode; manche haben gescherzt und gemeint, das Jahr 2010 als Ziel zu sehen, hieße nur, dass sich diese Bundesregierung nicht allein mit dieser Legislatur­periode beschäftigen will. Sie brauchen keine Sorge zu haben, wir sehen uns nicht als prag­matisiert an, wir sind nicht fest angestellt für die nächste und übernächste Legislaturperiode, aber wir versuchen schon, unsere Zielvorstellungen in einem längerfristigen Parameterbereich unterzubringen, denn dann macht es auch wirklich Sinn und dann ist sichergestellt, dass das, was wir wollen, zukunftsfest, nachhaltig und gerecht sein kann.

Dazu gehört, dass wir die Erwerbsquote steigern wollen – gerade bei Frauen ist das ein wichti­ges Thema –, dass wir Österreich zu einem Ort machen wollen, wo es keine Generationen- und Verteilungskämpfe gibt, sondern wo sich die Generationen fair behandelt fühlen und die Lasten gerecht verteilt werden.

Im Gesundheitsbereich wollen wir die Qualität halten, vor allem aber die Zahl der Vorsorge­untersuchungen verdoppeln. Kinder- und Familienfreundlichkeit soll sehr stark in den Vorder­grund gerückt werden. Die Wissensgesellschaft soll noch mehr Betonung finden. Die Chancen der EU-Erweiterung sollen genützt werden. Natürlich soll auch die Abgabenquote innerhalb dieser und der nächsten Legislaturperiode nachhaltig auf 40 Prozent gesenkt werden.

Zu den Vorhaben im Detail: Das erste Thema, mit dem wir unmittelbar konfrontiert sein werden, ist die Europapolitik, denn von heute an in einem Monat werden die zehn Beitrittsverträge unter­zeichnet und der Ratifizierung zugeleitet. Diese Erweiterung ist für Österreich eine wahrhaft historische Chance!

Ich habe meine politische Karriere 1979 als Mandatar im nördlichen Waldviertel begonnen. Diese Zeit ist mir noch absolut präsent: Stacheldraht, Minenfelder, Maschinengewehrnester – Österreich war zur Hälfte von Stacheldraht umzäunt. Heute wird dieses Gebiet die Herzzone der Erweiterung werden – eine Zone beziehungsweise ein Projekt, das uns in den nächsten zehn Jahren 24 Milliarden € an Wohlstandsgewinn und in diesen Beitrittsländern Umweltinvesti­tionen in der Höhe von 120 Milliarden € bringen wird, welche bei uns wiederum massive Ver­besserungen in der Luftqualität bewirken werden.

Natürlich soll man den Menschen nichts vormachen: Auch wir werden in diesem Zusammen­hang Probleme zu bewältigen haben, etwa den Ost-West-, aber auch den Nord-Süd-Transit. Daher ist es gerechtfertigt, dass Österreich in diesem Punkt seine Interessen vertritt, dass wir eine Nachfolgeregelung für unseren Ökopunkte-Vertrag anstreben, dass wir eine moderne, noch nicht ausreichend definierte Wegekostenrichtlinie anstreben, dass wir natürlich auch selbst in unsere Infrastruktur investieren und dass wir die Grenzregionen stärken, wo vor allem in den nächsten Jahren etwa 30 000 neue Arbeitsplätze entstehen können.


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Ich glaube, eine aktive Europapolitik dieses Zuschnitts wäre etwas ganz Bedeutsames, dem sich jedenfalls diese Bundesregierung voll verpflichtet fühlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der Freiheitlichen.)

Das zweite große Thema – gerade in Zeiten einer außenpolitischen Krise – ist die Sicherheit. Zukunft braucht Sicherheit!

Wir haben uns daher vorgenommen, eines der großen Reformprojekte der nachhaltigen Stär­kung der Sicherheitsstrukturen zu widmen. Ich sage es ganz offen: Wir werden hier so manche Tabugrenze überschreiten müssen, etwa im Bereich der Weiterentwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Für mich ist es kein Schreckensbild, dass es irgendwann einmal einen europäischen Außenminister und auch eine europäische Verteidigungspolitik mit einer Beistandsgarantie geben wird, die ja übrigens auch – was ich für sehr wichtig halte – bei den Sondierungsgesprächen zwischen allen politischen Parteien außer Streit gestellt werden konnte. Das heißt noch nicht, dass wir einem Militärbündnis beitreten! Aber dass Europa eine Beistandsgarantie für die jeweiligen Mitglieder abgibt, halte ich für einen ganz großen Fort­schritt! Österreich könnte einer der Vorreiter einer solchen Entwicklung werden.

Wir werden also durchaus mitgehen, wenn Europa etwa Planungsziele, Einsatzziele definiert. Wir werden uns an einem solchen Europakorps mit etwa 1 500 Soldaten beteiligen, das sind wirklich hoch spezialisierte Soldaten, die für europäische Einsätze zur Verfügung stehen. Aller­dings müssen wir auch dazusagen, dass es diese Sicherheit nicht zum Nulltarif geben kann. Sicherheit hat ihren Preis! Das ist quasi unsere Versicherungspolizze gegen Unsicherheit, Kriminalität, Terror oder militärische Bedrohungen von außen. Ich glaube, ein vergleichsweise relativ wohlhabendes Land darf in dieser Frage kein Trittbrettfahrer, sondern muss bereit sein, sich im Rahmen europäischer Verpflichtungen auch einzubringen.

Das Bundesheer braucht dabei einige massive Veränderungen. Es ist unbestritten, dass wir unsere Bedrohungsbilder neu überdenken müssen. Die Zeit des Kalten Krieges ist vorbei, man braucht keine großen Armeen, keine Landarmeen mehr. Daher wird eine Bundesheer-Reform­kommission, die wir in den nächsten Wochen einsetzen wollen, einen neuen Schwerpunkt, eine neue Aufgabenteilung entwickeln und Antworten auf Fragen, die uns allen auf der Zunge liegen – etwa: Welche Armee braucht ein moderner Staat für die Zukunft? Wie groß soll sie sein? Was soll sie kosten? Welche Aufgaben sind dabei zu erfüllen? Wo müssen die Strukturen schlanker sein, und wo muss mehr investiert werden? – finden müssen.

All dies sind Fragen, die entscheidend sind. Für mich, für uns steht aber außer Streit, dass man – gerade als ein Land, das seine Neutralität immer ernst genommen hat – auf einen Stütz­pfeiler nicht verzichten darf, nämlich auf die Überwachung des österreichischen Luftraumes.

Daher wird die Beschaffung von Flugzeugen für luftpolizeiliche Aufgaben natürlich – wie vorge­sehen, wie von der vorletzten Regierung bereits vorentschieden und der letzten Regierung in der Typenwahl entschieden – in dieser Legislaturperiode vollendet werden müssen.

Erlauben Sie, dass ich zur Frage des Präsenzdienstes ein Wort sage! Mir ist dies sehr wichtig, und es hat mir sehr gut gefallen, dass der neue Verteidigungsminister die Frage der Attraktivität des Präsenzdienstes sehr stark in den Vordergrund gerückt hat.

Wenn junge Männer zum Präsenzdienst einrücken, dann muss das einen Mehrwert für sie ergeben. In den Monaten, in denen sie dort ausgebildet werden, kann man vieles machen, etwa in punkto sportliche Ertüchtigung – Karl Schweitzer beginnt zu strahlen, nein, im Moment ist er nicht da, egal (Zwischenrufe bei der SPÖ), er strahlt sowieso als Sportstaatssekretär. Meiner Überzeugung nach ist das ein Thema. Ich glaube, dass man vom Computerführerschein bis zu verschiedenen Techniken, die man beim Bundesheer erlernen kann, vieles anbieten könnte, was die Attraktivität des Präsenzdienstes erhöhen kann, dass auch das Bergerlebnis oder vieles andere mit eine Rolle spielen können. Ich möchte Günther Platter auf dem Weg, den Präsenzdienst attraktiver zu machen, absolut unterstützen. Du hast unsere Unterstützung! (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Weiters wollen wir im Bereich der Sicherheitskörper, der Wachkörper, einen mutigen Schritt setzen, der früher zwar immer wieder diskutiert, aber nie ernsthaft begonnen wurde, nämlich die Zusammenlegung der Wachkörper unter einem Dach.

Zum ersten Mal wird das Innenministerium ein Ministerium sein, bei dem Bundesheer, Gen­darmerie, Schifffahrtspolizei und Zollwache gemeinsam schlagkräftig für die Sicherheit sorgen. Ich halte das für ganz entscheidend. Die Leitlinien dabei werden sein: engagiert für den Rechts­staat, sensibel für Menschenrechte, konsequent gegen die Kriminalität!

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema heißt für uns in Zukunft: Österreich neu denken!

Ich möchte diesbezüglich zwei Themen herausstellen. Erstens geht es dabei vor allem um die Verfassungsreform, die Erneuerung der österreichischen Bundesverfassung, deren älteste Be­stimmungen praktisch eineinhalb Jahrhunderte zurückreichen, und um die Frage des Öster­reich-Konvents, der hier eine große Rolle spielt.

Erlauben Sie mir, dass ich da auch den Präsidenten des Bundesrates Herwig Hösele an­spreche, der diese Idee als einer der Ersten – ich glaube sogar als Erster überhaupt – in die politische Diskussion eingebracht hat, eine Idee, die dann von allen politischen Parteien aufgegriffen wurde und die ich in die Regierungserklärung auch gerne mit einbinde. Ich glaube, dass ein solcher Österreich-Konvent – an dem natürlich alle Bundesländer, alle Städte und Gemeinden in Gestalt von Städte- und Gemeindebund, natürlich auch der Bund, alle politischen Kräfte und die Sozialpartner sowie Experten aus vielen Bereichen mitwirken sollen – ein Instru­ment dafür ist, wie wichtige Fragen, die später, bei der konkreten Umsetzung, möglicherweise auch einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, außer Streit gestellt werden können.

Ich bin sehr froh darüber, dass der Präsident des Rechnungshofes Fiedler bereit ist, den Vorsitz zu übernehmen, das steht außer Streit zwischen den politischen Parteien dieses Landes. Damit kann dies, so glaube ich, ein wichtiger Impuls sein, um eine Verfassungsreform, die diesen Namen verdient, wirklich umzusetzen.

Ein gutes Beispiel für mögliche Veränderungen ist meiner Meinung nach auch die Schaffung eines bundesweiten Tierschutzgesetzes, das wir gemeinsam mit den Bundesländern diskutie­ren und erarbeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser.) Das ist, glaube ich, ein vernünf­tiger Ansatz dafür, wie man einem Wunsch der Bevölkerung nachkommen und ein Thema, das früher immer kontroversiell diskutiert wurde, letztlich auch durchbringen kann.

Zukunft braucht aber auch einen Partner Staat, der schlanke und effiziente Strukturen hat. Ich werde selbst als Bundeskanzler eine interministerielle Plattform zum Thema e-Government leiten, da dies wahrscheinlich eines jener wichtigen Themen sein wird, die dem Bürger in Zu­kunft einen wirklichen Mehrwert bringen können. Es gibt beispielsweise seit 1. Jänner die Mög­lichkeit, Steuererklärungen über das Internet abzugeben. Neu dazukommen sollen etwa der Bereich Arbeitsmarktservice, das Lernen über Internet, der Zugang zu Gesundheitseinrich­tungen – zur Vorsorge –, Buchungen und so weiter. Auch der Bereich der touristischen Infra­struktur könnte über diese Möglichkeit österreichweit vernetzt viel besser gelingen. Med-Card beziehungsweise E-Card im Sozialversicherungsbereich gehören ebenso dazu wie die Vernet­zung der einzelnen Anbieter, Gemeinden, Länder und Bund.

Wir dürfen uns nichts vormachen: Derzeit gibt es in manchen Bereichen Insellösungen, die nicht miteinander kompatibel sind. Dies gilt es im Interesse der Bürger zu vermeiden. Daher wird das ein wichtiger Themenschwerpunkt sein, durch den sich der Bürger – sei es im Vergabewesen, im Förderwesen, bei Dokumentationen, bei Akteneinsicht oder durch Dokumentenregister auf elektronischer Basis – sehr viel Zeit und sehr viele Behördenwege wird sparen können.

Natürlich haben wir uns auch vorgenommen, die Reduzierung der Dienstposten fortzusetzen. Wir hatten Anfang der neunziger Jahre ungefähr 180 000 Bundesbedienstete. Unser Ziel ist es, in den Jahren 2007/08 auf 140 000 Dienstposten zu kommen. Dafür wird ein großer Schritt auch in dieser Legislaturperiode zu machen sein, wobei ich dazusage, dass das Gren­zen haben wird, denn es ist auch die Aufnahme von jungen, motivierten Mitarbeitern nötig, ein­fach


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um die Durchlässigkeit zwischen den Generationen und im jeweiligen Ausbildungsniveau sicherstellen zu können.

Zu Wirtschaft und Arbeit: Diesbezüglich haben wir, so glaube ich, eine an sich sehr gute Aus­gangsposition, wir sind immer noch das dritt- oder – ich glaube, dass wir fast schon gleichauf mit den Niederländern sind – das zweitbeste Land innerhalb der EU, bei der Jugendbeschäfti­gung sowieso. In diesem Bereich wollen wir einige markante zusätzliche Zielsetzungen unter­bringen. Arbeit Suchende unter 25 und über 50 Jahren sollen einen Rechtsanspruch auf Qualifi­kation bekommen. Wenn sie innerhalb von acht Wochen nicht vom AMS einen Job vermittelt bekommen, soll es für sie einen Rechtsanspruch auf Qualifikation, auf Teilnahme an Qualifika­tionsschulungen geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir wollen darüber hinaus die Vereinbarkeit von Beruf und Familie deutlich verbessern. Zum ersten Mal wird Eltern bis zum Schuleintritt ihrer Kinder ein Anspruch auf Teilzeit eingeräumt werden. Das halte ich persönlich für eine ganz wichtige Maßnahme. Wir haben das mit den Sozialpartnern diskutiert. Ich bin sehr froh darüber, und ich danke ausdrücklich auch den Ver­tretern der Wirtschaft – die Gewerkschaft hat diese Maßnahme immer verlangt –, dass sie nun zum ersten Mal bereit sind, sich diesen wichtigen Schritt – ich glaube übrigens auch im In­teresse unseres Wirtschaftsstandortes – vorzunehmen und damit einen Meilenstein in der Familien- und in der Standortpolitik Europas zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

Im Bereich der Ladenöffnungszeiten wollen wir einen bedeutenden Liberalisierungsschritt set­zen, aber nicht einfach durch eine Verordnung von oben, sondern dadurch, dass die Landes­hauptleute – natürlich nach Befassung der Sozialpartner – die Möglichkeit erhalten, auf jede Tagesöffnungszeitgrenze zu verzichten oder sie entsprechend den regionalen Bedürfnissen festzulegen beziehungsweise auch die bundesweite Rahmenöffnungszeit pro Woche von 66 bis auf 72 Stunden auszudehnen.

Auch die Arbeitszeitflexibilisierung, die Gründeroffensive, die Lehrlingsausbildung – all das sind Themen, die uns allen, glaube ich, am Herzen liegen. Investitionen in die Infrastruktur sollen getätigt, der Generalverkehrsplan soll umgesetzt werden. Der Privatisierungskurs bleibt und wird, glaube ich, erfolgreich fortgesetzt. Die ÖBB-Reform ist gerade im Hinblick auf EU-Liberali­sierungen bedeutsam und wichtig.

Betreffend GATS haben wir uns vorgenommen, die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst zu nehmen. (Bundesrat Gasteiger: Plötzlich!) Die österreichische Position reflektiert auch, dass wir kein Interesse daran haben, öffentliche Dienstleistungen wie etwa für Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung oder Kultur weiteren weltweiten Liberalisierungen zu unterwerfen. Ich hoffe, Sie stimmen mir dabei zu. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen. – Bundesrätin Bachner: Jawohl!)

Nun zur Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates: Österreich ist laut jüngster EU-Statistik, die für den Frühjahrsgipfel in Lissabon publiziert werden wird, unter allen europäischen Ländern auf Platz 1, was Nachhaltigkeit, Umweltqualität und Lebensqualität betreffen.

Damit hat Bundesminister Sepp Pröll eine, so glaube ich, ausgezeichnete Arbeitsgrundlage, die ihm seine Vor­gänger hinterlassen haben, und ich bin ganz sicher, dass er das erstklassig weiterführen wird. Die Einstandsinvestitionen werden in den nächsten drei Jahren jeweils 30 Millionen € zusätzlich, also 90 Millionen € für den Klimaschutz, für eine echte Offensive in diesem Bereich, betragen. Ich bin ganz sicher, dass damit ein Schwerpunkt im Interesse der Bevölkerung, im Interesse der Umweltqualität gesetzt werden wird.

Wir haben uns darüber hinaus auch einen Schwerpunkt im Bereich der Steuerpolitik vorgenom­men, der bedeutsam ist. Zum ersten Mal werden wir eine sanfte Anhebung der Energiesteuern wirklich 1 : 1 weitergeben. Allen Aufgeregtheiten zum Trotz: Wer bei einem Cent für Benzin, zwei Cent für Diesel (Ruf bei der SPÖ: Plus Mehrwertsteuer!) von einer Belastungs­lawine redet,


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der soll sich einmal anschauen, wie sich der Ölpreis in den letzten Wochen ent­wickelt hat. Da habe ich nie irgendwelche kritischen Bemerkungen gehört. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: ... Das darf nicht wahr sein!)

Wir werden diese sanfte Energiesteuer vollinhaltlich für eine Entlastung der kleinen Einkommen und für eine Senkung der Lohnnebenkosten, vor allem für die älteren Mitarbeiter, einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Genau das ist ökosoziale Marktwirtschaft, dieser fühlen wir uns verpflichtet. Und alle, die diesen Ausdruck immer wieder gebraucht haben, werde ich nicht nur bei Sonntagsreden, sondern auch bei Montags-, Dienstags- und Mittwochsreden – heute ist Donnerstag – daran erinnern, dass das eigentlich auch gelebt werden soll.

Ich danke auch für die Initiative, jetzt schon mit der OMV das Angebot für einen schwefelarmen Diesel zu vereinbaren, das ist ganz wichtig. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Österreich noch einige Jahre lang 35-mal höhere Schwefelwerte in die Luft bläst als etwa Deutschland oder die Schweiz. Damit wird ein ganz wichtiger, längst überfälliger Schritt jetzt endlich ge­macht.

Für die bäuerlichen Betriebe garantieren wir mit dem 3-Milliarden-€-Pakt das Lebenseinkom­men für die gesamte Legislaturperiode, damit lassen wir auch keinen Euro in Brüssel liegen. Wir werden alle Programme umsetzen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Bereich Sport konzentrieren wir uns natürlich auf die Großevents, aber auch auf den Breiten­sport. Das IOC befindet sich zurzeit in Salzburg. Karl Schweitzer und ich werden morgen und übermorgen für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2010 kämpfen. Ich hoffe sehr, dass die Qualität der Bewerbung für sich sprechen wird.

In der Kunst- und Kulturpolitik verweise ich auf das erstklassige Beispiel „Graz – Kulturhaupt­stadt Europas 2003“. Es ist großartig, wie sich damit natürlich besonders Graz und die Steier­mark, aber ich glaube, auch ganz Österreich präsentieren.

Im Bereich der Bildung haben wir uns vorgenommen, die Bildungsoffensive der letzten Jahre fortzusetzen. Wir peilen eine Forschungsquote von 2,5 Prozent an, es wird zusätzliche Investi­tionen in der Höhe von 600 Millionen € geben.

Die Entlastung der Schüler ist ein ganz wichtiges Thema! – Meine Damen und Herren! Lassen wir uns nicht von legitimen Interessen fehlleiten, denn das wahre Interesse darf nicht die Stun­dentafel sein, sondern das, was die Kinder lernen sollen, was sie verkraften können! Wir sind der Jugend Österreichs verpflichtet.

Ich sage ganz offen: Die Bildungsministerin verdient in dieser Frage jede Unterstützung. Man muss sich nur vor Augen halten, dass Österreich verglichen mit Finnland in manchen Jahrgän­gen ein Drittel mehr an Wochenstunden vorgibt, ohne dass die Qualität gleich gut ist wie in Finnland. Daher ein absolutes Ja zu dieser Reform, zu dieser Entlastung der Schüler! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Unireform wird fortgesetzt (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Drohung!), ein neues, zu Leistung motivierendes Dienstrecht vor allem mit höheren Anfangsbezügen und flacheren Lebensein­kommenskurven ist notwendig. Das steht aber, so glaube ich, zwischen den politischen Parteien im Wesentlichen außer Streit.

Zur Gesundheit: Neu im Team ist Maria Rauch-Kallat als Gesundheits- und Frauenministerin. Wir haben uns in diesem Bereich sehr ambitiöse Ziele vorgenommen, und zwar zunächst ein­mal mehr Gerechtigkeit bei den Beiträgen. Es ist nicht einzusehen, warum Arbeiter höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen als Angestellte. Wir werden das harmonisieren.

Es ist nicht einzusehen, dass Opfer von Freizeit- und Haushaltsunfällen nicht die gleiche Re­habilitation bekommen wie jene von Arbeitsunfällen, daher werden sie in Hinkunft die gleiche


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medizinische Leistung erhalten, aber auch ein Zehntel an Eigenbeitrag dafür leisten müssen. Und das halte ich für sehr gescheit. In Deutschland überlegt Rot-Grün zurzeit die Abschaffung bezie­hungsweise das Hinausdrängen aller Risken von Freizeit- und Haushaltsunfällen. Ich halte das für unsozial, unser Modell hingegen für sehr vertretbar, für fair und gerecht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Gesundheit ist keine Frage des Sparens, sondern eine Frage der Strukturreformen, und es muss auch das notwendige Geld dafür zur Verfügung stehen. Daher werden wir in dieser Legis­laturperiode die Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten anheben, und zwar um etwa ein Prozent. Ich halte das aber für gerecht, das sage ich ganz offen, und es stand zwischen den politischen Parteien auch außer Streit. Ich möchte das hier ausdrücklich positiv festhalten, weil damit auch die ältere Generation den vollen Zugang zu medizinischen Höchstleistungen bekommt.

Wir haben mit Herbert Haupt für unsere Fernsehdiskussion ausgerechnet, ... (Bundesrat Konecny: Das haben sie seit 40 Jahren!) – Darf ich einmal das Beispiel sagen? (Zwischenrufe der Bundesräte Schlaffer und Reisenberger.)

Vor zehn Jahren gab es halb so viele Herzschrittmacheroperationen wie heute. Von den Men­schen unter 60 Jahren braucht das praktisch niemand, es sind nur einige Hundert, von jenen über 60 Jahren haben das vor allem die Pensionisten. Und sie bekommen es auch! Ich will keine Situationen wie in England, wo es üblich ist, praktisch ab einem gewissen Alter bestimmte Operationen nicht mehr zu machen, ebenso Hüfttransplantationen oder ähnliche Prothesen. Es ist ganz wesentlich, dass wir diesbezüglich die Qualität unseres Systems aufrechterhalten.

Daher wird es auch zu einer Reform der Selbstbehalte, die in manchen Bereichen sehr unge­recht sind, kommen. Chronisch Kranke zahlen viel mehr als sie müssten. Wir wollen daher die Sozialversicherungsträger in die Pflicht nehmen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, faire und sozial gerechte Selbstbehalte einzuführen, die absolut sinnvoll sind. Ich bitte Sie hier um Mitarbeit, meine Damen und Herren!

In der Pensionsdiskussion steht außer Streit, dass die Menschen älter werden. Allein seit 1970 ist die Lebenserwartung der Männer um zehn Jahre, die der Frauen um acht Jahre gestiegen – langsam holen wir also doch ein wenig auf! Aber das hat natürlich für die Pensionsstruktur, für den Generationenvertrag absolut Konsequenzen. Daher ist es das erste wichtige Ziel – und dafür danke ich vor allem Vizekanzler Herbert Haupt, der sich für dieses Thema enorm einge­setzt hat –, in dieser Legislaturperiode erstmals ein einheitliches Pensionsrecht für alle, ohne Privilegien, mit klaren Spielregeln, beitragsorientiert, fair und nachvollziehbar mit einem indivi­duellen Pensionskonto zu schaffen.

Ich danke auch den Grünen – das sage ich ganz offen – für die Sensibilisierung dafür, dass man am Ende eine Mindestpension, eine Absicherung nach unten braucht. Das finde ich eine absolut gute und positive Idee. Wir werden das verwirklichen! Natürlich muss es sozial Bedürfti­gen zugute kommen und kann nicht unabhängig von der sozialen Situation sein.

Die Anhebung des Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension war auch ein Grundsatz, der mit allen politischen Parteien außer Streit gestellt werden konnte. Ich glaube daher, dass dieser Weg ganz konsequent und behutsam fortgesetzt werden muss. Ich danke auch der SPÖ für die Anregung, sich das schwedische Modell für die Übergangsphase näher anzusehen, dass man also sofort mit dem Übergang beginnt und quasi für alle, die 35 Jahre alt oder jünger sind, das neue System und für diejenigen, die älter sind, ein Mischsystem einführt. Wir werden das prüfen, und wenn das technisch einigermaßen möglich ist, halte ich das für eine absolut interes­sante Variante, die man dann hoffentlich auch mit einem breiteren Parteienkonsens umsetzen kann.

Das umfangreiche Begleitpaket für ältere Arbeitslose und für ältere Arbeitnehmer habe ich schon erwähnt. Lohnnebenkostensenkungen von über 10 Prozent sind, so glaube ich, ein be­achtlicher Impuls in diesem Bereich.


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Zum letzten Punkt: solide Staatsfinanzen. Sie sind nicht vergessen, nicht verdrängt, sie bleiben unser gemeinsames Ziel. Würden wir keine Entlastungen schaffen, würden wir im Laufe dieser Periode, nämlich schon 2005 und 2006, neuerlich ein Nulldefizit haben. Wir wollen daher auf diesem Weg weitergehen, allerdings massive Entlastungen für die Bürger, sozusagen als Zeit der Ernte eines Konsolidierungskurses, spürbar machen.

Dies wird in zwei Etappen erfolgen. Ab 1. Jänner 2004 sollen 200 000 Österreicherinnen und Österreicher steuerfrei gestellt werden. Das werden überwiegend Pensionisten und vor allem Frauen sein – ein ganz wichtiger Bereich! –, auch kleine Gewerbetreibende oder Bauern, also genau jene Zielgruppen, die auch in der jetzigen Konjunktursituation eine Entlastung verdienen. Alle, die unter 14 500 € pro Jahr verdienen, werden dies ab 1. Jänner 2004 steuerfrei tun. Ebenso sollen, was dem Mittelstand massiv helfen wird, der nicht entnommene Gewinn deutlich entlastet werden und die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung entfallen. Über die ökologi­schen Aspekte der Reform habe ich bereits gesprochen.

Danach, im Jahre 2005, wird – das habe ich in meiner Regierungserklärung vor dem Nationalrat auch gesagt, und ich wiederhole das gerne, weil es offensichtlich verdrängt wurde – eine zweite Etappe mit noch größeren Entlastungen, nämlich in der Höhe von etwa 2,5 Milliarden €, erfol­gen. Sie wird eine Vereinfachung, niedrigere Tarife, vielleicht auch einen Formeltarif und eine wesentliche Transparenz des Steuersystems bringen. Über all dies werden wir noch zu diskutie­ren haben. Insgesamt wird dies die größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte sein.

Den Spielraum dazu holen wir uns durch die Fortsetzung der Verwaltungsreform, die Strukturre­formen, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die Überprüfung der Bundesausgaben. Das habe ich im Nationalrat gesagt. Daher waren alle darauf folgenden Diskussionen ein wenig virtuell, so würde ich sagen. Wir haben nämlich beides vor: mit Strukturreformen präzise und mit Fahrplan den Spielraum erkämpfen und die beiden Steuerreformetappen, so wie das Herbert Haupt und ich gemeinsam mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser verfolgt haben.

Meine Damen und Herren! Wir gehen damit fünf sehr große Reformthemen an, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen: eine Verfassungs- und Verwaltungsreform, die es in dieser Form noch nie gegeben hat; eine Reform des Sicherheitsapparates – vom Bundesheer bis hinein in die Bereiche der Exekutive, eine Zusammenfassung der Exekutive, die in der Form auch erst jetzt erstmals überhaupt diskutiert werden kann –; eine Strukturreform im Gesund­heitswesen, durchdacht und für die Patienten sinnvoll; eine Pensionssicherung, die diesen Namen auch wirklich verdient, sowie eine Entlastung, eine Steuerreform, die die Bürger schon lange verdient haben.

Der Weg ist interessant. Er wird spannend sein. Er wird auch vielleicht das eine oder andere kontroversielle Thema aufbringen, das weiß ich. Aber das Ziel ist bedeutsam. Das Ziel lohnt sich. Daher: Gehen Sie mit auf diesem Weg! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

9.57


Präsident Herwig Hösele: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklärung und wünsche der von ihm geführten Bundesregierung viel Erfolg im Interesse Österreichs.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny. – Bitte.

9.58


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor drei Jahren, damals, im Jahre 2000, haben Sie, Herr Bundeskanzler, am Beginn Ihrer Regierungserklärung folgende Worte gesprochen:


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„Wir sind wirtschaftlich stark und wohlhabend. ..., und wir können den Bürgerinnen und Bürgern eine hohe soziale Sicherheit anbieten. ... Unsere Arbeitslosenrate sinkt und zählt zu den niedrigsten in ganz Europa.“ – Zitatende.

Heuer haben Sie derartige Worte nicht wiederholt, und das aus gutem Grund, denn im Jahr 2000 haben Sie damit die Eröffnungsbilanz Ihrer Regierung in höchstem Maße zutreffend beschrieben – eine Bilanz, die sie von den vorhergehenden sozialdemokratischen und sozial­demokratisch geführten Bundesregierungen übernommen haben.

Heute wären diese Feststellungen so nicht mehr richtig. Unser Land ist heute wirtschaftlich noch relativ stark und noch wohlhabend, aber das Ergebnis Ihrer Politik sind nicht die Stärke und der Wohlstand, sondern das Wörtchen „noch“ in diesem Satz. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können unseren Bürgern nicht mehr dieselbe soziale Sicherheit anbieten wie vor drei Jah­ren, und der Kern Ihrer Politik ist es, dieses Angebot weiter drastisch zu vermindern. Wir haben eine dramatisch steigende Arbeitslosigkeit, und die relative Position Österreichs in Europa auf diesem und auf vielen anderen Gebieten hat sich deutlich verschlechtert.

Ihre Eröffnungsbilanz war gut, aber das ist nicht Ihr Verdienst. Das Ergebnis Ihres zunächst ein­mal dreijährigen Wirkens führt zu einem viel schlechteren Resultat. Das, was Sie heute als Pro­gramm Ihrer Regierung vorgelegt haben – ich beziehe mich auf die Langfassung –, lässt mit gutem Grund befürchten, dass wir in vier oder, was wahrscheinlicher ist, in eineinhalb oder in zwei Jahren vor einem noch sehr viel größeren Scherbenhaufen stehen.

Herr Dr. Khol hat einmal den Weg dieser Regierung als einen „Marsch durch die Wüste Gobi“ charakterisiert. Das hat etwas für sich, und wie Recht er hatte, das wird einem erst jetzt so rich­tig klar. Sie setzen Ihren Marsch unbeirrt fort, auch wenn Sie inzwischen viele der Kamelführer gekündigt haben, auch wenn der Karawanenführer die Orientierung verloren hat (Heiterkeit bei der SPÖ) und die Österreicherinnen und Österreicher, die da ungefragt mitlaufen müssen, schon halb verdurstet sind. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Ich weiß schon, Sie pflegen auf eine solche harte, aber wahrlich nicht ungerechte Kritik immer mit dem Satz zu antworten, der Kritiker spräche wohl von einem anderen Land, Österreich könne er ja nicht meinen. Und Sie pflegen an dieser Stelle auch freundliche Bemerkungen über den Fleiß der Bevölkerung und die Leistungskraft unserer Wirtschaft zu machen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Weil’s wahr ist! – Bundesrätin Haunschmid: Weil’s wahr ist!) Sie sagen es: Weil es wahr ist. Wir brauchen, Kollegin und Kollege, sowohl von Ihnen als auch von der Regie­rungsbank wahrlich keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Patriotismus und Heimatliebe. Uns braucht niemand ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Seit wann?) – Seit etwas mehr als 110 Jahren, seitdem es diese Partei gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Die Sozialistische Internationale, das ist Ihre Treue!)

Uns braucht niemand zu sagen, wie engagiert und aufopfernd die Menschen in diesem Land arbeiten, wie hoch qualifiziert sie sind und welche Leistungen sie erbringen. Wir leben ja mit und unter diesen Menschen. Aber wir sehen auch, wie Ihre Politik diesen Menschen die Arbeit er­schwert, wie sehr das, was sie für ihre Arbeit bekommen, von Ihrer Regierung belastet wird und wie sehr man ihre soziale Sicherheit unterminiert.

Uns braucht niemand zu sagen, wie innovativ und engagiert unsere Wirtschaft die Chancen in der Welt nützt und ihre Märkte auszuweiten versucht, aber sie muss das – und auch das sagen uns die Verantwortlichen der Wirtschaft – ohne ausreichende Unterstützung dieser Regierung tun, und sie bekommt oft genug Steine in den Weg gelegt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Geh, geh, geh!)

Wenn dieses Land eine andere Regierung hätte, die ihre Aufgabe ebenso engagiert und auf­opfernd wie die Menschen, so innovativ wie unsere Wirtschaft erfüllen würde, wenn sie ebenso qualifiziert wäre wie die Arbeitskräfte in diesem Land, dann würde Österreich anders dastehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Schwarz-Blau war zwischen 2000 und 2003 alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Diese Regierung ist – wie nicht nur die Opposition, sondern auch viele politische Beobachter es er­wartet hatten – nach nur zweieinhalb Jahren auseinander gebrochen. Ich will mir da kein Urteil anmaßen, ob der Herr Bundeskanzler mit seiner Feststellung Recht hatte, mit einer FPÖ nach Knittelfeld könne man einfach nicht mehr regieren, und deshalb vorzeitige Neuwahlen ver­langte, oder ob Ihr alter und auch jetzt wieder neuer Regierungspartner mit der Kritik Recht hatte, dass all das ein gegen ihn gerichteter Bosheitsakt der ÖVP war. Wir haben immer schon gesagt, mit der FPÖ ist kein Staat zu machen und erst recht keiner zu regieren. Sie sind an einem gewissen Punkt auch draufgekommen, dass das stimmt, allerdings war das ein relativ kurzfristiges Erweckungserlebnis.

Die Frage, die sich die Österreicherinnen und Österreicher heute schon sehr laut stellen, ist, warum denn eigentlich wirklich im Herbst gewählt werden musste, wenn es auf Schwarz-Blau neuerlich Schwarz-Blau gibt. (Bundesrat Bieringer: Geh hinüber ins Plenum und schau, was sich verändert hat!) – Das ist mein nächster Satz, Kollege Bieringer! Das, was du jetzt gesagt hast, ist nicht von dir, das hat auch der Herr Bundeskanzler gesagt, als er auf die Frage, warum denn gewählt werden musste, sagte: Schauen Sie sich die Zusammensetzung des National­rates an! Also ich nehme nicht an, dass er die Mandatsgewinne der SPÖ und der Grünen damit gemeint hat (Bundesrat Dr. Nittmann: Die sind ohnehin marginal!), was er ganz offensichtlich gemeint hat und was du gemeint hast, ist schlichtweg, dass sich die Machtverhältnisse innerhalb einer Regierungskoalition, die offenbar nie in Frage gestanden ist, sehr zu Gunsten der ÖVP und zu Lasten der FPÖ verschoben haben.

Ich sage es anders: Der Herr Bundeskanzler hat also auch schon öffentlich klargestellt: Gewählt werden musste nur, um die FPÖ zu schwächen. Mich darüber aufzuregen, ist nicht mein Thema, das müssen Sie sagen, meine Damen und Herren von der FPÖ! Sie müssen – oder müssen auch nicht – etwas dazu sagen. Schreckgelähmt, wie Sie nun einmal sind, werden Sie wahrscheinlich nichts dazu sagen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wo ist der Schrecken? Überhaupt nicht!) Im Applausverhalten Ihrer Fraktion kann sich zweierlei ausdrücken: Ihre mangelnde Be­geis­terung – aber das wage ich Ihnen nun nicht zu unterstellen – oder eben ein Lähmungsver­hal­ten. Und davon habe ich jetzt gesprochen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und des Bundes­rates Schennach.)

Was ich zu diesem Thema sagen muss, ist etwas anderes: Es ging Ihnen, Herr Bundeskanz­ler ... Herr Präsident! Ich würde sagen, schalten wir das (auf das blinkende Licht am Rednerpult weisend) ab. Ich werde ein bisschen länger brauchen, und wenn Sie es mir nicht übel nehmen, würde ich dazusagen: Ich nehme sozusagen einen Vorschuss auf die nachfolgenden Ausfüh­rungen des Herrn Vizekanzlers. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall des Bundesrates Gasteiger. – Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Lindinger: Eine höchst demokratische Gesinnung!)

Es ging Ihnen, Herr Bundeskanzler, also darum, die Machtverhältnisse in einem feststehenden Bündnis zu verändern. Sie waren es, der bei uns – nicht in dem Text der Regierungserklärung, sondern bei Ihren Annotationen dazu – gemeint hat, nicht Wolfgang Schüssel, sondern die „Salzburger Nachrichten“ hätten in wirtschaftspolitischer Hinsicht diese Regierung gelobt. Darf ich das auch so sagen: Nicht Albrecht Konecny, sondern die „Salzburger Nachrichten“ haben die Bildung dieser Regierung – aber ich gebe ihnen Recht dabei – als eine Missachtung des Wählerwillens bezeichnet. (Bundesrat Dr. Aspöck: Sie haben die Regierungsverweigerung der SPÖ außer Acht gelassen. Sie schreiben auch was von der Regierungsverweigerung der SPÖ!)

Wenn eine Mehrheit von 54 Prozent nichts zusammengebracht hat, dann soll eine Mehrheit, die auf 52 Prozent, wenn auch mit verschobenen Gewichten, reduziert wurde, mehr zusammenbrin­gen? (Bundesrat Weilharter: Ihre Partei hat diesen Wahlkampf zum Lagerwahlkampf ge­macht! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Blödsinn!) Herr Kollege, das Lager, das es nicht gibt, hat auch entsprechend dazu gewonnen. Das eine „Lager“ – ich sagte es gerade – hat 2 Prozent gesamthaft verloren, das andere „Lager“ hat im Hinblick auf die im Parlament vertretenen Parteien ungefähr 5 Prozent dazu gewonnen. Das ist an sich nicht so schlecht. Wenn der Herr Bundeskanzler sagt – ich habe auch das schon erwähnt –, schauen Sie sich die Zusammensetzung des Nationalrates an, so muss ich sagen, ist vom Standpunkt der beiden


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Oppositionsparteien das, was dazu gewonnen wurde, zwar nicht ausreichend, aber ganz an­ständig.

Herr Bundeskanzler! Sie und Ihre Partei haben sich also dafür entschieden, eine Zusammen­arbeit, die dramatisch gescheitert ist, wieder aufzunehmen. Manche Beobachter meinen, das war von vornherein Ihre Absicht, aber Sie haben das heftig dementiert. Was ich freilich fest­stellen muss, ist, dass sich seit dem Herbst, seit dem Zusammenbruch der Regierung, die Sie bisher geführt haben, in der FPÖ nichts geändert hat. Alle innerparteilichen Probleme sind noch immer da. Alle Unzuverlässigkeiten sind noch immer da. Fast alle Protagonisten der innerpar­teilichen Konflikte sind noch da, insbesondere jener unberechenbare „Stern des Südens“. Die „Knittelfelder“ sind noch da, sie haben allerdings inzwischen wichtigere Funktionen übernom­men, als sie vor Knittelfeld hatten. Das Einzige, was nicht mehr da ist, das sind die Wähler, aber die haben eben ein klareres Urteil als viele der Funktionäre Ihrer Partei.

Wenn wir immerhin am 24. November diese Wahl gehabt haben und heute, am 13. März, im Bundesrat die Regierungserklärung vorgelegt bekommen, dann ist schon auch zu hinterfragen, was es denn war, das diese lange Periode der Inaktivität, der fehlenden Entscheidungen und der versäumten Gelegenheiten verursacht hat. Sie haben den ganzen Advent hindurch son­diert, aber zu Weihnachten ist nichts angekommen, Sie haben weiter sondiert und verhandelt, so ernst, wie es der Faschingszeit angemessen war, und erst zu Aschermittwoch haben Sie eine Regierung zu Stande gebracht (Bundesrat Dr. Nittmann: Die SPÖ hat halt nicht mehr her­gegeben!), die jetzt jene Fastenzeit exekutieren soll, die Sie den Österreicherinnen und Öster­reichern verordnet haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit so einer Faschingspartei wie der SPÖ war halt nicht mehr drin!)

Sie haben in der Öffentlichkeit diese Regierungskonstellation als die einzig mögliche bezeichnet und SPÖ und Grüne beschuldigt, sich ihrer Verantwortung entzogen zu haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ja, lei, lei, Herr Professor!) Die Grünen können für sich selbst sprechen, aber Berichte, denen zufolge viele Einigungen, die zwischen grünen und schwarzen Verhandlern erzielt werden konnten, letztlich an Ihrem höchstpersönlichen Veto scheiterten, stimmen immer­hin nachdenklich.

Die SPÖ hat Ihnen eine umfassende Reformzusammenarbeit angeboten. Sie haben sich viele Stunden lang unsere Vorschläge angehört. (Bundesrat Dr. Nittmann: Die Suppe war zu dünn! Es war ein Süppchen!) Ob Sie währenddessen an Ihren Karikaturen gezeichnet haben, entzieht sich meiner Kenntnis, aber als wir die wesentlichen Kernpunkte dieser unserer Vorstellungen vorlegten, haben Sie zornerfüllt davon gesprochen, die ÖVP ließe sich keine Bedingungen stellen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie haben schlecht verhandelt!) Dass Sie dann in letzter Sekunde noch einmal auf die SPÖ zurückgekommen sind, hat daran nichts mehr geändert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit Gusenbauer ist halt kein Staat zu machen! Er hat schlecht verhandelt!) Denn dass eine Partei, die von fast 37 Prozent der Menschen getragen wird, ohne weitere ernst zu nehmende Gespräche innerhalb von 24 Stunden ein 28-seitiges Papier der Grausamkeiten einfach abnickt, das können Sie doch nicht ernsthaft erwartet haben.

Die SPÖ ist tatsächlich schuldig geworden; Michael Häupl hat das richtig zum Ausdruck ge­bracht: Wir haben uns geweigert, den von Ihnen aufgestellten Gesslerhut zu grüßen, und wer das tut, hat ja offenbar in der österreichischen Bundesregierung wirklich keinen Platz. (Bundes­rat Dr. Nittmann: Dafür haben Sie sehr lange gebraucht! Dafür hat die SPÖ sehr lang ge­braucht!)

An dieser Stelle sei noch eine klare Feststellung gesagt: Sie und die Sprecher der ÖVP haben versucht und versuchen weiter, die Legende aufrechtzuerhalten, SPÖ-Vorsitzender Gusen­bauer habe die Koalition schon gewollt, aber die Partei – besonders originell ist es, wenn Sie da den berühmt-berüchtigten Radikalen Heinz Fischer anführen (Heiterkeit bei der SPÖ) – habe ihm dabei die Gefolgschaft versagt.

Das Gegenteil ist wahr. Alfred Gusenbauer hat im Bundesparteivorstand der SPÖ beantragt, ihm ein Mandat für diese Verhandlungen zu erteilen, und dieser Bundesparteivorstand hat ihm


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dieses Mandat nahezu einstimmig erteilt (Bundesrätin Schicker: So ist es!), jedenfalls mit einem Mehrheitsverhältnis, das sich von dem eines späteren ÖVP-Bundesparteivorstandes nicht substanziell unterschied. Sie haben von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht – was Ihnen auch zusteht; das ist eine politische Entscheidung, die Sie zu treffen haben –, aber hier zu versuchen, verschiedene Strategien in der Sozialdemokratie zu konstruieren, das geht am Thema vorbei.

Niemand anderer als Sie allein haben es zu verantworten, dass dieses Land drei Monate lang wie gelähmt war, wiewohl eine dramatische Wirtschaftslage und eine noch dramatischere inter­nationale Situation energisches Handeln verlangt hätten. Die Defizite wuchsen, die EU konsta­tierte eine Explosion der Staatsschulden, die Arbeitslosenrate stieg, die Wirtschaft rief nach raschen Maßnahmen, aber Sie sonnten sich lieber darin, dass ganz Österreich darüber speku­lierte, was Sie denn eigentlich wirklich wollen, und daran, dass eine Legion bewundernder Schreiber Ihr einmaliges Verhandlungsgeschick pries.

Sie haben – das hat diese Regierungsbildung gezeigt – einmal mehr bewiesen, dass Sie ein fähiger Politiker sind, aber, Herr Bundeskanzler, sie hat noch mehr gezeigt: Sie sind mehr als nur ein fähiger Politiker, Sie sind ein zu allem fähiger Politiker! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben davon gesprochen, dass Ihr Regierungsprogramm von drei Eckpfeilern ausgeht. Wir haben auch drei Eckpfeiler erkannt, allerdings waren es nicht dieselben, die Sie hier angeführt haben. Es gibt einen Eckpfeiler, der sich darin ausdrückt, dass diese Bundesregierung die Flucht aus der Verantwortung antritt. Es ist sehr einfach, Belastungen zu verordnen und ande­ren deren Exekution zu übertragen.

Bei den Ladenöffnungszeiten sind es die Landeshauptleute, auf die die tatsächliche Entschei­dung abgeschoben wird und denen damit die schwierige Interessenabwägung zwischen den Forderungen der Wirtschaft und den Bedenken der Beschäftigten übertragen wird.

Bei den Selbstbehalten – nachdem das mit der Ambulanzgebühr ja so großartig funktioniert hat – sollen es jetzt die Krankenversicherungsträger sein, die Ihnen die Aufgabe abnehmen, denjenigen, die das Gesundheitssystem am dringendsten brauchen, weil sie eben krank sind, zusätzlich zu ihren Sorgen und ihrem Leid auch noch finanzielle Belastungen aufzuerlegen.

Besonders originell ist aber, wie Sie die finanzielle Verantwortung für die von Ihnen so heiß be­gehrten Abfangjäger einer nächsten Regierung überantworten, von der wir nur hoffen können, dass Ihre beiden Parteien ihr nicht mehr angehören werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Wer sonst?) Ich habe da noch irgendwie im Ohr: keine neuen Schulden! Wie ist denn das, wenn ich mir eine Ware jetzt liefern lasse und sage, in fünf Jahren zahle ich das? Ist das, was da inzwischen entsteht, nicht ein Schuldverhältnis? – Wenn ich mich richtig entsinne, pflegen solche spät bezahlten Käufe die Kosten nicht gerade zu senken. (Bundesrat Sulz­berger: Die SPÖ hat jahrzehntelang Schulden gemacht!)

Der zweite Eckpfeiler – Sie haben uns heute auch ein paar Beispiele dafür genannt – ist ein klar zu durchschauender Etikettenschwindel. Sie sprechen von Wohltaten oder kündigen mehr Ge­rechtigkeit an, aber in Wirklichkeit geht es immer nur um eines: nämlich zu Lasten der Bevölke­rung einzusparen oder dieser Bevölkerung sehr direkt Geld abzuknöpfen.

Sie haben das Beispiel erwähnt: Die Frau Unterrichtsministerin hat ganz klar erkannt, wenn man zwei Wochenstunden in den Schulen einspart, dann werden Österreichs Schulen auf ein­mal PISA-tauglich. Sie weiß nicht, welche Stunden es sein sollen, welche Gegenstände, aber sie weiß: Weg müssen sie!

Jetzt komme ich wieder zur Flucht aus der Verantwortung. Das sollen also jetzt, so höre ich, die Schulen entscheiden. Diese sollen sagen, bei uns gibt es keine Mathematik mehr oder keine Erdkunde oder wenig ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist absurd!) – Es ist absurd. Sie haben völlig Recht, Kollege Böhm, dieser Meinung bin ich auch! Aber ich habe das nicht gesagt, das hat die Frau Ministerin gesagt. (Bundesrat Dr. Böhm: Von Mathematik hat sie nichts gesagt!) Dahinter steht die nüchterne und zynische Überlegung: Wenn wir in der Stundentafel zwei


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Stunden eliminieren und gleichzeitig natürlich die Lehrplananforderungen nicht revidieren, was dann heißt, dass die Schüler wie die Mäuse im Tretrad in weniger Zeit denselben Stoff erarbei­ten müssen, dann erspare ich mir Lehrerposten. Vollzeitmäßig sind dies wahrscheinlich 1 500, da jedoch jene, die rausfliegen, üblicherweise die nur in Teilzeit beschäftigten Lehrer sind, wird das die doppelte oder dreifache Anzahl an Menschen betreffen. – Eine Wohltat für die Schüler? – Nein! Das ist eine zynische Einsparungsmaßnahme, die mit einem netten Etikett verkauft wird. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Dann gibt es – das finde ich auch sehr originell – die vollmundige Ankündigung, man werde im Zuge jener so genannten Pensionssicherungsreform, was immer das heißen soll, erstmals eine Mindestpension schaffen. Man muss also schon sehr ahnungslos hinsichtlich der österreichi­schen Altersversorgung sein, um dieses Wort „erstmals“ glauben zu können.

Wir haben ein System, in dem alle jene, deren Pensionsanspruch unter einer bestimmten Grenze – dem Richtsatz – liegt, eine Ergänzungszahlung bekommen, die so genannte Aus­gleichszulage. Die Richtsätze werden jedes Jahr festgelegt. Die Ausgleichszulage ist die indivi­duelle Höhe zwischen dem Anspruch und dem, was man zum Überleben für notwendig hält. Das bekommen Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher; erfreulicherweise sind es von Jahr zu Jahr ein bisschen weniger, weil die Versicherungsverläufe positiver sind. (Bun­desrätin Bachner: Das wird sich wieder steigern!) Es wird sich wieder steigern; nach dieser Reform ins Unermessliche. Daher wird sie ja offenbar abgeschafft.

Wir schaffen also jetzt – offensichtlich – im Pensionsversicherungssystem eine Mindestpension. Jene, die das verkündet haben, haben gleichzeitig den Kopf schief gehalten und gesagt: Ja, aber womit wir das finanzieren, das wissen wir leider noch nicht so ganz genau. – Das nüch­terne Ergebnis ist: Die Solidargemeinschaft der Altersversicherten übernimmt diese Last mit ihren Beiträgen, die man entsprechend hinaufschrauben muss, aber im Budget wird längerfristig diese Position ersatzlos gestrichen. – Ein nettes Etikett über einer zynischen Maßnahme.

Dasselbe gilt für die Krankenversicherungsbeiträge. Dort heißt das Etikett „Gerechtigkeit“. Die Krankenversicherungsbeiträge der Arbeiter, die wegen der höheren Gefährdung in der Berufs­ausübung seit Jahrzehnten höher waren, werden gesenkt, die Krankenversicherungsbeiträge der Angestellten, die auf Grund eines geringeren Risikos niedriger waren, werden angehoben. Aber inzwischen hat sich – und darüber redet kein Mensch auf der Regierungsbank – die Be­rufsstruktur der Versicherten völlig verschoben. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das hat aber jeder akzeptiert!) Gut, gut, gut. – So nicht! Damit kommt ein Körberlgeld in der Höhe von 374 Millionen € pro Jahr herein, und das deckt allein das für heuer prognostizierte Defizit der Krankenversicherungsträger ab. – Das ist ein nettes Etikett, eine Mehrbelastung, und das – und damit komme ich zum dritten Eckpfeiler – von einer Partei, die vor einem halben Jahr noch gesagt hat: Das ist der Inbegriff sozialdemokratischer Ideenlosigkeit, dass Ihnen in der Kranken­versicherung nichts anderes einfällt als Beiträge zu erhöhen.

Das ist der dritte Eckpfeiler Ihres Regierungsprogramms. Von Julius Raab wird der Satz über­liefert: Lug’ hin, Lug’ her, g’nutzt hat’s. – Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler, so grobe, aber auch ehrliche Worte kommen Ihnen nicht über die Lippen, aber der Tatbestand wird hier poli­tisch erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frau Ministerin hat sich mir leider entzogen. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Ja, Lug’. Das ist nicht von mir, das ist ein Raab-Zitat. – Da hat also zum Bei­spiel die damalige Frau Generalsekretärin Rauch-Kallat mit Nachdruck erklärt, eine unglückliche oder wahltaktisch unglückliche Äußerung des Herrn Staatssekretärs Finz korrigierend, die ÖVP plane in der nächsten, also in dieser, Gesetzgebungsperiode keine weitere Anhebung des Früh­pensionsalters. Genau diese Anhebung ist aber jetzt ein Kernstück des Regierungspro­gramms – eines, das sich auch bei Verhandlungen mit uns als unüberbrückbar erwiesen hat.

Herr Minister Bartenstein, der damit irgendwie in die Mediengeschichte eingehen wird, ist mit diesem Widerspruch in einem ORF-Interview konfrontiert worden. Nachdem er minutenlang versucht hat, von etwas anderem zu reden, hat er sich nach der vierten Nachfrage in den tief-


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sinnigen und aussagekräftigen Satz geflüchtet: Das ist für Außenstehende sicher schwer zu verstehen.

Ja, das ist vor allem für die Betroffenen schwer zu verstehen, wenn man ihnen vor der Wahl sagt, das Frühpensionsalter bleibt vier Jahre lang unverändert, und dann bei der Neubildung der Regierung sagt: radikal, sofort, jetzt ohne Begleitmaßnahmen. Ich will das gar nicht mit einem ordnungsruffähigen Ausdruck belegen, aber klar ist, dass hier eine Grenze überschritten wurde, die in einem Land, wo das ein Minderheitenrecht ist, einen Untersuchungsausschuss über Wahlversprechen durchaus rechtfertigen würde. (Bundesrat Dr. Böhm: So wie in Deutsch­land gegen Schröder!) – Ich habe das bewusst gesagt, ja.

Die Außenstehenden geht das nichts an, auch wenn sie Betroffene sind. Hat sich da die ÖVP in einen Kanzlerbunker auf der „Wolfgang-Schanze“ zurückgezogen und kommuniziert nicht mehr mit der Realität unserer Gesellschaft? (Beifall bei der SPÖ.) Kommt jene Bunkermentalität zum Ausdruck, die Sie auch ... (Bundesrat Dr. Böhm: Ein höchst unpassender Vergleich!)


Präsident Herwig Hösele: Herr Professor! Ich bitte Sie – Sie sind mehrfach schon an der Grenze gewandelt – im Ton um Mäßigung. (Unmutsrufe bei der SPÖ.)


Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Das Wesen einer Grenze ist, dass sie eine Grenze ist. Man kann sie verletzen. Das bemühe ich mich redlich, nicht zu tun. (Zwischen­bemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine unverblümte Anspielung! – Bundesrat Dr. Nittmann: Herr Professor, das ist peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Präsident Herwig Hösele: Herr Professor, ich bitte Sie um Mäßigung.


Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Gut, ich mäßige mich und komme noch einmal auf Frau Rauch-Kallat zurück. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Sie entschuldigen sich nicht dafür? Dann ziehen Sie ihn wenigstens zurück, diesen Vergleich!) Herr Bundeskanzler! Ich habe nicht die Absicht, Sie mit Adolf Hitler zu vergleichen, aus einer Fülle von Gründen, um das ganz klar zu sagen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Bei Ihnen ist das nicht so selbstverständlich! Bei einem permanenten Provokateur wie bei Ihnen ist das nicht selbstverständlich!) Was ich zum Aus­druck bringen wollte, ist, dass Sie den Kontakt mit der Realität dieses Landes verloren haben. Und wenn Sie Maßnahmen treffen, von denen einer Ihrer Minister sagt, das sei für Außenste­hende schwer verständlich, dann nehmen Sie eine abgeschottete Interpretationshoheit in An­spruch, die jede Diskussion unmöglich macht. Dagegen verwehren wir uns! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Unsinn! Ihre Rhetorik ist blanker Unsinn! Das ist ja unglaub­lich, was er da redet!)

Ich komme also zur Frau Ministerin Rauch-Kallat zurück, die den in der Regierungserklärung angekündigten Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bejubelt. Sie hat im vergangenen Sommer – da­mals natürlich noch als Generalsekretärin – die Forderung der SPÖ nach ebendieser Rege­lung als verantwortungslos gebrandmarkt. Heißt das also jetzt, dass diese Regierung verant­wor­tungslos ist oder war ihre Bemerkung von vor einem halben Jahr schlicht daneben?

Da gibt es Vizekanzler Haupt – ihn kann ich persönlich ansprechen –, der uns monatelang in seiner damaligen Eigenschaft – noch immer Eigenschaft, aber nur mehr kurze Zeit – als dafür zuständiger Minister erklärt hat, dass es bei den Ambulanzgebühren um keine Geldbeschaf­fungsaktion, sondern um einen Lenkungseffekt geht. Die Spitalsambulanzen seien zu teuer, die niedergelassenen Ärzte könnten dieselben Leistungen um weniger Geld erbringen.

All das haben Sie den Österreichern vor der Wahl gesagt. Nach der Wahl und nach Ihrem Wie­dereintritt in die Bundesregierung versuchen Sie als ersten Akt, diese unglückseligen Ambu­lanzgebühren – Lenkungseffekt hin, Lenkungseffekt her – wieder abzuschaffen. Das hat sich zwar die neue oder künftige Gesundheitsministerin nicht gefallen lassen, aber Sie erfinden gleich die neue Unterstellung dazu.


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Sie haben als Ausrede oder als Begründung dafür, dass diese Gebühr jetzt nicht abgeschafft wird, erklärt, man könne das nicht tun, weil es 260 bis 280 – gestern waren es nur mehr 200 – Beschäftigte in den Krankenversicherungen gäbe, die das administrieren, und bevor es für diese keinen Sozialplan gibt, was heißt, dass man sie hinausschmeißen will, könne man das natürlich nicht abschaffen.

Das muss man sich alles einmal so richtig auf der Zunge zergehen lassen. Als das eingeführt wurde, haben Sie erklärt, verwaltungsmäßig werde das überhaupt nichts kosten, das müssten die Krankenversicherungsträger locker administrieren können. Sie haben es locker administ­riert – nein, nicht locker, sondern mit zusammengebissenen Zähnen, weil dort der Unsinn dieser Maßnahme erkannt wurde, aber sie haben es ohne Neuaufnahmen administriert. Und jetzt zu sagen, wir müssen die Menschen, die das neben ihren anderen Aufgaben oder zu Lasten von zusammengezogenen Tätigkeitsbereichen anderer Mitarbeiter administriert haben, hinauswer­fen, das ist ein Zynismus, das ist eine Verachtung der Menschen, die beispiellos ist. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich will nicht die ganze lange Liste der Drohungen, die die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen betreffen, herunterdeklinieren. Wir wissen, was sich im Innenministerium tut, wir wissen, was sich im Flüchtlingsbereich tut, wir wissen, welch wirklich bedrohliche Vision mit den rudimentär bekannten Vorstellungen Ihrer Pensionsreform verbunden ist, aber diese Debatte wird im weiteren Verlauf des heutigen Tages und bei vielen konkreten Anlassfällen zu führen sein.

Ich will mich noch auf eine Feststellung beschränken: Diese Regierung ist tatsächlich anders als die erste schwarz-blaue Koalitionsregierung. Die erste schwarz-blaue Koalitionsregierung ist im Chaos untergegangen. Die zweite ist viel besser, sie schafft es, bereits im Chaos zu beginnen.

Was wir in den letzten Tagen erlebt haben und was Sie selbst miterlebt haben, das muss Sie zur Verzweiflung gebracht haben, das verstehe ich schon. Da stellt sich eine Regierung hin und sagt, ein Kernstück ist eine große Steuerreform, und dann sagt der Finanzminister, aber garan­tiert ist diese nicht, da muss ich schon Bedingungen stellen. Und dann wird – wie haben Sie das genannt, Herr Bundeskanzler? – eine virtuelle Diskussion geführt. Ich weiß nicht, ob der Herr Vizekanzler virtuell ist. Mir kommt er eigentlich ziemlich real vor. Was ist hier also virtuell? – Der Finanzminister oder, wie man befürchten muss, die Steuerreform? – Tatsache ist, dass in ganz zentralen Punkten von der ersten Stunde an Meinungsdifferenzen, unterschiedliche Auffassun­gen – diese werden natürlich die Umsetzung behindern – bestehen.

Da gibt es – er beehrt uns heute nicht mit seinem Besuch – einen Staatssekretär, den ich so gerne gefragt hätte, ob er diese Woche schon weiß (zu Staatssekretär Mag. Schweitzer) – nein, nicht Sie –, wofür er zuständig sein wird! Ich kann auch die Frau Ministerin nicht fragen, die sozusagen seine Chefin werden wird. Die Vorstellung, dass ausgemacht wird, die FPÖ be­kommt einen Staatssekretär, der irgendetwas Medizinisches macht – das hat er im Fernsehen gesagt –, ist ganz gut. Wenn er irgendetwas Verwaltungsmäßiges machen würde, hätte ich mehr Angst. – Das ist schlicht und einfach Packelei und hat nichts mit der Aufgabenverteilung in einer Bundesregierung zu tun, wenn man jemandem sagt, du bist es, aber leider habe ich keine Ahnung, was du machen sollst, aber wir werden schon etwas finden. Das ist an sich nicht dem Niveau einer Bundesregierung angemessen.

Herrn Staatssekretär Finz – Herr Bundeskanzler, da haben Sie selbst einen Ordnungsruf veran­staltet – ist es ähnlich gegangen. Dieser hat auf Grund welcher Indizien immer gesagt: Ich werde für die Beamten zuständig sein! Dann haben Sie gesagt: Nichts da, das mache ich selbst! Sie werden schon wissen, warum. Was ist dann sein Aufgabenbereich? (Bundesrat Bieringer: Wo hat der Kanzler etwas gesagt?) – Gut, ich werde Ihnen die Medienberichte dann nennen, auch wenn alle österreichischen Medien darüber unrichtig informiert haben. Herr Bun­deskanzler! Ich bin aber gerne bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Herr Staatssekretär Finz jetzt doch für die Beamten zuständig ist. Ist das die Aussage, die Sie in Ihrer Replik hier treffen wollten? – Okay. Sie haben durch Körperhaltung dementiert und nichts gesagt; ist in Ordnung.


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Da gibt es einen – er ist auch nicht mehr da, das ist eben das Schicksal des Bundesrates – Ver­teidigungsminister, den man in ein Ressort schickt, wobei man ihm nicht sagt, welche inhalt­lichen Reformvorstellungen von Amtsvorgängern angedacht sind, der also – vielleicht bin ich da jetzt zu hart – von der Generalität gerade ins Haus gelassen wurde. Jedenfalls hat sie ihm mit­geteilt, seinen Bürochef kann er sich gleich wieder abschminken. Er hat dann Nachhilfeunter­richt bekommen, damit er ungefähr weiß, was dort angedacht ist.

Ein guter Start ist das nicht, genau so wie es kein guter Start ist, wenn der bereits erwähnte Kärntner Landeshauptmann der Regierung vom ersten Augenblick an sagt, wo es eigentlich langzugehen hätte, und für den Fall, dass sie nicht pariert, nicht nur mit der Abspaltung seiner FPÖ-Landesgruppe, was mich nicht sehr kränkt, droht, sondern auch gleich mit einem Freistaat Kärnten, was immer das inhaltlich sein soll. Dieser spielt hier jene Rolle weiter, die er drei Jahre davor gespielt hat.

