Österreichisches Parlament

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

757. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 19. Juni 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

757. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Juni 2008

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Juni 2008: 9.03 – 18.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haf­tung“ (OeAD-Gesetz – OeADG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Urkundenhin­terlegungsgesetz, das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebühren­gesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2008 – GB-Nov 2008)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer Justiz­betreuungsagentur (Justizbetreuungsagentur-Gesetz – JBA-G) erlassen und das Bun­desgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz – GuKG) sowie das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitsmarkt­servicegesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsiche­rungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Landarbeitsge­setz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktför­derungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das IAF-Service-GmbH-Gesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Be­triebspensionsgesetz, die Konkursordnung und die Exekutionsordnung geändert wer­den

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kin­dern und Jugendlichen 1987 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geän­dert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychologengesetz geändert wird (EWR-PG-Novelle 2008)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychotherapiegesetz geändert wird (EWR-PthG-Novelle 2008)

10. Punkt: Bundesgesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musik­therapiegesetz – MuthG)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungs­meldegesetz 2008 (SchenkMG 2008)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

15. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsge­richtshofes für die Jahre 2005 und 2006

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesge­setz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

20. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Parkplätzen an Autobahnauffahrten (Initia­tive Park & Drive)

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008)

23. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates

24. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie be­treffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur – aufgeglie­dert nach Bundesländern

25. Punkt: 20. Sportbericht 2005/2006

26. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 2. Halbjahr 2008

*****


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Helmut Kritzinger ........................................... 12

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Wirt­schaftsförderung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Errichtung von Verbindungsbüros in Wien durch den Herrn Bundespräsidenten                             34

26. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ord­ner für das 2. Halbjahr 2008 ............................................................................................................................. 165

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Fragestunde (135.)

Wissenschaft und Forschung ..................................................................................... 14

Reinhard Todt (1623/M-BR/08); MMag. Barbara Eibinger, Eva Konrad, Peter Mit­terer

Josef Saller (1619/M-BR/08); Elisabeth Grimling, Stefan Schennach

Eva Konrad (1622/M-BR/08); Elisabeth Grimling, Günther Köberl

Helmut Wiesenegg (1624/M-BR/08); Dr. Andreas Schnider, Stefan Schennach

Jürgen Weiss (1620/M-BR/08); Ing. Reinhold Einwallner, Stefan Schennach

Monika Mühlwerth (1626/M-BR/08); Elisabeth Kerschbaum, Elisabeth Grimling, Bettina Rausch

Manfred Gruber (1625/M-BR/08); Edgar Mayer, Eva Konrad

MMag. Barbara Eibinger (1621/M-BR/08); Ing. Reinhold Einwallner, Eva Konrad

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 38

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 38

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bun­desgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG) (544 d.B. und 566 d.B. sowie 7953/BR d.B. und 7954/BR d.B.) ................................................................................... 38

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 38


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 39

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ..... 39

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 41

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ..... 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 43

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchs­umstellungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Urkundenhinter­legungsgesetz, das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebühren­gesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novel­le 2008 – GB-Nov 2008) (542 d.B. und 582 d.B. sowie 7961/BR d.B.) ...................................................................................................... 43

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 43

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (583 d.B. sowie 7962/BR d.B.) ..................... 43

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 44

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer Justizbetreuungs­agentur (Justizbetreuungsagentur-Gesetz – JBA-G) erlassen und das Bundes­gesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz – GuKG) sowie das Bundesgesetz über die Regelung der gehobe­nen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert werden (555 d.B. und 584 d.B. sowie 7963/BR d.B.)                   44

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg ............................................................................ 44

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 44

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 46

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 47

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 47

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ..... 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 49

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsge­setz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitslosen­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 5

versicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarkt­förderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das IAF-Service-GmbH-Gesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsge­setz, das Betriebspensionsgesetz, die Konkursordnung und die Exekutionsord­nung geändert werden (505 d.B., 621/A und 571 d.B. sowie 7955/BR d.B.) ................. 50

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner .................................................................. 50

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Ju­gendlichen 1987 geändert wird (576 d.B. sowie 7956/BR d.B.) ................................................................................................................. 50

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner .................................................................. 50

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 51

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 54

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ..... 56

Mag. Bernhard Baier .............................................................................................. ..... 58

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 61

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 63

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 66

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 67

Entschließungsantrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Mag. Gerald Klug, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Jugendbeschäftigungspaket 2008 – Annahme (E 228-BR/08) .............  60, 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ................................................. 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 70

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (524 d.B. und 573 d.B. sowie 7957/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 70

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ...................................................................... 70

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 70

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 72

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 73

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ..... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 76

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das EWR-Psychologengesetz geändert wird (EWR-PG-Novel­le 2008) (539 d.B. und 594 d.B. sowie 7958/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 76

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 76


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das EWR-Psychotherapiegesetz geändert wird (EWR-PthG-No­velle 2008) (540 d.B. und 595 d.B. sowie 7959/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 76

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 76

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musiktherapiege­setz – MuthG) (552 d.B. und 596 d.B. sowie 7960/BR d.B.) ................................................................................................................. 77

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 77

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ..... 77

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 77

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 78

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ..... 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 80

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schen­kungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabga­benordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geän­dert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungs­meldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (549 d.B. und Zu 549 d.B. und 612 d.B. so­wie 7951/BR d.B. und 7970/BR d.B.) .......................................................................................................... 80

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 80

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B. sowie 7971/BR d.B.) .............. 80

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 80

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 81

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 83

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 85

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 86

Elisabeth Kerschbaum .......................................................................................  87, 100

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 89

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 90

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 93

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ..... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 100


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 7

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Pro­tokoll (526 d.B. und 614 d.B. sowie 7972/BR d.B.) .......... 100

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen ............................................................... 101

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (589/A, 588/A und 604 d.B. sowie 7966/BR d.B.)                    101

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 101

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 101

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ... 103

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 105

15. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungsgerichtshofes für die Jahre 2005 und 2006, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-330-BR/2007 d.B. sowie 7967/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 105

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 105

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 105

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ... 107

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 109

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 112

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 112

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung der Ortstafel-Erkenntnisse des VfGH –
Ab­lehnung ............................................................................................................  111, 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-330-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 113

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Auf­traggeberInnen-Haftungsgesetz) (523 d.B. und 567 d.B. sowie 7964/BR d.B.) ...................................................................................... 113

Berichterstatter: Harald Reisenberger ....................................................................... 114

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008) (543 d.B. und 568 d.B. sowie 7965/BR d.B.) ............................................................... 113

Berichterstatter: Harald Reisenberger ....................................................................... 114


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 8

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 114

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 115

Franz Wolfinger ....................................................................................................... ... 117

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 118

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 119

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ... 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 122

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden (415 d.B. und 559 d.B. sowie 7968/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 122

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 122

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (541 d.B. und 560 d.B. sowie 7952/BR d.B. und 7969/BR d.B.) ............................................................................................................... 122

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 122

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 123

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 125

Maria Mosbacher ........................................................................................................ 127

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................... 128

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 129

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 133

Ana Blatnik .................................................................................................................. 135

Efgani Dönmez ........................................................................................................... 136

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 137

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 137

20. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Parkplätzen an Autobahnauf­fahrten (Initiative Park & Drive) (167/A(E)-BR/2008 sowie 7974/BR d.B.) ............................................................................................................... 138

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................. 138

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ... 138

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 139

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 139

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................ ... 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, die dem Ausschussbericht ange­schlossene Entschließung anzunehmen (E 229-BR/08) ........................................................................................ 141


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 9

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (537 d.B. und 580 d.B. sowie 7975/BR d.B.) ............... 141

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 141

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundes­gesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008) (538 d.B. und 581 d.B. sowie 7976/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 141

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 141

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 142

Christa Vladyka ....................................................................................................... ... 142

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 143

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ... 144

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................ ... 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 146

23. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-346-BR/2008 d.B. sowie 7977/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 146

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-346-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 146

24. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur – aufgegliedert nach Bundesländern (III-349-BR/2008 d.B. sowie 7978/BR d.B.) .............................................................................. 146

Berichterstatterin: Maria Mosbacher .......................................................................... 146

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 147

Josef Saller .............................................................................................................. ... 148

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 148

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 150

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 151

Reinhard Jany ......................................................................................................... ... 154

Manfred Gruber ...................................................................................................... ... 154

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................ ... 156

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-349-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 157

25. Punkt: 20. Sportbericht 2005/2006 (III-334-BR/2007 d.B. sowie 7973/BR d.B.) .........              157

Berichterstatter: Reinhard Winterauer ....................................................................... 157


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 10

Redner/Rednerinnen:

Günther Kaltenbacher ............................................................................................ ... 157

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 158

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ... 160

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ... 161

Hans Ager ................................................................................................................ ... 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-334-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 165

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend 1. Ökostromgesetznovelle 2008 (2632/J-BR/08)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit, Familie und Jugend betreffend „Wir haben uns gemeinsam viel vorgenom­men“ (2633/J-BR/08)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Entwicklung der Arbeitnehmerveranlagung (2634/J-BR/08)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Entwicklung der bei der Finanzverwaltung offenen Abgabenrückstände (2635/J-BR/08)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nanotechnologien 2008 (2636/J-BR/08)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Nanotechnologien 2008 (2637/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Besteuerung von Flugzeugtreibstoff (2638/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Ausbau der politischen Bildung (2639/J-BR/08)

Edgar Mayer, Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend bedarfsorientierte Mindestsicherung auch für behinderte Menschen (2640/J-BR/08)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Kolleginnen und Kollegen betreffend unzumutbare Erschwerung des Dienstbe­triebes für Polizeibeamte durch Limitierung der Jahreskilometer der Dienstfahrzeuge (2408/AB-BR/08 zu 2606/J-BR/08)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sen­kung der Zuverdienstgrenze für Asylwerber (2409/AB-BR/08 zu 2608/J-BR/08)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Günther Kaltenbacher, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Ausgliederungspläne der Wildbach- und Lawinenverbauung (2410/AB-BR/08 zu 2617/J-BR/08)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserun­gen bei der Unterhaltssicherung für Kinder (2411/AB-BR/08 zu 2613/J-BR/08)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (2412/AB-BR/08 zu 2612/J-BR/08)

des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Unterstützung des Freiwilligen Sozialen Jahres (2413/AB-BR/08 zu 2610/J-BR/08)

des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Wartezeiten bei der Ausstellung von Behindertenpässen (2414/AB-BR/08 zu 2609/J-BR/08)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Kritzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vermögensaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern (2415/AB-BR/08 zu 2607/J-BR/08)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Neuregelung der Umrüstung der bisherigen Post-Hausbrieffachanla­gen (2416/AB-BR/08 zu 2611/J-BR/08)


 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 12

09.03.09Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Helmut Kritzinger: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 757. Sitzung des Bundesrates und begrüße Sie alle auf das Herzlichste. Ganz be­sonders begrüße ich Herrn Minister Dr. Johannes Hahn, der in unserer Mitte ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Amtliche Protokoll der 756. Sitzung des Bundesrates vom 21. Mai 2008 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Günther Molzbichler und Wolfgang Schimböck.

09.03.55Schlussansprache des Präsidenten

 


9.03.57

Präsident Helmut Kritzinger: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Heute leite ich zum letzten Mal eine Sitzung des Bundes­rates, und in wenigen Tagen wird der Tiroler Adler, der seit Jahresbeginn das Parla­ment ziert, wieder eingeholt werden.

In guter Tradition möchte ich daher noch einige Gedanken des Rückblicks und des Ausblicks mit Ihnen teilen.

Wenn ich richtig informiert bin, kann ich zunächst darauf zählen, als ältester Präsident in die Annalen des Bundesrates einzugehen. Andererseits sagt man immer wieder und durchaus zu Recht, dass der Bundesrat eine Talentschmiede für Landes- und Bundes­politiker sei. In diesem Sinne darf ich vielleicht hoffen, dass auch in meinem Alter noch etwas aus mir wird. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Spaß beiseite. – Es ist immer und ohne Zweifel eine Herausforderung, dieses Amt zu übernehmen. Ich möchte mich daher bei allen, die mich in den vergangenen Monaten unterstützt haben, sehr herzlich bedanken, bei Ihnen allen für die gute Zusammen­arbeit und die – bei allen politischen Gegensätzen – in besonders fairer Weise geführte Debatte und Auseinandersetzung.

Ebenso bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesrats­dienstes und der Parlamentsdirektion, denn sie schaffen und gewährleisten mit ihrer Bereitschaft und ihren fachlichen Qualitäten die Rahmenbedingungen für unsere Tätig­keit.

Eines meiner Ziele war es, die Verbindung zwischen Österreich und Südtirol enger zu gestalten. Ich habe in diesem Zusammenhang den italienischen Staatspräsidenten Na­politano und den ehemaligen Senatspräsidenten Marini getroffen und zum ersten Mal den Landeshauptmann von Südtirol Durnwalder in den Bundesrat eingeladen.

Eine Ausstellung über Vater und Sohn Kalmsteiner hat zum ersten Mal hier im Parla­ment Südtiroler Künstler zu Wort kommen lassen. Auch die Reise der Bundesräte nach Südtirol am letzten Wochenende sollte dazu dienen, nähere Bekanntschaft mit Land und Leuten in Südtirol zu schließen. Ich würde mich freuen, wenn diese Verbindung nach dem Ende meiner Präsidentschaft weiter bestünde.

Für mich geht ein interessantes, auch durch die Landtagswahl in Tirol intensives Halb­jahr zu Ende. Ich hatte als Präsident des Bundesrates die Ehre, Gastgeber der 10. Konferenz der Vereinigung der Senate Europas zu sein, und dabei die Gelegen­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 13

heit, mit Amtskollegen aus ganz Europa zu sprechen und neue Sichtweisen kennenzu­lernen. Mehrere Botschafter haben mich besucht und somit ihr Interesse an unserer Kammer demonstriert und gezeigt.

Weiters habe ich einigen Landtagspräsidenten und Landeshauptmännern einen Be­such abgestattet: Niederösterreich, Oberösterreich, Wien, Vorarlberg.

Mein Heimatbundesland Tirol hat die Gelegenheit erhalten, sich im Rahmen eines Tiro­ler Abends zu präsentieren. Tiroler Schützen gaben auf der Rampe eine Vorstellung von Tiroler Tradition. Und eine Ausstellung mit Werken von Herbert Danler und Martina Gasser zeigte eine künstlerische Seite Tirols.

Gerade im heurigen Jahr sehe ich es aber auch als ein gutes Zeichen, dass Sie mir Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung für dieses Amt gegeben haben. Wir begehen in die­sem Jahr eine Reihe wichtiger Gedenktage, die sich auf prägende Ereignisse für die Entwicklung Österreichs im 20. Jahrhundert beziehen. Daher war es mir bei den Ge­denkveranstaltungen, die das Parlament durchführte, sehr wichtig, das Zeugnis und die Erfahrungen meiner Generation zu betonen. Sie hat heute noch die Chance, ihre Er­lebnisse, Eindrücke und das, was sie aus dem Lauf der Geschichte gelernt hat, an die Jugend weiterzugeben – im Interesse der Sicherung des Friedens, der Freiheit und der Demokratie.

In den letzten Monaten wurde unser Blick zunehmend in die Zukunft gelenkt. Vieles, was wir nun schon über Jahrzehnte als selbstverständlich betrachtet haben, ist plötz­lich unsicher geworden. Wir erleben einen enormen Preisanstieg für Erdöl und müssen erkennen, wie viele unserer Lebensbereiche davon betroffen sind. Ebenso dramatisch sind die Steigerungen bei den Lebensmittelpreisen, und erst langsam wird vielen wie­der bewusst, welch wertvolles Gut sie darstellen, wie vieler Hände Arbeit und wie viel Mühe dahinter stecken, wie oft nur wenige daran verdienen.

Wir erlebten auch 1973 – ich erinnere mich gut daran – eine große Steigerung des Kraftstoffpreises; im November und Dezember war es. Damals wurde ein autofreier Sonntag beziehungsweise Tag verordnet. Das anfängliche Murren legte sich, und das Signal an die Ölspekulanten blieb damals nicht unbeachtet. Alternative Angebote, wie der Betrieb mit Erdgas oder das Umsteigen auf Fahrgemeinschaften, finden noch bei Weitem nicht den entsprechenden Zuspruch.

Besonders betroffen von den Preissteigerungen sind die Bezieher kleiner Einkommen und Pensionen. Gerade viele ältere Menschen sind durch diese Entwicklung verunsi­chert. Und da sehe ich es als Aufgabe von uns allen an, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und den Bürgerinnen und Bürgern als glaubwürdige Partner zu begegnen, die sich mit großer Anstrengung um das Gemeinwohl bemühen. Ja, gerade in dieser Situa­tion ist es von großer Bedeutung, dass sich auch ältere Menschen weiter politisch en­gagieren, mit ihrer Erfahrung, mit Besonnenheit und Verständnis.

Meine Damen und Herren! Nicht ohne Grund sprechen viele Wissenschafter und Ex­perten davon, dass wir Verkehrs- und Transportwege reduzieren müssen, dass wir sorgsamer mit unseren lokalen Ressourcen umgehen müssen und dass wir lokale Wirtschaftszusammenhänge fördern müssen. Die Suche nach Lösungen kann freilich nicht an der Staatsgrenze haltmachen. Bei aller Betonung des Lokalen wissen wir, dass es die Rahmenbedingungen im Großen und die Zusammenhänge über die Gren­zen hinaus braucht. Ein Beispiel dafür habe ich schon in meiner Antrittsrede genannt: die Zusammenarbeit zwischen Tirol und Südtirol.

Es war daher für mich ein prägender Tag, als Landeshauptmann Durnwalder die Mög­lichkeit hatte, zu den Mitgliedern des Bundesrates zu sprechen, und enorm wichtig, dass wir in den vergangenen Monaten die Zusammenarbeit mit Südtirol wieder ge­stärkt haben.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 14

Ich wünsche dem Bundesrat, dass er in diesem Geist weiterarbeitet und sich weiterent­wickeln möge. Bei meinem Nachfolger weiß ich diesen Wunsch in guten Händen, und so darf ich zum Abschluss Jürgen Weiss alles Gute für seine Präsidentschaft wün­schen, die er am 1. Juli antritt. (Allgemeiner Beifall.)

9.13

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich gebe bekannt, dass der Ministerratsdienst des Bun­deskanzleramtes die Mitteilung gemacht hat, dass sich die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied vom 19. Juni nachmittags bis 20. Juni in Basel aufhalten wird und die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger mit ihrer Vertretung beauftragt hat.

09.13.37Fragestunde

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.14 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten er­strecken werde.

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1623/M, an den Bun­desminister für Wissenschaft und Forschung. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bun­desrat Reinhold Todt, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Herr Präsident, ich heiße Reinhard und nicht „Reinhold“, das zuerst.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Entschuldigung, das habe ich immer schon verwech­selt.

 


Bundesrat Reinhard Todt (fortsetzend): Macht nichts!

Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1623/M-BR/2008

„Welche Maßnahmen – gesetzlich und budgetär – sind vorgesehen, um die Studienbe­dingungen an den Universitäten zu verbessern?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Hoher Bun­desrat! Zunächst möchte ich die Gelegenheit nützen, dir, Herr Präsident, für dein Wir­ken hier zu danken, insbesondere im Zusammenhang mit der Schwerpunktsetzung Südtirol, zumal ja sehr, sehr viele Südtiroler Studenten hier in Österreich studieren und als Bildungsinländer gelten und daher besonderes Augenmerk verdienen und erhalten.

Zweitens bedanke ich mich dafür, dass Sie die Universitäten und den gesamten Be­reich heute für die Fragestunde gewählt haben.

Ich darf zur Beantwortung der Frage kommen: Insgesamt, würde ich sagen, ist die Situation nicht schlecht. Logischerweise wünschen wir uns immer mehr. Ich darf darauf


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 15

hinweisen, dass im Zuge der aktuellen Leistungsvereinbarungsperiode, die von 2007 bis 2009 geht, das operative Budget der Universitäten um insgesamt 525 Millionen € erhöht wurde, sodass wir in diesen drei Jahren knapp 7 Milliarden € für die Universitä­ten ausgeben. Das ist ein Plus von etwa 10 Prozent. Nicht an allen Universitäten gleichmäßig, bei manchen mehr, bei anderen weniger, aber das heißt pro Jahr weit über 2,3 Milliarden €.

Wir haben die Studienbeihilfen in diesem Zeitraum auf insgesamt etwa 200 Millionen € erhöht. Wir haben heuer und im vergangenen Jahr zweimal das Studienförderungsge­setz novelliert, einmal in einer quantitativen und einmal in einer quantitativ-qualitativen Dimension. So denke ich, dass hier insgesamt sehr viel geschehen ist. Dazu kommt noch etwa eine halbe Milliarde € für Verbesserungen im baulichen Bereich. Diese hal­be Milliarde sollte bis 2012 insgesamt umgesetzt werden. Also in Summe – operativ, aber auch infrastrukturell – ist über eine Milliarde hineingeflossen.

Hinsichtlich der baulichen Zustände der Universitäten würde ich sagen: weitaus besser als der Ruf, was nicht heißt, dass man nicht da und dort immer wieder etwas machen muss. Wir haben auch verschiedene Schwerpunktsetzungen, ich denke dabei an die Uni Innsbruck, aber auch in Graz und in Wien haben wir verschiedene Projekte, eigent­lich in ganz Österreich.

Ich meine, dass sich insgesamt die Studienbedingungen verbessert haben, aber natür­lich kann es diesbezüglich nie gut genug sein.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Todt: Danke!) – Nein.

Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Eibinger gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wel­che zusätzlichen Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Universitäten setzt das BMWF insbesondere im Hinblick auf berufstätige Studierende?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich muss gestehen, das ist ein Bereich, der an den Universitäten noch sehr unterentwickelt ist. An den Fachhochschulen stellt sich die Situation ganz anders dar, da hatten wir schon und haben wir eine aktuelle Schwerpunktsetzung, die dazu geführt hat, dass heute schon ein Drittel der Studierenden an Fachhochschulen berufsbegleitend unterwegs ist, also etwa 10 000 von 30 000. Ich gehe davon aus, dass wir im Zuge des nächsten Fachhochschul-Entwicklungsplanes bis 2012 diesen Anteil auf an die 50 Prozent wer­den steigern können.

An den Universitäten haben wir, da muss man ehrlich sein und das sagen, echt berufs­begleitend, also nicht neben dem Studium arbeitend, momentan einen Anteil von 1 bis 2 Prozent. Hier ist etwas zu machen, auch im Sinne der Umsetzung des Bologna-Pro­zesses, dass wir eben eine Situation entwickeln, dass es nach dem Bachelor-Ab­schluss durchaus eine berufliche Praxis geben kann und geben soll und hinterher viel­leicht erst ein Master-Studium angeschlossen wird.

Abgesehen davon haben wir hier gerade bei der letzten, schon erwähnten primär quali­tativen Reform des Studienförderungsgesetzes einige Maßnahmen für berufstätige Studierende gemacht, insbesondere Anhebung und gleichzeitige Vereinheitlichung der Zuverdienstgrenze auf nunmehr 8 000 €, auch eine Anhebung der Altersgrenze für Master-Studien, schließlich eine – ganz dezidiert im Hinblick auf Berufsbegleitung – längere Übergangsfrist zwischen Bachelor und Master und schlussendlich eine Attrakti­vierung und weitere Verbesserung des sogenannten Studienabschlussstipendiums.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 16

Ich denke, das ist ein sehr brauchbares erstes Paket für berufsbegleitend Studierende, aber in den im kommenden Jahr beginnenden Diskussionen für die Leistungsvereinba­rungsperiode 2010 bis 2012 werden wir auf dieses Thema besonderes Augenmerk le­gen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! An der Medizinuniversität Wien warten zurzeit 233 Studierende darauf, ihr Studium fortsetzen zu können. Mit welchen Maßnahmen werden Sie diese Warteliste verkürzen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich habe hier ein Erbe übernommen, denn die Warteliste in der theoretischen Ausbildung bei den Medizinern begleitet uns seit – ich weiß nicht – undenklichen Zeiten. Es ist uns ge­lungen, in Innsbruck und Graz diese Warteliste schon abzubauen. In Wien wird das bis Ende dieser Legislaturperiode, also ich sage einmal bis Ende Sommersemester 2010 der Fall sein. Wir werden das dadurch erreichen, dass wir temporär die Zahl der Aus­bildungsplätze von 600 auf 720 erhöht haben, also um 20 Prozent. Damit sollte sicher­gestellt sein, dass eben dieser Rückstau mit dem Sommersemester 2010 abgebaut wird.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mitterer, bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es wird immer über die Finanzierbarkeit eines Studiums disku­tiert. Können Sie sich vorstellen, für österreichische Studierende einen zinsfreien Kredit einzuführen, der erst ab einem entsprechenden Jahreseinkommen wieder zurückzu­zahlen wäre?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Wir kennen dieses Instrument im Zusammenhang mit den Studiengebühren. Das ist mit einem ganz bescheidenen Zinssatz veranschlagt. In dem Zusammenhang ist zu berichten, dass, so glaube ich, die Inanspruchnahme einige wenige Hunderte Personen umfasst, ehrlich gesagt – sozusagen auf Wienerisch – kein Riss ist. Das hängt wahrscheinlich auch mit der Größenordnung zusammen.

Was das generelle Studium anlangt, ist das in der Konzeption, die wir momentan ver­folgen, nicht vorgesehen, weil wir ja an sich ein sehr ausgefeiltes Studienbeihilfensys­tem haben, in dem Zusammenhang mittlerweile über 200 Millionen € im Jahr ausge­ben, wovon 96 Prozent aus diesem Betrag sozial indiziert sind und jeder fünfte Studie­rende an den Unis und jeder dritte Studierende an den Fachhochschulen in den Ge­nuss von Studienbeihilfen kommt. Ich denke, dass auf die Art und Weise die Notwen­digkeiten sehr, sehr gut bedient werden.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Saller, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1619/M-BR/2008

„Was sind aus der Sicht Ihres Ressorts die Schwerpunkte der Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes 2002?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 17

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Herr Bun­desrat, jetzt weiß ich, warum die Fragestunde mit 120 Minuten begrenzt ist. Da könnte man jetzt sehr, sehr viel sagen.

Ich konzentriere mich darauf und sage einmal vorab: Aus meiner Warte ist das aktuelle Universitätsgesetz 2002, mit Wirkung von 1. Jänner 2004 in Kraft getreten, ein sehr gu­tes Gesetz, das eben insbesondere die Verlagerung der Zuständigkeit, der Verantwor­tung an die Universitäten gebracht hat – Stichwort Autonomie. Es ist daher aus meiner Warte nur notwendig, die einen oder anderen – wenn Sie so wollen – Kinderkrankhei­ten, die sich quasi im Echtzeitbetrieb herausgestellt haben, zu korrigieren, wenn das möglich ist, und gewisse Adaptionen vorzunehmen.

Ich glaube, das Wesentlichste ist, dass wir nach wie vor an der Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten arbeiten. Die Universitäten stehen in einem internationalen Wett­bewerb. Wir haben in Österreich 21 öffentliche Universitäten, wenn ich die Donau-Uni­versität Krems dazunehme sind es 22. Dort studieren gegenwärtig etwa 235 000 Per­sonen. Jede einzelne dieser Universitäten steht eigentlich in ihrem Profil, in ihrem An­gebot quasi im Wettbewerb nicht innerösterreichisch, sondern eigentlich europäisch, da und dort sogar sozusagen international. Und aus diesem Titel heraus ist es notwen­dig, weiter diese Entwicklung zu unterstützen und zu befördern.

Dadurch, dass sehr viel Verantwortung an die Universitäten verlagert wurde, hat sich auch die Arbeitsweise von Rektor, Rektorinnen und Rektorat verändert. Hier ist viel stärker eine Managementfunktion zu beobachten, als das in der Vergangenheit der Fall war, wo wir vielfach den Eindruck hatten – oder es tatsächlich so war –, dass die Rolle des Rektors damals eher die eines Sprechers der Universität war. Nun ist er Manager und muss in dieser Art und Weise agieren, aber auch agieren können. Es gibt eigent­lich in den Kompetenzfragen nur geringfügige Veränderungen.

Ich glaube, wichtig ist auch, dass wir insgesamt verstehen, dass die Universitäten Ein­richtungen sui generis sind, also eine eigene Struktur haben. Man kann Universitäten nicht mit Unternehmen vergleichen – auch nicht mit anderen NGOs –, sondern Univer­sitäten, ihre Struktur, ihre Traditionen sind für sich zu sehen, zu betrachten. Daher ist auch die Frage, wie Entscheidungsfindungen an den Universitäten stattfinden – von wem, zu welchem Thema –, eben sehr speziell zu entscheiden und zu klären.

Ich denke, dass wir mit diesem Dreieck Senat, Rektorat, Uni-Rat eine sehr, sehr gute Konzeption gefunden haben, die auch von vielen anderen Ländern als vorbildhaft emp­funden wird. Das ist übrigens etwas, was uns durchaus stolz machen kann – mich je­denfalls –, dass das österreichische Uni-Gesetz international als vorbildhaft angesehen wird und viele – manche auch aus der Distanz – dieses Gesetz studieren, weil eben hier mit der Autonomiewerdung ein entscheidender Schritt getan wurde.

Was wir diesmal auch vorgeschlagen haben, ist, dass es qualitative Zugangsbedingun­gen für Master- und PhD-Studien geben soll, weil wir eigentlich der Meinung sind, hier auch im Hinblick auf die weitere Qualitätssicherung der Studien solche Maßnahmen grundsätzlich zu ermöglichen. Ob, wenn das Gesetz in der Form dann auch angenom­men wird, das Platz greift, liegt auch hier wieder in der Autonomie der Universitäten, namentlich der Senate.

Ich denke, dass damit eine weitere Maßnahme getroffen werden kann, um die Quali­tätssicherung und damit die Qualität der Ausbildung und der Bildung an den Universitä­ten weiterzuentwickeln, was ja nur im Interesse von uns allen sein kann, weil die Quali­tät der Ausbildung unseres sozusagen Nachwuchses entscheidend dafür ist, wie wir in Hinkunft als Gesellschaft insgesamt performen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 18

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Welche Maßnahmen sind in der Universi­tätsgesetznovelle für eine zusätzliche Frauenförderung und Gleichberechtigung enthal­ten?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Es hat sich, ehrlich gesagt, im Zuge der letztjährigen Nominierung der Uni-Räte und -Rätinnen durch die Senate gezeigt, dass sozusagen das gute Zureden, das Überzeugen offen­kundig nicht hinreichend wirksam war. Denn, wenn ich es recht im Kopf habe, acht der 21 Senate haben keine einzige Frau als Uni-Rätin nominiert. Und daher, obwohl aus meiner Warte eine Quotenregelung immer die Ultima Ratio ist, haben wir uns auch mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, hier vorzusehen, dass 40 Prozent der ent­sprechenden Uni-Gremien immer mit Frauen zu besetzen sein sollen.

Ich füge gleich hinzu: Kaum haben wir das öffentlich bekannt gegeben, haben wir in­teressanterweise vor allen Dingen von Frauen an den Universitäten Kritik eingeheimst. Diese Kritik war allerdings so, dass manche eben gemeint haben – und diese Sorge ist nicht unberechtigt –, dass speziell dort, wo vergleichsweise wenige Frauen tätig sind, die Gefahr bestehen könnte, dass nunmehr die Frauen quasi voll in der Verantwortung und in der Wahrnehmung der Managementaufgaben sozusagen aufgerieben werden und für Forschung und Lehre keine Zeit haben.

Daher gibt es selbstverständlich ein Opting-Out. Wenn also vonseiten der Frauen fest­gestellt wird, sie können oder wollen das nicht wahrnehmen, dann wird logischerweise niemand dazu gezwungen.

Wir beschreiten nunmehr also den umgekehrten Weg: Zunächst ist sichergestellt, dass es diese Mindestens-40-Prozent-Quote gibt. Wenn sie erfüllt wird, ist es gut, wenn sie nicht erfüllt werden kann, liegt es an den Frauen, dies festzustellen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrä­tin Grimling gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Wie sehen Sie aus der Sicht des Regierungsprogramms die Weiterentwicklung des Universitätsgesetzes?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Das Regie­rungsprogramm gibt hier manches sehr unspezifisch vor, was ja ganz gut ist, denn da­durch kann man auch noch in der konkreten Diskussion die Dinge auf die Reihe brin­gen. Ich glaube, die Botschaft des Regierungsprogramms ist eine klare: dass das Ge­setz sich bewährt hat, dass es gilt, dieses Gesetz weiterzuentwickeln.

Wenn Sie auf die eine oder andere Regelung anspielen, die noch Gegenstand der Dis­kussion ist – Mitbestimmung, Kuriensystem –, so gehe ich davon aus, dass die nächs­ten Wochen und Monate – nunmehr die Begutachtung, dann die Verarbeitung dieser Stellungnahmen, letztlich auch der parlamentarische Prozess hier und im Nationalrat – dann sicherlich Weiterentwicklungen zeitigen werden. Aus meiner Warte werden wir hier ein vernünftiges Paket entwickeln können.

Ich sage aber noch einmal, Universitäten sind Einrichtungen sui generis, und wir soll­ten hier bei der Verfolgung verschiedener Ziele genau auf diesen speziellen Umstand Rücksicht nehmen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 19

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Im Rahmen der UG-Novelle gibt es qualitative Zugangsbe­schränkungen insbesondere bei Masterstudien und PhD-Studien. Wie wird das genau aussehen? Welche diesbezüglichen Maßnahmen sind da von Ihrer Seite gesetzt? Was haben wir unter diesen Zugangsbeschränkungen Ihrerseits zu erwarten?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Zunächst ist wichtig festzuhalten: Es adressiert sich ausschließlich auf Master- und PhD-Studien, also keineswegs auf Bachelorstudien, wiewohl man sagen muss, dass heute schon 42 Prozent der Erstsemestrigen im tertiären Bereich – das schließt Universität, Fach­hochschule, Pädagogische Hochschulen mit ein – ihr Studium aufgrund der positiven Erfüllung von Zugangsbedingungen beginnen können.

Der freie Hochschulzugang ist – so sage ich – etwas Wünschenswertes, aber nicht überall in der Form gegeben. In den Bereichen, wo es nicht gegeben ist, ist das – wie ich meine – wohl begründet.

Bei den qualitativen Zugangsbedingungen ist die Idee, dass man einfach Qualifika­tionskriterien inhaltlicher Art definiert, die erfüllt sein müssen, damit jemand ein Master­studium beginnen kann. Ich darf darauf hinweisen: Es gibt gegenwärtig rund 230 Ba­chelorstudiengänge und an die 370 Masterstudiengänge. Die Tendenz ist steigend, denn es gibt immer noch rund 140 Diplomstudien. Es gibt, wenn ich die Lehramtsstu­dien herausnehme, einen Umstellungsgrad von knapp über 80 Prozent. Ich hoffe, dass wir bis Ende des Jahrzehntes voll umgestellt haben werden.

Die Idee ist ja, dass es deutlich weniger Bachelorstudien gibt – rein von der Zahl her –, aber wesentlich mehr Masterstudien. Es ist einfach notwendig, im Vorfeld zu definie­ren, was Qualitätskriterien sind. Das hat die jeweilige Universität für sich zu beantwor­ten. Deswegen habe ich auch die Zahl 370 genannt. Es ist völlig illusorisch – und auch nicht wünschenswert und widerspräche auch dem Gedanken der Autonomie –, zu sa­gen, dass jetzt vonseiten des Gesetzgebers hier irgendwelche konkreten Vorschläge da wären, was das sein kann.

Ich nenne ein Beispiel – halb aus der Luft gegriffen –: Ein internationales Management­studium, das logischerweise die Kenntnis von zum Beispiel zwei Fremdsprachen erfor­dert, wird man wohl nur dann antreten können, wenn man Kenntnisse dieser zwei Fremdsprachen nachweisen kann. Und wenn man nur eine kann, dann wird man das in geeigneter Form eben nachholen müssen.

Entscheidend ist: Es sind qualitative, es sind keine quantitativen Kriterien. Das heißt, es ist – und wenn das im Zuge der Diskussion notwendig ist, dann werden wir das et­wa auch in den Erläuterungen sicherstellen – nicht daran gedacht, dass etwa Noten­durchschnitte und dergleichen mehr für solche Fragen herangezogen werden können. Aber wie gesagt, die Entscheidung selbst liegt an den Universitäten und dort an den Senaten.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte die An­fragestellerin, Frau Bundesrätin Konrad, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1622/M-BR/2008

„Wie stehen Sie zur Stellungnahme des Wissenschaftsrates, der das Kurien- und Gruppendenken an Universitäten als überholt bezeichnet?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 20

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Grundsätz­lich kann ich diesen Überlegungen durchaus folgen, wobei natürlich der Ratschlag der Experten immer einer ist, der quasi von einem wünschenswerten finalen Zustand aus­geht, und wir natürlich die aktuellen Rahmenbedingungen sehen müssen und Verän­derungen in der Praxis oft in einer längeren Art und Weise vor sich gehen.

Was der Wissenschaftsrat allerdings auch sagt, ist: Man muss sich auch anschauen, wie die Entscheidungslinien an den Universitäten liegen sollten. Er weist auch mit Recht darauf hin, dass wir nicht eins zu eins das Faculty-Modell aus den USA überneh­men sollten, weil es hier andere Traditionen, Strukturen und Rahmenbedingungen gibt.

Was ich daraus, aber auch aus vielen Gesprächen an den Universitäten mitnehme – und das ist meines Erachtens etwas, was nicht Gegenstand einer gesetzlichen Rege­lung sein sollte –, ist, dass wir vermehrt eine Kultur entwickeln, dass an den Universitä­ten auch junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter vermehrt die Möglichkeit be­kommen, eigenständig zu forschen, zu arbeiten, was inkludiert, eigene Teams, eigene Budgets und eine maximale Freiheit in dem zu haben, was in der Tat die Freiheit von Forschung und Lehre bedeuten kann.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Ihre Amtsvorgängerin hat einmal im Zusam­menhang mit den Universitäten gesagt, dass Demokratie kein Wert an sich sei. Wie stehen denn Sie zu dieser Aussage?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich kenne diese Aussage so nicht. Das ist eine philosophische Diskussion. Ich kann nur sagen, ich antworte hier mit Churchill: Demokratie ist eine unheimlich schwierige Angelegen­heit und eine mühsame, aber sagen Sie mir etwas Besseres!

Ich finde, es gibt keine Alternative zur Demokratie. Es gilt, die Dinge immer wieder in einer geeigneten Form zu interpretieren. Ich glaube auch, dass an den Universitäten der Gedanke der repräsentativen Demokratie auch Eingang finden muss und ja Ein­gang gefunden hat. Das sind Phänomene von Großorganisationen, dass sich in jeder Großorganisation die Frage der Mitbestimmung, der Entscheidungsfindung stellt. Ich denke, dass wir gegenwärtig an den österreichischen Universitäten durchaus zeitge­mäße Antworten gefunden haben und immer wieder finden, wie Mitbestimmung statt­finden kann.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Grim­ling.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! In welcher Wei­se wird in diesem Zusammenhang das Regierungsprogramm – „Alle unbefristet auf Laufbahnstellen beschäftigten Wissenschafter/innen sollen eine Gruppe (,Kurie‘) bil­den“ – in Ihrem Begutachtungsentwurf zur UG-Novelle umgesetzt?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Da wir ja einen längeren Diskussionsprozess haben und ich jetzt einmal einen Vorschlag in Ge­stalt eines Entwurfes vorgelegt habe, ist das ein Bereich, der sicherlich noch der weite­ren Diskussion bedarf. Es gibt aber schon zwei konkrete Maßnahmen, die mir sehr sinnvoll erscheinen, die zum Teil auch aus Anregungen etwa der Universitätskonferen­zen entstanden sind – und hier steht eigentlich immer wieder die Förderung sozusagen des engagierten wissenschaftlichen Nachwuchses im Vordergrund –, dass wir bezüg­lich der sogenannten §-99-Professuren, die heute auf zwei Jahre beschränkt sind, die Möglichkeit schaffen, diese Befristung auf sechs Jahre auszudehnen, sodass eben die


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 21

Möglichkeit gegeben ist, sich über einen längeren Zeitraum entsprechend zu qualifizie­ren.

Vielfach ist es so, dass in den Entwicklungsplänen von Universitäten bestimmte Ent­wicklungslinien vorgegeben sind. Dass es zu Verschiebungen bei Lehrstühlen kommen kann, hängt wie oft im Leben auch mit möglichen Emeritierungen, sprich Pensionierun­gen, zusammen. Sechs Jahre sind aber ein Zeitraum, in dem solche Dinge umsetzbar sind, wenn die entsprechende Qualifizierung der Betroffenen stattfindet. Und diese so­zusagen upgegradeten 99er-Professuren sollten dann natürlich auch Teil der Profes­sorenkurie sein.

Es ist auch daran gedacht – auch das war eine Anregung des Wissenschaftsrates –, dass die Möglichkeit, Leiterin oder Leiter von Organisationseinheiten zu sein, nunmehr quasi allen Universitätsangehörigen offenstehen sollte, die dann auch Teil der Profes­sorenkurie sind. Auch was die Mitbestimmung von sozusagen allen anbelangt, geht ein weiterer Vorschlag dahin, die Zahl der Senatsmitglieder nunmehr auf 18 bis 24 zu fo­kussieren, denn die bisherige Möglichkeit, einen Zwölfersenat zu haben, hat rein rech­nerisch ergeben, dass der Mittelbau etwa nur mit einer Person vertreten war. In diesem Fall kann man durch ein gewisses Nachschärfen in der Zusammensetzung schon auch Verbesserungen herbeiführen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Köberl.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Minister, wie bewerten Sie allge­mein die Arbeit des Wissenschaftsrates, insbesondere im Hinblick auf die kürzlich ge­äußerte Kritik von Abgeordnetem Broukal?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Der Wis­senschaftsrat ist ein wirklich unabhängiges Gremium von in- und ausländischen Exper­ten. Der Ratschlag ist allerdings nicht immer ein Ratschlag, sondern manchmal auch ein Schlag, je nachdem, welche Position man vertritt. Auch ich teile die eine oder ande­re Erkenntnis des Wissenschaftsrates nicht. Aber ich kann, ehrlich gesagt, die durch Abgeordneten Broukal geäußerte Kritik nicht ganz nachvollziehen, denn ich glaube, es gilt zur Kenntnis zu nehmen, es handelt sich hiebei um ein unabhängiges Expertengre­mium, das, wie ich beobachten konnte, nach bestem Wissen und Gewissen vorgeht und seine Meinung abgibt. Logischerweise muss diese Einschätzung nicht immer poli­tisch geteilt werden. Aber wenn hier eine derartige Schelte ausgesprochen wird, kann ich das nicht nachvollziehen, und ich würde sagen, das ist auch nicht notwendig. Die Aufgabe, die wir Politiker haben, ist, die Ergebnisse der Experten zu sichten, zu wer­ten, sich damit auseinanderzusetzen und in uns zu Ergebnissen zu kommen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Minister! Menschen mit Handicap sind uns ein besonderes Anliegen. Daher auch meine Anfrage an Sie:

1624/M-BR/2008

„Welche Maßnahmen setzt das BMWF, um behinderten StudentInnen den Zugang und die Teilnahme am Studium zu gewährleisten?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Herr Bun­desrat, wir haben gerade auch im Rahmen der heute schon mehrfach erwähnten No­vellierung des Studienförderungsgesetzes heuer im Jänner wieder einige Maßnahmen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 22

in diesem Bereich gesetzt, was insbesondere eine Verlängerung der Förderungsdauer für Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen betrifft, etwa Anhebung der Altersgrenze von 30 auf 35 Jahre, zusätzliches Toleranzsemester, verbesserte Ein­schleifregelungen für Zuschlagsempfänger, insbesondere eben Seh-, Hör- und Gehbe­hinderte, und da auch Erleichterungen bei der Antragstellung.

Es hat vor einigen Monaten hier auch eine Anfrage der Grünen gegeben, wo wir uns das dann im Detail angeschaut und festgestellt haben, dass es nicht an allen Universi­täten – und ich bedaure das sehr – Behindertenbeauftragte gibt. Wir werden das in der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode durchaus auch als einen Punkt nehmen, weil ich der Meinung bin, an allen Universitäten hat es Behindertenbeauftragte zu geben. Die Hochschülerschaften haben das an ihren Universitäten schon eingerichtet.

Wir haben insbesondere auch als Resultat der aktuellen Studie zur sozialen Lage ge­sundheitlich beeinträchtigter Studierender eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich ge­rade mit Unterstützungsmodellen für gehörlose Studierende beschäftigt, weil das ein besonderer Schwerpunkt ist. Hier gibt es verschiedene Vorschläge, welche Möglichkei­ten sich anbieten, durchaus unter Nutzung unserer wissenschaftlich-technologischen Erkenntnisse, die wir selbst befördern, Stichwort Spracherkennungssysteme und der­gleichen mehr. Aber es gibt eine ganze Latte von Themenstellungen, wie etwa den barrierefreien Zugang einerseits zum Web, was Web-Auftritte anbelangt, andererseits auch den barrierefreien Auftritt im engeren Sinn des Wortes, nämlich entsprechende Zugänge an den Universitäten. Das ist etwas, was in der Tat eben nur schrittweise im Zuge von Sanierungsmaßnahmen et cetera umgesetzt werden kann, logischerweise aber bei Neubauten Berücksichtigung findet. Ich denke, insgesamt ist die Sensibilität da. Sie ist an manchen Universitäten in einem sehr hohen Ausmaß gegeben – ich den­ke da etwa an die Uni Wien –, ich verhehle aber nicht, dass es andere Universitäten gibt, wo ich mir diesbezüglich mehr erwarte.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird von Ihnen eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bun­desrat? – Das ist nicht der Fall.

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Schnider zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Es gibt ja auch andere Studierende in einer ganz bestimmten Lebenssituation mit bestimmten Bedürfnissen. Ich denke da vor allem an Studierende mit Kindern. Wel­che Maßnahmen setzt Ihr Ministerium in diesem Fall?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Sehr ge­ehrter Herr Bundesrat! Wir haben auch in dieser gerade erst vor kurzer Zeit beschlos­senen Novelle des Studienförderungsgesetzes die Möglichkeit geschaffen und sicher­gestellt, dass jedes Kind bewertet und gefördert wird. In der Vergangenheit hat man keine Unterschiede gemacht, es war egal, ob eine Studentin oder ein Student ein, zwei, drei oder mehr Kinder hatte. Es hat eine Förderung gegeben. Nunmehr wird, wenn die Förderungsvoraussetzungen gegeben sind, jedes Kind mit 60 € pro Monat zusätzlich zur Familienbeihilfe und zum Kindergeld gefördert. Es gibt ein zusätzliches Toleranzsemester, nicht nur für Studenten mit Kleinkindern bis drei Jahre, wie das bis­her der Fall war, sondern generell bis sechs Jahre. Es hat auch eine Anhebung der Al­tersgrenze für Studierende mit Kindern gegeben. Bisher waren das 30 Jahre. Das kann – das hängt auch von der Zahl der Kinder ab – bis maximal 35 Jahre ausgedehnt werden. Wir haben diesbezüglich also einige Maßnahmen ergriffen.

Es ist auch so, dass mittlerweile durchaus eine nicht geringe Zahl von Universitäten an einzelnen Standorten eigene Kindergärten betreibt, die logischerweise nicht nur Kin­dern von Studierenden, sondern auch Kindern von Universitätsangehörigen zur Verfü­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 23

gung stehen, sodass sich auch aus diesem Titel die Betreuungssituation deutlich ver­bessert hat.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bit­te.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Welche konkreten baulichen Maßnah­men an welchen Universitäten und in welchen Fachrichtungen sind zu setzen, um den barrierefreien Zugang zum Studium und zu den entsprechenden Gebäuden zu ermögli­chen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Im Moment kann ich Ihnen das jetzt nicht beantworten. Aber wenn gewünscht, kann ich das nach­liefern. (Bundesrat Schennach: Da würde ich Sie bitten!) Bitte, das werden wir veran­lassen. Möglicherweise ist es sogar in der Lade, weil wir das in einem anderen Zusam­menhang gemacht haben.

Zum Beispiel an der Uni Wien ist auf diesem Sektor im Hauptgebäude in jüngster Ver­gangenheit einiges passiert, was eben einerseits die Einebnung anbelangt und damit auch den entsprechenden Zugang zu Aufzügen. Ein anderer Punkt, wo wir jetzt in einer speziellen Arbeitsgruppe sind, ist – ich habe es schon erwähnt – eben die Frage, was wir gehörlosen Studierenden anbieten können. Das sind an allen Universitäten Gott sei Dank nur ganz wenige. Aber selbstverständlich haben die auch ein Anrecht, ein Studium zu absolvieren und abzuschließen. Da, glaube ich, gelingt es uns zuse­hends, individuelle Antworten zu geben, die maßgeschneidert auf die Personen zuge­schnitten sind, etwa in der Bereitstellung von Gebärdendolmetschung.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Weiss, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister, meine Frage lau­tet:

1620/M-BR/2008

„Wie weit sind Ihre Vorbereitungen gediehen, bei der nächsten ÖH-Wahl zusätzlich zum Stimmzettel auch E-Voting einsetzen zu können?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Vielen Dank, Herr Bundesrat, für die Frage, weil sie mir auch die Möglichkeit gibt, grundsätz­lich etwas zum E-Voting zu sagen.

Ich denke, das ist eine interessante Ergänzung der partizipativen Mitbestimmungsmög­lichkeiten. In einigen europäischen Ländern ist das schon für die allgemeinen Wahlen vorgesehen und bewährt sich durchaus. Für Österreich können und wollen wir das im Bereich der Universitäten nunmehr bei der nächsten ÖH-Wahl 2009 erstmalig anbie­ten. Ich sage auch dazu: Ich denke, gerade für Studierende, die quasi den Umgang mit dem Internet gewohnt sind und mittlerweile damit aufgewachsen sind, ist das eine durchaus adäquate Möglichkeit. Es ist auch der Versuch, die immer wieder kritisierte niedrige Wahlbeteiligung zu verbessern. Ich möchte aber gleichzeitig die Euphorie schon ein bisschen einbremsen und meine, dass beim ersten Durchgang die traditio­nell vielleicht niedrige Wahlbeteiligung von um die 30 Prozent jetzt nicht auf 50 Prozent hochschnellen wird. Auch dieses Instrument bedarf natürlich einer gewissen Gewöh­nungs‑ und Nutzungsphase.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 24

Es war auch das Resultat dessen, dass wir doch von einigen Universitäts‑ und Studen­tenvertretern direkt damit konfrontiert wurden, dass es zunehmend die Möglichkeit gibt, sozusagen elektronisch zu studieren, und es daher nicht einsehbar ist, warum man zwar elektronisch studieren kann – mittlerweile wird in Linz das juristische Studium komplett als E-Studying angeboten –, es aber nicht möglich ist, auch an der ÖH-Wahl auf elektronischem Wege teilzunehmen.

Wir haben daher mit den Vorarbeiten begonnen. Es gibt eine eigene Task Force im Mi­nisterium. Drei Lose sind europaweit ausgeschrieben worden: für das Rechenzentrum, für die Wahlsoftware und für das Projektmanagement. Es laufen gerade die Gespräche mit den Bietern unter Einbeziehung von Experten von der TU Wien und Graz. Es hat in der ersten Junihälfte entsprechende Termine gegeben. Anfang Juli soll dann der Zu­schlag an die ausgewählten Bieter erfolgen. Es ist die in diesem Zusammenhang zu adaptierende Hochschülerinnen‑ und Hochschülerschaftswahlordnung legistisch fast fertiggestellt. Ich gehe davon aus, dass sie dieser Tage in Begutachtung gehen wird. Die Hochschülerschaft, die zwar von der Führungsseite her diese Möglichkeit kritisch sieht, wird von unserem Haus laufend über das Projekt informiert.

Es hat vor wenigen Tagen ein Gespräch, eine Informationsveranstaltung mit der uniko gegeben. Am heutigen Tag wird das neue Wahlverfahren mit sämtlichen Mitgliedern der Wahlkommission an den Universitäten in Linz erörtert. Es wird morgen im Bundes­kanzleramt eine Besprechung bezüglich der Bürgerkartendurchdringung geben, weil wir da ja die Möglichkeit schaffen wollen. Es soll im November eine entsprechende Testwahl stattfinden. Also ich denke, es ist eine sehr systematische, sehr projektorien­tierte Vorbereitung, sodass ich glaube, dass von der technischen Seite – und das inklu­diert auch die Sicherheitskomponente – alles Erdenkliche gemacht wird, dass dies funktioniert und dass es auch keine Kritik geben wird, weil es mir, ehrlich gesagt, ganz wichtig ist, dass dieses Modell von Anfang an ziemlich störungsfrei, wenn Sie so wol­len, funktioniert, weil ich es für einen entscheidenden Schritt in der partizipativen Mitbe­stimmungsmöglichkeit einer Gesellschaft ansehe. Insofern wäre es sehr, sehr wün­schenswert, dass dieses Projekt funktioniert.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Da Studenten sehr internetversiert und naturgemäß in der Regel auch neugierig sind, wird sich doch die Notwendigkeit erge­ben, auf diese neue Möglichkeit in besonderer Weise aufmerksam zu machen.

Ich frage Sie daher: In welcher Weise werden die Studierenden über diese neue zu­sätzliche Möglichkeit der Beteiligung an der Hochschülerschaftswahl informiert wer­den?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Es wird im Herbst eine, wenn Sie so wollen, Österreichtour geben, wo wir auf diese Möglichkeit in einer quasi Werbekampagne an den Universitäten aufmerksam machen werden, und hoffentlich hinreichend Gusto, dass eben dann von dieser Möglichkeit Gebrauch ge­macht wird. Wir werden das natürlich im Vorfeld der ÖH-Wahl selbst noch einmal ent­sprechend bewerben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Einwallner, bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Bundesminister, meine Frage geht dahin: Wie gehen Sie tatsächlich mit den erheblichen Bedenken – und es gibt ja nicht nur kritische Stimmen vonseiten der Österreichischen Hochschülerschaft, sondern es ist eine klare Ablehnung vonseiten der Österreichischen Hochschülerschaft da –, mit dieser Ablehnung um? Wie gehen Sie auch mit sehr aktuellen Umfrageergeb­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 25

nissen, etwa von der Karmasin-Forschung, um, die sagt, 72 Prozent der Österreiche­rinnen und Österreicher sehen das Sicherheitsrisiko bei E-Voting als sehr, sehr hoch? Also nicht nur die Österreichische Hochschülerschaft hat da große Bedenken, sondern auch in der Gesamtbevölkerung gibt es ganz offensichtlich große Skepsis in puncto
E-Voting.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Das sind die klassischen Herausforderungen. Wenn man etwas gestalten möchte, dann muss man auch Überzeugungsarbeit leisten. Umfragen sind in der Regel eine Beschreibung von Erfahrungswerten oder von Einschätzungen von diffusen Befindlichkeiten. Die sind zu respektieren. Das sind wichtige Hinweise.

Was die Gesellschaft allgemein betrifft, logischerweise auch die Hochschülerschaft im Besonderen, so ist hier Überzeugungsarbeit zu leisten. Die beste Überzeugungsarbeit ist, dass dieses System technisch – und das inkludiert auch die Sicherheitskomponen­te – stabil und nachvollziehbar ist. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen, als dass wir nachhaltig, intensiv und immer wieder das Gespräch suchen und Überzeugungsarbeit leisten. Ich denke, dass am Ende des Tages die Zustimmung überwiegen wird, insbe­sondere wenn man dann beim ersten Mal feststellt, dass die Sache funktioniert und auch keine besonderen Schmerzen bereitet.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bit­te.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die estnische Parlamentspräsidentin hat mich in dieser Frage schon einmal als unheimlich konservativen Menschen bezeichnet – insofern bin ich in dieser Frage auf jeden Fall konservativer als Jürgen Weiss –, der diesbezüglich Bedenken aus datenschutzrechtli­chen Gründen hat. Die Prinzipien unserer Wahlen sind: persönlich, geheim und unmit­telbar. Zumindest zwei Prinzipien davon, nämlich „geheim“ und „unmittelbar“, sehe ich in diesem Fall doch etwas gefährdet, wenn wir zum Beispiel in einem Studentenheim vielleicht ein Gruppenvoting oder so bekommen. Haben Sie diese Bedenken nicht, ge­rade im Hinblick auf die Prinzipien „persönlich“ und „unmittelbar“?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Der Begriff des Unmittelbaren ist immer wieder neu zu interpretieren. Mir ist das schon öfter unter­gekommen, dass wir gesetzliche Bestimmungen haben, die vor Jahrzehnten definiert wurden und die die gesamten Möglichkeiten der elektronischen Weiterentwicklung we­der vorausgesehen, geschweige denn berücksichtigt haben. Mir ist das im Zusammen­hang mit Möglichkeiten des Bankomaten et cetera untergekommen, dass hier immer noch von „unmittelbar“ die Rede ist, vom direkten Kontakt. Also ich denke, den Begriff der Unmittelbarkeit muss man immer wieder neu interpretieren und neu fassen.

Die anderen Sorgen und Bedenken kenne ich, die sind bekannt, aber ich denke, man sollte hier ein gewisses Maß an Grundvertrauen mitbringen und auch an die demokrati­sche Reife appellieren.