Sie haben keines der Strukturprobleme dieser Regierungskoalition gelöst, und Sie haben vor allem vom ersten Augenblick an gezeigt, dass das Chaos dieser Regierung treu bleibt. Die alte Regierung hat, als noch alles Wonne und Waschtrog war, einmal am Beginn ihrer Amtszeit eine Art Betriebsausflug nach Schönbrunn gemacht. Ich würde Ihnen empfehlen, diese Tradition aufzugreifen. Aber damit das Ganze einen gewissen politischen Lerneffekt beinhaltet, würde ich vorrangig den Besuch des Krokodilgeheges und des Schlangenhauses empfehlen. Da kann man wenigstens etwas für die innerkoalitionäre Praxis lernen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist Menschenverachtung, was Sie da sagen!) Es ist vielleicht Krokodil verachtend, aber ... (Bun­desrätin Giesinger: Ihre Rede richtet sich selbst!) – Ja, ist in Ordnung, Frau Kollegin! (Bundes­rat Ing. Grasberger: Sie reden von der Kanzel herunter!) Ich war mir gar nicht bewusst, Sie so tief getroffen zu haben. (Bundesrätin Giesinger: Sie haben mich nicht getroffen, aber es ist unglaublich, was Sie sagen!)

Liebe Frau Kollegin! Lieber Herr Kollege! Sie haben mir nicht geglaubt. Davon gehe ich aus, dass Sie mir nicht geglaubt haben. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann.) – Gut. Ihr Urteil, Herr Kollege, werde ich überleben. Ja, das habe ich vor.

Diese Bundesregierung – halten Sie mich bei diesem lobenswerten Beginnen nicht auf! – hat ein Programm vorgelegt, das in sich absolut inkonsequent ist, das keine strukturellen Reform­ansätze über die Bühne bringt, sondern eines versucht: über die Runden zu kommen und noch einmal bleibende negative Tatsachen zu schaffen.

Diese Bundesregierung, die schon einmal gescheitert ist, nämlich an sich selbst, wie ich ehr­licherweise dazusagen muss, wird es ... (Zwischenruf.) – Ja, ich sagte es, Herr Kollege! Sie brauchen nicht Dinge, die ich sage, zu wiederholen. Das erwarte ich nicht von Ihnen.

Wir haben als Opposition nicht den ausreichenden Beitrag dazu leisten können, dass diese Regierung zerbrach. Es ist klar, dass sich die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition im demokratischen Bereich abspielt. Aber diese Opposition hat aus dem relativen Misserfolg, den ich freimütig eingestehe, gelernt. Wir werden dieser Regierung in den verblei­benden Jahren ihrer Amtszeit eine schärfere Opposition sein.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie – und zwar Sie, Herr Bundeskanzler, ganz persönlich – eine Offerte zu einer tief greifenden Reformpartnerschaft abgelehnt haben! Jawohl, der Reform­bedarf in diesem Land ist gegeben. Unsere Bereitschaft, an sinnvollen Reformen mitzuarbeiten, ist ebenfalls gegeben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Nur die Kompetenz nicht!) – Und unsere Kom­petenz, Reformen umzusetzen, ist mehr als gegeben. Aber wir sind zu einem nicht bereit, näm­lich unter dem Schlagwort „Reform“ die Menschen dieses Landes zu verunsichern und zu belasten. Wir sind nicht bereit, Strukturen, die diesem Land Halt gegeben haben und in Zukunft Halt geben können, aus parteitaktischem oder gesellschaftspolitischem Interesse zerschlagen zu lassen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Spricht der alte Strukturkonservative!)

Sie werden eine harte Opposition erleben, und Sie werden eine Opposition erleben, die natür­lich mit größerem Nachdruck ihre eigenen Vorschläge einbringt, ihre eigenen Konzepte der


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Öffentlichkeit vorlegt. In der Demokratie sind immer der Wähler und die Wählerin der letzte Souverän, der die Entscheidung bringt. Er hat diesmal – die „Salzburger Nachrichten“ haben das in einer bestimmten Art qualifiziert – nummerisch den beiden Parteien, die diese Regierung bilden, eine Mehrheit gegeben. Dass das eine Zustimmung zu den Konzepten oder zu jenen Maßnahmen war, die heute hier zur Umsetzung angekündigt wurden, das würde ich heftig bezweifeln. (Bundesrat Dr. Nittmann: Würden Sie oder tun Sie es?) Aber wir werden dafür sorgen, dass dann, wann immer sich diese Regierung erneut dem Wähler stellen wird, es Ihnen nicht möglich ist, in ... (Bundesrat Bieringer: Das haben Sie vor drei Jahren auch schon gesagt, Herr Kollege!) – Nein, Herr Kollege, ich habe vor drei Jahren ein Einziges gesagt: Es gibt ein paar – und ich habe es auch hier gesagt –, die Oppositionserfahrung haben und gerne bereit sind, das mit ihren jungen Kolleginnen und Kollegen zu teilen – offenbar nicht wirkungsvoll genug; diese Selbstkritik muss ich mir erlauben oder muss ich in Kauf nehmen. Aber die SPÖ ist sehr lernfähig; und wie lernfähig sie ist, das wird diese Regierung in schmerzhaftester Art und Weise erfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

10.43


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. Nehmen Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung in Anspruch? – Gut, dann schalte ich die Uhr ein. – Bitte.

10.43


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoch geschätz­ter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Ausführungen des Kollegen Konecny eingehe, möchte ich dem Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Bundesregie­rung zu diesem hervorragenden Regierungsprogramm gratulieren (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen, ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und darf namens der ÖVP-Bundesratsfraktion festhalten: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wir werden dich mit bester Tatkraft unterstützen, weil wir davon überzeugt sind, dass dieses Programm das richtige Programm für Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind dabei nicht alleine, sondern die überwältigende Mehrheit, die relative Mehrheit der Österreicher hat Wolfgang Schüssel eindeutig zur Nummer eins in diesem Land gemacht, und da können Sie nörgeln, kritisieren, was immer Sie wollen, die Bevölkerung dieses Landes ist wesentlich klüger, als Sie glauben. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Konecny: Sie haben hier bewiesen, dass die SPÖ ... (Bundesrätin Schicker: Aber die Regierung hat sie nicht wollen, die Bevölkerung!) – Frau Kolle­gin Schicker! Sie können doch rütteln und deuteln, was Sie wollen; die Nummer eins in diesem Land ist die Österreichische Volkspartei. Da können Sie machen, was Sie wollen! (Bundesrätin Schicker: Das habe ich nie bestritten! Ich habe gesagt: Diese Regierung wollte die Bevölke­rung nicht! Das ist ein Unterschied, bitte!)

Es gab den 24. November. Seitdem ist die Nummer eins in diesem Land eindrucksvoll die Österreichische Volkspartei mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze! Das können Sie nicht wegdiskutieren.

Herr Kollege Konecny! Es hat mich schon ein bisschen gewundert, was Sie hier gesagt haben. Sie unterstellen dem Bundeskanzler der Republik Österreich, dass er ein zu allem fähiger Politi­ker ist, dass er alles mögliche macht. – Was heißt denn das? Ja was soll denn das heißen? Wollen Sie damit sagen, dass Sie einem Bundeskanzler, der in diesem Land angesehen und untadelhaft ist, womöglich ein Verbrechen unterstellen, oder was? – Das ist doch unerhört! (Rufe bei der SPÖ: Das ist ja lächerlich! – Bundesrätin Schicker: Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege!) Das ist doch unerhört! Wenn jemand sagt, dass er ein zu allem fähiger Politiker ist, dann kann das irgendjemand hineininterpretieren, ob Sie das wollen oder nicht. (Weitere Rufe bei der SPÖ.)

Sie zitieren Julius Raab. Wir können das nicht nachvollziehen, aber wir werden schauen, ob das Julius Raab tatsächlich gesagt hat.


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Die Geschmacklosigkeit kennt keine Grenzen, wenn Sie von einer „Wolfgang-Schanze“ spre­chen. – Sie haben damit gezeigt, dass Sie ja gar nicht in diesem Lande Regierungsverantwor­tung übernehmen wollen! Sie wollen das nicht und haben Ihren Parteivorsitzenden Gusenbauer im Regen stehen lassen – nicht nur Sie, sondern viele andere auch –, denn Gusenbauer wollte regieren und Verantwortung in diesem Land übernehmen, aber die SPÖ hat ihn nicht gelassen. (Bundesrätin Schlaffer: Lüge! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine falsche Wahrneh­mung deinerseits!)

Oder wie erklären Sie sich, meine Damen und Herren von der SPÖ, dass Sie zwei Monate gebraucht haben, bis Sie in Ihrem Parteivorstand einen Beschluss dahin gehend gefasst haben, dass Sie mit der ÖVP Regierungsverhandlungen aufnehmen? (Bundesrat Manfred Gruber: Zu Sondierungsgesprächen, Herr Kollege! Keine Verhandlungen!) – Na das ist doch nicht wahr! Der Herr Bundeskanzler hat bereits am Dienstag nach der Wahl zu Gesprächen eingeladen! Verdrehen Sie das doch nicht!

Oder wie erklären Sie sich, meine Damen und Herren, dass Sie während der Verhandlungen dauernd in die Öffentlichkeit gegangen sind und geplaudert haben? – Wenn jemand so etwas tut, dann zeigt das allein schon, dass er keine Verantwortung übernehmen will! (Bundesrat Gasteiger: Rede keinen Blödsinn, Bieringer!)

Oder wenn ein maßgeblicher Funktionär Ihrer Partei den Spitzenkandidaten – sprich den Bun­deskanzler – öffentlich bloßstellt, indem er sagt, er sei ein „Hietzinger Napoleon“ und derglei­chen, dann muss ich Sie fragen: Glauben Sie denn, dass so etwas Vertrauen erweckend ist? (Bundesrat Gasteiger: Ihre Aktionen auch nicht! – Bundesrätin Schicker: Was haben Sie über Gusenbauer gesagt! Seien Sie nicht so empfindlich!) – Frau Kollegin Schicker! So etwas kann man in der Hitze eines Wahlkampfes sagen. (Bundesrat Gasteiger: Schaut nach, was ihr selber gemacht habt! – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Frau Kollegin! So etwas kann man in der Hitze eines Wahlkampfes sagen, aber nicht zwei Monate nach dem Wahlkampf, wenn intensiv verhandelt wird. Das ist ein Beweis dafür, dass Sie nicht wollen – anders kann man das nicht erklären.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits gesagt, dass bei allen Parteien bei den Verhandlungen Grundkonsens darüber geherrscht hat, dass die Budgetkonsolidierung fortgesetzt wird, die Pensionssicherungsreform zu machen ist, dass Veränderungen im Gesund­heitssystem herbeizuführen sind und dass eine Bundesstaatsreform beziehungsweise eine Bundesreform umzusetzen ist, die Effizienz in die Verwaltung bringt.

Die Verhandlungen haben klar gemacht, wer in diesem Lande Verantwortung übernehmen will: Die Grünen – und das sei hier ausdrücklich noch einmal betont – wollten Verantwortung über­nehmen, sie wollten mittragen, aber maßgebliche Funktionäre insbesondere einer Landes­gruppe wollten nicht, und so konnte Van der Bellen seine Regierungsbeteiligung nicht durch­ziehen.

Aber das oberste Ziel für diese Regierung – und das haben ÖVP und FPÖ bewiesen – muss sein, die Zukunft Österreichs nachhaltig und gerecht zu gestalten. Dies ist in diesem Land nur in einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ möglich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diesen Auftrag der Wähle­rinnen und Wähler, Verantwortung für Österreich zu übernehmen, ernst genommen. (Bundesrat Konecny: Was ist das Ablaufdatum dieser Aussage?) Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat mit seinem Team ordentliche Verhandlungen mit allen Parteien geführt. Ein Konsens war nur mit der Freiheitlichen Partei möglich. Wir werden Ihnen beweisen, dass diese Regierung reform­freudig ist, dass sie auch Reformen durchziehen will.

Wir bauen dabei auf die Leistungskraft der Arbeitnehmer dieses Landes. Wir bauen auf die Leistungskraft der Bauern und Unternehmen. Wir bauen auf die soziale Sicherheit, auf die hohe Lebensqualität und auf das hohe Maß an Sicherheit für unsere Mitbürger. Es gibt viel zu tun.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Fundament der Regierungspolitik für diese Legis­laturperiode ist das von allen Parteien außer Streit gestellte Bekenntnis zur Notwendigkeit nach­stehender vorrangiger Problemlösungen, um die Zukunft unseres Landes nachhaltig zu sichern. Es sind dies: die Budgetkonsolidierung, eine Steuerentlastung, die Sicherstellung der mittel- und langfristigen Pensionsfinanzierung, die Gesundheitsreform, die Stärkung des Wirtschafts­wachstums in Österreich, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Verwal­tungs- und Staatsreform.

Die Bedeutung Österreichs liegt aber auch in der Vielfalt der Bundesländer, deren Rechte ge­stärkt werden sollen. Im Zuge der geplanten Staatsreform wird daher gemeinsam von Bund, Bundesländern und Gemeinden durch ihre befugten Repräsentanten ein Österreich-Konvent eingerichtet werden.

Das Regierungsprogramm ist die Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen sowie für eine problemorientierte Umsetzung der anstehenden Reformen und ist Garant dafür, dass zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes der Wirtschaftsstandort Österreich konkurrenzfähig bleibt, Arbeitsplätze geschaffen werden, ein ausgeglichenes Budget über den Verlauf einer Periode angestrebt wird, eine Steuerreform für alle kommt, die EU-Erweiterung mit gewaltigen Chancen für Österreich verwirklicht wird, die innere und äußere Sicherheit gewähr­leistet werden, die Pensionen nachhaltig gesichert werden, die Gesundheitsvorsorge gesichert und weiterentwickelt wird, Bildung und Forschung gefördert werden sowie im Rahmen einer Ver­waltungs- und Staatsreform die Verwaltung bürgernäher, kostengünstiger und effizienter gestal­tet wird.

Aus diesem Grunde erlaube ich mir daher, im Namen von Kollegen Böhm und mir folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ludwig Bieringer, Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend Umsetzung des Regierungspro­grammes der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungs­periode

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesrat begrüßt, dass die österreichische Bundesregierung ein umfassendes Regie­rungsprogramm zur Sicherstellung einer positiven Weiterentwicklung unseres Landes mit weit­reichenden Maßnahmen vorgelegt hat, und unterstützt die in diesem Regierungsprogramm dargelegten Zielsetzungen.

Darüber hinaus ersucht der Bundesrat die Bundesregierung, das beiliegende Regierungspro­gramm und insbesondere seine Schwerpunkte

Europa, innere und äußere Sicherheit

Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort

Steuerentlastung

Budgetkonsolidierung

Pensionssicherung

Gesundheitsreform

Bildungs- und Forschungsinitiative


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und Verwaltungs- und Staatsreform

initiativ und effizient umzusetzen.“

*****

Wir erlauben uns, auf das beiliegende Regierungsprogramm zu verweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne wünsche ich der neuen österreichi­schen Bundesregierung ein herzliches Glückauf für die Bewältigung ihrer schweren Aufgaben. Wir sind davon überzeugt, dass Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Haupt die Garanten dafür sind, dass das zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes umgesetzt wird. Glück auf der neuen österreichischen Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Bieringer, Dr. Böhm und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des Regierungspro­grammes der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Darf ich Sie nur um eines bitten: Bei aller Rechtmäßigkeit von Zwischenrufen in einer parlamentarischen Versammlung würde ich Sie doch bitten, wenn wir schon hören, dass der Redner Probleme beim Sprechen hat, weil er erkältet ist, darauf Rücksicht zu nehmen. Es kann auch andere Redner in diesem Haus betreffen, dass sie viel­leicht heiser und erkältet sind. Bitte, nehmen Sie darauf Rücksicht, vor allen Dingen auch darauf, dass wir jeden verstehen wollen, der am Wort ist, aber auch die Zwischenrufe verstehen wollen. Sie können in einer Lautstärke sein, dass auch der Redner zu hören ist.

Ich bitte nun Herrn Bundesrat Schennach ans Rednerpult. – Bitte.

10.56


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren der Bundes­regierung! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Österreich hat wieder eine neue Regierung. Aber wie neu ist sie denn? – Um Schüssel II zu bekommen, hätte man eigentlich nicht wählen müssen. Man hätte die Regierung einfach weiterarbeiten lassen können.

Wir alle erinnern uns noch daran, mit welch dramatischen Worten damals der Herr Bundes­kanzler nach der Knittelfelder Rabaukenaktion – übrigens, Herr Klubobmann Böhm, ich weiß bis heute nicht, was Sie dort zu suchen gehabt haben (Bundesrat Gasteiger: Hö!), das hat mich wirklich sehr verwundert – angekündigt hat, dass Österreich vorzeitige Neuwahlen braucht, und zwar mit dem Hinweis auf Stabilität.

Diese Stabilität ist heute in keiner Weise anders als damals, als die Regierung vorzeitig aufge­löst wurde. Vielleicht ist der Instabilitätsfaktor sogar noch gestiegen, denn die Regierung hat erstens eine geringere Mehrheit im Nationalrat, aber der derzeitige Regierungspartner der ÖVP ist schon auf Grund der Ereignisse der Wahlen instabiler geworden: Er ist in Graz vom zweiten auf den fünften Platz abgerutscht. Die Umfragen in Niederösterreich und Tirol versprechen der FPÖ den Auszug aus den Landtagen. In Oberösterreich droht die nächste schwere Wahl­schlappe. Dieser Koalitionspartner ist stabiler? Mit diesem Koalitionspartner kann man guten Gewissens eine Regierung bilden?

Bekommen haben wir eine neue Bundesregierung nach dem Prinzip „more of the same“. Warum „more of the same“? – Einerseits ist die Regierung um zwei Staatssekretariate ver­größert. Das wird wahrscheinlich ein Zugeständnis auf Grund der Verkleinerung des Koalitions­partners sein. Wir haben keine Präambel mehr in dieser Regierungserklärung. Das Familien­prinzip ist auch da.


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Aber man kann jede Regierung, die gebildet wird, in schlechten und in positiven Punkten bewerten. Ich möchte auch positive anführen: Ich bin sehr glücklich, dass wir keinen Herrn Frauenminister mehr haben, dass es endlich wieder eine Frauenministerin gibt und ein solches Ressort eingerichtet wurde. Dazu gratuliere ich.

Zweitens – und das ist das Interessante –: In den tage- und nächtelangen Verhandlungen mit den Grünen – diese Verhandlungen, meine Damen und Herren, waren von dem Willen geprägt, dass tatsächlich eine solche Regierung zu Stande kommt – sind Kompromisse erzielt worden. Es sind insgesamt 109 Seiten gemeinsames Regierungsprogramm in einem konsensualen Pro­zess erarbeitet worden.

Es ist interessant, das Regierungsprogramm zu lesen. Sehr viele Positionen, die Schwarz und Grün erarbeitet, erkämpft und erstritten haben und bei denen man gegenseitig nachgegeben hat, finden sich darin wieder. Für mich ist auch ganz interessant, dass sogar Sätze in diesem schwarz-blauen Regierungsprogramm enthalten sind, die wir selbst erkämpft haben, aber gut. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann werden Sie sie unterstützen!)

Lieber Herr Klubobmann Konecny! (Bundesrat Dr. Böhm: So heiße ich nicht!) – Entschuldigen Sie, ich habe jetzt nur die Stimme von vorne vernommen. (Ruf: Realitätsverlust!)

Das zeigt auf der anderen Seite, wie wenig offensichtlich der freiheitliche Koalitionspartner an Themen eingebracht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Dort, wo er sie eingebracht hat, schmerzt es besonders, Herr Professor Böhm! Zum Beispiel das Kapitel, das die ÖVP mit den Grünen im Bereich der Migration und Integration verhandelt hat, war vom Inhalt her um 180 Grad anders als jenes von ÖVP und FPÖ. Aber im Wesentlichen hat sich die FPÖ offen­sichtlich der Gestaltung der Politik entschlagen. Das ist auch klar: Für die FPÖ ist diese Regie­rungsbeteiligung quasi ein Strohhalm des Überlebens, und für den Bundeskanzler war die FPÖ mit Sicherheit der billigere Koalitionspartner.

Meine Damen und Herren! Das ändert aber nichts. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Die Be­völkerung ist durchaus bereit mitzugehen. Na gut, es bleibt ihr auch wenig übrig: Wenn eine Regierung Maßnahmen beschließt, muss sie diese hinnehmen. – Herr Bundeskanzler! Die Verhandlungen, die Sie zum Beispiel mit den Grünen geführt haben, haben in der Bevölkerung, aber auch in Ihrer Partei Hoffnungen erweckt. Und diese Hoffnungen sind in den Morgenstun­den des damaligen Sonntags bitter enttäuscht worden. Das zeigt sich auch darin, dass diese Regierung, so wie sie jetzt gebildet ist, in den Umfragen, die gemacht wurden, auch in Ihren eigenen Umfragen, keine Mehrheit mehr hat.

Warum? – Die Bevölkerung hat am 24. November die FPÖ aus der Regierungsverantwortung abgewählt. Das ist eine Tatsache. Wer von 27 Prozent auf 10 Prozent fällt, der ist abgewählt. Eine solche Partei müsste eigentlich im Sinne des Zeugnisses, das ihr die Bevölkerung aus­stellt, sagen: Ich bin abgewählt. Ich habe ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gru­ber.) – Ich weiß, Herr Kollege, Sie setzen sich immer für die FPÖ ein. Früher konnte man das noch verwechseln, aber jetzt haben Sie sich hinübergesetzt (allgemeine Heiterkeit), aber irgendwie sind Sie hier immer der ehrenamtliche Sprecher der FPÖ. Das müssten Sie einmal innerhalb der Fraktion besprechen.

Es könnte sein, dass Sie darüber sehr traurig waren. Es könnte sein, dass Sie sehr traurig waren, dass die FPÖ so viel verloren hat. Aber ich glaube, der Bundeskanzler ist dies nicht, denn die Handschrift des Regierungsprogrammes ist die Handschrift der ÖVP.

Politische Verantwortung wahrnehmen heißt, dass ich, wenn ich einen Denkzettel von der Be­völkerung bekomme, diesen Denkzettel ernst nehme, und das heißt nicht, dass ich den Ruhe­polster in der Regierung suche. Insofern, Herr Bundeskanzler, habe ich auch nicht die Sorge, dass diese Regierung pragmatisiert wird, wie Sie zum Ausdruck brachten. Die nächsten Wah­len – ich nehme an, es werden wieder vorzeitige Wahlen sein, das signalisiert das Stimmungs­tief, das hier existiert –, vor allem die nächsten Landtagswahlen werden dies beweisen. Die nächsten Landtagswahlen werden Ihren Koalitionspartner nicht sicherer machen.


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Kollege Bieringer hat gemeint, die Grünen seien über ihre Landesgruppe Wien gestolpert. (Bun­desrat Dr. Böhm: Das ist ein Faktum!) Ich komme aus dieser Landesgruppe Wien, Frau Gla­wischnig war Spitzenkandidatin der Landesgruppe Wien und Herr Van der Bellen ebenso. Wir alle haben mit großen Anstrengungen versucht, eine solche Regierungsbildung zu Stande zu bringen. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Dr. Schüssel.)

Aber, Herr Bundeskanzler, sind wir beide ehrlich: Sowohl die ÖVP als auch die Grünen waren auf die neue mathematische Rechnung, 27 plus 7 ist 52, nicht vorbereitet. Beide Parteien waren in ihren inneren Zusammenhängen darauf nicht vorbereitet, und es bedurfte eines längeren Prozesses, in Optionen zu denken, die vorher die normale Mathematik gar nicht zugelassen hat.

Meine Damen und Herren! Wir haben Schüssel II, und ich sage und habe das auch öffentlich immer wieder gesagt: Mir ist aus Respekt vor der Verfassung eine kleine Koalition lieber als eine große Koalition. Mir ist eine kleine Koalition, die mit der Opposition um Verfassungsmehr­heiten ringen muss, lieber, denn sie entspricht mehr dem Grundgedanken und dem Geiste der Bundesverfassung als eine Regierungsform, die eine Zweidrittelmehrheit hat. Das fördert die Demokratie im Lande, und insofern bin ich froh, dass es zu keiner großen Koalition gekommen ist.

Trotzdem ist Kritik an dieser Regierung angesichts der Belastungen, angesichts ihrer Interpreta­tion von Sicherheitspolitik notwendig. – Herr Kollege Konecny! Sozusagen als Kollege von Opposition zu Opposition würde ich Sie um eines ersuchen: Man kann in einer parlamentari­schen Versammlung nicht etwas aus dem Protokoll streichen lassen, aber ich würde Sie, damit die Kritik der Opposition auch gehört wird, ersuchen, den Ausdruck „Wolfgang-Schanze“ auch formell und formal zurückzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke zwar für den Applaus, aber das ist persönlich gemeint unter Kollegen der Opposition, dass nicht jeder Vergleich das erhärtet, was man sagen will. Und mancher Vergleich ist, so glaube ich, wirklich unpassend.

Kommen wir zu dem Programm im Einzelnen: Von acht Seiten Umwelt, die wir zwischen Schwarz und Grün bereits verhandelt haben, sind drei Seiten übrig geblieben. Aus einer auf­kommensneutralen Ökosteuerreform ist plötzlich eine Benzinpreiserhöhung im Ausmaß von 400 Millionen geworden. Die ein oder zwei Cent, Herr Bundeskanzler, müssen Sie in der Ge­samtrechnung darstellen. Das ist eine Belastung in der Höhe von 400 Millionen €, das soll man dazusagen. Ein Cent, zwei Cent klingen irgendwie putzig, aber in Wirklichkeit sind es 400 Mil­lionen €.

Unser Weg war immer, wenn man am Benzinpreis „dreht“, dann muss es letztlich im Rahmen einer aufkommensneutralen Ökosteuerreform sein.

Zweitens: der Tourismus. Mit viel Pomp wurde im Jahr 2000 ein Tourismus-Staatssekretariat eingerichtet. Schauen Sie einmal im Regierungsprogramm nach, was vom Tourismus geblieben ist! Er ist einer unserer wichtigsten Wirtschaftsbereiche, und übrig geblieben ist eine absolute Minimalstformulierung. Als jemand, der auch Tiroler Wurzeln hat und um die Bedeutung des Tourismus weiß, schmerzt mich das ganz besonders.

Drittens: der Klimaschutz. Der Bundeskanzler hat es heute in seiner Rede besonders hervorge­hoben, und ich bin froh, dass er es getan hat; vielleicht war es ein Ausfluss unserer gemein­samen Verhandlungen, dass erstmals die Ökosteuerreform in ein Regierungsprogramm einge­flossen ist. Aber auch der Klimaschutz ist enthalten. Was wurde gestrichen? – Dass der Bund eine Vorbildwirkung haben soll, das findet man nicht mehr. Oder dass öffentliche Förderungen und Subventionen auf ihre Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit hin überprüft werden, das ist auch nicht mehr enthalten. Auch das langfristige Ziel, aus der Nutzung der Kernenergie in Europa auszusteigen, ist nicht mehr da. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das steht drinnen!) – Ich werde gleich nachschauen, und dann werde ich mich, wenn es notwendig ist, korrigieren.


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Wir stehen derzeit vor den GATS-Verhandlungen. Und es stellt sich die Frage: Was ist eine öffentliche Aufgabe? – Dass Wasserversorgung im öffentlichen Interesse und eine öffentliche Aufgabe ist, das ist so nicht mehr enthalten. Herr Kollege Steinbichler! Auch die gentechnikfreie Landwirtschaft ist in dieser Form – und ich kann Ihnen sagen, wir haben damals mit Kollegen Molterer, einen der ganz besonders bemühten Verhandler, Stunden verbracht – nicht mehr enthalten.

Bei der Gesundheit, Herr Kollege Haupt, sind die Formulierungen von besonderem Interesse, insbesondere die Anpassung der Strukturen und die Beschickung der Gremien. Ist das die neue Auflage einer groß angelegten Umfärbungsaktion zu Gunsten der FPÖ? – Wahrscheinlich wird es das auch sein. Das Drama Pflegegeld erleben wir ja dieser Tage öffentlich.

Zur Nichtanerkennung der Gebärdensprache: Diese war schon einmal enthalten, ist aber jetzt wieder verschwunden. So viele Menschen – auch in Österreich – wollen, dass endlich die Gebärdensprache – und damit auch ihre eigene Kultur – anerkannt wird, aber das fehlt wieder im Regierungsprogramm.

Zum Bereich der Bildung: Die Schülermitbestimmung bei den Verhaltensvereinbarungen wurde gestrichen. Weiters: duale Ausbildung, Integration Behinderter, Alternativschulen.

Bei den Studiengebühren fällt auf, dass die ursprünglich verhandelten, doch großzügigeren Stipendiensysteme verschlechtert wurden. Sie sind stark reduziert worden.

Bezüglich Kultur – ich bin froh, dass sich offensichtlich die FPÖ eigener Vorstellungen gänzlich entsagt hat – ist nichts Freiheitliches zu finden.

Derzeit erleben wir seit Wochen das Drama um die Minderheitenradios: in Kärnten, im Burgenland. Diesbezüglich gab es eine sehr positive Formulierung – sie wurde gestrichen. Etwas, was man mir immer gesagt hat, was auch ein besonderes Herzblut der ÖVP ist, ist der Ausbau der Volksgruppenrechte und der Volksgruppenradios.

Aber nun komme ich zu einem Bereich, meine Damen und Herren, bei dem ich am allermeisten bedauere, dass es diese Zusammenarbeit in der Umsetzung nicht gab: Das betrifft den Bereich des Asyl- und Fremdenrechtes. Diesbezüglich waren Meilensteine verhandelt; die blaue Hand­schrift ist aber jetzt unverkennbar: Abschaffung der Familienzusammenführungsquote, Arbeits­marktzugang, Ausweitung der offenen Schubhaft wurden gestrichen und und und.

Was ich aber besonders erschütternd finde, ist, dass von der Außenpolitik eigentlich nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wie das passiert ist, weiß ich nicht. Ein bisschen Altösterreichisch, ein bisschen Beneš-Dekrete und ein bisschen Schutzmacht – das ist die Außenpolitik abseits der Entwicklungszusammenarbeit und der äußeren Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, hinsichtlich der Bedeutung der Sicherheit und des Überdenkens der Rolle des Bundesheeres wird nun eine Reformkommission eingerichtet, auf deren Ergebnisse wir warten. Nun frage ich mich, warum setzt man eine Re­formkommission ein, die über Bedrohungsbilder und über die neue Rolle des Bundesheeres berät, und kauft vorher die unnützen Abfangjäger, denn damit wird im Grunde genommen die Arbeit dieser Reformkommission präjudiziert. Das heißt, das ist eine Reformkommission, die über vieles nachdenken darf, aber über die Abfangjäger, über deren Sinnhaftigkeit, über deren Implementierung im Rahmen eines Verteidigungssystems nicht. Diesbezüglich ist das Denken verboten. Da ist dann sehr viel Geld im Umlauf, und möglicherweise auf Grund dessen, was uns nun das Regierungsprogramm sagt, heißt das – so kommt es mir jetzt vor –, dass das Prinzip der Finanzierung nach dem Ausspruch erfolgt: Hinter mir die Sintflut, sollen sich doch dann andere Regierungen mit den Kosten der Abfangjäger herumschlagen!

Nun zur Staatsreform, die ein wichtiges Kapitel ist: Herr Bundeskanzler! Gerade im Bundesrat haben Sie kein Wort über die angedachten Reformen des Bundesrates gesagt. Das habe ich schmerzhaft vermisst. Es wäre hier doch die Möglichkeit gewesen, dazu einiges zu sagen, denn Sie wissen, dass die Vorstellungen der ÖVP zum Bundesrat und zu den Landtagen sehr weit


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reichend sind, und da hätte der Bundesrat während Ihrer heutigen Regierungserklärung doch ein offenes Wort hören sollen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend zu der Regierungserklärung Folgen­des sagen: Herr Kollege Böhm, Sie haben Recht, wir werden genauest darauf achten, dass jene Punkte, die auf Grund der Verhandlungen mit den Grünen hier eingeflossen sind, auch in dem Geiste der Verhandlungen und des damaligen Kompromisses umgesetzt werden. Das ist eine wichtige Aufgabe, und insofern hat sich die Rolle der Grünen durch diese Regierungs­verhandlungen mit der ÖVP gewandelt. Die Grünen sind dadurch kein unschuldiges Kind mehr in der Innenpolitik, denn sie haben sich einmal und sehr ernsthaft – das erste Mal in ihrer Geschichte – mit den Regierungsverhandlungen und den Bemühungen, eine Regierung zu erstellen, auseinander gesetzt.

Nach einer Woche – 109 Seiten, zwei haben gefehlt, die Themen liegen auf der Hand, Herr Konecny hat einige angesprochen, ich sage nur: Arbeitsmarkt, Pensionen, Abfangjäger, Demo­kratie an den Universitäten – haben Sie als Kurssetzer dieser Verhandlungen, Herr Bundes­kanzler, in jener letzten Nacht das letzte Tor versetzt, das bei der Besichtigung woanders stand. Und deshalb war der Einfädler eine logische Folge des Endes. (Bundesrat Fasching: Schlechte Kursbesichtigung!)

Deshalb stellt sich ernsthaft die Frage (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Dr. Schüs­sel): Waren die Gespräche mit der SPÖ, waren die Verhandlungen mit den Grünen nur dazu da, um letztlich der Bevölkerung verkaufen zu müssen (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber), jetzt müssen wir es halt mit einer abgewählten Partei wieder probieren, diese wird es etwas billiger geben? – Warum war das Tor in der letzten Nacht woanders hin­gestellt? – Das ist die Frage, die sich stellt.

Da wir schon beim Tor sind: Herr Bundeskanzler! Wenn Sie jetzt nach Salzburg fahren, haben Sie es sicher leichter, denn Herr Eberharter hat gerade den Gesamtweltcup gewonnen. (Allge­meiner Beifall. – Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

11.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Böhm. – Bitte.

11.18


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der Bun­desregierung! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die so instabile Weltlage mit der drohenden Gefahr eines Irak-Krieges und einer nachfolgenden Krise der internationalen Wirtschaft erfordert umso mehr unsere höchsten Anstrengungen, zumindest die „Hausauf­gaben“ im eigenen Land bestmöglich zu erfüllen.

Ziel der für alles grundlegenden Finanzpolitik bleibt unverändert ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus hinweg. Die geplanten Einsparungen in der Höhe von 3 Milliarden € sollen den Spielraum eröffnen, um Schwerpunkte bei Zukunftsthemen wie Forschung, Bildung und Infrastruktur setzen zu können.

Das zentrale Anliegen meiner Fraktion, nämlich eine grundlegende Steuerreform zu bewirken, ist im Regierungsprogramm klar und unmissverständlich festgeschrieben. Daran ist nicht und von niemandem zu deuteln.

Im ersten Schritt muss es dabei zur Entlastung unterer und mittlerer Einkommen, konkret zur vollständigen Steuerbefreiung für Bruttojahreseinkommen bis zu 14 500 € kommen.

Mit der zweiten Etappe der Steuerreform strebt die Bundesregierung eine Nettoentlastung in der Höhe von 2,5 Milliarden € an. Die damit verfolgten Ziele sind dabei neben der Verbesserung der Steuergerechtigkeit die Erhöhung der Kaufkraft der unteren und mittleren Einkommensbezieher, die Entlastung des Faktors Arbeit zur Sicherung und Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze und


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nicht zuletzt die Stärkung unseres Landes als Wirtschaftsstandort. – Nichts anderes waren übri­gens die sachlich durchaus legitimen Forderungen im viel geschmähten Knittelfeld! Ich möchte be­haupten, dass sich diese Forderungen besser durchgesetzt haben als jene von Dr. Gusen­bauer am selben Ort.

Die Einführung einer begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne für Einzelunter­nehmen und Personengesellschaften soll ferner Klein- und Mittelbetriebe und ihre Eigenkapital­bildung fördern.

Die Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer wird als arbeitsmarktpolitische Maß­nahme die mit der Abschaffung der Frühpensionen zweifellos verbundenen Probleme mildern.

Die ambitionierten Einsparungsziele werden sich freilich nur dann erreichen lassen, wenn vor allem die bereits eingeleitete Verwaltungsreform, um die sich die Vizekanzlerin der letzten Regierung Verdienste erworben hat, energisch fortgesetzt wird.

Aus der Fülle der Reformvorhaben greife ich nur Folgende heraus: den weiteren Ausbau der Bezirksverwaltungsbehörden zu einer zentralen Anlauf- und Servicestelle des Bürgers; die durchgehende Reduktion des administrativen Rechtszuges auf zwei Instanzen; die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen; und die Neuordnung des Bundeshaushaltsrechtes im Sinne der Schaffung von Globalbudgets in den Ministerien.

Als wichtigste Zukunftsperspektive wird heute zunehmend die Investition in Bildung, Forschung und Innovation erkannt. Im Regierungsprogramm ist daher die Anhebung der Forschungsquote bis 2006 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorgesehen. Auch dadurch werden Wirt­schaftsstandort und Arbeitsplätze gesichert.

Im Bereich der Wissenschaftspolitik steht die Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 als international anerkanntes Reformmodell im Vordergrund. Die eigenverantwortliche Entwicklung ihrer Profile wird für die Universitäten die Grundlage für die mit ihnen abzuschließenden Leis­tungsvereinbarungen bilden. Eine zu schaffende Evaluierungsagentur nach europäischem Maß­stab wird gleichsam als begleitende Kontrolle fungieren. Die autonom eingehobenen Studien­beiträge verbleiben den Universitäten, um damit die Studienbedingungen zu verbessern. – Ich ver­schweige gerade als akademischer Lehrer nicht, dass es da durchaus Schwachstellen gibt, die es auszugleichen gilt.

Im Bereich der Bildungspolitik geht es um die zeitgemäße Fortentwicklung des Schulwesens und seiner Qualitätssicherung, insbesondere durch Leistungsstandards.

Die gebotene Entlastung der Schüler, Herr Kollege Konecny, ist meines Erachtens nicht auf eine lineare Reduktion der Unterrichtsstunden beschränkt. Vielmehr ist unter Beibehaltung des anerkannt hohen Niveaus unserer Ausbildung eine strukturelle Umschichtung insbesondere durch Kernbereiche einerseits und Vertiefungs- beziehungsweise Erweiterungsbereiche ande­rerseits angestrebt. Fächerüber­greifende Projekte und exemplarisches Lernen sind die beste Einübung in das in Zukunft ohne­hin unerlässliche „lebensbegleitende Lernen“.

Das Herzstück jeder Gesellschaftspolitik ist für uns Freiheitliche aber zweifellos die Familien­politik. Gerade darin war bereits in der vergangenen Legislaturperiode und ist auch heute wieder im gegenwärtigen Regierungsprogramm die freiheitliche Handschrift ganz besonders sichtbar. Stets ging es uns und geht es uns auch weiterhin darum, den Eltern die Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen.

An Reformanliegen hebe ich dabei nur Folgende hervor: Evaluierung des Kinderbetreuungsgel­des, Zuschläge zu ihm bei Mehrlingsgeburten, Förderung einer familienfreundlichen Arbeitswelt, aber auch des „Unternehmens Haushalt“.

Entgegen dem ideologischen Vorurteil, dass Familienpolitik und Frauenpolitik (Bundesrätin Schicker: Nicht das gleiche ist!) einen Gegensatz bilden, betone ich bewusst die Absicht der Bundesregierung, Frauen eine eigenständige Alterssicherung dort zu gewährleisten, wo diese


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ihnen heute noch fehlt. Gewiss nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber ein ganz wesentlicher, ist die Anhebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von derzeit 18 auf 24 Monate im Zuge der Gesamtpensionsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Nicht zufällig landet jede aktuelle Betrachtung der Familienpolitik auch bei der Problematik des Pensionssystems und seiner zukunftsfähigen Absicherung. Beruht doch unser Pensionsver­sicherungsrecht, das entgegen seiner Bezeichnung in Wahrheit nach dem Umlagesystem gestaltet ist, auf dem dieses rechtfertigenden Leitgedanken des Generationenvertrages. Eben dieser ist aus objektiv nachvollziehbaren Gründen in eine bedenkliche Schieflage geraten.

Das zwei oder richtigerweise vielleicht sogar drei Generationen übergreifende Umlagesystem ging von folgenden Prämissen aus, die so heute alle mehr oder weniger nicht mehr zutreffen: nämlich von einer annähernden Vollbeschäftigung; von einer gleich bleibenden Lebenserwar­tung; von einer demografisch stabilen Reproduktionsquote – wenn Sie mir den unschönen Aus­druck gestatten –; von einer vergleichbaren Ausbildungs- und Berufsbiographie – sprich: dem Zeit­punkt des Eintritts ins Erwerbsleben – und in Verbindung damit von einem relativ pro­portionalen Verhältnis von Pensionsbeiträgen und Pensionsleistungen.

In dem Maße, in dem sich diese Parameter nicht mehr gleichsinnig entwickelten, wurde das Problem der Finanzierung des überkommenen Pensionssystems vorerst auf den Staatshaus­halt – sprich: den Steuerzahler – und in den letzten Jahren immer mehr auch auf die nachfol­genden Generationen verlagert.

Dieses an sich unsachgemäße und ungerechte Vorgehen stößt inzwischen an seine absoluten finanzpolitischen und sozialpsychologischen Grenzen. Früher oder später droht die Überspan­nung, wenn nicht Aufkündigung des Generationenvertrages!

Wir können doch nicht auf den Aufstand unserer Jugend warten, die bei zunehmend steigenden Sozialversicherungsabgaben beziehungsweise/und erhöhten Steuerleistungen die Ruhege­nüsse von Frühpensionisten und von Pensionisten mit früherem Antrittsalter zu finanzieren, selbst aber ein erheblich späteres Antrittsalter und zudem noch erheblich verkürzte Pensions­leistungen zu erwarten hat und infolge der hohen Abgaben auch nicht über die entsprechenden Einkommensteile verfügt, um sich im Sinne der so genannten „dritten Säule“ in Eigenvorsorge den Ausgleich für die fehlende Ersatzrate zu sichern.

Aus all diesen Gründen bedarf es zur nachhaltigen Stabilisierung des Pensionssystems der Harmonisierung aller gegenwärtig recht unterschiedlichen Teilsysteme und der Schaffung eines einheitlichen Pensionsmodells – ohne jegliche Privilegien – für alle Erwerbstätigen!

Ein Kernelement dabei ist die Absicht, in Zukunft ein grundsätzlich beitragsorientiertes Pen­sionskonto einzuführen. Neben der Konsolidierung des Umlageverfahrens, also der weiterhin tragenden „ersten Säule“, werden auch die betriebliche und die individuelle Altersversorgung, das heißt die so genannte „zweite“ und „dritte Säule“, auszubauen sein.

Eine solche Systemsicherung ist meines Erachtens, um es nochmals zu betonen, ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber den jüngeren Generationen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das geplante Auslaufenlassen der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer wird durch die Verlängerung der volkstümlich so genannten „Hacklerregelung“, also Pensions­antritt nach 40 beziehungsweise 45 Beitragsjahren, bis 2010 sozial abgefedert. Auch das war aus freiheitlicher Sicht unabdingbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Sachbereich „Inneres, Asyl und Integration“ waren meiner Fraktion der entschiedene Kampf gegen Drogenhandel, die Reform des Versammlungsgesetzes und die Beschleunigung des Asylverfahrens unter gleichzeitiger Verbesserung seiner Qualität zentrale Anliegen. Die Integra­tion legal in Österreich lebender ausländischer Staatsbürger hat weiterhin Vorrang vor einem Neuzuzug; dieser unterliegt weiterhin der Quotenregelung. Der Familiennachzug innerhalb


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dieser Quote ist auf die Kernfamilie zu beschränken. Deren Mitgliedern wird dafür im Gegen­zug der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet; das wurde vorhin nicht richtig dargestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Justizpolitik ist erneut durch ehrgeizige Vorhaben geprägt. So handelt es sich bei der Straf­prozessreform um ein international anerkanntes Reformwerk und zugleich um das größte und komplexeste Legislativprojekt des Ressorts seit der Erlassung des Strafgesetzbuches. Es wurde soeben im Ministerrat verabschiedet.

Entgegen anders lautenden Behauptungen wird die richterliche Kontrolle voll erhalten und so­gar ausgebaut. Angesichts des gezielt geschürten Misstrauens gegenüber der Weisungsbe­fugnis des Justizministers scheint es mir wesentlich zu sein, dass die durch eine strafbare Hand­lung geschädigten Personen beim Oberlandesgericht die Fortführung eines Verfahrens verlan­gen können, das von der Staatsanwaltschaft – vielleicht auf Weisung des Justizminis­ters – eingestellt worden ist.

Die Verschärfung der Strafbestimmungen gegen Kinderpornographie und die Schaffung eines Straftatbestandes der sexuellen Belästigung sind ein Reformanliegen, das wir alle wohl in diesem Hohen Hause teilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gleiches gilt für die Verbesserung des Opferschutzes und der Opferhilfe. – Erwähnt seien auch noch weitere Maßnahmen zur Beschleunigung gerichtlicher Verfahren und die Gesamtreform des Verfahrens in Außerstreitsachen; die Schaffung bundesweiter Mindeststandards für Heim­verträge; die Verbesserung des Schutzes von Ehegatten vor Übervorteilung im Scheidungsver­fahren; die Schaffung eines immateriellen Schadensersatzanspruches bei Eingriffen in Persön­lichkeits­rechte; die Harmonisierung und Vereinfachung der heute bereits völlig unüberschau­baren Wohnrechtsmaterien; die Gesamtreform des Handelsgesetzbuches im Sinne eines modernen Unternehmensrechtes und vieles Andere mehr.

Aus Zeit- und auch aus fachlichem Kompetenzmangel verweise ich zur Wirtschaftspolitik nur auf die Verbesserung der Lehrlingsausbildung und den Ausbau der Mittelstandsfinanzierung, auf die Jungunternehmerförderung, die Stärkung der Eigenkapitalbildung der heimischen Tourismusbetriebe und nicht zuletzt auf das Ziel, die organisierte Schattenwirtschaft als einen echten Sozialbetrug einzudämmen. Auch darin wird freiheitliche Handschrift erkennbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes hebe ich lediglich den Anspruch von Eltern auf Teilzeit und flexible Arbeitszeitregelung hervor. Dieser Anspruch in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern gilt für Eltern von Kindern bis zum Ablauf ihres siebenten Lebensjahres oder bis zu deren Schuleintritt; und das unter Wahrung des Rechtes der Eltern auf Rückkehr in Vollzeitbeschäf­tigung.

Auch die volle Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in Bezug auf die Entgeltfortzah­lung verdient Erwähnung.

In der Verkehrspolitik kommt unverändert dem Ausbau der Schieneninfrastruktur im Rahmen des Generalverkehrsplanes insbesondere in Richtung EU-Beitrittskandidaten im Norden, Osten und Süden sowie auf den Hauptkorridoren im Sinne des EU-Beitrittsvertrages Priorität zu.

Bei der Erarbeitung der EU-Wegekostenrichtlinie geht es Österreich um die ausreichende Um­setzung des Konzeptes ökosensibler Zonen und der Kostenwahrheit durch die ökologische Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut und um die Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur.

Zur Gesundheitspolitik will ich nur das Ziel hervorheben, alle Beitragsleistenden in der Kranken­versicherung gleich zu behandeln, was sowohl für den einheitlichen Beitragssatz für alle Arbeitnehmer als auch für die Leistungskataloge gilt. Anstelle der Krankenscheingebühr und der Ambulanzgebühr – ich räume ein: keine Erfolgsgeschichte –, die abgeschafft werden, soll


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die Ermächtigung der Sozialversicherungsträger treten, von allen Versicherten einen sozial gestal­teten Selbstbehalt einzuheben.

Als besonders zukunftsorientierter Ansatz scheint mir die Forcierung von Gesundheitsvorsorge und gesundheitsfördernden Maßnahmen zu sein. Mit Blick auf die schon angesprochene Alters­struktur der Bevölkerung erachte ich auch die Neuregelung und Ausbildung von Gesundheits­berufen und die Unterstützung pflegender Angehöriger für eine wichtige Aufgabe der Gesund­heitspolitik.

Aus der Umweltpolitik greife ich gleichfalls nur zwei Anliegen heraus: die Forcierung erneuer­barer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz und ebenso das Bemühen der Bundes­regierung, im Rahmen von Euratom darauf zu dringen, dass keine zusätzlichen Mittel für den Neubau oder Kapazitätsausweitungen von Atomkraftwerken und für die Nachrüstung von Atom­kraftwerken mit einer damit verbundenen Laufzeitverlängerung eingesetzt werden.

In der Frauenpolitik muss es primär gelingen, die immer noch viel zu hohen Einkommensunter­schiede von Männern und Frauen in der Arbeitswelt zu verringern. Für gleichwertige Arbeit muss es gleichen Lohn geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Bereich Kunst und Kultur muss ich mich auf die Wiedergabe der Zielsetzung beschränken, die Breite und Vielfalt von Kunst und Kultur zu erhalten und den Nachwuchs zu fördern; durch steuerliche Maßnahmen den Kunstmarkt zu beleben, für Kunstsponsoren und zur Erhaltung des kul­turellen Erbes Anreize zu schaffen und nicht zuletzt das hohe Niveau unserer Bundes­theater, Festspiele und Bundesmuseen sicherzustellen.

Auf dem Gebiete des Sports werden die Fußball-Europameisterschaft 2008 und die Olympiabe­werbung von Salzburg 2010 voll unterstützt. Auch soll es endlich zur bereits oft angekündigten Ausarbeitung eines Berufssportgesetzes kommen.

Zuletzt wende ich mich noch kurz der Außen- und Sicherheits- beziehungsweise Verteidigungs­politik zu. Diese spielt sich aus österreichischer Sicht heute zwar nicht ausschließlich, aber doch vornehmlich im Rahmen der Europäischen Union ab. Im Konvent und in der Regierungskon­ferenz wird die Bundesregierung daher am Prinzip der Einstimmigkeit für vitale Interessen, also Raumordnung, Bodennutzung, Eigenmittelbeschlüsse, Rechtsakte mit konstitutivem Charakter, Wahl der Energieträger und Wasserressourcen, festhalten. Das war auch stets eine Grundfor­derung von uns Freiheitlichen.

Zuzustimmen ist der Förderung der Beitrittsbestrebung von Kroatien. Hingegen stehe ich per­sönlich – das ist meine eigene Meinung, das will ich nicht verhehlen – dem EU-Beitritt der Türkei aus heutiger Sicht ablehnend gegenüber! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zwei für uns ganz wesentliche Anliegen, die im Regierungsprogramm verankert werden konnten, wurden von den Oppositionsparteien in der Nationalratsdebatte – heute auch von Herrn Kollegen Schennach – als überholt abgetan, nämlich zum einen die Aufgabe Österreichs, seine Schutzfunktion für die Volksgruppen mit deutscher und ladinischer Muttersprache in Italien weiterhin wahrzunehmen, und zum anderen das Bestreben der Bundesregierung, in der Frage der Vertreibungsgesetze und -dekrete von 1945 und 1946 eine akzeptable Lösung zu erreichen.

Mir ist die Abwertung dieser Anliegen und damit die offensichtliche Geringschätzung des unseren Volksgruppen angetanenen Unrechts völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der für Südtirol durch das auf Grund des Pariser Vertrages beschlossene „Paket“ erreichte Auto­nomiestatus ist keineswegs so ungefährdet, wie das Abgeordnete der SPÖ und der Grünen glauben machen wollen. Maßgebliche, weil regierungsnahe Kreise in Italien stellen nachweislich diesen Sonderstatus als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar grundsätzlich in Frage. Wachsamkeit ist also durchaus geboten.


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Was soll ferner an einer Lösung schlecht sein, die in Bezug auf das – vom international aner­kannten Professor Ermacora ehedem als Genozid eingestufte – Unrecht der Vertreibung der alt­österreichischen „Volksdeutschen“ eine Klarstellung bringt, die dem modernen Menschen­rechtsverständnis und den gemeinsamen europäischen Werten entspricht? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ebenso wenig Probleme habe ich mit der Zielsetzung, an der Weiterentwicklung einer gemein­samen europäischen Verteidigungspolitik aktiv mitzuwirken. Dazu hat sich Österreich inzwi­schen längst völkerrechtlich und gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, und es hat die dazu nötigen Änderungen des Verfassungsrechtes beschlossen – und das bereits unter einer Bun­desregierung unter sozialdemokratischer Führung.

Das dann jetzt – es ist heute im Bundesrat nicht geschehen, anders als im Nationalrat – als Gefährdung der österreichischen Neutralität hinzustellen, wäre geradezu doppelbödig! Deshalb kann eben auch die Begründung für die Ablehnung des Ankaufs von Abfangjägern nicht ernst genommen werden. Hält man einerseits an der Wahrung der Neutralität fest, wiewohl von ihr höchstens noch ein Restbestand vorhanden ist, so kann man es andererseits nicht für über­flüssig erklären, den Luftraum zu überwachen und gegen Neutralitätsverletzungen abzusichern.

Da somit den internationalen Verpflichtungen immer größere Bedeutung innerhalb der Aufga­ben des Bundesheeres zukommt, bedarf es für die entsprechenden Einsätze einer zunehmen­den Erhöhung des Professionalisierungsgrades und einer grundlegenden Heeresreform. Das würde mit der Reduktion der im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht benötigten Zahl der Präsenzdiener zugleich auch eine Verkürzung des Wehrdienstes ermöglichen – das wenigstens dann, wenn und sobald die Sicherung der Schengen-Außengrenzen von einer dem Polizeikorps zugehörigen Grenzschutzwache übernommen werden könnte.

Dringend geboten erscheint mir die Modernisierung der Ausrüstung und der Gerätschaften des Bundesheeres zum bestmöglichen Schutz für Leben und Gesundheit der Soldaten, aber auch für die Sicherheit der Bevölkerung. Das unter dem Prätext von Einsparungen abzulehnen, wäre meines Erachtens ein verfehlter Ansatz selbst einer durchdachten, vorsichtigen Finanzpolitik.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Hohen Hauses! Was ist das Resümee meiner zugegeben knapp gehaltenen Tour d’horizon durch das uns heute vorgelegte, breite Programm der neuen Bundesregierung? – Ich denke, dass es ein äußerst ambitioniertes Programm ist. Es wird durchaus auch unpopuläre Maßnahmen nötig machen, ist aber auf höchst zukunftsfähige Zielvorstellungen ausgerichtet. In diesem Sinne wünsche ich der neuen Bundesregierung für die Erfüllung ihrer schwierigen, verantwortungsvollen Aufgaben im Interesse unseres Landes viel Glück und Erfolg. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.

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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Es konnte nicht überraschen, dass in dieser Debatte die bei­den Vertreter der Oppositionsparteien kein gutes Haar an der Regierungsbildung gelassen haben. Aber ich konnte wenigstens einen erfreulichen Unterschied zwischen Kollegen Schennach und dem Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion feststellen. Herr Kollege Schennach! Ihre Diktion und Ihre Ausführungen waren durchaus auf hohem Niveau, und Sie haben auch von Verunglimpfungen der Regierung Abstand genommen, was ich für das Klima der Demokratie in Österreich als erfreulich betrachte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zweiten hat der Vertreter der Grünen Fraktion zu jenen Punkten, die auch aus Sicht seiner Fraktion durchaus positiv sind, seinen Beitrag und seine Meinung eingebracht. Es ist wenig überraschend, dass der Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion in Zukunft offensichtlich mehr auf Fundamentalopposition zu setzen scheint. Immerhin ist es erfreulich, dass auch Ale-


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xander Böhm, der Chef der Salzburger Arbeiterkammer – um das salopp auszudrücken –, meint, dass eine 0,1-prozentige Lohnsummenabgabe aller Arbeitnehmer für eine Unfallver­sicherung das Richtige wäre. Im Vorfeld der morgigen Eröffnung des Unfallkrankenhauses in Salzburg hat er auch richtigerweise darauf hingewiesen, dass nur mehr etwa 20 Prozent der Aufgaben der Unfallkrankenhäuser der ursprünglichen Zielsetzung entsprechen, nämlich der Erledigung von Arbeitsunfällen, während je nach Unfallkrankenhaus zwischen 60 und 80 Pro­zent Freizeit-, Heimwerkerunfälle und andere Unfälle aus dem Bereich des Alltags auftreten.

Man sieht also auch, dass es Gott sei Dank innerhalb der Sozialdemokratie – wie es auch der Herr Bundeskanzler richtigerweise gesagt hat – vernünftige Kräfte wie Vorsitzenden Gusen­bauer gibt, die wissen, dass der Rückstau aus der Vergangenheit in Österreich so groß ist, dass Reformen im essenziellen Bereich notwendig sind. Manche glauben – im Bewusstsein, die Regierungsbeteiligung verspielt zu haben –, dass sie mit den alten Mitteln, so wie es auch Alt­finanzminister Androsch Tag für Tag in den Tageszeitungen formuliert, die Demokratie und den Sozialstaat retten könnten. (Bundesrat Konecny: Ist die Demokratie bedroht, Herr Vizekanz­ler?) Ich wäre sehr zufrieden, wenn Dr. Androsch nicht jene Schuldenlast in Österreich aufge­nommen hätte, die wir heute abbauen müssen.

Sehr geehrter Herr Professor Konecny! Allein in meinem Bereich haben Sie in der Zeit von 1995 bis 1999 im Bereich der Pensionen einen nicht gedeckten Scheck für die ältere Generation in der Höhe von 1,4 Milliarden € zu verantworten. Wir haben in der letzten Legislaturperiode 0,2 Milliarden € davon abbauen können, aber 1,2 Milliarden € sind noch ein gewaltiger Brocken, die von dieser und den nächsten Generationen in der Arbeitswelt abgebaut werden müssen.

Das Mittel, per Gesetz den Menschen für die Zukunft in 10, 20 oder 30 Jahren ein gutes Sozial­system zu versprechen und nicht auch mittels einer nachhaltigen Politik abzusichern, war jahre­lang bei den Finanzministern der Sozialdemokratie systemimmanent. Josef Riegler war viel­leicht in den Jahren 1988, 1989 mit seinen ökosozialen Überlegungen seiner Zeit voraus, aber heute ist Gott sei Dank eine nachhaltige Politik – zumindest für drei Fraktionen im Bundesrat – eine vorstellbare Dimension der Weiterentwicklung dieses Staates, wenn ich auch die Vorstel­lungen des Kollegen Schennach mit in die Diskussion einbringe.

Wir haben es auch im Wahlkampf erlebt, bei einer Diskussion bei den „Salzburger Nachrichten“. Daher kann es auch nicht überraschen, dass sehr viele, auch von der Grünen Fraktion als ihre Kapitalien betrachteten Punkte in diesem Regierungsprogramm enthalten sind, weil sich auch die Freiheitliche Partei, aber auch weite Teile der Österreichischen Volkspartei über Jahrzehnte bemüht haben, diesen Staat nachhaltig weiter zu entwickeln.

Daher kann es auch nicht verwundern, dass es der Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion bei der Diskussion um die Arbeitsmarktdaten peinlichst vermieden hat, das eine oder andere richtig darzustellen. Eines haben Sie richtig dargestellt, nämlich dass sich in den letzten sechs Monaten die Weltwirtschaft durch die Kriegsbemühungen – wenn es nach Präsidenten Bush geht, ist am 17. März dieses Jahres mit dem Kriegsausbruch im Irak zu rechnen – ver­schlechtert hat. Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass der 11. September 1991 und der damalige Zusammenbruch der Weltwirtschaftssituation auch für die Rahmenbedingungen der österreichischen Wirtschaft vieles verschlechtert hat. – Bitte, Sie wollten einen Zwischenruf machen. (Bundesrat Konecny: Ich weiß nicht, was am 11. September 1991 ist?) – 2001! Ent­schuldigung! Danke, dass Sie mich für diesen Fehler korrigiert haben, selbstverständlich war es der 11. September 2001. (Bundesrätin Schicker: Wir hören zu!)

Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass es unter weitaus besseren Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft – hier habe ich die offiziellen Statistiken, für die damals auch noch ein Ministe­rium unter sozialdemokratischer Führung verantwortlich war, daher, so glaube ich, werden Sie sie auch nicht anzweifeln –, nämlich in den Jahren 1995, 1996, 1997, 1998 und 1999 Arbeits­marktdaten gab, die insgesamt 5,3 bis 4,7 Prozent Arbeitslose auswiesen. Ich glaube, dass die vorangegangene Regierung und diese Bundesregierung mit den Arbeitsmarktdaten 4,7, 4,0, 4,1 und nunmehr wieder 4,7 Prozent in wirtschaftlich schwieri­geren Zeiten ein besseres Ranking aufzuweisen hat, als Sie zuzugeben bereit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wenn Sie und die ehemalige Frauenministerin Prammer in einer heutigen Aussendung nach einer Diskussion des BSA von gestern Abend bezüglich Frauenbeschäftigung meinen, dass die Frauenpolitik von mir so insuffizient war, so darf ich Sie schon darauf hinweisen, dass die Zahl der beschäftigten Frauen im Alter von 20 bis 45 Jahren die dritthöchste in der Europäischen Union ist. Ein ähnliches Ranking konnte Frau Ministerin Prammer in ihrer Zeit nie erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass – in der Alterskategorie bis 25 Jahren sind die Frauen noch in einer knappen Minderheit von 48,4 zu 51,6 oder 51,5 Prozent, je nach Jahrgangspunk­ten – die Quote der Maturantinnen erfreulicherweise über 50 Prozent liegt. Auch dieser Sprung ist in der vorangegangenen Regierung gelungen. Ich glaube auch, dass der Akademisierungs­grad immer weiter steigt. (Bundesrätin Schicker: Dazu haben Sie aber nichts beitragen können! – Bundesrat Konecny: Sie haben es nicht aktiv behindert! – Bundesrätin Schicker: Dafür sind Sie aber nicht zuständig, Herr Vizekanzler, dass mehr als die Hälfte der MaturantIn­nen Frauen sind!)

Ich weiß, dass Sie sehr ungern hören, dass die Regierung Schüssel I Erfolge gehabt hat, und dass Sie noch weniger gern hören, dass auch die Regierung Schüssel II Erfolge haben wird.

Ich glaube daher, dass auch die Zahlen, die der Winterfremdenverkehr in der letzten, in dieser Saison und der Fremdenverkehr in der Sommersaison gebracht haben, durchaus aufgezeigt haben, dass es einen erfolgreichen Start im Fremdenverkehr gemeinsam mit der Wirtschaft und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Wirtschaft während der Regierung Schüssel I gab. Dadurch wurde erfreulicherweise zur wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich beigetra­gen. Man sieht das auch in der Arbeitslosenstatistik von Ende Februar dieses Jahres, dass sich die Frauenbeschäftigung Gott sei Dank besser entwickelt hat, als erwartet war, nämlich um 5 Prozent, was auf die gute Auslastung im Tourismus zurückzuführen ist. (Bundesrätin Schicker: Welche Jobs, Herr Vizekanzler? Sagen Sie doch, welche Jobs das sind! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Sie auch noch korrigieren, Herr Professor, dass es auch in den letzten sechs Monaten keinen Stillstand gegeben hat, sondern dass das Strukturpaket II, das im Übrigen auch die Sozialdemokratie und die Grünen im österreichischen Parlament noch knapp vor Auflösung des Parlaments mitgetragen haben, dafür verantwortlich ist, dass die Prognosen des Kollegen Buchinger vom Arbeitsmarktservice Österreich mit 320 000 Arbeitslosen Ende Februar dieses Jahres Gott sei Dank um 26 000 Beschäftigte unterschritten worden sind.

Ich möchte mit keinem Wort irgendwo falsch interpretiert werden, dass 294 000 Arbeitslose nicht so viel seien, aber ich sage auch dazu, es ist immerhin erfreulich, dass das Struktur­paket II, das alle mitgetragen haben und das ich auch mit der Arbeiterkammer, Kollegen Schüs­sel, Gewerkschaftsvertretern und anderen Vertretern, nämlich Grasser aus der Bundesregie­rung, verhandelt habe, einen erfreulichen Beschäftigungseffekt gebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn man sich den Stellenwert Österreichs in der Beschäftigung trotz 294 000 Arbeitslosen ansieht, so stellt man fest, wir sind in der Jugendbeschäftigung immer noch in der zweiten Posi­tion. (Bundesrat Manfred Gruber: 306 000!) Wir sind auch in der dritten Position in Europa, was die Arbeitslosigkeit insgesamt betrachtet betrifft. Das von Ihrer Schwesterpartei geführte Koali­tionsgebilde in Deutschland hat es geschafft, dass die ehemals in der Beschäftigung vorne liegende Bundesrepublik Deutschland nun mit 8,4 Prozent unter dem EU-Schnitt liegt. (Bundes­rat Konecny: Herr Kollege! Das ist insofern unfair, Ihrer Partei kann man ja keine Schwester­partei vorwerfen!)

Wenn Sie sich die aktuellen Zahlen der Arbeitslosen in Deutschland, 8 Millionen, zum Verhältnis der Bevölkerung mit 80 Millionen ansehen, so könnte man sie durch zehn dividieren. Das umge­legt auf Österreich würde bedeuten, dass wir bei gleichen Erfolgen wie die Regierung Schröder in Deutschland bei 420 000 Arbeitslosen halten würden. Da bin ich schon sehr froh, ein Mitglied der Regierung Schüssel I und Schüssel II und nicht ein Mitglied der Regierung Joschka


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Fischer/Schröder und für den Sozialbereich zuständig zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Äpfel mit Birnen kann man wirklich nicht vergleichen!)

Das ist auch im Bereiche der Gesundheitspolitik so. Ich teile Ihre Meinung und auch die Meinung sehr vieler in Österreich, dass wir gerade für die ältere Bevölkerung über Jahre einen schnellen und prompten Zugang zum Gesundheitssystem in Österreich auf hohem Niveau ge­schafft haben. Es ist geradezu unübersehbar, dass die moderne Medizin moderne Möglichkei­ten bringt, die Gott sei Dank auch zu einer Lebensverlängerung für alle Bevölkerungsschichten geführt haben. (Bundesrat Manfred Gruber: Ambulanzgebühr!) Es ist Gott sei Dank so, dass die Prävention auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben dazu geführt hat, dass die Todesrate bei Arbeitsunfällen drastisch gesenkt werden konnte und wir uns bei der Zahl der Arbeitsunfälle, die insgesamt knapp 120 000 beträgt, der von allen angestrebten Marke unter 100 000 nähern werden.

Es ist auch unübersehbar, dass der Gesetzgeber innerhalb des Systems den Krankenversiche­rungsträgern als Einsparungsziel mit 31. Dezember des Jahres 2003 die Verwaltungskosten des Jahres 1999 vorgeschrieben hat. Es war für jeden, der die innenpolitische Diskussion der letzten Monate verfolgt hat, unübersehbar, dass etwa Kollege Oberchristl in Oberösterreich, aber auch Kollege Bittner in Wien im Zusammenhang mit den Ambulanzgebühren und ihren Verwaltungsposten Summen in den Raum gestellt haben, die aufzeigen – wenn Sie sich die durchschnittliche Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereiche der oberöster­reichischen und der Wiener Gebietskrankenkasse anschauen –, dass die Verwaltungskosten nicht von den Gebäuden und auch nicht von der Infrastruktur, sondern ausschließlich von Ver­waltungsbeamten durch Überstunden und sonstige Tätigkeiten verursacht werden. Es handelt sich hier um ein Potenzial von 260 bis 280 Arbeitsplätzen.

Angesichts dieses Potenzials und angesichts dessen, dass der Gesetzgeber den Sozialver­sicherungsträgern für 31. Dezember 2003 die Erreichung der Kosten der Verwaltung im Jahre 1999 vorgeschrieben hat, kann es nicht sein, dass, wenn ein später eingeführter Selbst­behalt wieder abgeschafft wird und 16 von der Sozialdemokratie eingeführte Selbstbehalte im Bereich der Krankenversicherungen, der ASVG-Versicherten aufrecht bleiben, der Verwaltungs­aufwand unter dem Werte des Jahres 1999 bleibt. Das wäre ein ungesetzlicher Vorgang, und ich unterstelle niemandem, dass er sich nicht bemühen wird, die gesetzlichen Parameter für seine Krankenversicherungsanstalt nach bestem Wissen und Gewissen einzuheben.

Daher glaube ich, es ist recht und billig, die Damen und Herren schon jetzt darauf aufmerksam zu machen, keine jungen Menschen mehr einzustellen, wenn durch Altersabgang der eine oder andere Posten frei wird, sondern schon jetzt zu beginnen, durch eine vorsichtige Umschichtung im Betrieb zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig zu werden. (Bundesrat Konecny: Wer administriert das, was Sie jetzt einführen wollen?)

Sehr geehrter Herr Professor! Auch hier kann es nicht verwundern, dass diese Bundesregie­rung die Experten der Krankenversicherung und des Hauptverbandes mit in die Beratungen nimmt, um jene, die Tag für Tag sagen, dass sie die einzigen Experten desselben Systems sind, zwecks Weiterentwicklung einer noch sparsameren Verwaltung so einzubinden, dass das System für die Patienten besser und die Verwaltung schlussendlich nicht aufgebläht wird. Dass Sie das, dass man jene, die auch von Ihnen immer als Experten des Systems apostrophiert werden, nunmehr einbindet, als besonders kritikwürdigen Umstand bezeichnen, verwundert mich.

Ich darf schon auch darauf hinweisen, dass es mich als Sozialminister immer verwundert hat, dass sich der ehemalige Präsident des Hauptverbandes Sallmutter schon vor drei Jahren immer beständig gewehrt hat, Sozialpläne zu entwickeln, um eine für die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter schonende Arbeitswelt zu gestalten. Aber das ist so. Das ist nachzulesen, das ist in den Protokollen nachzulesen, und ich bin auch in der glücklichen Lage, das hier so sagen zu können, weil ich die Protokolle der damaligen Sitzungen nicht nur gestapelt, sondern auch gelesen habe.


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In der jetzigen Diskussion sehen wir, dass es etwa für Ihre Kernwählerschichten, so wie es Kollege Gusenbauer am Sonntag im Fernsehen zugegeben hat, eine Sozialversicherungsan­stalt gibt, die mit 14 Prozent Selbstbehalt für alles und 20 Prozent Selbstbehalt für psychosoma­tische Betreuungen seit Jahren mit sparsamer Verwaltung auskommt. Da gibt es Ausnahme­regelungen für sozial Schwache und Ausnahmeregelungen für chronisch Kranke. Das ist ein System, das von allen auf Grund der guten Leistungen als sozial empfunden wird, es ist die Sozialversicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen.

Ich verstehe daher nicht, warum von Seiten der Sozialdemokratie solch eine große Aufregung besteht, wenn von Seiten der Freiheitlichen schon seit Jahren gefordert wird, das System der Eisenbahner anzusehen und dieses System der Eisenbahner mit den Ausnahmeregelungen für sozial Schwache und chronisch Kranke und für Mitversicherte bei gutem Leistungsniveau für den gesamten Bereich aller Arbeitnehmerinnen und aller Arbeitnehmer zu übernehmen. (Bun­desrat Manfred Gruber: Dann muss man aber auch die Leistungen erhöhen! Nicht nur die Selbstbehalte erhöhen, sondern auch die Leistungen! – Zwischenruf der Bundesrätin Bachner.)

Sie sprechen das aus, was ich immer gesagt habe: Es geht nicht nur um die Verteuerung, sondern es geht auch um die Harmonisierung der Leistungen. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, und wenn Sie sich meine Äußerungen in der Öffentlichkeit zu diesem Punkt ansehen, so können Sie feststellen, sie waren auch immer so zu verstehen.

Es versteht kein Arbeitnehmer im ASVG-Bereich, dass ihm die gleichen Prozentsätze in Kärn­ten, Vorarlberg, Tirol, Wien, Oberösterreich und Burgenland abgezogen werden und er aber dafür unterschiedliche Leistungen der Kostenersätze bekommt, je nachdem, ob er im Bereich einer so genannten „reichen“ oder im Bereich einer „armen“ Krankenversicherungsanstalt ange­siedelt ist. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)

Ich verstehe bis heute nicht – und das sage ich auch so klar –, dass Kollege Oberchristl die Chance nicht genutzt hat, das Drittel der in Österreich fehlenden Planstellen für Fachärzte, die allein in Oberösterreich fehlen, auf Grund des Planes des ÖBIG endlich nachzubesetzen. Ich verstehe es nicht, dass es eine Zwei-Klassen-Medizin zwischen dem ländlichen Raum und dem städtischen Raum gibt. Denn durch die Nicht-Nachbesetzung und durch die Nichtbesetzung dieser Facharztstellen im ländlichen Raum haben die dortigen Arbeitnehmer erhebliche Fahrt­kosten zu den Ärzten, erhebliche Verzögerungen dabei, zu den Ärzten hinzukommen, und auch erhebliche Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, weil längere Strecken mehr Zeit in Anspruch nehmen und die Arbeitnehmer unter Umständen, um nicht gekündigt zu werden, ihren Urlaubs­anspruch dafür nutzen müssen, zum Arzt zu gehen.

Aber all das interessiert offensichtlich in der Sozialdemokratie niemanden, weil es darum geht, eine vordergründige Diskussion gegen die Freiheitliche Partei und diese Bundesregierung zu führen, und nicht darum, im Interesse der Versicherten endlich ein harmonisiertes System ein­zuführen, das für alle Vorteile hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine Unterstellung!)

Daher bin ich guten Mutes, dass die Menschen in Österreich, wenn sie nachzudenken an­fangen und in den Genuss der Lösungen kommen (Bundesrat Konecny: So wählen wie in Kärnten, jawohl!), erkennen, dass auch dieses System für sie besser und zukunftsträchtiger ist.

Ich darf Ihnen zum Sozialbereich Folgendes sagen: Es ist bezeichnend, dass Sie in Ihrer Rede die Entlastung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – in zwei Stufen: in der Stufe 56 bis 60 um 3 Prozent für den Betrieb und 3 Prozent für den Arbeitnehmer und in der Stufe 60 bis 65 um 10 Prozent für den Betrieb und 10 Prozent für den Arbeitnehmer – nicht erwähnt haben. Ich glaube, es ist nicht einmal für Sie von der Sozialdemokratie möglich, etwas daran zu kritisieren, dass man endlich darangeht, die Altersarbeitslosigkeit, die seit mehreren Jahrzehn­ten immer schon als Problem in der Statistik der österreichischen Bevölkerung, national und international, zu sehen war, effizient anzugehen.


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Ich glaube, dass auch die Harmonisierung zwischen Arbeitern und Angestellten – so wie es der Arbeiterkammerpräsident von Salzburg gesehen hat, einschließlich der Unfallversicherung – einen guten Lückenschluss in unserem Sozialsystem darstellt. Was geschieht heute? – Wenn eine Hausfrau oder ein Pensionist stürzt und etwa einen Oberschenkelhalsbruch mit einer Beckenfraktur hat, bekommt sie oder er eine Krankenbehandlung und eine anschließende, nach der Krankenversicherung erfolgende Rehabilitation. Wenn jemand dies als Arbeitsunfall erleidet, bekommt er auch eine für das weitere Leben geeignete, umfassende Rehabilitation, die ihm die beste Möglichkeit garantiert, wieder am Arbeitsmarkt und am Leben in der Gesell­schaft teilzunehmen. Dieser Lückenschluss kommt aber gerade denjenigen nicht zugute, die sich keine private Unfall-, Arbeitslosen- und Freizeitversicherung leisten können. Daher sind diese 0,1 Prozent eine Solidarleistung für die unteren Einkommensschichten und für diejenigen, die sich keine Zusatzversicherungen in diesem Bereich leisten können.

Ich kenne aus zahlreichen Zuschriften an mein Ministerium sehr viele ältere Menschen, die zeit­lebens Zusatzversicherungen gehabt haben und beim Eintritt in die Pension diese Zusatzver­sicherungen kündigen mussten. Diese Maßnahme ist daher auch eine Solidarleistung für die ältere Generation. Deshalb halte ich bei diesen Verbesserungen auch eine Erhöhung des Soli­darbeitrags für die älteren Menschen zum gleichen Zugang innerhalb der Solidargemeinschaft der älteren Menschen für gerechtfertigt.

Ich sage es auch so, wie ich es verstehe: In einem Staat, in dem die Abgabenquote derzeit 44,6 Prozent beträgt und wir alle uns in allen Diskussionen einig sind, dass das unsere Wirt­schaft international maßgeblich benachteiligt, wobei wir während der letzten sechs Jahre für die tragende Säule der Wirtschaftsentwicklung in Österreich, den Export, auf Grund der Paritäts­änderung zwischen dem Euro und dem Dollar erhebliche Nachteile für die Exportwirtschaft hin­nehmen mussten, ist der alte Vorschlag der Sozialdemokratie, einfach die Rahmenbedingungen durch fortwährende Gebührenerhöhungen zu verschlechtern, ein klassischer Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Österreichs und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben. Auch wenn Sie es anders sehen, Herr Professor: So ist es! (Bundesrätin Schicker: Das ist populistisch!)

Denn 0,3, 0,4 und 0,5 Prozent sind dann im Endeffekt in der Regelung 44,6, 44,9, 45 Prozent und noch mehr an Belastungen. (Bundesrat Konecny: Erhöhen Sie jetzt, oder erhöhen Sie nicht?) Das können wir uns nicht mehr leisten. Ich bin zufrieden, dass wenigstens manche in der Sozialdemokratie auch in diesem Bereich umzudenken beginnen, dass die Rezepte von gestern, als wir einen abgeschlossenen Markt mit Schutzzöllen hatten, in der heutigen, vernetzten Wirtschaftswelt nicht mehr die Rezepte sind, mit denen man bestehen kann.

Ich bin auch sehr zufrieden, dass in diesem freiheitlich mitbestimmten Regierungsprogramm ein Punkt enthalten ist, der mir als Tierarzt immer am Herzen gelegen ist. (In Richtung SPÖ:) Ihnen als führender Partei in den alten Koalitionen ist es nie gelungen, ein bundesweites Tierschutz­gesetz in die Regierungserklärung aufzunehmen, obwohl Sie immer sehr engagierte Tierschüt­zer – etwa wenn ich an die ausgeschiedene Abgeordnete Parfuss aus Deutschlandsberg denke – in Ihren Reihen gehabt haben und wir gemeinsam dafür gekämpft haben. (Bundesrätin Schicker: Aber es ist nicht an uns gelegen!)

Ich glaube daher, dass dieser Fortschritt nicht als „billiger Preis“ zu bezeichnen ist, sondern auf einem Umdenkprozess beruht und dass man in einer vernetzten Welt der Konsumenten auch den österreichischen Bauern, die zu mehr als 98 Prozent ihre Produkte ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung ihrer Tiere auf den Markt bringen – ob biologisch oder in bäuerlicher Landwirtschaft –, endlich die ewige Diskussion vor allem auf Kosten der Gestaltung ihrer Pro­duktpreise ersparen sollte. Es wäre meiner Ansicht nach schon früher dafür Zeit gewesen, aber ich glaube, es ist auch jetzt wichtig.

Ich bin auch stolz darauf, dass wir in dieser Regierungsübereinkunft ein gutes Landwirtschafts­kapitel haben. Denn für uns als föderale Partei, die immer Wert darauf gelegt hat, dass die Ent­wicklung der Nationalparks, die Entwicklung unserer Kulturlandschaft – als mittragende Säule neben der Potenz unserer Wirtschaftstreibenden und der Qualität unserer Mitarbeiterinnen und


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Mitarbeiter im Fremdenverkehr – ein wichtiges Standbein für unseren Fremdenverkehr ist, ist es wesentlich, dass die Landwirtschaft, vor allem die klein- und mittelstrukturierte Land­wirtschaft, die den Löwenanteil für die Erhaltung unserer Kulturlandschaft gebracht hat, durch dieses Drei-Milliarden-Paket abgesichert ist und dass durch die Senkung des fiktiven Ausge­dinges in Ein-Prozent-Etappen schlussendlich im Jahre 2010 jene 20 Prozent erreicht sein werden, die wir uns am Beginn der Regierung Schüssel I zum Ziel gemacht haben. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Ich halte es auch für wichtig, dass die Lebensmittelsicherheit und die Weiterentwicklung der Lebensmittelagentur in diesem Regierungsprogramm festgeschrieben sind, denn der hohe Standard der Produkte von vollbiologisch produzierenden Bauern und der unüber­sehbare Preis­vorteil auf dem Markt sind gut.

Wenn ich hier noch einiges zum Thema Mineralölsteuererhöhung hinzufügen darf, so sollte ich Sie daran erinnern, dass von der Mineralölsteuererhöhung auch das Bundesland Wien und Ihr dortiger Landeshauptmann sowie auch jener des Burgenlandes profitieren, weil ein Cent dieser Erhöhung auf Grund des Pakts der Bundesländer mit der Bundesregierung über die Privatisie­rung der Bundesstraßen und die Übernahme der Bundesstraßen in die Kompetenz der Länder den Bundesländern zugute kommt. Daher bitte ich Sie – auch wenn Sie mit der Gesamtsumme der Erhöhung Recht haben –, hier nur jenen Teil der neuen Bundesregierung anzulasten, der auch tatsächlich der neuen Bundes­regierung anzulasten ist, denn diese Teile werden gezielt für Umweltmaßnahmen, für die Ent­schwefelung des Treibstoffs sowie für flankierende Maßnahmen zur Verbilligung von älteren Arbeitskräften und für die gezielte Schulung von jungen Arbeitskräf­ten zwischen 19 und 25 Jah­ren eingesetzt.

Ich glaube daher, dass Kollege Schennach falsch liegt, wenn er das für kein ökologisches Kon­zept hält. Es ist ein harmonisches ökologisches Konzept, das der österreichischen Wirtschaft nicht schadet – wie es in der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist –, sondern Österreich durch eine nachhaltige Politik auch in diesem Bereich sukzessive weiterentwickelt und gestaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, es ist unübersehbar, dass wir im Verhältnis zu der Zeit, als etwa Caspar Einem für die Forschung zuständig war, den Anteil der Forschung in Österreich in der letzten Legislaturperiode von 1,5 Prozent auf 1,9 Prozent des BIP steigern konnten und uns nunmehr daranmachen, dies schlussendlich auf das von allen gewünschte Niveau von 3 Prozent anzuheben. Ich glaube, das ist gut so, denn auch die Vertreter der Ge­werkschaft und der Arbeiterkammer sind der gleichen Meinung wie die Abgeordneten aller Fraktionen des Hohen Hauses, dass die Forschung von heute die Arbeitsplätze von morgen und die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich garantiert.

Daher glaube ich nicht, dass dieses Regierungsprogramm so schlecht ist, wie Sie gesagt haben, Herr Professor, sondern dass es in den wichtigsten, zukunftsweisenden Bereichen dieses Staates Akzente setzt, die Sie im Kabinett Klima II nicht setzen konnten. Ich sehe ein, dass Sie enttäuscht sind, dass Sie es nicht geschafft haben. Aber für Österreich ist es gut, dass wir es jetzt schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Professor! Wenn Sie sich die Mehrheitsverhältnisse der Regierung Kreisky ansehen, so waren diese bedeutend unsicherer als die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse dieser Bun­desregierung. Ich darf Sie darauf hinweisen – wenn ich etwa an die Gründung der Olah-Partei denke –, dass die innerparteilichen Querelen in Ihrer Partei durchaus gleichzusetzen sind mit den jetzigen Meinungsäußerungen in den beiden Regierungsparteien. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen auch so, wie ich es betrachte: Ich habe es in einem föderalen Staat immer für wichtig erachtet, dass die Landeshauptleute – egal, welcher Couleur sie angehören, ob es Häupl in Wien ist, ob es Niessl im Burgenland ist, ob es Haider in Kärnten ist, ob es Pröll für Niederösterreich ist, ob es der Landeshauptmann von Vorarlberg oder von Salzburg ist oder ob es die Landeshauptfrau der Steiermark ist – ihre Stimme für die Interessen ihrer Landesbürger erheben. Das ist für mich unbestritten der Vorteil eines föderalen Staates, denn in einem zentra-


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listischen Staat sozialistischer Prägung gäbe es diese Meinungsvielfalt nicht. Ich werde dafür kämpfen als Angehöriger einer Partei, die sich dem Föderalismus verschrieben hat, dass das Subsidiaritätsprinzip und der Föderalismus beim Konvent im Hohen Hause nicht unter die Räder kommen, sehr geehrter Herr Bundesrat! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie sich in der letzten Regierungssitzung die Einsetzung der gemischten Kommission für Friaul–Julisch Venetien, Kärnten und Slowenien sowie Österreich auf der anderen Seite anse­hen, so ist es meiner Ansicht nach sehr gut, dass unsere Bundesländer nach ihrer Fasson und nach der Fasson ihrer Bürger die nachbarschaftlichen Beziehungen pflegen, entwickeln und weiter ausbauen. Auf diesem behutsamen Weg des gemeinsamen Dialogs über die Gräben der Vergangenheit hinweg geschieht mehr, als wenn uns von Brüssel oder Holland aus Zwangs­regionen vorgeschrieben werden, die von den Menschen nicht gelebt und im Kopf der Men­schen nicht umgesetzt werden. Ich setze daher auf den behutsameren Weg des gewachsenen Föderalismus im neuen Europa und nicht auf den gewaltsamen Weg des Europas der Zentra­listen: dass man von oben her Europaregionen verordnet, die dann von den Menschen wieder nicht gewollt werden.

Ich halte es daher auch für wichtig, dass im ersten Teil – zur Außenpolitik – die Altösterreicher jenseits der österreichischen Staatsgrenzen klar als Bindeglied und als Brückenkopf des gemeinsamen Europas betrachtet werden, nicht jedoch als Gegensatz und als trennendes Ele­ment der Vergangenheit. Ich gebe es offen zu, selbstverständlich war ich in einem Spannungs­feld: in der Position vor der Wahl zu verharren oder aus der Regierungsverantwortung dieses Miteinander in Europa mitzugestalten, unter Einbeziehung der Altösterreicher, ob sie jetzt in Südtirol, in Tschechien, in Ungarn oder in den zukünftigen Mitgliedstaaten Rumänien, Bulgarien und der Ukraine leben.

Ich denke, dass diese Position verantwortlich ist. Sie ist keine leichte Position und wird oftmals auch öffentlich von Ihnen und anderen falsch dargestellt, sie ist aber eine, die konsequent das fortschreibt, was uns immer am Herzen gelegen ist, nämlich die Altösterreicher als Bindeglied für das neue Europa zu betrachten, nicht als trennendes Element. Wir wollen es nicht so machen wie die Bundes­republik Deutschland, die die alten Minderheiten in das Gebiet Deutsch­lands zurückführt, son­dern im Gegenteil wir wollen die Minderheiten an ihrem Standort blühend, lebensfähig und zukunftsträch­tig gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Hier unterscheiden wir uns, und es ist gut so, dass es in einer Demokratie auch die Möglichkeit der Unterscheidung gibt.

Wir unterscheiden uns auch bei der Einwanderungspolitik. Wir sind der Meinung, dass der größte Anteil daran, ein demokratisches Europa auch auf dem Balkan zu schaffen, darin beste­hen wird, dort einen Mittelstand aufzubauen. Nur wenn breite Schichten der Bevölkerung etwas haben – Haus, Vermögen, Einkommen, Anteil am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben –, sind sie für Diktaturen von links und rechts nicht anfällig.

Daher kann es nicht sein, dass man mit Wirtschaftsflüchtlingen das Know-how und die Speziali­sierung von diesen Ländern abzieht, statt das Gegenteil zu tun, nämlich eine Stärkung und Förderung dadurch zu erreichen, dass solche Eliten in ihren Ländern bleiben und dort ihre Wirt­schaft aufbauen, zum Blühen bringen und verstärken. Das haben wir auch in das Kapitel Asyl geschrieben. Es ist für uns nie eine Frage gewesen, dass Konventionsflüchtlinge in Österreich ihren Platz, ihren Hort, ihre neue Heimat und ihren Schutz genießen müssen. Aber es ist für uns auch unübersehbar, dass es nicht die österreichische Aufgabe sein kann, aus den Nachbar­ländern qualifizierte Arbeitskräfte abzuziehen, damit diese Länder ewig um eine Demokratisie­rung fürchten müssen und dort ewig die altkommunistischen Parteien das Sagen haben, weil sie mit Recht darauf hinweisen können, dass sich das soziale Gefüge in ihren Staaten nicht erholt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass auch für die neue Entwicklung unsere Position besser ist als jene der Sozialdemokratie. Ich entnehme auch den Kontakten, die ich als Sozialminister im Bereich Ge­sundheit und Soziales mit den Oststaaten gehabt habe – wo wir in der Harmonisierung der Sozial- und Gesundheitssysteme schon heute sehr viel weitergebracht haben –, dass ich in den


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letzten drei Jahren mehr Anteil gehabt habe an einer friedlichen Entwicklung in Europa als manche, die Tag für Tag im Fernsehen Europa preisen und de facto die Verbesserung unserer Existenz auf Kosten unserer Nachbarländer umsetzen.

Ich glaube, das neue Europa wird nur dann stark werden, wenn es in den Köpfen der Bevölke­rung implementiert ist, wenn der Jugendaustausch in Forschung und Bildung funktioniert, wenn die Minderheiten als Brückenkopf des Miteinanders und nicht als Gegnerschaft der Vergangen­heit angesehen werden, wenn in der Wirtschaft tatsächlich eine Ressourcenbildung für einen gesunden Mittelstand und für gesunde mittelständische Betriebe in den Oststaaten induziert wird und wenn wir auch dafür sorgen, dass die Umwelt dort durch eine gesunde Landwirt­schaft – statt eines flächendeckenden landwirtschaftlichen Wegsterbens zu Gunsten landwirt­schaftlicher Industrien – gesichert wird.

Ich glaube, wir haben sehr viel Verantwortung in diese Regierungsübereinkunft gepackt. Man­ches – das weiß ich – wollen Sie hier nicht hören, weil es mit den Klischees, die Sie über mich und meine Partei in der Öffentlichkeit verbreiten, nicht in Einklang zu bringen ist. Aber ich werde darum kämpfen, dass diese Bundesregierung an den Dingen gemessen wird, die sie umsetzen will, und nicht an jenen Dingen, mit denen sie von der österreichischen Opposition denunziert wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.17


Präsident Herwig Hösele: Danke, Herr Vizekanzler.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hans Ager. Ich erteile es ihm.

12.18


Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Herr Professor Konecny ist jetzt leider nicht mehr hier. Ab und zu fühle ich mich bei seinen Reden wieder auf die Schulbank zurückversetzt. Vielleicht kann ihm ein Kollege das mitteilen: Er sollte einmal darüber nachdenken, dass es, wenn sich bei seinen Reden die Reihen lichten, nicht an der Institution Bundesrat liegen muss.

Zu Kollegen Schennach, der auch nicht anwesend ist und nach seiner Rede meistens damit be­schäftigt ist, diese in die Presse und in die Medien zu bringen – was ja nichts Ehrenrühriges ist (Bundesrat Boden: Was ist da schlecht daran?) –, muss ich etwas sagen, weil er den Skisport strapaziert hat, das letzte Tor und den Kurssetzer kritisiert hat: Im Skisport kennen wir Tiroler uns aus, und jeder, der mit dem Skisport zu tun hat, weiß, dass es nicht immer am Kurs­setzer liegen muss, wenn ein Läufer das letzte Tor nicht mehr erwischt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Wenn das Tor sehr versetzt ist, schon!)

Die Erklärung der Bundesregierung ist aus meiner Sicht die Zusammenfassung der Arbeit für die Zukunft Österreichs. Es muss, glaube ich, uns allen bewusst sein, dass jetzt die Arbeit rich­tig losgeht. Die Erklärung, die unser Herr Bundeskanzler ... (Bundesrat Gasteiger: Was war die letzten drei Jahre, Hans?) – Wir haben gearbeitet, ihr habt auch gearbeitet. Aber auf den Punkt komme ich noch, lieber Kollege, wie wir es in Zukunft vielleicht gemeinsam besser machen könnten.

Herr Dr. Schüssel hat in seiner Regierungserklärung im Nationalrat wie auch heute hier exzel­lent die Punkte vorgebracht, auf die es in der Zukunft ankommt. Sie wissen, dass ich aus der Wirtschaft komme, aus dem Tourismus. Kollege Schennach hat hier angesprochen, dass der Tourismus jetzt kein Staatssekretariat mehr hat. Dazu kann ich nur sagen: Ja, das hätten wir auch ganz gerne wieder gesehen. (Bundesrätin Schicker: Dafür haben wir andere gekriegt! Wir haben ja viel mehr!) – Das kommt gleich, liebe Kollegin!

Der Tourismus ist eine kompakte Geschichte, die in sehr vielen Ministerien verankert ist. Zum Beispiel Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft und so weiter – all das hat mit Tourismus zu tun. Eines darf ich da schon sagen: Der Tourismus hat im Ministerium von Martin Bartenstein und mit Frau Mag. Udolf-Strobl eine sehr gute Heimat, und der Tourismus ist, so glaube ich, kom-


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pakt genug, und der Chef, der da manchmal eingreift, wird das auch richtig machen. (Bundes­rätin Schicker: Das heißt, Sie vermissen die Frau Staatssekretärin nicht!) – Das habe ich nicht gesagt; Sie haben nicht aufgepasst. Ich habe gesagt, ich hätte es sehr begrüßt, wenn es ... (Bundesrätin Schicker – in Richtung Bundesrätin Haunschmid –: Sogar die Kollegin bestätigt das!) Die Kolle­gin möchte es auch. Kein Problem, der Tourismus wird nicht untergehen, wenn es kein Staats­sekretariat mehr gibt. Wenn Sie so wollen, ist der Tourismus jetzt Chefsache geworden.

Ich darf auf ein paar Punkte eingehen und werde sicher nicht zu lange sein. Da nach mir noch 33 Redner zu Wort gemeldet sind, kann ich gewisse Dinge nur streifen.

„Sozial ist, was Arbeit schafft“, hat unser Chef gesagt. Dem ist vollinhaltlich zuzustimmen und nichts hinzuzufügen. Ich glaube, dass sich unser Modell schon bei der Regierung Schüssel I durchgesetzt hat – und es gab damals sehr viel Kritik –, Arbeit und Wirtschaft in einem Ministe­rium zusammenzulegen. Jetzt hat auch Deutschland das getan, aber Sie wissen, welche Horrormeldungen wir täglich aus Deutschland bekommen. (Bundesrat Gasteiger: Ihr wolltet ja zusammengehen mit den Grünen!) – Wir haben es jedem offen gelassen, mit uns die Zukunft für Österreich mitzugestalten. Aber ich komme gleich zu diesem Teil, weil ihr alle so ungeduldig seid.

Jetzt gibt es – für viele: endlich! – ein eigenes Ministerium Gesundheit, Frauen und Familien. Ich glaube, dass es der heutige Vizekanzler Haupt in seinem Ministerium sehr gut gemacht hat, kann mir aber vorstellen, dass jetzt alle zufrieden sind, wenn eine Frau das Ministerium für die Frauen führt – eine kernige noch dazu. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube auch, dass, was die Familienpolitik betrifft, die Keimzelle jeglichen Tuns die Familie ist – ob man in der Wirt­schaft ist, ob man selbständig oder unselbständig ist.

Ein wesentlicher Faktor für die Menschen in unserem Land ist die Sicherheit. Es ist, glaube ich, Minister Strasser gelungen, gegen viele Widerstände diese Sicherheit zu schaffen. (Bundesrat Gasteiger: Einen Wirbel hineinzubringen!) Alle Studien können nicht lügen, Herr Kollege! Wenn wir jetzt das sicherste Land in Europa sind, so wird das auch ein Teil der Arbeit von Minister Strasser sein, der das mit seiner Exekutive geschafft hat.

Weitere Sicherheit garantiert uns unser neuer Minister aus Tirol – jetzt ist er leider nicht mehr da –, dem ich von dieser Stelle aus sehr herzlich gratuliere. Er ist ein Kämpfertyp und wird es mit Sicherheit gut machen, was das Bundesheer betrifft. Es wird das Ziel der Reformen sein, den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, die Einrichtungen der Demokratie und die Gren­zen zu schützen. Lassen Sie mich hier auf einen „Schlenker“ unseres Bundeskanzlers hinwei­sen: Dieser Schutz wird in der Luft nicht aufhören. – Zum Zweiten geht es um den Katastro­phenschutz, der für uns Tiroler sehr wichtig ist. Sie alle können sich sicherlich noch an das Lawinenunglück in Galtür erinnern.

Landwirtschaft und Umwelt, eine Erfolgsgeschichte der Regierung Schüssel I, wird auch eine Erfolgsgeschichte für Schüssel II werden. Viele der Themen, die damit verbunden sind, werden wir gemeinsam in Angriff nehmen. Mein Thema in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel Landwirtschaft und Tourismus, da müssen wir mit Sicherheit sehr viel enger als bisher zusam­menkommen.

Nicht zuletzt darf ich Benita Ferrero-Waldner erwähnen, unsere charmante, tüchtige und kom­petente Außenministerin, die in den schwierigsten Zeiten Österreich in der Welt sehr gut vertre­ten hat und dies über alle Widerstände hinweg getan hat, sodass die Welt diese gar nicht gemerkt hat. Dafür zolle ich ihr meine Anerkennung. – Damit habe ich den Streifzug gemacht und komme nun ganz kurz zu einem zweiten Punkt.

Lieber Herr Bundeskanzler! Ich wäre ein schlechter Vertreter des Landes Tirol, wenn ich nicht die Situation des Transits und des Verkehrs bei uns erwähnen würde. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Gasteiger.) – Der Applaus ist mir schon sicher, auch aus der linken Reichs­hälfte. Ich werde das aber auf eine andere Art und Weise versuchen, und zwar folgenderma-


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ßen: Ich würde es als eine versäumte Gelegenheit empfinden – wie ich schon gesagt habe –, würde ich nicht hier die Gelegenheit benützen, auf die besondere Transit- und Verkehrssituation Tirols hinzuweisen. Ich tue dies nicht ultimativ fordernd, wie es viele tun, nicht belehrend, son­dern werbe einzig und allein um Verständnis für diese außergewöhnliche Situation der Men­schen, die an dieser Route leben müssen, und der Millionen Gäste, die alljährlich unser schönes Land besuchen.

Dort ist eine intakte Umwelt und Landschaft die Grundlage für eine seit Jahrhunderten gewach­sene Tourismuswirtschaft, die Tausenden Familien Arbeit und Brot gibt. Besonders wichtig wird dort die Brenner-Basistunnel-Variante sein, aber auch die Zulaufstrecke der Unterinntalbahn so­wie viele neue, innovative Ideen, die wir gemeinsam für diese Sache aufwenden sollen, um die­sen Tiroler Lebensraum für Tiroler Menschen lebens- und liebenswert zu erhalten. Ich bitte dich hier, lieber Herr Bundeskanzler, dich in einer starken Allianz gemeinsam mit unserem neuen Landeshauptmann Herwig van Staa in Wien und in Brüssel wie bisher besonders einzusetzen.

Jetzt komme ich zum letzten Punkt, und da möchte ich ein paar ganz persönliche Worte finden. Die Wahlen am 24. November 2002 haben die politische Landschaft in Österreich stark verän­dert, das wissen wir alle, und jeder interpretiert das auf eine andere Art und Weise. Es wurde lange sondiert und verhandelt. Ich bin der Meinung: Hören wir auf, darüber zu lamentieren, wer mit wem wann nicht mehr zu Rande gekommen ist! Hier möchte ich, bitte, ein Beispiel meiner Großmutter bringen, die auch eine sehr resolute Frau war. In Tirol gibt es den Ausdruck des „Vareiterns“. „Vareitern“ heißt es beim Dreschen, wenn Korn und Spreu getrennt werden: Man wirft es immer wieder hinauf, die Spreu trennt sich vom Weizen, und der Weizen fällt herunter. Dafür steht der alte Tiroler Ausdruck „Vas“, und „reitern“ bedeutet, ständig auf etwas herumzu­reiten. Die Großmutter hat immer gesagt, wenn etwas zu lange diskutiert und immer wieder be­sprochen worden ist: „Hör auf mit der Vareiterei! Du kannst noch zwanzig Mal die Spreu hinaufwerfen, es wird kein Weizen herunterfallen.“

So möchte ich auch die heutige Situation beschreiben: Fangen wir endlich an, die Probleme der Zukunft zu gestalten, und zwar gemeinsam, liebe Freunde auf der linken Seite! Viele Gesetze im Nationalrat brauchen eine Zweidrittelmehrheit.

Da immer wieder Finnland als positives Beispiel genannt wird, möchte ich sagen, ich hatte vori­ges Jahr das Glück, mit einer Delegation der Wirtschaftskammer im finnischen Parlament sein zu dürfen. In Finnland hat man mir gesagt: Vor etwa acht bis zehn Jahren war Finnland in einer noch schwierigeren Situation, als es Österreich jetzt ist, und zwar wegen des damaligen Nieder­gangs von Russland, mit dem sehr eng zusammengearbeitet wurde. (Bundesrat Boden: Haben die auch eine schwarz-blaue Regierung gehabt?) Nein, das hat jetzt an und für sich noch nichts mit der Regierung zu tun, Herr Kollege; da komme ich gleich hin. – Aber das Erfolgsgeheimnis war, dass man in den wichtigsten Themen wie Budget, Pensionen, Gesundheit, Arbeitsmarkt im Konsens über Parteigrenzen hinweg zusammengearbeitet und diese Dinge gemeinsam gemacht hat. Wir sollten das auch tun, liebe Freunde!

Noch etwas sollten wir tun: Am Vorabend eines wahrscheinlich unvermeidbaren Krieges im Irak, von dem niemand weiß, wie er sich entwickelt und ob daraus nicht ein Flächenbrand, der uns alle betreffen kann, entsteht, was die Menschen sehr nervös macht, sollten wir hier ein wenig Abrüstung betreiben, und zwar Abrüstung mit Worten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zuletzt darf ich dazu noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Hans Ager, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“

*****

Ich bitte alle, diesem Antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

12.31


Präsident Herwig Hösele: Der von den Bundesräten Ager und Weilharter eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend Irak-Krise ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Wir setzen die Debatte fort.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac. Ich erteile es ihr.

12.32


Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers sehr genau zugehört und feststellen müssen, dass er gewisse Widersprüche, die zwischen den Aussagen seiner Regierungskolle­gen und jenen der Kollegen von der ÖVP bestehen, sehr elegant übergangen hat.

Es hätte mich doch interessiert, wie er das sieht, dass die Erhöhung des Pflegegeldes leider zu­rückgestellt wird – etwas, das wir durchaus bedauern. Ich habe auch nicht verstanden, was er zu den Ambulanzgebühren gesagt hat, für die er jetzt zwar nicht mehr zuständig ist, die aber – auch unserer Auffassung nach und das haben wir auch im Wahlkampf gesagt – wieder abge­schafft werden sollten. Ich verstehe diese Verknüpfung Postenabbau bei der Sozialversiche­rung und Abschaffung der Ambulanzgebühr nicht. Ich denke, das ist nur eine billige Ausrede gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auf Grund der Diskussionen in den letzten Tagen spürt man: Es spießt sich schon in der Regierung! Es gibt beachtliche Widersprüche zwischen den beiden Parteien, die miteinander die Regierung gebildet haben. Es fehlt der Mut zu großen Reformen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Was bleibt, sind Belastungen. (Zwi­schenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Ich werde das ausführen, Herr Bundes­kanzler! – Die Verantwortung wird in sehr vielen Bereichen auf andere abgeschoben.

Beispiel: Nahverkehr – die Stärkung des Besteller-Prinzips. Das heißt, dass die Länder und Ge­meinden die Lasten zahlen müssen; wenn nicht, dann gibt es weitere Ausdünnungen des öffentlichen Verkehrs. – Das ist nicht das, was wir unter Föderalismus verstehen.

Beispiel: Selbstbehalte. Die Krankenkassen sollen die Selbstbehalte selbst einführen. Da sie für die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben zu wenig Geld bekommen, wird ihnen nichts ande­res übrig bleiben, als die Selbstbehalte einzuführen. Der schwarze Peter liegt somit bei ihnen und natürlich in allererster Linie bei den Betroffenen, bei den Kranken, die eben höhere Bei­träge in Form von Selbstbehalten zahlen müssen. Das ist sozial ungerecht, weshalb wir das auch ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiteres Beispiel: Studiengebühren. Es ist damit zu rechnen, dass die Studiengebühren dann von den Universitäten selbst eingehoben werden können. Das heißt dann, die Universitäten sind schuld daran und nicht die Bundesregierung.

Beispiel: Abfangjäger. Die nächste Regierung soll diese extrem teuren Flieger bezahlen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Steinbichler.)


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Beispiel: Kinderbetreuung. Wir wissen natürlich, dass die Kinderbetreuung Landessache ist, aber es war üblich in Zeiten der großen Koalition, als es noch sozialdemokratische Frauen­ministerinnen gegeben hat, dass auch der Bund einen Beitrag dazu geleistet hat. Wir halten das für richtig, denn es ist ein gesamtpolitisches Anliegen, dass Frauen Beruf und Familie verein­baren können. Es besteht daher nicht nur die Verpflichtung für die Länder, sondern auch für den Bund, denn es ist, wie gesagt, ein gesamtpolitisches Anliegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und an dieser Stelle sagen, dass ich es erfreulich finde, dass es wieder eine Frauenministerin gibt – auch wenn der Herr Vizekanzler vorhin gesagt hat, dass sich in seiner Zeit als Frauenminister vieles verbessert hat. Dazu wurde vornehm ge­schwiegen, und ich muss sagen, ich habe nicht den Eindruck gehabt, dass das irgendjemand hier herinnen so sieht.

Ich meine, dass es in der Frauenpolitik neue Impulse geben muss. Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass das Gender Mainstreaming durchgeführt werden soll. Das heißt, jede Maß­nahme soll daraufhin geprüft werden, welche Auswirkung sie auf Frauen hat. Das ist grund­sätzlich positiv, und wir unterstützen das auch, aber es sind bereits einige Maßnahmen im Regierungsprogramm vorgesehen, die dem entgegenlaufen.

Beispiel: Ladenschluss-Liberalisierung. Was bedeutet das für die Lebenssituation von Frauen mit Kindern? – Im Handel sind die meisten Angestellten Frauen, viele davon haben Kinder. Das kann zu einer sehr großen Belastung und Benachteiligung der Familien führen. Wir befürchten, es werden auch Verschlechterungen im Bereich des Arbeitsrechtes kommen. Das Recht darauf, jeden zweiten Samstag frei zu haben, soll gestrichen werden, und einiges andere mehr.

Beispiel: Pensionsreform. Durchrechnung ja – aber was bedeutet das wiederum für Frauen, die mehrere Jahre bei den Kindern zu Hause geblieben sind, die eine Zeitlang Teilzeit gearbeitet haben? Wie wird das berechnet werden? Wie wird der Ausgleich sein?

All das sind Fragen, die für uns noch offen sind, die aber ganz wichtig sind, um sagen zu können: Hier wird das Gender Mainstreaming wirklich ernst genommen!

Anhebung der Frauenbeschäftigungsquote: Das ist etwas, das wir natürlich begrüßen, aber auch hier muss ich fragen: Was wird konkret geschehen? – Bisher ging die Politik der Regie­rung Schüssel I nicht in diese Richtung. Bisher war es leider so, dass man versucht hat, die Frauen an den Herd zurückzudrängen. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Himmer und Stein­bichler.)

Das Problem der längeren Abwesenheit von Frauen am Arbeitsmarkt kennen Sie genau. Je länger jemand vom Arbeitsmarkt weg ist, je länger eine Frau zu Hause bleibt, desto größere Probleme hat sie, wieder in den Beruf einzutreten. Das ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass es so große Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Maßnahmen in diesem Bereich wären dringend notwendig.

Es ist vorgesehen, die Familie in die Verfassung aufzunehmen. Ich kenne diese Debatte von früher. Das ist immer wieder von ÖVP-Seite vorgeschlagen worden, ich weiß nur nicht, was es bringen soll. Wenn es nur eine inhaltsleere Deklaration ist, dann frage ich mich, wozu das Ganze, wenn es aber Folgen hat, dann frage ich mich, welche Folgen und für wen. Wir wollen sicher nicht, dass ein einziges Familien-Modell vorgeschrieben wird. Wir wollen, dass die Men­schen ihr Familienleben so gestalten können, wie sie es sich vorstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein anderes Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist der Verkehr. Mein Vorredner hat als Tiro­ler die Transitfrage angesprochen. Ich als Wienerin möchte dies auch tun, denn auch Wien leidet unter dem starken Verkehrsaufkommen. Die Osterweiterung der Europäischen Union, die ich sehr begrüße, wird zu einer weiteren Verkehrslawine führen. Schon heute ist die Südost­tangente die meistbefahrene Straße Österreichs, und daher erwarten auch wir Wienerinnen und Wiener uns eine Entlastung.


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Ich begrüße in diesem Zusammenhang den Bau des Brenner-Basistunnels, ich erwarte mir aber auch Maßnahmen für die Ostregion. Wo bleibt der Semmering-Basistunnel? – Das ist eine alte Forderung, die leider von der ÖVP immer wieder verhindert wurde.

Ich erwarte mir ebenfalls Maßnahmen für den Zentralbahnhof in Wien und einiges andere mehr. Der Bahnausbau ist eine Voraussetzung dafür, dass der Transport von der Straße auf die Schiene verlegt wird – etwas, das aus Umweltgründen unabdingbar ist.

Abschließend noch ein paar Worte zur Justiz: Herr Minister Böhmdorfer ist leider nicht hier, was mich allerdings nicht überrascht, zumal ich schon in der letzten Gesetzgebungsperiode den Ein­druck gewonnen habe, dass er seine Anliegen weniger gerne diskutiert, als vielmehr diktiert. Und eines dieser Anliegen ist die Abschaffung der Jugendgerichtsbarkeit.

Ich habe gehofft, dass mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode auch dieses unsinnige Projekt, den Wiener Jugendgerichtshof zu beseitigen, aufgegeben wird. Alle Experten sind dagegen. Es wäre – im Gegenteil! – sinnvoller, die Jugendgerichtsbarkeit auszuweiten. Trotzdem scheint es jetzt leider endgültig zu sein, dass der Jugendgerichtshof abgeschafft wird.

Ich hätte eine Frage an den Herrn Minister stellen wollen – jetzt werde ich eine schriftliche Anfrage an ihn richten –, nämlich was er mit dem Thema „Sozialbetrug“ wirklich meint. Wenn er damit meint, dass Unternehmer im großen Stil Arbeitnehmer illegal beschäftigen, dann ist das für uns in Ordnung. Wir haben schon im Jahr 1995 versucht, eine gesetzliche Regelung gegen dieses Schwarzunternehmertum zu treffen, sind aber gescheitert. (Bundeskanzler Dr. Schüs­sel: ... Häuslbauer!) – Nein, nein, es ist nicht nur um die Häuslbauer gegangen. Das war auch ein Thema, ich kann mich erinnern. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das war das Thema!) Nein, nein, es hat sehr wohl eine Beschlussfassung gegeben, die die ÖVP nicht mitgetragen hat.

Aber mich interessiert jetzt Folgendes: Der Herr Justizminister hat erwähnt, dass sozusagen auch der Missbrauch von Krankenständen und Kuraufenthalten strafrechtlich geahndet werden soll. – Das ist etwas, was ich mir nicht vorstellen kann. Ich weiß gar nicht, wie er das praktizie­ren möchte. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.)

Abgesehen davon, dass es immer weniger Menschen gibt, die sich trauen, in Krankenstand zu gehen, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben, abgesehen davon, dass Kuraufenthalte genehmigt werden müssen – und es ist gar nicht so leicht, einen Kuraufenthalt genehmigt zu bekommen –, frage ich mich, wie das kontrolliert werden soll. Werden wir dann, sollten wir im Krankenstand sein und uns auf der Straße aufhalten, gefragt, ob wir auf dem Weg zum Arzt sind oder uns zu Unrecht herumtreiben? – All das ist sehr eigenartig, und ich muss sagen, diese Art der Bespitzelung gefällt mir gar nicht.

Meine Damen und Herren! Egal welchen Punkt des Regierungsprogramms wir aufgreifen: Es gibt einige positive Ansätze, aber im Großen und Ganzen – das muss man leider sagen – ent­hält das Programm Belastungen. Belastungen, das Weiterreiten alter Steckenpferde – das hätten die Österreicherinnen und Österreicher auch ohne vorgezogene Neuwahlen haben können.

Die Österreicherinnen und Österreicher werden daher enttäuscht sein über das Ergebnis der Regierungsverhandlungen. Wir wissen, dass sie sich eine Regierung auf breiter Basis vorge­stellt haben. – Sie haben das zu verantworten, und Sie werden bei der nächsten Wahl auch die Rechnung dafür präsentiert bekommen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.45


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

12.46


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Einleitend möchte ich Bezug nehmend auf Herrn Professor Konecny folgende Bemerkung machen: In seiner Stellungnahme und in der


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Tendenz waren seine Ausführungen letztklassig, in der Rhetorik geschliffen ölig, als ob er mit der Babynahrung eine verquere Moral aufgenommen hätte. – Das ist meine Meinung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Zur Regierungserklärung möchte ich gewissermaßen in der Reihenfolge Stellung nehmen, wie sie uns vorliegt.

Es ist nicht erstaunlich, dass das Thema Irak auch in der Regierungserklärung seinen Raum einnimmt. Den Entschließungsantrag, den Kollege Hans Ager vorgelegt hat, werde ich aus fol­gendem Grund nicht mit unterzeichnen. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Krise! Wieder Krise! – Bundesrätin Schicker: Die Stabilität der Regierung ist gefährdet, Herr Gude­nus!)

In dem Antrag heißt es Bezug nehmend auf einen Text des Europäischen Rates vom 17. Feb­ruar: „Zur Lösung dieser Probleme ist die Einheit der internationalen Gemeinschaft von wesent­licher Bedeutung.“ – Jetzt kommt der Satz, den ich nicht nachvollziehen mag; es könnte sein, dass es überhaupt ein redaktioneller Fehler ist, dass dieser Satz so aufgenommen wurde. – „Wir sind entschlossen, mit allen unseren Partnern, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, zusammenzuarbeiten, ...“

Es muss doch heißen: Wir sind entschlossen, mit allen unseren Partnern, insbesondere mit den Ländern in dieser Region, zusammenzuarbeiten. Mit den Vereinigten Staaten haben wir nicht zusammenzuarbeiten, bei denen haben wir nur Angst, dass sie einen Krieg beginnen und mit der modernsten Bombe, die jener damals in Hiroshima gleichkommt – sie hat nur keine Strah­lungen –, diese ganze Gegend beunruhigen und destabilisieren. – Solch einen Antrag kann und werde ich nicht unterschreiben. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Ich applaudiere für Ihren Mut!)

Man geht natürlich davon aus, dass der Irak die eine oder andere Resolution der UNO nicht befolgt hat. Dazu kann man statistisch sagen: 91 UNO-Resolutionen wurden nicht befolgt; 59 durch Verbündete der Vereinigten Staaten wie etwa Israel: 32 oder Türkei: 24; Marokko, das nicht zu den Verbündeten gehört, aber auch nicht zu den Gegnern: 16. Man kann also das Thema des Vorderen Orients nicht nur an der Situation im Irak aufbauen oder behandeln, son­dern wir müssen auch die Ungerechtigkeit Israels gegenüber Palästina betrachten.

Ich meine, es wäre gut, der Meinung des Herausgebers der Academia – immerhin eine Ver­bindung, die dem Herrn Bundeskanzler sehr nahe stehen kann – zu folgen. Er hat, veröffentlicht in der gestrigen Ausgabe der „Presse“, einen Leserbrief, eine „Meinung zum Tag“, formuliert, in dem es zum Schluss wie folgt heißt:

„Österreich jedoch sollte diesen provokanten Dauerzustand nicht länger hinnehmen und Israel vor die Entscheidung stellen, entweder seine diplomatische Vertretung in Österreich wieder auf Botschafterrang anzuheben, oder zu akzeptieren, dass Österreich seinerseits die Vertretung in Tel Aviv entsprechend hinunterstuft.“

Eine der beiden Lösungen müsste in der nächsten Zeit stattfinden. Sich diese Art und Weise der Behandlung seitens Israels seit zwei, schon bald drei Jahren gefallen lassen zu müssen, ist unserer Republik unwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jawohl, wir sind für eine aktive Europa-Politik, aber, Herr Bundeskanzler, das heißt natürlich nicht ohne Wenn und Aber! Auch der Herr Vizekanzler hat schon darauf hingewiesen, dass uns die Anliegen im Zusammenhang mit Beneš-Dekreten, Vertriebenen, Temelin besondere sind und dass wir diese auch in dieser Bundesregierung positiv in unserem Sinne gelöst haben wollen.

Es mag natürlich sein, dass der eine oder andere meint: Wenn man in einer Koalition ist, muss man die gleichen Meinungen vertreten wie der Koalitionspartner. – Verehrte Anwesende! Wir sind nicht der vierte Bund der ÖVP. Die ÖVP hat drei Bünde (Rufe bei der ÖVP: Mehr! – Bun­desrätin Schicker: Sechs!), sogar sechs Bünde, da braucht sie uns als siebenten Bund nicht


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dazu. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie haben die Funktion des Beiwagerls!) Wir werden unsere Politik gemeinsam mit der ÖVP bestimmen – aber mit einzelnen Akzenten, die wir anders setzen dürfen.

Ich halte es für sehr wichtig, besonders auf die Vertriebenen und die Beneš-Dekrete hinzuwei­sen. Wenn der Standard in der Europäischen Union gleich hoch bleiben soll wie bisher, dann muss auch das berücksichtigt werden. Es geht nicht an, dass einzelne Länder noch immer von der Vertreibung profitieren und Österreich – auch Deutschland – die Geschichte wirklich, auch materiell, soweit das überhaupt möglich ist, aufgearbeitet und abgearbeitet hat – das heißt, der österreichische Steuerzahler hat es getan.

Eine aktive Europa-Politik ist daher ein Herzstück dieser Regierung. Das ist voll zu bejahen, aber aktiv heißt natürlich nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen, was aus Brüssel kommt. So meine ich, dass wir gut beraten sind, unsere Sicherheit auch selbst in dieser Republik wahrzu­nehmen.

In einer Zeitung vom 5. März steht: In Wien passieren in 17 Stunden 9 Raubüberfälle. Ist da nicht irgendwo Gefahr in Verzug? Müssen wir nicht handeln, um auch innenpolitisch unsere Sicherheit in den Griff zu bekommen? – Es ist zu wenig, wenn der Herr Bundeskanzler von Flugzeugen zur Luftpolizei spricht. Ich bin Ihrer Meinung, Herr Bundeskanzler, wir brauchen eine Luftpolizei, aber – und ich glaube, darüber werden wir noch eine Zeitlang diskutieren müssen; das heißt nicht, dass Sie mit mir darüber diskutieren, aber ich nehme die Möglichkeit wahr, hier darüber zu sprechen – müssen wir das teuerste Modell der Nullserie anschaffen? Müssen wir für die Luftpolizei ein Kampfflugzeug, eine Kampfmaschine, wie die Sozialdemokra­ten richtig sagen, beschaffen? (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Der ist heute in der falschen Partei!)

Tut es nicht eine gebrauchte Maschine F 16 oder der Gripen? Reicht es nicht – wenn wir in die Zukunft schauen wollen –, sich Heimatverteidigungsabfangjäger, wie sie in den Vereinigten Staaten, aber auch von EADS entworfen worden sind und auch schon aus der Fabrikshalle rollen, zuzulegen, die ein Zehntel vom Eurofighter kosten? Angesichts der finanziellen Situation dieser Republik halte ich es nicht für vertretbar, sich die teuerste Maschine auf dem Markt zu besorgen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Für mich ist das jetzt nicht der Applaus auf der falschen Seite, für mich ist das der Applaus jener, die sich ebenso wie jene, die nicht applaudiert haben, Gedanken machen über die teuerste Anschaffung der Republik – auch jene, die nicht applaudiert haben! Ich bin froh, dass Sie mir zuhören und mir innerlich vielleicht sogar Recht geben. Wenn ich das eine oder andere Auge so betrachte, habe ich den Eindruck, durchaus ein bisschen Verständnis zu finden, auch bei Freunden in der ÖVP.

In Anwesenheit meines hoch verehrten neuen Bundesministers muss man in Bezug auf die Sicherheit im Bundesheer schon die Frage stellen: Ist das Bundesheer als Heer überhaupt noch jene Formation, die wir vor 20 Jahren gedacht haben? Ist das österreichische Bundesheer in den letzten Jahren nicht zu einer verlängerten Gendarmerie oder Polizei heruntergestuft wor­den? Sollte man sich nicht überlegen, ein Staatssekretariat für Landesverteidigung, nein, viel­leicht sogar ein Sicherheitsministerium zu schaffen, in dem die Polizei, das Bundesheer und die Gendarmerie gemeinsam jenen Aufgaben nachgehen, die ein moderner Staat in einem moder­nen Europa zu erfüllen hat? – Ich zweifle nicht daran, dass das sein kann. Es muss möglich sein, diese drei Einheiten zusammenzufassen. Auch in Deutschland überlegt man sich solche Vorgangsweisen, nämlich das Verteidigungsministerium sehr stark mit der inneren Sicherheit zu verquicken.

Eine Bitte habe ich an den Herrn Bundesminister: Wir haben Wehrpflichtige, die derzeit mit einem Taggeld in der Höhe von 100 S, rund 7,50 €, auskommen müssen. – Herr Bundesminis­ter! Für 7,50 € nimmt nicht der billigste Fremdarbeiter, der hier illegal im Land arbeiten sollte – den gibt es natürlich nicht! –, ein Werkzeug in die Hand. (Bundesrat Gasteiger: Jetzt hast du die Kurve gut gekratzt!) Ich rege daher an, das Taggeld auf mindestens 15 € anzuheben. Es


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kann nicht menschenwürdig sein, Leute mit 100 S am Tag zu Zwangsarbeitern der Republik herabzugraduieren; Verpflegung und Bekleidung sind natürlich dabei. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich warne auch davor, die Wehrdienstzeit von derzeit acht auf sechs Monate zu reduzieren. So­weit das auch notwendig oder möglich ist, es erhöht die Arbeitslosigkeit, Herr Bundesminister! Zwei Monate länger arbeitslos wären dann jene, die jetzt acht Monate Dienst mit der Waffe oder auch ohne Waffe leisten können.

Es ist sehr erfreulich, dass in der Regierungserklärung vom Diesel-Boom gesprochen wird. Ja­wohl, der Diesel-Boom ist wichtig. Wir wissen, Benzinmotoren bieten Mord- und Selbstmord­möglichkeiten, Dieselmotoren nicht, aber Dieselmotoren haben Partikel, feinste Partikel im Nanometerbereich. Es sollten überall Partikelfilter eingebaut werden. In der Schweiz ist das der Fall, Österreich ist aber der Internationalen Messmethodenkonvention über die Partikel nicht beigetreten. – Es wäre zweckmäßig, dieser Konvention, dieser Arbeitsgruppe, beizutreten, da­mit wir den Wissensstand haben. Wir haben hervorragende Wissenschafter, aber möglicher­weise ist der eine oder andere Wissenschafter nicht der Meinung, international gemeinsam arbeiten zu können.

Jetzt zur Familie: Ich glaube, dass die Familien eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Säule unseres Staates darstellen. Die Familie besteht aber für mich nicht nur aus Ehepaaren oder Lebensgemeinschaften, nein, für mich besteht die Familie aus Vater, Mutter, Kinder, Groß­eltern, Schwiegereltern. (Bundesrätin Schicker: Hund und Katz! – Bundesrat Gasteiger: Die Mali-Tant hat er vergessen!) Darauf müssen wir Wert legen, dass diese Kombination von natür­lich gewachsenen Elementen einer Familie auch vorhanden bleibt. Es ist unmöglich, mit einer Geburtenrate von 1,3 Kinder pro Frau – statt 2,1 – die soziale Sicherheit in Bezug auf die Pen­sionen aufrechtzuerhalten.

Mein Kollege Steinbichler – er ist im Moment nicht im Saal – sagt, dass in Österreich per anno ungefähr 260 000 Abtreibungen vorgenommen werden. Diese Zahl ist zu hoch; überhaupt jede Abtreibung, die stattfindet, ist zu viel. Wir können noch so viele Pensionsregelungen austüfteln, Herr Bundeskanzler, wir müssen von dieser unnatürlichen Art der Fortpflanzungsbegrenzung wegkommen, indem wir Lebewesen töten, während wir uns andererseits zu einem gemein­samen bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz bekennen! Das kann einfach nicht zusammenpas­sen. Wir müssen das menschliche Leben wieder in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen set­zen. (Bundesrätin Schicker: Aber Frauen dürfen weiterhin selbst entscheiden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, hoffe ich doch!)

Es wird ein Drei-Säulen-Pensionssystem angeboten: einmal das staatliche Pensionssystem, umlagefinanziert – vielleicht –, zweitens die neue betriebliche Zusatzpension für die Mitarbeiter und drittens ein attraktives privates Versorgungsmodell. Es gibt auch noch eine vierte Säule, die schon erwähnt wurde, nämlich die Teilzeitarbeit in der Pension. Ich habe einige Zweifel, dass sich bei der derzeitigen Wirtschaftssituation die Säulen zwei und drei verwirklichen lassen. (De­monstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen Acht geben, dass die Personen, die in Pension gehen, auf Grund der höheren Steuern und Abgaben, die wir haben, nicht so viel zahlen müssen, dass sie es sich nicht leisten können, eine private Pension aufzubauen; dass die Betriebe, in die sie einzahlen, nicht plötzlich in Konkurs gehen, und dann ist das Geld weg. Wenn man sich privat versichert, hört man, dann kann es passieren, dass auch internationale Lebensversicherungen in Konkurs gehen. Wo dann das Geld ist, möchte ich wissen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) – Ich kann nur sagen, die erste Betonung muss auf der staatlichen Vorsorge liegen.

Vermutlich brauchen wir auch einen Seniorenindex, einen Verbraucherindex, denn es darf nicht wahr sein, dass die Heimhilfe ab 1. Januar – oder war es ein paar Tage später? – am Wochen­ende um 50 Prozent teurer wird, und das ohne bessere Pension. So wird sukzessive für die Senioren – nicht nur für die Senioren, aber ich spreche hier als Seniorensprecher meiner Par-


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tei – alles teurer, ohne dass die Pension diesen Teuerungsschritten Rechnung trägt, also nach­träglich erhöht wird. (Bundesrat Kraml: Ihr seid eh in der Regierung!)

Wir können das den Senioren nicht zumuten, wenn wir zugleich erwarten, liebe Freunde in der Koalition, dass die Familien die Senioren auch zu Hause pflegen. Das Zuhause-Pflegen kostet Geld, auch dann, wenn der Senior allein in seiner Wohnung ist, denn er muss ja seine Woh­nung erhalten können, sonst kommen wir dorthin, wo wir in der Koalition nicht hinkommen wollen, nämlich dass die Senioren in städtische oder staatliche Versorgungsanstalten kommen. Dieser Punkt scheint mir wichtig für die Senioren zu sein.

Letzter Punkt: Professor Felderer hat, so glaube ich, doch Recht. Er sagt: Gehen wir eine Steuerreform mit mehr Mut an, weniger zaghaft! – Wir Freiheitlichen standen einmal für die Flat Tax. Davon haben wir schon lange Abschied genommen, denn das wäre eine Quote von 23 Prozent gewesen. Wir müssen aber von der jetzt rund 45-prozentigen Staatsquote – viel­leicht beträgt sie sogar schon 47 Prozent, Herr Bundeskanzler – möglichst schnell herunter­kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

13.02


Präsident Herwig Hösele: Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler, der sich zu Wort gemeldet hat, das Wort erteile, möchte ich Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss namens des Hauses sehr herzlich gratulieren. (Allgemeiner Beifall.) Der Landeshauptmann von Wien, Herr Dr. Michael Häupl, hat ihm vor zwei Stunden das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreicht.