Auf der anderen Seite – das soll jetzt nicht missverstanden werden – kann ich mich er­innern, dass zu meiner Studentenzeit eine Gruppe kandidiert hat – vielleicht erinnert sich noch mancher –, die sich „Rebellen vom Liang Shan Po“ nannte, und eine andere, die „Morgenmuffel“ hieß. Ich will damit nicht sagen, dass das Ganze hetzhaften Cha­rakter haben soll, aber ich glaube, die studentische Reife in diesem Sektor ist höher ausgeprägt, als wir es manchmal annehmen, und ich bin eigentlich zuversichtlich, dass


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 26

hier – um das sehr salopp zu sagen – kein Schindluder getrieben wird, weil letztlich die, die zur Abstimmung schreiten, auch an den Universitäten in hohem Ausmaß – Ausnahmen wird es immer geben – mit einer Ernsthaftigkeit an die Dinge herangehen, weil sie wissen: Es geht hier um ihre eigene Studentenvertretung, das ist eine wichtige Einrichtung, und hier irgendwelche Maßnahmen zu setzen, die diesen Stellenwert der studentischen Einrichtung konterkarieren, wäre eigentlich ein Schwachsinn.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte die An­fragestellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1626/M-BR/2008

„Sind Sie bereit, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitä­ten mit dem Finanzminister Verhandlungen aufzunehmen, damit der bereits im Sep­tember 2007 ausverhandelte Kollektivvertrag am 1.1.2009 in Kraft treten kann?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich bin es nicht nur pro futuro, sondern wir tun es schon. Ich möchte allerdings in Erinnerung ru­fen, die beiden Kollektivvertragspartner, der Dachverband der Universitäten und die Gewerkschaft der Universitätsangehörigen, haben gute vier Jahre verhandelt, haben dann einen Kollektivvertrag quasi paraphiert, dann hat es noch einmal ein Dreiviertel­jahr gedauert, vonseiten der Universitäten die entsprechenden Berechnungen anzu­stellen, was denn diese Vereinbarung tatsächlich für Mehrkosten verursacht.

Dieses Ergebnis liegt uns seit Ende Februar vor. Seit diesem Zeitpunkt sind wir in Ge­sprächen, und ich gehe davon aus, dass wir zu einem Ergebnis kommen, das in der Tat dazu führt, dass es ab 1. Jänner 2009 einen Kollektivvertrag geben wird.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Weil es immer ums Geld geht: Seinerzeit unter Ihrer Amtsvorgängerin und Parteikollegin hat es durch­aus Konsens gegeben, dass der Bund die Mehrkosten von etwa 30 Millionen €, mit de­nen man rechnet, übernimmt.

Darf ich jetzt davon ausgehen, dass Sie sich an diese Zusage Ihrer Amtsvorgängerin und Parteikollegin Gehrer halten werden?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Hier treffen wir uns ja durchaus. Es geht um gewisse inhaltliche Überlegungen, wo ich glaube, dass wir uns auch einbringen sollten.

Ich denke etwa daran – das hängt zwar einerseits mit dem Kollektivvertrag zusammen, ist aber auch etwas, was im Zuge des Universitätsgesetzes behandelt werden kann –, dass wir vor einem halben, dreiviertel Jahr eine Novelle des Fachhochschulgesetzes vorgenommen haben, was eben die Stellung von Lektoren anbelangt. Darin haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass Lektoren bis zu sechs Stunden Verpflichtung optieren können, ob sie ein Dienstverhältnis begründen wollen oder freie Mitarbeiter sein wol­len. Das ist zum Beispiel etwas, wovon ich mir vorstellen kann, dass wir es in Analogie auch für die Universitäten ermöglichen. Daraus ergeben sich dann auch gewisse Kon­sequenzen bei der Kollektivvertragsberechnung.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 27

Aber, wie gesagt, dem Grunde nach gibt es eine hohe Übereinstimmung, und ich den­ke, dass dieser Kollektivvertrag auch mit dem laufenden Budget zu verhandeln ist und verhandelt wird, weil sich am Ende des Tages die Mehrkosten im Budget wiederfinden werden. Wir werden ja nicht die Mehrkosten des KV sukzessive extra ausgewiesen mitschleppen, sondern sie in das Globalbudget integrieren, quasi parallel.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Habe ich das jetzt richtig verstanden? Die Budgetmittel für 2009 für die Umsetzung des Kollektivvertrages sind bereits vorgesehen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Die Mehr­kosten, die sich aus dem Kollektivvertrag ergeben – die zum Teil einmalige sind, wenn es um Nachzahlungen für die Pensionskasse geht, die aber, was ja das Relevantere ist, laufende Mehrkosten beinhalten –, sind als Teil der Budgetverhandlungen zu be­trachten, weil am Ende des Tages Mehrkosten sich im Regelbudget wiederfinden müs­sen, und insofern finden die Gespräche gerade statt.

Wie Sie wissen, sind die Budgetverhandlungen noch nicht abgeschlossen, und ich hof­fe, dass wir jedenfalls zu einem guten Ergebnis bei den Budgetverhandlungen kom­men. Dann sollte auch die Frage des neuen Kollektivvertrages einer, wie ich letztlich hoffe, befriedigenden Lösung für alle zugeführt worden sein.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Grimling, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, mit welchen Steigerungsraten für das Universitätsbudget gehen Sie in die Budgetverhandlungen mit dem Finanzminister?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ehrlich ge­sagt, Strategien, die man verkündet, sind keine Strategien. Das gilt auch für den eige­nen Parteifreund und Finanzminister. Da bitte ich also um Verständnis, dass ich meine Karten nicht offenlegen möchte. Aber Sie können davon ausgehen, dass ich mich be­mühe, maximal viel herauszuholen.

Aber auch wenn ich ihm jetzt schon über die Öffentlichkeit erkläre, wie ich das anlege, hat er, bei aller Liebe zur Parteifreundschaft, dennoch – und das ist durchaus positiv zu sehen – als Finanzminister die res publica im Auge und nur sekundär in dem Zusam­menhang Parteifreundschaften.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Rausch, bitte.

 


Bundesrätin Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, welche Maßnahmen, über den Kollektivvertrag hinaus, setzen Sie für den wissenschaftlichen Nachwuchs?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Bun­desrätin! Zum einen, was zum Beispiel das aktuelle Universitätsgesetz anbelangt – ich habe es erwähnt –, die Verbreiterung der §-99-Professuren, dass wir eben hier die Möglichkeit schaffen, von zwei auf sechs Jahre zu gehen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 28

Darüber hinaus gibt es eine ganze Fülle von Stipendienprogrammen für Nachwuchsfor­scherinnen und ‑forscher, insbesondere in dem Fall speziell auch für Forscherinnen, weil wir hier bekanntermaßen und erwiesenermaßen ein erhebliches Defizit haben. Al­so hier sind eigentlich die meisten Bündel gegeben: START-Programme, Lise-Meitner-Stipendien, Richter-Stipendien, Schrödinger-Stipendien et cetera, die eigentlich alle da­zu angetan sind, die Arbeit von jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zu befördern, ebenso Doctoral Schools und Overhead-Finanzierung, die wir jetzt für die Universität vorgesehen haben, wovon natürlich auch arrivierte Wissenschafter profitie­ren.

Insgesamt haben wir, glaube ich, in den letzten Jahren und gerade jetzt wieder eine Fülle von Maßnahmen gesetzt, und wenn das Forschungsbudget weiter gesteigert wird, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Forschungsbudgets der Universitäten. Also das alles sind Maßnahmen, die dem Forschernachwuchs, dem Wissenschaf­ternachwuchs Möglichkeiten an die Hand geben, sich weiter zu profilieren und vor allen Dingen im Lande zu bleiben oder wieder Lust zu haben, ins Land zurückzukommen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, und ich bitte den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Gruber, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage an Sie lautet:

1625/M-BR/2008

„Wie stehen Sie zu erweiterten Mitbestimmungsrechten von Betriebsräten im Universi­tätsrat?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich konnte schon bei früheren Fragen darauf eingehen. Wir sind hier in einem Diskussionspro­zess. Ich denke, es hängt auch davon ab, was am Ende des Tages auch die Zustän­digkeiten des Uni-Rates sein werden.

Ich wiederhole mich – das ist aber in dem Zusammenhang wichtig –: Uni ist eine Ein­richtung sui generis. Der Uni-Rat ist auch nicht das, was in einem anderen Unterneh­men der Aufsichtsrat ist; er hat eine andere Funktion, eine andere Rolle und andere Kompetenzen.

Der zentrale Ansprechpartner der Betriebsräte – sowohl der wissenschaftlichen Be­triebsräte als auch der nichtwissenschaftlichen Betriebsräte – ist der Rektor, das Rek­torat. Hier ist die tatsächliche, aber auch die rechtliche Zusammenarbeit vorgesehen. Wenn es hier Notwendigkeiten der intensiveren Einbindung geben sollte – auch das wird der Diskussionsprozess zeigen –, dann wird man darauf in geeigneter Form rea­gieren.

Also wenn ich zum Beispiel höre, dass Betriebsräte zu Sitzungen des Uni-Rates zwar eingeladen oder von der Sitzung informiert werden, aber dann nicht bei allen Punkten teilnehmen dürfen oder dazugebeten werden, finde ich das, ehrlich gesagt, etwas schräg und sozial nicht der Weisheit letzter Schluss. Also wenn es notwendig ist, dann werden wir das auch im Gesetz klarstellen, dass Einladung auch Teilnahme bedeutet.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Ich danke einmal für die Auskunft. Gehe ich richtig in der Annahme, dass im Regierungsprogramm vorgesehen ist, dass dieses


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 29

Mitbestimmungsrecht gestärkt werden sollte? Ich möchte Sie da konkret fragen: Wer­den Sie sich, Sie persönlich, dafür einsetzen, bei allen Zweifeln, die Sie diesbezüglich schon geäußert haben?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich werde mich im Rahmen meiner Überzeugungen und Sichtweisen in dieser Frage einsetzen, weil ich der Meinung bin und als Unternehmensleiter auch selbst die persönliche Erfah­rung gemacht habe: Mir ist ein starker Betriebsrat, bei dem ich mich darauf verlassen kann, dass er auch die Belegschaft vertritt, eigentlich ein sehr angenehmer Gesprächs­partner, weil das die Kooperation in einem Unternehmen erleichtert – und in dem Fall bin ich geneigt, die Universität als Unternehmen zu betrachten, sehe es aber mit der Brille des Rektors, der Rektorin –, was ich als etwas sehr Positives ansehe, und weil es in der Regel immer zu einem Mehrwert für das Unternehmen führt, wenn es hier eine fundierte Gesprächsbasis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern gibt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mayer, bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Zusatzfrage erübrigt sich. Sie haben das bereits ausreichend beantwortet. Ich danke.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Nächste Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sind Sie persönlich der Meinung, dass die Mitbestimmungsrechte für den Mittelbau, so wie sie jetzt sind, ausreichend sind, oder haben Sie vor, diese zu erweitern?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich habe vor, sie insofern zu erweitern, als etwa – schon erwähnt – diese Ausdehnung der 99er-Professuren stattfinden soll, dass die Möglichkeit bestehen soll, dass auch Nichtprofes­soren Leiter und Leiterinnen von Organisationseinheiten sein können, dass wir die Grö­ße der Senate so gestalten, dass mehr Mittelbauvertreter daran beteiligt sind. Das ist sozusagen die rechtliche Komponente.

Die andere Komponente, die mir mindestens ebenso wichtig ist und die ich schon er­wähnt habe, ist, dass wir auch eine Kultur an den Universitäten, dort, wo das noch nicht gegeben ist, befördern und unterstützen – und wenn es notwendig ist, werden wir dies auch im Zuge der Leistungsvereinbarungen tun, denn jetzt ist ja im Gesetzentwurf die Möglichkeit von Gestaltungsvorhaben und ‑vereinbarungen vorgesehen –, damit wir es auf diese Art und Weise dann auf den Weg bringen, dass auch Nachwuchswis­senschafterinnen und ‑wissenschafter eigenständig arbeiten können, ihre eigenen Teams haben, ihre eigenen Budgets. Auch das ist, wenn Sie so wollen, eine nicht un­wesentliche Frage, nämlich im Zusammenhang mit Freiheit von Wissenschaft und Leh­re, auch sozusagen eine Frage der Mitbestimmung an der Arbeit am Institut, an der Fa­kultät, an der Universität.

Es ist aus meiner Warte also ein Bündel von Maßnahmen, das auf der einen Seite le­gistisch sicherzustellen ist und auf der anderen Seite auch durch geeignete organisato­rische Maßnahmen umzusetzen ist, die man vielleicht da und dort durchaus, wenn Sie so wollen, finanziell befördern muss.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen nun zur letzten Anfrage, zur Anfrage 8, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Eibinger, um die Verlesung der An­frage.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 30

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bun­desminister, zum Abschluss eine Frage aus dem Forschungsbereich:

1621/M-BR/2008

„Wie schätzen Sie aus Sicht Ihres Ressorts die weitere Entwicklung der Forschungs­quote, die heuer 2,63 Prozent betragen wird, in den kommenden Jahren ein?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Bun­desrätin! In der Tat gehen wir eben dieses Jahr von 2,63 aus; das Lissabon-Ziel – das in dem Fall identisch ist mit dem Österreich-Ziel, also mit dem nationalen Ziel – sind ja 3 Prozent.

Wir hatten erst vor zwei Tagen ein Gespräch mit Experten, namentlich Professor Aigin­ger vom WIFO und Mag. Polt vom Joanneum Research, mit Fachabgeordneten aus dem Forschungsbereich, und die Vorhersagen für die Jahre 2009, 2010 sind 2,72 und 2,85 Prozent. Also, wenn Sie so wollen, werden wir an den 3 Prozent knapp vorbei­schrammen. Das ist aber auch Ausdruck der in den letzten Jahren sehr guten wirt­schaftlichen Entwicklung gewesen, da natürlich das Bruttonationalprodukt überpropor­tional gestiegen ist und der Prozentsatz ja auch eine Relation daraus ist. Dieses Ziel ist daher sehr ambitiös, aber beide Experten haben unisono festgestellt, dass es weniger tragisch ist, wenn man das Ziel um ein paar Prozentpunkterln sozusagen verpasst, ent­scheidend ist – und das, glaube ich, kann ich in allen europäischen Ländern beobach­ten –, dass hier durch die Festsetzung eines Zieles dieses dann auch auf nationale Ziele heruntergebrochen wurde.

Das war übrigens ein Verdienst der österreichischen Präsidentschaft 2006, dass man die einzelnen Mitgliedstaaten zu nationalen Zielsetzungen verpflichten konnte, weil et­wa die Rumänen eine Forschungsquote von, glaube ich, 0,6 Prozent hatten und die sich durch 3 Prozent nicht wirklich stimuliert gefühlt haben, sodass man hier realisti­sche Grenzen eingezogen hat, die in der Tat zu einer durchgerechneten europäischen Zielsetzungsquote von 2,6 Prozent geführt haben, sodass wir eigentlich schon heute leicht und 2010 doch deutlich über dieser realen gesamthaften europäischen durch­schnittlichen F&E-Quote zu liegen kommen werden.

Was aber wichtig ist, ist ja der innere Verlauf einer, wenn Sie so wollen, Kurve, und da kann man feststellen – auch drei Tage nach dem Ausscheiden der österreichischen Nationalmannschaft –: Was die Entwicklung, was die Steigerungsrate der F&E-Quote in den letzten zehn Jahren anbelangt, sind wir Europameister. Diesen Titel kann uns niemand wegnehmen, den haben wir in der Tasche. Und das ist eigentlich der höchst erfreuliche Befund, wenn ich mir die letzten sieben, acht Jahre anschaue, wie wir uns da von 1,8, 1,9 Prozent hochentwickelt haben.

Das hängt damit zusammen, dass die Steigerungsraten der Ausgaben der öffentlichen Hand für Forschung ungebrochen zwischen 8 und 9 Prozent liegen und jene vonseiten der Wirtschaft bei an die 10 Prozent, manchmal auch darüber, was auch zu dem ge­wünschten Resultat führt, dass ein weiteres Lissabon-Ziel, nämlich zwei Drittel der F&E-Aufwendungen aus dem Bereich der Wirtschaft, ein Drittel vonseiten der öffentli­chen Hand, wahrscheinlich erreicht wird. Wir stehen momentan bei 37 und 63 Prozent, das ist also schon ziemlich an der Zwei-Drittel-ein-Drittel-Relation, ein Wert, den man nicht hoch genug schätzen kann, denn vor 15, 20 Jahren waren wir in etwa noch bei Fifty-Fifty. Da hat sich also schon eine gravierende Verschiebung ergeben.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 31

Es ist auch so, dass das Forschungsportfolio in Österreich ein, wie Banker sagen wür­den, konservatives ist, was allerdings den Vorteil hat, dass in konjunkturellen Ab­schwungphasen der Einbruch weniger dramatisch ist, während natürlich in konjunktu­rell sehr guten Phasen vielleicht andere Länder, die dezidierte Schwerpunkte gesetzt haben, scheinbar abheben und wegfliegen. Aber natürlich ist dort die Volatilität eine viel höhere. Beispiel Irland – was möglicherweise auch Teil des Verhaltens jetzt bei der Abstimmung war –: Die Iren haben sich durch viele Jahre wirtschaftlich und auch for­schungsmäßig auf ganz bestimmte Bereiche konzentriert, etwa auf IT. In der Phase des Aufschwunges sind die explodiert. Da hat man uns zum Beispiel gesagt: Schaut euch das an! Nehmt euch ein Beispiel! – Jetzt, in der Phase eines leichten Abschwun­ges, schwingen die heftiger ab und jetzt stehen wir besser da.

Es gibt in diesem Zusammenhang auch ein anderes Beispiel. Ich bringe das immer gern, weil wir eine Neigung dazu haben, in allen Dingen nach Finnland zu schauen und zu sagen, wie toll das dort ist. Sicher, es ist in Finnland vieles gut, aber wenn ich mir zum Beispiel ansehe, dass allein Nokia einen Anteil von 70 Prozent der F&E-Gelder vonseiten der Wirtschaft hat, dann muss man feststellen: Wenn in Finnland Nokia ver­kühlt ist, dann liegt Finnland in der Intensivstation. Wir haben in Österreich eine breite­re Verteilung auf Unternehmen, und das ist gut so. Zwar könnte man in konjunkturellen Aufschwungphasen meinen, dass mehr realistisch wäre, auch im Forschungsbereich, aber in the long run ist, glaube ich, die Struktur, die wir haben, eine sehr gute, und ich gehe davon aus, dass wir die Wachstumsdynamik in der F&E-Quote, die wir in den letzten Jahren hatten, auch in Zukunft fortsetzen werden.

Das erklärte Ziel jetzt muss sein, zur absoluten europäischen Spitzengruppe aufzu­schließen, das sind die Skandinavier, und es ist auch ganz wichtig, innerhalb der F&E-Quote den Anteil der Grundlagenforschung stärker zu erhöhen. Hier haben wir bis 2020 das 1-Prozent-Ziel. Das ist ein sehr ambitiöses Ziel, weil die besten Länder – in diesem Fall die Schweiz, aber auch Israel – momentan bei 0,8 Prozent stehen. Aber wenn wir diesen Schritt, den wir gerade gehen, nämlich vom Imitator zum Innovator, vollziehen wollen, dann müssen wir stark in die Grundlagenforschung gehen, weil die technologischen Veränderungen in der Grundlagenforschung stattfinden. Die ange­wandte Forschung hat dann sozusagen die Umsetzung dieser Erkenntnisse durchzu­führen. Das hängt zusammen.

Ich bin auch froh, dass ich beim letzten Innovationsdialog der Bundesregierung fest­stellen konnte, dass diese jahrzehntelang fast religiös ausgetragene Gegnerschaft zwi­schen Vertretern der angewandten Forschung und der Grundlagenforschung Gott sei Dank im Großen und Ganzen der Vergangenheit angehört. Alle Seiten haben begriffen, dass wir uns gegenseitig bedingen. Das ist schon einmal sozusagen die halbe Miete, den Rest werden unsere Forscherinnen und Forscher selbst beitragen. – Danke schön.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Danke. Was ich fragen wollte, wurde schon beantwortet.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Einwallner gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Wel­che konkreten Schwerpunkte setzen Sie in Ihrem Ressort, um die Forschungsquote weiter zu steigern? Und eine zusätzliche Frage noch: Gibt es auch regionale For­schungsschwerpunktprogramme aus Ihrem Ressort?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 32

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Um bei der letzten Frage anzufangen: Wenn man das überhaupt als regionales Forschungspro­gramm bezeichnen kann, so ist es die Alpinforschung, die natürlich in Österreich kon­zentriert ist, mit einem Schwerpunkt in Innsbruck, an der aber auch viele andere uni­versitäre und außeruniversitäre Einrichtungen teilnehmen. Das könnte man als einen regionalen Schwerpunkt betrachten, aber in Summe sind alle unsere Forschungspro­jekte nationale Programme, weil sie zum Teil auch wiederum eingebettet sind in inter­nationale Programme.

Wir haben sozusagen zwei Zugänge in der Forschungsförderung. Das eine ist die Pro­grammförderung, das Anbieten von Programmen. Wir sind zwar in einem laufenden Forschungsdialog, der wiederum genau auch der Frage einer Bewertung dient, ob die bisherige Strategie im Großen und Ganzen passt. Ohne großartige Vorwegnahme der Diskussionsergebnisse, aber die bisherige Diskussion verfolgend kann man sagen, es zeigt sich, dass die bisher in Österreich verfolgte Strategie auch in Zukunft die passen­de ist, nämlich was die Programmschiene anbelangt, sozusagen Bottom-up-Entwick­lungen rechtzeitig zu erkennen und sie dann programmmäßig zu bedienen.

Das haben wir etwa mit dem GEN-AU-Programm getan, das 2010 zunächst einmal auslaufen wird, wo wir aber heute schon über eine Verlängerung nachdenken und wo dann in den insgesamt zehn Jahren an die 100 Millionen € in diesen Forschungsbe­reich geflossen sein werden.

Ein weiterer starker Bereich in Österreich ist die ganze Biotech-Forschung. Extrem stark, auch im internationalen Vergleich, sind wir in der Mathematik und in der Physik.

Es gibt auch einige – Anführungszeichen – „geisteswissenschaftliche“ Fächer, die ich gar nicht mehr so geisteswissenschaftlich sehe, wie etwa die Archäologie, wo Sie wun­derbar die Interdisziplinarität erkennen können, die mittlerweile in der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft Einzug gehalten hat und die wir eigentlich befördern müssen.

Es gibt dann auf der anderen Seite die Individualförderung, die Personenförderung im Wege von Stipendienprogrammen.

Insgesamt werden wir uns mit den zusätzlichen Forschungsgeldern auch auf Exzel­lenzinitiativen konzentrieren. Es wird ein dezidiertes Programm für Doctoral Schools geben, das heißt also – auch das, wenn Sie so wollen, ein neuer Trend –, dass eine Gruppe von Dissertanten an einem gemeinsamen größeren Projekt zusammenarbeitet, aber innerhalb dessen jeder Einzelne und jede Einzelne seine/ihre Dissertation erarbei­tet und schreibt, aber gemeinsam, angeleitet durch Professorinnen und Professoren, die Arbeit hier vorangetrieben wird, denn – das gilt es festzuhalten – die Forschung heute wird in erster Linie von den Dissertanten vorangetrieben, die entsprechend von Professorinnen und Professoren geführt, angeleitet und sozusagen strukturiert werden.

Also wie gesagt, das Konzept ist, Programmschwerpunkte zu setzen. Einer wird, in Zu­sammenarbeit mit FFG, zum Beispiel „Altern in der Gesellschaft“ sein, ein Bereich, der breit gestreckt ist, der von der Sozialforschung bis hin zur Technik und zur Medizinfor­schung reicht. Aber auch Migrationsforschung wird so einen Schwerpunkt darstellen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Konrad.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister, mit wel­chen Maßnahmen wollen Sie dafür sorgen, dass hochkarätige Forscherinnen und For­scher an Österreichs Universitäten bleiben, und einem Trend von Brain Drain entge­genwirken?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Minister.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 33

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich danke für diese Frage, weil sie mir auch die Möglichkeit gibt, wieder darauf hinzuweisen, dass wir nicht nur einen Brain Drain haben, sondern auch einen Brain Gain. Wir beobachten, dass in den letzten Monaten – wenn ich mir sozusagen die Berufungen der letzten Mo­nate vor Augen halte – gerade aus den USA sehr viele Wissenschafterinnen und Wis­senschafter nach Europa und auch nach Österreich zurückkommen oder überhaupt kommen.

Zum Beispiel steht jetzt in Innsbruck die Berufung eines Teilchenphysikers ins Haus, eines Deutschen, der bisher an Stanford gelehrt hat. Das ist eine der Maßnahmen, nachdem wir jetzt endlich diesen ESO-Beitritt vollziehen konnten, womit Österreich so­zusagen angedockt ist an die astronomische Forschung, die aber nicht nur eine astro­nomische Forschung im engeren Sinn ist, sondern auch das breite Feld der Mathema­tik, der Teilchenphysik und anderer Disziplinen mit beinhaltet. Dadurch sind wir für vie­le wieder attraktiv geworden in dem Zusammenhang, gerade für viele osteuropäische Studentinnen und Studenten, aber auch für Lehrende, die sehen, dieses Angebot gibt es in Österreich, und sie kommen hierher. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Entscheidend ist, dass wir – und auf diesem Sektor haben wir sicher noch etwas zu tun – zum Beispiel auch Programmpakete und Stipendienpakete schnüren und, wenn Sie so wollen, uns auch eine „Kriegskassa“ schaffen, wo wir Forscherinnen und For­scher nach Österreich holen können. In der Regel sind das aber Teams, die man holt, weil heute meist nicht der Einzelne kommt, sondern er kommt mit seinen Assistentin­nen und Assistenten. Und hier gilt es, sozusagen auch die Rahmenbedingungen zu schaffen, wenn es notwendig ist und möglich ist, Universitäten auch hier zu helfen.

Aber das Entscheidende auch hier ist, dass die Universitäten imstande sind, Profilbil­dungen weiter zu erzeugen und zu schärfen, weil letztlich auch hier gilt: Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Und je exzellenter verschiedene Disziplinen sind, desto span­nender ist es für Kolleginnen und Kollegen, da dazuzukommen.

Es geht also darum, Exzellenz aufzubauen. Exzellenz kann man aufbauen, indem man versucht, zu Bestehendem etwas dazuzugeben, und dann entstehen Exzellenz- und Kompetenzzentren, die so attraktiv sind, dass die Leute dann kommen. Und letztlich ist – Gott sei Dank! – Österreich in Summe ein derartig attraktives Land, auch was die Rahmenbedingungen diesseits des Labors angeht, dass das natürlich auch eine At­traktion darstellt, die wir nicht hoch genug schätzen können.

Daher bin ich auch froh darüber, dass Anfang dieses Jahres Bartenstein und Platter da mitgewirkt haben, dass wir etwa – jetzt von der fremdenrechtlichen Seite her gese­hen – die damalige Situation beseitigt haben und dass eben Angehörige von Forsche­rinnen und Forschern sehr wohl Arbeitsgenehmigungen erhalten. Damit ist auch aus diesem Titel keine Behinderung mehr gegeben, sondern, im Gegenteil, eine Attraktivi­tät gegeben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Fragestunde ist beendet.

10.32.49Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2408/AB bis 2416/AB sowie des Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG be­treffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 34

Wirtschaftsförderung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen In­vestitions-Garantie Agentur über die Errichtung von Verbindungsbüros in Wien verwei­se ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 GO des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung beigedruckt werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 10)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                                27. Mai 2008

GZ: BMeiA-19.8.33.02/0005-1.2a12008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 7. Mai 2008 (Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 53) der Herr Bundespräsident am 14. Mai 2008 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Errichtung von Verbindungsbüros in Wien erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

Bundesministerium für

europäische und internationale

Angelegenheiten

BMeiA-19.8.19.12/0018 -1.2/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wieder­aufbau und Wirtschaftsförderung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multi­lateralen Investitions-Garantie Agentur über die Errichtung von Verbindungsbüros in Wien; Verhandlungen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 35

Vortrag

an den

Ministerrat

Von Seiten der Weltbankgruppe wurde der Wunsch an die Republik Österreich heran­getragen, in Wien Verbindungsbüros von drei der insgesamt fünf Institutionen der Welt­bankgruppe (Internationale Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, Interna­tionale Finanz-Corporation und Multilaterale Investitions-Garantie Agentur) zu errichten und für diese ein Amtssitzabkommen abzuschließen.

Österreich trat bereits 1948 der Weltbank bei und leistet damit einen Beitrag zur Finan­zierung internationaler Entwicklung, zur Unterstützung der Entwicklungsziele und einer globalen wirtschaftlichen Ordnungsfunktion. Die Weltbank ist, vor allem durch ihre strukturpolitischen Maßnahmen in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen, die weltweit wichtigste Institution der globalen Entwicklungszusammenarbeit und damit ein bedeutender Kooperationspartner der österreichischen Entwicklungszusammen­arbeit. Auch vor dem Hintergrund der Official Development Assistance-(ODA-)Ziele der EU erscheint ein Ausbau der Kooperationspotentiale mit der Weltbank von großem ös­terreichischem Interesse.