Es ist dies ein Zeichen verdienter Anerkennung für das unermüdliche und unverdrossene Wir­ken von Jürgen Weiss als fachkundiger Anwalt des Föderalismus. Herzliche Gratulation des ge­samten Hauses! (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

Dieser Termin ist schon lange vor der Regierungserklärung festgestanden. Daher bitten wir den Herrn Bundeskanzler, die Unhöflichkeit zu verzeihen, dass wir nicht ganzzeitig anwesend waren.

Ich bitte nun den Herrn Bundeskanzler, das Wort zu ergreifen. – Bitte.

13.03


Bundeskanzler, betraut mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffent­liche Leistung und Sport Dr. Wolfgang Schüssel: Ich darf mich den Glückwünschen sehr herzlich an­schließen, zumal Jürgen Weiss einer der wirklichen Vordenker der Verwaltungs­reform gewesen ist. – Vieles, was heute verwirklicht wird, trägt durchaus deine Handschrift, Jürgen, und ist von dir vorausgedacht worden.

Herr Präsident! Erlauben Sie, dass ich nur einige Worte zu den Beiträgen einiger Vorredner sage. Ich habe es nicht vorgehabt, aber ich glaube, ich muss darauf reagieren.

Erstens bitte ich sehr herzlich darum, das Grundprinzip einer diplomatischen Vertretung zu respektieren. Es ist nicht unser Interesse, dass jetzt ein israelischer Botschafter in Österreich voll akkreditiert ist, sondern es ist dies ein israelisches Interesse, und die Türen sind offen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich denke überhaupt nicht daran, die legitimen Vertretungsinteressen von Österreichern in Israel dadurch zu gefährden oder herunterzustufen, dass wir auf Grund irgendwelcher Protokoll­er­wägungen den österreichischen Botschafter dort heruntergraduieren. Das tue ich nicht, das habe ich immer so argumentiert, und das werde ich auch in Zukunft nicht tun. Die Außen­ministerin denkt ganz ähnlich.

Die Türen bleiben offen, und ich wäre sehr dankbar, wenn niemand Öl ins Feuer gießen würde. Ich glaube, der Nachdenkprozess auf israelischer Seite hat eingesetzt. Dabei soll man es belas­sen! – Rufzeichen. Ende. (Beifall bei der ÖVP.)


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Zweiter Punkt: Ich muss auch wirklich dem Eindruck entgegenwirken, dass Saddam Hussein ein unschuldiges Kind ist – ganz im Gegenteil! Der Herr ist ein Diktator, er hat zwei Kriege selbst begonnen, gegen jedes Völkerrecht. Er hat Giftgas und andere schauerliche Stoffe, die vom Völkerrecht und von der UNO sanktioniert gewesen sind, gegen seine eigene Bevölkerung, gegen die Bewohner des südlichen Sumpflandes und gegen die Kurden im Norden eingesetzt. Seit zwölf Jahren erfüllt er – und zwar nicht einige wenige, sondern zentrale – Forderungen von UNO-Resolutionen nicht.

Ich glaube, es muss die gemeinsame Ambition aller Demokraten und aller Staaten sein – das ist gedeckt, angefangen vom UNO-Generalsekretär Kofi Annan bis zu allen anderen –, zu erkennen, dass der Schlüssel zum Frieden in Wahrheit in Bagdad liegt! Ich bitte Sie, keine unpassenden Vergleiche zu ziehen, die einfach der Sachlage nicht entsprechen.

Jeder von uns will den Frieden, aber wir alle müssen mit klarer Stimme Saddam Hussein dazu auffordern, das Seine dazu beizutragen. Und da darf kein Zweifel an der gemeinsamen Haltung Österreichs entstehen, meine Damen und Herren!

Dritter Punkt: zu den Fliegern. Herr Bundesrat Gudenus! Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Güte gehabt hätten, all das, was Sie hier vorgetragen haben, dem früheren Verteidigungsminis­ter des Kabinetts Schüssel I, Herbert Scheibner – Ihnen nicht ganz unbekannt –, zu sagen, der nach zweijährigen, sehr gründlichen Prüfungen – ich war Zeuge dabei; ich selbst verstehe von diesen technischen Dingen gar nichts –, transparent, objektiv und bereits vom Rechnungshof überprüft, ein Verfahren eingeleitet hat, das ganz klar ergeben hat, dass auf seinen Antrag hin die vorige Bundesregierung eine Typenentscheidung zu treffen hatte.

Im Nachhinein dann zu sagen, da wäre etwas anderes billiger, und wir könnten gebrauchte Flie­ger kaufen, ist leicht. Abgesehen davon würde ich jetzt gerne die Frage aufwerfen, ob es eigentlich in der jetzigen Situation sehr gescheit wäre, amerikanische Gebrauchtflieger zu kaufen. Bedenken Sie, was das für ein Signal wäre (Bundesrat Mag. Gudenus: Das habe ich nicht daraus abgeleitet!), abgesehen davon, dass es überhaupt nicht der österreichischen Ver­gabepraxis entspricht!

Bleiben wir daher bei den objektiven Verfahren! Sprechen wir darüber ohne jegliches persön­liches Interesse, wie ich das tue, wie Herbert Scheibner das gemacht hat und wie das auch mit Sicherheit Günther Platter tut, und stehen wir zu der Notwendigkeit, auch den österreichischen Luftraum zu schützen, meine Damen und Herren! (Bundesrat Mag. Gudenus: Mit anderen Maschinen geht das auch!)

Weiters: Sie haben auch ganz leichthin erklärt, Sie hätten Zweifel, ob sich die zweite und dritte Pensionssäule überhaupt verwirklichen ließen. – Bitte, Herr Bundesrat Gudenus: Die zweite Säule beruht auf einem gemeinsamen, einstimmigen Beschluss des Nationalrates und des Bun­desrates, die Mitarbeitervorsorge einzurichten. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber ob es das spielt!) Das ist eine der ganz wichtigen, sozialpolitischen Neuerungen! (Bundesrat Mag. Gude­nus: Und wenn die Firma eingeht?!) – Warum soll da wer in Konkurs gehen, bitte? Hören Sie doch auf, den Menschen hier Angst zu machen!

Die dritte Säule haben wir als individuelle Eigenvorsorge gedacht. Daran war, gerade in der letzten Bundesregierung, wenn ich mich richtig erinnere, auch der Koalitionspartner sehr interessiert; aber auch wir von der ÖVP als Mehrheitsfraktion in der jetzigen Regierung sind es.

Wir haben damit ein Produkt geschaffen, das dreimal so gut gefördert wird wie etwa die Bau­sparkassenprodukte, und dieses Produkt wird derzeit geradezu überrannt! Reden Sie mit den Versicherungen, reden Sie mit der Bankenwelt! Diese dritte Säule wird so gut angenommen wie derzeit nur ganz wenige Produkte auf dem Kapitalmarkt.

Ich finde, die österreichische Bevölkerung verdient es, dass man ihr reinen Wein einschenkt und ihr sagt, dass hier sehr attraktive Dinge zur Verfügung stehen: ein staatliches System, das natürlich weiterhin das tragfähige Rückgrat einer Altersvorsorge sein wird, aber zusätzlich noch


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ein sozialpartnerschaftlich außer Streit gestelltes zweites System und die Eigenvorsorge, die steuerlich sehr attraktiv gestaltet ist.

Letzter Punkt: Herr Bundesrat Gudenus! Sie haben gemeint, man sollte bei der Steuerreform noch ambitiöser sein. – Bitte, Herr Bundesrat, können Sie mir dann auch erklären, wie man das finanzieren soll? – Acht Milliarden, sagt ein Experte; gut. Jetzt machen wir mit drei Milliarden die größte Reform der letzten Jahrzehnte, wir lassen uns vorrechnen, wie all das finanziert wird und so weiter, und Sie sagen: Das ist alles nicht genug. – Wenn Sie die Güte haben, legen Sie uns doch bitte auch einen Finanzierungsvorschlag vor, wie man acht Milliarden finanzieren soll, noch dazu, wo doch jeder einzelne Sparvorschlag oder Strukturreformvorschlag ohnehin von der Opposition in Frage gestellt wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Daher: Kein Beifall von der falschen Seite, wohl aber die Argumente von der richtigen Seite – darum würde ich sehr herzlich bitten! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Deutlich! Sehr deutlich!)

13.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Josef Saller das Wort. – Bitte.

13.10


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, aus dem verantwor­tungsvollen und anspruchsvollen Regierungsprogramm einige Punkte betreffend Seniorenpolitik hervorzuheben und herauszustreichen.

Eine verantwortungsvolle Sozialpolitik muss die Schwächen der Gesellschaft erkennen und das Wohl aller Menschen im Auge haben. Unser Verständnis von einer modernen, leistungsfähigen und solidarischen Sozialpolitik stellt neben allen Fragen der Finanzierung und der Organisation den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt des Solidarsystems. Allerdings stellt sich in einer Zeit enormer sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen bei einem gleichzeitig hohen Maß an sozialem und wirtschaftlichem Wohlstand die soziale Frage neu.

Die Frage nach der Finanzierbarkeit des Sozialstaates wird immer weniger unter ideologischen, als vielmehr unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen. Die Finanzierbarkeit des Sozialstaates auf Kreditbasis ist nicht nur unverantwortlich gegenüber der kommenden Genera­tion, deren Gestaltungsspielraum durch die Notwendigkeit, die Schuldenberge abzubauen, ein­geschränkt wird, sondern zerstört auch unseren Grundsatz der Nachhaltigkeit.

Unter diesen Gesichtspunkten ist auch das verantwortungsvolle Regierungsprogramm zu sehen. Der Seniorenbund – und damit eine große Gruppe der Pensionsbezieher – hat sich ge­nau angesehen, ob und welche Anliegen der älteren Generation festgeschrieben sind, und diese Bilanz fällt sehr positiv aus.

Im Bündnis für Österreich und Senioren ist eine besondere Wichtigkeit die Pensionsanpassung. Und im Regierungsprogramm heißt es – das möchte ich als besonders positiv hervorheben –: „Die Pensionsanpassung hat sich weiterhin am Ziel der Wertsicherung zu orientieren. Einmal­zahlungen sowie Fix- und Sockelbeträge für sozial Schwächere.“ – Das ist vorgesehen.

Anzustreben – das muss man auch sagen – sind vereinfachte, verständlichere gesetzliche Regelungen. Zum Beispiel sollte statt der Ermittlung via Anpassungsfaktor in Hinkunft wieder der Lebenskostenindex für die Pensionserhöhung herangezogen werden.

Weiters aus dem Regierungsprogramm als sehr positiv hervorzuheben sind die Anhebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate und die Senkung des fiktiven Ausgedinges sowie die Erhöhung des Pflegegeldes, die in absehbarer Zeit kommen wird.


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Hinsichtlich der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge wird der Kelch an den Pensions­empfängern nicht vorbeigehen können. Die Ausgangslage hat sich gegenüber früher auch völlig verändert, das muss man natürlich auch darstellen. Darauf wird häufig vergessen.

Früher waren die medizinischen Kosten eben geringer, die Lebenserwartung war nicht so hoch, die Dauer der medizinischen Versorgung war kürzer, und die Pensionserwartungszeit war auch kürzer. – Heute haben wir das Glück, dass die Menschen gesund älter werden, und wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. (Bundesrat Boden: Noch! Noch haben wir ein gutes System!)

Wir brauchen – das ist schon gesagt worden – keine englischen Verhältnisse, wo ein 65-Jähri­ger eben keine Hüftoperation mehr bekommt. Wir brauchen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wir brauchen weiterhin unser ausgezeichnetes Gesundheitssystem, und dafür sorgt die künftige Regierung. Wir müssen auch bekennen, dass die ältere Generation einen vertretbaren und ver­antwortungsvollen Beitrag leisten wird müssen.

In Sachen Staatsreform ist im Regierungsprogramm dankenswerterweise neuerlich die Einfüh­rung des Briefwahlrechtes enthalten. Das ist nicht nur eine Forderung unseres Seniorenbundes, sondern auch des SPÖ-Pensionistenverbandes unter der Führung des ehemaligen Ministers Karl Blecha. Da ist die Opposition wirklich gefordert und wird aufgefordert, endlich über die selbst errichtete Barriere zu springen und diesem Punkt zuzustimmen.

Im Justizbereich sind festgeschrieben – das ist sehr positiv zu bewerten –: Mindeststandards für Heimverträge – wie Konsumentenschutz, Information, Kündigung und vieles andere mehr – so­wie Sicherung der Patientenrechte in Alten- und Behindertenheimen zum Schutz der Bewohner.

Der Bundesseniorenbeirat hat sich kürzlich mit dem Thema „Generika“ befasst und einhellig festgelegt, dieses Projekt weiter zu betreiben. Auch das steht im Regierungsprogramm und beinhaltet große, vernünftige Einsparungen.

Hinsichtlich der Seniorenpolitik sind noch drei Punkte des Regierungsprogramms als besonders positiv herauszustreichen. Das Erste ist die Verankerung der Alterssicherung und des Diskrimi­nierungsverbotes auf Grund des Alters in der Verfassung. – Das müsste eigentlich eine Selbst­verständlichkeit sein. Ältere Menschen sind keine Bittsteller, sondern es geht um die Festschrei­bung wohl erworbener Rechte. Die Opposition ist auch da aufgefordert, mitzutun.

Das Zweite ist die Verankerung der Seniorenvertretung als Pensionistenkurie in der Selbstver­waltung der Sozialversicherung.

Das Dritte ist die Seniorenanwaltschaft und Schaffung von Seniorenbeiräten in den Ländern und den Gemeinden. Wir wollen mitreden, mit entscheiden und mit verantworten – als gleichbe­rechtigte Partner auf allen politischen Ebenen, besonders auch im Hinblick auf die vorliegenden Bevölkerungsprognosen und die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur.

Abschließend stelle ich fest, dass das Regierungsprogramm eine gute und verantwortungsvolle Grundlage für die Bewältigung der Anliegen der älteren Generation bietet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Manfred Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

13.17


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir ein bisschen Leid – das ist aber keine Miss­achtung des Herrn Staatssekretärs –, dass der Herr Bundeskanzler fort musste. Er hat diese Regierungserklärung mit einem Zitat aus den „Salzburger Nachrichten“ eröffnet, und ich habe kurz in meinen Koffer geschaut und habe darin auch einige interessante Beiträge aus den „Salzburger Nachrichten“ gefunden.


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Die Ankündigung der Steuerreform bezeichnen die „Salzburger Nachrichten“ als den zweitbes­ten Werbespruch aller Zeiten. Der beste war das Nulldefizit, und das ist der zweitbeste Spruch. – Gekommen ist das Nulldefizit nicht, und kommen wird die Steuerreform vermutlich auch nicht. Und wenn ich in den „Salzburger Nachrichten“ weiterblättere, dann finde ich die Schlagzeile: „Die Zukunft der Unis findet nur auf dem Papier statt.“

Eine ganze Seite ist dem Innenministerium gewidmet – mit Bild. Man schreibt: „Aus besseren Zeiten – keiner traut sich mehr etwas zu sagen.“ – Das heißt, wir sind im Innenministerium mit der Umfärbung – nicht auf rot-weiß-rot, sondern auf schwarz – bereits so weit, dass sich nie­mand mehr etwas zu sagen getraut.

Eine weitere Überschrift lautet: „Wenig Freude über längere Einkaufszeiten.“ – Ich weiß aus dem persönlichen Bereich, dass viele Geschäftsleute in Salzburg abends schon wieder zusper­ren, weil die Menschen in diesem Land nicht mehr Geld zum Ausgeben haben. Das hat sich anscheinend noch niemand angesehen, aber es ist tatsächlich so.

Die Leute haben nur eine bestimmte Menge Geld zur Verfügung. Dafür, dieses Geld auszu­geben, sind die bisherigen Öffnungszeiten ausreichend. An höhere Umsätze auf Grund längerer Öffnungszeiten zu glauben, ist eine falsche Rechnung. Gesteigert werden nur die Betriebskos­ten, gesteigert werden nur die Lohnkosten, aber die Umsätze werden in der Regel nicht gesteigert.

Das ist eine falsche Rechnung, und ich verstehe nicht, warum die Verlängerung der Ladenöff­nungszeiten das große Ziel dieser Regierung ist. Wir alle wissen, dass davon nur die großen Konzerne profitieren, die ihren Mitarbeitern dann Teilzeitarbeit anbieten können, dass aber gerade die Geschäfte, die wir vor Ort brauchen würden, leider gar nichts davon haben, sondern dass diese eher zusperren müssen. Ich denke, dass das ein wesentlicher Beitrag zur Ausdün­nung der Nahversorgung auf dem Land ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine weitere Überschrift aus den „Salzburger Nachrichten“ lautet: „Salzburg misstraut neuer Regierung.“ – Die „Salzburger Nachrichten“ sind sicher kein Lokalorgan der Sozialdemokra­tischen Partei, sondern eine Zeitung, die einen christlich-sozialen Hintergrund hat. Aber ich habe mir erlaubt, weil der Herr Bundeskanzler das für ihn so angenehme Beispiel Deutschland hier vorgetragen hat, einmal ein bisschen in den Ausgaben der letzten Wochen der „Salzburger Nachrichten“ zu blättern und einiges auszugraben.

Ein weiteres Beispiel ist mir dabei aufgefallen, weil heute über die Forschung gesprochen wurde: Vergebene Chance für Forschung. Forschungsrat ist enttäuscht über Koalitionspro­gramm. Kompetenzwirrwarr und Geldnot bleiben. – Also, was da besser werden soll, weiß ich nicht, meine Damen und Herren, aber vielleicht wird es uns noch jemand sagen.

Dem Herrn Bundeskanzler wollte ich auch eines sagen: Der Vergleich mit Deutschland hat mich sehr gestört. – Herr Kollege Bieringer! Du hast das heute schon angesprochen: Im Wahlkampf ist einiges erlaubt, aber nach der Wahl sind wir wieder die Braven, da darf man nichts mehr sagen, wir lassen alles beim Alten, und es passt.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber mich hat die Insera­tenkampagne in den Wochenzeitschriften gestört, in der man aus österreichischer Sicht, aus der Sicht der ÖVP, den deutschen Bundeskanzler recht protzig mit einer Zigarre im Mund dar­gestellt hat, und man hat damit vor Rot-Grün gewarnt.

Gleichzeitig hat man in Österreich aber selbst mit den Grünen verhandelt, also in diesem Moment hatte Grün seinen Schrecken offenbar verloren. – Das ist auch ein eigenartiger Um­gang mit der „Farbe Grün“, so sage ich jetzt einmal.

Was mich aber viel mehr gestört hat, meine Damen und Herren, das war, dass sich niemand ernsthaft damit auseinander gesetzt hat. Ich bin kein Pflichtverteidiger für Deutschland, aber die Zusammenführung der beiden deutschen Staaten zu diesen Bedingungen hätte kein Land in Europa geschafft!


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Wenn wir in Österreich zu unseren acht Millionen Einwohnern zwei Millionen dazu bekommen hätten, die wirtschaftlich darnieder gelegen wären, und wenn wir sie in unser Sozialsystem inte­grieren hätten müssen, dann, so muss man zugeben, hätten wir damit enorme Schwierigkeiten gehabt, wahrscheinlich größere Schwierigkeiten als Deutschland. In Deutschland wird das versucht, das muss man auch einmal offen sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kein Land in Europa hätte das geschafft, außer Deutschland, 20 Millionen Menschen zu über­nehmen, die aus einem Staat kommen, der wirtschaftlich ruiniert ist, der sozialpolitisch ruiniert ist, und diese 20 Millionen Bürger in das westdeutsche System zu integrieren. Das muss man in diesem Zusammenhang auch einmal sagen, wenn man über die Grenzen schaut und die öster­reichische Seele sozusagen ein bisschen streichelt, so nach dem Motto: Immer waren wir hinter Deutschland, und jetzt geht es uns scheinbar etwas besser.

Meine Damen und Herren! Zum Herrn Vizekanzler möchte ich nur sagen, wir werden uns in der SPÖ überlegen, ob es irgendwo einen Preis gibt für schön und lang Reden. Sollten wir einen solchen Preis irgendwo finden, dann werden wir ihn gerne übergeben – und das natürlich „in aller Klarheit“. Da der Herr Vizekanzler so gern den Ausdruck „in aller Klarheit“ verwendet und hier von diesem Platz aus betont hat, der Zugang zur Gesundheit sei unter seiner Führung wesentlich besser geworden, möchte ich dem Herrn Vizekanzler nur ein paar Sachen in Erinne­rung rufen.

Wie gesagt, es ist schade, dass er nicht da ist. Die Ambulanzgebühr sollte jetzt abgeschafft werden, aber jetzt wird sie doch wieder nicht abgeschafft. Mittlerweile ist man draufgekommen, dass man 270 oder 280 Leute eingestellt hat, die sich mit dieser Ambulanzgebühr herumschla­gen. Und wenn man diese jetzt abschafft, stellt sich die Frage: Was tut man mit diesen 280 Per­sonen? – Diese muss man weiter beschäftigen. Also lassen wir es noch ein bissel, okay.

Die Erhöhung des Selbstbehaltes im Spital um 43 Prozent ist auch eine Leistung des Herrn Vizekanzlers und der vergangenen Bundesregierung. Die Erhöhung der Rezeptgebühr um 22 Prozent, Herr Kollege Saller, ist für die Pensionisten und die Rentner sicher kein Spaß; aus­genommen für jene, die davon befreit sind.

Oder: die Kürzung des Krankengeldes für Schwerstkranke von 78 auf 52 Wochen; die Strei­chung der Zuschüsse für Heilbehelfe und Hilfsmittel; ein 20-prozentiger Selbstbehalt für Leistun­gen bei klinisch-psychologischer Diagnostik. – Wenn das der „freie Zugang“ zur Gesundheits­politik ist, dann muss ich sagen, ich kann mir etwas Besseres vorstellen. Das deckt sich sicher nicht mit meinen Überlegungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Vizekanzler ist nicht da, dabei wollte ich ihn noch etwas fragen: Es hat das Gerücht gege­ben, der Herr Vizekanzler hätte gerne auf alle Kompetenzen verzichtet – einige hat man ihm ja weggenommen –, weil er beide Hände frei haben wollte, um die FPÖ zusammenzu­halten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Aber etwas wird er doch tun müssen, nur Vizekanzler spielen, das wird zu wenig sein.

Herrn Kollegen Gudenus – er ist jetzt leider auch nicht hier – gebe ich völlig Recht. Die FPÖ ist nicht der vierte Bund der ÖVP, sondern mittlerweile zu einem „Beiwagerl“ verkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Faktum ist, dass dieses Regierungsexperiment Schüssel I von den Österreicherinnen und Österreichern als gescheitert betrachtet wird. Was davon übrig blieb – ich habe es schon betont –, ist ein wirtschaftlicher und sozialer Scherbenhaufen; das wurde heute auch schon erwähnt. Auch wenn der Herr Vizekanzler vorhin versucht hat, es zu be­schönigen, Faktum ist: Es gibt eine Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land, und es gibt die höchsten Steuern in der Geschichte der Zweiten Republik.

Der Herr Vizekanzler hat vorhin auch zum Thema Deutschland eine Wortspende abgegeben. Aber man sollte eines nicht vergessen: In Deutschland beträgt die Steuerquote 41 Prozent, und in Österreich beträgt sie 46 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Diese Form des Regierens soll jetzt, obwohl eine große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher der FPÖ die Regierungsfähigkeit bei den Nationalratswah­len aberkannt hat, unter anderen Kräfteverhältnissen weitergeführt werden.

Es stimmt schon, Herr Bundeskanzler Schüssel ist der große Sieger dieser Wahl, aber er ist als Verantwortlicher der Bundesregierung Schüssel I auch ein Verlierer dieser Wahl. – Immerhin hat die Opposition 5 Prozent dazu gewonnen, haben die Regierungsparteien diese 5 Prozent letzten Endes verloren und auch gemeinsame Mandate verloren.

Ja, man kann Sieger und gleichzeitig Verlierer sein. Wie immer man das sieht, ein Erfolg für die vergangene Regierung war das sicher nicht, und diese Regierung wird jetzt halt unter anderen Kräfteverhältnissen weitergeführt.

Wenn man immer von Reformen hört, dann bekomme ich den Eindruck, dass das Wort „Re­form“ eigentlich nur die Überschrift ist. Darunter steht in erster Linie Sparen. Aber, meine Damen und Herren, ich vermisse, dass die Regierung bei sich selbst spart. Die Österreicher haben die höchste Steuerquote, wir haben, wie schon erwähnt, eine sehr hohe Arbeitslosen­zahl, aber jetzt haben wir eine vergrößerte Regierung. Wenn ich nicht irre, kostet diese um zwei Staatssekretäre vergrößerte Regierung im Jahr um – in Schilling gerechnet – 4 Millionen Schilling mehr. Wenn man schon spart, dann frage ich mich, ob es wirklich notwendig ist, zwei Staatssekretäre mehr zu haben. (Beifall bei der SPÖ. – Staatssekretärin Haubner: So kostbar sind wir! Wahnsinn!)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Sie haben in der Vergangenheit den Österreicherinnen und Österreichern 31 Steuererhöhungen – Herr Kollege, 31! – zugemutet. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wenn Sie mich lange ärgern, dann lese ich sie Ihnen einzeln vor! – Damit müssen Sie leben, und so wird es auch in Zukunft weitergehen.

An der versprochenen Steuerreform ist letzten Endes die Regierung Schüssel I auch geschei­tert. Aber für uns hoch interessant ist der Herr Finanzminister, der ja nirgends Wurzeln schlägt, sondern eher „darüber steht“. Er ist laut Kärntner Meldungen aber ein Genie, so wie die „Salz­burger Nachrichten“ auch schreiben; ich erinnere an den „zweitbesten Werbespruch seit dem Nulldefizit“!

Er hat sich sehr großspurig – ich habe das zufällig im „Mittagsjournal“ gehört – über die „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ ausgelassen. – Als ihn dann die Journalistin gefragt hat: Wie schaut es mit Garantien aus?, oder, sollte es nicht gelingen: Ziehen Sie die Konsequen­zen? –, da hat er sich ganz vornehm zurückgezogen. In Salzburg würden wir etwas anderes sagen, nämlich: Er hat den ... eingezogen. – Ich wiederhole: Er hat sich vornehm zurückgezo­gen.

Meine Damen und Herren! Für mich heißt das im Klartext ungefähr so: Der größten Steuerre­form der Zweiten Republik, angekündigt vom besten Selbstvermarkter der Republik, droht das­selbe Schicksal wie der Steuerreform in der gescheiterten Regierung Schüssel I.

Dass Sie selbst nie daran gedacht haben zu sparen, wird daran sichtbar, dass 200 Millionen Schilling – oder 14,53 Millionen € –, Herr Vizekanzler, ausgegeben wurden, nur um Manager, die farblich nicht passen, nach Hause zu schicken. Das ist eine schöne Stange Geld, und ich denke, wenn man auf der anderen Seite von den Österreichern verlangt, zu sparen und zurück­zuschalten, dann ist es eine Zumutung, gleichzeitig 200 Millionen Schilling auszugeben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Beweis Ihrer, meiner Meinung nach, schlechten Spargesinnung in den letzten drei Jahren sind die 45 Millionen € – oder 619 Millionen Schilling –, die für externe Berater ausgege­ben wurden. Ich frage mich, wozu es bei uns in Österreich Ministerien gibt, wozu es bei uns Beamte, hoch qualifizierte Beamte gibt (Bundesrat Sulzberger: Das ist so wie bei der Post!), wenn man für alles (Ruf bei der ÖVP: Wie beim Gusenbauer!) erstens zusätzliche externe Be­rater braucht (Ruf bei der ÖVP: Der Gusenbauer hat auch Berater gehabt!) und diese zweitens


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nicht nur im Inland sucht (Ruf bei der ÖVP: Einen amerikanischen Berater hat er gehabt!), sondern auch im Ausland. (Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege! Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Einzelauftrag des „Sparmeisters der Nation“ – das ist, wie Sie alle wissen, der Herr Finanzminister, der immer bei den anderen spart und den Gürtel enger schnallt, aber bei sich selbst nicht – in der Höhe von 59 Millionen Schilling! Das müssen Sie sich, bitte, einmal auf der Zunge zergehen lassen! Der Herr Finanz­minister, der uns von früh bis spät predigt, dass überall gespart werden muss, dass überall der Gürtel enger geschnallt werden muss, gibt in einem Einzelauftrag für eine Beraterfirma 59 Mil­lionen Schilling aus! (Bundesrat Gasteiger: Wahnsinn! Wahnsinn!) Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen, und erklären Sie das einmal den Mindestrentnern und den Pensionis­ten! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Sulzberger: So wie bei der Post!)

Meine Damen und Herren! Aber nicht nur der Herr Finanzminister, sondern alle Ministerien zusammen haben in der Zeit vom 4. Februar 2000 bis zu den Wahlen 287 Millionen Schilling an Werbungskosten für Inserate ausgegeben. Herr Vizekanzler! Wenn ich Sie so anschaue, dann muss ich sagen: In den letzten drei Wochen vor der Nationalratswahl habe ich das Gefühl ge­habt, das Sozialministerium führt einen Wahlkampf für die Nationalratswahl – und nicht die FPÖ. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der SPÖ und Heiterkeit bei Bundes­räten der SPÖ. – Staatssekretär Mag. Schweitzer: So viel hat Klima allein gehabt!)

Wenn den Menschen in einer Werbekampagne – damit sie es endlich begreifen – von einer Zu­kunft ohne Schulden erzählt wird, aber die Schulden nicht weniger werden, dann weiß ich nicht, wie man das deuten soll. (Ruf bei der ÖVP: Es ist ja weniger geworden!) Ich finde, man kann den Leuten in Österreich viel einreden, aber so dumm sind sie nicht, dass sie nicht kapieren, dass sich diesbezüglich nichts geändert hat.

Meine Damen und Herren! Jetzt komme ich noch einmal auf unseren Herrn Finanzminister zu sprechen: Das, was meiner Meinung nach der Gipfel der Verschwendungspolitik des Herrn Finanzministers war, war ein Inserat in der „Financial Times“ vom 30. November 2001 mit einem Foto des Ministers – geschmückte Persönlichkeitswerbung, die dem Steuerzahler in Österreich 812 000 S, oder 59 000 €, gekostet hat! – Da muss ich in Bezug auf diesen Finanz­minister, der immer zum Sparen und zum Umdenken aufruft, schon sagen: Ein „toller Bursche“! – Er sieht ja auch gut aus, er ist der Liebling aller (Ruf bei der ÖVP: Schwieger­mütter!) Frauen, die Töchter zum Verheiraten haben (Bundesrat Sulzberger: Auch der sozialis­tischen!); aber auch das muss einmal gesagt werden.

Meine Damen und Herren! Besonders betroffen macht mich als langjährigen Kommunalpoliti­ker – das bin ich nunmehr immerhin seit 24 Jahren – allerdings, dass in dieser Regierungserklä­rung und auch im Regierungsprogramm den Gemeinden Österreichs nicht der Stellenwert zu­kommt, den sie sich eigentlich verdient haben. Gerade für den ländlichen Raum waren die letzten zwei Jahre dieser Regierung besonders schlimm, denn mit einer noch nie da gewesenen Schließungswelle wurden viele ländliche Regionen ausgedünnt – man kann auch sagen: kaputt gespart. 648 Postämter wurden zugesperrt, Herr Kollege (Bundesrat Sulzberger: Ja, weiß ich ...!), 70 Bezirksgerichte geschlossen, 119 Gendarmerieposten zugesperrt, und 1 700 Plan­stellen sind im Innenministerium verschwunden.

Mit dieser Politik der letzten Jahre und mit Ihrer zukünftigen Politik nehmen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dem ländlichen Raum jede Zukunftschance. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) Kein Wort steht in der Regierungserklärung über die Absicherung der Gemeindeautonomie oder gar über eine Stärkung der finanziellen Situation der Gemeinden. – Herr Bürgermeister Bieringer hat da keine Probleme, er hat eine Gemeinde im Speckgürtel rund um Salzburg, aber anderen Gemeinden geht es nicht so gut. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: „Speckgürtel“? – Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.)

In den vergangenen Jahren – das muss man sich auch auf der Zunge zergehen lassen – sind 500 Millionen € von den Gemeinden zum Bund gewandert. Diese schleichende Aushöhlung der


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Gemeindefinanzen durch den Herrn Finanzminister muss gestoppt werden! 500 Millionen – (in Richtung des Bundesrates Sulzberger) ich zeige es dir dann!

Die Gemeinden sind der größte Arbeitgeber und auch der größte Investor. Wenn man ihnen das Geld wegnimmt, stehen viele Klein- und Mittelbetriebe vor großen Problemen. Darauf brauche ich nicht erst hinzuweisen, denn in jeder Gemeinde weiß man, dass die Klein- und Mittelbe­triebe in erster Linie von Aufträgen aus den Gemeinden leben, und wenn diese nicht kommen, dann sieht es eben leider schlecht aus.

Ich möchte hier aber auch erwähnen, dass ich es sehr bedauere, dass das Tourismus-Staats­sekretariat der Familienzusammenführung und der Überwachungsstrategie geopfert wurde. Man hat statt dessen jetzt Familienzusammenführung (der Redner blickt in die Richtung von Staatssekretärin Haubner) betrieben und einiges andere mehr. Mir wäre ein Tourismus-Staats­sekretariat lieber gewesen. Als Bürgermeister eines Ortes mit 1,1 Millionen Nächtigungen, dessen Betriebe in einem harten Konkurrenzkampf mit anderen Urlaubsregionen stehen, muss ich sagen: In unserem Ort würde man die Unterstützung eines Tourismus-Staatssekretärs beziehungsweise -Staatssekretariats dringend benötigen. Ich kann es nur so sagen, wie es ist: Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich bedauere es außerordentlich, dass es dieses Staatssekretariat jetzt nicht mehr gibt.

Im Regierungsprogramm wird zwar eine Stärkung der Länderrechte vorgeschlagen; die Ge­meinden, die vor Ort für das Wohl der Bürger verantwortlich sind, wurden hingegen nicht einmal erwähnt.

Mir fehlt in dieser Regierungserklärung ein Bekenntnis zur Nachfolgeregelung für die Getränke­steuer. Sollte der Europäische Gerichtshof Ende März die Gemeinden zur Rückzahlung verur­teilen, droht eine Belastung in der Höhe von 1,2 Milliarden €. Diese Summe entspricht dem Doppelten der jährlichen Investitionsmittel der Gemeinden. Und wenn ich diverse Andeutungen richtig verstanden habe, dann möchte man den Gemeinden auch noch die Werbesteuer weg­nehmen. Gleichzeitig darf ich hier bemerken, dass der Ersatz der Getränkesteuer bei weitem nicht das bringt, was uns ursprünglich mitgeteilt wurde. (Bundesrätin Haunschmid: Selber verantwortlich! Selber verantwortlich!)

Ich nehme mit großem Bedauern zur Kenntnis, dass diese schwarz-blaue Bundesregierung für die Gemeinden und Städte genauso wenig übrig hat wie ihre Vorgängerin, die blau-schwarze Regierung. So wie Sie die Verantwortung bei den Ladenöffnungszeiten an die Landeshaupt­leute abschieben, die Abfangjäger die nächste Generation zahlen lassen wollen, die Verant­wortung für die Altenfürsorge jedem einzelnen Bürger übertragen wollen, so lassen Sie auch die Gemeinden, die einen erheblichen Anteil am Staatswohl mittragen, im Regen stehen. Das muss ich leider feststellen, und das bedauere ich sehr.

Ich darf, Herr Staatssekretär, nachdem jeder Bundesrat aus Salzburg ein Exemplar davon er­halten hat (der Redner hält eine Broschüre in die Höhe) – auch meine Kollegen von der ÖVP, wie ich annehme –, hiemit auch Ihnen ein solches überreichen. Es sind sehr viele wichtige Dinge darin enthalten. Es sind Wünsche der Salzburger Landesregierung darin enthalten, aber auch sehr viele andere Punkte, von denen meiner Meinung nach die Unterpunkte 7 und 8 von Punkt 10, nämlich „GATS“ und „Die Rolle der Gemeinden in einer zukünftigen europäischen Verfassung“, von besonderem Interesse sind. Ich darf Ihnen dieses Exemplar stellvertretend überreichen mit der Bitte, die Gemeinden diesbezüglich zu unterstützen. Es ist dies nicht nur mein persönlicher Wunsch, es ist auch der Wunsch des Landes Salzburg. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)


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13.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Da Herr Kollege Gruber für die Länder und die Gemeinden gleichzeitig gesprochen hat, mag eine gewisse Nachsicht angesichts dessen, dass er seine Redezeit verdoppelt hat, angebracht sein.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. – Bitte.

13.39


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe es erwartet, dass von der Opposition heute in dieser Sitzung des Bundesrates furchtbare Kritik an den Vorhaben der neuen Bundesregierung geübt werden wird. Aber es wundert mich trotzdem, denn, meine Damen und Herren von der Oppo­sition, Sie hätten es ja in der Hand gehabt, in diese Regierung einzutreten! (Rufe bei der SPÖ: Nein, danke! Nein, danke!) Warum haben Sie es nicht getan?

Sie haben es nicht getan (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll – in Richtung SPÖ –: Sie wollten nicht! – Bundesrat Boden: Nicht andere verantwortlich machen!), weil Sie Angst davor hatten, mit den Problemen fertig werden zu müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Widerspruch und ironische Oh!-Rufe bei der SPÖ.)

Diese Probleme, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, sind nicht erst in der Zeit zwi­schen den Regierungen Schüssel I und Schüssel II entstanden, sie sind auch nicht während der Amtszeit der Regierung Schüssel I entstanden, sondern diese Probleme haben wir von einer sozialdemokratischen Regierung geerbt! (Ruf bei der SPÖ in Richtung ÖVP: Wo wart denn da ihr?) Das sind die 2 Billionen Schilling Schulden, meine Damen und Herren – ich habe es hier schon zweimal gesagt; Herr Kollege Thumpser lächelt. (Bundesrat Gasteiger: Ein alter Hut!)

2 Billionen Schilling Schulden – das ist eine Zahl mit 12 Nullen hinten dran! Damit, meine Damen und Herren, kommen Sie nicht zu Rande! (Bundesrat Thumpser: Ich glaube, du hast die falsche Zeit erwischt! 14 Tage zu spät! Der Villacher Fasching ist schon vorbei!) Und wenn jetzt eine verantwortungsvolle Bundesregierung hier ein Programm vorlegt, um diese Schulden zu reduzieren, die Schulden nicht weiter wachsen zu lassen, dann sind Sie dagegen. (Bundes­rat Gasteiger: Nicht gescheit sein hier herinnen, was wir alles falsch gemacht haben!)

Ob Sie es falsch gemacht haben oder nicht, darauf soll hier gar nicht eingegangen werden (Bundesrat Gasteiger: Nicht Wasser predigen und Wein trinken!) – ich messe Sie am Ergebnis! Und das Ergebnis, das Sie der Regierung Schüssel I hinterlassen haben, waren mehr als 2 Bil­lionen Schilling Schulden. Mit diesem Problem war die Regierung Schüssel I und ist die Regie­rung Schüssel II belastet, und es werden, wie ich fast befürchte, auch die nächsten Regierun­gen noch damit belastet sein und damit nicht zu Rande kommen können.

Sie haben es in der Hand gehabt! Der Bundeskanzler hat es sich sicher nicht leicht gemacht, einen Partner zu finden. (Bundesrat Kraml: Das glaube ich! Da hat er lange überlegen müssen!) Es hat lange gedauert – für viele hat es zu lange gedauert –, bis er sich entschieden hat. (Bundesrat Kraml: Bei euch hat er lange überlegen müssen!) Er hat sich für die Freiheit­liche Partei entschieden (Rufe bei der SPÖ: Ja, ja! – Bundesrat Gasteiger: Er hat sich für die Freiheitliche Partei entschieden!), weil die Politik der vergangenen Legislaturperiode in den wesentlichen Grundzügen fortgesetzt werden muss – und das ist nur mit der FPÖ möglich. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger.)

Die Freiheitliche Partei ist somit die erste Wahl für das nun hier vorliegende Regierungspro­gramm. Alle anderen Parteien wären bloß zweite oder dritte Wahl gewesen (Bundesrat Gastei­ger: Ha, ha, ha!), da diese nicht bereit waren, wirklich ein Reformprogramm für unser Öster­reich mitzutragen. (Bundesrat Kraml: Ihr habt ja ein stolzes Wahlergebnis!) – Sie von der SPÖ hätten auch gerne mit den Grünen verhandelt, nur ist es sich mathematisch nicht ausgegangen. Aber die mathematische Schwäche Ihrer Fraktion – besonders Ihrer Finanzminister – ist ja hin­länglich bekannt! (Bundesrat Kraml: Stolzes Ergebnis!)

Auf das Regierungsprogramm möchte ich nicht im Detail eingehen, das haben schon so viele Redner vor mir getan. Ich meine auch, dass es in vielen Punkten vielleicht hätte anders formu­liert werden können; es ist aber, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, ein Kompromiss zwischen zwei Partnern, zwei Partnern, die bereit sind, gemeinsame Verantwortung zu tragen. Gerade deswegen ist dieses Programm nicht allein ein blau-schwarzes Regierungsprogramm, sondern ein Programm für Österreich!


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Viele Punkte waren auch in den Vorverhandlungen, in den Sondierungsgesprächen der ÖVP mit den anderen Parteien schon paktiert und finden sich nun auch im vorliegenden Pakt wieder. Es wurde sogar heute reklamiert, dass der Wortlaut der Grünen wieder aufgetaucht sei.

Das heißt, so fremd kann auch Ihnen das, was heute vorgelegt worden ist, nicht sein! Da Sie schon die wesentlichen Punkte mit der Österreichischen Volkspartei paktiert hatten und diese Punkte auch jetzt in dem hier vorliegenden Regierungsprogramm wieder finden, hoffe ich doch, dass die Beschlüsse, die in diesem Pakt festgehalten wurden, auch von Ihnen, den Opposi­tionsparteien, mitgetragen werden.

Ich erinnere mich oft an die letzte Legislaturperiode, in der es immer geheißen hat: Ja, wir sind bereit, und wir sind d’accord!, aber dann gab es immer irgendwo noch ein Prozent, mit dem Sie nicht einverstanden waren. – Natürlich wird auch ein Beschluss, an dem die Opposition teil­nimmt, kein Beschluss sein, den alle zu 100 Prozent mittragen können. Aber es ist doch das Wesen der Demokratie, dass man in solchen Fällen einen Kompromiss findet und Beschlüsse, die weitgehend den eigenen Vorstellungen entsprechen, auch mittragen kann!

Ein Programm, so wie auch dieses, ist immer eine positive Vorstellung der Zukunft. Ein gutes Programm vermeidet rosarote Euphorien – „rosarot“ meine ich aber jetzt nicht parteipolitisch –, und es soll auch auf dem Boden kalkulierbarer Tatsachen verbleiben.

Das, was aus heutiger Sicht in der nächsten Zukunft auf Österreich zukommen wird, hat im Regierungsprogramm seinen Niederschlag gefunden. Das war in der heutigen Rede des Herrn Bundeskanzlers eher an seinem Tonfall als an den doch eher kurz gehaltenen inhaltlichen Ausführungen zu erkennen, aber der Ernst der österreichischen Lage war unüberhörbar.

Er ergibt sich auf der einen Seite aus dem vor uns liegenden riesigen Schuldenberg, den ich gerade beziffert habe, mit allen seinen Konsequenzen, wie Verwaltungsreform, Steuerreform, Pensionsreform, Krankenkassensanierung und so weiter. Diese Reformen, die den Betroffenen immer wehtun – ich weiß das –, sind aber notwendig, denn wir können nicht gleichzeitig alles beim Alten lassen und alles ändern. Das ist eine Quadratur des Kreises, die nicht möglich ist, oder naturwissenschaftlich ausgedrückt: Es wäre ein Perpetuum mobile, das Sie hier verlangen.

Auf der anderen Seite ergibt sich der Ernst der Lage Österreichs aus der unmittelbar vor uns stehenden EU-Osterweiterung. Dieses Projekt wird nicht nur eine europäische Bewährungs­probe sein, sondern in erster Linie eine Bewährungsprobe für den Nettozahler Österreich.

Ob es gelingen wird, für viele österreichische Probleme europäische Lösungskonzepte zu fin­den, wird nicht nur von unserer Bereitschaft abhängen, dieses Europa zu wollen, sondern viel­mehr von unseren derzeitigen europäischen Partnern, vor allem aber von unseren zukünftigen europäischen Partnern, nämlich davon, ob sie auch wirklich bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen.

Oder sind es andere Vorstellungen, um nicht zu sagen finanzielle Erwartungen, die die neu auf­zunehmenden Mitglieder von diesem Europa haben? – Die Töne einiger Beitrittsländer zur amerikanischen Militärmusik bei der Vorbereitung eines Irak-Krieges lassen andere Einsichten in ein europäisches Konzept vermuten, als viele Europäer erwarten. Verwechselt man nicht hier EU-Bereitschaft mit Globalisierung? Und Globalisierung ist nicht die europäische Sehnsucht, nicht die Sehnsucht nach Frieden und nationaler Entfaltung der EU-Mitgliedsländer!

Meine Damen und Herren! Weltherrschaftspläne im Mantel wirtschaftlicher Überlegungen hat es – um jetzt in US-Diktion zu reden – im alten Europa genug gegeben. Die Lehre, die daraus gezogen wurde, soll sich im Konzept der Europäischen Union wieder finden. Ein Welt-Sheriff, der mit Schuss- und Treffsicherheit das Böse bekämpft, ist im Western-Movie schon bis zur Penetranz ausgewalzt worden. Aber auch in diesem war das Böse nicht immer eindeutig. Nach dem Spaß an der Massenkeilerei hat man nur äußerst selten oder nie die Tränen der Nichtbe­teiligten gezeigt.


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Huntingtons „Kampf der Kulturen“ habe ich vor Jahren als treffliche Analyse auch des Orients gelesen. Dass es aber ein Konzept US-amerikanischer imperialer Politik war, hielt ich damals nicht für möglich.

Saddam Hussein oder Frieden? – Das ist nicht die Frage, sondern: Öl oder Frieden? – Das ist die Frage! – Die irakische Bevölkerung wird das Grauen der von Atombomben getroffenen Städte Hiroshima und Nagasaki kennen lernen – mit 270 000 Toten sind diese Atombombenab­würfe quittiert worden – oder den Feuersturm über Dresden mit über 130 000 Toten. Dieser Feuersturm trifft uns emotionell natürlich unmittelbarer, weil auch sehr viele Österreicher unter den Opfern waren.

Es wird dieser Krieg, so fürchte ich, kommen. Eine Viertelmillion Soldaten, so hörte ich heute, wenn ich mich recht erinnere, in den Nachrichten, sind bereits vor Ort. Die wird man nicht ein­fach wieder nach Hause schicken. Wenn eine Europäische Gemeinschaft, also die EU, ver­sucht, diesen Wahnsinn zu verhindern, dann hat sie auch für ihre eigene Stabilisierung viel erreicht.

Wir wollen nach der Liquidation der Kolonialreiche keine Neokolonisation durch die wirtschaft­liche Abhängigkeit von einer einzigen Supermacht. Wenn die USA in ein „altes“ und ein „neues“ Europa einteilt, dann soll das vielleicht heißen: schon bereit und noch nicht bereit für diesen Endkampf für das Gute. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)

Das sei zum Weg nach Europa gesagt, den zu gehen wir gerne bereit sind, wenn es ein Weg der Vaterländer sein wird. Da bin ich gerne ein „alter Europäer“, will es sein und auch bleiben, und ich begrüße deshalb auch den Entschließungsantrag betreffend die Irak-Krise, wenngleich ich wie mein Vorredner Gudenus meine, dass statt „USA“ die Vereinten Nationen gemeint sind, ist doch in der Regierungserklärung, die uns heute ausgehändigt worden ist, schon auf Seite 4 rechts unten zu lesen:

„Österreich ist immer für den Frieden, für die Abrüstung des Irak, für den Vorrang der Vereinten Nationen eingetreten.“

Ich glaube, das war gemeint, und das meinen wir auch.

Unser Staat, unser Österreich ist ein äußerst fein abgestimmter Mechanismus, von dem viele Kompetenzen in Zukunft an Brüssel abgegeben werden müssen. Das Regierungsprogramm, das uns heute vorgelegt wurde, ist eine Bedienungsanleitung, die unter den gegebenen Verhält­nissen einzuhalten sein wird. Vergessen wir aber nie die Reibungsverluste, die jeden Mechanis­mus in seinem Wirkungsgrad herabsetzen.

Es sollte aber, meine Damen und Herren, nicht die Aufgabe der Opposition allein sein, diesen Reibungswiderstand zu bewirken. Sicher wird das eine oder andere exakter formuliert werden müssen, abgeändert werden müssen, neuen Verhältnissen abgepasst werden müssen, oder wie der Herr Bundeskanzler bezüglich des Beginns der Steuerreform am 1. Jänner 2004 gesagt hat: Wir müssen uns das erst erarbeiten!

Wie recht, meine Damen und Herren des Hohen Hauses: Wir müssen uns alles erst erarbeiten, denn ein Füllhorn steht uns nicht zur Verfügung. Viele Entscheidungen verlangen nicht nur unsere Arbeit, sondern vor allem unseren unbeugsamen Willen, zum Wohle Österreichs zu entscheiden. – Das sei auch an die Adresse der Opposition gerichtet.

Das ist nicht nur ein Problem von morgen, sondern das sind die Probleme der Zukunft, die uns hier im Hohen Haus alle gemeinsam verpflichten sollten. Nicht die Chancen einer Partei bei der nächsten Wahl sind das Entscheidende einer Regierungsarbeit, sondern die Chancen der österreichischen Bevölkerung, mit Anstand in Freiheit im nun größer werdenden Vaterland leben zu können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.54



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694. Sitzung / Seite 68

Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Landesverteidi­gung. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.54


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Folgenden ganz kurz auf die Verteidigungspolitik eingehen.

Ich möchte zuerst sagen, dass das wichtigste Gut für die Bürger darin besteht, in Frieden, Frei­heit und Sicherheit leben zu können. Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit!

Die Verteidigungspolitik nimmt hiebei eine zentrale Rolle ein. Gestatten Sie mir, hier etwas zu sagen, was ich bereits anlässlich der Regierungserklärung im Nationalrat zum Ausdruck ge­bracht habe: Schließen wir im Bereich der Sicherheitspolitik, insbesondere auch im Bereich der Verteidigungspolitik einen parteiübergreifenden Konsens! Nehmen wir davon Abstand, Leistun­gen für Soziales und Leistungen für die Verteidigung gegeneinander aufzurechnen, denn es geht dabei um wesentlich mehr. Es geht um ein unglaublich wertvolles Gut: Es geht um die Sicherheit des Einzelnen, und es geht darüber hinaus um die Sicherheit der Republik Öster­reich.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man für die Verteidigungspolitik Verantwortung trägt, hat man sich auf die sicherheitspolitischen Veränderungen einzustellen, und man hat vor allem zu beurteilen: Wie entwickelt sich die Lage in Österreich, in Europa und natürlich über die Grenzen unseres Kontinents hinaus, und welche Maßnahmen sind erforderlich?

Die Situation hat sich in den letzten Jahrzehnten, vor allem in den letzten eineinhalb Jahrzehn­ten maßgeblich verändert, und es stellen sich daher eindeutige Fragen. Früher hat man sich mit der Verteidigung Österreichs als einem Land, das zwischen den Fronten lag, auseinander gesetzt. Heute stellen sich uns ganz andere Fragen, nämlich: Was können wir heute und morgen im gemeinsamen Europa und darüber hinaus tun, damit wir unseren solidarischen Beitrag in einer neuen Friedensarchitektur leisten und damit unsere staatliche Gemeinschaft sichern?

Zum Zweiten: Wie können sich Österreich und Europa vor neuen Bedrohungen schützen, Be­drohungen, die uns am 11. September 2001 schmerzhaft vor Augen geführt wurden? – Die Ant­wort darauf ist: Wir müssen Konflikte und Bedrohungen bereits im Vorhinein vermeiden. Kon­fliktprävention erhält damit in allen möglichen Facetten einen neuen Stellenwert. Unverzichtbare Instrumente sind dafür die Kooperation und darüber hinaus die Solidarität.

Für die Umsetzung dessen, geschätzte Damen und Herren, ist eine Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unerlässlich. Wir unterstützen alle Bemü­hungen, die einer solidarischen Sicherheitserzeugung im europäischen Raum dienen, bis hin – der Herr Bundeskanzler hat es gesagt – zu einer Beistandsgarantie. Das bedeutet, dass neben den territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe und Assistenzleistungen schwerpunktmäßig zu bewältigen sein werden.

Dazu ein sehr klares Wort: Wir brauchen Luftraumüberwachungsflugzeuge, denn es ist selbst­verständlich so, dass wir Schutz und Sicherheit am Boden brauchen, und diesen Schutz und diese Sicherheit müssen wir in der Luft ebenfalls gewährleisten. Diesbezüglich hat die Regie­rung in der letzten Legislaturperiode schon einen klaren Weg vorgegeben, indem sie sich zu dieser Notwendigkeit bekannt hat. Die Typenentscheidung wurde getroffen. Gerade in einer Zeit, in der wir unter Umständen am Vorabend eines militärischen Konfliktes im Irak stehen, ist es notwendig, dass auch in der Luft die bestmögliche Sicherheit gewährleistet wird. Dafür zu sorgen, ist eine Notwendigkeit und darüber hinaus, so möchte ich sagen, eine Verpflichtung, wenn man für die Sicherheit eine entsprechende Verantwortung trägt.


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694. Sitzung / Seite 69

Letzter Punkt: Mir ist es ein Anliegen – der Herr Bundeskanzler hat das ebenfalls bereits zum Ausdruck gebracht –, dass wir im Bereich des Präsenzdienstes ein Angebot machen, nämlich dass wir den jungen Leuten ein Angebot machen, sodass sie gerne einige Monate ihres Lebens beim Bundesheer dienen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Sulzberger.)

Geschätzte Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass wir im Bereich des Präsenzdienstes auch Veränderungen einführen. Ich möchte, dass die Leute am Ende eines Präsenzdienstes sagen: Es war eine sinnvolle Zeit, es war eine wertvolle Zeit, als ich im Präsenzdienst war. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Sulzberger.)

Geschätzte Damen und Herren! Das war ein kurzer Ausschnitt aus der momentanen Situation, was die Herausforderungen des Bundesheeres betrifft. Sie können davon aber deutlich able­sen, dass das Bundesheer mit seinen Fähigkeiten, aber auch in seiner Eigenständigkeit – das möchte ich in besonderem Maße betonen – unverzichtbar ist.

Herr Bundesrat Gudenus hat sich dafür ausgesprochen, dass es nur ein einziges Sicherheits­ministerium geben soll. Dazu muss ich ein klares Nein zum Ausdruck bringen. Es ist nicht gut, wenn die Macht zusammengeführt wird! Das hat in verschiedenen Ländern zu großen Proble­men geführt. Daher werden wir diesen guten Weg, einerseits ein starkes Innenministerium und andererseits ein starkes Verteidigungsministerium zu haben, weiter gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Zum Schluss kommend: Wie bereits erwähnt, ist es das höch­ste Gut, in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben zu können. Ich ersuche Sie alle, im Rah­men eines parteiübergreifenden Konsenses die notwendigen Bestrebungen zu unterstützen. Ich ga­ran­tiere Ihnen, dass das Bundesheer mit den Soldatinnen und Soldaten seinen Beitrag dazu leisten wird, und das Bundesheer wird stets bereit sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.00


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Andreas Schnider. Ich erteile es ihm.

14.00


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine lieben Damen und Herren! Wenn es um Politik geht, geht es um ganz bestimmte Lebensräume, die es zu gestalten gilt – die es von uns hier mitzugestalten gilt –, es geht um bestimmte Zeiten, in denen diese Lebensräume im­mer wieder neu zu verändern sind. Der Mensch von heute steht in einer veränderten Haltung zur Politik. Menschen von heute wollen in erster Linie wissen – und das besonders von uns poli­ti­schen Verantwortungsträgern –, was auf sie zukommt, womit sie in Zukunft rechnen können und auf welchem Lebensbogen sie ihre Lebenszukunft aufbauen dürfen.

Wenn wir heute im Zusammenhang mit den Beziehungen in der Familie, in einer größeren Zu­sam­menschau von Kindern und Familienangehörigen, immer wieder auch von einem Familien­system sprechen, dann müssen wir aber auch in einer ähnlichen Weise von einem Staatssys­tem sprechen lernen. Der Blickwinkel unseres Verantwortungsbewusstseins wird sich dann gründ­lich verändern, denn es gilt dabei, nicht nur an sich und das Heute, sondern im Besonde­ren an die eigenen Kinder und Kindeskinder und an das Morgen zu denken. Das heißt, die Ver­ant­wortung, von der wir heute in der Politik auch hier sprechen und die wir heute zu über­neh­men haben, ist im Grunde genommen gleichzeitig eine Verantwortung, die wir für das Morgen und Übermorgen zu übernehmen haben.

Nicht in Vier-Jahres-Wahlzyklen zu denken, sondern Zeit und Räume in Lebenszyklen zu be­trach­ten, das ist eine veränderte politische Kultur. Es gilt, nicht nur den bereits Lebenden Si­cher­heit zu geben, sondern auch denen, die noch nicht leben, die aber gerne im Morgen, das wir heute hier mitgestalten, leben möchten. So gilt es, dem Menschen von heute deutlich zu machen – ja, zu erklären! –, womit er morgen rechnen kann.


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Mache deine Politik, die du im Heute durchsetzt, für das Morgen berechenbar! – Wenn man das aber will, dann muss man, so glaube ich, ein verändertes Denken bewusst machen, dann muss man die alten Rechenarten der Politik ein für alle Mal verändern.

Was meine ich mit „alten Rechenarten“? – Alte Rechenarten sind zum Beispiel, Dinge immer nur zu addieren, zu subtrahieren oder zu multiplizieren. All das, was wir heute wollen, was wir po­li­tisch beschließen, läuft doch vielfach darauf hinaus, dass wir immer noch etwas dazu­addie­ren, etwas hinzufügen, die Ausgaben verdoppeln und multiplizieren oder einfach etwas ab­schaf­fen und subtrahieren. Das heißt, jede Leistung, jeden Dienst an der Gesellschaft, den wir von der öffentlichen Hand erbringen wollen, müssen wir mit neuen Rechenarten untersuchen oder näher anschauen.

Die neuen politischen Rechenarten, wenn ich das so sagen darf, wären meiner Meinung nach eher, Dinge oder Anliegen miteinander zu vergleichen oder das eine oder andere zu verknüpfen oder die eine oder andere Ressource, die noch nicht entdeckt ist, zu finden, um da und dort auch das eine oder andere zu entlasten. Ich denke, das sind Rechenarten des Menschen, und ich glaube, das sind Rechenarten, die sich auch in diesem Regierungsprogramm wieder finden, denn – und das möchte ich hier auch sagen – ein Regierungsprogramm ist für mich keine Me­nü­karte oder ein Prospekt, in dem Angebote gemacht werden, die eventuell umgesetzt werden oder auch nicht, sondern – und das ist mir dazu eingefallen – das Wort „Programm“, das sich ja aus dem Altgriechischen herleitet – aus dem Wort „prographo“, was so viel heißt wie „vorzeich­nen“ –, bedeutet, solch eine Vorzeichnung zu erstellen. Das zu tun und mit anderen zu be­schließen, bedarf der Zeit – nicht des Sich-Zeit-Lassens, sondern des Sich-Zeit-Nehmens für das Wesentliche in diesem Staatssystem.

Ich glaube, dass wir auch da einiges demokratiepolitisch dazuzulernen haben, wenn wir uns für das Wesentliche, wenn wir uns für einen Vertrag, für den wir uns gemeinsam einsetzen und auf den wir uns einigen, auch Zeit nehmen.

Anhand des Bereiches Bildung sei das in Kürze angedacht und angesprochen: Bildung ist und bleibt das Grundnahrungsmittel einer demokratischen Gesellschaft. Es ist das, was ich immer bei mir habe; weder eine große Erbschaft noch ein volles Sparbuch können Bildung ersetzen. Der Zugang zur Bildung muss jedem Menschen hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Möglich­kei­ten gegeben werden. Ich meine, es gilt ganz einfach, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwä­chen – klare Leistungsstandards sind dafür Voraussetzung. Jedem Menschen ist eine Qua­li­fizierung zu ermöglichen – auch die Möglichkeit einer Teilzertifizierung bedeutet, sich mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu qualifizieren.

Weiters ist eine eindeutige Verknüpfung von Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftspolitik in die­sem Regierungsprogramm ausgewiesen, denn nur diese drei zusammen im Verbund sind Grund­lage für eine gesellschaftliche Entwicklung. Mittel in der Höhe von 700 Millionen € für For­schung, 72 Millionen € für Bildung bis zum Jahr 2006 sprechen doch eine eindeutige Sprache!

Doch das setzt voraus, dass wir auf Qualität in ihrer Sicherung und in ihrer Verbesserung und auf eine Bildung, die ins Leben begleiten will, setzen. Kurz gesagt: Es geht um Lebensqualität, wenn es um Bildungsqualität geht. Hiebei geht es um Menschen, die ihr ganzes Leben lang ler­nen wollen – und das nicht nur im Lebensraum Schule mit einer ganz bestimmten Zahl an Unter­richtsstunden. So muss auch ein Weg gefunden werden, mit dem die immer höher wer­den­de Stundenanzahl in der Schule verringert wird, denn kein Mensch lernt nur in der Schule für das Leben.

Will man das, dann müssen wir wohl auch darüber nachdenken, was wir hier im Bundesrat ein­brin­gen. Frau Ministerin Gehrer hat das im Nationalrat ganz klar gesagt: Sie lädt alle Verant­wor­tungsträger ein mitzutun, denn das hier Vorliegende ist eine – um in meinem Jargon zu blei­ben – Vorzeichnung. Da möchte ich gerne mitdenken. Ich meine, gerade wir, die wir aus den Län­dern kommen und diese hier vertreten, müssen uns zweierlei fragen, nämlich: Ist es nicht häu­fig so, dass die Schule in der gesellschaftspolitischen Wahrnehmung und schließlich auch in


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der Entlohnung eine reine Addition und somit eine Summe von Stunden und Werteinheiten ist? Ist es nicht auch so, dass Schule mehr ist als nur dieses?

Fragen wir uns doch ernsthaft: Was bedeutet es, fächerverbindend zu unterrichten? Oder: Was be­deutet es, fächerübergreifend zu unterrichten? Oder – wie es heute schon angesprochen wor­den ist –: Was bedeutet exemplarisches Lernen? – Hierin liegt wesentliche Zeit, und hierin liegt die Möglichkeit einer Reduktion von Zeit.

Fragen wir uns auch: Wie schauen unsere staatlichen Bildungsziele aus? Sind wir aus den Län­dern mutig genug, Möglichkeiten zu suchen, wie wir wirklich auch vor Ort regionale Leitbilder in enger Vernetzung mit bereits bestehenden Bildungseinrichtungen entwickeln können? Oder wol­len wir bei jedem Studienlehrgang eine neue Bildungseinrichtung schaffen? Wie wäre es, an Hoch­schulen für pädagogische Berufe in einem Hochschulverbund oder Hochschulenverbund zu denken? – Wir brauchen eine Politik, die Freude am Gestalten hat!

Das sollten wir hier auch ausstrahlen, nämlich eine Politik, die in die Zukunft blickt; nicht bloß eine moderierende und analysierende Politik, sondern eine, die es sich zutraut, neu zu denken und neu zu agieren, die es sich zutraut, mit Sozialpartnern, Ländern, Gemeinden und möglichst vie­len Bürgerinnen und Bürgern – und für eine etwas andere Zukunftsgestaltung wären wir hier wesentlich zuständig – eine Reform für Österreich zu initiieren. Nicht umsonst – so hoffe ich – ist gerade vom Bundesrat die Initialzündung für den Österreich-Konvent ausgegangen. Worauf wir dabei aber immer Wert legen müssen, ist, nicht nur die Gegenwart zu berechnen, sondern be­sonders mit der Zukunft zu rechnen. Und auf diese setze ich! (Beifall bei der ÖVP.)

14.11


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich ertei­le ihr dieses.

14.11


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­se­­kre­tärin und ehemalige Bundesratskollegin! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten vor dieser Regierungs­bildung haben wir immer wieder gehört: Wir brauchen eine stabile Regierung – Worte, die wir vor allem aus dem Munde von ÖVP-Regierungsmitgliedern und in erster Linie natürlich auch vom Herrn Bundeskanzler gehört haben. Heute, nicht einmal zwei Wochen nach dieser Re­gierungsbildung, wissen wir bereits, was „stabil“ für die nächste Zeit bedeuten wird: Stabil heißt, dass – und ich sage das wirklich überspitzt, aber ich stehe dazu – die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, beziehungsweise bekommen wir das über das Fernsehen so vermittelt.

Ohne Wenn und Aber hat uns der Herr Finanzminister wissen lassen, dass die Österreicherin­nen und Österreicher vor den Wahlen, nach den Wahlen und bis nach den Regierungsverhand­lun­gen hinters Licht geführt wurden, denn die Steuerreform sei nicht fix. Sie müsse, wie es so schön formuliert wurde, erst erarbeitet werden.

Der Herr Bundeskanzler hat heute mehrmals gesagt, diese Auseinandersetzung sei nur virtuell hochgespielt worden. Wir haben sehr wohl recherchiert, was die einzelnen Regierungsmit­glie­der und was der Herr Bundeskanzler gesagt haben und welche Differenzen und Diskre­panzen dabei herausgekommen sind.

Was heißt: Wir müssen es erst erarbeiten? Wodurch oder womit, frage ich Sie, meine sehr ver­ehr­ten Damen und Herren auf der Regierungsbank, erarbeiten wir uns diese Steuerreform? Viel­leicht durch eine Nichtankurbelung der Wirtschaft, wie es jetzt passiert, oder durch prak­tisch keine Maßnahmen im Arbeitsmarktbereich?

Ich sage es Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir werden uns die Steuerreform durch mehr Selbstbehalte zu erarbeiten haben. – Bitte geht mehr zum Arzt, damit es da höhere Ein­nahmen gibt! Wir werden uns die Steuerreform durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu erarbeiten haben. – Bitte fahrt mehr mit dem Auto, damit wir mehr Cent pro Liter Treibstoff plus Mehr­wert­steuer einnehmen, damit der Herr Finanzminister auf höhere Einnahmen zurückgrei-


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fen kann! Wir werden uns die Steuerreform durch die Streichung der Notstandshilfe zu erarbei­ten haben. Werdet bitte zu Sozialhilfeempfängern, denn dann müssen die Länder und die Ge­mein­den zahlen und nicht mehr der Herr Finanzminister!

So schaut es in Wirklichkeit aus, meine Damen und Herren! Das bedeutet es, in der Realität eine Steuerreform zu erarbeiten oder zu erwirtschaften. So will man es haben.

Ich möchte mich aber bei den nächsten Punkten in erster Linie auf das Regierungsprogramm 2003 bis 2006 beziehen, und zwar auf die geplanten Änderungen – auf die so genannten Refor­men – im Speziellen im Sozial-, Pensions- und Frauenbereich.

Ich komme gleich zu Punkt eins, zur Notstandshilfe. Die Notstandshilfe soll, so heißt es, künftig vom Arbeitsmarktservice weg in Länderkompetenzen überführt werden. Was heißt das, meine Da­men und Herren? – Die Notstandshilfe würde mit der Sozialhilfe gekoppelt werden und müsste von den Ländern und Gemeinden getragen werden. Wenn man weiß, dass die Länder und Gemeinden schon jetzt mit kräftigen Budgeteinbußen auf Grund der zuletzt deutlich zu­rück­gegangenen Ertragsanteile zu kämpfen haben, so ist dies eine weitere große Belastung für Län­der und Gemeinden, die so nicht hingenommen werden kann.

Meine steirischen Kollegen hier im Saal werden mir Recht geben. Wir haben es ja bereits in der Steiermark gehört, Finanzlandesrat Paierl hat vor einer Woche darauf hingewiesen, dass sein Budget für 2003 nicht zu halten sein wird – und das schon zwei Monate nach der Beschluss­fas­sung! Die zuständigen Regierungsmitglieder werden dann ihre Ermessensausgaben um zehn Pro­zent zurückzunehmen haben.

Das heißt aber wiederum, dass viele Projekte im Sozial-, im Gesundheits- sowie im Arbeits­markt­bereich nicht mehr weitergeführt werden können beziehungsweise sehr stark einge­schränkt werden müssen. Da müssen Sie mir Recht geben: Das ist bei uns in der Steiermark der Fall. Das ist schon eine der wenigen Auswirkungen auf Grund dieses Regierungsprogram­mes!

Rechnet man jetzt noch neuerliche Belastungen für die Notstandshilfe hinzu, dann kann man die Auswirkungen auf die Länder und Gemeinden schon jetzt absehen. Ich weiß nicht, wie es in den anderen Bundesländern ist. Bei uns in der Steiermark ist es auf alle Fälle so, dass es einen Aufteilungsschlüssel für die Sozialhilfe gibt: 60 Prozent vom Land, 40 Prozent von den Gemein­den. Und die Gemeinden – ich glaube, Herr Kollege Bürgermeister Gruber hat schon darauf hin­ge­wie­­sen – sehen sich bereits jetzt oftmals außerstande, diese hohen Sozialleistungen zu er­brin­gen beziehungsweise überhaupt einen ausgeglichenen Haushalt zu Stande zu bringen. Neuer­liche Belastungen wie die Notstandhilfe, so meine ich, werden in vielen Gemeinden jegli­che Investitionen für die Bürgerinnen und Bürger unmöglich machen.

In der Steiermark haben wir noch zusätzlich die Auflage – ich weiß nicht, wie es in den anderen Bun­desländern ist –, dass Sozialhilfe, sollte eine Verbesserung in der Einkommenssituation ein­tre­ten, zurückgezahlt werden muss.

Meine Damen und Herren! Was heißt das wieder umgelegt auf eine zukünftige Koppelung der Notstandshilfe mit der Sozialhilfe? – Das könnte bedeuten, dass Männer und Frauen, die vorüber­­gehend oder auch für einen längeren Zeitraum Notstands- beziehungsweise Sozialhilfe­be­zieher sind, bei einem späteren eventuell höheren Pensionsbezug dann die vorher erhaltene Not­standshilfe zurückzahlen müssen. Das kann es nicht sein! Das sind fürwahr „schöne“ Aus­sichten für all jene, die unverschuldet in solch eine Lage kommen. Sie werden zuerst ausge­steuert und dann zu Bittstellern.

Durch die geplante Ausgliederung aus dem AMS wird es wahrscheinlich auch keinen Ver­mittlungs­auftrag mehr für diese Personengruppe geben. Sie werden ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen. Und das trifft eine Gruppe, der eigentlich unser besonderes Augenmerk und unsere ganz besondere Hilfe gelten sollte.


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Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Recht auf Teilzeitarbeit. Das ist heute schon einige Male angeführt worden. Ich muss sagen, es ist zu begrüßen, dass diese langjähri­ge Forderung – vor allem der SPÖ –, Eltern bis zum Schuleintritt ihrer Kinder das Recht auf Teil­­zeit­arbeit zu gewähren und ihnen danach die Rückkehr auf einen Vollzeitarbeitsplatz zu er­mögli­chen, nunmehr in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll.

Doch wie sieht diese Lösung aus? – Die Einschränkung, dies nur jenen Frauen und Männern – es sind ja wirklich nur ein paar Prozent – zu gewähren, die mindestens drei Jahre in einem Be­trieb gearbeitet haben und dieses Unternehmen mindestens 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter be­schäftigen muss, stellt doch eine Diskriminierung sondergleichen dar und schließt von vorn­herein, so meine ich, mehr als die Hälfte aller Frauen dieser betroffenen Personengruppe aus.

Wie sehen Sie das, Frau Staatssekretärin? Was glauben Sie? – Sie müssen mir Recht geben, wenn ich sage: Die Teilzeitarbeit ist weiblich. Das betrifft also in erster Linie Frauen. Es sind sehr viele Frauen in Klein- und Kleinstbetrieben, in Nahversorgungsbetrieben auf dem Land, in Arzt­praxen, in Rechtsanwaltskanzleien und vielen anderen Kleinunternehmen tätig. All diese Frauen haben dann kein Recht auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt ihrer Kinder? Wo ist da die Gleichheit für die Frauen?

Das verstehe ich überhaupt nicht. Es ist mir schon klar, damit wird der Wirtschaft und den Klein­unternehmen geholfen. Aber das ist keine Besserstellung für die Frauen, wie es in der Über­schrift heißt, beziehungsweise nur für einen Teil. Das sind dann privilegierte Frauen. Und was machen die anderen?

Wir alle kennen das aus unseren Gemeinden. Wir haben viele Kleinunternehmen und Nahver­sor­ger, in denen eben nur drei oder vier Frauen – wenn überhaupt; und es sind ja in erster Linie Frauen, die im Handel beschäftigt sind – arbeiten. Diese haben kein Recht auf Teilzeitarbeit. Das ist ungerecht!

Die zwar positive Überschrift „Recht auf Teilzeitarbeit“ allein ist zu wenig. Und wie immer stecken die Hürden, die Barrieren für die Frauen, die wir beseitigen sollten, im Detail, um end­lich eine Besserstellung für die Frauen bei der Vereinbarkeit von Job und Familie zu erreichen. Frau Staatssekretärin! Auch Sie sprechen immer wieder diese Vereinbarkeit an, und auch die Frau Bundesministerin setzt sich immer wieder dafür ein. Ich finde, es ist ein ehrliches Wollen vorhanden, aber solch eine Regelung kann für die Frauen nicht gut sein, wenn sie nur die Hälfte von ihnen umfasst.

Mein Appell an Sie, Frau Staatssekretärin, und an die Mitglieder der Bundesregierung lautet da­her: Schaffen Sie nicht schon wieder eine Kluft zwischen jenen Frauen, die dann das so ge­nannte Privileg des Rechts auf Teilzeitarbeit haben, und jenen, die auf Grund ihrer Be­schäfti­gung in einem Kleinbetrieb dasselbe nicht in Anspruch nehmen können! Wir SPÖ-Frauen wer­den auch Sie, Frau Staatssekretärin, daran messen, wie ernst Sie mit der Gleichheit der Frauen umgehen.

Ein paar Sätze noch zum Problem der Kinderbetreuungseinrichtungen; das ist heute schon des Öfteren angesprochen worden. Kollegin Dr. Hlavac hat auch schon richtigerweise darauf hinge­wie­sen: Es ist zu wenig, wenn im Regierungsprogramm steht, dass den Ländern empfohlen wird, mehr Augenmerk auf die Errichtung weiterer Kinderbetreuungseinrichtungen zu legen. Ich bin schon sehr viele Jahre in diesem Haus und weiß um die Problematik der Finanzierung von Kin­derbetreuungseinrichtungen, aber wir haben es im Jahre 1995 erreicht, zusätzliche Mittel sei­tens des Bundes für Kinderbetreuungseinrichtungen zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch unter Bundesministerin Dr. Helga Konrad haben wir zwar nicht die so genannte „Kinder­garten­milliarde“, aber immerhin 600 Millionen Schilling aus Bundesmitteln lukrieren können und ha­ben das an die Länder weitergegeben, damit Kinderbetreuungseinrichtungen – damals mit nicht so flexiblen Öffnungszeiten – errichtet werden konnten. Und es ist etwas weitergegangen!

Nur zu sagen, wir geben diese Empfehlung an die Länder weiter – Ministerin Dohnal hat schon vor fünfzehn Jahren mittels 15a-Vereinbarungen versucht, die Länder diesbezüglich zu bin-


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den –, so wird es nicht gehen. Wenn der Bund nicht sagt, ich gebe dafür Geld aus, dann wer­den es die Länder von sich aus auf Grund von Empfehlungen sicher nicht machen – noch dazu auf Grund der jetzigen finanziellen Situation in den Ländern.

Noch ein paar Sätze zu den Frühpensionen: Frauen sind nicht nur in den schon von mir aufge­zählten Bereichen, sondern auch von der Abschaffung der Frühpensionen – natürlich ohne Begleitmaßnahmen – massiv betroffen. Frauen würden bei der vorgesehenen Regelung in die Altersarmut fallen, wenn die Frühpensionen, losgelöst von umfangreichen Arbeitsmarkt­maß­nah­men, abgeschafft werden.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich be­fürchte, dass durch die plötzliche Anhebung des Frühpensionsalters ohne weitere Maß­nah­men pro Jahr 20 000 bis 30 000 ältere Arbeitslose dazu kämen. Es ist einfach absurd, das Pen­sionsalter immer weiter hinaufsetzen zu wollen, aber keinen Lösungsansatz für die immer stär­ker steigende Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzubieten. Diese Problematik der ungleichen Chancen wird weder durch eine vorzeitige Angleichung noch durch ein Hinaufsetzen des Pensionsalters gelöst.

In einer Wochenzeitschrift sagte Frau Bundesministerin Rauch-Kallat – ich zitiere –: Die Öster­rei­cherin­nen wollen immer weniger eine Politik für Frauen, sondern vielmehr eine von Frauen gemachte Politik. – Hier muss ich leider widersprechen – ich kann es ihr leider nicht persönlich sa­gen –, ich sage: Die Österreicherinnen wollen eine Politik für Frauen, natürlich von Frauen gemacht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile es ihr.

14.25


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Auf Grund der schon sehr emotionsgeladenen Kommentare zum Regierungsprogramm wer­de ich nur auf einige mir wichtig erscheinende Punkte eingehen, die, wie ich meine, die Österreicherinnen und Österreicher besonders betreffen, weil sie eigentlich fast jeden berüh­ren – ob jung, ob alt, ob reich, ob arm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind natürlich die Pensionen, und das ist die Ge­sund­heit. Wir haben heute schon davon gehört, dass es demographische Veränderungen gege­ben hat beziehungsweise geben wird. Die Menschen werden glücklicherweise immer älter, wir müssen aber auch damit rechnen, immer mehr Geld für kostspielige medizinische Behandlun­gen auszugeben. Es ist klar, dass wir alle keine Zwei-Klassen-Medizin haben wollen, dass wir dem gemeinsam eine Absage erteilen.

Ich meine, wenn wir diesen Bereich als wichtig erachten und wenn wir auch erkennen, dass wir die Pensionen unserer Kinder zu sichern haben, dass wir ihnen einen intakten Staat hinterlas­sen müssen, dann müssen wir ein Maßnahmenprogramm erlassen. Es wäre unverantwortlich von jeder Regierung, wie auch immer sie ausschauen würde, wenn sie sich von diesen Pro­ble­men zurückziehen und diese wiederum auf die nachfolgende Regierung schieben würde. Daher ist es fast eine Conditio sine qua non, in diesem Regierungsprogramm unpopuläre Maßnah­men zu verabschieden. Es wäre noch viel unpopulärer und vor allem unverant­wortlicher, wenn wir dies nicht täten, weil dann würden sich die Probleme multiplizieren oder potenzieren, und dann stünde fast jede Regierung vor der Situation, dass es keine Lösungsmöglichkeiten mehr gibt.

Dennoch gebe ich natürlich auch den Kritikern Recht, die sagen, man kann die Frühpensionen nicht sukzessive abschaffen beziehungsweise reduzieren und gleichzeitig keine einschleifenden oder flankierenden Maßnahmen setzen. Ich gebe ihnen Recht: Da sind selbstverständlich Maß­nahmen zu setzen. Dem Regierungsprogramm ist aber auch zu entnehmen, dass solche vorge­sehen sind. Ich sehe es auch als – vielleicht neuere – Aufgabe der Parlamente an, die Regie­rung sehr genau zu beobachten, ob das, was am Papier steht, auch in den nächsten Monaten


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und Jahren umgesetzt wird. Ich sehe es durchaus auch als Aufgabe von uns allen, egal welcher Fraktion wir angehören, an, entsprechend als Controller an der Seite zu stehen und zu beobachten, ob für die Menschen tatsächlich Erleichterungen umgesetzt werden.

Eines ist auch klar: Wir können nicht nur Maßnahmen, die für die Betroffenen erschwerend sind, be­schließen. Wir haben selbstverständlich auch das, was wir versprochen haben, was den Men­schen zur Erleichterung dient, umzusetzen. Daher ist es mir persönlich besonders wichtig – und ich werde mein Augenmerk darauf richten –, dass eine Steuerentlastung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Steuerquote in Österreich – das wurde heute bereits erwähnt – gehört zu den höchsten in Europa; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Wir haben den Menschen versprochen, dass wir sie entlasten werden, dass die Steuerquote letztlich in zwei Etappen auf 40 Prozent gesenkt wird. Das ist zwar noch immer eine hohe Quote, aber das wäre eine doch spürbare Entlastung für die Betriebe, aber natürlich vor allem für die Menschen, die in diesen Betrieben tätig sind.

Weiters möchte ich noch zum Thema Frauen etwas sagen, weil sich Kollegin Schicker zu die­sem Thema besonders geäußert hat. Auch mir liegt dieser Bereich sehr am Herzen. Ich möchte aber vorweg etwas sagen: Herr Vizekanzler Haupt hat als Frauenminister entgegen aller Un­ken­rufe, die zuerst gekommen sind – unerwartet und nicht vorhersehbar –, sehr gute Arbeit ge­leistet, vielleicht weil er als Mann bestimmte Bereiche anders gesehen hat und unbefangener an die ganze Sache hergegangen ist, als es früher schon Frauen in dieser Position getan ha­ben, die zwar Frauen waren, aber nicht unbedingt Frauenpolitik mit aller Konsequenz umsetzen konnten. (Bundesrätin Schicker: Es ist nichts passiert in dieser Zeit! Was ist denn umgesetzt worden? – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich widerspreche mir dabei nicht.

Ich sage Ihnen gerne, was er umgesetzt hat. Sie werden wohl nicht in Abrede stellen, dass wir heute im Bereich der Familienförderung Vorbildwirkung in ganz Europa haben. Und das war mit einem Frauenminister Haupt erreichbar. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Sie verwechseln Frauen- mit Familienpolitik!) – Ich verwechsle nicht Frauen- mit Familienpolitik, aber dass die Frau einen Teil der Familie darstellt, das werden Sie mir auch nicht in Abrede stel­len können. (Bundesrätin Schicker: Aber das gehört nicht zum Aufgabengebiet des Frauen­ministers! Das wissen Sie auch!)

Die Frauenbeschäftigung hat sich in den letzten zwei Jahren erhöht; der Herr Vizekanzler hat Ihnen den Prozentsatz genau mitgeteilt. Wir haben derzeit die dritthöchste Beschäftigungsquote in der EU. Das ist weitaus mehr, als es unter anderen Frauenministerinnen der Fall war.

Ich gebe Ihnen aber Recht, wenn Sie sagen, dass hinsichtlich der Ausbildung der Frauen noch einiges geschehen muss und dass wir vor allem auch das Gender Mainstreaming in allen Berei­chen umzusetzen haben. Wir stehen erst am Beginn dieser Maßnahme, deren Auswirkungen wahrscheinlich erst in den nächsten Jahren zu spüren sein werden.

Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sagen, dass wir verstärkt bei den jungen Mädchen und bei den Schülerinnen die mathematisch-technische Kompetenz zu stärken haben. All diese inter­na­tionalen Studien wie TIMSS oder PISA zeigen uns, dass wir da einen Nachholbedarf haben. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Unterrichtsministerin Geh­rer ebenfalls diese Intention hat, sodass wir in Gemeinsamkeit diesbezüglich in den nächsten Jah­ren durchaus etwas erreichen können.

Zur Teilzeit: Ich meine, dass wir trotz des grundsätzlichen Einverständnisses, dass Frauen ein Recht auf Teilzeit haben – und wir begrüßen das –, sehr wohl auch die wirtschaftliche Proble­ma­­tik im Auge haben müssen. Wenn Sie mir sagen, dass ein Betrieb mit zwei oder drei Be­schäf­tig­ten einen Rechtsanspruch zuerst auf Teilzeit und dann auf Rückkehr in ein Vollbe­schäfti­gungsverhältnis gewährleisten muss, dann muss ich Ihnen sagen, bitte rechnen Sie mir das vor. Das wird ein organisatorisches Problem sein. Aber ich gebe Ihnen auch Recht, dass wir nicht zwei ver­schie­dene Arten von Frauen schaffen sollen. Wir müssen uns überlegen, wie wir einen Aus­gleich schaffen können. Dass das natürlich nicht ohne organisatorische Verände-


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rungen und viel­leicht zusätzliche Förderungen möglich sein wird, ist auch klar, und dabei werden Sie mir wahrscheinlich Recht geben. Der Betrieb wird das sonst nicht tragen können, und dann werden einfach keine Frau­en mehr eingestellt werden. Das hat dann einen negativen Effekt, weil ... (Bundesrat Konecny: Haben Sie das schon mit dem Finanzminister abgeklärt?)

Zum Finanzminister habe ich mich schon geäußert – da haben Sie, glaube ich, noch Zeitung ge­lesen. Ich habe Ihnen gesagt, dass mir die Steuerentlastung sehr wichtig ist, Herr Professor Konecny! (Bundesrat Konecny: Sie haben gesagt: zusätzliche Unterstützungen!) Ich freue mich, dass wir in Ihnen auch einen Unterstützer in der Frauenpolitik gefunden haben, Herr Pro­fessor Konecny! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich werde Ihr Verhalten auch in Zukunft daran messen. (Bundesrat Konecny: Das dauert lange, bis Sie draufkommen, aber fraktionsintern ist das bekannt!)

Die erste Etappe der Steuerentlastung ist eine große Hilfe gerade für Frauen, weil die Gruppe der unteren Einkommensbezieher bedauerlicherweise noch immer zu zwei Dritteln aus Frauen be­steht. Daher ist die Umsetzung ganz wichtig und muss diese Steuerreform rechtzeitig – und da wende ich mich an Herrn Staatssekretär Morak als Vertreter des Kanzlers – eingefordert wer­den.

Ich sage es noch einmal: Ich werde hier von dieser Kanzel aus das sehr wohl einfordern – das ist keine Büttenkanzel, aber immerhin (Heiterkeit bei der SPÖ) –, denn es kann nicht sein – und das betone ich noch einmal –, dass man den Leuten die Belastungen ankündigt und diese auch um­setzt und die Entlastungen aufgeschoben werden. Dafür werde ich mich sicherlich nicht her­ge­ben, und ich bin überzeugt davon, meine Fraktion ebenfalls nicht. (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

Bildung und Forschung wurden schon erwähnt; ich kann das nur unterstreichen. Für mich ist es sehr wichtig, dass ein Land – und auch da beziehe ich mich wieder auf die Frauen – einen ho­hen Ausbildungsstand hat, um auch die Wirtschaftskraft zu erhalten und auszubauen. Nur gut ausgebildete Menschen sind ein Garant dafür, dass entsprechende Arbeitsplätze in einem Staat geschaffen werden können und dass es auch ein hohes Einkommensniveau gibt.

Einen Aspekt möchte ich noch erwähnen, weil Kollege Schennach die Volksgruppen ange­spro­chen und gesagt hat, wir würden in Kärnten die Volksgruppen zu wenig beachten. Ich würde mir wünschen – leider ist Kollege Schennach jetzt nicht da –, dass die anderen Staaten, die jetzt in den europäischen Raum eintreten werden, mit den italienischen, mit den tsche­chischen und mit den rumänischen Volksgruppenangehörigen in dieser Weise umgehen würden, wie Kärnten das mit den Slowenen tut. Ich würde mir wünschen, dass es nur annähernd so wäre, denn dann könn­­ten wir von einem friedlichen Miteinander, von einem demokratischen Miteinander in die­sem Bereich reden. Ich und meine Fraktion werden hier ebenfalls darauf schauen, dass die ent­spre­chenden Maßnahmen, die im Regierungsprogramm dazu enthalten sind, auch umge­setzt werden.

Das heißt also, dass wir darauf achten werden, dass all das, was mit den Beneš-Dekreten be­zie­hungs­weise mit entsprechenden Forderungen verbunden ist, auch in Zukunft eingehalten wird und dass wir in Europa den Volksgruppen das Recht geben, so zu leben und ihre Kultur zu pflegen, wie das in Kärnten bei den Slowenen oder in Burgenland bei den Kroaten der Fall ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines möchte ich noch sagen, weil mir das als Kärntnerin doch am Herzen liegt: Ich weiß schon, dass das nicht unbedingt im Regierungsprogramm stehen kann, aber mir ist es schon wichtig, dass die Kärntner Forderungen, die teilweise schon in früheren Jahren paktiert wurden, zum Beispiel betreffend Infrastruktur, auch von der neuen Regierung umgesetzt werden, denn es kann nicht so sein, dass gewisse Bundesländer schlechter gestellt sind als andere. Das erwarte ich mir, auch wenn wir jetzt einen neuen Infrastrukturminister haben, der kein Kärntner ist. So viel Fairness, so viel Gleichheitsdenken erwarte ich mir auch in Zukunft. Das heißt, die Förderungen sollen auch in Zukunft dort hinfließen, wofür sie bereits beschlossen wurden. Ich


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mei­ne auch, dass eine endgültige Lösung für die Doppelmaut in Kärnten getroffen werden muss, weil es nicht angeht, dass einige mehr bestraft werden als die anderen.

Abschließend: Herr Professor Konecny hat auf den „Stern des Südens“ verwiesen. Ein Stern ist doch immer eine Orientierungshilfe, wenn die Nacht sehr dunkel ist. (Ruf bei der SPÖ: Er ver­blasst, dieser Stern!) In diesem Sinne sehe ich das direkt als Positivum (Beifall bei den Frei­heitli­chen), wenn die Orientierungshilfen von Kärnten entsprechend angenommen werden, wenn die Nacht dunkel sein sollte. Ich glaube – auch das hat Vizekanzler Haupt schon sehr deut­lich gesagt –, es soll jedem Landeshauptmann unbenommen bleiben, die Interessen seines Landes zu vertreten, und das wird auch der Kärntner Landeshauptmann in Zukunft machen. Ich glaube, es ist gar nicht schlecht, wenn er manchmal die soziale Reißleine etwas zieht, um die Interessen der Bevölkerung und jener Menschen zu schützen, die am schwächsten sind und sich selbst nicht schützen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.38


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin außer Dienst Staatsse­kre­tärin Ursula Haubner. Ich erteile ihr das Wort. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei den Frei­heitli­chen.)

14.38


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haub­ner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Kollegen von der Regierung! Meine Da­men und Herren des Bundesrates! Ich freue mich wirklich, dass ich heute nach sieben Jahren wie­der die Möglichkeit habe, im Bundesrat mein Wort zu erheben – zwar von der anderen Seite aus, aber ich freue mich, hier meine Rede als neue Staatssekretärin vor Ihnen halten zu kön­nen, denn meine Erinnerungen an meine Arbeit im Bundesrat in den Jahren von 1994 bis 1996 sind durchaus positiv.

Als Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen – und ich hoffe sehr, dass ich Herrn Kollegen Gruber seine so sehr geschätzte Staatssekretärin für Tou­ris­mus auch in diesem Bereich gut ersetzen kann – erstreckt sich mein Zuständigkeits­be­reich auf den Bereich Familie, Jugend, Senioren und Konsumentenschutz. Ich kann in diesem Be­reich auf großartige Reformen aufbauen, die Vizekanzler Haupt umgesetzt hat. Und ich möchte auch sagen, weil es heute schon angeklungen ist: Vizekanzler Haupt redet schön und lang, das stimmt, aber er arbeitet auch sehr intensiv, sehr schön und sehr hart.

Ich erinnere nur daran, was er alles in seinem Ressort gemacht hat. Es waren dies: die Ein­füh­rung des Kinderbetreuungsgeldes, die Einführung der „Behindertenmilliarde“, um Menschen mit be­sonderen Bedürfnissen im Arbeitsleben besser verankern zu können, die Einführung der pen­sions­be­gründenden Kindererziehungszeiten, die Erhöhung der Familienbeihilfe, die Erhöhung des Mehrkinderzuschlages und vieles mehr. Ich kann also in einem wohl bestellten Haus wei­terarbeiten.

Für mich hat dieses Regierungsprogramm ein großes Ziel: die Zukunft aller Generationen durch recht­zeitiges Handeln nachhaltig sicherstellen. Für mich ist dieses gesamte Regierungspro­gramm ein stimmiges und vor allem ein sehr ganzheitliches Programm. Lassen Sie mich nur ein Beispiel sagen: Wenn in einem Kapitel die Anhebung der Frauenbeschäftigungsquote auf über 60 Prozent festgeschrieben ist, dann sind im anderen Kapitel, nämlich im Kapitel „Familie“, Maß­­nahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitszeitregelungen enthalten, denn beides ist notwendig, das eine ist ohne das andere nicht möglich.

Damit bin ich schon bei dem Beispiel, das Sie, liebe Frau Kollegin Schicker, gebracht haben: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist der zentrale Punkt einer Familienpolitik, die sich an der Realität orientiert. Hier gibt es natürlich sehr viel zu tun. Sie haben den Anspruch auf Teil­zeit angesprochen. Korrekterweise muss man sagen, es heißt: Anspruch auf Teilzeit und flexib­le Arbeitszeitmöglichkeiten. Ich habe gerade in den Verhandlungen und Vorverhandlungen zu diesem Regierungsprogramm immer wieder gesagt, dass Teilzeit nicht die Lösung des Pro­blems betreffend die nachhaltige Sicherung der Frauen auch im Alter ist, denn sehr oft ist es so, dass es nicht die Summe der Zeit ist, die Frauen belastet, sondern die Ar­beits­zeit, die ihnen die


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Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ermöglicht. Daher haben wir Freiheitliche das in das Regierungsprogramm hineinreklamiert.

Es ist mir auch bewusst, dass wir nicht zwei Klassen von Müttern oder Vätern schaffen dürfen: von denjenigen, die das Glück haben, in Großbetrieben zu arbeiten, und denjenigen, die – unter An­führungszeichen – das „Unglück“ haben, in kleinen Betrieben zu arbeiten. Daher haben wir in die­sem Regierungsprogramm festgeschrieben, dass parallel dazu, bevor dieser Anspruch auf Teilzeit eingeführt wird, eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Sozialpartnern installiert wird, die Anreize und Initiativen ausarbeiten soll, wie in kleineren und mittleren Betrieben dieses Pro­blem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für die Zeit bis zum Schuleintritt der Kin­der, gelöst werden kann. Das war unsere freiheitliche Forderung, weil wir gesagt haben, die eine Maßnahme wäre zu einseitig, da müssen wir noch etwas dazutun. (Beifall bei den Frei­heitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

Der zweite Bereich, der mir auch sehr wichtig erscheint, ist die Kinderbetreuung. Wir können nicht umhin: Kinderbetreuung ist Länderkompetenz. Das heißt jetzt nicht, dass sich der Bund da­­von verabschieden soll, aber ich glaube, die so viel gepriesene „Kindergartenmilliarde“ hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie nicht der Stein der Weisen war. (Bundesrätin Schicker: Aber sie hat viel weitergebracht!) Ich weiß es aus Oberösterreich, aber auch aus anderen Bun­des­ländern: Es war so, dass die Länder diese „Kindergartenmilliarde“ mitfinanzieren mussten, was viele Länder einfach nicht gemacht haben. Daher ist sehr viel Geld in Wien liegen geblie­ben und nie dort eingesetzt worden, wo es eigentlich hätte eingesetzt werden sollen.

Daher halte ich wesentlich mehr davon, dass die Länder, die sich jetzt auf Grund der Neure­ge­lung der Kinderbetreuung, auf Grund der Neuregelung beim Kinderbetreuungsgeld in den ersten drei Jahren einiges ersparen, dieses Geld nehmen und für bedarfsgerechte Kinder­be­treu­­ungseinrichtungen verwenden und der Bund die Länder bei Projekten, die innovativ sind, die neu sind, wie altersgemischte Gruppen und Ähnliches, auch entsprechend unterstützt. Das, glau­be ich, ist zielorientiert, lösungsorientiert und ganzheitlich.

Meine Damen und Herren! Familienpolitik – das habe ich schon gesagt – ist ein zentraler Punkt dieses Regierungsprogrammes, denn Familie hat nicht nur für die Menschen in unserem Land einen großen Stellenwert, sondern wir wissen, ohne Familie ist die Gesellschaft nichts, ohne Fa­milie geht es auch unseren Kindern nicht gut. Daher werden wir im Rahmen unseres Pro­gramms auch sehr stark auf die Rechte der Kinder schauen, wir werden demnächst die Kinder­rechte in unserer Verfassung verankern. Wir werden im Bereich der Sucht- und Drogenpräven­tion weiterarbeiten. Ein besonderes Anliegen ist mir auch die Bewältigung der Problematik der Ge­­walt von Jugendlichen und gegen Jugendliche. Hier, denke ich, ist gut begonnen worden, aber da müssen wir noch sehr viel weiterbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bun­des­räten der ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Bachner.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Dieses Regie­rungs­pro­gramm ist ein Plädoyer für eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik, denn wir al­le wissen, dass Familie eine Schlüsselrolle in unserer sozialen Sicherheit spielt. Im Sinne einer umfassenden Generationenpolitik ist der uns allen bekannte demographische Wandel kei­ne Bedrohung für uns, sondern eine Bereicherung. Die steigende Lebenserwartung, die wir dem wissenschaftlichen, medizinischen und vor allem gesundheitspolitischen Fortschritt ver­dan­ken, ist unbestreitbar eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit.

Gesund, selbstbestimmt und gesellschaftlich integriert alt zu werden, das ist eine Perspektive, die wir als Politikerinnen und Politiker aller Couleurs nicht aus den Augen verlieren dürfen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich sage daher auch, neue und zukunftsorientierte Seniorenpolitik darf sich nicht nur auf die wichtigen Fragen der Alterssicherung und auf die wichtigen Fragen der Gesundheitsausgaben be­schränken, sondern muss auch das Handlungsfeld und den Spielraum der Förderung der Emanzi­pation und vor allem der Integration der älteren Menschen in allen Bereichen unserer Gesellschaft sehen.


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Wir haben daher unter anderem im Regierungsprogramm festgeschrieben, dass die Seniorin­nen und Senioren in der Durchsetzung ihrer Rechte auch in Form einer so genannten Senioren­an­waltschaft unterstützt werden sollen. Das, was sich im Bereich der Frauen in Form der Gleich­be­handlungsanwaltschaft, bei der Jugend in Form der Jugendanwaltschaft sehr gut be­währt hat, sollte, so denke ich, auch für die Seniorinnen und Senioren zur Durchsetzung ihrer Rechte eingerichtet werden.

Aber nicht nur den Senioren, sondern allen Menschen dient die Rechtssicherheit durch den Kon­­­sumentenschutz. Konsumentenschutz wird immer wichtiger, denn durch den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Union tun sich für uns alle sehr schwierige Si­tuatio­nen auch in diesem Zusammenhang auf. Die Sicherstellung eines effizienten, bürger­na­hen und vor allem unabhängigen Konsumentenschutzes im Informations-, Beratungs- und Rechts­durchsetzungsbereich wird mir ebenso ein großes Anliegen sein wie meinem Vorgänger, Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas über die Freiwilligen sagen, denn gerade auch den Freiwilligen, der Freiwilligenarbeit hat sich diese Regierung ver­schrie­ben. Wenn Sie an die Hochwasserkatastrophe im Vorjahr und an den Einsatz der vielen frei­willigen Helferinnen und Helfer denken, dann ist es, glaube ich, notwendig und legitim, dass sich diese Regierung auf die Einrichtung eines so genannten Freiwilligenrates festgelegt hat. Wir haben somit den Wunsch der Freiwilligen selbst erfüllt, denn sie werden damit erstmals in einer Bundesregierung eine Stimme, eine Interessenvertretung und vor allem eine Plattform haben, wo sie sich vernetzen können.

Die Leistungen der Freiwilligen sind in jeder Hinsicht unbezahlbar. Würde man das Arbeitsvolu­men der ehrenamtlichen Arbeit auf ganztags beschäftigte Personen umlegen, dann ergibt das bei vorsichtigen Schätzungen ein Arbeitsvolumen von 32 Millionen Stunden pro Woche, was et­was mehr als 900 000 Ganztagsbeschäftigten entspricht. Wir sehen, hier ist ein soziales Poten­zial, das wir uns als Republik Österreich erhalten müssen.

Meine Damen und Herren! Hinter Zahlen, hinter Programmen steht immer Leben, Leben von Men­schen, Leben von Frauen, von Männern, von Kindern, von Jungen und von Älteren, und die­sen Menschen ist die Regierung verpflichtet. Ich persönlich hatte immer das Motto „den Men­schen verpflichtet“, und ich freue mich sehr, dass das auch in diesem Regierungsprogramm zum Ausdruck kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich werde mit meinen Kolleginnen und Kollegen diesem Motto auch folgen, vor allem im Bereich der Generationen- und Konsumentenpolitik, und ich lade die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition sehr herzlich ein, sich mit ihrer sehr konstruktiven Kritik an all den Dingen zu beteili­gen, bei denen sie glauben, dass es keine Chancengleichheit, keine Chancengerechtigkeit zwi­schen Frauen und Männern oder zwischen den Generationen gibt, denn letztendlich wollen wir alle das Gleiche: das Beste für die Menschen in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.51


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Paul Fasching. Ich ertei­le es ihm.

14.51


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf eingangs meiner Ausführungen ein schlichtes, aber einfaches und herzliches Danke­schön sagen, ein Dankeschön dem Agrarminister außer Dienst Willi Molterer für seine jahre­lange Tätigkeit im Interesse der österreichischen Bäuerinnen und Bauern. (Beifall der Bundes­rätin Fösleitner.)

Ich glaube, er hat nicht nur durch Jahre hindurch gezeigt, dass er ein profunder Kenner der Agrar­wirtschaft ist, sondern er hat auch viele Dinge erledigt, die heute unseren Bäuerinnen und Bauern zu Gute kommen. – Danke schön, Willi Molterer! (Beifall bei der ÖVP.)


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Dem neuen Agrarminister darf ich recht herzlich gratulieren. Dipl.-Ing. Sepp Pröll ist ein Kenner der bäuerlichen Szene, ein Mann, der von der Basis kommt, der weiß, wo die Sorgen und Pro­bleme der Bäuerinnen und Bauern liegen. Wir werden dir, lieber Herr Minister, sicherlich so gut wie möglich auf diesem Weg helfen. Viel Glück für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Heute hat es sich wie ein roter Faden in der Diskussion durchge­zogen, dass die Opposition und in besonderer Weise die Sozialdemokraten darüber jammern, dass sie nicht in der Regierung sind. Ich habe einen guten Spruch gefunden und möchte es eigentlich dabei belassen. Dieser lautet: Der Erfolg bietet sich meist denen, die kühn handeln, nicht denen, die alles wägen und nichts wagen wollen. – Ich glaube, dass damit gesagt ist, dass der Herrgott vor dem Preis den Schweiß gesetzt hat und dass man ohne Fleiß sicherlich keinen Preis ergattern kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Regierungsprogramm bekennt sich die Bundes­re­gie­rung zu einer starken österreichischen Land- und Forstwirtschaft, deren Leistungen gerechte Einkommen gegenüberstehen. Diese gewährleistet die Versorgung der Bevölkerung mit siche­ren Nahrungsmitteln von höchster heimischer Qualität. Darüber hinaus erbringt sie unver­zicht­bare Dienste im Rahmen der nachhaltigen Bewirtschaftung unserer natürlichen Ressour­cen und für die Entwicklung des ländlichen Raumes.

Das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung bietet eine gute Basis für die Um­setzung der agrarpolitischen Schwerpunkte. Erlauben Sie mir daher, dass ich auf einige wichti­ge Eckpfeiler dieses sehr ehrgeizigen Programmes näher eingehe.

Unsere Bäuerinnen und Bauern sind mit ihren Familien das Rückgrat des ländlichen Raumes. Ihre Produktion ist die Grundlage für die regionale Wertschöpfung. Die Sicherung der Einkom­men der ländlichen Familien ist und bleibt uns ein wichtiges Anliegen. Der Schwerpunkt ist da­her das 3-Milliarden-€-Paket, welches die Finanzierung der Leistungsabgeltung und Direkt­zah­lun­gen an unsere landwirtschaftlichen Betriebe in den nächsten vier Jahren sicherstellt. Damit wird eine der Hauptforderungen der Landwirtschaft in dieser Legislaturperiode umgesetzt.

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt im Koalitionsabkommen der neuen Bundesregierung ist aus Sicht eines Bauernvertreters natürlich die Fixierung der Preissenkung für Agrardiesel auf ein kon­kurrenzfähiges Niveau im Rahmen der Steuerreform. Dadurch werden eine langjährige For­derung und ein zentrales Anliegen der bäuerlichen Interessenvertretung erfüllt. Damit unsere Bauernfamilien angesichts der großen Herausforderungen im Hinblick auf die EU-Erweiterung davon profitieren können, wird auf eine rasche Umsetzung besonders geachtet.

Österreichs Position als europäisches Bioland soll weiter ausgebaut werden. Das österreichi­sche Bio-Aktionsprogramm soll fortgesetzt werden. Weiters soll die Schaffung eines EU-Bio-Aktions­planes forciert werden. Die vorrangigen Ziele sind die langfristige Erhaltung einer le­bens­werten Umwelt mit gesunden Böden, klarem Wasser und gesunder Luft sowie die Pro­duk­tion von gesunden und geschmackvollen Lebensmitteln.

Ein weiterer zentraler Punkt des Koalitionsabkommens ist der Ausbau der Biomassenutzung. Bis 2010 soll der Biomasseeinsatz um 75 Prozent erhöht werden, und der Öko-Stromanteil soll bis 2008 auf 78 Prozent gesteigert werden. Zur Förderung biogener Treibstoffe sind der Mine­ralöl­wirtschaft Quoten analog dem Quotensystem der Elektrizitätswirtschaft vorzuschrei­ben.

Diese im Regierungsprogramm festgeschriebenen Maßnahmen sind als überaus positiv zu wer­ten, weil damit, meine Damen und Herren, bäuerlichen Betrieben neue Einkommens­pers­pekti­ven eröffnet werden beziehungsweise neue Einkommenschancen für die heimische Land- und Forstwirtschaft entstehen werden und gleichzeitig ein wesentlicher Schritt zur Erreichung des Kyoto-Zieles gesetzt wird. Durch diesen Ausbau der Bioenergie sind weitere 15 000 Ar­beits­plätze möglich.

Das Regierungsprogramm enthält auch eine klare Position zur Reform der gemeinsamen EU-Agrar­politik. So tritt die Bundesregierung für eine Verankerung des europäischen Landwirt­schafts­­mo­dells in der Verfassung der EU ein. Weiters wurde festgehalten, dass für allfällige


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Preis­senkungen bei gemeinsamen Marktorganisationen entsprechende Kompensationszahlun­gen vorzusehen sind.

Meine Damen und Herren! Zur Stärkung des ländlichen Raumes soll im nächsten Finanzaus­gleich ein aufgabenorientierter Bevölkerungsschlüssel anstatt des bisherigen abgestuften Schlüs­­sels eingeführt werden.

Die Entwicklung des ländlichen Raumes soll als zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik aus­ge­baut werden. Dieser richtungsweisende Schritt ermöglicht es Österreich, eine Reihe wichtiger Maßnahmen umzusetzen und weiterzuentwickeln, um spezifische Benachteiligungen in den ländlichen Gebieten abzubauen und regional wirtschaftsbelebende Akzente zu setzen.

Als eine soziale Errungenschaft ist die weitere schrittweise Senkung des fiktiven Ausgedinges für Bauernpensionisten anzusehen. Jeder österreichische Pensionist soll über ein Mindestein­kom­men in der Höhe der Ausgleichszulage verfügen können. Für Bauernpensionisten, meine Damen und Herren, mit niedrigen Pensionen ist dies auf Grund einer überhöhten Anrechnung von Ausgedingeleistungen nicht mehr gewährleistet. Um die finanzielle Mindestabsicherung der Bauernpensionisten zu gewährleisten, muss das fiktive Ausgedinge entsprechend den realen Verhältnissen weiter gesenkt werden.

Um den zunehmenden Bedarf an qualitativ hochwertiger Pflege und medizinischer Versorgung der älteren Generation zu sichern, wird es auch notwendig sein, die Krankenversicherungs­beiträge für Pensionisten in Jahresschritten um 0,25 Prozent auf 4,75 Prozent anzuheben. Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass ein dementsprechendes Gesundheitssystem und der medizinische Fortschritt für unsere ältere Generation aufrechterhalten werden können. Man muss sich auch zu dieser Maßnahme bekennen.

Überaus positiv zu bewerten sind die im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung, wie etwa die europaweite einheitliche Zulassung und Besteuerung von Betriebsmitteln und Tierarzneimitteln, die Harmonisierung und Zusammenführung von Kon­trol­len oder die automatische Antragstellung bei Tierprämien.

Die im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft sind sehr zu begrüßen, weil sie unseren fleißigen Bäuerinnen und Bauern neue Zukunftschancen ein­­räumen und den erfolgreichen österreichischen Weg der familiär geprägten Landwirtschaft stär­ken. Diese Bundesregierung wird die notwendigen Reformen gerecht und nachhaltig um­setzen, um eine gute und sichere Zukunft für Österreich möglich zu machen. Das Ziel ist, im Jahr 2010 unter die drei besten Länder Europas zu gelangen. Das bedarf mancher Anstren­gung, aber das Ziel ist es wert. Österreichs Bäuerinnen und Bauern werden diesen Weg mit der Bundesregierung mitgehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

15.00


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Günther Molzbichler. Ich erteile es ihm.

15.00


Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kollegen des Bundesrates! Ich möchte heute eigentlich nicht auf Details dieser Regierungserklärung eingehen, sondern ich sehe das eher global und werde darlegen, warum ich nicht glaube, dass diese Regierung lange halten wird. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Ist das ein Wunschtraum?)

Das ist kein Wunschtraum! Ich erwähne an dieser Stelle nur die Entwicklung in Kärnten. Wie Ihnen bekannt ist, haben wir vor einer Woche gewählt. Die Freiheitliche Partei – in unserem Bundesland wird sie immer als Hochburg bezeichnet! – hat eine schwere Schlappe erlitten. In den Bezirksstädten hat die SPÖ bis zu 70 Prozent gewonnen – und die Freiheitliche Partei hat teilweise bis zu 14 Prozent verloren! In meiner Heimatstadt, in Spittal a. d. Drau, wo Vizekanzler


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Herbert Haupt herkommt, wurde die Fraktion halbiert. Ich bin auf meine Kollegen in Spittal, ja in ganz Kärnten sehr stolz, denn ich glaube, dass unser Weg längerfristig der richtige ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Publikation der Jubelbroschüren des Landeshauptmannes über das Resümee des Jahres 2000 hat nichts geholfen. In einer Broschüre mit 115 Seiten wurden 130 Fotos des Landeshauptmannes abgebildet! – Wenn das kein Personenkult ist, dann frage ich Sie, was ist es dann! (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Haben Sie sie gezählt?) – Ich habe sie gezählt, genau!

Liebe Frau Kollegin Kanovsky-Wintermann! Wenn Sie vom „Stern des Südens“ gesprochen haben, dann muss ich schon sagen: Er verblasst, liebe Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Kanovsky-Wintermann! Sie haben Herrn Vizekanzler Haupt bezüglich seiner Funktion als Frauenminister angesprochen: Es ist eigentlich schon traurig, dass in Österreich, wo es mehr Frauen als Männer gibt, ein Mann die Frauen vertreten muss! (Ruf bei der ÖVP: Das ist Geschichte!)

Sie lenken immer von dieser Wahlniederlage in Kärnten ab, es wird nicht über das Wahl­ergebnis gesprochen. Hingegen ist wieder von einem Freistaat die Rede, was Kärnten angeht; das haben wir schon vor zehn Jahren gehabt. Das geht so weit, dass es wahrscheinlich eine eigene Währung in Kärnten geben wird, wenn der Herr Landeshauptmann das durchsetzt. (Hei­terkeit bei der SPÖ.) Ich glaube, die Währung heißt dann „Bärentaler“. (Heiterkeit.)

Herr Minister Haupt hat natürlich alles getan, um von der ÖVP wieder als Partner akzeptiert zu werden, inklusive öffentlicher Demutskundgebungen von Ihrer Seite. Aber was bekommen Sie dafür? – Eine Wahlniederlage nach der anderen! Letzten Sonntag haben wir das in Kärnten miterlebt, aber die freiheitlichen Kollegen sprechen natürlich nicht sehr gerne drüber. Es ist nicht so, dass es mir besonders Leid tut, dass Ihnen die WählerInnen davonlaufen, ganz im Gegen­teil. Allerdings sollten Sie sich einmal überlegen, ob Ihnen der Wähler noch irgendwann glaubt – und Glaubwürdigkeit ist nun einmal das Wichtigste in unserer Politik, wie ich meine. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile es ihr.

15.05


Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Damen und Herren! Es steht natürlich außer Zweifel, dass ich mich als Oberösterreicherin und als langjährige Mitstreiterin besonders freue, Ursula Haubner als Staatssekretärin in den Regierungsreihen zu wissen. Für Ober­österreich ist es ein direkter Verlust, aber für uns alle hier, dessen bin ich mir ganz sicher, ein besonderer Gewinn, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundes­räten der ÖVP.)

Sie hat als Landesrätin in Oberösterreich ein bestimmt nicht leichtes und vor allem umfang­reiches Ressort bewältigen müssen und bewiesen, wie man mit Hausverstand, Herzlichkeit, Zu­gänglichkeit, Offenheit und klarer Sachpolitik viel erreichen kann, wie man über die Partei­grenzen hinweg zu einem Miteinander kommt und sich dadurch der Anerkennung aller Parteien und aller Menschen sicher sein kann.

Alleine die teilweise so strengen Lebensmittelpolizisten in Oberösterreich – und das darf ich dir, liebe Frau Staatssekretärin, jetzt mitteilen – sind jetzt sehr traurige „Hinterbliebene“. Sie hoffen, dass du auch als Staatssekretärin weiterhin ihr Ansprechpartner sein wirst.

Gestatten Sie, meine Damen und Herren, hier von dieser Stelle aus, Ursula Haubner für die so erfolgreiche und gute Politik für Oberösterreich, für ihre Normalität und Herzlichkeit ein großes Danke zu sagen! Wenn diese gute Arbeit in Oberösterreich nur ein wenig Einfluss auf diese


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Regierung und die Parlamentarier hat, dann bin ich sicher, dass diese Legislaturperiode unter einem guten Stern stehen wird und wir das erfüllen, was die Menschen draußen von uns erwarten, nämlich das Beste für dieses Land und seine Bürger zu tun.

Ich weiß, dass es sich diese Regierung nicht leicht gemacht hat, diesen gemeinsamen Weg weiterzugehen. Wir wissen aber auch, dass viele Übereinstimmungen von vornherein dadurch gegeben waren, dass viele Erfolge der letzten zweieinhalb Jahre deutlich freiheitliche Hand­schrift trugen und sich der Koalitionspartner ÖVP sicher sein konnte, dass viele seiner Vor­haben und Vorschläge mitgetragen werden.

Auch wenn diese Vorhaben nicht immer erfreulich sein können, meine Damen und Herren, so war es doch bemerkenswert, dass erstmals – zumindest bei den Freiheitlichen – auch die Bereichssprecher sowohl bei den Vorverhandlungen als auch bei den Verhandlungen voll mit eingebunden waren. Ich versichere Ihnen, jeder unserer Bereichssprecher hat natürlich das Maxi­mum an Forderungen eingebracht, aber es muss auch zur Kenntnis genommen werden, dass vorläufig nur das erfüllt werden kann, was auch langfristig finanzierbar ist.

Die Regierung Schüssel I hat eine hervorragende Vorarbeit – vorwiegend, glaube ich, Aufräum­arbeit – geleistet, ja leisten müssen in den letzten zweieinhalb Jahren. Ich sage bewusst: leisten müssen, aber ich nehme Abstand von der Ausdrucksweise des Herrn Kollegen Konecny vorhin. Ich sage nur, dass diese 30 Jahre sozialistischer Regierung eben unwiederbringlich vorbei sind und Sie das endlich einmal zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Vor drei Jahren gelang es den Freiheitlichen, dem Tourismus zu dem Stellenwert zu verhelfen, der ihm eigentlich schon längst gebührte, und zwar in Form eines eigenes Staatssekretariates für Tourismus. Es ist – glauben Sie mir das, bitte – für mich und für meine Tourismuskollegen auch schwer zu verstehen gewesen, warum gerade die Vertretung eines der größten Wirt­schaftszweige Österreichs abgeschafft wurde. Es war dies eine wichtige Funktion, obwohl sicherlich, wie bereits erwähnt wurde, die entsprechende Arbeit jetzt auch erledigt wird, aber es geht darum, für den Tourismus tatsächlich präsent zu sein. Ich glaube, wir dürfen auch von dieser Stelle aus unserer ehemaligen Staatssekretärin Mares Rossmann für ihre konstruktive Ar­beit ein herzliches Danke sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber: Es ist nun einmal so, es ist unwiederbringlich, und man sollte Vergangenes nicht immer nur bereden, denn bekanntlich behindert das die Arbeit für die Zukunft. Ich sehe das daher be­reits positiv: Der Tourismus ist jetzt eine Herausforderung für alle Ministerien. Der Tourismus findet überall statt und hat somit in allen Ministerien seinen Platz, vor allem im Wirtschafts­ministerium – und wir bezeichnen natürlich Herrn Minister Bartenstein als Tourismusminister –, aber auch beim Finanzminister. 1,5 Milliarden € sind nämlich das Mindeste, meine Damen und Herren, was jährlich allein zur Qualitätssicherung im Tourismus notwendig ist. Da sind diese Regierung und dieser Finanzminister gefordert, dass dieser Qualitätsstandard in einem der größten Wirtschaftszweige Österreichs erhalten bleibt, denn wenn Qualität geschmälert wird, bedeutet das weniger Gäste, weniger Einnahmen und schließlich weniger Steuern. (Vize­präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es hat also der Tourismus in allen Ministerien seinen Platz – egal ob Soziales, ob Sicherheit, ob Frau, ob Familie, ob Generationen, ob Umwelt, Wasser, Land- und Forstwirtschaft, ob Sport, Kultur oder auch Landesverteidigung. Vor allem die Sicherheit ist da gefordert, weil Österreich gerade in diesen schwierigen Zeiten das Plus hat, sich als eines der sichersten Urlaubsländer dieser Welt bezeichnen zu können. Ich bitte alle Minister und alle Staatssekretäre, den Touris­mus in Österreich voll und ganz zu unterstützen, so wie es die Regierung Schüssel I vor genau einem Jahr am Obertauern versprochen hat.

Meine Kollegen und ich vertrauen auf dieses Versprechen. Besinnen wir uns auf unsere Pflicht und Schuldigkeit dem Bürger gegenüber, und nützen wir die kostbarste Zeit, die wir hier mit­einander arbeiten, für wirklich konstruktive Arbeit – vor allem auch hier in der Länderkammer, denn die Länder, meine Damen und Herren, machen Österreich aus! Mit unnötiger Polemik, mit


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Worten, die wir teilweise nicht im Griff haben, mit Vorwürfen, die immer wieder gemacht wer­den, sogar, wie wir gerade wieder gehört haben, von einem neuen Bundesrat aus den Reihen der Sozialdemokraten, mit Aussagen, die jeder Grundlage entbehren, sind wir auf dem besten Weg, jenen Recht zu geben, die die Länderkammer als leicht verzichtbar bezeichnen. Besinnen wir uns auf eine gemeinsame Sachpolitik, besinnen wir uns doch ein bisschen auf Politik mit Herz und vor allem mit Verstand!

Ich glaube, dass es möglich sein wird, wenn Sie alle es wollen, gemeinsam viel Positives für dieses Land und für diese Bürger zu leisten. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Re­gierung alle guten, alle positiven Sachvorschläge auch von den Oppositionsparteien gerne auf­greifen wird und auch aufgreifen soll, denn es ist auch in den nächsten Jahren vieles zu regeln.

Es wird manchmal die Sonne scheinen, aber es wird auch viel regnen, es werden Schauer über diese Regierung kommen – aber denken wir bitte daran: Nach jedem großen Unwetter scheint doch immer wieder Sonne, und ich glaube, auch bei dieser Regierung wird das so sein. Die Kraft, die dazu nötig sein wird, wünsche ich dieser Regierung und natürlich vor allem uns allen hier im Bundesrat mit einem kräftigen Glückauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

15.15


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen auf der Regierungs­bank! Liebe Bundesrätinnen und liebe Bundesräte! Es ist für mich eine Premiere, heute hier zu stehen. Ich bin froh darüber, Ihnen meine Vorstellungen darüber skizzieren zu dürfen, was im Bereich der Umweltpolitik, im Bereich der Agrarpolitik vor uns liegt, was wir planen und was das Regierungsübereinkommen vorgibt.

Wir sind – und ich habe ein Ressort übernommen, in dem Willi Molterer hervorragende Erfolge erzielt hat – als Bioland in Europa Nummer eins. Wir sind in der Wasserqualität sehr weit vorne; auch wenn das manche Studien jetzt anders skizzieren. Die Vielzahl der Studien zeigt, Österreich ist da im Spitzenfeld zu finden. Wir sind im Bereich der Biomasse, im Bereich der Alternativenergien Spitzenreiter in Europa geworden, und wir haben eine Lebensqualität und eine Umweltqualität erwirtschaften können, die ihresgleichen suchen.

Ich bin froh darüber, dass ich auf Basis eines Regierungsübereinkommens Umweltpolitik machen kann, die sich mit folgenden Schwerpunkten beschäftigen wird:

Erstens – und aus meiner Sicht prioritär und wichtig für die Zukunft –: Verwirklichung des Kyoto-Ziels von minus 13 Prozent an Treibhausemissionen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Im Regierungsübereinkommen haben wir festgeschrieben, dass wir bis 2006 für diese große Aufgabe 90 Millionen j mehr haben werden. Wir werden dadurch Schwerpunkte setzen im Bereich der Biomasse, bei Großanlagen, aber auch bei bäuerlichen Anlagen, wir müssen uns Ant­worten überlegen im Verkehrsbereich, und wir werden im Emissionshandel gemeinsam auch mit den Bundesländern die entsprechenden Akzente setzen.

Ich bitte Sie als Bundesrätinnen und Bundesräte, die aus den Ländern kommen: Wir müssen auch darauf schauen, dass die Länder ihre Hausaufgaben im Bereich der Wohnbauförderung er­ledigen. Ich weiß, dass manche Bundesländer diesbezüglich schon sehr weit vorne und Vorreiter sind. Wenn wir bei allen ein so hohes Niveau erreichen können, dann wird das ein entscheidender Beitrag zur Erreichung des Klimaschutzzieles sein.

Zweitens – und das erfreut mich als jemand, der aus der ökosozialen Marktwirtschaft und Agrarpolitik kommt, ganz besonders –: Wir setzen am 1. 1. 2004 erstmals ein Zeichen in Richtung ökologische Steuerreform. Es stimmt nicht, dass wir einfallslos fossile Energieträger besteuern und erhöhen und nicht gegenfinanzieren, sondern wir geben es allen Einkom­mensbeziehern unter 14 500 j zurück; das sind 200 000 Personen. Das ist das Grundprinzip


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einer ökologischen Steuerreform: fossile Energie besteuern, Arbeitskraft entlasten. Und wir beginnen damit am 1. 1. 2004, das sollte man nicht vergessen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Ich werde im Bereich der Antiatompolitik Österreichs auch von dem, was das Parlament in einem einstimmigen Entschließungsantrag vorgegeben hat, nicht abgehen. Es wird eine konsequente Fortsetzung dieses Kurses geben. Sie können sich bei mir darauf ver­lassen: Die Antiatompolitik Österreichs wird konsequent fortgesetzt und in allen Bereichen in Europa auch dementsprechend konsequent vertreten.

Ich will im Bereich der Biomasse und im Bereich der Ökosteuer zwei Akzente setzen, von denen ich glaube, dass sie auch richtungsweisend sind. Ich will die Biomasse-Produktion um 75 Prozent erhöhen, und das hat eine durchaus interessante Nebenwirkung, die sich auch in meinem Ressort zeigt – ich sage das, weil viele auch kritisieren, Umwelt und Landwirtschaft passen nicht zusammen –: Genau in diesem Bereich zeigt sich, Biomasseeinsatz und Klimaschutz bringen auch Einkommen für den ländlichen Raum, für unsere Bauern. Idealer kann es gar nicht sein, so gut passen also beide Bereiche in diesem Ressort zusammen.

Deswegen will ich bei der Biomasse einen Akzent setzen. Im Bereich des Ökostroms wollen wir – mit dem Ökostromgesetz sind wir auch Vorreiter – von derzeit 70 Prozent Anteil – das wissen auch wenige: 70 Prozent des derzeitigen Stromaufkommens stammen aus Ökostrom­quellen, inklusive Wasserkraft – auf 78 Prozent kommen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber mit dem Umweltförderungsgesetz, mit den im Regierungsübereinkommen definierten Mitteln glaube ich, dass wir es durchaus erreichen können.

Im bäuerlichen Bereich stehen wir vor großen Herausforderungen. Sie wissen, dass am 1. 1. oder 1. 4. kommenden Jahres die EU-Erweiterung Realität sein wird, dass wir schwerste Ver­handlungen auf europäischer Ebene im Bereich der Reform der Agrarpolitik haben werden und dass wir mit den WTO-Verhandlungen ebenfalls ein Szenario haben werden, das für die österreichischen Bauern nicht leicht ist. Deswegen ist es besonders wichtig, dass das Regie­rungs­übereinkommen eine klare Sprache spricht, und ich werde es bis zum Ende der Le­gislaturperiode auch Punkt für Punkt abarbeiten, um den bäuerlichen Betrieben eine gute Basis legen zu können.

An dieser Stelle sei das 3-Milliarden-€-Paket zur Absicherung der bäuerlichen Familienbetriebe genannt. – Ich habe aus Oppositionskreisen schon gehört, das sei zu viel. Sie wissen, wir hatten in der abgelaufenen Periode ein 40-Milliarden-Paket. Das jetzige 3-Milliarden-Paket ist nichts anderes als die Weiterführung dieses Pakets, und wir brauchen es, wenn wir die bäuerliche Landwirtschaft absichern wollen.

Genauso brauchen wir dazu Wettbewerbsgleichheit. Der Agrardiesel ist keine Bevorzugung der österreichischen Bauern innerhalb der österreichischen Gesellschaft, sondern er stellt sie auf eine Stufe mit den europäischen Kollegen.

In Europa zahlen Österreichs Bauern mit Abstand den höchsten Dieselpreis. In allen anderen Staaten gibt es Verbilligungsmodelle, auch in Deutschland unter Rot-Grün. Ich sage das hier ganz deutlich, weil der Vorwurf erhoben wurde, wir nehmen die österreichischen Bauern mittels einer Sonderregelung aus. – Nein, wir stellen sie gleich mit den Mitbewerbern! Das ist höchst an der Zeit, und im Rahmen der großen Steuerreform im Jahr 2005 ist die Zeit angebrochen, um dieses große Projekt endlich zu verwirklichen und den Bauern angesichts der Erweiterung und auch der Herausforderungen Wettbewerbsgleichheit zu gewährleisten.

Auf das Bioaktionsprogramm möchte ich nicht mehr im Detail eingehen. Wir sind da Spitzenreiter. Auch da sage ich ein herzliches Danke an die Konsumenten, die diesen Weg mitgegangen sind. Es ist überhaupt keine Frage, dass in Österreich der Konsum an Bionah­rungs­mittel sehr hoch ist und damit die Einkommensbasis schafft. Mit einem Bioaktionspro­gramm will ich gemeinsam mit den Bioverbänden hier neue Akzente setzen, um die Ver-


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marktungskraft noch zu stärken und den Biobauern ein entsprechendes Einkommen zu sichern. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt.