Eine besondere Stärke der Weltbank ist ihre Rolle bei der Organisation und Bereitstel­lung von globalen öffentlichen Gütern und damit der Stabilisierung globaler Ungleich­gewichte. Insbesondere wird sie im Kontext des Klimawandels und globaler Energiefra­gen aktiv und kann auch für europäische Länder zu einem wichtigen Instrument für die Erreichung der international vereinbarten Klimaziele werden. Eine besonders wichtige Funktion nimmt die Weltbank bei der Bekämpfung globaler Pandemien wahr, indem sie in armen Ländern und Regionen die notwendigen Strukturen für eine wirksame Kon­trolle der Krankheitserreger (z.B. Vogelgrippe) fördert.

Die Weltbankgruppe als eine der größten globalen Entwicklungsinstitutionen leistet technische Hilfe, Politikberatung und signifikante Finanzunterstützung für Projekte und Programme in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen. Sie fördert die Quali­tät und Stabilität der internationalen und nationalen Rahmenbedingungen der Partner­länder, verbessert damit das Umfeld für Exporte und ausländische Direktinvestitionen und ist somit von entscheidender Bedeutung nicht nur für die globale Armutsbekämp­fung, sondern auch für die außenorientierte österreichische Wirtschaft. Die Identifika­tion und Nutzung von Synergiepotenzialen zwischen Weltbank-Instrumenten und ande­ren außenwirtschaftspolitischen Instrumenten führt zu einer Verbesserung der außen­wirtschaftlichen Situation Österreichs. Insbesondere können in diesem Kontext die Be­teiligung österreichischer Unternehmen an von der Weltbank finanzierten Projekten ("Türöffnerfunktion"), die Einbindung der Weltbank bei österreichischen Direktinvestitio­nen im Ausland sowie die Nutzung von Analysen und Projektarbeiten der Weltbank­gruppe für die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft angeführt werden. Die zentrale Region der österreichischen Außenwirtschaft, Ost- und Südosteuropa, ge­hört auch zu den wichtigsten Zielregionen der Weltbankgruppe. Die oben angeführten Synergien werden dort besonders deutlich und von österreichischer Seite durch geziel­te Kofinanzierungen und Kooperationen genutzt.

Diese in den letzten Jahren zusehends verstärkte Kooperation Österreichs mit der Weltbankgruppe führte zur Ansiedlung von in Ost- und Südosteuropa tätigen Weltbank-Programmen in Wien:

Seit April 2004 werden vom Bundesministerium für Finanzen die Mietkosten für das Büro des "Invest in Western Balkan Program", das Investitionen im Westbalkan unter­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 36

stützt, getragen. In enger thematischer Verbindung damit und daher mit Synergieeffek­ten verbunden ergab sich die Möglichkeit, mit FIAS (Foreign Investment Advisory Ser­vices) ein weiteres Programm (in Höhe von jährlich 2 Mio. Euro für die Jahre 2008-2011) zu finanzieren. Dieses Programm fördert einerseits die österreichischen Außen­wirtschafts- und Entwicklungsziele und verstärkt andererseits durch die geplante An­siedlung eines weiteren Weltbank-Büros in Wien die Rolle Österreichs als Sitz interna­tionaler Organisationen. Ziel dieser von Wien ausgehenden Aktivitäten soll die Aufbe­reitung des Investitionsklimas, die Förderung von Direktinvestitionen und der Aufbau von adäquaten rechtlich-institutionellen Grundlagen für eine erhöhte nationale und internationale Investitionstätigkeit in der für Österreich besonders relevanten Region sein.

Im November 2007 wurde außerdem das "Vienna Centre for Financial Reporting Re­form" eröffnet, das für die Umsetzung der weltweiten Standards für Rechnungswesen in Europa und Zentralasien zuständig ist. Es ist nach Paris das zweitgrößte Büro der Weltbank in Europa und umfasst derzeit rund 20 Expertinnen. Durch dieses Büro wird die "Corporate Governance" insbesondere auch in jenen Ländern gehoben, welche für die österreichische Exportwirtschaft von besonderem Interesse sind - daher ergibt sich auch ein direkter positiver Beitrag für die österreichische Privatwirtschaft. Das Bundes­ministerium für Finanzen fördert die Einrichtung des Büros durch Übernahme der Miet­kosten und Startkosten für mindestens 5 Jahre, wobei die Bedeckung der anfallenden Kosten im Rahmen der jeweils verfügbaren Ausgabenbeträge sichergestellt wird. Mit der Stadt Wien konnte eine Vereinbarung getroffen werden, dass im Sinne der für die Ansiedlung internationaler Organisationen in Wien getroffenen generellen Vereinba­rung 35 % der Kosten übernommen werden.

Diese Programme werden bereits jetzt, vor Aufnahme der Verhandlungen über das Amtssitzabkommen, finanziell unterstützt, um dem Ziel des Regierungsprogramms, der verstärkten Ansiedlung internationaler Organisationen in Österreich, gerecht zu wer­den. Die mittelfristig mögliche Dezentralisierung der Weltbank birgt darüber hinaus ein großes Potential für Wien, seine internationale Rolle und Standortposition für interna­tionale Institutionen weiter auszubauen. Für eine bestmögliche Kooperation und die Ausnützung von Synergieeffekten erscheint es allerdings erforderlich, dass die bereits in Wien tätigen Programme der Weltbank ebenso wie etwaige zukünftige Ansiedlungen von Österreich aus uneingeschränkt operieren können, was am besten durch den Ab­schluss eines Amtssitzabkommens gegeben ist.

Durch das Amtssitzabkommen erwächst keinerlei Verpflichtung zur Zahlung von Miet­kosten oder ähnlichen Kosten, die durch die Eröffnung von Weltbankansiedlungen in Österreich entstehen. Allerdings wird es durch die im Amtssitzabkommen enthaltenen Steuerprivilegien zu einem Steuerausfall kommen, der für etwaige weitere Ansiedlun­gen in der Zukunft jedoch als bloß fiktiv zu bezeichnen ist, da es weder ein Steuerauf­kommen noch einen privilegienbedingten Steuerausfall gäbe, würden die Einrichtungen außerhalb Österreichs angesiedelt werden.

Von folgendem maximalen Steuerausfall wird ausgegangen:

Zu Jahresende 2008 ist ein maximaler Mitarbeiterstand von 30 Personen zu erwarten, der kurzfristig auch nicht anwachsen sollte. Etwa 5 Personen davon werden voraus­sichtlich einen diplomatischen Status innehaben und somit das Recht auf USt-Vergü­tung besitzen. Unter Mitberücksichtigung der Einkommensteuerbefreiung für die Be­diensteten wird der auf die Bediensteten entfallende jährliche Steuerausfall (im We­sentlichen USt, Energieabgaben, NoVA, ESt) voraussichtlich rund 300.000 € pro Jahr betragen. Der auf die Organisation "Weltbankgruppe" entfallende jährliche Steueraus­fall (im Wesentlichen USt, Energieabgaben, NoVA) wird voraussichtlich rund 200.000 € pro Jahr, der insgesamt zu erwartende Steuerausfall somit voraussichtlich rund


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 37

500.000 € pro Jahr betragen. Nachdem nicht allen Bediensteten Steuerprivilegien ge­währt werden, entstehen durch Ansiedlungen und dadurch ausgelöste positive Be­schäftigungseffekte Steuermehreinnahmen, die sich zwar einer präzisen Schätzung entziehen, aber die oben dargestellten Effekte von Mehrwertsteuermindereinnahmen mindestens kompensieren dürften.

Ausgangspunkt für die Privilegien und Immunitäten, die Österreich für das nun zu ver­handelnde Amtssitzabkommen angeboten hat, war zunächst der Umfang an Privilegien und Immunitäten, die sich aus Art. VII des Abkommens über den Internationalen Wäh­rungsfonds und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförde­rung (BGBl. Nr. 105/1949), aus Art. VI des Abkommens über die Internationale Finanz-Corporation (BGBl. Nr. 204/1956) sowie aus Kapitel VII des Übereinkommens zur Er­richtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (BGBl. III Nr. 181/1997) erge­ben. Da all die genannten Organisationen Spezialorganisationen der Vereinten Natio­nen sind, wird der Umfang ihrer Privilegien und Immunitäten auch durch das Überein­kommen über die Privilegien und Immunitäten von Spezialorganisationen bestimmt (BGBl. Nr. 248/1950 idgF). Für das bereits eröffnete Verbindungsbüro hat die Welt­bankgruppe jedoch darüber hinausgehende Privilegien und Immunitäten gewünscht, deren Inhalt anderen vergleichbaren internationalen Organisationen - etwa dem Joint Vienna Institute (vgl. BGBl. III Nr. 187/1997) entspricht, wobei zusätzlich die besondere Konstruktion einer Dienststelle einer Organisation, die ihren Hauptsitz nicht in Öster­reich (sondern in Washington) hat, zu berücksichtigen sein wird.

Es fanden bereits auf ExpertInnenebene Kontakte über verschiedene Fragen des Amtssitzabkommens statt. Nunmehr ist es erforderlich, Verhandlungen mit der Welt­bankgruppe über das Amtssitzabkommen aufzunehmen. Für diese Verhandlungen wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Helmut Tichy                                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Dr. Marcus Heinz                                                                           Bundesministerium für Finanzen

Stv. Delegationsleiter

Legationsrätin Mag. Karin Lauritsch                                 Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und Internationale Angelegenheiten

Das Abkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen stelle ich den

Antrag

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internatio­nalen Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Errichtung von Verbindungsbüros in Wien zu bevollmächtigen.

Wien, am 29. April 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 38

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe bekannt, dass der Selbständige Antrag 169/A-BR/2008 der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner betreffend Änderung des Ehegesetzes und des Strafgesetzbuches zur Ver­hinderung von Zwangsehen eingebracht und dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte sowie jener Entschließungsan­trag 167/A(E)-BR/2008 der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Entschließungs­antrag 167/A(E)-BR/2008 der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 5 und 6, 8 und 9, 11 und 12, 16 und 17, 18 und 19 sowie 21 und 22 unter einem zu verhan­deln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

10.35.101. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG) (544 d.B. und 566 d.B. sowie 7953/BR d.B. und 7954/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. – Ich bitte um den Bericht.

 


10.35.22

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss
des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, kurz OeAD-Gesetz, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher sogleich zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 39

10.36.16

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir können in Wirklichkeit zu diesem Punkt jene Debatte fortsetzen, die wir gerade ge­führt haben. Die Welt der Wissenschaft kennt weniger Grenzen als jemals zuvor. Ös­terreichische Wissenschaftler, österreichische Studenten, österreichische Forscher, die im Ausland tätig sind, die sich auf anderen Wegen mit ausländischen Einrichtungen vernetzen, ausländische Studenten, Wissenschaftler, Forscher, die in Österreich sind: Das ist ein System, in dem alle etwas gewinnen können.

Die nationale Wissenschaft ist seit 60 Jahren verschieden. Es gibt keine österreichi­sche Astrophysik, es gibt keine deutsche Mathematik, es gibt auch keine tschechische Geologie – oder was immer man da aufzählen könnte. Manchmal gibt es noch Persön­lichkeiten, die so etwas in Anspruch nehmen oder behaupten. Die Wahrheit ist, die Welt der Wissenschaft ist eine der Kooperation, aber natürlich auch eine der Konkur­renz.

Wenn wir an einer solchen weltweiten wissenschaftlichen Kooperation teilnehmen, dann ist das auch ein Versuch, ein notwendiger Versuch, den Forschungsstandort Ös­terreich zu stärken, aber nicht im Sinne eines Forschungsimperialismus – dazu ist das Land auch ein bisschen zu klein –, sondern im Sinne einer Befruchtung unserer eige­nen Bemühungen.

Das hat vor allem für ein, bei aller Selbsteinschätzung, doch relativ kleines Land mit notwendigerweise einer geringeren Zahl an Forschern, als sie etwa die USA haben, und einer geringeren Zahl an Universitäten und Forschungseinrichtungen eine beson­dere Bedeutung.

In diesem internationalen Netz von Wissenschaften, von Wissenschaftern an vielen Punkten mitzuwirken, bringt vermutlich, ja sicherlich die wissenschaftliche Entwicklung weltweit weiter, aber bei aller globalen Verpflichtung auch unsere eigene Teilhabe an diesem Wissenschaftsmarkt – man kann es ruhig so bezeichnen – oder eine Stärkung des österreichischen Forschungsstandortes.

In diesem Bereich hat der bisher als Verein konstituierte OeAD eine entscheidende Drehscheiben- und Impulsfunktion, die durchaus erfüllt wurde. Aber natürlich weiß je­der, der Aufgaben mit Hilfe eines Vereins erfüllt – ich tue das auch in einigen Berei­chen –, wo man an die Grenzen dieses Systems stößt. Im Sinne der Weiterentwick­lung, nicht der Abschaffung, sondern, ganz im Gegenteil, der gezielten Weiterentwick­lung auf einer durchaus erfolgreichen Basis soll und wird durch dieses Gesetz eine Bundes-GesmbH mit der gleichen Aufgabenstellung, aber natürlich mit einer anderen und effizienteren Struktur geschaffen. Das ist eine vernünftige und sinnvolle Maßnah­me, eine Maßnahme, von der die internationale Wissenschaftsentwicklung, aber eben auch der Forschungsstandort Österreich mit Sicherheit profitieren werden.

Wir können nicht nur dieser Vorlage gerne unsere Zustimmung geben, sondern wir tun es in der tiefen Überzeugung, dass damit für dieses Land, für seine Forscher, für seine Studenten, für seine Wissenschaftler, etwas getan wird, und wir wünschen dieser Neu­konstituierung des OeAD viel, viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eibinger. Ich erteile ihr dieses.

 


10.40.27

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie mein Vorredner, Herr Pro­fessor Konecny, schon ausgeführt hat, kommt es hier zu einer Weiterentwicklung des


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 40

Österreichischen Auslandsstudentendienstes, den es ja schon seit 1961 gibt. Ich finde es auch sehr gut und sinnvoll, dass man den Namen „OeAD“ beibehält, weil der Name ja doch gut eingeführt ist, man damit etwas verbindet und sich hier wirklich eine Marke entwickelt hat.

Es ist auch eine direkte Umsetzung aus dem Regierungsübereinkommen. Dort ist näm­lich die Internationalisierung des Bildungs- und Wissenschaftsstandortes Österreich ein Ziel, und diese neue OeAD-GmbH ist ein wichtiges Instrument auf diesem Wege. Tat­sächlich gibt es noch sehr viele Chancen und Potenziale im Bereich der Wissenschaft und Forschung, die bisher noch nicht ausgeschöpft wurden, und ich hoffe, dass wir mit dieser Bündelung der Kräfte und auch der neuen Aufgaben im Zuge dieser Neustruk­turierung wirklich einen wichtigen Schritt nach vorne machen werden.

Besonders hervorheben möchte ich, dass Service, Beratung und Information für die Studierenden, für die Antragsteller ausgebaut werden und damit eine Kundenorientie­rung verstärkt in den Vordergrund gerückt wird. Besonders spannend in dem Zusam­menhang finde ich auch, dass es Beratungen zu Fremdenrecht gibt, dass es Beratun­gen zu Ausländerbeschäftigung gibt, denn gerade wenn man ein Praktikum macht oder nach dem Studium in dem betreffenden Land noch verweilen möchte, dort einen Ar­beitsplatz suchen möchte, ist es natürlich sehr wichtig, auch diese rechtlichen Aspekte zu kennen. Ich denke, als Student hat man in erster Linie doch eher Sorgen darum, einen Platz an einer Universität zu bekommen, einen Praktikumsplatz, einen Wohn­raum zu finden, und da vergisst man vielleicht gerade auf diese Dinge, auf diese recht­lichen Aspekte.

Der Fokus auf Service und Beratung ist wirklich nicht zu unterschätzen. Es gibt viele junge Menschen, die sich überlegen, ins Ausland zu gehen, aber oft einfach nicht wis­sen, wie sie das angehen sollen, und dann vielleicht doch zögern und diesen Schritt nicht wagen. Und das wäre sehr schade, weil ein Auslandsaufenthalt etwas besonders Wertvolles ist, wie ich finde. Man kann sehr viel mitnehmen: Abgesehen von der Fremdsprache, vom Kennenlernen einer anderen Kultur, lernt man zum Beispiel auch andere politische Systeme kennen. Und ich denke mir, die Theorie, die man während des Studiums aus den Büchern lernt, vergisst man vielleicht, beziehungsweise wird das oft auch von neuen Theorien abgelöst, aber die Eindrücke, die man von einem Auslandsaufenthalt mitnimmt, bleiben einem doch ein Leben lang. Ich selbst habe wäh­rend meines Studiums ein Praktikum im Ausland gemacht, und ich denke da wirklich sehr gerne daran zurück.

Insgesamt war es höchste Zeit für eine Internationalisierungsstrategie. Der Bologna-Prozess – wir haben es in der Fragestunde vom Herrn Bundesminister schon gehört – ist weitgehend umgesetzt. Es ist heutzutage ohne Weiteres denkbar, dass man einen Bachelor in Österreich macht, anschließend vielleicht einen Master im Ausland drauf­setzt, oder dass man vielleicht überhaupt das gesamte Studium im Ausland macht, dort zu arbeiten beginnt und vielleicht später einmal nach Österreich zurückkehrt, also wirk­lich sehr international ausgerichtet.

Natürlich bringt das auch einen Wettbewerb für unsere Universitäten mit sich, die sich mit ausländischen Universitäten hier matchen müssen. Das heißt, die Qualitätsansprü­che werden steigen, und die Universitäten werden flexibler und internationaler werden müssen.

Und schließlich wird neben der Studentenseite im Rahmen der OeAD-GmbH auch der Zugang für Lehrende und Forscher zu europäischen und internationalen Ausbildungs­programmen gefördert, und gerade internationale Forschungskooperationen sind ja be­sonders wichtig, um Österreich als Innovations- und Wirtschaftsstandort beizubehalten beziehungsweise auszubauen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 41

Das ist auch aus der Sicht meiner Fraktion eine sehr erfreuliche Entwicklung, und wir geben heute hier gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr dieses.

 


10.44.44

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist heute eine der wenigen wissenschaftspolitischen Materien, wo wir tatsächlich alle einer Meinung sind, denn auch von meiner Fraktion wird es zu diesem Punkt eine Zustimmung geben. Bis­her gab es ja beim OeAD oder generell bei der Mobilität für Studierende und für For­scherinnen und Forscher viele Parallelstrukturen, und so etwas erschwert dann immer die Abwicklung für jene, die sich eigentlich nicht mit großen Bürokratien herumschla­gen wollen, sondern einfach nur ins Ausland gehen wollen und dort ihre Forschungs­projekte oder ihre Studien machen wollen.

Diese Agenden werden jetzt, wie wir schon gehört haben, alle in einer GmbH gebün­delt. Ich glaube, dass das sehr viele positive Effekte bringen kann. Im besten Fall fällt Bürokratie weg, es wird nachvollziehbarer, es wird einfacher. Für jene, die es in An­spruch nehmen, ist es definitiv ein Fortschritt, wenn sie einfach zu dieser einen Stelle hingehen und dort alle für sie relevanten Informationen gebündelt und klar strukturiert vorfinden. Wenn auch Information und Beratung verbessert werden, ist das eine Ser­viceleistung, die, glaube ich, sehr schnell auch eine positive Auswirkung haben wird.

Wir sind, wie gesagt, der Meinung, dass diese Vorlage in die richtige Richtung geht. Es ist vielleicht die Frage, ob die Größe von Aufsichtsrat und Kuratorium, die ja wirklich sehr groß dimensioniert sind, nicht der Idee einer schlanken und unbürokratischen Struktur wieder ein bisschen entgegensteht. Ich sehe aber schon ein, dass alle, die auch bisher Interesse daran hatten, hier wieder eingebunden werden. Und ich glaube, es müsste durchaus möglich sein, dass man hier Aufsichtsrat und Kuratorium auch so abwickelt, dass die Alltagsarbeit dieser GmbH dadurch nicht behindert wird.

Dass Mobilität für Studierende sehr wichtig ist, das hat meine Vorrednerin schon ge­sagt. Ich war leider nie in der glücklichen Situation, ins Ausland zu gehen. Mir ist da zu­erst die ÖH – ich sage jetzt: dazwischengekommen, und später die Politik. Ich nehme trotzdem jede Gelegenheit wahr, ins Ausland zu gehen, einfach, weil ich es für sehr wichtig halte, andere Länder zu sehen. Viele Bekannte von mir waren im Ausland, ha­ben dort studiert, und niemand von denen könnte mir jetzt noch sagen, welche Lehr­veranstaltungen man denn dort besucht hat. Aber was man sonst gelernt hat, was höchstwahrscheinlich wichtiger und mehr wert ist als die Note auf dem „Schein“, das kann mir eigentlich jeder von diesen Bekannten noch erzählen.

Ich glaube, es ist eine Erfahrung, die wirklich so viele Studierende wie möglich machen sollten. Man muss aber schon sagen, dass es zumindest teilweise auch eine soziale Frage ist. Es gibt nämlich durchaus viele Studierende, die nicht in der Lage sind, sich zu überlegen: Ich fahre ein halbes Jahr, ein Jahr ins Ausland!, sondern die einfach schon hier damit kämpfen, sich überhaupt ihr Studium leisten und finanzieren zu kön­nen. Die sind faktisch von solchen Mobilitätsprogrammen leider auch ausgeschlossen.

Ich kann bei dieser Gelegenheit nur noch einmal dahin gehend appellieren, die soziale Situation von Studierenden nicht aus dem Auge zu verlieren und wirklich zu sehen, dass es in Österreich momentan nicht für alle möglich ist, ohne Sorgen zu studieren, und dass wir hier einfach eine bessere soziale Absicherung brauchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

10.48



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 42

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.48.15

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Präsi­dentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für diese einhellige Unterstützung der Reform. Ich gehe davon aus, dass all das, was Sie gesagt haben, auch wirklich umge­setzt werden kann. Die Mitarbeiter im OeAD sind hoch motiviert. Ich möchte mich auch an dieser Stelle bei allen, die an dieser Umstrukturierung mitgewirkt haben – und das war keine einfache Übung; es hat seine Zeit in Anspruch genommen –, sehr, sehr herzlich bedanken. Da war sehr viel Herzblut drinnen.

Zu dem, was Frau Bundesrätin Konrad am Schluss ihrer Ausführungen gesagt hat: Lo­gischerweise können wir nicht alles und jedes lösen. Es ist heute in der Fragestunde noch nicht angesprochen worden, aber durch ihre Ausführungen wurde ich daran erin­nert, darauf hinzuweisen, dass wir auch im Zuge der letzten qualitativen Stipendienno­velle festgehalten haben und es ermöglichen, dass man ab kommendem Wintersemes­ter schon ab dem ersten Semester, wenn entsprechende Ansprüche bestehen, ein Sti­pendium mit ins Ausland nehmen kann.

In der Vergangenheit musste man ja zunächst in Österreich zu studieren begonnen ha­ben, um dann eben gegebenenfalls im Ausland ein Stipendium mitzunehmen. Das ist nunmehr a priori möglich und wird seinen Beitrag leisten. Es ist mir klar, dass nicht al­les damit erfüllt und erledigt werden kann. Ich gehe auch davon aus, und auch dafür ist das OeAD ganz wichtig, dass gerade Erasmus Mundus uns eine Perspektive eröffnet, wirklich global Studien anzubieten und österreichische Studierende zu motivieren, ver­mehrt ins Ausland zu gehen.

Im europäischen Kontext ist die Mobilität schon eine sehr hohe, auch jene der Österrei­cherinnen und Österreicher, auch was Nordamerika anbelangt. Aber wo wir sicherlich einen Aufholprozess nötig haben, das ist praktisch in den restlichen Regionen dieser Welt, und auch die sollten wir sozusagen gleichmäßig bespielen.

Ich kann nur all das wiederholen, was Sie auch schon gesagt haben: Auslandserfah­rung ist etwas ungeheuer Wichtiges. Umgekehrt ist aber auch die Möglichkeit, vielen jungen Menschen die Chance zu geben, Österreich und die Menschen hier und die Kultur kennenzulernen, etwas ganz Entscheidendes. Ich halte diese Erfahrung, im Aus­land zu sein, in welcher Form auch immer, eigentlich für die größte friedensstiftende Initiative, die man setzen kann. Und den Beitrag, den wir alle hier gemeinsam dazu leisten können, können wir nicht hoch genug einschätzen.

Ich bedanke mich jedenfalls für Ihre Unterstützung, was die Weiterentwicklung des OeAD anbelangt. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

10.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 43

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.51.472. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsge­setz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebührengesetz und das Ver­messungsgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2008 – GB-Nov 2008) (542 d.B. und 582 d.B. sowie 7961/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (583 d.B. sowie 7962/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich begrüße auch die Frau Justizministerin Dr. Maria Berger bei uns zur Verhandlung dieser Tagesordnungspunkte. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 ist Herr Bundesrat Beer. – Ich bitte um die Be­richte.

 


10.52.06

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Der Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstel­lungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebührengesetz und das Vermes­sungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Da die Punkte 2 und 3 in einem verhandelt werden, bringe ich auch den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird, der Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vorliegt.

Der Justizausschuss stellt auch hier nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen liegen zu diesen Punkten nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend eine Grundbuchs-Novelle 2008.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 44

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Ju­ni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

10.54.454. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer Justizbetreuungsagentur (Jus­tizbetreuungsagentur-Gesetz – JBA-G) erlassen und das Bundesgesetz über Ge­sundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) sowie das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert werden (555 d.B. und 584 d.B. sowie 7963/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Ich bitte um den Bericht.

 


10.55.04

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Präsidium! Ich komme zum Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer Justizbetreuungsagentur (Justizbe­treuungsagentur-Gesetz – JBA-G) erlassen und das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sowie das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen, wie Sie wissen, in schriftlicher Form vor. Daher komme ich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage vom 17. Juni 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


10.56.14

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Bundesministerin, Sie kennen unsere Bedenken, und ich sage es Ihnen auch ganz ehrlich: Selbst wenn die grüne Fraktion im Nationalrat dazu ein Ja gegeben hätte, hätten Sie es von uns hier im Bundesrat nicht bekommen.

Es geht darum – vielleicht machen wir zuerst einmal einen Befund –: Auch wir sehen natürlich die Situation, was die explodierenden Kosten für die medizinische Versorgung von Häftlingen betrifft, insbesondere von jenen, die sich im sogenannten Maßnahmen­vollzug befinden. Aber die Antwort kann ja nicht gleichlautend sein wie bei ähnlichen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 45

anderen Vorhaben, die ja nicht minder kritisiert wurden, etwa der Zivildienstagentur; oder ich erinnere die SPÖ daran, wie sehr sie Sturm gelaufen ist gegen die Familien GmbH, die hier gegründet wurde und die heute im Grunde gerade noch irgendwie ge­rettet wird.

Hier geht es darum, dass man in einem ganz, ganz wichtigen Bereich Leistungen in Strafvollzugsanstalten – Sie schränken es zwar auf zwei ein, aber das steht ja so noch nicht fest – auslagert. Das heißt, es wird Fachpersonal von einer Agentur beschäftigt, auf die die Anstalten keinen Einfluss mehr haben.

Wenn Fachpersonal systematisch durch eine Agentur bereitgestellt wird, was bedeutet das für die Zukunft? Sind Sie, Frau Ministerin, hier diejenige – obwohl Sie es nicht wol­len –, die die ersten Schienen in Richtung Privatisierung, Teilprivatisierung im Straf­vollzug legt? Ich habe schon im Ausschuss gesagt, wir hatten größte Bedenken bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit Rumänien und Bulgarien, dass die dortigen Sys­teme im Strafvollzug, insbesondere in der U-Haft – weil dort die U-Haft nämlich privati­siert war –, auf europäische Konformität gesetzt werden. Und nun wird ein solcher Schritt gesetzt in einem Bereich, der wohl extrem sensibel ist, nämlich bei Menschen, die „unter Maßnahme sitzen“, oder – wir können es auch anders ausdrücken – bei geistig abnormen Rechtsbrechern oder bei Menschen, die in psychischen Problemla­gen sind.

Wenn ich die jüngste Studie über Wien-Josefstadt hernehme: Diese besagt, dass 90 Prozent der jugendlichen Häftlinge psychisch krank sind. 90 Prozent der Jugendli­chen sind psychisch krank, und 30 Prozent wurden sexuell missbraucht! Das ist schon eine sehr, sehr alarmierende Zahl. Und 70 Prozent leiden sogar an mehreren psychi­schen Krankheiten. Hier wurde der Begriff des „multimorbiden Sample“ geprägt. Wenn 80 Prozent der Insassen körperliche Gewalt und 30 Prozent sexuelle Gewalt am eige­nen Körper verspürt haben, so bedeutet das natürlich im Strafvollzug eine enorme He­rausforderung – und das ist teuer.

Sie sagen, dass es Einsparungen von 8,1 Millionen € geben wird, die ja an sich und so meiner Meinung nach noch nicht belegt sind. Und wenn ich jetzt diesen medizinischen Bereich hernehme, so sagt auch die Ärztekammer – und das gilt auch für geistig ab­norme Rechtsbrecher –, dass eine funktionierende Beziehung zwischen dem Patien­ten – und das ist auch ein geistig abnormer Rechtsbrecher oder ein Häftling mit psychi­schen Folgeschäden – und dem Arzt von großer Bedeutung ist.

Durch diese Art von Arbeitskräfteüberlassung befürchte ich jedoch, dass dies in der Form nicht gegeben ist. Ich feiere übrigens in diesem Jahr mein 30-jähriges Jubiläum als ehrenamtlicher Bewährungshelfer für Ihr Haus, und ich kann Ihnen sagen, dass ich mehrere Fälle hatte, wo ich nicht drei Jahre Bewährungshelfer war, sondern in zwei Jahren über neun Jahre zu jeweils einer einzigen Person. Warum? – Weil es genau an dieser Schnittstelle war: jugendliche Sexualstraftäter. Und die Betreuung in diesem Be­reich, die kostet natürlich. Aber die Frage ist ja auch: Was wollen wir mit dem Maßnah­menvollzug? – Wir wollen auf der einen Seite eine Heilung, auf der anderen Seite eine Risikoabschätzung für die Gesellschaft und auf der dritten Seite trotzdem die Chancen der Wiedereingliederung ausloten.

Die Bewährungshilfe können Sie mit dieser Agentur, die Sie hier heute verabschieden, nicht vergleichen, denn das eine ist die unmittelbare Betreuung in der Maßnahme, im Strafvollzug, und das andere ist im Wesentlichen die Begleitung auf Vereinsbasis außerhalb des Strafvollzuges. – Natürlich gibt es auch Jugendliche, die einsitzen und bereits Bewährungshilfe haben, aber zu 95 Prozent hat das eine andere Tradition.

Sehr geehrte Frau Justizministerin! Ich schätze Ihre Arbeit. Aber diesen Schritt kann ich nur finanziell verstehen, aber ich kann ihn substanziell nicht nachvollziehen. Denn:


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 46

Wenn einmal Fachpersonal ausgelagert wird, dann bedeutet das für die Zukunft des Justizwesens, dass das Fachpersonal künftig ausgelagert wird und der Strafvollzug sich letztlich auf die Wachebeamten beschränkt. Irgendwann wird man dann nämlich sagen: Ja, die Ausbildung – zum Beispiel in der Schwarzau für die Frauen oder für Ju­gendliche –, die können wir ja auch auslagern! Auch hier können wir eine Agentur für Ausbildung im Gefängnis und so weiter gründen! – Das heißt, es fängt dann an zu rut­schen und zu kippen. Frau Bundesministerin! Und das jetzt nur unter dem Blickwinkel der Einsparung?

Meiner Meinung nach wäre es wahrscheinlich zielführender gewesen, hier mit der Ärz­tekammer – ich weiß, das ist zurzeit ein ganz schwieriges Thema – zu einer Situation zu kommen, in der nicht diese gesteigerten, übertriebenen, viel zu teuren Sätze, die hier der Justiz für die Maßnahme verrechnet werden, zur Anwendung kommen, dass es hier eine andere Art von Agreement gibt und man nicht das Ganze gleich in eine Justizbetreuungsagentur auslagert – die, und das ist okay, zumindest öffentlichen Rechts ist; es wäre ja noch erschütternder gewesen, wenn sie nicht öffentlichen Rechts wäre.

Frau Bundesministerin, Sie werden heute hier die Mehrheit haben. Aber nehmen Sie diese Kritik wohlmeinend und wirklich besorgt mit! Ich möchte nicht, dass wir am Be­ginn einer Privatisierung im Strafvollzug stehen. Deshalb werden wir heute hier nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


11.04.07

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Wir wissen, dass der Maßnah­menvollzug seit Jahren mit einer weitgehend kontinuierlichen Aufwandssteigerung für externe medizinische Versorgungsleistungen konfrontiert ist. Alle bisherigen Versuche der Entlastung dieser Situation waren sehr kurzfristig und nicht wirklich effizient. Es hat nach wie vor Kostensteigerungen gegeben.

Ich hoffe, dass sich mit der Neuausrichtung hin zur ausgelagerten Justizbetreuungs­agentur nicht nur Kosteneinsparungen ergeben werden, sondern es diesbezüglich so­wohl zu Verbesserungen für die sich im Strafvollzug befindlichen Personen, die einer psychischen und therapeutischen Hilfe bedürfen, kommen wird, als auch für die Be­schäftigten in diesen Bereichen sich positive Veränderungen ergeben, was gleicherma­ßen wichtig ist wie insgesamt auf den Strafvollzug zu achten.

Die Bedenken, die wir hier aus gewerkschaftlicher Sicht gegen eine sogenannte Priva­tisierung eines Strafvollzugs gehabt haben, bleiben zwar nach wie vor aufrecht, sind aber dadurch gemindert, dass die Justizbetreuungsagentur weiterhin in staatlicher Hand verbleibt. Das ist für uns ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung dieser Agen­tur.

Eine Bemerkung sei mir trotzdem gestattet, und ich sage dies wirklich aus vollster Überzeugung: Solange wir Frau Bundesministerin Berger haben, die dafür steht, glau­be ich, dass wir mit diesem Schritt einen sehr positiven Aspekt gesetzt haben (Bundes­rat Schennach: Wenn sie EU-Kommissarin wird, was machen wir dann?), und wir ver­trauen ihr in diesem Fall sicherlich. Allerdings – und hier kommt natürlich die Ein­schränkung – zeigt die Erfahrung, dass gerade die Justiz, und in diesem Bereich im Besonderen, ein äußerst sensibler Bereich ist und dass es daher auch unumgänglich sein wird, sowohl budgetär als auch personell die notwendigen Ressourcen zur Verfü­gung zu stellen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 47

Wichtig dabei ist aber auch, dass wir klar definieren, was hier die hoheitlichen Aufga­ben sind und was die sogenannten Sonderbereiche, vor allem dort, wo es um die psy­chotherapeutischen Dienste geht, sind.

Von einer Einbeziehung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen und deren Interes­senvertretung bei der Neugestaltung gehen wir aus gewerkschaftlicher Sicht natürlich aus und hoffen, dass dies zu aller Zufriedenheit vollzogen wird. Unsere Fraktion wird dieser Neugestaltung daher die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Edgar Mayer.)

11.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


11.07.25

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Justizbetreuungsagentur. Wie Frau Kollegin Kemperle schon gesagt hat, ist hier eine Kostenexplosion festzustellen, sodass aus Sicht der Regierung einfach gehandelt werden musste.

Kollege Schennach hat aus persönlicher Betroffenheit und aufgrund seiner Erfahrung, die er auf dem Gebiet gesammelt hat, eine gewisse Skepsis gegenüber der Justizbe­treuungsagentur zum Ausdruck gebracht, er hat aber auch ein Wort verwendet, mit dem ich mich doch etwas kritisch auseinandersetzen muss. Auch Frau Kollegin Kem­perle hat von „Auslagerung“ gesprochen. Ich würde bitten, dieses Wort nicht zu ver­wenden, denn das hat sicher nichts mit „Lager“ zu tun. Und wenn man 60, 65 Jahre zu­rückgeht, so hat man damals auch von verschiedenen Auslagerungen gesprochen. (Bundesrat Wiesenegg: Das ist aber weit hergezogen! Also bitte! Das haben Sie schon weit hergezogen, seien Sie mir nicht böse!) Daher sollte man vielleicht sagen, das ist der Versuch einer Ausgliederung.

Das Zweite, was ich feststellen möchte, ist, dass seitens der Regierung und auch von den beiden Parteien in der Koalition sicher nicht beabsichtigt ist, hier à la longue eine Privatisierung oder Teilprivatisierung durchzuführen, sondern es soll eben – was sicher ein vernünftiger Ansatz ist – versucht werden, hier in einer eigenen Agentur verschie­dene Dinge zusammenzufassen. Und soweit ich die Frau Bundesministerin kenne, wird sie, wenn der theoretische Ansatz nicht dem entspricht, was die Praxis bietet, dann in drei oder fünf Jahren Verbesserungsschritte einleiten.

Man sollte aber jetzt davon ausgehen, dass hier mit guter Absicht vorgegangen wird, und daher wird meine Fraktion diesem Gesetzesantrag zustimmen. – Ich danke. (Bei­fall bei der ÖVP.)

11.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


11.10.00

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion steht dieser Regierungsvorlage durchaus wohlwollend gegenüber.

Wenn man einen Blick auf die Justizgegebenheiten wirft, dann muss man erkennen, dass wir in den letzten 20 Jahren eine Steigerung bei den Verurteilungen von geistig abnormen Rechtsbrechern um 300 Prozent erleben mussten.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 48

Wir wissen, dass die Belagskapazitäten in der Justizanstalt Göllersdorf und in der Jus­tizanstalt Wien-Mittersteig erschöpft sind. Wir müssen laufend geistig abnorme Rechts­brecher in psychiatrischen Krankenanstalten oder psychiatrischen Abteilungen unter­bringen. Und diese Unterbringung kostet natürlich Geld – Geld, das man zur Hälfte ein­sparen könnte, wenn man diese Unterbringung in justizeigenen Anstalten vornehmen könnte.

Wir meinen, dass dieser Gesetzentwurf die erforderlichen Personalressourcen durch­aus sicherstellen könnte, zumal auch ein nicht unerhebliches Einsparungspotential im Gesetzentwurf beziehungsweise in den Erläuterungen dazu erwähnt ist. Wenn ich be­denke, dass es 2009 2 Millionen € und ab 2010 jährlich 8 Millionen € Ersparnis geben soll, dann meine ich, dass das schon ein Argument ist, das man nicht außer Acht las­sen sollte.

Die Gefahr einer Privatisierung des Strafvollzuges kann ich bei diesem Gesetzentwurf nicht erkennen. Immerhin wird die Justizbetreuungsagentur zum einen eine Anstalt öf­fentlichen Rechts und unterliegt somit der Kontrolle des Rechnungshofes, und zum an­deren untersteht sie dem Justizministerium und ist somit auch an die Weisungen der Frau Ministerin gebunden.

Diese Gesetzesvorlage ist nicht unbedingt ein Entwurf, der uns Freudentränen in die Augen treibt, aber sie stellt immerhin einen pragmatischen Schritt in die richtige Rich­tung zur Sicherstellung der personellen Ressourcen und auch der erforderlichen finan­ziellen Einsparungsmöglichkeiten dar. Daher wird die FPÖ diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth sowie bei Bundes­räten der ÖVP.)

11.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministe­rin Dr. Berger. – Bitte.

 


11.12.19

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Dan­ke an alle Rednerinnen und Redner! Ich denke, gemeinsam konnte festgestellt werden, dass der Maßnahmenvollzug besondere Probleme aufwirft, sowohl von den qualitati­ven Anforderungen als auch von der Quantität her. Die allerletzten Zahlen unseres Be­lagsstandes zeigen, dass wir bei den U-Häftlingen und bei den Strafhäftlingen Gott sei Dank eine gewisse Stabilisierung durch die Maßnahmen, die im vorigen Jahr ergriffen wurden, erreicht haben, dass wir aber beim Maßnahmenvollzug nach wie vor explodie­rende Zahlen haben und auch die Behandlungskosten pro Fall enorm ansteigen. Es ist aber im Zusammenhang mit der Qualität der Behandlung notwendig, dass man nicht dort in erster Linie zu sparen anfangen muss.

Ich möchte hier noch einmal betonen – ich konnte das schon bei anderen Gelegenhei­ten tun –: Ich habe tatsächlich versucht, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen. Wir sind mit den Sozialversicherungsträgern in Verhandlungen eingetreten, um die In­sassen von Justizanstalten in das System der Sozialversicherung einzugliedern, um bei stationären medizinischen Behandlungen nicht den Privatkostentarif zahlen zu müssen. Das ist aber von den Sozialversicherungsträgern neuerlich abgelehnt worden.

Wir haben uns im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen bemüht, von den Län­dern zusätzliche Beiträge für diesen Bereich zu bekommen. Das zu erreichen, ist leider auch nicht gelungen. Die Beträge sind leider in absoluten Zahlen festgelegt worden und nicht im Prozentanteil der Gesamtaufwendungen. Insofern ist da der Anteil der Länder mittlerweile sehr klein geworden.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 49

Ich habe mich bemüht, im Rahmen der letzten Stellenplanverhandlungen mehr Perso­nal für den Strafvollzug zu bekommen. Das ist dank der Unterstützung des Bundes­kanzleramtes und des Finanzministeriums auch gelungen. Dieses Personal ist im We­sentlichen der Justizwache zugekommen.

Ich möchte nicht in die Verlegenheit kommen, hier nur jammern zu müssen, dass wir mit der Situation nicht zurechtkommen, sondern setze wirklich Maßnahmen zur Ver­besserung dieser Situation. Ich denke, dass die Einrichtung einer Justizbetreuungs­agentur eine gute Lösung ist, um für die Betreuung im Maßnahmenvollzug zusätzliches Personal zur Verfügung stellen zu können.

An dieser Stelle möchte ich betonen: Es geht nicht darum, wie das bei Ausgliederun­gen beziehungsweise Privatisierungen oft der Fall ist, bestehendes, im öffentlich-recht­lichen Dienstverhältnis befindliches Personal auszugliedern, sondern diese Lösung dient ausschließlich der Neuaufnahme von Personal. Es werden keine Planstellen in den Betreuungsdiensten, so wie sie derzeit vorhanden sind, abgebaut werden.

Es wurde schon betont, dass die Justizbetreuungsagentur eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, die zur Gänze dem Bund zuzuordnen ist, über die das Justizministerium und ich die Aufsicht haben. Ich möchte noch ergänzend sagen, dass sie auch berech­tigt ist, das Bundeswappen zu führen. Vielleicht ist das auch ein Hinweis darauf, dass man da nicht von einer Privatisierung sprechen kann.

Es wurde auch schon gesagt, dass diese Agentur dazu dienen soll, das zusätzliche Betreuungspersonal, das wir brauchen, um zwei neu geplante Anstalten für den Maß­nahmenvollzug personell ausstatten zu können, zur Verfügung zu stellen. Geplant sind eine Anstalt in Asten in Oberösterreich und eine Anstalt im dritten Wiener Gemeinde­bezirk, Baumgasse. Es hat sich nämlich tatsächlich herausgestellt, dass der Maßnah­menvollzug in justizeigenen Anstalten besser, sicherer und auch kostengünstiger durchgeführt werden kann als durch die Übergabe an öffentliche Krankenhäuser, wo wir Tarife verrechnet bekommen, die nicht vertretbar sind. So können wir eine bessere Qualität in einem insgesamt günstigeren Umfeld und auch unter kostenmäßig günsti­geren Bedingungen gewährleisten.

Mir ist klar, dass bei Maßnahmen dieser Art schnell der Verdacht des Beginns einer Privatisierung aufkommt. Ich denke aber, dass wir hier alle Kautelen eingebaut ha­ben – auch nach Verhandlungen mit der Gewerkschaft –, die diesen Verdacht eigent­lich nicht als gerechtfertigt erscheinen lassen.

Ich danke für die breite Unterstützung. Und Herrn Bundesrat Schennach danke ich ins­besondere für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Bewährungshelfer. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

11.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmen­mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 50

11.17.55 5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Jugend­ausbildungs-Sicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktförde­rungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das IAF-Service-GmbH-Gesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, die Konkursordnung und die Exekutionsordnung geändert werden (505 d.B., 621/A und 571 d.B. sowie 7955/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendli­chen 1987 geändert wird (576 d.B. sowie 7956/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Ich bitte um die Berichte.

 


11.18.20

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe als Erstes den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitsmarktser­vicegesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsiche­rungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Landarbeitsge­setz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktför­derungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das IAF-Service-GmbH-Gesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Be­triebspensionsgesetz, die Konkursordnung und die Exekutionsordnung geändert wer­den.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die An­tragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Ju­ni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Be­schluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 51

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke.

Ich begrüße Frau Staatssekretärin Marek in unserer Mitte. Herzlich willkommen!

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.20.52

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Zum Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz sprechen wir hier in diesem Hohen Haus wirklich nicht zum ersten Mal. Ich kann mich erinnern, vor zehn Jahren haben wir uns schon einmal darüber unterhalten, in der Sorge, dass zu wenige Lehrlinge ausge­bildet werden, auch in der Sorge, dass es zu wenige Lehrstellen gibt.

Damals hat der sozialdemokratische Kanzler Klima im Frühjahr – vor ungefähr zehn Jahren war es – vollmundig verkündet, im Herbst werde kein Lehrling mehr auf der Straße stehen. Die Geschichte ist bekannt: Das ist ein Versprechen gewesen, das sich wie so viele andere nicht bewahrheitet hat. Die Schere ist immer weiter aufgegangen. Auch wenn sie sich jetzt in einigen Bundesländern zugunsten der Lehrstellensuchen­den verschoben hat, wenn man der AMS-Statistik Glauben schenken darf, ist es trotz­dem noch immer nicht so weit, dass man von einer guten Situation sprechen könnte, vor allem nicht in Wien.

Dass diese Versprechen Tradition haben, erleben wir auch seit Antritt der neuen so­zialdemokratisch geführten Regierung, die damit begonnen hat, dass die Abschaffung der Studiengebühren im Wahlkampf versprochen worden ist, ein Versprechen, das lei­der nicht erfüllt worden ist. (Bundesrat Gruber: Sie haben für die Einführung ge­stimmt!) Dann hat man sich darauf geeinigt, dass man die Studiengebühr mittels Nach­hilfestunden abarbeiten kann, wo sich der Herr Bundeskanzler vorbildhaft in den Dienst der Schüler gestellt hat. Das ist aber auch wieder den Bach hinuntergegangen. (Bun­desrat Gruber: Sie haben dafür gestimmt! Aber jetzt verlangen Sie, dass sie abge­schafft werden! Das ist zynisch!)

Sie wollen von Ihren eigenen Wahlforderungen nichts mehr wissen, sehr geschätzter Herr Kollege, denn im Nationalrat haben Sie den diesbezüglichen Antrag immer abge­lehnt. (Bundesrat Gruber: Sie haben sie eingeführt, Ihre Partei! Deshalb sind Sie ab­gewählt worden!) Sie sind von Ihren eigenen Versprechen nicht nur abgegangen, son­dern Sie lehnen die eigenen Versprechen, wenn sie ein anderer aufgreift und einen An­trag dazu stellt, ganz konsequent ab. Es stellt sich die Frage: Weiß die SPÖ eigentlich noch, was sie will? (Bundesrat Gruber: Sie haben sie eingeführt! Und jetzt verlangen Sie, dass sie abgeschafft werden! Sie sind eine Zynikerin!)

Das Zweite ist der Teuerungsausgleich, der im Jänner von Kanzler Gusenbauer auf­grund der gestiegenen Nahrungsmittelpreise, Erdölpreise et cetera versprochen wurde. 200 € Teuerungsausgleich und eine Anhebung der Negativsteuer für die Kleinstverdie­ner wurden von Gusenbauer versprochen. Geschehen ist nichts! (Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.)

Im Februar hat Sozialminister Buchinger von 100 € gesprochen. Auf diesen „Gusi-Hun­derter“ warten aber die Leute immer noch.

Die Pensionsanhebung hat leider 800 000 Menschen mit Kleinstpensionen überhaupt nichts gebracht. Und zur automatischen Pensionsanhebung, die jetzt zwischen Buchin­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 52

ger und Bartenstein vereinbart worden ist, hat Gusenbauer gesagt: Nein, die kommt ganz sicherlich nicht, jedenfalls nicht in dieser Form! – Das ist also noch offen. Da wird man sehen, wie dieses Rennen ausgeht.

Wir haben in der EU – darüber können wir uns freuen – die viertniedrigste Jugendar­beitslosigkeit. Das ist etwas, worüber wir uns noch freuen können. (Bundesrat Boden: „Dank“ der FPÖ!) Tatsache ist aber, dass man sich jetzt nicht zurücklehnen und sagen kann: Na fesch, sind wir nicht gut?!, sondern wir müssen daran arbeiten, dass sie noch gesenkt wird, denn die viertniedrigste kann doch nicht das Ziel aller Dinge sein. (Bun­desrat Boden: Es ist besser, wenn die FPÖ nicht daran mitarbeitet!)

Es hat sich gezeigt – und das ist auch mein Lob daran –, dass sich das duale Ausbil­dungssystem wirklich bewährt hat, aber trotz dieser Bewährung des dualen Ausbil­dungssystems, zu dem wir alle, glaube ich, ungeachtet der Parteizugehörigkeit, stehen, ist es uns nicht gelungen, die Lehre wirklich gesellschaftsfähig zu machen.

Allen Slogans, wie etwa „Karriere mit Lehre“, zum Trotz ist das Image des Lehrlings heute gesellschaftspolitisch gesehen eher am unteren Ende der Skala angesiedelt. (Bundesrat Boden: Solch ein Blödsinn! Stimmt ja gar nicht!)

Leider! Ich bedauere das! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ich bedauere das und sage auch: Ungeachtet ... (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Frau Kol­legin, nicht böse sein! (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl sowie Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) – Soll ich kurz hinausgehen, und ihr tratscht einstweilen ein bisschen miteinander? (Bundesrat Mag. Klug: Berufsmatura!)

Ungeachtet der Berufsreifeprüfung, ungeachtet der Bestrebungen wie „Lehre mit Matu­ra“ ist es doch so – eigentlich ein Wahnsinn! –, dass eine ganz normale Lehre, die den traditionellen Schritten folgt – Volksschule, Hauptschule, Polytechnische Schule –, nicht anerkannt wird. Da frage ich mich schon: Warum? Was ist da eigentlich passiert?

Ich sage dazu: Es ist jahrelang nur die Matura im Mittelpunkt der Bildungspolitik ge­standen, auf die hat sich alles fokussiert! Es war unheimlich wichtig, die Matura zu ha­ben. Damit ist die Bedeutung der Lehre immer weiter nach hinten gerutscht (Bundesrat Gruber: Stimmt nicht! Die Meisterprüfung ist immer anerkannt worden!), und das hat dem Beruf des Facharbeiters insgesamt nicht gutgetan, was wirklich zu beklagen ist.

Nun kommt die Industrie, kommen die Wirtschaftsbetriebe und sagen: Wir brauchen Facharbeiter! Wir erinnern uns noch an die Diskussion von vor ungefähr zwei Jahren, wo es hieß: Wir brauchen 5 000 Facharbeiter! – Schlosser, Dreher, Schweißer und so weiter. Die müssen wir selbst ausbilden! Es kann doch nicht wirklich unser Anspruch sein, uns diese aus dem Ausland holen zu müssen, während wir im eigenen Land nicht bereit sind, Lehrlinge aufzunehmen und zu Facharbeitern auszubilden. (Bundesrat Mag. Klug: Das tun wir ja mit diesem Paket!)

Na ja, mit diesem Paket versuchen Sie zwar einige ganz gute Dinge, das gestehe ich Ihnen durchaus zu (Bundesrat Mag. Klug: Danke!), aber wir müssen früher ansetzen. Die PISA-Studie besagt, dass 20 Prozent der Lehrlinge nicht ausreichend lesen und schreiben können. – Das kann es nicht sein, da muss etwas passieren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In den Ballungszentren, sehr geschätzte Kollegen – vor allem in Wien dank der SPÖ-Bildungspolitik! –, ist die Hauptschule, die auf dem Land gut funktioniert und die eigent­lich den klassischen qualifizierten Facharbeiter heranführen sollte, zur Ausländerrest­schule verkommen, wo kein Österreicher mehr sein Kind hinschicken will. Wenn wir davon ausgehen, dass dort 20 Prozent der Schüler nicht ausreichend lesen und schrei­ben können, dann heißt das, dass damit eine geringere Qualifikation des Lehrlings ge­geben ist. Daher muss man hier wirklich früher ansetzen. (Bundesrat Stadler: ... bis 2007!)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 53

Ja, aber die Fehler der Vergangenheit im Bildungs- und Schulbereich holen uns leider immer wieder ein (Bundesrat Stadler: Habt ihr schon daraus gelernt?), aber mit so gro­ßer Verspätung, dass es dann schwierig wird, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Da er­wähne ich jetzt nur die antiautoritäre Erziehung der Altachtundsechziger, die uns heute auf den Kopf fällt. Wir haben heute Kinder und Jugendliche, die nicht einmal wissen, was Benehmen ist. Es gab eine Studie unter den Unternehmen, eine Studie, an wel­cher immerhin 600 Betriebe teilgenommen haben, wo das wichtigste Kriterium das Be­nehmen des Lehrlings war, wo es darum ging: Wie präsentiert sich der Lehrling beim Vorstellungsgespräch, wie ist sein Verhalten? (Bundesrat Boden: Sie haben keine Ah­nung von irgendetwas!)

Na, ich glaube eher, dass Sie keine Ahnung haben, denn Sie ignorieren die Realität ständig! Sie reden irgendetwas schön und glauben, weil Sie die Situation schönreden, ist es auch so. Das ist aber leider falsch. Gehen Sie hinaus und reden Sie mit den Leu­ten, dann werden Sie wissen, was die Ihnen zu sagen haben! (Bundesrat Boden: Das wäre eher für Sie etwas!)

Die Schulnoten sind nämlich gar nicht das wichtigste Kriterium. Das wichtigste Krite­rium ist das Verhalten des Lehrlings und die Art und Weise, wie er sich in den Betrieb eingliedert.

Es gibt in diesem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz durchaus gute Ansätze. (Bun­desrat Mag. Klug: Ah?) Ja, das bestreite ich auch gar nicht. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt kommt doch noch ein Inhalt!) Wie immer bei mir. (Bundesrat Mag. Klug: Lange mussten wir warten!) Na ja, bei manchen Ihrer Redner kommt überhaupt nie der Inhalt, und das halten wir hier auch aus!

Es gibt ganz gute Sachen in diesem vorliegenden Gesetzentwurf, wie zum Beispiel die Ausbildungsgarantie, dass jemand, wenn er, aus welchen Gründen auch immer, die Lehre unterbrechen muss, diese auch beenden kann. Das finde ich total positiv. Dies­bezüglich haben wir Freiheitlichen in Wien – also auf Landesebene in diesem Fall – schon entsprechende Vorstöße unternommen, weil wir das für richtig halten.

Ich persönlich – ich weiß nicht, aber nicht alle meiner Kollegen sehen das so – finde es schon richtig, dass man das Ausbildungsverhältnis mit einem Lehrling, wenn er sich gar nicht bewährt hat, auch früher lösen kann. Ich finde es aber sehr wichtig und sehr richtig, dass dem ein Mediationsverfahren vorangehen muss, in das der Lehrling eine Person seines Vertrauens mitnehmen kann. Das halte ich schon für durchaus gescheit.

Ich finde es auch an sich gut, wenn man sagt, ich zahle euch eine Prämie, wenn ihr die Qualität der Lehrlingsausbildung steigert. Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer: Sie sind bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen. Das sind bis zum Jahre 2010 insgesamt 200 Millionen €. Wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, dann muss man auch die Qualität kontrollieren. In jeder Schule gibt es Tests, gibt es Prüfungen, werden das Wissen und die Qualität abgefragt. Jetzt erst werden Bildungsstandards eingeführt, völ­lig richtig, und es wird immer wieder überprüft. Das muss man auch hier tun können.

Es gibt immer schwarze Schafe. Wir können uns die Welt nicht schönreden. Die schwarzen Schafe wird es immer geben. Wenn ich sage, ich gebe dir Geld in die Hand, dann muss ich das auch überprüfen können. Auch der ehemalige Lehrlingsbeauftragte der Regierung Schüssel, Egon Blum (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) – Herr Blum hat genau das kritisiert! –, also der Erfinder des Blum-Bonus, hat genau diese man­gelnden Qualitätskriterien kritisiert. Man kann auch hier – so, wie wir Bildungsstan­dards einführen – Qualitätskriterien einführen und diese auch überprüfen. Tut man das nicht, bleibt es ein zwar gut gemeintes, aber leider in gewisser Weise doch zahnloses Regelwerk. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

11.31



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 54

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt kommt wieder Qualität!)