Gemeinsam mit Maria Rauch-Kallat wird eine Aufgabe auf uns zukommen, der ich mich gerne widme, weil ich glaube, dass sie von zentraler Bedeutung ist: die Lebensmittelagentur ge­meinsam mit den Bundesländern auszubauen. Auch da meine Bitte an Sie: Hier sind die Länder gefordert, denn es gibt etliche Kompetenzbereiche, die die Länder noch verwalten, Lebens­mittelkontrolle und so weiter, wo es keinen Anschluss an die Ernährungsagentur gibt. (Bundes­rätin Schicker: Da werden Sie einen guten Draht haben zu den Ländern, Herr Minister!)

Wenn wir wollen, dass wir vom Feld und vom Stall bis zur Ladentheke eine transparente Kette nachweisen können, dann müssen sich auch die Bundesländer mit ihren Vorstellungen und mit ihren Kontrollsystemen in der Ernährungsagentur wieder finden. Das ist ein Ziel, das ich verfolgen werde, und da geht es nicht um Kompetenzfragen, sondern da geht es darum, dass wir dem Konsumenten eine klare, nachweisbare Kontrollkette anbieten können. Das ist wichtig für die Positionierung auf den Märkten, und ich halte das im Sinne der Lebensmittelsicherheit für einen zentralen Punkt.

Ein Letztes: das Thema Wasser. Wir haben heuer das Internationale Jahr des Wassers. Ich werde in Kürze in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union eine Novelle zum Wasserrechtsgesetz vorlegen. Ich plane auch – und das soll auch irgendwo meinen Stil unterstreichen –, dem mit einer dreimonatigen Begutachtungszeit Raum zu geben, um Stellung dazu nehmen zu können und darüber diskutieren zu können. Ich bitte Sie, das auch so zu akzeptieren. Wir haben uns unsere Gedanken gemacht, wir werden darüber diskutieren, und es wird sich jeder einbringen können.

Diese Wassergesetz-Novelle wird neue Impulse bringen. Wasser schützen, Wasser nützen ist das Thema. Vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU werden wir nicht abgehen, das ist im Regie­rungsübereinkommen definiert und auch klar. Wir sollten alles, was zum Thema Wasser geschrieben wird, auch unter dem Gesichtspunkt sehen: Es droht nicht der ungehemmte Aus­verkauf! Wir nützen derzeit 3 Prozent des dargebotenen Wassers in Österreich. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir das gestalten wollen. Wie wollen wir Wasser schützen, wie wollen wir es sinnvoll nützen? – Ich biete Ihnen an – und ich will meinen Teil in der Re­gierung dazu beitragen –, Zukunft gerecht und nachhaltig für die Bauern, für die Umwelt und für den ländlichen Raum zu gestalten.

Ich habe mit Überraschung vernommen, dass auch aus Oppositionskreisen der ländliche Raum sehr interessiert beackert werden wird. Da haben wir gemeinsam eine Plattform. (Bundesrat Kraml: Klar! Das war schon immer so!) Ich werde jedenfalls bis 2006 intensiv für die Bauern, für die Umwelt und für den ländlichen Raum arbeiten. (Bundesrat Thumpser: Der ländliche Raum besteht aber nicht nur aus der Landwirtschaft!) – Das habe ich auch gesagt! Ich bin ausführlich auf die Umwelt eingegangen – ich hoffe, Sie haben mir zugehört! – und habe die Querverweise auch aufgezeigt.

In diesem Sinne will ich arbeiten und freue mich schon auf die eine oder andere Auseinander­setzung auch hier im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

15.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Aburumieh. – Bitte.

15.25


Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Mi­nister! Herr Staatssekretär! Lieber Sepp Pröll! Ich gratuliere dir herzlich zu deiner Funktion. Wir freuen uns als Niederösterreicher ganz besonders über deine letzten Sätze, nämlich dass du Punkt für Punkt das Regierungsprogramm abarbeiten wirst – zum Wohle des ländlichen Raumes, zum Wohle unserer Regionen.


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Punkt für Punkt das Regierungsabkommen abarbeiten wollen wir aber in allen Bereichen. Liebe Frau Kollegin Schicker (diese ist gerade im Begriff, den Saal zu verlassen), bevor Sie gehen, bedanke ich mich, dass Sie uns ein „vorhandenes ehrliches Wollen“ attestieren. Wir werden dann Bilanz ziehen, und ich hoffe, Sie attestieren uns dann auch die Umsetzung. (Bundesrätin Schicker: Das werden wir sehen!)

Zur Frauenpolitik wurde heute bereits einiges gesagt. Ich möchte aber doch unsere Position, nämlich die Position der ÖVP-Frauen, hier kurz noch einmal dokumentieren und zusam­menfassen.

Für uns ist Frauenpolitik ein breiter politischer Gestaltungsauftrag, eine Querschnittmaterie, die in allen Ressorts Platz finden muss. In einer Zeit aber, in der sich die Lebenswelten grund­sätzlich verändern, brauchen wir neue Positionierungen, und daher ist die Schaffung eines eigenen Ressorts ein deutliches Signal dieser Bundesregierung, ein deutliches Signal der Neuorientierung einer Frauenpolitik. Und ich freue mich ehrlich, dass an der Spitze des Ressorts Maria Rauch-Kallat als Ministerin steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Die Stärke von uns bürgerlichen Frauen – und die Wahlen am 24. November haben die politische Mitte gestärkt – liegt in der Vielseitigkeit und der Entscheidungsfreiheit, in der Entscheidungsfreiheit, eine berufliche Ausbildung und Karriere in Angriff zu nehmen, einen Haushalt und eine Familie zu gründen, die Betreuungskette für Kinder und Eltern aufrechtzuerhalten und die eigene Lebenskarriere aufzubauen.

Aufgabe unserer Frauenpolitik ist es, die Rahmenbedingungen für alle Frauen zu schaffen, diese Wahlfreiheit wirklich in Anspruch nehmen zu können. Wir wollen und müssen daher eine Frauenpolitik für alle Frauen machen, eine Politik, die alle Frauen in allen Bereichen anspricht, vor allem auch Frauen in allen Lebensphasen, im Alter, in der Jugend, am Arbeitsmarkt, im Haushalt, Frauen mit Kindern und Frauen ohne Kinder.

Wir werden daher – und das ist ein Zukunftsprogramm – eine Frauenpolitik machen, die die unterschiedlichen Lebenswelten von Frauen und Männern voll akzeptiert, die Unterscheid­barkeit nicht leugnet, sondern anerkennt, das Recht auf Anderssein schätzt, und wir werden dafür sorgen, dass diese Unterscheidbarkeit in vielen Lebens- und Arbeitswelten endlich An­erkennung findet.

Es wurde das Gender Mainstreaming als politisches Verfahren erwähnt, das als Ausgangspunkt für seinen Ansatz die Unterscheidbarkeit der Geschlechter nimmt, die als Grundlage für Ent­scheidungen herangezogen werden. Gender Mainstreaming wird in Zukunft vermehrt Eingang in alle Bereiche finden. Ich glaube, es war Frau Dr. Hlavac, die meinte, man müsste Gender Mainstreaming neu erfinden. Wir haben begonnen, in allen Lebensbelangen, in allen öffent­lichen Bereichen den Einzug dessen zu ermöglichen, und es ist keine Frage, dass genau dieser Prozess vermehrt ausgebaut werden muss.

Ein Schwerpunkt unserer Frauenpolitik wird die Chancengleichheit in der Arbeitswelt sein, wenn wir die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen erreichen wollen. Positiv und von allen anerkannt ist die Anhebung der österreichischen Frauenbeschäftigungsquote auf 65 Prozent, weil es ein deutlicher Schritt in diese Richtung ist.

Natürlich brauchen wir die optimalen Rahmenbedingungen der Länder, nämlich die indivi­duellen familiengerechten Kinderbetreuungseinrichtungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedingen. Und da meine ich Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

Heute ist schon einige Male das Thema „Kinderbetreuung“ angesprochen worden. Es sind sich zwar alle darin einig, dass das Ländersache ist, ich frage mich nur: Warum kann Wien nicht das, was wir in Niederösterreich schaffen? – In Niederösterreich ist die Bildungszeit im Kinder­garten gratis, und wir liefern damit einen sehr guten Ansatzpunkt. Wenn ich mir anschaue, wie teuer im Vergleich dazu die Kinderbetreuung in Wien ist, dann muss ich sagen: Da kann ich Ihnen nur den Rat mit auf den Weg geben, unserem Beispiel zu folgen und sich einmal an-


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zusehen, welch optimale Situation wir in Niederösterreich haben. Diese wird noch durch Tages­mütter, durch „flying nannys“ und durch andere Kinderbetreuungsprogramme, die natürlich für unsere Familien leistbar sind, ergänzt.

Ein weiterer Punkt, den die Frauenministerin in Angriff nehmen wird und den diese Regierung in ihrem Programm festgeschrieben hat, ist das Vorhaben, die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen zu verkleinern. Zwischen Männern und Frauen gibt es immer noch einen Einkommensunterschied von rund 31 Prozent. Das ist nicht allein auf den Umstand zurück­zuführen, dass viele Frauen in Niedriglohnbranchen beschäftigt sind, sondern das hängt auch damit zusammen, dass unsere gewerkschaftlichen Vertretungen bei der Gestaltung der Ein­kommensverläufe in den letzten Jahren wenig Erfolg gehabt haben. Daher wird die Frauen­ministerin da gravierende Schritte setzen müssen.

Zweifelsohne haben Frauen gewaltige Fortschritte in der Qualifikation und in der Ausbildung gemacht, daher ist diese im Regierungsprogramm festgeschriebene Verringerung der Einkom­mensunterschiede ein machbares Ziel. Es ist dies ein wesentlicher Punkt einer zukunfts­orientierten Frauenpolitik. Auch der Rechtsanspruch auf Qualifikation, der in diesem Programm enthalten ist, wird bewirken, dass der Einkommensunterschied verkleinert wird.

Eine neue Frauenpolitik, geschätzte Damen und Herren, wie sie das Regierungsüber­einkom­men vorsieht, geht nicht vom alten abgedroschenen Opferfeminismus, dem alten Feminismus, den die sozialdemokratischen Frauen gepredigt haben, aus, also von einer Rolle, die die Frau als Opfer verkörpert, sondern sie will Kraft und Mut zur Selbstbestimmung mit Selbstbe­wusstsein geben. Wir wollen mit Stärke und vor allem mit Weiblichkeit einen gesellschaftlichen Dialog führen, der gesellschaftspolitische Vereinbarungen auch möglich machen wird.

Die Zusammenführung der Bereiche Frauen und Gesundheit in der Hand von Maria Rauch-Kallat sehe ich als optimale Lösung an. Das ist eine ideale Kombination. Ich möchte zu diesen Bereichen nur zwei Punkte anführen. Wir streben, wie im Regierungsabkommen auch fest­geschrieben ist, ein zeitgemäßes Gesundheitssystem an. Um dies zu erreichen, müssen folgen­de zwei wesentliche Punkte umgesetzt werden:

Erstens: Wer krank ist, der muss sich auf das Angebot und auf die Leistungen eines hoch­wertigen Gesundheitssystems verlassen können. Vorrangiges Ziel dabei muss sein, für alle Bürge­rinnen und Bürger, unabhängig vom Einkommen, eine hochrangige Versorgung zu gewährleisten.

Zweitens: Wer gesund ist, der soll dabei unterstützt werden, Krankheiten vorzubeugen. Das heißt, dass wir die Vorsorgemedizin deutlich stärker akzentuieren werden, als das bisher der Fall war. Wir werden über Bonus-Modelle Anreize zur Eigenverantwortung geben, denn wir sind der Meinung, dass der Prävention ein weit höherer Stellenwert als bisher eingeräumt werden muss.

Ich bin davon überzeugt, dass die Zusammenführung von Krankenversicherung und Unfall­versicherung sowie effiziente Strukturreformen in den Gebietskrankenkassen in Form von weniger Verwaltung ohne Qualitätsverlust den Versicherten viel Geld werden einsparen helfen. Wir kennen das am Beispiel des Landesgesundheitsfonds in Vorarlberg. Er zeigt, dass eine Kostenersparnis bei gleichzeitig besserer Versorgung im niedergelassenen medizinischen Bereich möglich ist.

Des Weiteren wurde heute die Beitragsgerechtigkeit angesprochen. Dazu möchte ich sagen: Das ist doch wohl eine Frage der Fairness und steht daher außer Diskussion.

Zum Gesundheitsbereich gehören der gesamte Arzneimittelbereich und der Heilmittelbereich. Der Bogen im Regierungsprogramm spannt sich da von der Anpassung des Generika-Ein­satzes an den europäischen Durchschnitt bis hin zu einer ökonomischen Verschreibweise.

Abschließend: Was ich mir wünsche, das ist die enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, die im ÖKAP, im Österreichischen Krankenanstalten- und Großgeräteplan, nieder-


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geschrieben ist, und zwar vor allem dort, wo wir in den Regionen besonders betroffen sind. Wenn ich das Wort „Kompetenzzentren“ im Regierungsprogramm lese, dann kann ich als Niederösterreicherin mit Stolz darauf verweisen, dass wir in unseren Kooperationsverträgen mit den einzelnen Krankenhäusern bereits diese Kompetenzzentren haben und auch sehr erfolg­reich führen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.36


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

15.36


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Einleitend ein paar Worte zu dem, was heute hier gesagt wurde: Wenn sich Herr Bundeskanzler Schüssel für weniger Schule ausgesprochen und damit gemeint hat, dass die Stunden durchaus dort oder da reduziert werden könnten, dann muss ich sagen: Man sollte bei diesen Aussagen auch daran denken, dass wir bereits seit einigen Tagen wissen, dass jeder vierte Schüler Nachhilfe benötigt. Es wird dafür einen Grund geben. Wenn man aber in Gesprächen versucht, über effiziente Systeme für die Wissensvermittlung an den Schulen, die zweifelsohne verbesserungswürdig sind, zu diskutieren, dann ist Frau Ministerin Gehrer nicht sehr gesprächig. Sie hat da eher die Vorstellung, all das, was an Veränderungen nötig wäre – was unserer Meinung nach von Land zu Land unterschiedlich ist –, in der Form zu machen, dass die Landesschulinspektoren abgeschafft werden. Dazu möchte ich sagen: Das ist auch eine Möglichkeit – aber nicht jene, die wir uns vorstellen!

Wenn Vizekanzler Haupt meint, mit diesem Programm einen schnelleren Zugang zur medizi­nischen Versorgung erwirken zu können, dann muss ich ihm sagen: Das hat er das letzte Mal auch schon gesagt. Ausfluss daraus war die Einführung der Ambulanzgebühren, die offen­sichtlich gar nicht so einfach abzuschaffen sind, wie er es eigentlich gerne möchte. Er will – und das ist auch eine interessante Sache; bei der Wiener Gebietskrankenkasse kann man das ganz genau nachvollziehen – zuerst jene Angestellten kündigen, die sich mit der Einhebung dieser Ambulanzgebühren abplagen mussten, die aber zu dieser Aufgabenerfüllung gar nicht aufge­nommen worden sind. Das heißt, es gibt gar keine zusätzlichen Arbeitskräfte, die damit befasst waren. Aber Vizekanzler Haupt will von deren Kündigung abhängig machen, ob man solch eine sinnwidrige Ambulanzgebühr den Menschen weiterhin zumutet oder nicht.

Der Herr Vizekanzler will – so lauten seine eigenen Worte – daran gemessen werden, was er will. Er hat aber ein Problem dabei: Die meisten Menschen und wir messen ihn an seinen Taten. Doch diese schauen ein bisschen anders aus, als seine Ankündigungen versprechen.

Wenn Minister Platter heute gemeint hat, dass er in Bezug auf den Irak den Ankauf der Eurofighter als notwendig erachtet, dann frage ich mich schon, ob er sich vorstellt, dass er dann damit aufsteigt und dann hinunterfliegt und irgendwie mithilft, oder ob er nicht doch die alten Ideen aufleben lassen will, die schon einmal da waren: NATO – wir spielen mit beim Krieg, wir spielen tschinbum! Vielleicht glaubt er, damit diese Politik eins zu eins umsetzen zu können. – Das ist nicht die Politik, die wir uns vorstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, da können wir nicht mitgehen!

Aber auch äußerst Überraschendes und Positives hat man in den Redebeiträgen fast aller Bundesrätinnen und Bundesräte der hier im Hause vertretenen Parteien gehört. Ich fand zum Beispiel die Worte von Frau Staatssekretärin Haubner äußerst positiv. Sie überraschten mich. Es ist vieles okay von dem, was sie heute hier geäußert hat. Ich wünsche mir aber allerdings, dass ihr die Umsetzung des Programmes, so wie sie es hier heute dargestellt hat – wobei ich mir bezüglich vieler Bereiche vorstellen kann, dass sie es wirklich ernst meint und fest daran arbeiteten wird, um es umzusetzen –, auch gelingt. Ich hoffe, dass sie es auch mit dieser Regierung zusammenbringt.

Wie gesagt: Nicht Kritik der Kritik wegen soll geübt werden – das ist etwas ganz Wichtiges! Ich möchte es noch einmal sagen, dass ich das Gefühl habe, dass jede Bundesrätin und jeder


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Bundesrat in diesem Haus heute versucht hat, uns mit ehrlichen Worten hier klar zu machen, was ihr oder ihm an dem Regierungsprogramm der nächsten Jahre nicht gefällt oder gefällt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sieht aber leider Gottes auch die Unterschiede, die es offensichtlich allein schon in dieser Bundesregierung gibt und die es uns schwer machen, diese Regierung als einen homogenen Bereich zu sehen, der mit einer Stimme spricht.

Es hat zum Beispiel der Herr Staatssekretär für Sport Schweitzer heute als Regierungsmitglied von der Regierungsbank aus dieses Haus, diesen Bundesrat als „Heumarkt“ bezeichnet und sich, und zwar immer von der Seite her, um nur ja nicht vom Präsidenten oder von der Prä­sidentin bemerkt zu werden, im Zusammenhang mit der Rede des Kollegen Molzbichler lustig gemacht und an seine Adresse gemeint: Und das hast du dir noch aufschreiben müssen! – ich sehe, er selbst hat sich sehr viel aufgeschrieben und noch sehr viel umgeschrieben, er wird es offensichtlich selbst noch mehr brauchen –, und hat dann „herübergeprustet“, wir hätten kein Niveau.

Dazu muss ich schon sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass allein die Wort­wahl dieses Staatssekretärs zeigt, dass leider bei der Auswahl der Regierungsmitglieder offen­sichtlich nicht immer auf Qualität und Niveau Wert gelegt wurden. – Das muss ich leider Gottes zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch ein paar Punkte im Schnelldurchgang, die heute teilweise schon aufgegriffen worden sind und bei welchen wir uns natürlich auch sehr genau angeschaut haben, von welchen Zahlen da gesprochen wird, welche Zahlen berechen­bar sind, in welchem Konnex sie zu dem stehen, was von dieser Regierung für die nächsten Jahre an Maßnahmen geplant ist und was auf uns Österreicher in den nächsten Jahren zukommen wird.

Wenn wir davon ausgehen, dass allein infolge der Abschaffung der Frühpension bis 2006 zusätzlich 28 000 Menschen Arbeit brauchen werden, dass neue Grenzgänger, Praktikanten­ab­kommen, Harmonisierung, Aufenthalt und Beschäftigung, Familiennachzug und EU-Er­weiterung in etwa 70 000 zusätzliche Arbeitsplätze notwendig machen werden, es also 12 000 Fa­milien­angehörige laut den Beitrittsverträgen, 11 500 Arbeitskräfte laut Beschäfti­gungs­abkommen, Wo­chen­pendler und Schlüsselarbeitskräfte, 11 500 Grenzgänger und Prakti­kanten und 15 000 Ar­beitskräfte auf Grund des Familiennachzuges bei der EU-Erweiterung sein werden, und wenn wir dann auch noch die Einschränkung der Altersteilzeit mitberücksichtigen, dann müssen wir feststellen, dass rund 110 000 Menschen mehr im Jahr 2006 Arbeit brauchen werden – zu­sätzlich zu den rund 300 000 Menschen, die bereits jetzt Arbeit suchen!

Das bedeutet, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich, wenn es in diesem Stil weitergeht, wie dieses Programm zeigt, denn darin sind keine Folgen, die daraus zu ziehen sind, berücksichtigt, bis zum Jahr 2006 um rund 2 Prozentpunkte steigen wird. Das ist traurig, das ist schlimm!

Was können wir dagegen machen? – Wir können die Infrastruktur ausbauen – ein ganz wichtiger Punkt, den wir immer wieder eingefordert haben. Auch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sprechen davon, nur: Konkrete Pläne, konkrete Absichten bleiben Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, in Ihren Aussagen, in Ihren Programmen und auch in Ihren Umsetzungen schuldig. Ausbau der Infrastruktur kann nur bedeuten, endlich zu bauen, anstatt nur zu planen. Das heißt, Sie müssen klar sagen, welche Projekte wann verwirklicht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines ist wohl klar, und Sie wissen es genau so gut wie ich: Jede Milliarde, die in Straße und Schiene investiert wird – um in diesem Bereich zu bleiben –, schafft und sichert Arbeitsplätze, und um diese geht es uns schlussendlich allen. Mindestens 20 000 Arbeitsplätze im Jahr wären notwendig.

Längere Ladenöffnungszeiten – die von dem einen oder anderen als Mittel zur Arbeitsplatz­beschaffung genannt werden – bringen, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, keinen


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einzigen Arbeitsplatz. Dabei geht es nur um Umschichtung, nur darum, dass in vielen Betrieben – ich sage: nicht alle Unternehmer, aber doch sehr viele – die Möglichkeit gesehen wird, Teilzeit beziehungsweise geringfügige Beschäftigung einzuführen und Überstun­den­leis­tungen 1 : 1 in Form von Freizeit abzugelten.

Es gibt die verschiedensten Überlegungen in Richtung Patentrezept „Senkung der Lohn­nebenkosten“. – Wir haben das schon einmal im Bereich der Jugendlichen erlebt. Es ist in Wirklichkeit nichts geschehen: Es sind nicht mehr Lehrstellen angeboten worden, es sind nicht mehr Jugendliche in Lehrverhältnisse gekommen. Derzeit suchen nach wie vor 7 800 Ju­gendliche einen Lehrplatz, offen sind hingegen nur 2 700 Lehrstellen, obwohl wir die Lohn­nebenkosten für diesen Bereich um rund 10 Prozentpunkte gesenkt haben.

Wir haben gehört, die größte Steuerreform, die es je gegeben hat, soll kommen – ich werde wirklich versuchen, mich zu diesem Thema kurz zu fassen –: Die erste Etappe ist in einem Ausmaß von 385 Millionen € geplant. Steuerfreiheit gibt es für einen Monatsbezug in der Höhe von 1 000 € brutto. – Wunderbar, gut, hervorragend!, sage ich. Eines, bitte, dürfen wir aber nicht dabei vergessen: Ein Angestellter mit 1 000 € brutto zahlt 31,80 € an Lohnsteuer. Das wird sich also im Großen und Ganzen mit dem, was an Verschlechterungen und Verteuerungen kommen wird, teilweise die Waage halten, das wird teilweise aufgesogen werden. Die höchste Entlas­tung durch die erste Etappe wird also dazu führen, dass ein Arbeitnehmer mit 1 000 € zirka 31,80 € weniger wird zahlen müssen.

Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt, die Steuerreform solle bis 2006 auch ein Nulldefizit bringen. – Ich fasse das schon fast als eine gefährliche Drohung auf, denn wie kann man es anders verstehen, wenn wir hier ... (Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Mag. Kukacka.) Herr Staatssekretär! Na, sehr wohl! Wenn wir es uns leisten können, sehr wohl, aber nicht auf Kosten der unselbständig Beschäftigten in Österreich! (Neuerliche Zwischenbemerkung des Staats­sekretärs Mag. Kukacka.)

Ein Angestellter – Herr Staatssekretär, lassen Sie das auf der Zunge zergehen! – mit einem Einkommen in der Höhe von 1 000 € gewinnt durch die erste Etappe der Steuerreform, wie gesagt, 31,80 €, aber für die Erhöhung der Energiesteuer muss er 3,10 €, für die Freizeit­versicherung 0,1 €, für die erhöhten Krankenversicherungsbeiträge 2,50 € und für die Selbstbehalte 3,90 € zahlen, und somit macht die verbleibende Entlastung 21,30 € aus.

Bei einem Angestellten können wir die gleiche Rechnung machen: Da würden von 29,42 € ganze 24,42 übrig bleiben. Dabei sind aber noch gar nicht alle Selbstbehalte, die von dieser Regierung geplant sind, miteingerechnet, weil wir sie noch nicht kennen, und diese kann man auch gar nicht 1 : 1 einrechnen.

Das heißt also, die Entlastung gibt es nur für diejenigen, die 1 000 € verdienen. Jene 1,15 Millionen Arbeitnehmer, die jetzt nur 900 € verdienen, zahlen keine Lohnsteuer, was so viel bedeutet, dass für sie nur die Erhöhungen, die ich vorhin aufgezählt habe, zum Tragen kommen. Für die Bezieher solch kleiner Einkommen gibt es also absolut keine Entlastung, sondern es gibt für sie eindeutig nur eine Verschlechterung, eine Mehrzahlung. Es geht an­scheinend darum, dass man, je weniger an Einkommen da ist, umso mehr herausholen will. Fast 2,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die erste Etappe der Steuer­reform stärker belastet als entlastet. Ich betone: 2,5 Millionen Arbeitnehmer, meine sehr verehrten Damen und Herren!

385 Millionen € Entlastung für Arbeitnehmer stehen in der ersten Etappe der Steuerreform 204 Millionen € Belastung allein auf Grund der höheren Energiesteuer gegenüber. Diese Ener­gie­steuer – und das ist, bitte, auch nicht ganz unwesentlich, wenn wir von den unselbständig Beschäftigten in Österreich sprechen – kostet die Unternehmen 200 Millionen €. Die steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne bringt ihnen aber 400 Millionen bis 600 Millionen €. Das heißt, da ist tatsächlich ein Gewinn vorhanden.


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So war es auch schon unter der letzten Regierung, unter der Regierung Schüssel I. Da haben wir – und ich durfte oder musste es von diesem Platz aus schon einmal sagen – aus Indiskretion von Seiten der Arbeitgeber den Brief in die Hand bekommen, in welchem man den Unternehmen mitgeteilt hat: Leute, regt euch nicht auf, unter dem Strich bleibt für euch etwas übrig, wir machen das schon sehr gut! (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein Klassendenken!)

Keine Rede von Gerechtigkeit, lieber Herr Kollege! Wir reden von Gerechtigkeit: Wenn wir zahlen müssen, dann sollen es alle tun! Man darf nicht diejenigen, die am wenigsten haben, zur Kasse bitten, und dort, wo es ohnehin relativ gut ausschaut, noch etwas dazugeben. (Bundesrat Himmer: ... 14 000 € steuerfrei ...!)

Kollege Himmer! Wenn ich es richtig im Kopf habe, kommen Sie heute noch an dieses Redner­pult. Heben Sie sich die Worte für diesen Zeitpunkt auf, Sie haben dann die Chance, sie aus­zusprechen! (Bundesrat Mag. Himmer: Sie werden es ja noch aushalten, wenn es einen Zwi­schenruf gibt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Rede von Gerechtigkeit: Pendler bezahlen mehr, Bauern fahren günstiger. Wenn der Herr Landwirtschaftsminister heute gesagt hat, das sei eine Gleichstellung gegenüber anderen Ländern, dann muss ich eigentlich davon aus­gehen ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Sind Sie jetzt fertig? Oder machen wir noch ein bisschen so weiter? Es ist ja ganz lustig. Die Störgeräusche, die manchmal von der rechten Seite kommen und den Namen Himmer als Verursacher haben, sind uns wohlbekannt. – Sagen Sie mir, wenn Sie fertig sind, dann mache ich weiter. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Himmer und Steinbichler.)

Ich habe es bereits einmal gesagt: keine Rede von Gerechtigkeit! Das tut natürlich weh, da muss man sofort anfangen, dazwischen zu schreien. Pendler bezahlen mehr, Bauern fahren günstiger. Bei Diesel und Benzin geht es um ein paar Cent, wie heute der Herr Bundeskanzler gesagt hat. Da wir heute schon bei Sprichwörtern waren, es gibt auch das – umgewandelte – Sprichwort: Wer den Cent nicht ehrt, ist den Euro nicht wert! Und die Cents, die hier zum Tragen kommen, machen schon einiges aus.

Der Herr Minister hat gemeint, die Vergünstigungen für die Bauern in Form der Verbilligung von Agrardiesel seien eigentlich nur eine Gleichstellung unserer Bauern gegenüber jenen anderer Länder. Gut, schön! (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.)

Ich gehe also davon aus, lieber Kollege Steinbichler, dass du natürlich nur bei deinem Traktor diesen Agrardiesel tanken und deine Privatautos, die in der Regel auch alle Dieselautos sind (Bundesrat Kraml: Mercedes!), nicht mit diesem günstigeren Agrardiesel auftanken wirst. Oder, noch besser gesagt: Ich muss davon ausgehen, dass es in dieser Verordnung, in diesem Gesetz (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler), eine Regelung gibt, die diesen Miss­brauch ausschließt. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Ist ja unglaublich!)

Weiters: 20 Prozent weniger bei der „Hacklerregelung“, mehr Pension für die Bauern! – Die so genannten Reformen bei der „Hacklerregelung“ bedeuten für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 20 Prozent weniger Pension – 20 Prozent, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der anderen Seite gibt es für die Bauern das System mit dem höchsten Bundes­zuschuss.

Herr Staatssekretär! Auch wenn Sie das als unglaublich empfinden, wie Sie wieder durch einen Zwischenruf kundgetan haben, werden Sie das doch wohl wissen. Dies erfolgt – ganz einfach! – durch eine Senkung des fiktiven Ausgedinges. So kann man es machen.

Weiteres Beispiel: weniger Freizeit für die Handelsangestellten, Millionen für gewisse Bereiche der Unternehmer. – Die so genannte Liberalisierung der Ladenöffnungszeit bedeutet für 190 000 An­gestellte im Einzelhandel – darunter, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, 140 000 Frauen! – weniger Freizeit am Wochenende. Einzelvereinbarungen können dem Unternehmer dann auf Kosten der Arbeitnehmer 500 Millionen € an nicht ausbezahlten Überstundenzuschlägen bringen. Ich bin seit über 28 Jahren in der Gewerkschaft tätig und


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weiß, dass das leider Gottes keine Ausnahme sein wird, dass diese Möglichkeiten sehr schnell und gleich als Erstes wahrgenommen werden.

Während es also Belastungen für Arbeitnehmer regnet, gibt es Steuergeschenke für sehr gut verdienende Unternehmer und Freiberufler. Ein Unternehmer, der 700 000 € Gewinn macht und nur die Hälfte davon auf dem Firmenkonto parkt, gewinnt dadurch 85 000 € – ohne dass er davon auch nur einen Euro in das Unternehmen investieren muss! Auch diese Möglichkeit haben wir mit diesen neuen Gesetzen, mit diesen Vorschlägen auf dem Tisch liegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Flucht aus der Verantwortung, die wir hier feststellen müssen. Bei den Ladenöffnungszeiten wird die Verantwortung Richtung Landes­hauptleute abgeschoben, das ist einfach und billig! Bei den Abfangjägern soll die nächste Regierung für die finanzielle Bedeckung sorgen. (Bundesrat Mag. Himmer: Das sagen Sie ...!) Bei den Pensionen wird die Verantwortung für die Altersvorsorge jedem einzelnen Bürger überlassen – auch hier gibt es also ein „Ballerl-Schupfen“ in Perfektion. Und hinsichtlich der Selbstbehalte soll die Selbstverwaltung der Krankenversicherungsträger der Regierung ihre Aufgaben abnehmen beziehungsweise sollen die Menschen selbst schauen, wie sie in ihrer Pension mit dem Geld, das von einer so genannten staatlichen Pension noch übrig bleibt, aus­kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Gutwilligkeit vieler einzelner Personen ist in diesem Programm angesichts dessen, was gesagt worden ist, sehr viel Ungereimtes zu finden. Ich glaube, wir müssen – und damit schließe ich mich meiner Vorrednerin an – gemeinsam ver­suchen, zumindest die Eckpunkte wieder so zu verrücken, dass wir für Österreich und nicht gegen Österreich arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

15.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

15.55


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur mich betreffenden Bemerkung meines Vorredners halte ich fest, dass ich eigentlich sehr unvoreingenommen in diese Kammer gekommen bin. Aber wenn einer gleich zu Beginn versucht, jemanden, der unvoreingenommen hereinkommt, zu provozieren, dann muss er die Antwort – die dann ungefähr auf dem gleichen Niveau ausfällt, weil sie verstanden werden soll, auch weiß ich nicht, welches Niveau Sie sonst noch be­herr­schen (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen) – ebenfalls zur Kenntnis nehmen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Erklären Sie uns das!) Da darf man nicht dünn­häutig sein, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ!

Man soll nicht dünnhäutig sein, wenn man austeilt. Sie haben Ihrerseits jetzt gerade einmal mehr dem Kollegen von der ÖVP, wenn ich Sie richtig verstanden habe, unterstellt, es gebe die Dieselpreisregelung für die Bauern deshalb, damit sie dann auch ihre Privat-PKWs mit billigem Diesel betreiben können. (Bundesrat Hensler: So ist es! – Bundesrat Reisenberger: Sie haben nicht zugehört!) Das ist eine Unterstellung, die sogar ich zurückweise, obwohl ich nicht Landwirt bin. Das ist eine Vorgangsweise, die schlicht und einfach abzulehnen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lehne es auch ab, dass ein Herr Professor Albrecht Konecny, ein Fossil einer gescheiterten linken Bewegung (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen), in diese Kammer kommt und 45 Minuten lang (Bundesrat Gasteiger: Sagen Sie ihm das, wenn er da ist, und nicht, wenn er sich nicht wehren kann!) – er ist immerhin Fraktionsvorsitzender einer staatstragenden Partei, zumindest möchte das die SPÖ sein – etwas von sich gibt, das ich Ihrer Beurteilung überlassen möchte. Mir fällt nur auf, dass vieles von dem, was er gesagt hat, polemisch, manches halbwahr und vieles unwahr war.


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Frau Präsidentin! Sie gestatten, dass ich mich damit etwas genauer auseinander setze, weil es nicht angehen kann, dass man Halbwahrheiten und Unwahrheiten unwidersprochen stehen lässt.

Die erste FPÖ-ÖVP-Bundesregierung musste ihre Arbeit unter schwierigsten Voraussetzungen beginnen, nicht zuletzt auch deshalb, weil Ihre Parteivorsitzenden Erhebliches dazu beige­tragen haben, dass diese Voraussetzungen auf internationaler Ebene besonders schwierig wa­ren. Ich denke noch an Klima und an Stockholm, an Gusenbauer und an Paris sowie viele ande­re internationale Auftritte, die nicht im Interesse der österreichischen Bevölkerung waren. Ich habe das nicht vergessen. (Bundesrat Gasteiger: Als Haider in Bagdad war, war das auch nicht im Interesse der Bevölkerung!)

Aber diese Bundesregierung hat es trotzdem geschafft, aus diesem Vermächtnis, das Sie uns aus Zeiten der Hochkonjunktur hinterlassen haben, einiges zu machen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Da stellt sich Konecny her und erzählt uns 45 Minuten lang von einem Land, das ich nicht kenne. (Bundesrat Gasteiger: Sie träumen! – Bundesrätin Schicker: Sie kennen nur das Burgenland!) Zumindest hat vieles von dem, was er über Österreich gesagt hat, mit Österreich nichts zu tun, Frau Kollegin Schicker! Ich weiß nicht, warum er Österreich so schlecht machen will. Geht es ihm zu gut in Österreich? – Es bleibt ihm unbenommen, auszuwandern. (Bundesrat Gasteiger: Wach werden, Herr Staatssekretär!) Geht es ihm nicht gut genug? – Es bleibt ihm unbenommen, dorthin zu gehen, wo jene Zustände herrschen, die er hier geschildert hat. (Bundesrat Gasteiger: Wach werden, Herr Staatssekretär!) In Österreich ist das jedenfalls nicht so, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aber, mein lieber Herr Kollege, der Sie mir noch nicht so aufgefallen sind, dass ich Ihren Namen kenne (Bundesrat Gasteiger: Es reicht mir schon, wenn ich Ihren kenne!), gehen wir zu den Fakten! (Ruf bei der SPÖ: Das ist wirklich letztklassig!) Herr Kollege Konecny malt Österreich als Land mit den schlechtesten Werten an die Wand.

Die Fakten: Das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahre 1999, als wir von Klima die Regierungs­verantwortung übernommen haben, 197 Milliarden €. Heute sind es 216 Milliarden € – ein Plus von fast 10 Prozent!

Besser oder schlechter? – Meine Damen und Herren! Besser, und zwar um 10 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Thema Arbeitsplätze: Österreich hat im Jahre 1999 bei weitem nicht so viele Arbeitsplätze gehabt wie heute. Wir können mit 3,2 Millionen Arbeitsplätzen einen Höchststand in der Zweiten Republik verzeichnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken!

Besser oder schlechter? – Zahlen sprechen für sich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundes­rätin Schicker: Früher waren das Vollarbeitszeitplätze!)

Thema Einkommensentwicklung: Frau Kollegin Schicker! Schauen wir uns einmal an, wie es dort ist, wo Sie mit Ihrer Geisteshaltung regieren. (Bundesrätin Schicker: Danke!) In Deutsch­land mit seiner rot-grünen Regierung gibt es die schlechtesten Wirtschaftsdaten, seit die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt damit begonnen haben, derartige Daten zu erfas­sen. (Bundesrätin Schicker: Was hat das mit uns zu tun? – Ruf bei der SPÖ: ... die Kon­ser­vativen!) Das ist das Ergebnis einer roten Geisteshaltung, die dort leider in der Regierung vorherrscht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Zu welchem Thema reden Sie?)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Darf ich Sie nur kurz unterbrechen und ersuchen, mir zuzuhören. Ich bin an sich ein Mensch, der für seine Geduld bekannt ist. Kollege Bieringer hat mich sogar einmal als „Mutter des Bundesrates“ bezeichnet. Mütter haben meistens mit Kindern und anderen durchaus Geduld.


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Aber ich muss Sie wirklich darauf hinweisen, dass es um die Vertretung der Position der Re­gierung und ihre Regierungserklärung geht. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Genau das tue ich! – Bundesrat Mag. Gudenus: Das tut er!) Das, was wir bis jetzt zu hören bekommen haben, war eine Rede des ehemaligen Abgeordneten Schweitzer. (Bundesrat Dr. Nittmann: Nein, nein, nein!) Ich muss Sie also wirklich bitten!

Sie haben sich über den Ton hier im Haus beklagt. Ich muss Sie bitten, dass auch Sie sich eines Tones befleißigen, den wir von Regierungsmitgliedern gewohnt sind. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist eine parteiische Vor­sitzführung! – Bundesrat Ing. Klamt: Das sind ja Zahlen und Fakten!)


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Frau Vizepräsi­dentin! Ich werde mich weiter mit dem Vergleich zwischen Deutschland und Österreich sowie mit einem Vergleich der Zeit vor dem 4. Februar 2000 mit jener danach beschäftigen, und zwar anhand von Zahlen der Statistik Österreich sowie Zahlen von Eurostat. Ich glaube, diese Zahlen sind von allen hier unbestritten.

Diese Zahlen sagen aus, dass zum Beispiel die Einkommensentwicklung in Österreich im Vergleich zu jener im rot-grünen Deutschland wesentlich besser ist. Die deutsche Brutto­lohnentwicklung weist im Zeitraum von 1999 bis 2002 ein Plus von 0,3 Prozent auf. In Öster­reich haben wir bei schlechten internationalen Rahmenbedingungen eine Bruttolohnentwicklung von plus 1,3 Prozent.

Besser oder schlechter, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ? – Ich denke, das ist allemal um einiges, nämlich viermal besser als im rot-grünen Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Sie vergessen die Kosten der Wiedervereinigung!)

Thema Armutsbekämpfung, Herr Kollege Schennach: Die Mindestpension für Ehepaare betrug im Jahre 1999 ... (Bundesrat Schennach: 700 Milliarden € kostet die deutsche Wieder­vereini­gung!)

Frau Präsidentin! Ich verstehe nicht, warum die Vertreter der Oppositionsparteien das Daten­material nicht vertragen und immer wieder zu lautstarken Äußerungen hingerissen werden. (Bundesrat Schennach: Laut waren nur Sie!) Ich würde mich dafür sehr bedanken, wenn ich in aller Ruhe das bloße Datenmaterial – ohne Polemik, ohne irgendwelche Zusätze, nur um einen Vergleich anzustellen – vortragen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Armutsbekämpfung, die Ihnen, Kollege Schennach, so am Herzen liegt: Die Mindestpension für Ehepaare betrug im Jahre 1999, als Konecny und seine Genossen noch kräftig mitregiert haben, 841 €, heute hingegen 966 € – ein Plus von 15 Prozent.

Welche Regierung war besser: die vorherige unter Klima oder die mit einer FPÖ-Beteiligung? (Bundesrat Dr. Nittmann: Die mit einer FPÖ-Beteiligung!) – Die Zahlen sprechen für sich.

Der Herr Kollege aus der letzten Bank hat zum Beispiel beklagt, dass es zu keinen Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur komme. Ich darf Ihnen wieder nur Zahlen, ohne Polemik, entge­gen­halten: Die Infrastrukturinvestitionen in Österreich stiegen von 1999 bis 2002 um fast 21 Pro­zent, Herr Kollege! 1999 lagen sie bei 2 Milliarden 107 Millionen €, im Jahr 2002 waren es 2 Milliarden 548 Millionen € – und das in Zeiten, in denen die internationalen Rahmenbe­dingun­gen wesentlich schlechter geworden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum ersten Mal seit 1945 – und zwar im vorigen Jahr – gab es in diesem Land überhaupt einen Handelsbilanzüberschuss. Das haben Sie über­haupt nie zu Stande gebracht. Ich würde gerne den Herrn Professor fragen, der uns 45 Minuten lang mit Halbwahrheiten geplagt hat, ob das jetzt besser ist oder schlechter? – Die Zahlen spre­chen für sich, meine Damen und Herren! Das ist wesentlich besser! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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Wo lag Österreich im internationalen Ranking, als Ihre Genossen das Ruder in der Hand hat­ten? Wo liegt Österreich im internationalen Ranking heute?

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Österreich hat sich in den letzten drei Jah­ren um elf Plätze verbessert und hat das rot-grüne Deutschland sehr flott überholt. (Bundesrat Schennach: Warum rasselt man dann von 27 auf 10 Prozent?) Österreich liegt heute im internationalen Ranking so gut wie noch nie. Auch das ist ein Ergebnis der Arbeit dieser Bun­des­regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

In der Produktivitätsentwicklung hat Österreich mit einem Wert von 62 Prozent über den letzten Berechnungszeitraum die Spitze eingenommen, weit vor Japan mit 17 Prozent, den USA mit 43 Prozent und Deutschland mit 51 Prozent. (Bundesrat Schennach: Herr Schweitzer! Warum sind Sie dann auf 10 Prozent gestürzt? – Bundesrat Thumpser: Falsche Rede oder wie?) Öster­reich: 62 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen sprechen für diese Bundesregierung.

Herr Kollege Schennach! Schauen wir einmal die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, für die Jungunternehmer an! Die Überlebensquote von Jungunternehmen ist ein Indikator. Diese be­trug nach fünf Jahren in Österreich 72 Prozent – international gesehen absolute Spitze! (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zahlen, Daten, Fakten – da kann Herr Kollege Konecny reden, was er will. Ich habe damit, so glaube ich, eindeutig den Beweis dafür erbracht, dass er von einem anderen Land, irgendwo auf der Welt, geredet hat. Es kann nicht Österreich gewesen sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Er sollte froh sein, dass er das Glück hat, nicht in jenem Land leben zu müssen, von dem er geredet hat, sondern hier in Österreich, wo es eine sehr erfolgreiche FPÖ-ÖVP-Re­gierung gegeben hat und es jetzt, wie das sehr ambitionierte Regierungsprogramm zeigt, weiter eine sehr gute Zukunft für Sie geben wird. (Bundesrat Schennach: ... 10 Prozent ...! – Rufe bei der SPÖ: 10 Prozent!) Aber es bleibt Ihnen ja unbenommen. In der Europäischen Union gibt es Reise- und Niederlassungsfreiheit. Sie können nach Deutschland gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition – problemlos. Packen Sie! Gehen Sie, wenn es Ihnen hier nicht passt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Tiefer als das geht es nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziehen wir doch einmal Bilanz über die heutige De­bat­te! (Bundesrat Thumpser: Das ist ja ein Wahnsinn, dass so etwas auf Schüler losgelassen wird!) – Wo waren Ihre Vorschläge, mein lieber Herr? Tut Ihnen das sehr weh, wenn man Zah­len vergleicht? (Bundesrat Thumpser: Da kann man nur froh sein, dass Sie Staatssekretär sind und nicht mehr Lehrer!) – Tut Ihnen das sehr weh? (Bundesrat Thumpser: Nein!) – Gut, nicht. (Bundesrat Thumpser: Wenn Sie als Lehrer auch so umgegangen sind mit Ihren Schülern, dann kann man nur froh sein, dass Sie Staatssekretär geworden sind und nicht mehr Lehrer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Ihnen hat mir etwas gefehlt, und deshalb habe ich bei Ihrem Abgang gemeint, Sie hätten noch etwas länger reden sollen, nämlich so lange, bis Sie min­destens einen konstruktiven Vorschlag in die Diskussion eingebracht haben. – So viel zum Ab­schluss.

Vielleicht können wir uns dann auf eine sachliche und konstruktive Ebene begeben. (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.) Bringen Sie einen diskutierenswerten Vorschlag, und ich werde mit Ihnen darüber reden! – Danke, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.10


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Herr Staatssekretär ist noch nicht aus der Übung als Parlamentarier gekommen, wie wir alle gehört haben. Sie waren begeistert wie am Fußballplatz. Ich hoffe, wir machen nicht so weiter.

Es hat sich nun Herr Bundesrat Reisenberger zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich darf ihn aber darauf hinweisen, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von


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5 Minuten nicht überschreiten darf. Ich mache weiters darauf aufmerksam: Die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des zu berichtigenden Sachverhaltes müs­sen der Inhalt Ihrer Wortmeldung sein. – Bitte.

16.11


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Es geht ganz einfach darum, dass man die feinen Unterschiede zwischen Behauptungen und Unterstellungen hier durcheinander gebracht hat.

Ich habe nicht behauptet, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, dass ich jedem Bauer unter­stelle, den Agrardiesel für seinen Mercedes oder für sein Dieselfahrzeug zu verwenden, son­dern ich habe die Frage gestellt, ob es auch abgesichert ist, dass er nicht für Privatzwecke verwendet wird. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie unter­stellen es schon wieder!)

Aber – und das als Schlusssatz, dann bin ich schon wiederum in meiner letzten Bank, Herr Staatssekretär – es ist interessant, was wir heute über die Zukunft bezüglich Sport in Österreich erfahren haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tu­sek. – Bitte.

16.12


Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wenn wir nun nach über sieben Stunden Debatte über diese Regierungserklärung in einzelnen Bereichen, in einzelnen Fragen sehr kontroverser Meinung sind, dann, so glaube ich, gehört das einfach dazu. Eine Regierungserklärung stellt das Programm von vier Jahren dar, und in der Demokratie ist es legitim und durchaus richtig, dass man über verschiedene Detailfragen unter­schiedlicher Meinung sein kann, wenn nicht sogar sein muss.

Wenn ich allerdings an die Rede von Kollegen Reisenberger denke – er ist leider nicht da – und hier kurz repliziere, dann halte ich es zumindest für bedenklich, wenn er ein Horrorszenario für das Jahr 2006, was seiner Meinung nach die Arbeitslosigkeit dann betreffen wird, aufbaut. Ich halte es auch für bedenklich, wenn man im Sinne des alten und längst totgeglaubten Klas­sen­kampfes eine Bevölkerungsgruppe gegen eine andere ausspielen will oder meint, ausspie­len zu müssen. Ich glaube, es bringt nichts, in einer Gesellschaft den Neidkomplex zu schüren und darzustellen, wie arm die Pensionisten, wie arm kleine Arbeiter und Angestellte durch diese Regierung gemacht werden, weil sie nur 21 € oder 24 € im Monat mehr haben, und welche Geschenke dafür Bauern, Wirtschaftstreibende oder sonst welche Berufsgruppen bekommen sollen. Ich glaube, das bringt nichts, sondern man soll sich kritisch mit Vorhaben der Regierung beschäftigen und soll seine Meinung zu einzelnen Fragen positionieren.

Was mich besonders freut, ist, dass es einige Bereiche, einige Punkte aus dieser Regierungs­er­klä­rung gibt, über die weitgehend Konsens herrscht oder Konsens herrschen dürfte, weil die­se Punkte von der Opposition nicht oder wenn, dann nur in positiver Form, angesprochen wurden.

Ich denke, gerade in einer sehr unruhigen Zeit – der Herr Bundeskanzler hat das eingangs in sei­ner Regierungserklärung betont –, in einer Situation, in der wir nicht wissen, wie lange der Weltfriede, sofern es den überhaupt gegeben hat, hält und wie sich die Situation im Irak ent­wickeln wird, ist das sehr wichtig. Oder denken wir – auch das hat der Bundeskanzler ein­gangs in seiner Rede erwähnt – an diesen brutalen Mord am serbischen Ministerpräsidenten Zo­ran Djindjic. Das sind furchtbare Entwicklungen, genauso wie die Entwicklungen in der internationa­len Terrorszene.

Daher halte ich es für sehr wichtig und für sehr positiv, dass im Bereich der Außenpolitik offen­bar in diesem Haus Einhelligkeit darüber herrscht, dass auch wir in Österreich alles daran­setzen müssen, dass es zum Frieden und zu keinem Krieg kommt.


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Dass die Abrüstung, die Entwaffnung des Irak auch für uns wichtig sind, ist eine zweite Sache, aber der Vorrang der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates muss vor Alleingängen ein­zel­ner Kriegstreiber, auch wenn sie noch so mächtige Positionen in der Welt verkörpern, gege­ben sein.

Daher ist es erfreulich, dass in diesen Fragen Einhelligkeit herrscht, wie es der Nationale Si­cher­heitsrat auch im Sinne des Europäischen Rates vom 17. Februar bestätigt hat, im Rahmen dessen vor allem der Wunsch nach Friede betont und klar und deutlich ausgedrückt wurde, dass Gewalt nur das allerletzte Mittel sein kann, aber auch nur dann, wenn eine Legitimierung durch den Sicherheitsrat gegeben ist.

Es ist wichtig, dass wir gerade in diesen grundlegenden Fragen der Außenpolitik, in den grund­legenden Fragen einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik möglichst Konsens in diesem Haus haben.

Innerhalb der Europäischen Union haben diese letzten Wochen gezeigt, dass wir von der wichti­gen Forderung sehr weit weg sind, dass diese Union mit einer Stimme spricht, wenn es um außen­politische Fragen geht. Es ist das sicher kein leichter Weg. Wenn ich hier in aller Kürze die Erfahrung aus dem Zukunftskonvent einfließen lassen darf, dann kann man sehr klar und deutlich sagen, dass sich der Konvent bemüht, eine Lösung für eine einheitliche, effiziente euro­päische Außenpolitik zu finden, und dass sich alle Konventmitglieder in der Frage einig sind, dass es eine Außenpolitik und vor allem eine Stimme in der Außenpolitik geben muss.

Allerdings sind die Details – das darf ich hier sagen – völlig ungeklärt. Es sind viele wichtige und entscheidende Fragen in diesem Zusammenhang offen, so zum Beispiel auch die Frage: Soll der künftige europäische Außenminister – von dem der Herr Bundeskanzler heute auch gesprochen hat – der Kommission angehören oder soll er im Rat verankert sein? Soll – und das ist sicherlich gerade in der jetzigen Zeit eine wichtige und entscheidende Frage – Europa als eigene Rechtspersönlichkeit einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben? Was wird auf der einen Seite das ständige Sicherheitsratsmitglied Frankreich, was wird auf der anderen Seite das ständige Sicherheitsratsmitglied Großbritannien dazu sagen? Oder soll es in Jahrzehnten eine einheitliche Außenvertretung in Drittstaaten geben, also keine Botschaften der einzelnen Mitgliedstaaten der Union, sondern EU-Botschaften?

All diese Fragen werden sicherlich zu lösen sein, und es ist dies eine Herausforderung nicht nur für den Konvent, sondern diese Fragen sind auch Herausforderungen für die neue Bundes­regierung, denn letztlich wird die Regierung, wird das Parlament und höchstwahrscheinlich wird auch das Volk zu diesen Fragen und zu den Ergebnissen des Konvents Stellung beziehen müs­sen. Es werden die Ergebnisse – ich bin sicher, dass im Juni Ergebnisse dieses Konvents vor­lie­­gen werden – und all diese Fragen dann sicherlich innerstaatlich zu diskutieren und dann zu entscheiden sein.

Das Gleiche, was für die Außenpolitik gilt, gilt für die Sicherheits- und für die Verteidigungs­politik. Diesbezüglich kann ich sehr positiv anmerken, dass es in den letzten Jahren, so scheint es, zu einem Zusammenrücken aller vier in diesem Hause vertretenen Parteien gekommen ist, dass es Übereinstimmung darüber gibt, dass eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik anzustreben ist. Das ist sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wird es notwendig sein, neue Wege zu su­chen und neue Wege zu finden. In diesem Zusammenhang erscheint mir besonders wichtig, dass wir richtige Entwicklungszusammenarbeit betreiben, dass wir nicht weitere Abhängigkeiten schaffen, sondern in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe für die Völker der Dritten Welt geben, damit sie – als Ziel, das sicherlich nicht heute oder morgen zu erreichen sein wird – selbst in der Lage sind, ihre Aufgaben eigenverantwortlich zu erfüllen, und Existenzgrundlagen in ihren Ländern finden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ganz bewusst versucht, wichtige Punkte der Außen-, der Sicherheits- und der Verteidigungspolitik im europäischen Kontext zu sehen, weil


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diese Fragen für uns und auch für uns als Ländervertreter in diesem österreichischen Bundesrat wichtig sind. Ich halte es für eine ganz wichtige und richtige Entwicklung, dass diese entschei­denden Fragen von allen in diesem Haus entsprechend getragen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.23


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

16.24


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Meine sehr ge­ehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Reisenberger hat natürlich ein Recht darauf, auch zum Kapitel „Sport“ einiges zu hören. Da Sie aber gerade gestern und vorgestern in vielen gro­ßen Tageszeitungen so unter dem Motto „Und ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig un­geniert!“ inserieren haben lassen und unter anderem auch die Einrichtung des Sportstaats­sekretariats in der Bundesregierung massiv kritisiert haben, habe ich mir gedacht, wenn Sie das so massiv kri­tisieren und in Wahrheit nicht haben wollen, dann haben Sie sicherlich kein gesteigertes Interesse an dem Ganzen. Aber ich freue mich, dass ich mich in Ihnen getäuscht habe, und bin gerne bereit, Ihnen einiges Wesentliche zu sagen, was wir im Bereich des Sports vorhaben.

Im Vordergrund und ganz aktuell steht natürlich die Bemühung, die Olympischen Winterspiele für das Jahr 2010 nach Salzburg zu bekommen. Seit gestern hält sich die Evaluierungskom­mission des IOC in Österreich auf, und ich werde noch heute Abend mit den Mitgliedern dieser Evaluierungskommission zusammenkommen. Wir werden die Sportstätten, die für die Austra­gung vorgesehen sind, in den Bundesländern Tirol, Salzburg, Steiermark und auch im benach­barten Bayern besichtigen und versuchen, der Evaluierungskommission diesen Austragungsort als den optimalen – und ich bin überzeugt davon, dass es von den Voraussetzungen her die optimalen Sportstätten sind – entsprechend zu übermitteln.

Ich bin sehr froh darüber, dass es meiner Vorgängerin gelungen ist, Österreich und die Schweiz gemeinsam zum Austragungsort für die Europameisterschaft im Fußball – immerhin das dritt­größte Sportereignis auf der Welt – zu machen. Es bedarf jetzt einer intensiven Vorbe­reitung, insbesondere in den Städten, in denen Spiele ausgetragen werden. Die Finanzierung von Sta­dienneubauten und Stadienausbauten ist gesichert. Gerade am Samstag wurde eines dieser Europameisterschaftsstadien in der Gemeinde des Kollegen Bieringer eröffnet, das meiner Meinung nach ein wirklich richtungsweisendes Stadion ist.

In diesem Bereich, was internationale Großveranstaltungen betrifft, sind wir auf einem guten Weg. Wir wissen, dass es auf Grund der Tatsache, dass es eine Vielzahl von Umwegrentabilitä­ten gibt, immer wieder Sinn macht, sich um solche Großveranstaltungen zu bewerben.

Mir – und ich sage das jetzt trotz massiver Kritik – als ausgebildetem Sportler, der ein Sportwis­sen­schaftsstudium abgeschlossen hat, ist aber auch die Förderung des Gesundheits- und des Brei­tensports ein wesentliches Anliegen. Hier bedarf es einer Professionalisierung bereits im Kindergartenalter. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass von entsprechend ausgebildeten Kinder­betreuerInnen ein umfassendes Bewegungsangebot gemacht wird. Es mangelt mir am umfas­senden Bewegungsangebot bereits in den Kindergärten, und dieses Angebot nimmt dramatisch ab, wenn man in die Volksschule kommt. Da ist ein Hebel anzusetzen (Bundesrätin Schicker: Ja, durch Kürzung von zwei Stunden!), und ich glaube, dieser Hebel ist so anzusetzen, dass wir insbesondere beim Volksschullehrer, bei der Volksschullehrerin mehr Wert auf die Ausbildung im Bereich Bewegungserziehung legen.

Was mir auch ein besonderes Anliegen ist – und es sind alle eingeladen, ihre Ideen entspre­chend einzubringen –, ist eine bessere Verbindung zwischen Schulsport und Vereinssport. Die­ses Bindeglied ist nach wie vor nicht vorhanden, und ich habe das Gefühl, weil wir dieses Bindeglied nach wie vor nicht haben, gehen dem österreichischen Sport viele Talente verloren, weil sie nicht erkannt werden beziehungsweise weil sie in der Schule nicht so lange profes­sio-


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nell betreut werden, bis sie tatsächlich den Weg zum Vereinssport und über den Vereinssport unter Umständen zum Spitzensport gefunden haben.

Auch da bin ich für jede Idee, die umsetzbar ist, äußerst dankbar. Ob das dann in Form eines Schul­sportvereines oder eines Fachverbandes Schulsport seine Umsetzung finden wird, ist völlig egal, Hauptsache ist, dass wir ein entsprechendes Bindeglied zwischen Schule und Verein entwickeln können.

Es wird ganz wichtig sein – Kollege Schennach wird hoffentlich alle unsere Bemühungen unter­stützen –, dass wir die Darstellung der gesamten Palette des Sports, einschließlich des Behin­der­tensports, im ORF nicht nur sicherstellen, sondern auch ausbauen und es vor allem ermögli­chen, dass die Sendezeiten so gelagert sind, dass es entsprechende Einschaltquoten geben kann, denn Berichterstattungen in TW1 von 1 Uhr Früh bis 3 Uhr Früh erzielen nicht sonderlich hohe Einschaltquoten (Bundesrat Binna: Gar keine!) und sind dann auch für Sponsoren nicht sonderlich attraktiv. – Bitte? (Bundesrat Binna: Gar keine!) – Ja. Es wird also an uns liegen, bes­sere Sendeplätze für alle Sportarten im Bereich der Berichterstattung auch vom ORF1 zu bekommen, weil Sponsoren natürlich Interesse an Quoten haben. Und nur so ist es möglich, mehr Geld für den Sport flüssig zu machen.

Das Budget wird in Summe nicht viel mehr hergeben, obwohl wir erreichen konnten, dass, weil wir jetzt das Jahr der Behinderten haben, ein Extrazuschuss in der Höhe von 1,5 Millionen € insbesondere für den Behindertensport in diesem Budget vorgesehen sein wird.

Das sind die wesentlichen Vorhaben in Kürze, damit ich nicht mit dem Vorwurf leben muss, ich hätte zu meinem ureigenen Bereich im Bundesrat nicht entsprechend Auskunft gegeben. – Dan­ke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bach­ner. – Bitte.

16.30


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätz­te Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen des Bundesrates! Ich gebe zu, dass ich heute zu dieser Sitzung mit einer gesteigerten inneren Erwartung gegangen bin. Erstens war ich neugierig, wie man denn von Seiten der Regierung das Regierungsprogramm interpretieren wird, und zweitens war ich natürlich sehr gespannt auf die neuen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt hier auf der Regierungsbank sitzen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war angenehm überrascht.

Ich habe heute in den vielen Stunden – der Kollege hat es schon gesagt, es sind mittlerweile schon etwas mehr als sieben Stunden – doch sehr viel von den neuen Kolleginnen und Kolle­gen auf der Regierungsbank, von den neuen Regierungsmitgliedern an fachlichem Input erlebt. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Langsam!) Vor allem habe ich auch gemerkt ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Man sollte auch positiv denken, völlig richtig, so sehe ich das auch immer, auch wenn es nur kurze Zeit andauert. – Nein, Spaß beiseite, ich meine es so, wie ich es gesagt habe, ich war angenehm überrascht und habe sehr viel Positives an fachlichem Inhalt gehört. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Vor allem haben mir die Vortragsweise, die Tatsache, dass doch ein Händereichen festzustellen war – das habe ich großteils bemerkt –, und auch die Einladung gefallen. Es hat mir besonders von Herrn Minister Pröll gefallen, dass er gesagt hat: Wir wollen drei Monate Zeit geben, jeder soll sich einbringen können, auch die Sozialpartner sind eingeladen. – Das sind für mich Vor­gangs­weisen, mit denen ich leben kann. Wenn man das in Zukunft so handhabt, dann ist es, so meine ich, möglich, Programme gemeinsam zu gestalten, und dann werden sie auch gemein­sam getragen.

Dieser positive Eindruck, den ich jetzt geschildert habe, hat genau bis zu dem Zeitpunkt ange­halten, als Sie, Herr Staatssekretär, am Wort waren. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Un-


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glaub­lich! Was ist passiert?) Sie haben die Vorarbeit Ihrer Kolleginnen und Kollegen – diese können nicht einmal etwas dafür – leider mit ein paar Worten, insbesondere mit Ihrem Auftritt, muss man eigentlich sagen, zunichte gemacht. Ich denke mir, dass das Ihrer nicht würdig ist, denn genau in Ihren zweiten Ausführungen, in denen Sie fachlich auf Ihr Ressort eingegangen sind, haben Sie bewiesen, dass Sie es können. (Heiterkeit.)

Warum beginnen Sie nicht schön langsam, sich in die Rolle des Staatssekretärs einzufügen? (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Habe ich ja begonnen! – Bundesrat Konecny: Nach der Probezeit kann man ihn nicht kündigen!) Sie würden sich selbst, Ihrer Partei, ja der gesamten Regierung einen Gefallen damit tun. Das ist nur ein kleiner Hinweis von mir.

Nachdem Sie, Herr Staatssekretär, einige Zahlen interpretiert haben – und das ist Ihr gutes Recht –, nehme ich mir auch dieses Recht heraus. Und das sind belegbare Zahlen. Das hat aber nichts mit Ihnen alleine zu tun; Sie haben sich allerdings so auf Ihre Zahlen berufen.