 


11.32.02

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! An und für sich wollte ich einen sachlichen Beitrag zu dieser ganzen Diskussion leisten. Aber manche Dinge stoßen mir schon recht stark auf, nämlich wenn bei Redebeiträgen wirklich unsachliche Dis­kussionen aufkommen. Und Unsachlichkeit ist dann nicht angebracht, wenn es um Ju­gendliche und um deren Beschäftigung und Eingliederung in das Arbeitsleben geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesrätin Mühlwerth, ich möchte Ihnen nur mitteilen: Meine Tochter geht in eine Schule, keine Privatschule, sondern in eine ganz normale staatliche Schule. Der AusländerInnenanteil in ihrer Klasse liegt bei über 50 Prozent. Das Ausbildungsniveau ist sehr hoch. Meine Tochter wird in vier Sprachen ausgebildet, und ich glaube, das ist ein Wert für Wiens Schulen, der auch Qualität mit sich bringt und dass man für Jugend­liche etwas unternimmt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Zweitens: Ich habe mit sehr vielen Jugendlichen zu tun. Mir untersteht die Jugendabtei­lung im ÖGB. Ich habe immer wieder mit den Jugendlichen zu tun, und keiner meiner Jugendlichen ist ausfällig – außer man verwechselt Lebhaftigkeit und Interesse mit schlechten Manieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Also das Problem, das die Zeitungen berichten, gibt es nicht?! Das habe ich mir ausgedacht?! – Bundesrat Gruber: Sie soll­ten nicht so oft die „Krone“ lesen!)

Frau Bundesrätin Mühlwerth, wir wissen, welchen Wert manche Meldungen in den Zei­tungen haben. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, auch tatsächlich etwas Sinnvolles zu tun, und ich glaube, dass das mit dem sogenannten Lehrlingspaket gründlich gelungen ist. Auch wenn wir mit manchen Dingen aus gewerkschaftlicher Sicht nicht ganz einver­standen sind, ist es sicher angebracht, dass wir dieses Lehrlingspaket positiv, äußerst positiv bewerten. Es ist aus meiner Sicht im Grunde genommen eines der größten Ju­gendbeschäftigungspakete der Zweiten Republik. Ich glaube, auch behaupten zu dür­fen, dass es ein effizienter Schritt ist, um erstens den Fachkräftemangel tatsächlich be­heben zu können und zweitens – was der wichtigste Punkt ist – Jugendlichen eine gute Aussicht für ihre Zukunft zu geben.

Wir halten fest – ich habe den Mangel bereits angesprochen –, dass wir mit der Lehr­lingskündigung nicht wirklich einverstanden sind, allerdings: Die Entkräftung unserer negativen Position, glaube ich, ist doch etwas durch das sogenannte Mediationsverfah­ren gemildert worden. Dieses hat in dem Zusammenhang zum Ziel, dass, wenn es zu Unstimmigkeiten in der Berufsausbildung kommt, versucht wird, noch einmal durch ein Mediationsverfahren eine Weiterbeschäftigung im Lehrverhältnis zu erzielen.

Das heißt, dies ist für uns nach wie vor ein wenig ein „Kritikpunkt“ – unter Anführungs­zeichen –, auch wenn es die Wirtschaft aus anderer Sicht betrachtet. Aber ich glaube, dass man das ohne Weiteres auch in diesem Zusammenhang so sehen kann, weil wir doch in manchen Dingen gegensätzliche Interessen haben.

Für uns ist die Ausbildungsgarantie in diesem gesamten Paket wichtig. Da ist auf alle Fälle einmal, dass eine Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr gegeben ist. Das heißt, dass niemand, kein junger Mensch nach der Schule ohne eine Lehrstelle ist, egal, ob es jetzt im dualen Bereich ist, ob es im dualen Berufsausbildungssystem statt­findet oder ob dies durch eine überbetriebliche Lehrwerkstätte zu gewährleisten ist.

Auch äußerst wichtig ist, dass es, wenn es zu Differenzen im Lehrverhältnis kommt, dieses unterbrochen wird – aus welchen Gründen auch immer –, eine Vermittlung auf


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 55

einen Ersatzausbildungsplatz gibt. Dieser Ersatzausbildungsplatz soll nicht irgendeiner sein, sondern ein gleichwertiger Ersatzausbildungsplatz. Das heißt, dass man hier auch mit Qualität arbeitet, dies alles mit Qualität verbunden ist.

Damit komme ich zur Qualität der Ausbildung. Hier ist auch etwas wichtig: Sie haben ja vorher bekrittelt, so quasi, es gibt keine Überprüfbarkeit. Dann sind Sie wahrscheinlich in Ihren Unterlagen betreffend die Regierungsvorlage nicht zum § 15b vorgedrungen, denn dort steht drinnen, dass es alle zwei Jahre einen Bericht an den Nationalrat über diesen Bereich geben soll. Wenn es negative Auswirkungen gibt, soll es da letztlich Nachevaluierungen geben und diese – unter Anführungszeichen – „eventuellen Min­derbereiche“ sind wieder neu zu bewerten und zu beheben.

Man kann nicht bereits im Vorhinein sagen, es gibt keine Qualität, es gibt keine Über­prüfung. Dann müssten Sie sich einfach die Regierungsvorlage ordentlich anschauen. Die Überprüfung der Ausbildungsqualität ist gegeben! Es gibt auch einen Kriterienkata­log, der dazu führt, dass genau diese Qualität in der Ausbildung gewährleistet ist. Das ist zum Beispiel die Garantie auf Weiterbildung für AusbildnerInnen, dass eben nach­gesehen werden muss, ob auch tatsächlich Weiterbildung stattfindet. Auch der schuli­sche Erfolg des Lehrlings ist in der Überprüfbarkeit, in der Qualität der Ausbildung ent­halten.

Ich denke, das ist gerade in diesem Zusammenhang wichtig, dass für Aus- und Weiter­bildnerInnen die notwendige Weiterbildung gewährleistet ist und darauf geachtet wird, dass sich auch der schulische Erfolg der Lehrlinge besser zu Buche schlägt.

Die Zusatzausbildung für Lehrlinge über das Berufsbild hinaus bringt für die Wirtschaft und für den Lehrling positive Aspekte, weil es natürlich weitgehend über das Berufsbild hinaus Qualifikationen zu erwerben gibt. Da, denke ich, ist Vorarlberg sicherlich ein po­sitiver Ansatz gelungen, und es ist Vorbild in der Ausbildung. Ich habe mir nicht nur einmal die Ausbildungsbereiche und das Drumherum in Vorarlberg angesehen. Ich würde mir eigentlich wünschen, dass das auch in so manch andere Bereiche in den anderen Bundesländern übertragbar wäre. Es wird nicht in allen Bereichen passieren, aber in so manchen Bereichen sicher. (Bundesrat Perhab: Stadt Wien!) – Die Stadt Wien ist sehr gut. Ich glaube, wenn man jetzt die Bundesländer durchgeht, wird man für jedes Bundesland positive, aber auch nicht so positive Aspekte finden. Ich denke, wenn wir die nicht so positiven Aspekte ausmerzen können, dann sind wir schon auf einem sehr guten Weg und sehr gut im Weiterkommen.

Betreffend Förderung von Lehrgängen und Blockveranstaltungen für die Nachholung des Berufsschulabschlusses: Auch das ist ein notwendiger Schritt, ein wesentlicher Schritt für junge Menschen, dass sie diesen nachholen können.

Bezüglich Ausbildung im Beruf, wo Fachkräftemangel herrscht: Auch das ist wichtig – vor allem dort, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass der Zugang Frauen, Männern und Jugendlichen in diesen Bereichen ermöglicht wird und auch eine spezielle Frauen­förderung in nicht traditionellen Berufen damit verbunden wird. Noch einmal ist auf die positive Vermittlung auch bei der Gleichwertigkeit der Ausbildungsplätze hinzuweisen. Ich glaube, das ist ein guter Schritt.

Normalerweise könnte ich über dieses Lehrlingspaket noch einige Zeit sprechen, weil es wirklich eines der größten Jugendbeschäftigungspakete ist, die es in dieser Zweiten Republik zu beschließen gilt. Allerdings glaube ich, dass das die wesentlichsten Punkte sind, um für unsere Jugendlichen tatsächlich Zukunft zu schreiben.

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion werden diesem Jugendbeschäftigungs­paket, diesem Jugendsicherungspaket unsere Zustimmung geben – gerne unsere Zu­stimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.42



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 56

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Ma­rek. – Bitte.

 


11.43.01

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir behandeln hier heute ein Thema, das ganz wesentlich für die Zukunft des Arbeits- und Wirtschafts­standortes Österreich ist. Es hat auch etwas zu tun mit den Fragen: Wie gehen wir mit den immer weniger werdenden Ressourcen um – wenn ich mir anschaue, wie sich die Geburtenraten entwickeln –, und was machen wir daraus?

Die Zukunft unserer Jugend ist einfach das, worauf wir aufbauen, und das Fundament, mit dem wir versuchen, Erfolg nachhaltig besser zu machen. Frau Bundesrätin Kem­perle hat das Paket gerade sehr umfassend erläutert, deswegen erspare ich es mir, Ih­nen hier noch einmal die Details zu nennen. Aber ich darf schon auch auf die Ausfüh­rungen von Frau Bundesrätin Mühlwerth eingehen und vielleicht ein bisschen das Bild zurechtrücken, das sie hier zu zeichnen versucht hat.

Die duale Ausbildung hat einen hohen Stellenwert im Ausbildungsszenario, in der Aus­bildungslandschaft in Österreich. 40 Prozent eines Altersjahrganges entscheiden sich jedes Jahr für eine Ausbildung im Rahmen der dualen Ausbildung. Es ist auch so, dass wir bereits mit dem Jahr 2004 – da wurde im Herbst bekanntlich der Blum-Bonus ein­geführt – dem ständigen Sinken der Lehrlingszahlen nachhaltig entgegengewirkt ha­ben. Im Herbst 2004 ist der „Blum-Bonus“ eingeführt worden; schon damals hatten wir – obwohl erst im Herbst eingeführt – um knapp 1 000 Lehrlinge mehr als im Jahr davor. Da konnten wir jährlich die Lehrlingszahlen nach oben korrigieren. Wir haben derzeit etwa 130 000 Lehrlinge österreichweit in Ausbildung, und das in etwa 270 Lehr­berufen. Ich glaube, das ist eine wirklich gute Nachricht: Die duale Ausbildung hat einen hohen Stellenwert und macht uns international erfolgreich.

Bei den Berufsweltmeisterschaften in Japan letztes Jahr ist Österreich zweitbestes Land unter den europäischen Teilnehmerländern geworden. Darauf können wir wirklich stolz sein, da brauchen wir uns keine Sorgen um diese Jugend zu machen.

Aber natürlich – da gebe ich Ihnen recht, Frau Bundesrätin Mühlwerth – haben wir eini­ges an Aufgaben zu machen. Eine wichtige Basis hiefür ist das heute hier zu beschlie­ßende Jugendbeschäftigungspaket, in dem sehr viele Qualitätsaspekte enthalten sind. Frau Bundesrätin Kemperle hat es auch gesagt: Wir setzen hier auch Anreize für mehr Qualität in der Lehre. Und es ist natürlich dem jetzt nach wie vor sehr aktiven offiziel­len Lehrlingsbeauftragten der Bundesregierung, Kommerzialrat Blum, ein wichtiges An­liegen, zum Beispiel auch die Weiterbildung der Ausbildner durch Anreize, durch För­dermodelle oder Zwischenprüfungen zu forcieren, die während der Lehre gemacht wer­den. Wenn das keine Qualitätssicherungsaspekte sind, Frau Bundesrätin, dann weiß ich nicht, was das sein könnte.

Natürlich: Die Lehre mit Matura ist ein wichtiges Thema. Diesbezüglich gehen wir einen Schritt weiter. Wir haben durch eine Studie der Karmasin-Motivforschung eine große Bestätigung für die Lehre mit Matura bekommen, wonach in der Bevölkerung die Lehre mit Matura den gleichen Stellenwert hat wie eine berufsbildende höhere Schule. Und das ist für uns das Signal, dass wir hier weitergehen müssen.

Viele Bundesländer bieten mittlerweile diese Möglichkeit der gleichzeitigen Absolvie­rung der Lehre und der Vorbereitung auf die Matura, dass man praktisch die Möglich­keiten hat, das auch kostenfrei zu tun. Es ist ein wichtiges Thema, dass man die Kos­ten auch entsprechend berücksichtigt. Und es wird auch eine bundeseinheitliche Rege­lung geben, wo es in den Berufsschulen diese Möglichkeit der Vorbereitung gibt. Auch das ist, glaube ich, wichtig zu erwähnen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 57

Trotzdem geht es auf breiter Basis darum, dass wir informieren, dass wir Bewusstsein schaffen, dass die duale Ausbildung um nicht einen Deut weniger wert ist oder einen geringeren Stellenwert hat als eine schulische Ausbildung. Da besteht tatsächlich Handlungsbedarf.

Es ist einfach so, dass das Bild in den Köpfen anders ist als die Realität. Und da geht es darum, zu informieren und alle ins Boot zu holen. Die Eltern sind da natürlich wichti­ge Ansprechpartner, und ihnen gilt es zu sagen: Schaut her, es gibt die gleichen Chan­cen für eure Kinder, wenn sie eine duale Ausbildung machen!, und ihnen die Erfolgsge­schichten aus diesem Bereich zu erzählen – das ist, glaube ich, der Schüssel – und nicht nur immer über Probleme zu reden, die es natürlich auch gibt, aber das Gros sind Erfolgsgeschichten. 80, 90 Prozent sind sehr erfolgreiche Ausbildungswege.

Ich darf auch alle hier im Saal zum zweiten „Tag der Lehre“ am 16. Oktober einladen. Ich habe – wirklich zufällig – die Einladung mit (die Rednerin hält ein Exemplar der Ein­ladungskarte in die Höhe), die ist nämlich druckfrisch. Wir werden Ihnen das alles auch zukommen lassen. Da geht es darum, österreichweit alle, die damit zu tun haben, ins Boot zu holen und auch breit zu informieren. Natürlich ist es so: Wir haben 270 Lehrbe­rufe, aber rund 50 Prozent aller Lehrlinge, die in Ausbildung sind, konzentrieren sich auf zehn Lehrberufe, werden in zehn Lehrberufen ausgebildet.

Bei den Mädchen ist es – wahrscheinlich ist Ihnen das bekannt – so, dass sich 50 Pro­zent der Mädchen, die eine Lehre absolvieren, auf die berühmten drei Lehrberufe kon­zentrieren. Das sind: Friseurin, Einzelhandelskauffrau und Bürokauffrau. Und wir wis­sen natürlich auch, wie die Entwicklungschancen, Karrierechancen und vor allem die Einkommenschancen in diesen Berufen sind. Das ist mit ein Thema, wo wir auch an der Reduzierung der Einkommensschere massiv gemeinsam arbeiten wollen.

Hier geht es um breite Information und Bewusstseinsschaffung, welche Chancen es gibt. Meine Damen und Herren! 50 Prozent aller Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land, die sehr erfolgreich sind, haben eine Lehre gemacht und bauen auf dieser Lehre mit ihrem beruflichen Erfolg auf. Ich glaube, das ist auch wichtig. Und wir setzen mit unserer Initiative „Tag der Lehre“ genau da an, dass wir sagen, wir wollen die positiven Beispiele, die Vorbilder zeigen – und nicht Probleme verschweigen; da­rum geht es uns nicht, sondern es geht einfach darum, in erster Linie über das Positive zu sprechen und auch zu motivieren.

Wir haben Eltern, wir haben Lehrerinnen und Lehrer und natürlich die Schülerinnen und Schüler, die vor der Entscheidung stehen: Was mache ich denn überhaupt? Wo will ich hin? Was will ich tun?

Etwas ganz Wichtiges, was auch stärker berücksichtigt werden sollte – Sie haben es selbst gesagt, Frau Bundesrätin –, ist, früher in der Schule anzusetzen. Da teile ich Ih­re Meinung durchaus. Die Berufsorientierung ist sicher etwas, was derzeit in der Schu­le nicht ausreichend organisiert ist und auch nicht hinreichend gut funktioniert.

Es gibt derzeit eine Arbeitsgruppe, mit dem Unterrichtsministerium gemeinsam, um be­reits in der siebten und achten Schulstufe eine fundierte, breite Berufsorientierung zu machen. Es geht dabei darum, geschlechtsstereotype Rollenbilder, Berufsbilder, Be­rufsentscheidungen entsprechend zu korrigieren oder auch darauf einzugehen, breit zu informieren: Was gibt es denn überhaupt an beruflichen Möglichkeiten? Wie ist die Bandbreite der Ausbildungsmöglichkeiten? Was sind meine persönlichen Talente, Eig­nungen, Neigungen – um mit Egon Blums Worten zu sprechen –, welchen Beruf kann ich wählen? – Das wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Wir werden im Jahre 2015 um 18 000 15-Jährige weniger haben, und das wird eine gi­gantische Herausforderung für den Arbeitsmarkt. Es ist daher wichtig für die Jugendli­chen, einfach wirklich das zu erlernen, wofür sie geeignet sind, denn dann machen sie


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 58

es auch wirklich gut und mit viel Freude. Das ist, glaube ich, auch etwas ganz Wichti­ges für die Berufsausbildung.

Auf Folgendes darf ich noch hinweisen: Am „Tag der Lehre“ wird heuer das erste Mal ein Staatspreis für ausbildende Betriebe vergeben. Ein für mich ganz wichtiger Aspekt dabei ist, dass es auch einen Sonderpreis für die integrative Berufsausbildung gibt, weil ich meine, dass wir nicht immer nur auf die ganz starken, auf die lernstarken Ju­gendlichen schauen müssen, sondern natürlich eine besondere Verantwortung für die Schwächeren haben, die sich nicht so leichttun. Ich denke, die Ausbildungsgarantie ist da ein ganz wichtiger Aspekt, um jedem Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr eine Ausbildung zu garantieren, um ihnen alle Chancen zu geben.

Die integrative Berufsausbildung – ich durfte sie als Abgeordnete im Sozialausschuss in diesem Hohen Haus mit beschließen – ist eine Erfolgsgeschichte. Wir haben die ers­ten Zahlen vor zwei Jahren bekommen. 3 000 Jugendliche wurden bis dahin in der in­tegrativen Berufsausbildung sehr erfolgreich ausgebildet. Für mich besonders positiv dabei: dass zwei Drittel davon in Betrieben ausgebildet wurden und diese Betriebe sehr positives Feedback dazu gegeben haben. Ich möchte mich daher bei den vielen engagierten ausbildenden Betrieben ganz herzlich bedanken.

Junge Menschen in einer Phase, wo die Pubertät einfach oft sehr viele Wurzeln treibt – sage ich jetzt einmal, und das wissen Sie wahrscheinlich genauso gut wie ich –, sind eine Herausforderung, weshalb man das Engagement dieser Betriebe durchaus auch einmal honorieren sollte. Ich besuche viele Betriebe, die ausbilden, und möchte sagen, dass das eine tolle Leistung ist im gemeinsamen Interesse für die Zukunft unserer Ju­gend und für den – und das sage ich jetzt als Staatssekretärin im Wirtschafts- und Ar­beitsministerium – Arbeits- und Wirtschaftsstandort Österreich. Ich glaube, dass das, was heute hier beschlossen wird, ein Stück mehr dazu beitragen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Baier. – Bitte.

 


11.53.05

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Staatsse­kretärin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Paket wurde schon intensiv vorgestellt, die Vorzüge wurden schon hervorgehoben. Ich darf vielleicht an das anknüpfen, was Frau Staatssekretärin Marek vorhin im Zusammenhang mit dem „Tag der Lehre“ gesagt hat. Ich finde das eine ausgezeichnet gute Idee, eine gute Initiative, und das zeugt auch einfach von der Signalwirkung, wie positiv sich auch in der politischen Landschaft die Diskussion in Richtung Lehrlinge bewegt, in Richtung Fachkräfte und in Richtung Zukunft und Ausbildungszukunft der jungen Menschen in diesem Zusammenhang.

Um diese Zukunft und um diese positive Zukunftsperspektive geht es auch bei diesem hier vorliegenden Gesamtpaket. Die Maßnahmen, die hier vorgestellt wurden und die wir heute zu beschließen haben, sind ein sehr positiver und wichtiger Beitrag, um diese positive Zukunft auch sicherzustellen und diesen guten Weg weiterzugehen.

Erster Punkt: Ausbildungsgarantie. – Wir alle wissen, dass gerade jene Jugendlichen und jungen Menschen von Arbeitslosigkeit am meisten bedroht sind, die über keine ab­geschlossene Ausbildung verfügen. Das zeigen alle Statistiken, das zeigen auch alle Analysen. Daher ist es so wichtig, gerade in diesem Bereich anzusetzen und auch ein Signal auszusenden: Es gibt eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen in diesem Land. Es gibt die Möglichkeit auf eine abgeschlossene Ausbildung, um sich auf diese Art und Weise vor Arbeitslosigkeit zu schützen. – Das ist etwas ganz Entscheidendes,


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 59

auch wenn wir derzeit über eine doch sehr positive Arbeitsmarktbilanz in den allermeis­ten Bundesländern verfügen.

Frau Kollegin Mühlwerth dürfte besonders geprägt gewesen sein von der Wiener Situa­tion. Da Parteichef Strache jetzt aber angekündigt hat, Bürgermeister von Wien zu wer­den, mache ich mir überhaupt keine Sorgen mehr, dass das auch in Wien bald anders sein wird. Wir sind schon sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird. Aber grundsätz­lich muss man festhalten – und zwar über die Bundesländer hinweg; das sage ich nicht nur als Oberösterreicher, wo die Bilanz eine ausgesprochen gute ist, sondern auch Salzburg und andere mehr wären zu nennen –, wir haben eine gute Ausgangssituation, eine gute Situation in der momentanen Phase.

Wenn wir über duale Ausbildung reden, dann muss uns immer klar sein, da gibt es zwei Seiten. Da geht es einerseits um diejenigen, die ausgebildet werden, und ande­rerseits um diejenigen, die ausbilden. Beide sind wichtig! Beide sind zwei wichtige Tei­le, sind Partner in dieser Ausbildung, würde ich denken, und daher brauchen auch bei­de Teile Unterstützung.

Es ist zum einen hervorzustreichen, dass die Betriebe aus der Wirtschaft, die Unter­nehmen, die vielen mittelständischen kleinen Betriebe, die eine ganz, ganz wichtige Rolle in diesem System spielen, auch Unterstützung brauchen. Von daher ist die Wei­terentwicklung des Blum-Bonus eine ganz, ganz wichtige Maßnahme in diesem Be­reich und absolut zu unterstreichen. Ich würde und kann überhaupt nicht verstehen, wie man in einem Rundumschlag den Ausbildungsbetrieben unterstellen kann, sie wür­den irgendetwas nicht positiv gestalten, sie wären nicht willig, irgendetwas zu tun, oder würden keine gute Ausbildung bereitstellen. Das kann ich mir schon vom Hausverstand her einfach nicht vorstellen. So ist es nicht, und das entspricht auch nicht der Realität. Die Betriebe leisten da eine ausgesprochen gute Arbeit, und ich bin mir sicher, dass diese Bewertung für 99,9 Prozent der Betriebe zutreffend ist.

Genauso ist es auch bei den jungen Menschen. Man kann auch hier nicht generell sa­gen, sie seien nicht bemüht genug, nicht lernwillig, nicht entsprechend motiviert. Das ist ebenfalls zurückzuweisen. – Es gibt diese Bereitschaft, und es ist eine gute und tolle Entwicklung zu vermerken, wie auch schon angesprochen wurde. Das zeigt sich immer bei Leistungsbewerben wie eben dieser Weltmeisterschaft, wo wir dann ausgespro­chen gut und hervorragend abschneiden.

Das heißt, diese beiden partnerschaftlichen Teile müssen unterstützt werden. Es gibt auch eine Reihe von Maßnahmen, die zu Überprüfungen führen. Man muss nur auf­passen, dass es nicht überbürokratisch wird. Man darf auch hier keiner Regelungswut verfallen, sondern muss auch einen gewissen Freiraum bieten und diesen entspre­chend leben – mit einem gesunden Maß auch an Eigenverantwortung.

Lassen Sie mich etwas zum Fachkräftemangel sagen, meine persönlichen Gedanken zum Stellenwert der Lehre, zum Image der Lehre. Ein bisserl nachdenklich stimmt mich schon, wenn Kolleginnen sich hierher ans Rednerpult stellen und sozusagen den scheinbar geringeren Stellenwert der Lehre in der Gesellschaft kritisieren und bemän­geln, gleichzeitig aber bei anderer Gelegenheit und an anderer Stelle kritisieren wür­den, dass wir eine zu geringe Akademikerquote haben, dass wir ein zu geringes Bil­dungsniveau im Vergleich zu anderen Bereichen, im Vergleich zu anderen Ländern ha­ben. – Uns als politischen Verantwortungsträgern in diesem Land muss klar sein, dass es an uns liegt, Frau Kollegin Mühlwerth, wie wir die öffentliche Meinung zum Lehrbe­ruf prägen.

Uns muss klar sein: Wenn wir Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Sams­tag sagen: Es gibt zu wenig Akademiker, wir haben ein zu geringes Bildungsniveau!, dann werden wir am Sonntag nicht sagen können: Die Lehre ist so toll und so super – und überhaupt! Das wird uns niemand abnehmen, das muss uns klar sein.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 60

Wir brauchen beides; wir brauchen eine gute, gesunde Mischung. Die Bildungschance ist eine Chance, die Höherqualifizierung ist eine Chance, und das ist positiv hervorzu­streichen, nur muss man eben auch so offen und ehrlich sein, in der öffentlichen Dis­kussion zu sagen: Wir brauchen beides! – Genau um diese Signalwirkung geht es.

Ein positives Beispiel hiefür ist für mich Lehre mit Matura. Da geht es nämlich nicht darum – und es soll aus meiner Sicht auch überhaupt nicht darum gehen, das wäre völlig verkehrt –, dass jetzt alle Lehrlinge automatisch eine Matura machen müssen. Im Gegenteil! Es geht um eine Perspektive, es geht um die Durchlässigkeit im Bildungs­system, und es geht eben darum, als Lehrling die Chance zu haben, wenn man will, wenn die Rahmenbedingungen passen, wenn es in die Lebensplanung passt, anschlie­ßend die Matura zu machen. Das ist das Entscheidende, und ich glaube, das müssen wir uns in Zukunft auch zu Herzen nehmen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vor­sitz.)

In diesem Sinne stimme ich persönlich und stimmt auch meine Fraktion diesem Paket heute sehr gerne zu.

Frau Kollegin Kemperle hat die außerordentliche Auflösung von Lehrverhältnissen an­gesprochen. – Mich wundert, dass ihr so kritisch seid. Da das eine Sozialpartner-Eini­gung ist, dachte ich, das sei klar, aber man lernt eben nie aus. Sie haben richtigerwei­se gesagt, dass es eine zweijährige Evaluierung geben soll und dass darüber im Natio­nalrat berichtet werden soll.

Das ist auch Gegenstand eines Entschließungsantrages, den ich an dieser Stelle ein­bringen möchte. Ich möchte nämlich, dass nicht nur im Nationalrat über diese Evaluie­rung diskutiert wird, sondern auch im Bundesrat.

Entschließungsantrag

der Bundesräte S. Zwazl, Mag. Klug, Mag. Baier, M. Kemperle, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Jugendbeschäftigungspaket 2008

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird ersucht, zu erheben, wie sich die im Berichtszeitraum ergriffenen Maßnahmen auf die Entwicklung der dualen Berufsausbil­dung auswirken, insbesondere ob und inwieweit es zu einer Veränderung der Zahl der in Ausbildung befindlichen Jugendlichen einschließlich jener, die sich in überbetriebli­chen Ausbildungseinrichtungen befinden und der verfügbaren Lehrstellen, einer quanti­tativen und qualitativen Erweiterung der beruflichen Erstausbildung sowie einer Ver­besserung der beruflichen Perspektiven der Jugendlichen gekommen ist, wie sich die Zahl und die Qualität der überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen und der Fach­kräftebedarf der österreichischen Unternehmen entwickelt hat. Weiters sind die Erfah­rungen, die in Zusammenhang mit dem Ausbildungsübertritt gemacht wurden sowie die Anzahl der nach einem Mediationsverfahren außerordentlich aufgelösten Lehrverhält­nisse anzugeben.

Durch den zweijährigen Bericht, der vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auch dem Bundesrat vorzulegen ist, soll evaluiert werden, ob der ,Ausbildungsübertritt‘ als neue Auflösungsmöglichkeit nur in wenigen Einzelfällen zerrütteter Lehrverhältnisse auftritt oder ob er so häufig auftritt, dass daraus ein Sinken der Attraktivität der Lehre und der Anzahl der abgeschlossenen Lehrverträge unter Berücksichtigung der Demo­grafie und der Konjunktur zu befürchten ist. In diesem Zusammenhang soll auch über­prüft werden, ob die garantierte Fortsetzung der Ausbildung nach erfolgten Auflösun­gen den Jugendlichen tatsächlich ermöglicht wird.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 61

Sollte sich eine Zielverfehlung abzeichnen, wird der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ersucht, dem Nationalrat zeitgerecht eine Regierungsvorlage zuzuleiten, um al­len Jugendlichen, die eine Lehrausbildung anstreben, diese auch in hoher Qualität zu gewährleisten.“

*****

(Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gruber.)

12.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte und verlesene Entschlie­ßungsantrag betreffend Jugendbeschäftigungspaket 2008 ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.04.40

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Als ehemaliger Lehrling kann ich sagen, ich wäre froh gewesen, hätte ich damals die Möglichkeit der „Lehre mit Matura“ gehabt. Dann hätte ich mir die Schwierigkeiten, die man hat, wenn man arbeiten muss und berufsbegleitend die Matura nachholen möch­te, ersparen können. Insofern können die Lehrlinge heutzutage froh darüber sein, dass sie diese Möglichkeit haben; vorausgesetzt, sie finden einen Lehrbetrieb, der dieses auch anbietet.

Zweifelsohne ist die Jugendbeschäftigung eine der wichtigsten Herausforderungen un­serer Zeit. Jugendliche ohne Arbeits- und ohne Ausbildungsplatz haben sehr schlechte Aussichten, jemals überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden. Wir alle wissen, dass die Anzahl der Arbeitsplätze, die keine oder nur eine geringe Qualifizierung erfordern, im­mer geringer wird. Deshalb muss die Integration aller Jugendlichen in eine Ausbil­dungs- und Arbeitsstruktur ein Anliegen sein.

Kollege Baier hat die oberösterreichische Erfolgsgeschichte angesprochen, und ich möchte das noch ganz kurz mit ein paar Zahlen untermauern. In Oberösterreich haben wir 20 Millionen € für die aktive Arbeitsmarktpolitik für Jugendliche investiert, und die Zahlen belegen, dass wir damit richtig gelegen sind. Die Jugendarbeitslosenquote be­trägt in Oberösterreich 3,6 Prozent; im Vergleich dazu der österreichische Durch­schnitt: 6,2 Prozent. In Kärnten sind es 7,8 Prozent.

Jeder Euro, den wir in die Ausbildung von Jugendlichen investieren, ist die beste Geld­anlage, die man sich überhaupt vorstellen kann.

Wir verabschieden heute eine Fülle von Neuerungen, die die Erwerbs- und Ausbil­dungssituation der Jugendlichen verbessern sollen. Eigentlich sind alle Maßnahmen zur Ausbildung von Jugendlichen nur deswegen notwendig, weil unser Bildungssystem diese Aufgabe nicht beziehungsweise nur sehr schlecht erfüllt.

Mit dem differenzierten Bildungssystem verbauen wir gleich einmal all jenen, die in den dritten Leistungsgruppen in den Hauptschulen landen, jede Chance auf eine höhere Qualifizierung. Es wird wesentlich schwieriger für diese jungen Menschen, eine besse­re Berufslaufbahn einzuschlagen. Daher fordern wir Grüne eine umfassende Bildungs­reform, die eine echte Chancengleichheit garantiert. Besonders Kinder und Jugendli­che, die von ihren Eltern in der Schule nicht so unterstützt werden können, müssen wir besser betreuen und ihnen Bildungschancen ermöglichen. Mit einem gut funktionieren­den Bildungssystem, von dem alle, auch die aus den sogenannten bildungsfernen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 62

Schichten, profitieren, können wir uns die hohen Kosten, die die Kompensation der mangelnden Schulbildung verursacht, ersparen.

Obwohl seit Jahren seitens der Wirtschaft ein Fachkräftemangel prognostiziert wird, hat die Bundesregierung keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen. Unterschiedliche Fakten tragen dazu bei, dass immer weniger Jugendliche einen Lehrberuf anstreben. Eine große Abschreckung besteht darin, dass das Prestige eines Lehrlings nicht gera­de ein hohes ist; das haben wir jetzt schon mehrmals gehört und andiskutiert. Ich selbst war auch Lehrling und habe das miterleben müssen; zum Glück nicht im eige­nen Betrieb, denn ich habe einen sehr guten, sehr engagierten Lehrherrn gehabt, der sich die Zeit genommen hat, mit mir zu lernen, mich auf die Prüfungen vorzubereiten, aber ich habe in der Berufsschule auch Kollegen und Kolleginnen in meiner Klasse ge­habt, die nicht dieses Glück hatten. Es gibt Betriebe, wo die Tätigkeit eines Lehrlings darauf beschränkt ist, Dinge wegzuräumen, hin- und herzutragen, und das schlägt sich dann natürlich auch in der Qualität der Ausbildung und am Wissensstand leider zum Nachteil des Lehrlings nieder.

Teilweise hat sich das leider Gottes auch in den Berufsschulen fortgesetzt. Als Lehrling war ich natürlich auch in der Berufsschule, wo meines Erachtens zu wenig Wert auf die pädagogische Ausbildung gelegt wird. Die BerufsschullehrerInnen werden ohne päda­gogische Qualifizierung eingesetzt. Diese können sie erst im Nachhinein oder im Zuge ihrer Tätigkeit nachholen. Der Berufsschullehrer ist aber nicht nur als Lehrer engagiert, sondern er ist auch Pädagoge und gleichzeitig als Erzieher tätig, weil die meisten Be­rufsschulen auch ein Internat haben. Daher greifen hier sozusagen drei Berufsdiszipli­nen ineinander, weshalb man auch auf die Ausbildung sehr großes Augenmerk legen sollte.

Um SpezialistInnen und erfolgreiche Fachkräfte in der Berufsschulausbildung zu be­kommen, müssen attraktive Angebote für die Profis geschaffen werden, damit sie ihr Know-how und ihr Fachwissen auch an die Lehrlinge weitergeben.

Eine Aufwertung der Lehre muss Hand in Hand mit einem respektvollen Umgang mit den Auszubildenden gehen. Für mich gilt generell: Wenn ich von jemandem Leistung und Einsatz verlange, muss ich dieser Person zumindest mit Respekt gegenübertreten. Wenn ich daran denke, wie mancherorts Lehrlinge behandelt werden – und da habe ich auch die Berufsschulen etwas in die Kritik mit hineingenommen –, dann muss ich sagen, wir sind derzeit leider Gottes noch diesem Anspruch fern. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich noch einige Interventionen setzen können.

Mit einem Anreizsystem könnten Betriebe gefördert werden, die Lehrlinge ausbilden, die eine ausgezeichnete Leistungsbilanz vorweisen können. Dies gelingt aber nur dann, wenn wir optimale Ausbildungsvoraussetzungen vorfinden.

Problematisch ist die Ausweitung des Kombilohnsystems. Damit wurden in Deutsch­land keine guten Erfahrungen gemacht. Meist werden Arbeitsplätze im Niedriglohnsek­tor subventioniert. Profitieren tut in erster Linie jener Arbeitgeber, der im Vorhinein schon geringe Personalkosten hat, weil er einfach nicht mehr zahlen kann oder zahlen will. Die wenigsten Arbeitsverhältnisse, die mit Hilfe des Kombilohnsystems zustande kommen, können in Dauerarbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Hier könnte man mit einer alten grünen Forderung nach einem Mindestlohn zumindest die gröbsten Missstände beheben.

Das zu beschließende Gesetz sieht vor, die Lehrlingsförderung aus dem Insolvenzaus­fallsfonds zu speisen. Ich halte das für eine suboptimale Lösung. Viel gerechter wäre es, einen Lehrlingsausbildungsfonds zu schaffen, in den jene Betriebe einzahlen, die zwar Fachkräfte beschäftigen, aber nichts oder nur sehr wenig zu deren Ausbildung beitragen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 63

Notwendig ist auch eine bessere Unterstützung von Lehrlingen mit besonderen Bedürf­nissen. Und ich finde es super, dass es da sozusagen einen Sonderpreis geben wird.

Wir werden dem vorliegenden Gesetz unsere Zustimmung erteilen, weil es eine kleine Verbesserung darstellt. Ohne eine umfassende Bildungs- und Berufsausbildungsre­form werden wir es jedoch auf lange Sicht nicht schaffen, ausreichend qualifizierte Fachkräfte hervorzubringen. Hier hoffe ich, dass wir noch weitere spannende Diskus­sionen in diesem Hause haben werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte.

 


12.12.33

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Gruber: Das wird jetzt eine Zusammen­fassung!) Kollege Gruber, es wird eher keine Zusammenfassung werden. (Heiterkeit.) Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Ich möchte vorausschicken, wie Kollegin Kemperle schon gesagt hat, dass dieses Pa­ket auf einer Sozialpartnereinigung beruht. Herr Kollege Klug! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten mit der Sozialpartnerschaft doch wieder große Freude, weil sie wieder einen entsprechenden Stellenwert in der Bundesregierung hat. Darüber sind wir alle froh und stolz darauf. Ich glaube, das darf ich hier vorausschickend erwähnen.

Frau Kollegin Mühlwerth hat doch einiges dazu beigetragen, dass sich alle Redner mehr oder weniger bei ihr eingefunden und sie darauf hingewiesen haben, dass sie in einigen Bereichen, so zum Beispiel bei „Karriere mit Lehre“, doch sehr auf dem Holz­weg war. Efgani Dönmez hat aus seiner eigenen Erfahrung berichtet, was möglich wä­re, wenn es diese Voraussetzungen damals schon gegeben hätte. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Grosso modo muss ich schon sagen, da müssen Sie noch einmal in dieses Paket hineinlesen und sich kundig machen, und dann kann man hier heraußen große Reden halten. Zumindest eine kleine fundierte Lesung der Vorlage wäre vonnöten gewesen.

Es ist in diesem Paket aus Vorarlberger Sicht nicht alles Gold, was glänzt, haben wir doch in einigen Bereichen Bedenken, insbesondere bei der Änderung des sogenann­ten Blum-Bonus und vor allem natürlich was die Lehrlingskündigung anbelangt. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Frau Präsident! Wir verkomplizieren hier Begriffe, die dann unsere Bürger nicht verstehen und deshalb uns wieder schimpfen. Wir sollten doch den Menschen hier mit einfachen Begriffen begegnen. Bedenken haben wir na­türlich auch bei der Ausbildungsgarantie, so gut sie ist und so sehr sie zu befürworten ist, denn bei der Umsetzung im Ländle schaut es dann doch etwas anders aus.

Vorarlberg ist anders, wie wir heute schon gehört haben, und deshalb möchte ich auch aus Vorarlberger Sicht hier einiges einbringen.

Frau Staatssekretärin, ich glaube, es ist ja schon durchgedrungen, dass die „Länd­leaner“, die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, ein bisschen einen anderen Zugang haben, obwohl wir natürlich die Aktivitäten und alles, was sich im Bereich der Lehre ge­tan hat, auch diesen „Tag der Lehre“, sehr schätzen. Das ist schon bis über den Arl­berg durchgedrungen, dass hier Aktivitäten seitens der Staatssekretärin und des Bun­desministers gesetzt worden sind, die durchaus sehr, sehr lobenswert und sehr erwäh­nenswert sind. Also nicht, dass Sie glauben, dass wir hier nur kritisieren wollen – ganz im Gegenteil.

Grundsätzlich ist die Zielsetzung einer umfassenden Arbeitsmarktintegration von Ju­gendlichen in Verbindung mit der Garantie einer beruflichen Ausbildung für Jugendli­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 64

che ausdrücklich zu begrüßen. Natürlich bedarf es auch einer Weiterentwicklung der Fördersysteme und Rahmenbedingungen und einer Stärkung der dualen Ausbildung, die auch niemand in Frage stellt, weil es eben ein Erfolgsmodell ist. Dieses Erfolgsmo­dell Lehrlingsausbildung möchte ich anhand einer Statistik noch kurz darlegen.

Wir haben in verschiedenen Bundesländern so erfreuliche Entwicklungen, dass wir in­zwischen mehr Lehrstellenangebote als Lehrlinge haben. Das zeigt, mit welch großer Sorgfalt und welch großem Engagement man hier unterwegs ist. Ich darf die Zahlen von ein paar Bundesländern hier zitieren: Kärnten hat einen Überhang von 108, näm­lich 333 verfügbare Lehrstellensuchende und 441 offene Lehrstellen; Oberösterreich: 467 verfügbare Lehrstellensuchende, 719 offene Lehrstellen, ein Überhang von 252; Salzburg: 171 verfügbare Lehrstellensuchende, 622 verfügbare Lehrstellen, eine ge­waltige Zahl; Tirol: 295 Lehrstellensuchende und 540 offene Lehrstellen.

Nur durch die Probleme in Wien, sage ich jetzt einmal, wird die Statistik ins Negative gekehrt. Hier haben wir 1 096 Lehrstellensuchende und nur 384 offene Lehrstellen. Al­so insbesondere in Wien, glaube ich, müssen wir sehr daran denken, weiter initiativ zu sein und weiteres Engagement zu entwickeln.

Wir beurteilen deshalb auch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem AMS und den Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammer sehr positiv.

Ich darf weiters die geplante Förderung von Ausbildungsverbünden hervorheben, so wie es in Vorarlberg jetzt bereits einige gibt. Es gibt ja das Ausbildungsverbundmodell Vorarlberg, von der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und vom Land Vorarlberg getragen, wo bereits die ersten Projekte in Angriff genommen werden.

Kommen wir aber jetzt zu den Problemen. Das kleine Land Vorarlberg wird sicher im Bereich der Ausbildungsgarantie bei Beendigung von Lehrverhältnissen, was überbe­triebliche Lehrwerkstätten anbelangt, Probleme haben, denn wir haben nur zwei derar­tige Einrichtungen: für Tischler und für Metaller. Wo bringen wir alle anderen Berufs­gruppen unter, Friseure, kaufmännische Lehrlinge, Metzger, die ihre Lehre abbrechen oder auch gekündigt werden nach diesen Mediationsverfahren? Ich möchte jetzt nicht zu sehr polemisch sein, aber: Sind dann Doppellehren angedacht? Gibt es dann Fri­seur-Tischler oder Metall-Metzger?

Das wird also bei uns schwer umsetzbar sein, weil eben die Kleinheit des Landes diese Problematik mit sich bringt und vielen auch unmöglich machen wird, ihren Lehrab­schluss zu machen, bei allen Aktivitäten, die wir hier setzen.

Jeder betriebliche Ausbildungsplatz, das ist mir auch wichtig, ist außerdem weit über jene – das haben wir heute schon gehört, was für einen Stellenwert die duale Ausbil­dung hat – in einem überbetrieblichen Ausbildungszentrum zu stellen, weil das eben nicht so sehr diesem Hintergrund der dualen Ausbildung entspricht.

Eine Problematik, die ich aus eigener Erfahrung auch kenne, ist: Wenn jemand seine Lehre, aus welchen Gründen auch immer, nach dem zweiten Lehrjahr abbricht, dann wird er schwer auf eine Lehrstelle zu vermitteln sein, weil im dritten Lehrjahr der Lehr­ling die meisten Kosten verursacht, wenn man das so sagen kann. Wer nimmt da noch einen Lehrling, der sein Lehrverhältnis beendet hat oder dessen Lehrverhältnis durch Kündigung beendet wurde, im dritten Lehrjahr? – Das wird die große Herausforderung werden.

Ich habe in einem Arbeitslosenprojekt der Stadt Feldkirch, das ich selbst leite, einige derartige Probleme lösen können, aber das war schwierigste Materie, ganz, ganz schwierig; das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn jede Alternative zu einem ech­ten Lehrplatz kostet den Steuerzahler eben um ein Vielfaches mehr als dieser duale Ausbildungsplatz. Das Hauptaugenmerk ist eben von uns auch darauf zu richten, alles


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 65

dafür zu tun, den Jugendlichen weiterhin betriebliche Ausbildungsplätze nach ihren In­teressen, Neigungen und Begabungen zu ermöglichen.

In Vorarlberg entscheidet sich noch jeder zweite Jugendliche, eine Lehre zu beginnen. Österreichweit liegt diese Quote in etwa bei 40 Prozent. Die Tendenz ist leider nicht steigend, obwohl wir jetzt gute Zahlen vorzuweisen haben.

Das Lehrlingsförderungsprogramm im Rahmen des sogenannten Blum-Bonus hat, wie die Frau Staatssekretärin schon gesagt hat, Tausende zusätzliche Lehrstellen ge­schaffen und in die Betriebe gebracht. Und deshalb dürfen wir auch für die Initiativen von Kommerzialrat Egon Blum sehr dankbar sein, weil er mit der Regierung hervorra­gende Programme initiiert hat.

Deshalb ist auch, weil wir natürlich im engsten Einvernehmen mit Kommerzialrat Blum die Materie kennen, die Weiterentwicklung im Rahmen des Blum-Bonus für uns Vorarl­berger keine Weiterentwicklung, wenn das auch für andere Bundesländer in dieser Form gelten mag, wobei ich gegen die Qualitätskriterien, die da drinnen sind, keine Einwendungen habe. Das ist in Ordnung so und kann auch entsprechend weiter umge­setzt und dann hoffentlich auch evaluiert werden. Bei diesem Entschließungsantrag, der hier vorgelegt wurde, geht es einfach darum, Zahlenmaterial zu ermitteln, zu eva­luieren und, wenn es Probleme gibt, gleich entsprechende Maßnahmen zu setzen, Be­schlüsse zu fassen. Damit können wir uns natürlich auch sehr identifizieren. Ich denke, das ist wichtig.

Wir werden deshalb in Vorarlberg mit Kommerzialrat Blum ein eigenes Ländle-Modell entwickeln. Wir werden diesen Ansatz weiterentwickeln, damit wir dieses Blum-Modell in Vorarlberg im selben Umfang, mit Akzeptanz in der Lehrlingsausbildung, weiter fort­führen können.

Vorarlberg ist eben anders, wie Kollegin Kemperle gesagt hat; sie hat sich bei uns klug gemacht. Wir haben, was duale Ausbildung anlangt, einen sehr hohen Stellenwert und sehr hohe Qualitätsansprüche.

Um noch einmal auf diese Lehrlingskündigung zurückzukommen, mit dem vereinbarten Begriff, Frau Präsidentin: Hiezu gibt es aus dem Ländle nur negative Stellungnahmen, weil wir Sorge haben, dass eine erweiterte Kündigungsmöglichkeit die Verantwortung für den betrieblichen Teil von den Lehrbetrieben zum AMS beziehungsweise zu den überbetrieblichen Ausbildungswerkstätten überträgt. Und wir sind besorgt, dass das vielleicht in Vorarlberg dem Ansehen der dualen Ausbildung schaden könnte.

Wir haben in Vorarlberg mehr als 8 000 Lehrverhältnisse, Lehrlinge. Davon wurden im letzten Jahr etwa 920 aufgelöst, das heißt, dieser Prozentsatz liegt in etwa bei 13 Pro­zent. Das ist schon ein relativ hoher Wert, aber das wurde auch ohne diese erweiterten Kündigungsmöglichkeiten bewerkstelligt. Also: 13 Prozent haben sich aus der Lehre verabschiedet, ohne dass es diese Kündigungsmöglichkeit gab. Und jetzt haben wir eben Sorge, dass sich diese Quote weiter nach oben entwickelt. Das ist die große He­rausforderung, die es sehr genau im Auge zu behalten gilt.

Ich bin seit 20 Jahren selbst Lehrlingsausbildner. Die Stadt Feldkirch war der erste Lehrlingsausbildner im Land Vorarlberg. Wir haben jedes Jahr in etwa 14 Lehrlinge auszubilden, und deshalb setze ich mich auch sehr mit jungen Leuten auseinander. Viele Vorarlberger Gemeinden sind diesem Beispiel inzwischen gefolgt, auch das Land Vorarlberg macht Lehrlingsausbildung. Ich kann Ihnen deshalb auch aus eigener Er­fahrung sagen, es gibt oft Probleme mit jungen Menschen in der Pubertät. Hier ist dann der Lehrbetrieb, der Lehrlingsausbildner, der Lehrverantwortliche gefordert, mit Unter­stützung durch entsprechende Maßnahmen im Bereich Kompetenz und Coaching auf diese jungen Leute einzugehen, zuzugehen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 66

Ich kann mit diesem Mediationsverfahren, obwohl es natürlich, was den Zeitraum an­belangt, sehr lang ist, in irgendeiner Form auch leben, aber unserer Meinung nach soll­te dann nicht unbedingt ein Kündigungsverfahren angeschlossen werden. Das ist eben die Problematik dabei.

Zum Schluss kommend, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen: Das Land Vorarlberg hat eine ablehnende Stellungnahme zu dieser geplanten Lehrlingskündigung abgege­ben, der Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber eine vehemente ablehnende Stel­lungnahme, und auch die Vorarlberger Arbeiterkammer und der Vorarlberger ÖGB ha­ben, wie gesagt, negative Stellungnahmen dazu abgegeben. Es gibt insgesamt 20 000 Unterschriften dagegen aus dem Land Vorarlberg, von der ÖAAB/FCG-Arbeiterkam­mer-Fraktion, von der FSG-Arbeiterkammer-Fraktion, zur Sicherheit unterschiedlich ge­sammelt, aber insgesamt 20 000.

Sogar Leute aus dem Wirtschaftsbereich haben sich dagegen ausgesprochen und die­se „Petition“ – unter Anführungszeichen – mit unterschrieben. Ich möchte nur einen hier anführen: den Obmann der Sektion Industrie in der Wirtschaftskammer, Christoph Hinteregger, und das ist kein Unbekannter bei uns im Land.

Die Vorarlberger Bundesräte, Präsident Jürgen Weiss und meine Wenigkeit, werden deshalb der Lehrlingskündigung im Rahmen dieses Jugendbeschäftigungspaketes kei­ne Zustimmung erteilen, weil wir der Meinung sind, junge Menschen in der Lehrlings­ausbildung sollten im höchstmöglichen Ausmaß gefördert und gefordert werden und nicht, so wie in diesem Paket enthalten, gekündigt werden. – Ich danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


12.26.00

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich bin auch ein ehemaliger Lehrling wie Herr Bun­desrat Dönmez und bereits seit vielen Jahren auch Lehrlingsausbildner wie Herr Bun­desrat Mayer. Ich spreche also ein bisschen aus eigener Erfahrung und möchte mich positiv zu dem vorliegenden Gesetzentwurf insgesamt äußern.

Nur, Frau Bundesrätin Kemperle: Den Meilenstein, von dem Sie hier gesprochen ha­ben, hat es schon wesentlich früher gegeben, unter einer Koalition, die nicht rot-schwarz, sondern schwarz-blau, später schwarz-orange war, einen Meilenstein in der Form, dass damals eine Lehrlingsoffensive gestartet wurde, die jetzt eine Fortführung beziehungsweise eine Anpassung erfährt. (Bundesrat Mag. Klug: Eine Verbesserung!)

Erinnern wir uns, eine Forderung der Lehrbetriebe war immer, dass die Abgeltung der Zeiten, die der Lehrling in der Berufsschule verbringt, nicht der Betrieb zu zahlen hätte, sondern die öffentliche Hand, so wie das auch bei den höheren Schulen der Fall ist. 2001 wurde dann dieser Tausender eingeführt, und der hat in etwa das ausgemacht, was Lehrlinge an Lehrlingsentschädigung für zwei Monate erhalten.

Jetzt wird das abgeändert, angepasst, realistischer gestaltet, nämlich in der Form, dass im ersten Lehrjahr drei Lehrlingsentschädigungen gezahlt werden, im zweiten Lehrjahr zwei und im dritten Lehrjahr eine Lehrlingsentschädigung. Das entspricht in etwa dem, was auch bisher der Fall war. Die Blum-Prämie wird weitergeführt, das heißt, sie wird eigentlich ergänzt durch die Prämien für Aus- und Weiterbildung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Problematik, die hier teil­weise angesprochen wurde, kenne ich. Die positive Entwicklung, von Bundesrat Mayer dargestellt, dass wir bereits mehr Lehrstellen anbieten, als wir Lehrstellensuchende ha­ben, wird sich in der nächsten Zeit fortsetzen, nämlich aus dem Grund, dass jetzt die


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 67

geburtenschwächeren Jahrgänge kommen werden. Deshalb muss das Lehrlingsför­derungsgesetz auch immer an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.

Trotzdem, die kritischen Betrachtungen der Frau Bundesrätin Mühlwerth kann ich größ­tenteils mittragen, nicht alles natürlich, aber größtenteils, denn die Regelungen müssen dort hinterfragt werden, wo es noch Probleme gibt, und man sollte auch nicht stehen bleiben. Der Unterschied ist nur der, dass wir glauben, dass dieses Gesetz für die Aus­bildung unserer jungen Menschen, wie wir es heute beschließen, ein weiterer Schritt ist, der ständig evaluiert und an die neuen Herausforderungen angepasst werden muss. Und mit diesem Gesetz habe ich eigentlich das Gefühl, dass es in die richtige Richtung geht. Deshalb werden wir diesem Gesetz auch die Zustimmung erteilen. (Bei­fall des Bundesrates Ing. Kampl sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


12.29.54

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um Lehrlinge geht, muss ich irgendwann einmal ans Rednerpult, und jetzt ist es so weit.

Die Zahlen, die wir gehört haben, sind aus dieser Statistik von Kommerzialrat Blum. Und in dieser Statistik sind nur die offenen Lehrstellen enthalten, die beim AMS gemel­det werden. Wir wissen aber ganz genau, dass ein Großteil der Betriebe leider die offe­nen Lehrstellen nicht meldet – und zwar deshalb, weil sie die Lehrlinge über Mitarbeiter und in der Region suchen. Wir wissen, dass wir, die Unternehmen, ganz einfach mehr junge Leute brauchen, die sich ausbilden lassen. Aber weil eben die Lehre für die El­tern und in der Bevölkerung noch nicht so attraktiv ist, haben wir, die Wirtschaft, Pro­bleme.

Wir diskutieren auch immer wieder, wie die Betriebe vorgehen sollen, wie die Betriebe die Lehrlinge ausbilden sollen. Ich finde, den ersten Schritt, den man bei jungen Leuten zu machen hat, ist ganz einfach der, dass man eine Potenzialanalyse macht. Danke, dass du, Frau Staatssekretärin, darauf so drängst, dass man das jetzt in der Schule macht, dass man schaut: Wofür ist denn der junge Mensch geeignet? Was ist er denn für ein Typ? Welche höher bildende Schule und welcher Beruf sind für ihn geeignet?

Wir in der Wirtschaft, wir brauchen wirklich jeden. Und ich denke mir, dieses Paket, das wir jetzt hier auf dem Tisch liegen haben, ist wirklich eine Verbesserung und eine Ver­feinerung. Wir haben auf der einen Seite die Basisförderung. Die Basisförderung ist ja im Grunde genommen jetzt viel gerechter, weil sie wirklich die Kosten ersetzt. Es gibt ja verschiedene Höhen bei den Lehrlingsentschädigungen, und dadurch bekommt der Betrieb jetzt die Lehrlingsentschädigung refundiert, die er auch in diesem Beruf zu zah­len hat, und es kommt annähernd an die Summe heran, die uns, den Betrieben, die Berufsschule kostet. Das ist das, was wir uns gewünscht haben.

Und: Es gibt jetzt zusätzlich die Blum-II-Prämie. Der Blum-II-Bonus ist jetzt weitaus ver­bessert worden. Blum II war ja nur ein Anreiz für Betriebe, die noch keine Lehrlinge ausgebildet haben oder die schon längere Zeit keinen Lehrling ausgebildet haben, oder damit sie sagen: Könnten wir uns mit einer Unterstützung doch noch einen zusätzli­chen Lehrling nehmen? – Jetzt wird genau das gemacht, was Herr Kommerzialrat Blum von Anfang an immer gesagt hat – und ich muss ehrlich sagen, er ist ein exzel­lenter Fachmann –, nämlich: Was können wir tun, um die Qualität der Ausbildung noch zu heben? – Das heißt, was können wir den Betrieben noch zumuten, damit sie sich noch mehr bemühen, damit die Lehrlinge noch ein höheres Niveau bekommen? – Da­für gibt es jetzt einen Anreiz.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 68

Nach der Hälfte der Lehrzeit, mit einem Ausbildungsnachweis – das ist so ähnlich wie ein Werkstattbuch – tritt der junge Mensch zu einem Zwischentest an. Wenn er diesen Test besteht, bekommt der Betrieb eine Förderung. Wenn er diesen Test nicht besteht und der Betrieb es auf sich nimmt und sagt: warum?, wo sind denn seine Schwächen?, und mit ihm diese Schwächen übt und weiterhin diesen Ausbildungsnachweis führt, dann bekommt der Betrieb bei der Lehrabschlussprüfung – wenn er die dann besteht, und auch in diesen Fehlern, die er gehabt hat – auch eine Förderung. Diese beträgt al­lerdings die Hälfte.