Ich gehe in meinen Ausführungen zuerst einmal auf die Arbeitslosenzahlen ein. Diese wurden heute schon ein paar Mal zitiert, aber leider immer falsch, denn in Wahrheit gibt es genau 340 000 Arbeitslose. Unsere Statistiken werden nämlich nie genau zitiert, es handelt sich immer nur um die arbeitslos Gemeldeten. Da bin ich schon bei den Ausführungen des Herrn Vize­kanzlers Haupt, der gesagt hat, es seien 295 000. Da hat er Recht. Was er aber nicht dazu ge­sagt hat, sind die 45 000, die in Schulungsmaßnahmen sind. Diese haben derzeit noch keine Arbeit, sondern werden nach Beendigung dieser Schulungsmaßnahme auch als Arbeit Suchen­de auf dem Arbeitsmarkt sein. Das heißt, in Wahrheit haben wir 340 000 Arbeitslose.

Jetzt kann man lange hin- und herreden, in Vergleich mit welchem Land wir besser oder schlech­ter sind. Das ist den 340 000 Menschen, die davon betroffen sind, in Wahrheit schnurz­egal – ich sage das so ungeschönt –, denn sie stehen vor der Situation, dass sie keine Arbeit ha­ben. Von diesen 340 000 sind 45 000 Jugendliche – man muss sich einmal die Perspektive von 45 000 jungen Menschen vorstellen! – und 60 000 ältere Arbeitnehmer, davon sind wie­derum 15 000 bereits länger als ein Jahr – länger als ein Jahr! – in der Arbeitslosigkeit.

Wenn heute der Beschäftigungszuwachs und so weiter propagiert wurde, dann muss ich dem entgegenhalten: Das stimmt ja auch nicht, bitte! Auch dort werden Zahlen eingerechnet, die einfach zu den Steigerungsraten nicht gehören. Rechnet man nämlich die Kindergeldbezieher heraus, dann sieht man, dass in Wahrheit die Beschäftigtenrate um 24 000 Personen gesunken ist. – Wenn man Statistiken zitiert, dann sollte man sie auch richtig zitieren!

Jetzt komme ich zu meinem nächsten Thema. Ich habe es in der letzten Sitzung des Bundes­rates schon angesprochen, aber da heute die Regierungsvertreter anwesend sind, möchte ich das noch einmal tun und ihnen manches Ersuchen mit auf den Weg geben. Ich habe jetzt die Arbeitslosensituation dargestellt. Heute haben wir schon sehr oft auch darüber gesprochen, dass im Regierungsprogramm die Maßnahme vorgesehen ist, dass die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer oder bei Arbeitslosigkeit bis 2009 wegfallen soll.

Ich habe das auch das letzte Mal bereits erwähnt, aber man kann es, wie ich meine, nicht oft genug sagen: Allein durch die Anhebung des vorzeitigen Pensionsalters um eineinhalb Jahre, die vor zwei Jahren erfolgt ist, ist die Arbeitslosigkeit bei Männern um 117 Prozent und bei Frau­en um 80 Prozent gestiegen. Mehr als 50 Prozent der Menschen, die derzeit in Pension gehen, gehen nicht mehr aus dem Berufsleben in Pension, sondern gehen aus der Arbeitslosigkeit, aus der Sozialhilfe oder aus dem Notstand heraus in Pension.

Genau durch diese Maßnahme – und das bestätigen auch die Wirtschaftsforscher –, wenn wir das vorzeitige Pensionsantrittsalter bis 2009 streichen, wird sich entweder die Situation auf dem Ar­beits­markt oder auf dem Arbeitslosensektor verschärfen. Aber in Wahrheit sind die Leute davon betroffen. Entweder sie haben keine Arbeit, oder sie haben das Problem, dass sie zu jung für die Pension, aber zu alt für den Job sind.

Es wurde heute sehr oft gesagt, dass es die „Hacklerregelung“ gibt. Ich weiß jetzt noch nicht genau, wie das gemeint ist. Es steht auch nur mit einem sehr kurzen Satz im Regierungspro-


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gramm. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob alle wissen, was die „Hacklerregelung“ ist. Es gibt nämlich die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer und die so ge­nannte „Hacklerregelung“. Es wird so interpretiert, dass die „Hacklerregelung“ – dies wur­de mehrfach auch in Zeitschriften so erwähnt – für Schwerarbeiter oder Sonstiges gilt. Das ist nicht der Fall, sondern die „Hacklerregelung“ gilt für alle, für Männer und für Frauen, für Frau­en, die mit 55 Lebensjahren 40 Beitragsjahre haben, und für Männer, die mit 60 Lebensjahren 45 Bei­tragsjahre haben. Und das ist völlig unabhängig davon, wo jemand vorher beschäftigt war. Es ist egal, ob es sich um einen Arbeiter, Angestellten oder sonst jemanden handelt. – Das ist die „Hacklerregelung“.

Jetzt freut es mich sehr, wenn man diese beibehalten möchte, weil ich denke, dass das auch der richtige Ansatz ist. Frauen erreichen dies nur ganz schwer, Männer noch eher, aber auch nur dann, wenn sie bereits mit 15 Jahren zu arbeiten beginnen und kontinuierlich ohne längere Unterbrechung – denn weder Krankengeldbezug noch Sonstiges wird da hineingerechnet – bis 60 arbeiten gehen. Kolleginnen und Kollegen! Wenn man nicht gerade wirklich einen traum­haften Job hat, dann meine ich, das müsste eigentlich für die Alterssicherung ausreichen. Ich denke mir, dass das ausreichende Zeiten sind.

Es wird zwar gesagt, diese so genannte „Hacklerregelung“ soll bleiben, aber im Regierungs­programm steht in jenem Absatz, der sich mit dem Bonus-Malus-System beschäftigt, dass es in Zukunft keine Deckelungen mehr geben wird. Das würde bei der „Hacklerregelung“ sehr wohl das bedeuten, was Kollege Reisenberger schon erwähnt hat. Wenn ich nämlich die 4,2 Prozent Malus betrachte und die Tatsache, dass jene Kolleginnen und Kollegen, die nach der „Hacklerregelung“ in Pension gehen, dies vor dem Regelpensionsalter tun, dann folgt daraus, dass diese über 20 Prozent im Vergleich zu früher verlieren. Das heißt, das muss man den Leuten auch klar machen, oder man ist so fair und gerecht und zieht eine Deckelung ein, so wie es jetzt der Fall ist. Bei den Abschlägen ist jetzt eine Deckelung eingezogen, somit kann das nicht voll durchgreifen.

Ich hoffe, dass das bei den endgültigen Verhandlungen – ich hoffe, dass noch nicht alles fixiert ist – noch mit berücksichtigt werden kann.

Alle anderen Maßnahmen, und zwar sowohl die Reduzierung des Steigerungsprozentsatzes von 2 Prozent auf 1,78 Prozent als auch die Durchrechnung, werden sich in Zukunft bei den Pen­sionen massiv niederschlagen, vor allem bei den Frauenpensionen, weil diese unter­schied­li­che Berufsverläufe haben und dadurch die Durchrechnung besonders massiv schlagend wird.

Das heißt, in Zukunft wird Folgendes eintreten: Die Menschen müssen länger arbeiten und werden weniger Pension bekommen.

Jetzt bin ich bei all jenen, die heute schon gesagt haben, ja aber man muss doch die demo­graphische Entwicklung kennen, und muss doch wissen, dass die Menschen länger leben, und das muss man finanzieren können und so weiter. – Da bin ich völlig d’accord, das habe ich schon das letzte Mal gesagt. Sehr geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Diese Maß­nahme wird allerdings nur deswegen gesetzt, weil der Finanzminister bis zum Jahr 2006 eine Milliarde € fürs Budget braucht, und nicht, weil das System gesichert werden soll! Wir kennen die Problematik bei der Pensionsvorsorge und verlangen schon seit langem, dass dieses The­ma bei den Gesprächen über das Regierungsprogramm und bei den Verhandlungen ausge­klammert wird und dass sich alle vier Parteien zusammensetzen und in Ruhe über ein neues System diskutieren sollten. Da soll man sich ruhig Zeit lassen, so sehr drängt die Zeit noch nicht. Man sollte zu einem harmonisierten System kommen, das für alle gleich gilt. Ich denke, wenn da die Lebensplanung berücksichtigt ist, wird es auch jeder mittragen. Wir sind aber gegen Ad-hoc-Situationen und Geldbeschaffungsaktionen, die derzeit von dieser Regierung gemacht werden. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Da das Licht schon leuchtet, muss ich meine Ausführun­gen etwas kürzer halten, aber ein paar Punkte möchte ich zu den anderen Bereichen noch ma­chen. Es gäbe zu den Pensionen noch viel zu sagen, es ist dies eines meiner Lieblingsthemen,


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aber auch zum Gesundheitssystem. Es wurden heute viele Dinge dazu gesagt. Es wurde ge­sagt, die Krankenscheingebühr soll abgeschafft werden, die Ambulanzgebühr soll abgeschafft werden. Ich bin positiv denkend, ich nehme an, dass dies letztendlich doch passieren wird.

Es ist dies derzeit noch nicht passiert, weil man die 280 Personen, die mit der Verrechnung der Ambulanzgebühr beschäftigt waren, nicht einfach vor die Tür setzen möchte. Da kann ich mich als Gewerkschafterin nur dafür aussprechen und dafür bedanken, dass das nicht passiert. Ich kann Ihnen aber auch mit auf den Weg geben, dass das gar nicht notwendig ist, denn diese 280 Personen, die sowieso nicht nur für diesen Bereich aufgenommen wurden, könnte man, sofern sie jetzt nicht ausgelastet sind – ich weiß, wie schwer beschäftigt die Kolleginnen und Kollegen in den Versicherungsträgern sind –, ohne weiteres in der Betriebsprüfungsabteilung einsetzen. Dort wäre höchster Handlungsbedarf, diese Abteilung ist total unterbesetzt, das heißt, sie kommen mit den Betriebsprüfungen nicht nach. Sehr viele Sozialversicherungs­beiträ­ge, die uns in Wahrheit im System wieder fehlen, können somit nicht rechtzeitig einge­fordert wer­den. Deshalb wäre es sinnvoll, diese Überlegungen anzustellen, bevor man einen So­zialplan für diese Personen überlegt. Diese würden sich ungeschaut rechnen angesichts des­sen, was sie bei den Betriebsprüfungen hereinbringen. Das kann ich Ihnen versprechen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Ich halte es für nicht sehr fair – das haben viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt –, dass man Verantwortung auf die Sozialversicherungsträger abschiebt und diesen den Auftrag erteilt, Selbstbehalte einzuführen, weil man selbst in Wahrheit mit der Reform des Ge­sundheitssystems überfordert ist. Das halte ich für keine sehr mutige Vorgangsweise, auch wenn die Regierung das Gegenteil behauptet.

Wenn ich an die Strukturreform der Gebietskrankenkassen und die Aufteilung der Unfallver­si­che­rungsanstalten denke, läuft mir der kalte Schauer über den Rücken. Herr Kollege Schen­nach hat es heute schon gesagt, und ich bestätige das: Dort soll in Wahrheit unter dem Titel „Strukturreform“ Folgendes passieren – und das steht klar und deutlich auch darin –: Anpas­sung an das Modell des Hauptverbandes. – Na wunderbar! Das Modell des Haupt­verbandes, das wir jetzt haben, kostet nämlich mehr als jenes, das wir vorher hatten. Oder können Sie mir nach­weisen, dass das anders ist? – Großartige Reformen hat dieser Hauptverband in der letzten Zeit nicht geschafft, ganz im Gegenteil. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) – Nein, das ist ein Irrtum.

Sie könnten sagen, dass wir Hans Sallmutter decken müssen oder Sonstiges. Dazu möchte ich bemerken, Herr Wetscherek – er ist sicher nicht der Sozialdemokratischen Partei zuzuordnen (Beifall bei der SPÖ) – bestätigt in Wahrheit, dass dieses Vorhaben völlig sinnlos ist. Vielleicht hören Sie, wenn Sie schon uns nicht glauben wollen, etwas mehr auf die eigenen Leute, das sind nämlich die Experten! Vielleicht hören Sie einmal zu, denn dann können wir vielleicht noch einiges verhindern. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Was ich aber als Affront betrachtet habe, war die Aussage des Herrn Vizekanzlers am „Runden Tisch“ am Dienstagabend. Das ist wieder die typische Art zu polemisieren. Offensichtlich sind sich einige ihrer Rolle noch nicht bewusst. Er hat gesagt, dass es notwendig sei, Reformen zu machen, denn da gebe es noch immer Privilegien bei Pensionen und so weiter und so fort. Und dann sagte er vor laufender Kamera in der Sendung „Runder Tisch“, dass das die Menschen draußen nicht verstehen würden. – Glauben Sie wirklich, dass die Menschen ver­stehen, dass die Frau Vizekanzlerin oder Herr Reichhold ihr Gehalt weiter bekommen? So ist es! (Zwischen­ruf des Bundesrates Fasching.) Für alle gleich! Da stimme ich voll mit Ihnen überein. Auch das werden die Leute nicht verstehen. Man kann nicht immer nur einseitig polemisieren! (Zwischenruf des Staatssekretärs Mag. Kukacka.)

Da kennen Sie mich aber schlecht! Mag schon sein, aber ich bin an und für sich in meiner Grup­pe bekannt dafür, dass ich auch bei eigenen Kollegen sehr kritisch bin, wenn etwas aus meiner Sicht nicht passt.


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Abschließend möchte ich zu diesem Thema sagen, dass auch der Herr Bundeskanzler – leider kann ich es ihm nicht selbst sagen – eine irritierende Behauptung aufgestellt hat, indem er nämlich die Mitarbeitervorsorgekasse als Pensionskasse deklariert und gesagt hat, dass es diesbezüglich eine Übereinkunft mit den Sozialpartnern gebe. (Bundesrätin Kainz: Das kann nicht stimmen!) – Das stimmt überhaupt nicht. Die Mitarbeitervorsorgekasse ist keine Pensions­kasse, sondern eine Abfertigungskasse. Über die Abfertigungskasse gibt es Einvernehmen mit den Sozialpartnern, aber nicht über eine Pensionskasse. – Das sei nur gesagt, damit Sie das auch richtig gestellt mit auf den Weg nehmen können.

Zum Abschluss kommend: Beim vorletzten „Runden Tisch“ hat unser Herr Bundeskanzler zum Thema „Abfangjäger“ nach längerer Diskussion und vehementer Hinterfragung eines Journalis­ten gesagt: Also, bitte schön, tun Sie doch nicht so herum, ein so reiches Land wie Österreich wird sich doch die Luftsicherheit leisten können! – Auch heute hat er dasselbe noch einmal ge­sagt, er hat nicht „reiches“ Land gesagt, ich habe ganz genau aufgepasst, sondern er hat ge­sagt, ein „wohlhabendes“ Land wie Österreich werde sich doch die Luftsicherheit leisten kön­nen. Aber von diesem wohlhabenden oder reichen – jetzt können Sie es sich aussuchen – Land verlange ich auch, dass wir uns die soziale Sicherheit leisten können. Und es geht nicht an, dass wir dort sparen! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

16.48



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Klamt das Wort. – Bitte.

16.48


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Meine Herren Staatsse­kre­täre! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die Freiheitliche Partei Österreichs hat in den letzten Jahrzehnten für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes eine hervorragende Oppositionspolitik gemacht. Natürlich muss man festhalten, dass wir damals wäh­rend der Zeit der rot-schwarzen Koalition ein weites Betätigungsfeld vorgefunden haben. Wir haben Ungerechtigkeiten, die sich über Jahre aufgebaut haben, schonungslos ange­prangert und damit den Boden für notwendige Reformschritte aufbereitet.

Die Freiheitliche Partei Österreichs hat sich in der letzten Legislaturperiode zur Übernahme von Regierungsverantwortung bekannt und mutige Reformvorhaben getragen. Wir sind auch in die­ser Legislaturperiode wieder bereit, Verantwortung zu übernehmen und den für Österreich so wichtigen Reformkurs mitzutragen.

Die Budgetkonsolidierung muss natürlich fortgesetzt werden. Eine Steuerentlastung muss kom­men. Die Pensionsfinanzierung ist mittel- und langfristig sicherzustellen. Die medizinische Ver­sorgung der Österreicherinnen und Österreicher muss in hoher Qualität weiterhin leistbar sein. Die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und die damit in unmittelbarem Zusam­men­hang stehende Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreichs sind uns ein echtes Anlie­gen.

Die Verwaltungsreform und die Staatsreform sind unabdingbar, weil wir unser Gemeinwesen mo­derner, effizienter und für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nachvollziehbarer ma­chen wollen.

Bei aller Wertschätzung für das Regierungsprogramm, das ich selbstverständlich mittragen wer­de, muss ich aber festhalten, dass dieses Regierungsprogramm im Moment natürlich nur ein Pa­pier ist. Dieses Papier muss erst mit Leben erfüllt werden, und das wird kein leichter Weg sein. Die Abgeordneten der Freiheitlichen Fraktion in unserem Hause werden sehr darauf ach­ten, dass die Umsetzung des Regierungsprogramms sozial verträglich bleibt. Die freiheitliche Handschrift wird in der Arbeit dieser Regierung – davon bin ich überzeugt – erkennbar sein und garantiert, dass in den nächsten Jahren Politik nicht nur mit Vernunft, sondern auch mit Herz betrieben wird.

In diesem Sinne wünsche ich der neuen Regierung sehr viel Kraft und sehr viel Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Staatssekretär Mag. Ku­kacka das Wort. – Bitte.

16.53


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Hel­mut Kukacka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich einige Worte zu Kollegin Bachner sagen. Sie ist zwar leider jetzt nicht anwesend, aber man kann es ihr vielleicht mitteilen.

Ich bedanke mich zuerst einmal für die freundliche Qualifizierung der Regierungsmitglieder. Ich werde meinen Kollegen das natürlich weiterleiten, und ich hoffe sehr, dass sie sich mit ihrer Überzeugungskraft auch in der eigenen Fraktion entsprechend durchsetzen wird, denn, meine Damen und Herren, das, was an sonstigen Unfreundlichkeiten gegenüber der Regierung gesagt wurde, werde ich heute nicht näher kommentieren.

Ich habe heute meinen staatstragenden Tag. Wir sind in der Zeit schon sehr fortgeschritten. Ich habe mir selbst eine Redezeitbeschränkung auferlegt. Ich will also heute hier entsprechend zurückhaltend sein.

Aber eines, so glaube ich, muss man schon sagen: Wenn Sie ehrlich und gerecht sind, dann wissen Sie so gut wie wir, dass Österreich nach wie vor ein Land mit ganz hohen Sozialleis­tungen ist, und dann müssen Sie mit uns auch einer Meinung sein, dass wir dieses hohe Niveau nur dann halten können, wenn es zu den von der Regierung vorgesehenen Reformen kommt. Darüber sind sich alle Experten dieses Landes einig, meine Damen und Herren!

Deshalb glaube ich, sollten wir in dieser Frage nicht vordergründig parteipolitisch polemisieren, sondern sollten wir gemeinsam diese Kraftanstrengung versuchen, dieses hohe Sozialsystem zu halten und alles dafür zu tun, dass wir zum Beispiel in der Familienpolitik, so wie das derzeit der Fall ist, auch in den nächsten zehn Jahren Europameister bleiben können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich als neuer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie meinen Bundesminister Hubert Gorbach für die heutige Sitzung entschuldigen. Sie wissen, er ist heute in Brüssel, er ist wegen der Transitproblematik bei der Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, und ich bitte den Bundesrat, auch in seinem Namen um Verständnis für seine heutige Abwesenheit.

Die Bundesregierung und unser Ministerium haben sich für die nächste Legislaturperiode ein ganz großes Aufgabengebiet vorgenommen. Seit der Zusammenlegung der Infrastrukturbe­rei­che Straße und Schiene in ein Bundesministerium, so wie das letzte Legislaturperiode gesche­hen ist und wie wir das auch heuer in den neuen Regierungskompetenzen weiter fortsetzen werden, ist ein ganz wichtiges Standortministerium für den Wirtschaftsstandort Österreich geschaffen worden, von dem auch in Zukunft ganz erhebliche wichtige Impulse für Wirtschaft und Arbeitsplätze in diesem Lande ausgehen werden.

Als positive Konsequenz daraus ist auch eine entsprechende Koordinationskompetenz mit die­sem neuen Ministerium entstanden, das heißt, alle Verkehrsträger, also Wasser, Luft, Schiene, Stra­ße, sind in einer Hand zusammengefasst worden, und es ist daraus in der letzten Legisla­tur­periode zum ersten Mal in dieser Republik ein Gesamtverkehrsplan, ein Generalverkehrsplan entwickelt worden. Erstmals seit Jahrzehnten verfügen wir also über ein entsprechendes Pla­nungsinstrument, das Bund, Länder, Gemeinden und allen Interessenvertretungen, aber auch der Öffentlichkeit entsprechend zur Verfügung steht und auch die notwendige Transpa­renz bei den zukünftigen Infrastrukturausbaumaßnahmen garantiert.

Dieser Generalverkehrsplan, meine Damen und Herren, wird in dieser Legislaturperiode ent­spre­chend evaluiert und weiter entwickelt werden, vor allem in seinen Hauptkorridoren nach den EU-Beitrittskandidatenländern, also in Richtung Norden, Osten und Süden, weil es darum geht, schnelle und leistungsfähige Anbindungen zu schaffen.


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Natürlich wird ein wichtiges Hauptaugenmerk auch auf den Hauptkorridoren liegen, insbe­sondere beim Schienenverkehr. Das heißt, wir müssen ganz massiv weiter in die Westbahn und in die Südbahn investieren.

Verstärkt werden wir in diesem Zusammenhang auch versuchen, so genannte PPP-Modelle um­zusetzen, also mit Beteiligung privater Investoren und Betreiber, um den Straßen- und Schie­nenausbau schneller, billiger, effizienter und natürlich auch budgetschonender durchfüh­ren zu können.

Aus diesem Grunde werden wir auch das Vergaberecht und das UVP-Recht auf seine Be­schleu­nigungsmöglichkeit überprüfen, das heißt, wir wollen die Genehmigungs- und Behörden­verfahren beschleunigen. Wir wollen, dass unsere Infrastrukturbauten schneller, effizienter und damit auch billiger abgewickelt werden können.

Eine sinnvolle und zukunftsorientierte Übergangsregelung für den Transit zu finden, ist natürlich auch eine ganz wichtige Aufgabe dieser Bundesregierung. Die Bundesregierung wird jedenfalls alles unternehmen, um von der Europäischen Union die bestmögliche Übergangslösung nach Auslaufen des Transitvertrages bis zum In-Kraft-Treten der neuen Wegekostenrichtlinie zu erreichen.

Dazu, meine Damen und Herren, bedarf es aber vor allem auch der Unterstützung aller Par­teien sowohl hier im Hause als auch im Europäischen Parlament. Die Transitfrage sollte kein parteipolitisches Streitthema sein, sondern im nationalen Konsens und in einem gemeinsamen Schulterschluss aller Parteien gelöst werden.

Schließlich, meine Damen und Herren, wird die Einführung des LKW-Road-Pricings ab 1. Jän­ner 2004 auch dazu führen, dass der Straßengüterverkehr insgesamt teurer wird, und wird damit letztlich auch im Verkehr zu einer besseren Kostenwahrheit führen.

Mit dieser Verteuerung der Straße wird es auch zu einer besseren Konkurrenzfähigkeit der Schie­ne und der Wasserstraße kommen, und das wird natürlich auch dem nationalen Schie­nen­verkehr und den Österreichischen Bundesbahnen nützen. Aber wir brauchen auch eine Reform dieser Österreichischen Bundesbahnen, denn nur dann, wenn es gelingt, eine tatsächliche Ver­la­gerung zu umweltverträglicheren Verkehrsträgern, also von der Straße zur Schiene und zur Wasserstraße zu finden, werden wir die Verkehrsprobleme der Zukunft lösen.

Meine Damen und Herren! Deshalb hat sich die Bundesregierung auch eine umfassende Struk­tur­reform der Österreichischen Bundesbahnen vorgenommen. Die Bahn muss moderner, sie muss schneller, sie muss effizienter, und sie muss kundenorientiert und damit insgesamt wett­be­werbsfähiger werden.

Meine Damen und Herren! Eine nicht zu unterschätzende Frage dabei ist: Die Kosten, die heute die ÖBB verursachen, müssen in einer besseren Relation stehen zum verkehrspolitischen Nutzen, den derzeit die Österreichischen Bundesbahnen erreichen. Das ist derzeit nicht aus­rei­chend der Fall; und dieses Verhältnis deutlich zu Gunsten des Konsumenten, zu Gunsten ge­samt­politischer Verkehrslösungen zu verändern, ist auch eine wichtige Aufgabe, die sich diese Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Nur so werden wir die verkehrspolitischen Herausfor­derun­gen der Zukunft bewältigen können, meine Damen und Herren!

Dazu brauchen wir eine Verkehrspolitik, mit der man sich diesen Herausforderungen tatsächlich mutig stellt und mit der man wichtige und notwendige Entscheidungen auch tatsächlich trifft und nicht wie in der Vergangenheit immer wieder auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt.

Diese Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, hat sich die Bundesregierung zur Aufgabe ge­stellt, und es wird eine Verkehrspolitik der Sachlichkeit und der realistischen Problem­lösun­gen sein müssen. Wir dürfen in diesem Bereich nicht, wie das auch des Öfteren geschieht, Emo­tio­­nen und Ängste schüren, sondern wir müssen gerade in diesem Bereich Ängste abbau­en und verantwortungsbewusst umgehen. So kann es uns gelingen, dem Wirtschafts­standort Öster-


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reich eine gute Weiterentwicklung zu sichern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

17.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort.

17.03


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Die heutige Diskussion um die Regierungsbildung, die ich wie Sie alle seit den Morgenstunden verfolge, hat auch für mich überraschende und nicht über­ra­schen­de Komponenten gehabt.

Das, was mich in keiner Weise überrascht hat, war die Professionalität, mit der die Regierungs­er­klärung vorgetragen wurde. Ich glaube, gerade wenn man sich an die Worte, die der Bundes­kanzler anlässlich der Ermordung des Zoran Djindjic gefunden hat, erinnert, hat man das Ge­fühl, dass wir einen Bundeskanzler haben, der ein Staatsmann von Format ist. Es überrascht mich auch überhaupt nicht, dass die einzelnen Mitglieder der Bundesregierung ihre Kompetenz in Ruhe und Sachlichkeit in die Diskussion eingebracht haben.

Es hat mich in der Zwischenzeit auch nicht mehr überrascht, dass dann Kollege Konecny ordent­lich angezündet und eingeheizt hat und doch mit einer gewissen Tiefe den Angriff „geflo­gen“ hat. Es ist dann auch immer üblich, wenn die Stimmung angeheizt ist und von der Regie­rungs­bank vielleicht das eine oder andere derbere Wort kommt, dass die Empörung darüber groß ist. Das Schauspiel haben wir schon einige Male – ich weiß nicht, wie oft – hier erlebt.

Ich muss in diesem Zusammenhang auch sagen: Gerade die Wortmeldung von Staatssekretär Schweitzer war sicherlich nicht der diplomatische Höhepunkt einer staatsmännischen Rede, aber etwas Inkriminierendes war nicht dabei. (Zwischenruf der Bundesrätin Auer.) Ich würde mir daher wünschen, dass sich Frau Kollegin Haselbach die Sorgen, die sie sich immer macht, wenn es um Redner, seien es Regierungsmitglieder oder Mandatare, anderer Fraktionen geht, dann macht, wenn der eigene Fraktionsobmann am Wort ist. Diesbezüglich gebe es auch im­mer wieder einiges zu bemängeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zur Regierungserklärung selbst: Von Seiten der Opposition ist der Eindruck entstanden, dass richtige Themen angesprochen worden sind, und das zeigt eindeutig, dass diese Regie­rungs­erklärung die Handschrift von Profis hat, die erkannt haben, worum es in den nächsten Jahren in diesem Land tatsächlich geht. Für wesentlich halte ich, dass, wenngleich wir hier im­mer wieder darüber Debatten führen werden, wie die Verteilungspolitik stattfinden soll, wohl zu­­nächst einmal klar sein muss, dass das Geld, das wir zur Verteilung bringen, zuvor einmal irgendwo erwirtschaftet worden sein muss.

In diesem Zusammenhang ist wohl klar, dass wir die hervorragende Stellung, die Österreich in der Exportwirtschaft, im Tourismus hat, auszubauen haben, die Stärken verbessern und unsere Schwächen abbauen müssen. Ich glaube, dass wir auch beim Bildungssystem auf einem guten Fun­dament aufbauen, aber selbstverständlich kann hinsichtlich der Qualifikation nie genug ge­tan werden.

Ich habe die Diskussion darüber, ob es zwei Unterrichtsstunden weniger für die Schüler geben soll – ich weiß nicht, wer damit angefangen hat, ich glaube, es war Kollege Reisenberger –, et­was kleinlich gefunden, vor allem den Hinweis, das in Zusammenhang mit den Nachhilfestun­den zu stellen. Ich kann mich an meine Schulzeit noch sehr gut erinnern und habe den Kontakt zu den Leuten, die noch in der Ausbildung sind, nicht verloren. Ich glaube, dass gerade Schüler mit 14, 15 Jahren sehr viele Unterrichtsstunden haben, und dann sollen sie noch nach Hause gehen, die Hausaufgaben machen und etwas lernen. Das steht überhaupt in keinem Wider­spruch, denn wenn man noch zwei Stunden mehr Unterricht hat, dann kommt man noch we­niger dazu, zu Hause zu repetieren. Diesen Zusammenhang habe ich also nicht verstanden. Ich weiß auch nicht, wie es Kollegen Reisenberger in der Schule ergangen ist.


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Worauf ich hinaus möchte und was mir am Wesentlichsten erscheint, ist, dass wir als Österrei­cher einfach die Kraft haben müssen, die spannenden politischen Fragen anzugehen, die uns tat­sächlich weiterbringen. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass das Thema mit der Osterwei­te­rung außer Streit steht. Es ist wohl völlig klar, dass wir mit der kommenden Erweiterung der Europäischen Union in den Mittelpunkt des europäischen Wirtschaftsraumes rücken, dass das für uns, für die gute Exportwirtschaft, die wir haben, natürlich eine weitere große Chance bedeu­tet, zusätzliche Märkte zu erobern, und dass wir damit die Euros in unser Land bekom­men, die wir dann hier im Rahmen heftiger Debatten, bei denen wir über die Verteilungspolitik sprechen, auch zuordnen können.

Es wurde immer wieder angesprochen, man müsse investieren. Das ist völlig richtig, und es ist auch klargestellt worden, dass die Infrastrukturinvestitionen in der letzten Legislaturperiode 21 Prozent Steigerungsrate erreicht haben.

Es ist richtig und wichtig, dass man in die Straße und Schiene investiert. Es ist by the way auch nicht so unwichtig, in die entsprechenden Datennetze zu investieren, aber gleichzeitig muss da­bei auch gewusst werden, wenn der Aufruf kommt, dass wir in die Infrastruktur investieren müssen, dass auch dieses Geld, das wir aus guten und richtigen Gründen in die Infrastruktur investieren und indem wir um die weiteren volkswirtschaftlichen Implikationen, um Arbeitsplätze Bescheid wissen, a priori einmal von irgendwo herkommen muss.

Daher möchte ich noch auf den zweiten Bereich, auf die Verteilungspolitik eingehen. Wenn wir heute hören, der Vorschlag der Sozialdemokratie wäre gewesen, es sollten sich alle vier Partei­en zusammensetzen und einen gemeinsamen Konsens über die Pensionsreform finden, dann muss ich sagen: Ich höre die Botschaft wohl, allein mir fehlt der Glaube. Das kann wohl auch nie eine Grundlage dafür sein, dass man auf einer solch weichen Basis etwa eine Regierung bildet – nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis. – In dem Arbeitskreis werden genau dieselben Dinge auch mit den unterschiedlichen Betrachtungs­punkten herausbrechen, wie wir sie hier aus den Debatten kennen. Daher muss ich sagen: Der Vor­schlag, dass man sich zusammensetzt, ist prinzipiell immer gut, aber die „Innovativität“ die­ses Vorschlages hält sich in engen Grenzen.

Auch bei dieser Debatte um die Pensionsreform sind wir natürlich in einer Auseinandersetzung, dass jeder seine Gruppe vertritt, ob das jetzt bei den Frühpensionisten, bei den Beamten, Bau­ern et cetera ist. All das ist gut und richtig und natürlich, aber ich glaube, man muss trotz­dem immer festhalten, dass das Geld – für welche Gruppe auch immer es dann erobert wird – nur ein Mal ausgegeben werden kann. So fair und sozial man immer für jemanden in dem Zu­sam­menhang eintritt, muss man immer gleichzeitig mit bedenken, welcher anderen Gruppe man denselben Betrag weniger rechnet. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)

Nachdem schon das Lämpchen blinkt, möchte ich zum Schluss kommen und noch auf eine Frage eingehen, die immer wieder gestellt worden ist: Wozu haben wir gewählt? – Ich möchte in aller Höflichkeit sagen, diese Fragestellung halte ich für sehr beschränkt intelligent (Zwi­schen­­ruf des Bundesrates Gasteiger), weil es letztendlich niemandem verborgen geblieben ist – daraus hat weder die Volkspartei noch die Freiheitliche Partei ein Geheimnis gemacht oder hätte es auch nicht machen können –, dass es einen fundamentalen Konflikt in dieser Re­gie­rung gegeben hat. Aber daraus abzuleiten, dass es danach diese Form der Regierung nicht mehr geben darf, wenn sich aus den Beratungen mit den anderen Parteien ergibt, dass die inhaltliche Übereinstimmung über das, was man sachlich für dieses Land weiter­brin­gen möchte, mit den Freiheitlichen am stärksten gegeben ist, mit denen wir gemeinsame Positio­nen zu all den Themen, die heute angesprochen worden sind, erarbeitet haben, dann sa­ge ich, das ist echte Politik. Es gefällt mir auch am Kabinett Schüssel, dass tatsächlich Politik ge­macht wird.

Ich denke, das ist der Paradigmenwechsel, den das Land in den letzten Jahren erfahren hat. Man richte den Blick auf die Abnützungserscheinungen der Sozialdemokratie, die ihren Höhe­punkt in Viktor Klima gefunden haben, der sozusagen in der „Seitenblicke“-Gesellschaft ge­glaubt hat, mit Ankündigungen Politik machen zu müssen, und damit seiner Partei selbst ein Ei gelegt hat, weil der Nachfolger als Vorsitzender genau in das selbst kreierte „Schicki-Micki-Bild“,


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wie Sie die Politik selbst mit Spin-Doktoren und allem Drum und Dran dargestellt haben, am we­nigsten hineingepasst hat. (Bundesrat Gasteiger: Herr Himmer! Lassen Sie das!)

Daher gefällt mir sehr gut, dass ganz konkret Politik gemacht wird – eine Regierung mit einem kla­ren Programm, Regierungsmitglieder, die Vollprofis sind. Ich habe ein gutes Gefühl für dieses Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.15


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Thumpser. Ich erteile es ihm.

17.15


Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich nur ganz kurz auf ein Thema „stürzen“, das ich leider im Regierungsprogramm überhaupt nicht finde. Es wird zwar in zwei Randbemerkungen der ländliche Raum erwähnt, es wird aber in keinem einzigen Wort in die­sem Regierungsprogramm die Stärkung der Gemeinden niedergeschrieben.

Wenn man sich das Regierungsprogramm durchliest, dann muss man auch als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde mit rund 3 500 Einwohnern etliches oder einiges befürchten, weil ich glau­be, dass sich zum Beispiel – um nur zwei Beispiele herauszunehmen – gerade die Auswei­tung der Ladenöffnungszeiten auf kleine Gemeinden kontraproduktiv auswirkt. Es steht zwar im Programm, dass die Ladenöffnungszeiten deshalb ausgeweitet werden sollen, um den Kauf­kraft­abfluss ins Ausland zu verhindern, ich glaube aber, dass man mit der Ausweitung der La­den­öff­nungs­zeiten nicht den Kaufkraftabfluss ins Ausland verhindert. Man begünstigt allerdings dadurch den Kaufkraftabfluss in die Ballungszentren, weil kleinere und mittlere Betriebe mit den Ladenöffnungszeiten nicht mehr mitkommen, weil zum Beispiel eine Bäckerei in Traisen mit zwei Beschäftigten im Rahmen der Ladenöffnungszeiten nicht länger offen halten kann und deshalb in einem anderen Spannungsverhältnis zu den Großmärkten steht. Deshalb glaube ich, dass sich die Ladenöffnungszeiten in diesem Zusammenhang kontraproduktiv auswirken.

Jetzt komme ich kurz zu Kollegen Himmer; es dürfte anscheinend in diesem Hause so üblich sein, dass die Redner nach ihrer gehaltenen Rede gleich gehen. (Bundesrat Weiss: Sie sind er­schöpft!) – Sie sind erschöpft.

Ein zweites Beispiel, das zwar im Regierungsprogramm enthalten ist, aber mit Bildung und auch mit den Gemeinden in einem Zusammenhang steht: die zwei Stunden, die Kolle­ge Himmer angesprochen hat. Ich glaube auch, dass die zwei Stunden pro Woche für Schü­lerinnen und Schüler entbehrlich sind. Sie sind dann entbehrlich, wenn nicht – wie es in der Vergangenheit bei Einsparungsmaßnahmen geschehen ist – Förderstunden ge­stri­chen werden. Das ist eines der Hauptprobleme, mit denen wir im ländlichen Raum in klei­ne­ren Gemeinden kämpfen. Seit zweieinhalb, drei Jahren werden die Leistungen seitens des Bundes an der Lehrerschaft, an der Bildung gekürzt. Und was ist gekürzt worden? – Förder­stunden. Das ist der eine Bereich.

Auf der anderen Seite weiß ich nicht, wie der Herr Staatssekretär reagieren würde, wenn gera­de die Turnstunden entfallen würden, weil er in seiner Erklärung genau das Gegenteil behaup­tet hat. Aber wenn zwei Stunden entfallen, dann habe ich die Befürchtung, dass es genau diese Förderstunden sind, die für jene Kinder da sind, die Lernschwächen haben. Dann ist schon auf die Ausführungen des Kollegen Reisenberger Bezug zu nehmen, der das in Zusammenhang mit den dementsprechenden Kosten für zusätzlichen Unterricht außerhalb der Regelschulzeit gebracht hat.

Auf etwas anderes will ich hinweisen, Herr Staatssekretär: Es steht im Regierungsprogramm – ich möchte das vorlesen –: Um die Grundausbildung auch weiterhin flächendeckend zu sichern, werden wir die kleinen Schulen im ländlichen Raum erhalten. Sie sind nicht nur Bildungs-, sondern auch zentrale Kulturträger in den Gemeinden.

Ich kann diesen Satz nur dreimal oder viermal unterstreichen, nur hätte ich mir auch gewünscht, dann in dem Regierungsprogramm zu finden, wie diese Schulen, wie die Gemeinden finanziell


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aus­gestattet werden, um ihnen die gleichen Rahmenbedingungen bieten zu können wie jenen Schulen in den städtischen Gebieten. Das ist zurzeit eines der Hauptprobleme der Gemeinden. Gemeinden sind zum Teil heute nicht mehr finanzierbar, wir haben in Niederösterreich – ich weiß nicht, wie viele – viele Ausgleichsgemeinden, die zum Land betteln gehen müssen, um den Haushalt ausgleichen zu können. Diese Gemeinden sind nicht in der Lage, die Infra­strukturen für diese Schulen anzuschaffen.

Gestern im Sonderpädagogischen Zentrum in Traisen sagte die Frau Direktor zu mir: In Zukunft wird ein Teil der Schulbücher nur mehr auf CDs und über Internet gelehrt. Die Schulbücher kommen zum Teil auf CDs oder via Internet. Das heißt für ein Sonderpädagogisches Zentrum: Jede Klasse hat einen Internet-Anschluss, jede Klasse braucht die dementsprechende Anzahl an Computern, damit die Kinder auch lernen können – mit der Problematik, dass das natürlich über die Gemeinden finanziert werden muss.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Den Gemeinden fehlt zum Teil – wenn das in anderen Re­gionen anders ist, dann freue ich mich – für diese notwendigen, sinnvollen Investitionen das Geld. Da hätte ich mir in einer Regierungserklärung auch etwas zum Thema Gemeinden erwar­tet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hätte mir zum Beispiel auch erwartet, dass unter dem Schlagwort „Näher zum Bürger“ unter Umständen auch Vorschläge in dieser Regierungserklärung enthalten sind, welche Aufgaben Ge­meinden in Zukunft übernehmen könnten. Ich kann mir als Bürgermeister gut vorstellen, dass bei uns das Meldeamt vielleicht in Zukunft Pässe ausstellt. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir als Gemeinde zum Beispiel Führerscheine ausstellen. All das kann ich mir vorstellen. Nur steht in diesem Regierungsprogramm nichts. Ich kann es mir nur dann vorstellen – das möchte ich auch dazu sagen –, wann natürlich die Gemeinden das Geld dafür bekommen, um diese Investitionen anzuschaffen. Aber es steht leider nichts in diesem Regierungsprogramm.

Aber wir als Gemeinden – ich glaube, da bin ich nicht alleine – wären unter dem Schlagwort „Nä­her zum Bürger“ gerne bereit, Aufgaben in diesem Bereich zu übernehmen. So wie es bis­her war, kann es meiner Meinung nach nicht mehr sein. Wir haben seit kurzem ein neues Fund­gesetz. Der Bürgermeister ist zuständig für die gefundenen Sachen, deren Auffindung auch ins Internet zu stellen ist – mit all den notwendigen Administrationen. Das finde ich in Ordnung. Aber dieses Gesetz wurde beschlossen, dieses Gesetz wurde gemacht und muss von den Gemeinden exekutiert werden, und zwar ohne einen Cent eines finanziellen Ausgleiches dafür.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zu diesem Thema Gemein­den hätte ich mir in diesem Regierungsprogramm mehr erwartet – vor allem auch unter der Voraussetzung, dass der Städte- und der Gemeindebund mittlerweile den Gemeinden mitgeteilt haben, dass für das Jahr 2003 die Erhöhung der Krankenhausfinanzierung um rund 8 Prozent ins Haus steht, dass die Erhöhung der Sozialhilfe für die Gemeinden mit einer Steigerungsrate in der Höhe von 7 Prozent erwartet wird und dass aber gleichzeitig die bundeseinheitlichen Abgaben um 5 Prozent gesenkt werden. Nicht umsonst steht zum Schluss in diesem Schreiben, die Gemeinden können den Staat finanziell nicht retten, aber der Staat kann die Gemeinden finanziell ruinieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

17.23


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der im Nationalrat beschlossene und in ähnlicher Form auch heute eingebrachte Entschließungsantrag ist verschiedentlich auf Kritik gestoßen.

Ich verstehe nun eine gewisse Überraschung darüber, dass die Regierung in einer Art Zirkel­schluss ersucht wird, das von ihr vorgelegte Programm auch tatsächlich umzusetzen. Anderer­seits kann es wirklich keine Überraschung sein, dass auch auf parlamentarischer Ebene ein


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Signal der grundsätzlichen Übereinstimmung mit den Zielen der Bundesregierung gesetzt wird, und das wollen wir heute tun.

Zu der weiters gehörten Befürchtung, die Gesetzgebungsorgane würden sich mit einer solchen Entschließung geradezu selbst fesseln, und der Bundesrat würde sein Einspruchsrecht und Zu­stim­mungsrecht vorweg konsumiert haben, sage ich Folgendes: Wir sollten in dieser Frage, die theoretisch ihre Berechtigung haben mag, nicht päpstlicher sein als der Papst. Die beiden Klub­ob­männer der Regierungsparteien haben die Wirkung der Entschließung wie folgt charak­te­risiert: Klubobmann Mag. Molterer am 9. März im „Kurier“: Von einem Blankoscheck für die Regierung kann keine Rede sein. – Klubobmann Scheibner am 8. März in der „Presse“: Man hat Unterstützung für die Regierung gezeigt, aber sicherlich nicht alle Vorhaben abge­segnet.

Diese Art von Zustimmung kann auch ich gerne geben. Ich gebe sie für das Land Vorarlberg auch ausdrücklich und auf der Grundlage der gegenüber den Landeshauptmännern gemachten Zu­sage des Herrn Bundeskanzlers, dass beim Finanzausgleich und bei der Staatsreform, na­mentlich beim Verfassungskonvent, in bewährter Weise nur im Einvernehmen mit den Ländern vorgegangen werde.

Diese starke Einbindung der Länder wird gelegentlich so interpretiert und kritisiert, dass damit bloß teurer Föderalismus erstarrt und fortgeschrieben werde. Das geht nun völlig an der Tat­sache vorbei, dass andere Bundesstaaten wie beispielsweise die Schweiz oder Deutschland des­halb – unter anderem maßgeblich deshalb – einen geringeren Verwaltungsaufwand haben, weil sie Föderalismus im Gegensatz zu uns etwas konsequenter umgesetzt haben. Ich erwähne nur als kleines Beispiel von vielen, dass dort die Bundesministerien den Gesetzesvollzug nahe­zu ausnahmslos den Ländern überlassen, während bei uns viele zusätzliche Bundes­behör­den in den Ländern für aufwändige Doppelgleisigkeiten sorgen und regionale Synergieeffekte ver­hin­dern.

Dass der Bundesrat im Regierungsprogramm nicht aufscheint, ist einerseits eine Beruhigung und andererseits eine Herausforderung. Die Beruhigung liegt darin, dass es im Gegensatz zu frü­her – ich erinnere an die Koalitionsvereinbarungen mit der SPÖ –, abgesehen von der allge­mei­nen politischen Zweckmäßigkeit und der der eigenen Partei naturgemäß geschuldeten Ge­mein­­schaftlichkeit, keine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung gibt, wonach die Willens­bil­dung im Bundesrat ausnahmslos jener des Nationalrates folgen müsse, und zwar selbst dann, wenn das im Widerspruch zur Vertretung von Länderinteressen stünde, die beispielsweise durch eine Landtagsentschließung artikuliert sein könnten.

Die Herausforderung liegt andererseits darin, dass der Bundesrat bisher – nicht einmal mehr­heit­lich – über das Stellungnahmerecht hinaus keine konkreten Vorschläge für eine stärkere Stellung in der Bundesgesetzgebung entwickelt hat. Wir sollten uns daher nicht darüber alterie­ren, dass sich andere Leute den Kopf darüber zerbrechen, ob der Bundesrat in seiner derzeiti­gen Form – nicht an sich – tatsächlich geeignet sei, die Länder an der Bundesgesetzgebung wir­kungsvoll zu beteiligen. Die Bedeutung dieser Beteiligung wird naturgemäß in dem Maße zunehmen, in dem die Länder Gesetzgebungszuständigkeiten an den Bund übertragen. Dass sich das abzeichnet, ist auch aus dem Regierungsprogramm unschwer zu entnehmen. Bei der Neuordnung der Zuständigkeit für das Vergaberecht haben allerdings sowohl der Nationalrat als auch die Länder deutlich gemacht, dass sie unter wirkungsvoller Mitwirkung der Länder etwas anderes als den Bundesrat in seiner heutigen Form verstehen. Dort wurde ausdrücklich – zusätzlich, nicht alternativ – ein eigenes Zustimmungsrecht der Landesregierungen verankert.

Die erwähnten Stellungnahmen der Klubobmänner von ÖVP und FPÖ stellen ganz deutlich klar, dass es sich beim Regierungsprogramm durchwegs um eine gesamthafte Bemühenszusage han­delt, deren konkrete Ausprägung – je nach Materie unterschiedlich – erst noch vorzuneh­men sein wird.

Zwischen dem Zeithorizont der gesamten Gesetzgebungsperiode und der jeweils nächsten Sitzung gäbe es natürlich noch eine abgestufte Konkretisierung, nämlich ein Jahresprogramm der gesetzgebenden Vorhaben der Bundesregierung. In der Schweiz ist es beispielsweise be-


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währte Übung, dass die Regierung dem Parlament für jedes Jahr ein konkretes Arbeitspro­gramm vorlegt, über dessen Schwerpunkte und Prioritäten diskutiert wird und das einen we­sentlichen Beitrag dazu leistet, dass die Gesetzgebung nicht zu kurzatmig und fehlerhaft wie bei uns arbeitet.

Auch die Kommission der EU – im Allgemeinen sonst als schlechter Gesetzgeber verschrien – ist verhalten, jedes Jahr ein konkretes Arbeitsprogramm vorzulegen und zur Diskussion zu stel­len. Ich rege daher neuerlich an, dass sich auch bei uns die Bundesregierung um die For­mulie­rung von jährlichen Etappenzielen bemüht und dass darüber jeweils ein eingehender Dialog mit den Organen der Bundesgesetzgebung und naturgemäß auch mit den Ländern und Gemeinden stattfindet. Damit würde die Gesetzgebung transparenter und von den bekannten nachteiligen Formen legistischer Ungeduld befreit. Natürlich muss auch in einem solchen System Platz für ausnahmsweise kurzfristige Entscheidungen sein, aber ihre faktische Regelmäßigkeit würde doch weitgehend eingeschränkt.

Das Regierungsprogramm zählt bereits in seinem ersten Kapitel zahlreiche verfassungspo­liti­sche Vorhaben auf, die für die Länder und Gemeinden von großem Interesse sind. – Kollege Thump­ser, der sich vorhin über die kurzfristige Abwesenheit des Vorredners Himmer alteriert hat, ist interessanterweise jetzt selbst auch nicht mehr im Saal. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Diese Vorhaben münden letztlich in der Absicht, einen Verfassungskonvent einzurichten. Das ist ein begrüßenswertes Signal, die einzelnen Vorhaben noch eingehend diskutieren zu wollen, denn ich nehme nicht an, dass sie als Vorwegnahme der Konventsberatungen zu verstehen wären. Das wäre auch deshalb schwer möglich, weil sie durchwegs konkretisierungsbedürftig sind.

Ich nenne nur drei Beispiele: Was ist beispielsweise konkret unter einer Stärkung der Koordinie­rungs- und Planungskompetenz des Bundes zu verstehen? Oder was soll unter einem euro­päischen Legalitätsprinzip verstanden werden? Wie soll diese wünschenswerte Adaptierung der Kompetenztatbestände aussehen?

Eine weitere interessante Frage, die ziemlich bald aktuell werden dürfte, lautet: Auf welchem Niveau erfolgen Vereinheitlichungen? – Vorarlberg unterstützt voll und ganz die Haltung des Landes Wien, wonach sich beim Tierschutz die Einheitlichkeit nicht an dem niedrigsten, son­dern an dem höchsten Schutzniveau orientieren sollte. Alles andere wäre jedenfalls für unser Land kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt für den Tierschutz.

Ähnliches wird wohl auch für ein einheitliches Dienstrecht der Verwaltung gelten. Diesbezüglich ist nach wie vor die Antwort auf unsere Frage offen, ob wir in Vorarlberg unsere Gehalts­re­form – mit einer völligen Gleichstellung von Angestellten und Beamten, einer Abkehr von der Ein­stufung nach Schulbildung und der Abschaffung der Pragmatisierung – etwa wieder rück­gängig machen müssten, obwohl sich diese in der Praxis sehr bewährt und auch als Innovation im öffentlichen Dienstrecht anerkannt ist.

Zur Einheitlichkeit noch ein kurzer Vorgriff auf die anstehende Änderung des Bundesministe­rien­ge­setzes: Dass beim Tierschutz an die Stelle von neun Landesgesetzgebern gleich vier Bun­des­ministerien treten sollen und die Vielfalt tierschutzrechtlicher Bestimmungen in zahlrei­chen Bundesgesetzen und unterschiedlichen Vollziehungszuständigkeiten offenbar völlig unbe­rührt bleibt, ist kein hoffnungsfroh stimmendes Beispiel für die angebliche Effizienz von Einheit­lichkeit. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ähnliche Vorsicht ist am Platze, wenn den Ländern Eigenständigkeit bei der Einhebung eigener Steuern verheißen wird. Abgesehen von der Frage, wo dem im Sinne des Belastungsausgleichs und der Belastungsneutralität eine ausgleichende Entlastung auf Bundesebene gegenüber­stünde, ist auf Folgendes hinzuweisen: Eine Steuerhoheit der Länder setzt die Möglichkeit voraus, dass die Länder in völlig unterschiedlicher Weise davon Gebrauch machen können. Wie lange das nun Bestand haben würde, wenn wir andererseits von einer Abschaffung der Anzei-


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gen- und Ankündigungsabgabe der Länder – die in der Sache selbst natürlich gute Gründe für sich hat – und von einer Vereinheitlichung des Abgabenverfahrensrechtes lesen, sei mit einem großen Fragezeichen versehen. Wir fürchten nämlich, dass der Vereinheitlichungsdruck sehr bald auch vor der Finanzhoheit der Länder nicht Halt machen würde. Dass mehr Steuerhoheit der Länder weniger Finanzausgleichsmasse bedeutet, möchte ich aus der Sicht meines Landes nur am Rande, aber doch durchaus teilnahmsvoll erwähnen.

Nationalratspräsident Fischer hat die Sorge geäußert, dass aus dem geplanten Verfassungs­kon­vent ein Regierungskonvent werden könnte. Mich beschäftigt aus Ländersicht eine ganz andere Sorge. In der von den Präsidenten des Nationalrates und des Bundesrates gemeinsam vorgenommenen Weichenstellung für den Konvent gab es zwei für die Länder wesentliche Fixpunkte – ich füge an dieser Stelle einen Dank dafür ein, was der derzeitige Präsident des Bun­desrates in einer für die Länder sehr vorteilhaften Weise in diesen Vorschlag eingebracht hat –: Erstens soll die Einrichtung des Konvents nicht einseitig durch den Bund, sondern im Wege einer politischen Vereinbarung aller Gebietskörperschaften als gemeinsames Projekt er­fol­gen, bei dem alle wesentlichen Rahmenbedingungen gemeinsam festgelegt werden. Zwei­tens sollen nicht nur alle Landesregierungen, sondern auch alle Landtage mit zwei Vertretern eingebunden sein.

Das orientiert sich ganz offenkundig an der von Österreich beim EU-Konvent gerne wahrge­nom­menen Möglichkeit einer entsprechenden Repräsentanz der Gesetzgebungsorgane. Nach Tisch liest es sich nun möglicherweise etwas anders: Von zwei Vertretern der Landtage – das heißt, von einer Einbeziehung auch der zweitstärksten Partei – ist angesichts der Festlegung auf rund 50 statt 80 Konventsmitglieder natürlich keine Rede mehr. Es ist auch völlig offen, ob jeder Landtag mit einem eigenen Mitglied mitwirken kann oder ob vielleicht die Landtags­prä­sidentenkonferenz nur gemeinsame Vertreter entsenden darf. Wie hätte wohl der österreichi­sche Nationalrat reagiert, wenn man ihm bedeutet hätte, dass im EU-Konvent leider nur Ver­treter der einzelnen Regierungen und im Übrigen nur ein gemeinsamer Vertreter der kleineren Staaten Platz finden könne? – Die Einbindung der einzelnen Gesetzgebungsorgane war eine wesentliche Voraussetzung für den Stellenwert des EU-Konvents, und es wäre völlig verfehlt, bei uns aus einem Österreich-Konvent plötzlich einen Bundeskonvent machen zu wollen.

Was sich die Länder in diesem Fall und ganz allgemein vom Bund wünschen, lässt sich sehr einfach und allgemein verständlich zusammenfassen: vom Bund nicht schlechter behandelt zu werden, als dieser sich selbst in der Europäischen Union behandelt wissen will! Angesichts der weitgehenden Zusagen des Bundeskanzlers nach faktischer Wahrung der Einstimmigkeit – nicht nur in wichtigen Angelegenheiten der EU, sondern auch in den wichtigen Fragen der Bun­desstaatlichkeit in Österreich – haben wir heute erfreulicherweise wirklich keinen Anlass, an die­ser Bereitschaft zu zweifeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schennach.)

17.35


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Boden. Ich erteile es ihm.

17.35


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekre­tä­re! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Morak pflegte in einigen seiner Reden, die ich schon gehört habe, meist zu sagen: Es wurde bereits alles gesagt, aber nicht von je­dem. – Ich darf daher zusammenfassend noch ein paar Bemerkungen einbringen – ange­sichts der langen Rednerliste wurde tatsächlich schon sehr viel gesagt – und möchte auf den Punkt kommen: Bewerten wir die Regierung nach ihren Taten! – Gefordert vom Bundeskanzler der Regierung Schüssel I im Jahr 2000.

Die Taten der Regierung sahen so aus, dass die Legislaturperiode vier Jahre dauern sollte, aber nach nicht einmal drei Jahren das gesamte Programm zu Ende war. Das ist eine Tat, die man bewerten kann. Ein anderes Instrument, mit dem man vielleicht messen kann (Bundesrat Fasching: Vom Volk schon bewertet worden, Herr Kollege!), ist: Die Freiheitliche Partei ist mit 26,9 Prozent der Stimmen angetreten. Messen wir sie an ihren Prozentzahlen: minus 16! Das


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sind Taten, an denen man ein Maß anbringen kann, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber Qualität, und das zählt! – Bundesrätin Haunschmid: Nicht Masse!)

Oder, wie wir heute vom Herrn Bundeskanzler gehört haben: sinnvolle Einsparungen. Welche Einsparungen sind sinnvoll? Ein Ministerium mehr? Zwei Staatssekretäre mehr? Sind das sinn­volle Einsparungen? (Bundesrat Dr. Nittmann: Das haben Sie 30 Jahre nicht gewusst, und jetzt ...!) Oder die Abfangjäger? – Erklären Sie einem Pensionisten, einem Mindestrentner, ob das sinnvolle Einsparungen sind!

Oder: ein Finanzminister, der in Österreich eine Beliebtheit besitzt, die gleich nach Arnold Schwar­zen­egger kommt, ein Finanzminister, der für die Damen sehr hübsch, sehr fesch aus­sieht – auch mein Kompliment dem Herrn Finanzminister! (Bundesrat Mag. Gudenus: Was? Für die Damen?) Er hat nämlich die Gabe, den Österreicherinnen und Österreichern, die fleißig arbeiten, das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen zu erklären, dass sie jetzt keine Sorgen mehr zu haben brauchen (Bundesrätin Haunschmid: Was hat denn Edlinger gemacht?): Sie brauchen auf ihr Geld nicht mehr aufzupassen. – Das ist unser Finanzminister, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Oder der Herr Vizekanzler – beim Schreiben heißt es „Vizekanzler“, aber beim Sprechen sagt man „Herr Witzekanzler“ – verkündet am Montag die Abschaffung der Ambulanzgebühr, und es soll das Pflegegeld angehoben werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber es kommt nichts, am Dienstag ist alles wieder vorbei!

Sie haben uns heute zu erklären versucht, wir hätten unseren Bundesparteivorsitzenden Alfred Gusenbauer ganz einfach im Regen stehen lassen, er wäre der Einzige gewesen. – Meine Da­men und Herren! Die ÖVP hätte doch mit niemand anderem als mit der FPÖ eine Koalition machen können! Das war die billigste Variante. Wenn Sie mit der SPÖ eine Koalition hätten machen müssen, dann frage ich, wie viele Minister hätten Sie hergeben müssen? – Sie hätten einen Aufstand in den eigenen Reihen gehabt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass ein Baumeister aus Niederösterreich, ein Baumeister der Koalition Schüssel I, oder der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie heißt der?) heute da­gegen stimmen oder dass sich der Herr Wirtschaftskammerpräsident der Stimme enthält (Bun­desrätin Haunschmid: Zur Sache!), ist natürlich auf den bevorstehenden Wahlkampf in Niederösterreich und auf den Wahlkampf in Oberösterreich zurückzuführen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.) Um Herrn Pröll doch gut zu stimmen, versucht man, den Neffen in die Regierung zu holen, und um Herrn Haider ruhig zu stimmen, versucht man, die Schwester in die Regierung zu holen. Wenn das ein Regierungsprogramm ist, meine Damen und Herren, dann verstehe ich das Ganze nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: ... der sozialistische Nepotismus! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. – Bundesrat Gastei­ger: Was seid ihr so nervös dort hinten?)

Es ist heute schon angesprochen worden, dass seitens der Regierungsparteien sehr konkrete Aussagen gemacht wurden. Meine Damen und Herren! Schade, dass Herr Staatssekretär Ku­kacka nicht mehr hier ist! Mir hat in diesem Ganzen eines gefehlt. Herr Kukacka will die Schiene entsprechend ausbauen, es soll, was die Eisenbahnunternehmungen betrifft, liberalisiert wer­den. Wenn ich mir das Eisenbahngesetz anschaue, dann kann ich feststellen, es fehlen an allen Ecken und Enden die Richtlinien für eine Liberalisierung im Schienenverkehr. (Bundesrat Stein­bichler: Da waren vorher andere drin! Sie selbst ...!)

Herr Steinbichler! Sie sind hier um vier Jahre zu spät dran! (Bundesrat Steinbichler: Das ist ja selbst ...!) Die Liberalisierung ist erst heuer gekommen. Wir haben nicht einmal Richtlinien. Durch Österreich kann jeder, der eine Eisenbahngenehmigung besitzt, auf den Schienen fah­ren, solange er will und wohin er will. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.) Ich bin selbst Lokführer – mir graut davor, dass mir auf einer eingleisigen Strecke jemand entge­gen­kommt, der vom Eisenbahnverkehr keine Ahnung hat! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heißt, es wurde tatsächlich sehr viel gesagt. (Bun­desrat Dr. Nittmann: Ich glaube, jetzt ist ...! – Bundesrätin Haunschmid: Das ist eine arme Rede!) Frau Kollegin Haunschmid! Besser eine arme Rede, als nur von hinten irgendwelche Zwischenrufe zu machen! Sie haben die Gelegenheit, sich nach mir zu melden, noch besteht die Gelegenheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hätte mir auch von der Regierung eine bessere Erklärung erwartet, aber es war nicht mehr drinnen. Es wird auch in Zukunft nicht mehr drinnen sein, und wenn es der Herr Landeshaupt­mann aus Kärnten nicht will, dann wird diese Regierung nicht einmal ein Jahr halten. So schaut die Realität aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Sinne von Österreich wünsche ich dieser Regierung, dass sie länger arbeiten kann. (Bun­desrat Dr. Nittmann: ... mehr als die SPÖ!) Wir werden Sie auch nach dieser Periode wieder an Ihren Taten messen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Ko­necny. Ich erteile es ihm.

17.43


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Werte Rückseite der Kollegin Haunschmid! Meine Damen und Herren! Wir haben oder – besser gesagt – ich habe heute schon über Etikettenschwindel gesprochen. Dem Haus liegt vor ein Ent­schließungsantrag der Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen, der den Titel betreffend Irak-Krise trägt. In diesem Text ist eine Reihe von richtigen Feststellungen getroffen worden, und es wird im Entschließungsantrag selbst die Bundesregierung ersucht, im Sinne des Be­schlusses des Nationalen Sicherheitsrates vom 29. Jänner 2003 vorzugehen. Es ist dieser Be­schluss – aber ich hätte das auch sonst gewusst – dankenswerterweise auch hier abgedruckt.

Ich erinnere daran, dass Kollege Ager einen Entschließungsantrag betreffend Irak-Krise einge­bracht hat. Darin wird davon gesprochen, dass der Nationale Sicherheitsrat empfiehlt, für den Frieden in der Region einzutreten. Darin wird davon gesprochen – das ist der zweite Absatz –, dass selbstverständlich die vollständige Abrüstung von Massenvernichtungswaffen des Irak nachdrücklich zu vertreten ist. Es wird davon gesprochen, dass Österreich eine ausdrückliche Er­mächtigung durch den Weltsicherheitsrat als Voraussetzung für eventuelle militärische Aktio­nen betrachtet; das ist Absatz 4. Danach wird davon gesprochen, dass der Regierung empfoh­len wird, die Sicherheit der österreichischen Staatsbürger zu gewährleisten; das ist Absatz 5.

Dann aber wird vorgeschlagen, dass die österreichische Bundesregierung verstärkte Anstren­gun­gen zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraums unternimmt. (Bun­desrätin Schicker: Oh!) Können mir die Antragsteller erklären, in welchem Zusammenhang die An­schaffung der Eurofighter mit der Irak-Krise steht? – Ich gehe nach der sonstigen Be­schlusslage nicht davon aus ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Es gäbe eine einfa­che Formulierung ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das steht nicht drin!) Es steht drin, Herr Kollege – bitte, Seite 2 Ihres Textes! Über das, was gleichlautend Sie vor sich und ich vor mir habe, brauchen wir nicht zu diskutieren – zweiter Absatz von oben!

Es wäre relativ einfach, hier zu einer gemeinsamen Textierung zu kommen, weil klar ist, dass auch im Nationalen Sicherheitsrat diese Formulierung lediglich mit Mehrheit beschlossen wur­de. Wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir die einstimmig beschlossenen Teile der Erklärung des Nationalen Sicherheitsrates als Grundlage unserer Aufforderung an die öster­rei­chische Bundesregierung verwenden, dann hätten wir mit diesem Entschließungsantrag kein Problem. So aber können wir diese Hintertür zur Anschaffung der Eurofighter leider nicht durchschreiten.

Dabei kann ich es nicht verabsäumen, dem Haus eine interessante Publikation zu zeigen. Manche werden es vielleicht gesehen haben: Da es sich bei Eurofightern offensichtlich um Kon­sum­artikel handelt, hat es am vergangenen Samstag im „Kurier“ eine immerhin vierseitige Beila­ge, Auftraggeber: EADS-Konsortium, gegeben – ich will keine Verbindungen zu den Mehrheits-


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eigen­tümern des „Kurier“ herstellen, aber ein vierseitiges Inserat ist üblicherweise kein schlech­tes Geschäft. Darin haben in der Art von Testimonials Herr Generalmajor Wolf und Herr Oberst Dr. Feichtinger sozusagen ihre Wohlmeinung – ob das mit Genehmigung des Ministeriums ge­schehen ist, würde mich sehr interessieren – über die Eurofighter abgegeben. Vierspaltig freut sich ein Pilot besonders darauf, statt der Draken bald die Eurofighter fliegen zu dürfen; das ist Herr Oberleutnant Dieter Springer.

Meine Damen und Herren! Das ist in der Geschichte einmalig: diese Verknüpfung eines Ge­schäfts­partners ganz offensichtlich mit dem Personal des Bundesheeres. Das lässt auch noch nachträglich die Objektivität der getroffenen Entscheidung rein von der rechtlich-sachlichen Seite her in höchstem Maße zweifelhaft erscheinen – wir werden das zum Gegenstand von Anfra­gen machen –, weil diese Verknüpfung zwischen dem Ressort und einem nunmehr zuge­ge­benermaßen bestätigten Anbieter in einer Art und Weise an der Grenze der guten Sitten entlangtaumelt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das ohne rechtliche Konsequenzen abgeht.

Sie legen hier einen Antrag vor, der zum Irak eine Reihe von Dingen sagt, die wir vollinhaltlich u­n­ter­schreiben können, sonst hätten wir im Nationalen Sicherheitsrat nicht zugestimmt, mi­schen aber sozusagen als politische Fußnote die Eurofighter hinein.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Kri­se, beruhend auf den – das ist der Unterschied – einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich

Seit der einstimmigen Verabschiedung der Resolution 1441 durch den Sicherheitsrat der Ver­einten Nationen am 8. November 2002 hat sich die Situation im und um den Irak zugespitzt. Ob­wohl die seit 1998 unterbrochene Inspektionstätigkeit der Vereinten Nationen wieder aufge­nom­men werden konnte und einige Fortschritte gemacht wurden, mussten die Chefinspektoren Blix und ElBaradei berichten, dass das irakische Regime seinen internationalen Verpflichtungen zwar verstärkt, jedoch weiterhin nicht vollständig nachkommt. Im Weltsicherheitsrat, aber auch in der Europäischen Union bestehen teilweise grundsätzliche Differenzen über den richtigen Weg zur Durchsetzung der völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse des Weltsicherheitsrats.

In Österreich hat der Nationale Sicherheitsrat in seiner Sitzung vom 29. Jänner einen Beschluss ge­fasst, in dem alle Passagen, die sich unmittelbar auf die Irak-Krise bezogen haben, einstim­mig beschlossen wurden.

Dieser einstimmige Text hatte folgenden Wortlaut:

„Der Nationale Sicherheitsrat (im Folgenden kurz Rat) empfiehlt der Bundesregierung, sich ge­meinsam mit anderen interessierten Staaten im Rahmen der Vereinten Nationen für alle Maß­nahmen einzusetzen, die geeignet sind, den Frieden in der Region zu wahren und zu stärken.

Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, in diesem Zusammenhang weiterhin die Positionen der Euro­päischen Union – insbesondere betreffend die Unterstützung der EU für die Anstren­gun­gen des Weltsicherheitsrates, alle relevanten Resolutionen, vor allem Res. 1441 umzusetzen, und betreffend die notwendige vollständige Abrüstung von Massenvernichtungswaffen des Irak – nachdrücklich zu vertreten, wie sie zuletzt am 27. Jänner 2003 vom Rat der EU formuliert wurden.

Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, sowohl in der EU als auch in den Vereinten Nationen klar­zustellen, dass Österreich eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Weltsicherheitsrat als Voraussetzung für eventuelle militärische Aktionen gegen den Irak betrachtet.


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Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicher­heit der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in der Region ebenso zu gewährleisten wie in Österreich selbst.

Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, an der Position festzuhalten, dass sich keine österrei­chi­schen Kräfte an eventuellen militärischen Kampfhandlungen gegen den Irak beteiligen wer­den.“

Lediglich ein Passus, der sich auf den Ankauf von Abfangjägern bezogen hat („... verstärkte An­strengungen zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraumes zu unter­nehmen“), wurde nur mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlossen.

Auch die Europäische Union hat in den Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegen­heiten am 27. Jänner 2003 und in den Schlussfolgerungen der Sondertagung des Europäischen Rates am 17. Februar 2003 eine gemeinsame und daher von Österreich voll inhaltlich unter­stützte EU-Position erzielt.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne der einstimmig beschlossenen Punkte 1, 2, 3, 4 und 5 des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bun­des­regierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“

*****

Wenn es Ihnen um die österreichische Politik in der Irak-Krise geht – das sage ich ganz offen an die Adresse jedes Einzelnen von Ihnen –, dann haben wir hier einen gemeinsamen Stand­punkt, dem Sie problemlos zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.54


Präsident Herwig Hösele: Der von den Bundesräten Professor Konecny, Schennach und Kol­le­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich, ist genügend unter­stützt und steht demnach in Verhandlung.

Wir setzen die Debatte fort.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Benno Sulzberger. – Bitte.

17.55


Bundesrat Benno Sulzberger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Herren Staatssekretäre! Sehr verehrter Herr Vizepräsident Weiss! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen und Ihnen nochmals für das nette Einstiegsschreiben danken, das Sie mir im Dezember geschickt haben. Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben heute fast neun Stunden lang über die Regierung neu, über die Regierungserklärung und das Regierungsprogramm gesprochen.

Herr Professor Konecny hat sozusagen in seiner Ouvertüre festgehalten, dass am 4. Februar 2000 für die neue Wenderegierung auf Grund der hervorragenden Leistungen aus 30 Jahren sozialistischer Regierungstätigkeit die besten Voraussetzungen bestanden haben. Er hat aber vergessen zu erwähnen, dass bei einem Schuldenstand in der Höhe von 2,2 Billionen Schilling alle nachfolgenden Regierungen größte Probleme haben werden und sich im wahrsten Sinne des Wortes zusammenreißen müssen, um diese Probleme zu bewältigen. Sie alle wissen, dass


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ein übermäßiger Schuldendienst die Freiheit der Finanzspitze, die eine Regierung braucht, hemmt. Es müssen weit reichende Sparmaßnahmen gesetzt werden, die natürlich viele Sozial­schichten unserer Gesellschaft treffen.

Schon in früheren Jahren, beginnend in den siebziger Jahren, ging es um die große philosophi­sche und politische Frage: Wem gehört eigentlich die Zukunft in diesem Land? Dem urbanen Be­reich, der Stadt, oder dem Land, dem ländlichen Raum? – Heute – und darüber bin ich er­freut – hat die Sozialdemokratie zum ersten Mal bekannt, dass auch der ländliche Raum eine we­sentliche Bedeutung hat. (Bundesrätin Schicker: Sie haben es das erste Mal geäußert! Wir sagen das schon die ganzen Jahre! – Rufe bei den Freiheitlichen: Nein, nein, nein!) – Nein, da kenne ich die großen politischen Zielsetzungen der Sozialdemokratie in den vergangenen 30 Jahren ganz anders.

Ich fordere die Sozialdemokratie auf, in der Situation, in der sich Österreich heute befindet, in der so viele Reformmaßnahmen gesetzt werden müssen – die Wenderegierung hat sie im Fe­bruar 2000 eingeleitet und muss sie weiter verfolgen; die Betonung liegt auf muss –, ihre Wunden-lecken-Mentalität abzulegen. Heraus aus der Zementierung! Heraus aus der Bunker­stim­mung! Helfen Sie mit, die Situation, teilweise herbeigeführt durch Ihre Verschuldenspolitik der letzten 30 Jahre, zu bewältigen – im Sinne von uns Österreichern! – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.58


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Bevor ich ihm das Wort erteile, gratuliere ich ihm zum bevorstehenden runden Geburtstag. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.) – Bitte.

17.59


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Erlauben Sie mir, mich für diese Wünsche zu bedanken. Ich nehme sie sehr gerne wohlwollend zur Kenntnis. – Danke.

Herr Präsident! Werte Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Kollege Konecny hat meinen Kollegen Ager und mich gebeten, zu unserem gemeinsamen Entschließungsantrag eine Klar­stellung auf Seite 2 zweiter Absatz vorzunehmen. Herr Kollege Konecny! Sie haben von einer Typenentscheidung innerhalb der Präambel gesprochen.

Ich stelle klar, dass in der Präambel weder eine Type noch ein Luftfahrtgerät genannt ist, und ich darf jetzt Absatz 2 auf Seite 2 wortgetreu wiedergeben (Zwischenruf des Bundesrates Ko­necny):

„Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, zur Wahrung der österreichischen Souveränität auch verstärkte Anstrengungen zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraums zu unternehmen.“ – Zitatende.

Zweiter Punkt: Herr Kollege Konecny! Über Präambeln, über Begründungen kann man diskutie­ren. Es ist auch Ihr gutes Recht, daraus Typenentscheidungen herauszulesen. Entscheidend ist aber der Text des Entschließungsantrages.

Zur Information und Kenntnisnahme aller darf ich den Text wiederholen.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Hans Ager, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Irak-Krieg

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie


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der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“ – Zitat­ende.

Herr Kollege Konecny! Ich meine, Sie sind ein Gespaltener in dieser Frage. Sie meiden die Ge­meinsamkeit in dieser sehr wichtigen innen- und außenpolitischen Frage. Vielleicht liegt der Grund darin, dass die Sozialistische Internationale in dieser Frage uneinig ist. Sie wissen es noch nicht: Obsiegt Tony Blair oder Bundeskanzler Schröder? – Das wird für Sie wahrscheinlich entscheidend dafür sein, dass Sie selbst einen eigenen Entschließungsantrag einbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile es ihm.

18.01


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich an und für sich nicht zu Wort melden, aber als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates weiß ich, was der Nationale Sicherheitsrat beschlossen hat, wie der Beschluss zu Stande gekommen ist und worüber dort abgestimmt wurde.

Ich darf namens der ÖVP-Fraktion erklären, dass wir unseren Entschließungsantrag nicht zurückziehen. Wir haben nichts anderes gesagt, als der Nationale Sicherheitsrat – fünf Punkte, wie ich glaube, einstimmig, den sechsten Punkt mehrstimmig – beschlossen hat. Diesen Be­schluss, der auch mehrstimmig angenommen als Beschluss gilt, wollen wir beibehalten. Wir wer­den daher auf unserem Entschließungsantrag beharren und darüber auch abstimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.02


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Ent­schließung betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms der österreichischen Bundes­regierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/184-BR/03)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Irak-Krise vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag der Bundesräte Ager, Weilharter und Kollegen ebenfalls abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. (Bundesrat Mag. Gudenus verlässt den Saal.) – Es ist dies Stimmenmehrheit. (Rufe bei der SPÖ: Um eine weniger!)

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/185-BR/03)


Bundesrat
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Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlun­gen des Nationalen Sicherheitsrats der Republik Österreich, vor.

Ich lasse über den Entschließungsantrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Ordnungsruf



Bundesrat
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694. Sitzung / Seite 121

Präsident Herwig Hösele: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe am Vormittag Herrn Professor Konecny bei seinen Ausführungen um Mäßigung gebeten. Der ÖVP-Frak­tionsführer des Bundesrates Ludwig Bieringer hat gemäß § 71 der Geschäftsordnung des Bun­des­rates in Verbindung mit § 70 der Geschäftsordnung des Bundesrates in zwei Fällen die Erteilung eines Rufes zur Ordnung an Herrn Professor Konecny verlangt. Er beruft sich dabei auf das vorläufige Stenographische Protokoll, wonach Bundesrat Konecny zum Bundeskanzler wörtlich gesagt hat – ich zitiere –:

„Sie haben – das hat diese Regierungsbildung gezeigt – einmal mehr bewiesen, dass Sie ein fähiger Politiker sind, aber, Herr Bundeskanzler, sie hat noch mehr gezeigt: Sie sind mehr als nur ein fähiger Politiker, Sie sind ein zu allem fähiger Politiker!“

Es handelt sich dabei um eine Unterstellung einer Unehrenhaftigkeit. Ich erteile Ihnen daher gemäß § 70 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates für die Äußerung „Sie sind ein zu allem fähiger Politiker“ einen Ordnungsruf.

Ferner hat Bundesrat Bieringer für folgende Äußerung Ihrerseits einen Ordnungsruf verlangt – ich zitiere –: „Von Julius Raab wird der Satz überliefert: Lug’ hin, Lug’ her, g’nutzt hat’s. Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler, so grobe, aber auch ehrliche Worte kommen Ihnen nicht über die Lippen, aber der Tatbestand wird hier politisch erfüllt.“

Bundesrat Bieringer sieht darin ebenfalls eine Beleidigung des Bundeskanzlers, da Sie diesem damit Unehrlichkeit unterstellt haben. Da man Ihre Äußerung auch anders interpretieren kann, nehme ich davon Abstand, Ihnen dafür einen Ruf zur Ordnung zu erteilen. Alles in allem würde ich noch einmal um Mäßigung bitten.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (34/A und 16/NR sowie 6768/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Johann Kraml: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme zum Beschlussantrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 2003 mit Stimmen­ein­helligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

18.07


Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Finz! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wir behandeln jetzt das Bundesgesetz, mit dem das Einkommen-, Umsatz-, Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz geändert werden.

Im Einkommensteuergesetz werden neben anderem gesellschaftliche Veränderungen nach­vollzogen und somit im Bereich der Hinterbliebenenversorgung Partner, die in einer Lebens­gemeinschaft gelebt haben, den Ehepartnern und Kindern als Rentenbezieher aus prämien­begünstigten Pensions- und Zukunftsvorsorgen gleichgestellt. Da es heute Tatsache ist, dass viele Paare ohne Trauschein zusammenleben, ist diese Anpassung wohl richtig, trotzdem soll das gegenseitige Eheversprechen nach wie vor einen großen Wert für Frau und Mann dar­stellen.

Weiters möchte ich noch auf die Änderung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes eingehen. Darin wird sichergestellt, dass bei der Übertragung von Ansprüchen auf Zukunfts­vorsorgen keine Steuerpflicht anfällt. Ebenso wird die Schenkungssteuerbefreiung auf Spar­bücher, die am 31. 12. 2002 ausgelaufen ist, um ein Jahr verlängert – jedoch mit der Einschrän­kung, dass Personen der Steuerklasse V nur bis zu einem Betrag von 100 000 € steuerbefreit sind.

Grundsätzlich möchte ich zur Änderung dieses Gesetzes Folgendes sagen: Ich halte es für notwendig und richtig! Wir dürfen nicht vergessen, dass Geld auf Sparbüchern bereits ver­steuertes Geld ist. Menschen, die Sparbücher haben, leisten sich oft weniger als andere, ver­zichten zugunsten des Sparens oft auf vieles, wie zum Beispiel auf Urlaub, Konsum, Kino, Klei­dung, teure Freizeitbeschäftigungen und so weiter. Sie sparen sich das Geld – wie es im Volksmund heißt – oft vom Mund ab. Daher bin ich der Meinung, dass es nur Recht ist, wenn dieses Geld bei Schenkung an Familienangehörige nicht noch einmal versteuert werden muss.

Dasselbe gilt auch für Menschen, die Zukunfts- und Pensionsvorsorge betreiben. Ich persönlich halte es aus den vorher angegebenen Gründen daher auch für notwendig, dass zum Beispiel für Familienangehörige, Eltern, Kinder, Geschwister, bei Erbschaft für Sparbücher und Zu­kunfts­vorsorgen keine Steuer mehr anfallen sollte. Herr Staatssekretär Finz! Ich möchte Sie bitten, in Ihrem Ministerium auch einmal darüber nachzudenken. Die Gründe habe ich vorhin erwähnt.

Ich möchte abschließend noch erwähnen, dass es unser Ziel ist, dass die Menschen in Öster­reich eigenverantwortlich leben und handeln können. Hiefür müssen wir noch mehr Ansätze und Rahmenbedingungen schaffen, und das geschieht mit diesem Gesetz nun teilweise. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.11


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile es ihr.

18.11


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolle­gin Giesinger hat schon sehr ausführlich über die Erbschafts- und Schenkungssteuer ge­sprochen. Aus diesem Grund kann ich mich sehr kurz fassen, noch dazu weil meine Fraktion den Gesetzesbeschlüssen zustimmen wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rund 24 Millionen Sparbücher sind in Österreich in Umlauf. Etwa ein Drittel davon – so heißt es seitens der Banken – wurde im Vorjahr ab der Jahresmitte verschenkt. Das steuerfreie Schenken hätte nämlich mit 31. Dezember auslaufen sollen. Sie, Herr Finanzstaatssekretär Finz, haben am Silvestertag des Vorjahres überraschend die Verlängerung der Frist bis Ende 2003 angekündigt, und heute werden wir diesen Termin auch im Bundesrat beschließen.

Herr Staatssekretär! Eine Zwischenfrage: Was ist in der Zeit zwischen 1. Jänner und jetzt passiert? Läuft das mit mündlicher Vereinbarung gleich weiter? – Vielleicht könnten Sie kurz darauf antworten. Ich habe das in den Erläuterungen nicht gefunden.

Jedenfalls können Sparbücher noch das ganze heurige Jahr über steuerfrei verschenkt werden – mit der Einschränkung, dass die Beschenkten enge Verwandte, also etwa Großeltern, Eltern, Kinder oder Enkel sein müssen. Bei dieser Gruppe spielt der Betrag keine Rolle. Bei beschenkten Personen – darauf hat Kollegin Giesinger schon hingewiesen –, die nicht zum engen Familienkreis gehören, sind nur noch Beträge bis insgesamt 100 000 € – früher 1,4 Millionen Schilling – steuerfrei, auch wenn sie auf mehrere Sparbücher aufgeteilt sind.

Wie gesagt, meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13



Bundesrat
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694. Sitzung / Seite 123

Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

18.13


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Damen und Herren! Auch ich darf vorweg bekannt geben, dass meine Fraktion gegen die vorliegenden Gesetzesänderungen keinen Einspruch erheben wird. Wir erkennen mit dieser Vorlage, mit dieser Gesetzesänderung, sehr wohl eine positive Entwicklung.

Erstens werden die Unterschiede und die Ungleichbehandlung zwischen Lebensgemein­schaften und Ehen im Steuerrecht beseitigt. Das entspricht durchaus dem Zeitgeist und be­endet auch im Steuerrecht die Diskriminierung von Lebensgemeinschaften. Man kann in dieser Frage durchaus unterschiedlicher Meinung sein, aber diese Änderung entspricht jedenfalls einer gewissen gesellschaftspolitischen Entwicklung.

Der zweite Punkt betrifft die Befreiung von der Schenkungssteuer. Auch hiezu ist zu sagen: Die Verlängerung der Befreiung von der Schenkungssteuer auf Sparbücher, gedeckelt mit 100 000 €, ist durchaus positiv zu sehen – es wurde heute schon erwähnt –, weil davon natür­lich die Bezieher von kleineren Einkommen und Inhaber von kleineren Guthaben profitieren werden.

Meine Damen und Herren! Beide Ziele, beide genannten Maßnahmen sind ein Erfolg. Diese Erfolge widerlegen eindeutig den Vorwurf der Kälte in diesem Land. Ich bin sehr froh über die Zustimmung der Sozialdemokraten in dieser Frage, weil gerade von sozialdemokratischer Seite in der Vergangenheit in der Wahlpropaganda immer gesagt wurde, durch die vorige Regierung sei es in diesem Staat kalt geworden.

Ich will nicht auf das Zitat des „wandelnden Kühlschranks“ hinweisen, sondern ich möchte betonen: Gerade diese Maßnahme zeigt, dass es nicht kalt ist in dieser Regierung, und es wird auch die jüngste Propaganda widerlegt, wonach über die so genannten kleinen Einkommens­bezieher, über die kleinen Sparer „drübergefahren“ werde. Ganz im Gegenteil: Die kleinen Sparer finden in dieser Gesetzesänderung Berücksichtigung. Es ist gerade unser Ziel, den Be­sitzern von kleinen Guthaben, den kleinen Sparern entgegenzukommen. (Beifall bei Bundes­räten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.15


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. Ich erteile es ihm.

18.15


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zur Frage: Was gilt, bis das Gesetz in Kraft tritt? – Diese Frage wird im heute zu beschließenden Gesetz in Artikel III Z 2 beantwortet, und zwar gilt dieses Gesetz rückwirkend weiter, und ab dem In-Kraft-Treten des Gesetzes gilt die einschränkende Bestimmung bezüglich 100 000 € für Personen der Steuerklasse V.

Die Maßnahme der Befreiung der Schenkungssteuer war als flankierende Maßnahme zur Abschaffung der Anonymisierung des Sparbuches gedacht. Sie sollte verhindern, dass die erwähnten 24 Millionen Sparbücher vom Markt abgezogen werden und in andere Anlageformen abfließen. Es wurde auch von den Pensionistenverbänden der deutliche Wunsch geäußert, dass man dem Rechnung trägt, weil es sich noch nicht überall herumgesprochen hatte, dass man das noch um ein Jahr verlängert.

Zur gesamten Erbschafts- und Schenkungssteuer möchte ich grundsätzlich feststellen, dass es sich dabei um eine Bagatellsteuer handelt. Wir haben ein jährliches Abgabenaufkommen in der Höhe von rund 55 Milliarden €, und die gesamte Erbschafts- und Schenkungssteuer macht lediglich 150 Millionen € davon aus.

Wenn ich ungefähr 50 Prozent für die Erbschaftssteuer abrechne – das ist eine Faustregel; man kann es nicht genau auseinander dividieren –, dann setze ich das Aufkommen aus der Schen­kungs­steuer mit rund 75 Millionen € an. Das sind 1,3 Promille vom gesamten Steueraufkommen in Österreich. Daher würde ich meinen, der Verwaltungsaufwand ist höher, als dem Staate daraus Erträge anwachsen. (Bundesrätin Schicker: Wie bei der Ambulanzgebühr!) Das ist sicherlich ein Punkt, der bei einer großen Steuerreform, bei einer neuen Form der Besteuerung zur Diskussion stehen würde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.18


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird (35/A und 17/NR sowie 6769/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Pensions­gesetz 1965 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Molzbichler übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.



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694. Sitzung / Seite 124

Berichterstatter Günther Molzbichler: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen des Bundesrates! Der Bericht des Finanzausschusses liegt Ihnen vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 2003 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Helmut Kritzinger. Ich erteile es ihm.

18.19


Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Ich spreche zum ersten Mal hier in diesem Haus, und ich freue mich, dass ich die Gelegenheit dazu habe.

Ich werde über das Gesetz, das jetzt einstimmig beschlossen worden ist, keine weiteren Worte verlieren. Die Debatte darüber hat schon sehr lange gedauert.

Bezüglich Pensionsgesetz glaube ich, dass dieser Antrag einstimmig genehmigt werden wird, denn damit verhindert man Armut bei vielen Menschen, vor allem im ASVG-Bereich. Aber auch bei der Ergänzungszulage handelt es sich um einen ganz ordentlichen Betrag. Das ist er­freulich, und ich kann das nur begrüßen.

Es wird überhaupt so sein, dass sich in Zukunft jede Regierung mit der Pensionsfrage und mit den Anliegen der Pensionisten immer eingehender beschäftigen wird müssen, denn das ist ein emi­nent wichtiges Thema.

Ich bin Landesobmann des Tiroler Seniorenbundes, daher liegt mir dieses Thema natürlich am Herzen. Ich darf mich vorstellen: Ich komme aus Innsbruck. Dieses Thema hat gerade in diesem Gremium, dem zweitwichtigsten im Staat, das eines der wichtigsten politischen Multi­plikatoren ist, eine besondere Bedeutung. Von hier aus muss auch eine Orientierungshilfe in Bezug auf die Pensionisten an die Öffentlichkeit gehen. Ich finde, betreffend Älterwerden fehlt derzeit vielfach eine Orientierung. Daher meine ich, dass wir uns in diesem Gremium öfter und eingehend mit diesem Thema beschäftigen sollten.

Wir haben die historisch einmalige Gelegenheit, der heutigen Gesellschaft die Bevölkerungs­struktur bekannt zu machen und Begriffe und Vorstellungen des Altersbildes zu formulieren. Die Seniorenpolitik betrifft sehr viele Bereiche wie Gesundheit, Wohnen und auch Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Es gibt heute eine enorme Zahl von älteren Menschen, die auf ehrenamtlichem Gebiet Un­glaubliches leisten – sei es in der Familie, in Vereinen, in Betrieben, bei den Freiwilligen Feuerwehren und vieles andere mehr. Es gibt sehr viele ältere Menschen, die in diesen Be­reichen mithelfen, und ich denke, dass unsere Gesellschaft darunter leiden würde, wenn es diese Bevölkerungsgruppe nicht gäbe.

Wenn von Pensionisten die Rede ist, dann wird und wurde immer wieder von den steigenden Kosten im Budget gesprochen. Es gibt einerseits viel mehr ältere Personen, weil sich die Lebenserwartung der Menschen verändert hat – das wurde heute schon erwähnt –, aber anderer­seits haben wir vor allem viel zu wenig junge Menschen! (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Wir haben zu wenig Kinder, weil das Kinderkriegen heute berechenbar geworden ist, und zwar durch die Pille, das muss man sagen. (Bundesrätin Schicker: Aber für die Frauen ...!) – Ja, Frau Schicker, berechenbar für die Frauen. Das ist aber mit ein Grund dafür, dass wir eben so wenig Kinder haben. – Sicher auch mit ein Grund, sage ich.


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Die gesamten Budgetzuschüsse für die Pensionisten im ASVG-Bereich – man hört sehr oft, die Pensionisten kämen uns zu teuer – betragen 5,8 Milliarden €. Ich spreche dabei vom ASVG-Bereich. Ungefähr ein Viertel dieser Aufwendungen ersetzt der Staat. Ich finde, bei einem Budget in der Höhe von 59 Milliarden € ist das durchaus akzeptabel. (Demonstrativer Beifall der Bundesräte Konecny, Schicker und Mag. Gudenus. – Bundesrat Konecny: Sie sagen es! So ist es!)

Es tut mir jedenfalls um keinen Euro Leid, den man für Pensionisten ausgibt. (Beifall des Bundes­rates Mag. Gudenus.)

Ich möchte noch auf das Thema Arbeitslose zu sprechen kommen. Österreich hat eine Arbeitslosenrate in der Höhe von 4,2 Prozent. Deutschland – um dieses Land zu erwähnen, das heute schon öfters genannt worden ist – hingegen hat eine Arbeitslosenrate in der Höhe von 8,5 Prozent, also unglaublich viel. Auch der europäische Durchschnitt liegt weit über 8 Prozent.

Österreichs Arbeitslosenrate beträgt im Vergleich zu Deutschland also nur die Hälfte, und das ist eine sehr günstige Zahl. Diese günstige Zahl konnte aber nur dadurch erreicht werden, dass man sehr viele Österreicher in Pension geschickt hat, dass man das gesetzliche Pensions­antrittsalter seit vielen Jahren nicht eingehalten und zahlreiche Arbeitslose in Pension geschickt hat.

Erst die jetzige Regierung gebietet dem Einhalt. Vielleicht sollte man auch bei den Politikern einen entsprechenden Schritt setzen und deren Pensionsalter von 60 auf 65 Jahre erhöhen. Das wäre durchaus ein akzeptables Signal, finde ich, auch für die Öffentlichkeit.

Die Regierung hat eine interessante Parallelschiene für die Arbeitslosen aufgebaut. Aber man darf nicht ständig quasi verdeckte Arbeitslose aus dem Topf der Pensionisten bezahlen und dann den Pensionisten vorhalten, wie teuer sie kämen.

Es gibt aber eine weitere Schiene, die die Regierung jetzt „baut“. Es werden nämlich die Lohn­nebenkosten für ältere Arbeitnehmer gesenkt. Ich würde begrüßen, wenn man sie zur Gänze streichen würde, denn es kommt immer noch billiger, die Lohnnebenkosten zu senken oder zu streichen, als wenn diese Leute in Pension gehen, nichts mehr einzahlen und sogar noch etwas kosten.

Es gibt viele ältere Menschen, die sehr gerne bereit sind, zu arbeiten. Sehr viele, die man mit 50 oder 52 Jahren in Pension schickt – das geschieht schon seit Jahren! –, möchten in Wahrheit noch arbeiten. Arbeitslosigkeit ist ein schweres Schicksal. Nur 22 Prozent der Über-55-Jährigen in Österreich arbeiten noch. In Schweden oder in Norwegen sind es über 70 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, jeder der Anwesenden wünscht sich ein hohes Alter, aber dieser Trend des Älterwerdens hat auch beträchtliche Auswirkungen. Die Regelung des Pensionssystems wird immer wichtiger. Private Versicherungen, die angeboten werden, können wohl eine Zusatzhilfe sein, aber sie ersetzen nie und nimmer die staatliche Fürsorge. Der Staat hat die große Verpflichtung, für die älteren Menschen zu sorgen. Natürlich können wir diesen gesellschaftlichen Pegel nur halten, wenn es dem Land wirtschaftlich gut geht und entsprechende Investitionen vorhanden sind. Auch in der Forschung müssen entsprechende Investitionen getätigt werden.

Meine Damen und Herren! Die jungen Menschen haben keine problemfreie Zukunft vor sich, aber verglichen mit dem, was unsere Eltern und Großeltern teilweise mitgemacht haben, kön­nen sie doch mit Optimismus in die Zukunft blicken.

Ich möchte noch etwas sagen, meine Damen und Herren: Erstmals ist in einer Regie­rungs­erklärung auch das Thema Südtirol erwähnt worden. Dabei möchte ich darauf auf­merksam machen, dass dieses Land – es hat ungefähr die Größe von Salzburg – das einzige Land außer­halb der Grenzen Österreichs ist, dessen Bevölkerung sich zum Vaterland Öster­reich zuge­hörig fühlt. Daher finde ich es richtig, dass in der Regierungserklärung Südtirol spe­ziell erwähnt ist. (Beifall des Bundesrates Ing. Klamt.)


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Österreich hat in der Außenpolitik kein anderes so wichtiges Thema wie Südtirol. Es gibt wirtschaftliche Themen, die selbstverständlich enorm wichtig sind und die wir zum Leben brauchen. Aber abgesehen davon ist Südtirol das wichtigste Thema. (Bundesrat Mag. Gude­nus: Und die Beneš-Dekrete!)

Daher wird dieses Thema hoffentlich auch in Hinkunft im Bundesrat einen entsprechenden Platz finden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Schicker.)

18.30


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Reisenberger. Ich erteile es ihm.

18.30


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meinem Vorredner möchte ich nur ganz kurz erwähnen: Ich bin in vielen Sachen d’accord. Ich weiß nicht, ob er in seiner eigenen Partei gewisse Probleme damit gibt. Ich will aber schon feststellen, auch wenn das seine erste Rede hier im Bundesrat war: Das Thema Südtirol ist nicht zum ersten Mal Thema! Darüber wird hier schon seit langer Zeit gesprochen, und zwar, wie ich glaube, zu Recht, weil es wichtig ist. (Bundesrat Kritzinger: Da gab es aber Konsens zwischen allen Parteien!) – Wunderbar!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erst ein paar Wochen her, dass ich hier an dieser Stelle zur Gesetzesänderung betreffend Ausgleichszulagenrichtsätze gesprochen habe. Wir haben damals als kleinen, aber wichtigen Schritt – wie ich es bezeichnet habe – die Ausgleichszulagenrichtsätze für die Verheirateten auf das Eineinhalbfache gegenüber den unverheirateten Beziehern angehoben. Dass das von mir als kleiner Schritt bezeichnet wurde, hat sich als richtig herausgestellt, da wir heute das Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird, verändern beziehungsweise anpassen.

Das Gehaltspaket für BeamtInnen und PensionistInnen, welches im Dezember eingebracht und im Jänner beschlossen wurde, muss jetzt bereits repariert werden. Wie kann denn bei der lang­fristigen und vorausschauenden Politik dieser schwarz‑blauen Regierung so etwas notwendig sein? – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die verheirateten PensionistInnen im Bereich der Beamten wurde ganz einfach vergessen!

Der jetzige Vizekanzler und damalige Sozialminister Haupt hat – offensichtlich abgelenkt von seinen natürlich außerordentlichen Anstrengungen, um mit allen Mitteln mit seiner FPÖ trotz katastrophaler Wahlniederlage, die sich erst letztes Wochenende in Kärnten weiter vollzogen hat, wieder Regierungspartei zu werden – auf die verheirateten PensionistInnen im Bereich der Beamten total vergessen! (Bundesrat Dr. Böhm: Die Wahlniederlage war nicht katastrophal!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er hat darauf vergessen, genau so wie die gesamte Regierung am liebsten viele kontraproduktive Gesetze und Verordnungen dieser letzten drei Jahre vergessen will. Ich denke in diesem Zusam­menhang nur – sie wurde heute schon des Öfteren zitiert – an die Ambulanzgebühr. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Daher müssen wir das, was vergessen wurde, eben heute nachholen, und Gott sei Dank reparieren wir damit diesen unverständlichen Fehler. Denn nicht umsonst, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaubt nur noch jeder fünfte junge Mensch in Österreich – das ist das Ergebnis einer IFES-Umfrage –, dass er selbst einmal eine Pension bekommen wird bezie­hungs­weise diese noch erleben wird. Das muss uns zu denken geben, denn der Pensionsantritt soll, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, in diesem Stil weiter arbeiten beziehungsweise – vielleicht besser gesagt – fuhrwerken, erst im hohen Alter, nach wahrscheinlich langer Arbeitslosigkeit, wie es im Moment aussieht, möglich sein! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)


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In Wahlzeiten hört sich das natürlich ganz anders an, lieber Herr Kollege! Das kennen wir! Natürlich müssen die unterschiedlichen Pensionssysteme vereinheitlicht werden. Ich glaube, diesbezüglich sind wir uns zum Großteil einig. Wobei wir uns offensichtlich nicht mehr einig sind, ist, dass wir meinen, dass sie sozial, gerecht und solidarisch vereinheitlicht werden müs­sen, und zwar mit Voraussetzungen und Leistungen, die in allen Bereichen gleiche Chancen, Möglichkeiten und bindende Ziele darstellen, und nicht so, wie es sich zur Zeit verhält, dass ein Arbeiter und eine Arbeiterin unter Umständen von jedem Euro, den er/sie in dieses System einzahlt, nur noch 90 Cent bekommt, während ein Beamter – daran sind nicht die Beamten schuld, sondern es ist das System schuld –, wenn er ein bisschen Glück hat, für einen Euro zwei Euro bekommt.

Ich denke zum Beispiel auch daran, dass Andreas Khol vor sich hin philosophiert, Arbeiter 45, 46, 47 oder gar 50 Jahre arbeiten zu lassen, Beamte hingegen nach 30 oder 40 Jahren in den Ruhestand zu schicken. – Das ist eine Aussage von ihm.

Doch auch bei den Beamten, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich glaube, auch diesbezüglich werde ich in allen Fraktionen die eine oder andere Zustimmung finden –, muss man sich genau ansehen, welche Tätigkeit jeweils ausgeübt wird. Nicht alle Beamten sitzen, wie so schön immer wieder gesagt wird, am Schreibtisch. Auch hier gibt es unterschiedliche Tätigkeitsbereiche – ich denke nur an die Feuerwehr und die Exekutive –, die komplett anders zu bewerten sind. Ich glaube, auch darauf muss man ein bisschen eingehen!

Ebenso ist weiterhin nicht zu akzeptieren, dass im Bereich der ASVG der Bundeszuschuss nicht einmal 20 Prozent ausmacht, bei den Pensionen der Bauern, Gewerbetreibenden und Beamten der Bundeszuschuss hingegen 50, 60 oder fast 70 Prozent beträgt. (Zwischenruf des Bundes­rates Fasching.)

Wir Sozialdemokraten haben uns bereits seit einiger Zeit vor allem im Bereich der Gewerk­schaften und der Arbeiterkammer mit diesem Problem auseinander gesetzt und auch Reform­vorschläge gemacht. Allerdings besteht für diese Reformvorschläge seitens dieser Regierung kein Interesse. – Es ist auch klar, warum, denn das wären echte Reformen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Das wären echte Reformen, die diesen Namen auch verdienen würden!

Von Ihnen wurde behauptet, dass Ihre letzte Pensionsreform – auch das konnte beziehungs­weise musste ich vor ein paar Wochen hier bereits sagen – die nächsten 15 bis 20 Jahre locker halten würde. – In Wirklichkeit stehen wir bereits heute vor neuen Überlegungen und neuen Ideen. Die Frage, wie ernsthaft darüber diskutiert wird, steht wiederum auf einer anderen Seite.

In Wahrheit wollen Sie sich mit Ihrer Regierungserklärung – darauf sind wir heute schon oft genug eingegangen – aus der Verantwortung stehlen, indem Sie jedem einzelnen Bürger Ver­antwortung übertragen wollen. Mein Vorredner hat meiner Meinung nach völlig richtig gesagt, dass es ein Zusatz sein kann, wenn man es sich leisten kann, es aber nicht Voraussetzung sein darf, damit den Lebensabend bestreiten zu müssen.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben es sich nicht verdient, ein Leben lang gute, über unsere Landesgrenzen hinaus bekannte und hervorragende Arbeit zu leisten und dann nicht die bei Beginn ihres Vertrages – denn es gibt im Prinzip ein mit der Republik Österreich verein­bartes Vertragsziel – vereinbarte Pension zum vereinbarten Zeitpunkt mit einem errechenbaren Ergebnis zu bekommen.

Wir reparieren hier und heute wieder einmal Unzulänglichkeiten, die diese Regierung verursacht hat, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Änderung zustimmen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso diese Regierung? Das waren doch Sie!) Herr Professor Böhm! Es hat sich seit 2000 nicht viel geändert! Ihr seid ein bisschen weniger geworden, aber Schwarz‑Blau hat sich nicht geändert, es gibt nur andere Akzente.

Meine Damen und Herren vor allem von den Regierungsfraktionen! Ich spreche in erster Linie diejenigen Kolleginnen und Kollegen an, die Gewerkschafter sind, und alle, die verant­wortungs-


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voll in diesem Bereich Überlegungen anstellen und arbeiten wollen. Nehmen Sie die Verant­wortung, die Sie mit Ihrer Funktion übernommen haben, über Parteigrenzen hinweg wahr, und handeln Sie im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher! Machen wir Reformen, die auch zu Recht Reformen genannt werden dürfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich erteile es.

18.38


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Reisenberger! Ich darf eine Berichtigung anbringen: Der Herr Vizekanzler hat nicht auf einen Gesetzentwurf vergessen. Zuständig für diese Regelung im Pensionsgesetz ist, da es um öffentlich Bedienstete geht, das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport. (Bundesrat Reisenberger: Dann war es die Frau Vizekanzlerin!) Wenn also jemand etwas vergessen hat, dann ordnen wir es bitte dem Richtigen zu!

Ich könnte Ihnen aber auch eine lange Liste darüber geben, was sozialdemokratische Minister bei gesetzlichen Regelungen vergessen haben! Also werfen wir nicht mit Steinen! Ich möchte jene Personen kennen lernen, die noch nichts übersehen haben! Da wurde eben eine Regelung übersehen, und das wird heute repariert. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Hinsichtlich der Vergleiche der öffentlichen Pension, der Beamtenpensionen, mit Angestellten­pensionen muss ich Sie natürlich auch auf einen grundlegenden Irrtum aufmerksam machen: Sie vergleichen hier fürwahr Äpfel mit Birnen! Andernfalls müssten Sie als Gewerkschafter doch wissen, dass die öffentliche Hand keinen Dienstgeberbeitrag zahlt, dass der öffentlich Be­dienstete einen prozentuell höheren Pensionsbeitrag zahlt als der Angestellte oder der ASVG-Versicherte, dass es beim öffentlichen Dienst keine Höchstbemessungsgrundlage gibt und der Beamte daher nicht nur prozentuell, sondern auch absolut einen wesentlich höheren Pensions­beitrag leistet, dass es außerdem keine Abfertigung gibt und so weiter.

Würde man dasselbe Prinzip ansetzen, dass man die öffentlichen Anteile einrechnet, dann ergibt sich beim öffentlichen Dienst ein Deckungsbeitrag in der Höhe von ungefähr 60 Prozent und beim ASVG ein Deckungsbeitrag in der Höhe von 70 Prozent. Wieso ist da noch immer ein Unterschied? – Der Grund dafür ist, dass beim öffentlichen Dienst der Akademiker‑ und Maturantenanteil wesentlich höher ist als bei den ASVG‑Versicherten.

Aber in einem Punkt stimme ich auch mit Ihnen überein: Es ist das Ziel dieser Bundesre­gierung – das ist auch in diesem Regierungsprogramm enthalten –, dass die Pensionssysteme harmonisiert und angeglichen werden müssen, denn dann hören sich derartige Diskussionen auf, in welchen man sich nur die Rosinen herauspickt und in der Öffentlichkeit falsche Vergleiche anstellt. Ihr Vergleich war falsch! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.41


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

18.41


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Insbesondere wende ich mich jetzt an meinen sehr geschätzten Kollegen Reisenberger: Herr Kollege Reisenberger! Ich finde es gut, dass Sie sich hier und heute dieser Angelegenheiten annehmen, denn immerhin haben Sie in der Zeit zwischen 1994 und 2000 – Ihre Fraktion, nicht Sie persönlich! – zur Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes nichts beigetragen. Darauf hat der Herr Staatssekretär auch hingewiesen.

Ihre Fraktion unterliegt noch immer dem Irrtum, dass sie den kleinen Mann vertritt. Herr Kollege! Ich sage Ihnen: Wir Freiheitlichen vertreten den kleinen Mann, und das besser als Sie! Sie hätten das, was wir jetzt in den letzten Wochen beschlossen haben, schon ab dem Jahr 1994 tun können! (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Warum nicht? – Aber Ihre Worte


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drücken gewissermaßen ein schlechtes Gewissen aus, und das ist der Weg zur Besserung! Immerhin ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: An den Nationalratswahlen und den Wahlen in Kärnten sehen Sie, wie gut Sie die Leute vertreten! – Bundesrätin Bachner: Nehmen Sie die kleinen Frauen auch mit?) – Ein bisschen! Ich werde es mir aussuchen!

Wenn auch im Nationalrat die Frau Kollegin von den Sozialdemokraten Mag. Lapp die Armutsbekämpfung in Österreich als sehr positiv darstellt – immerhin sind es in Österreich, wie sie sagt, nur 13 Prozent der Bevölkerung –, so muss ich sagen, das ist mir trotzdem zu viel! Daher werden wir Freiheitlichen uns für diese 13 Prozent verwenden. Die Kollegin hat Recht: Das ist sehr traurig, wenn auch Österreich damit recht gut liegt und sich zeigt, dass in den letzten zweieinhalb Jahre keine so schlechte Politik gemacht wurde. Immerhin liegt die Armuts­grenze auch in EU‑Staaten, zum Beispiel in Portugal, bei 23 Prozent.

Wir Freiheitlichen haben also einen guten Status. Wir werden weiterhin mit der Bundes­regierung, mit Hilfe der Staatssekretäre und Minister und in diesem Fall mit dir, Herr Staats­sekretär, eine gute Politik machen! Wenn es darauf ankommt, machen wir eine sehr gute Politik, und ich hoffe, dass auch Sie dann immer mitmachen werden, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.43


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.

18.43


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Ich glaube, betreffend diese Änderung des Bundesgesetzes aus dem Jahr 1965 sind wir in diesem Saal einer Meinung.

Ich möchte aber, nachdem heute schon jemand gesagt hat, dass es keine unversorgten Staatsbürger gibt, trotzdem darauf hinweisen, dass wir deswegen eine Anpassung durchführen, weil verheiratete Ehepartner eben nur durch die Heirat versorgt sind. (Bundes­rat Mag. Gude­nus: Verheiratete Ehepartner?) Verheiratete Ehepartner sind nur durch den Ehepartner mitver­sorgt und nicht eigenständig! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) – Danke sehr! Daher glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir für eine eigene Pensionsvorsorge Sorge tragen!

Ich glaube, es ist auch insofern ein gutes Signal, dass wir dieses Gesetz reparieren, weil wir als Volkspartei zeigen, dass wir die Armut bekämpfen wollen und unseren sozialen be­ziehungs­weise christlichen sozialen Auftrag ernst nehmen.

Wenn wir diesen Auftrag ernst nehmen, dann ist es wichtig, dass wir das Pensionssystem auch entsprechend weiterentwickeln, um es stabil zu erhalten, denn das öffentliche Pensionssystem ist, so glaube ich, vorrangig dazu da, dass es die Grundbedürfnisse unserer Staatsbürger ab­deckt und niemanden in den Bereich der Armut abrutschen lässt, wie es bei manchen Pensionisten oder vor allem bei Familien mit vielen Kindern leicht passieren kann. (Beifall und Bravoruf des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Ich glaube, für die Aufgabe, den Schutz unseres Pensionssystems wahrzunehmen, gibt es Möglichkeiten, die darin liegen, dass wir überlegen sollen: Wie kommen wir zu einem Drei-Säulen-Modell bestehend aus staatlicher Mindestversorgung, betrieblicher Vorsorge und privater Vorsorge? – Dazu ist es in Anbetracht der demographischen Daten und der Bevölkerungsentwicklung sicherlich notwendig, dass eben – so Leid es uns tut, jeder möchte so gut und sozial wie möglich sein, aber wir müssen uns nach der finanziellen Decke strecken – über eine Anhebung des Pensionsantrittsalters diskutiert wird und gleichzeitig eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer erfolgt. Ich glaube, hier liegt ein Schlüssel verborgen.

Ich glaube, die Idee, über ein Bonus-Malus-System im Pensionssystem nachzudenken, ist sicherlich gut und sinnvoll, und zwar deswegen, weil dadurch die freie oder eine freiere Wahl


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des Pensionsantrittsalters möglich ist. (Bundesrätin Bachner: Das darf ja nicht wahr sein!) Es ist dies durchaus eine Maßnahme, um unser System zu sichern und dem staatlichen sozialen Auftrag nachzukommen, nämlich eine Mindestpension für alle unversorgten Staatsbürger zu gewährleisten.

Ich glaube, nur wenn wir das System verändern, können die Stabilität und die Sicherheit des Pensionssystems erhalten bleiben. Ich glaube, man kann – Herr Kollege Konecny ist nicht da – zwar Redezeit auf Kredit der Nachredner nehmen, man sollte aber nicht Pensionen auf Kredit nachfolgender Generationen konsumieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir alle gemeinsam in diesem Haus versuchen, Probleme zu lösen und Lösungen im Dienst der Staatsbürger dieser Republik gemeinsam zu erarbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.48


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.

18.48


Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Erhöhung der Ausgleichszula­gen­richtsätze für die Beamten, die mit der jetzigen Aktion erhöht werden sollen so wie jene im Bereich des ASVG, im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung reden, dann muss ich sagen, dass das eine sehr bedenkliche Entwicklung ist – vor allem auch in Anbetracht dessen, was meine Vorredner im Zusammenhang mit der Alterssicherung von sich gegeben haben.

Meine Damen und Herren! Die Alterssicherung war bei ihrer Einführung nicht als Armutsbe­kämpfungsmittel gedacht! Die Pensionszahlungen sind in einer bestimmten, der Realität und dem System entsprechenden Höhe als Ersatzquote des Aktiveinkommens zu sehen! Denken wir an all das, was heute im Zusammenhang mit der Regierungserklärung schon an zukünftigen Maßnahmen unter dem Titel einer Pensionsreform angesprochen wurde! Herr Kollege! Woher kommen diese 100 000 €? – Diese muss irgendjemand bezahlen!

Wenn wir einen Teil der Maßnahmen, die hier als Pensionsreform diskutiert werden, als realistisch und wirksam annehmen, dann werden wir sehr bald wieder über Armutsbe­kämpfungsmittel diskutieren müssen. Wenn daran gedacht wird, die Durchrechnungszeiträume drastisch zu erhöhen, was bedeuten würde, dass im Bereich der manuell Tätigen in dem Moment, in dem die Körperkraft nachlässt, auch das Einkommen nachlässt und dass es hin­gegen bei den Angestellten im Know-how-Bereich die genau umgekehrte Entwicklung gibt, nämlich dass es zuerst niedrige Einkommen gibt und erst in höherem Alter die Einkommen steigen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich im Durchschnitt in beiden Bereichen die Pensionsleistungen drastisch verringern werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird in dieser Diskussion auch immer auf die Entwicklung der Frauenerwerbsquote verwie­sen, nämlich im Hinblick auf eine sich daraus ergebende Verbreiterung – was grundsätzlich richtig wäre – der Finanzierungsgrundlage, nur dies mag zwar als plakative Aussage positiv klingen; wenn wir aber sowohl die bisherigen Erfahrungen als auch die sich bereits deutlich abzeichnenden Entwicklungen berücksichtigen, dann stellt sich die Situation wesentlich anders dar.

In Oberösterreich wurde eine Studie durchgeführt, bei der die Entwicklungen auf dem Arbeits­markt bis zum Jahr 2008 untersucht wurden. Darin wird klar festgehalten, dass die Entwicklung im Zusammenhang mit der Frauenerwerbsquote im Bereich der Teilzeitbeschäftigung und der nicht qualifizierten Tätigkeiten stattfinden wird. Was das dann für spätere Ersatzquoten im Bereich der Pensionsversicherung bedeutet, lässt sich, so glaube ich, ganz leicht nachvoll­ziehen.

Wenn heute im Zusammenhang mit der Regierungserklärung auch der Arbeitsmarkt am Rande erwähnt wurde, dann muss ich sagen, dass das zwar als kleiner Mosaikstein zu sehen ist, aber


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nicht im Sinne einer gravierend notwendigen Maßnahme im Zusammenhang mit der Sicherung der zukünftigen Pensionen und deren Finanzierung.

Heute wurde vom Herrn Bundeskanzler – ein bisschen in einem „sidestep“ – die Abfertigung beziehungsweise die Mitarbeitervorsorgekasse angesprochen, die, wie übrigens dann von Kollegin Bachner klargestellt wurde, als dritte Pensionssäule dienen soll. Dazu muss ich schlicht­weg sagen: Jetzt ist die Katze aus dem Sack! Ich erinnere daran: Wir – damit meine ich die Sozialpartner – haben die Einstimmigkeit in diesem Zusammenhang nur vor dem Hintergrund erreicht, dass klargestellt ist, dass diese neue Variante eine Abfertigung bleibt und keinen Ersatz für die staatliche Pensionsvorsorge bedeuten kann!

Was die Finanzierung einer freiwilligen Pensionssicherung betrifft, so möchte ich sagen: Herr Kollege Gudenus! Ich gestehe Ihnen gerne zu, auch wenn mir diesbezüglich der Glaube fehlt, dass Sie sich für den „kleinen Mann“ einsetzen – wobei ich diese Bezeichnung überhaupt nicht mag, denn wer sind schon der „kleine Mann“ und die „kleine Frau“? – Aber wenn wir von Beziehern geringer Einkommen reden, dann kann ich nur sagen: Diese können sich die dritte Säule erst recht nicht leisten!

Meine Damen und Herren! Das geht im Zusammenhang mit einer Alterssicherung am Grund­thema vorbei. Ich glaube, wir müssen uns dazu bekennen, die Pensionsleistungen, die Alters­vorsorge auf generell neue Finanzierungsgrundlagen zu stellen. Wir stellen heute fest, dass es in manchen Bereichen eine hohe Wertschöpfung gibt, zum Beispiel im High-Tech-Bereich oder im Bereich der Finanztransaktionen. Es sind heute weltweit vernetzte globalisierte Finanzmärkte vorhanden, und dort entsteht eine Wertschöpfung, die wir uns im Einzelnen gar nicht vorstellen können. Wir in Österreich, soweit wir von diesen Transaktionen betroffen sind – das sind wir auch, wir leben nicht fern von diesen Vorgängen –, wollen ein Pensionssystem nur mit Repa­raturmaßnahmen verbessern oder verändern? – Wenn von „verbessern“ die Rede ist, stellt sich die Frage: besser für wen? – Besser für das Budget, aber nicht für die betroffenen Menschen!

Wir müssen daher von dieser Methode und diesem System der personenbezogenen Finan­zierung weggehen. Ich sage es jetzt ganz offen – auch wenn dieser Terminus bei manchen auf große Ablehnung stößt und als Bezeichnung für unmoderne Vorgangsweisen erachtet wird –: Wir müssen eine Methode, eine Art der Finanzierung erreichen, die wir als Wert­schöpfungs­abgabe bezeichnet haben. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Ob wir bei diesem Terminus bleiben oder nicht, ist nicht wichtig. Tatsache ist, dass wir von der Wert­schöpfung und nicht von den personenbezogenen Finanzierungsmöglichkeiten ausgehen müssen, weil auf deren Basis die notwendige Finanzkraft nicht mehr entstehen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Solange eine Regierung nicht den Mut hat, von einer Klientelpolitik wegzugehen, so lange wird es in diesem Bereich zu keiner tatsächlichen Lösung kommen. – Meine Damen und Herren! Sie brauchen jetzt nicht aufzuheulen, denn ich darf zumindest die Mandatare der ÖVP daran erinnern, dass sie auch in den letzten Jahren, in denen sie die eine oder andere Maßnahme vermisst haben, an diesen Maßnahmen beteiligt waren und dass wir sehr viele Dinge in der Diskussion gerne weiter getrieben hätten, dies aber daran gescheitert ist, dass Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, in jenen Bereichen, in denen Sie Ihre Wähler sehen, nicht die Bereitschaft aufgebracht haben, über solch grundlegende Maßnahmen zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Solange eine Regierung nicht bereit ist, diese Dinge tatsächlich grundlegend anzugehen, ohne darauf zu achten, wo ihre Wählerstimmen herkommen, wird es kein funktionierendes System geben, es wird kein gerechtes System geben, und es wird kein zukunftsträchtiges System geben – all das sind Dinge, die der Herr Bundeskanzler, wie er es heute zum Ausdruck gebracht hat, als wesentliche Säulen im Hinblick auf die zukünftige Arbeit der Regierung sieht.

Meine Damen und Herren! Bitte tragen Sie diese Vorstellungen von einer grundsätzlichen Stabilisierung beziehungsweise Sicherung der finanziellen Situation dieser Menschen in Ihre Reihen hinein – dorthin, wo das diskutiert wird und wo die Entscheidungen fallen können. Wir können es uns in Zukunft nicht mehr leisten, bloße Reparaturmaßnahmen durchzuführen,


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sondern wir brauchen eine Sicherung jener Menschen, die diesen Staat durch ihre Berufs­tätigkeit, durch die Tätigkeit ihrer Hände und ihrer Köpfe sichern! Das bedeutet dann auch eine Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt. Ich erteile es ihm.

18.57


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Sehr verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Im Zuge des gegenständlichen Tagesordnungspunktes befassen wir uns mit einem durchaus positiven Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird.

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes wurde der Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare außertourlich auf das Eineinhalbfache des Mindestsatzes für Alleinstehende erhöht. Die Änderung des § 26 Abs. 5 Pensionsgesetz 1965 – es mag sein, dass es sich dabei um eine Reparatur handelt – vollzieht diese Erhöhung für Bundesbeamte nach. Die Freiheitliche Fraktion im Bundesrat wird diese Änderung vollinhaltlich mittragen.

Gestatten Sie mir aber zu Beginn dieser Legislaturperiode im Folgenden noch einige Worte zu der sehr schwierigen und sensiblen Thematik der Pensionen.

Natürlich konnte ich die einführenden Worte zum Thema Pensionen in der Regierungserklärung mittragen, die wie folgt lauten:

Noch in dieser Legislaturperiode soll ein einheitliches Pensionsrecht für alle eingeführt werden. Das bedeutet keine Privilegien mehr, dafür klare transparente Regeln: beitragsorientiert, fair und nachvollziehbar.

Wenn ich mir aber jetzt im Detail die geplante Erhöhung des Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ansehe – ab 1. Jänner 2004 zunächst um vier Monate, 2005 um sechs Monate, 2006 bis 2009 um je acht Monate –, dann decken sich meine Gedanken mit Aussagen, wie sie auch aus dem ÖVP-Lager kommen. Ich möchte Ihnen diese nicht vorenthalten und darf einige davon zitieren:

Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter meint, dass die Anhebung nicht durchführbar sei. Landeshauptmann Herwig van Staa droht Widerstand an. Und Arbeiterkammerchef Dinkhauser meint sogar, dass die Anhebung in der geplanten Form extrem unsozial wäre.

Ich persönlich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Pensionsverschlechterungen im ASVG-Be­reich mitzutragen, bevor nicht die Privilegien in anderen Bereichen gefallen sind.

Ich zitiere zum besseren Verständnis im Folgenden aus einem Artikel der „Kleinen Zeitung“ vom 4. Jänner 2003 – ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sich die Zahlen einmal wirklich deutlich vor Augen hält –:

„Die durchschnittliche Höhe der Pensionen beträgt bei den zwei Millionen ASVG-Pensionisten 910 Euro – Männer 1 198, Frauen 697 Euro. ... Die 235 000 Bundespensionisten einschließlich Landeslehrer, Eisenbahner und Postler kommen beim Ruhebezug auf einen Schnitt von 2 110 Euro im Monat. Ihre Pension ist damit im Schnitt fast so hoch wie die höchstmögliche ASVG-Rente von 2 364 Euro.“ – Das muss man sich einmal vorstellen!

„Der Bund musste im Vorjahr das ASVG-System mit seinen zwei Millionen Pensionisten mit einem Zuschuss von 4,9 Milliarden Euro vor dem Kollaps retten.“ (Bundesrat Boden: Wie viel Prozent zahlen sie ein?) „Das sind 175 Euro Bundeszuschuss pro Rentner und Monat. Werden von den Pensionsleistungen des Bundes an die Beamtenpensionisten deren Eigen­leistungen und Zahlungen von ÖBB und Post abgerechnet, betragen diese für die genannten 235 000 Ruhebezugsempfänger 4,8 Milliarden.“ – Das ist in etwa ein vergleichbarer Betrag. –


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„Pro Kopf und Monat sind das 1 459 Euro, die als Bundeszuschuss bezeichnet werden können.“ (Bundesrat Boden: Wie viel Prozent zahlt jeder ... ein?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Fakten, die ich aus der „Kleinen Zeitung“ zitiert habe, „belegen,“ so heißt es weiter, „wie brisant die Diskussion ist“, mit der wir uns be­schäftigen. „Sie wird nicht wesentlich durch den Hinweis entschärft, dass der Bund für seine Dienst­nehmer nicht wie die Wirtschaft Pensionsbeiträge bezahlt,“ (Ruf bei der ÖVP: 50 Pro­zent!) „dass Beamte höhere Pensionsbeiträge leisten als ASVG-Versicherte und dass die Beamten­pensionisten einen Pensionssicherungsbeitrag leisten müssen.

„Übrig bleibt die Tatsache“ – damit schließt dieser Artikel – „,dass der Staat für 235 000 Be­amtenpensionisten mit hohen Ruhebezügen praktisch gleich viel ,Zuschuss’ zahlt wie für die – individuell schlechter gestellten – zwei Millionen ASVG-Rentner.“ (Bundesrätin Schicker: So ist es! Ja! Richtig!)

Das ist die Botschaft, die ich einmal vermitteln wollte, wenn wir von Gerechtigkeit und von Un­gerechtigkeit sprechen. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass wir von Gerechtigkeit im Zusam­menhang mit dem Thema Pensionen in unserem Staate Österreich noch meilenweit entfernt sind (Bundesrätin Schicker: So ist es!) und dass wir alle noch ein sehr weites Betätigungsfeld vor uns haben.

Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schwierig es im ASVG-Bereich ist, die Berufsunfähigkeit zugesprochen zu bekommen? – Informieren Sie sich einmal darüber, dann werden Sie die Unterschiede merken! (Bundesrätin Schicker: Ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP! Wollen Sie es Bauarbeitern und Dachdeckern tatsächlich zumuten, dass sie mit weit über 60 Jahren noch auf Gerüsten und Dächern herumklettern? Wollen wir das? – Wir müssen uns mit diesem Thema auseinander setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Sollten wir die Schaffung der Möglichkeit – diese steht auch im Regierungsprogramm, sie ist dort aber erst ab 2009 vorgesehen –, nach eigener Disposition ab 60 mit entsprechenden Zu- und Abschlägen in Pension zu gehen, nicht vorziehen und vielleicht die Zu- und Abschläge auch nach der Schwere des Berufes zu differenzieren beginnen? – Das ist auch sehr wichtig.

Müssen wir uns nicht darüber Gedanken machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es auch in geschützten Bereichen, in denen der Arbeitsplatz sicher ist, in denen man nur zum Schreibtisch hingehen muss, nicht gelang, das effektive Pensionsantrittsalter an das jeweils geltende Antrittsalter heranzuführen? Sollten wir uns da nicht Gedanken machen?

Glaubt jemand hier in diesem Saal wirklich daran, dass flankierende Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft die Arbeitsmarkt­situation so entspannen werden, dass ältere Arbeitnehmer eine echte Chance auf einen an­gemessenen Arbeitsplatz bekommen? (Bundesrätin Bachner: Nein!) – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht daran, und ich meine, dass wir alle – hier appelliere ich an alle – der Realität ins Auge blicken müssen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirklichkeit ist manchmal sehr hart. Aber wenn man bereit ist, die Realität zu sehen, dann gibt es auch Lösungen.

Wir werden aber nicht daran vorbeikommen, die Privilegien in den geschützten Bereichen sukzes­sive abzubauen. Wenn Gerechtigkeit in den verschiedenen Pensionssystemen herge­stellt ist, wird es leichter sein, notwendige Reformschritte zu setzen beziehungsweise Ver­ständnis für das Setzen notwendiger Reformschritte zu finden. (Bundesrätin Schicker: Ja, weil sie dann für alle gleich sind!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Bereich der Pensionen noch einen langen Marsch vor uns. Wir Freiheitlichen sind bereit, diesen steinigen Weg zur Auf-


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rechterhaltung des Generationenvertrages mit viel Feingefühl und vor allem mit viel sozialem Empfinden zu gehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

19.08


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (39/A und 15/NR sowie 6770/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zum Antrag:

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insge­samt sieben Anfragen – 2051/J bis 2057/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 11. April 2003, in Aussicht genommen. – Es ist Ihnen in den letzten Stunden ein Arbeitsplan für die Zeit April 2003 bis Juli 2004 übergeben worden.


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Für die Tagesordnung der Sitzung vom 11. April 2003 kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht be­ziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 8. April 2003, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.11 Uhr

 

 

 

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