Und weil auch immer wieder hier darüber gesprochen wurde und weil mich das als Un­ternehmerin auch ein bisschen stört: Wenn es um die Frage geht, woher die Gelder, die die Unternehmen erhalten, kommen, dann muss ich sagen, sie kommen großteils aus dem Insolvenzsicherungsfonds – und das ist ein Fonds, in den großteils die Unter­nehmer einzahlen.

Ich glaube, dass wir hier wirklich ein ausgesprochen gutes Papier vorliegen haben, ge­rade deshalb, weil wir schauen, dass mehr Kinder eine Lehrstelle bekommen, und es den Betrieben erleichtern, die Lehrlinge noch besser auszubilden. Wir bekommen Un­terstützung für die Ausbildner und, was etwas ganz Wichtiges ist und was wir immer wieder vergessen: Es gibt ja nicht nur Hochbegabte, es gibt ja auch junge Leute, die ganz einfach schwerer lernen. Auch hier gibt es jetzt Anreize und Möglichkeiten.

Es gibt jetzt Förderungen, dass man Lernschwachen hilft. Wir in Niederösterreich ha­ben zum Beispiel eine kostenlose Nachhilfe. Aber es ist so: Wenn jemand bei einer Lehrabschlussprüfung durchfällt, ist das jetzt nicht mehr mit Kosten verbunden; er be­kommt eine zusätzliche Schulung, und er kann wieder kostenlos bei der Prüfung antre­ten.

Was den Ausbildungsübertritt anbelangt, so muss ich ganz einfach sagen, hier werden Ängste geschürt. Es gibt derzeit ungefähr 4 Prozent an Lösungen; und da muss man auch schauen: Warum wird ein Lehrvertrag gelöst?, und: Was ist in der Statistik alles drinnen? – Es ist zum Beispiel in der Statistik drinnen, dass es ein neuer Lehrvertrag ist, wenn es eine Namensänderung des Betriebes gibt. Ich bin da auch erst draufge­kommen, als ich die Statistiken durchgearbeitet habe, weil mich das ganz einfach inter­essiert, warum ein Lehrvertrag gelöst wird und wie oft er von einem Lehrling gelöst wird.

Ich muss ehrlich sagen, mir geht es darum, dass man die Lösung enttabuisiert. Wer, bitte, macht sich Gedanken, wenn ein Student seine Studienrichtung ändert, weil er draufkommt, das ist nicht das, was ich will? – Ja, Gott sei Dank soll das doch der junge Mensch auch! Wir können doch nicht von einem jungen Menschen diese Disziplin und dieses Durchdrücken verlangen, wenn er sieht, er ist in einer Branche, die für ihn nicht geeignet ist.

Machen wir uns doch nichts vor: Wenn er irgendwo ist, wo es aus irgendwelchen Grün­den nicht passt, dann ist es doch gescheiter, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir schauen, dass der junge Mensch woanders eine Lehrstelle bekommt, wo er wirklich in vollster Zufriedenheit seinen Beruf machen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

Wir alle wissen, dass man ununterbrochen weiterlernen muss, und das tut man nur dann, wenn man einen Beruf eingeschlagen hat, der einem auch Freude macht. Bün­deln wir doch das Ganze und probieren wir es! Was ist denn dabei, wenn wir das eva­luieren?

Wir haben in Niederösterreich seit zwei Jahren eine einvernehmliche Lösung des Lehr­verhältnisses, gemeinsam mit dem AMS, mit der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskam­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 69

mer, natürlich sind da auch die Eltern eingebunden, und ich muss sagen, wir haben auch ein Mediationsverfahren. Wenn sozusagen eine Irritation auftritt, kommt das Me­diationsverfahren sofort und nicht erst in vier Monaten – das muss ich ein bisschen kri­tisch bemerken –, und es ist so, dass drei Viertel dieser Mediationsgespräche dazu führen, dass das Lehrverhältnis wieder zur vollsten Zufriedenheit beider Teile weiterge­führt wird. Und dort, wo es ganz einfach nicht funktioniert, schauen wir eben, dass der junge Mensch eine für ihn adäquate und gute Lehrstelle bekommt. Warum sagen wir denn jemandem, auch wenn der Lehrherr oder der Ausbildner – es ist ja nicht immer der Unternehmer – mit dem Lehrling keine Freude hat und wenn der Lehrling nicht will: Du musst da durchdrücken!?

Jetzt haben wir die Möglichkeit – versuchen wir es doch! Wir sind ja auch vom Wort „Kündigung“ weggegangen, wir haben ausdrücklich gesagt: „Ausbildungsübertritt“. Und was heißt ein Ausbildungsübertritt? – Die Ausbildung in diesem Betrieb ist beendet, und du bekommst die Möglichkeit einer anderen Ausbildung.

Und, Edgar, wenn wir einen jungen Menschen zwei Jahre in einem Betrieb haben, dann werde ich ihn nicht im dritten Lehrjahr, wo er ja schon sehr viel Wissen hat, ganz einfach just for fun auf die Straße setzen. (Bundesrat Bader: Das hat ja niemand be­hauptet – just for fun!) Also ich möchte das wirklich – Edgar, bitte –, ich möchte gerne, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, das, was wir jetzt in Niederösterreich haben – und was wirklich gut ankommt, auch bei unserem Sozialpartner –, ganz einfach österreich­weit zu testen – und nach zwei Jahren wird evaluiert.

Ich glaube, wir alle machen das nur im Interesse unserer Lehrlinge, im Interesse unse­rer Jugend. Wir sind hier gut unterwegs, wir haben ja 3 Prozent mehr Lehrlinge als im Vergleichsmonat des Vorjahres, und wir haben 4 Prozent mehr Erstjahreslehrlinge als im Vorjahr. Das heißt, wir sind bis jetzt schon gut unterwegs, und mit diesen neuen Möglichkeiten, mit diesen Zusatzqualifikationen, mit diesen Hilfen, mit diesen Unterstüt­zungen für Begabte und für Schwache glaube ich, dass wir den Lehrberuf noch attrakti­ver machen und vor allem dass wir erfolgreiche Fachkräfte heranbilden, die die Wirt­schaft braucht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Grü­nen.)

12.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Da dieser Beschluss Verfassungsbestimmungen enthält, bedarf dieser nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Drit­teln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 70

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss keinen Einspruch zu erheben.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 die Zustimmung zu erteilen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Zwazl, Mag. Klug, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Jugendbeschäftigungspaket 2008 vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 208-BR/08.)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Ju-
ni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäfti­gung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.40.41 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (524 d.B. und 573 d.B. sowie 7957/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

 


12.40.50

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Ju­ni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


12.41.37

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kol­legen! Ich finde es außerordentlich erfreulich und begrüße den Beschluss, den wir heu­te fassen. Es ist ein wichtiger Schritt, es ist ein erster Schritt, um jenen Arbeitnehmerin­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 71

nen und Arbeitnehmern, die im unteren Einkommensbereich liegen, unter die Arme zu greifen. Es sind 1 Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die monatlich eine Ver­besserung ihres Einkommens erhalten und dadurch profitieren. Mir ist es persönlich äußerst wichtig, dass die Entlastung für jene Personengruppen greift, die ein niedriges Einkommen haben, jene, die von der derzeitigen Preissteigerung am meisten betroffen sind.

Eine Reihe von Ausgaben für Dinge des täglichen Gebrauchs sind in den letzten Mo­naten deutlich gestiegen: die Energiekosten, sprich Treibstoff, Strom und Gas, die Wohnungskosten, die Lebensmittelpreise. Es ist eine wichtige Maßnahme zur Infla­tionsbekämpfung, und es darf auch nicht die letzte sein. Es ist der richtige Ansatz, dass man jene Arbeitnehmerinnen, jene Arbeitnehmer, die nicht viel verdienen, entlastet.

Um die Eckpunkte dieser Novellierung zu skizzieren: Die arbeitnehmerseitige Beitrags­befreiung von 3 Prozent der Arbeitslosenversicherung im Niedrigbereich für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von der Geringfügig­keitsgrenze bis 1 100 €. Über 1 100 € bis 1 200 € beträgt der vom Arbeitnehmer zu tra­gende Anteil 1 Prozent; das heißt, es wird hier um 2 Prozent reduziert. Über 1 200 € bis 1 350 € werden hier 2 Prozent herangezogen; das heißt, es wird um 1 Prozent re­duziert. Der Nettolohn steigt bei einem Einkommen bis 1 100 € um 3,7 Prozent, bis 1 200 € um bis zu 2,4 Prozent und bis zu 1 350 € bis zu 1,2 Prozent. Diese Entlastung kommt zirka 1 Million Beschäftigten und damit rund einem Drittel der in der Arbeitslo­senversicherung Pflichtversicherten zugute. Die Gesamtsumme der Entlastung beträgt 300 Millionen €.

Wenn man hier ein Rechenbeispiel hernimmt: Bei einem Monatseinkommen von 1 050 € brutto ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 14 700 €. Es sind leider noch Hunderttausende, die sich in diesem Einkommensbereich befinden. Es sind davon großteils Frauen betroffen. Wenn man somit den Entfall des Arbeitslosenversiche­rungsbeitrages errechnet, so bedeutet das für die Betroffenen eine Entlastung von 440 € jährlich.

Sehr geschätzte Damen und Herren, es wird hier ein Teil des Geldes des Steuerre­formpakets verwendet. In Summe bin ich persönlich davon überzeugt, dass dies eine wichtige und eine richtige Maßnahme für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich darstellt. Es ist ein Teilstück von Entlastungen, das nicht das letzte sein darf, in jener schwierigen Preissituation, die wir derzeit in unserem Land durch die hohe Inflation und die hohe Teuerung haben. So erscheint es mir sehr wichtig, dass diese Maßnahme bereits mit 1. Juli in Kraft treten wird.

Es gibt aber auch wichtige Schritte zur Entlastung derer, die auf das Auto angewiesen sind und von den hohen Treibstoffpreisen massivst belastet werden. Ab 1. Juli wird die Pendlerpauschale um 15 und das Kilometergeld um 12 Prozent erhöht.

Aber auch seitens der Länder sollte und muss man zur Entlastung der Bürger beitra­gen. Das Bundesland Burgenland geht da mit einem guten Beispiel voran: Das SPÖ-Regierungsteam hat das größte Entlastungspaket der letzten zehn Jahre beschlossen. Damit setzt das Land Burgenland den bislang kräftigsten Entlastungsimpuls für die Pendlerinnen und Pendler sowie für die Heizkostenzuschussbezieher. Der Heizkosten­zuschuss für einkommensschwache Haushalte wird von 71,5 auf 145 € verdoppelt und der Fahrtkostenzuschuss für die Pendlerinnen und Pendler massiv ausgeweitet. Zu­sätzlich können durch die Ausweitung des Bezieherkreises in Zukunft auch noch mehr Personen vom Fahrtkostenzuschuss profitieren.

Das rotgoldene Entlastungspaket beweist, dass das Burgenland für eine Politik mit so­zialer Handschrift sorgt: Ein wesentlicher Punkt im Budget 2009/2010 ist eine verstärk­te Absicherung der sozialen Strukturen. Die Mehreinnahmen bei der Mineralölsteuer


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 72

werden an die Pendlerinnen sowie die Pendler und die Bezieher des Heizkostenzu­schusses eins zu eins weitergegeben. Auch die Lehrlinge, die bis jetzt noch keinen Zu­schuss erhalten haben, werden in Zukunft davon profitieren. Das sind wichtige Schritte, um die Menschen zu entlasten.

Es ist die heutige Novellierung, die die Bundesregierung eingeleitet hat und der wir heute im Bundesrat unsere Zustimmung geben werden, auch ein wichtiger Schritt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

12.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte.

 


12.48.39

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! (Bundesrat Ing. Kampl: Vor wem reden wir denn?) Vor wem? – Vor der Frau Bundesministerin, vor der Frau Staatssekretärin und vor den Kolleginnen und Kollegen reden wir, Herr Kollege Kampl. Aber ich hoffe, das hat nichts mit uns beiden zu tun, oder? (Bundesrat Ing. Kampl: Wir zwei sind immer da! Wir haben Respekt vor den Kollegen! – Allgemeine Heiterkeit.) Wir zwei sind immer da, das ist klar, Kampl und Mayer! Es ist ein guter ... (Ruf bei der SPÖ: Kampl-Mayer!) Bitte, keine Scherze! – Vielleicht kann man das aus dem Protokoll herausstreichen. Das wäre auch, glaube ich, unser gemeinsamer Wunsch. (Allgemeine Heiterkeit.)

Es ist ein guter Tag, wenn wir mit diesem Gesetz etwa 1 Million Menschen, Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, entlasten können. Das bringt in Summe ein Volumen von etwa 300 Millionen €.

Frau Kollegin Mühlwerth wollte ich noch ausrichten: Da braucht man nicht unbedingt ein Mathematiker zu sein, um zu wissen, dass das pro Person 300 € bringt und dass man natürlich dann auch entsprechend über eine Abgeltung der Teuerung reden muss. Sie hat nämlich gesagt, unsere Regierung tut nichts gegen die Teuerung. Also, dem muss man natürlich schon einiges entgegenhalten, denn wir werden heute noch Geset­ze beschließen, bei denen es um insgesamt 660 Millionen € an Entlastung geht. Im Laufe des heutigen Tages kommt also massiv mehr Kaufkraft zu den Österreicherin­nen und Österreichern zurück.

Herr Kollege Sodl hat schon die Diskussion über eine Inflationsabgeltung angezogen. Das ist eine wichtige Maßnahme, wie gesagt, damit wir die Teuerung etwas in den Griff bekommen. Es ist auch lobenswert, wenn das Bundesland Burgenland mit diesem Pa­ket entsprechende Maßnahmen setzt, nur möchte ich dem entgegenhalten, dass wir Vorarlberger auch nicht untätig sind. Unser Heizkostenzuschuss beträgt immerhin 208 € – nicht 145 € –, und wir werden diesen Heizkostenzuschuss weiter erhöhen. Da­rüber gibt es bereits Gespräche.

So lobenswert es für mich also ist, dass ihr es verdoppelt und dass ihr etwas für die Pendler tut – das ist auch wichtig –, aber man kann natürlich auch in Zeiten wie diesen einmal über den Arlberg schauen. Dort tut man im sozialen Bereich auch sehr viel für die Menschen! (Bundesrat Sodl: Vor allem ... leben in Vorarlberg!) Ja, wir sind bemüht, und ihr könnt euch bei uns durchaus auch manchmal etwas abschauen. Dagegen ha­ben wir überhaupt nichts einzuwenden. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ja, ja, denn wir sind sparsam. Wir haben gespart und rechtzeitig darauf geschaut, dass man dann Geld hat, wenn man es braucht. Das ist eben auch Ländle-Politik, oder?!

Es ist daher essenziell, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung für Pflichtversicherte in der Arbeitslosenversicherung, soweit sie in diese Einkommensbereiche fallen, zu senken. Damit tragen wir auch, wie gesagt, zur Stabilisierung bei. Das bedeutet immer­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 73

hin, dass dann dieser Beitrag bei Einkommen bis 1 100 € entfällt. Von 1 100 € bis 1 200 € beträgt der vom Arbeitnehmer zu tragende Anteil 1 Prozent, von 1 200 € bis 1 350 € liegt er bei 2 Prozent, und darüber hinaus bestehen diese 3 Prozent. Auch für Sonderzahlungen gelten die verminderten Beiträge. Keine Änderung ergibt sich beim Beitrag für die Arbeitgeber, dieser bleibt mit 3 Prozent gleich.

Wie erwähnt, ist das ein wichtiger Schritt zur Inflationsbekämpfung und damit bereits auch ein Vorziehen eines Teiles der geplanten Steuerreform 2009 im Ausmaß von 300 Millionen €. Diese Maßnahme kommt zur rechten Zeit. Sie gilt bereits ab 1. Juli und ist auch aus sozialen Gründen sehr zu begrüßen, denn das bedeutet bis zu 33 € mehr für die Menschen, die Probleme haben. Man hat heute schon den „Gusi-Hunder­ter“ angesprochen – hier aber sind es 33 € monatlich, nicht, wie damals angedacht, eine Einmalzahlung von 100 €. Ich denke, mit diesem Paket bringen wir den Menschen massiv mehr Geld, als mit jener Maßnahme geplant war, zurück in die Brieftasche.

Wir dürfen daher festhalten, dass es im Gesamten ein wirklich gutes Paket ist, mit dem wir den Teuerungsschub etwas abfangen können – weitere Maßnahmen sind erforder­lich –; es trifft gerade die Menschen im Niedriglohnbereich und wird viele Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer entlasten, insbesondere auch viele davon betroffene Frauen. Meine Fraktion wird dieser Vorlage deshalb gerne die Zustimmung erteilen. (Allgemei­ner Beifall.)

12.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich ertei­le ihm das Wort.

 


12.53.13

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte noch anwesende Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Letztes Wo­chenende hatte ich Besuch von einem Bekannten von mir, der die Lehre des Kellners absolviert hatte und aus gesundheitlichen Gründen etwas anderes hat machen müs­sen. Er hat sich einen Job gesucht und hat ihn bei einer großen Reinigungsfirma ge­funden; ich nenne jetzt keinen Namen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Er verdient für 40 Stunden schwerer Arbeit, bei der es heiß ist, bei der man körperlich unter Druck steht und Leistung erbringen muss, 850 € netto. Ich habe ihn gebeten, dass er mir seinen Lohnzettel vorbeibringt, damit ich ihn euch heute zeigen kann. (Bun­desrat Bieringer: Hat er keinen gehabt?) Doch, er war schon angemeldet, aber er hat nicht frei bekommen, dass er ihn mir vorbeibringt. Ich kann ihn jedoch gerne nachrei­chen. – Dieser Mann bekommt auch eine Familienbeihilfe. Mit dem bisschen Geld, das ihnen zur Verfügung steht – das können Sie sich ausrechnen –, ist da kein Urlaub drin­nen, keine größere Wohnung, kein Kinderzimmer und so weiter.

Was hat das alles mit dieser Gesetzesmaterie zu tun, die wir heute beschließen wer­den, der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Bezieher und Bezieherin­nen niedriger Einkommen? – Dem werden wir natürlich zustimmen, weil es ja eine ge­ringe finanzielle Erleichterung darstellt. Aber es gibt laut Statistik Austria dennoch 253 000 Menschen in Österreich, die von ihrem Einkommen nicht leben können. Diese „McJobs“, diese Beschäftigungsverhältnisse, die gering entlohnt werden und von de­nen eine Familie nicht leben kann, sind im Steigen. Als Arbeitgeber fragt man sich: Wa­rum sollte man mehr bezahlen, wenn man mit dem, was man ohnehin bezahlt, sozusa­gen auch sein Auslangen findet?

Wir Grüne haben seit Jahren eine Forderung, und zwar die Forderung nach einem Min­destlohn. Wenn das umgesetzt werden würde, dann würde dieser Mann 7 € pro Stun­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 74

de verdienen und hätte 130 € mehr in der Tasche. Bei diesem Einkommen sind 130 € ... (Bundesrat Perhab: In den meisten Branchen haben wir schon Mindestlöhne! In den meisten Branchen! Da hat es noch gar keine Grünen gegeben!) – Ja, aber dann sollten es Mindestlöhne sein, von denen man leben kann, werter Kollege! Dann hätte ich nichts dagegen.

Bei einem Wirtschaftswachstum von 3 Prozent stellt sich natürlich die Frage: Wem kommen diese 3 Prozent zugute? – Ihm sicherlich nicht, und den anderen 253 000 Ös­terreicherInnen leider auch nicht! Wir erleben immer mehr die Entwicklung, dass die Einkommensunterschiede größer werden, dass die Verteilungsgerechtigkeit eine Schieflage bekommt und dass sehr viele Menschen in Österreich von der Sozialhilfe le­ben müssen.

Natürlich sind wir bemüht, die Konjunktur zu beleben, allein schon jetzt durch die Aus­tragung der Europameisterschaft beziehungsweise durch Infrastruktur-Ausbaupro­gramme. Unser Wirtschaftsminister betont ja immer wieder: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut! Aber diesen Ausspruch muss ich leider Gottes ein bisschen relati­vieren: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s nur der Wirtschaft gut – und sonst, leider Got­tes, einstweilen nicht dieser Bevölkerungsgruppe! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Perhab: Soll es der Wirtschaft schlecht gehen?)

Nein, überhaupt nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber es soll nicht nur der Wirt­schaft gut gehen, sondern auch denen, die Leistung erbringen! Das sind auch 253 000 Österreicherinnen und Österreicher, und die darf man nicht einfach unter den Tisch kehren. (Bundesrat Preineder: Das tut ja keiner!)

Erlauben Sie mir eine sarkastische Bemerkung: Durch diese Arbeitslosenversiche­rungsbeiträge bleibt sozusagen den ArbeitnehmerInnen mehr Geld im Börserl, und ich glaube nicht, dass das Beträge sein werden, aus denen sie Geld nach Liechtenstein transferieren oder in Stiftungen investieren werden, sondern das wird wieder in den Konsum gesteckt werden, weil sie es einfach ausgeben müssen, da sie mit dem Geld, das sie jetzt verdienen, fast nicht auskommen.

Die Anzahl der atypisch Beschäftigten nimmt auch immer zu, die Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte steigt, und die Menschen müssen Jobs annehmen, die sich außerhalb des kollektivvertraglichen Regelungsbereiches befinden. Um diese „Working Poor“ vor einem weiteren sozialen Abstieg zu bewahren, müssen wir dafür sorgen, dass sie ausreichend versichert sind. Schließlich soll eine Versicherung Si­cherheit bieten und zumindest eine Mindestsicherung gewährleisten.

Daher kann ich nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet den geringfügig Beschäftig­ten diese Basis entzogen wird. Wenn jetzt der Arbeitslosenversicherungsbeitrag der unselbständig Beschäftigten bis 1 100 € entfällt, dann müssen wir uns Gedanken darü­ber machen, dass dies auch für diejenigen, die geringfügig beschäftigt sind, einmal ab­geändert werden und entfallen sollte. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bun­desrates Ing. Kampl.)

12.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Staatssekretärin Marek das Wort. – Bitte.

 


12.59.14

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Herr Bundesrat Dönmez, zu den geringfügig Beschäftigten – Sie haben das als Letztes gesagt –: Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der allüberwiegende Teil der ge­ringfügig Beschäftigten ein anderes bestehendes Versicherungsverhältnis hat und dort natürlich auch voll versichert ist. Ich möchte hier ein bisschen davor warnen, immer


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 75

dieses Damoklesschwert der geringfügig Beschäftigten zu zeichnen. Es gibt bei den geringfügig Beschäftigten die freiwillige Versicherung zu einem sehr, sehr günstigen Beitrag. Ich denke, dass das ein gutes und auch sehr angenommenes Instrument ist.

Ich darf auch auf Folgendes hinweisen. Sie haben die vermeintlich steigende Deregu­lierung des Arbeitsmarktes angesprochen. Genau das ist etwas, da bekennen wir von der Bundesregierung uns dazu und haben uns dazu bekannt, dass wir dem entgegen­wirken wollen. Wir haben letztes Jahr im Herbst gemeinsam die Miteinbeziehung der freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherung, in die Sozialversicherung und so weiter, auch in die Mitarbeitervorsorge beschlossen.

Ich glaube, dass es ein wichtiger Schritt in diese Richtung war, dass wir gemeinsam gesagt haben: Wir wollen dem einfach entgegenwirken, wir wollen nicht, dass es hier auch Missbrauchsanreize gibt, dass über freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, weil sie einfach billiger sind, auch ein Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer ausgeübt wird. Ich glaube, dass wir dem Ganzen wirklich einen Schranken vorge­schoben haben und hier auch dadurch, dass wir dieses dichtere Netz im Sinne der Fle­xicurity knüpfen, mit der Erweiterung und dem Ausbau der Flexicurity einen guten wei­teren Schritt gesetzt haben.

Ich glaube auch – und das haben ja die Rednerinnen und Redner vorhin bestätigt –, dass die Beitragsbefreiung bei der Arbeitslosenversicherung gerade für diejenigen, de­nen es nicht so gut geht, ein wichtiger und sehr schneller Schritt ist. Hier bedanke ich mich auch für die sehr rasche gemeinsame Beschlussfassung, und ebenso bedanke ich mich bei der Arbeitgeberseite, die dem zugestimmt hat, dass das eine rein arbeit­nehmerseitige Entlastung ist. Das ist nicht immer selbstverständlich, und ich glaube, das sollte man auch sagen.

Ebenfalls zu Ihnen, Herr Bundesrat Dönmez, noch zum Thema Mindestlohn: Sie wis­sen, dass diese Bundesregierung sich im Regierungsübereinkommen zu einem Min­destlohn von 1 000 € bekannt hat. Aber ich glaube auch, dass es wichtig ist – wir ha­ben in Österreich das bewährte System der Kollektivverträge –, dass sich in erster Li­nie die Sozialpartner einigen. Das haben sie getan, und es wird dies bereits in mehre­ren Phasen umgesetzt. Es hat auf Sozialpartnerebene eine Vereinbarung gegeben, dass sukzessive alle, die noch keine 1 000 € Mindestlohn erhalten, mit gewissen Stich­tagen und in Etappen eine Anhebung auf 1 000 € bekommen.

Die Vereinbarung läuft, und ich gehe davon aus, dass es mit den Stichtagen funktio­niert, die vereinbart sind. Ich glaube, dass das der richtige Zugang ist. Wir haben ge­sagt: Sollte das nicht funktionieren, dann reden wir über einen Generalkollektivvertrag mit 1 000 € Mindestlohn. Wir sind der Meinung, jeder Mensch in Österreich, der oder die erwerbstätig ist, soll für einen Fulltime-Job zumindest 1 000 € haben und verdie­nen. Das halten wir für angemessen.

Das haben Sie auch gesagt, aber wir setzen es um, Herr Bundesrat! Ich darf Sie einla­den, sich auch zu informieren, und kann Ihnen diese Informationen gerne zukommen lassen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 76

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

13.03.238. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das EWR-Psychologengesetz geändert wird (EWR-PG-Novelle 2008) (539 d.B. und 594 d.B. sowie 7958/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychotherapiegesetz geändert wird (EWR-PthG-Novelle 2008) (540 d.B. und 595 d.B. sowie 7959/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 8 und 9 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Bitte.

 


13.03.47

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psy­chologengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht bezieht sich auf den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychotherapiegesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte. – Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend eine EWR-Psychologengesetz-Novelle 2008.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Ju­ni 2008 betreffend eine EWR-Psychotherapiegesetz-Novelle.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 77

13.05.5010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musiktherapiegesetz – MuthG) (552 d.B. und 596 d.B. sowie 7960/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.05.59

Berichterstatter Edgar Mayer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie – Musiktherapiegesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme deshalb gleich zum Antrag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Hladny. – Bitte.

 


13.06.51

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Musiktherapiegesetz soll die berufs­mäßige Ausübung der Musiktherapie unter besonderer Berücksichtigung der musikthe­rapeutischen Ausbildung, der Form der Berufsausübung, der Voraussetzungen der Be­rufsausübung, der Führung der Musiktherapeutenliste sowie der Berufspflichten regeln. Ausbildung und Ausübung der Musiktherapie stellen somit die zentralen Regelungsbe­reiche dar.

Es soll nun ein neues Berufsbild geschaffen werden, das es eigentlich schon gibt. Wie im Internet nachzulesen ist, wurde Musiktherapie von Herbert von Karajan schon in den siebziger Jahren durch eine Art Lehrstuhl für Musikpsychologie unterstützt.

Es gilt festzuhalten, dass die Musiktherapie im österreichischen Gesundheitswesen einen unverzichtbaren Beitrag leistet. Angewendet wird diese Art der Therapie bei der Behandlung von Psychosen und Neurosen, bei auffälligen Kindern, bei Patienten nach Schlaganfällen und vor allem im Behindertenbereich. In der Rehabilitation und als Be­gleitung von Menschen, die mit fortschreitenden malignen Erkrankungen belastet sind, wurden bereits jetzt sehr gute Ergebnisse erzielt.

Die Schaffung des eigenen Berufsgesetzes ist ein wichtiger und guter Schritt, vor allem aber eine notwendige Anerkennung der Wiener Schule der Musiktherapie. Damit wird verhindert, dass gut ausgebildete Musiktherapeutinnen und ‑therapeuten ins umliegen­de europäische Ausland gehen, wo es bereits Berufsgesetze gibt. In Zukunft gibt es dieses Gesetz auch bei uns. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


13.08.54

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ja, Musik ist


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 78

etwas, was uns, glaube ich, auf vielen Lebenswegen begleitet, bei Festen, in der Frei­zeit. Viele musizieren selbst, andere empfinden es als angenehm, wenn sie Musik hö­ren.

Musik hat aber für Menschen mit einer Krankheit eine noch stärkere Bedeutung. In den Behandlungen von Kindern, in der Psychotherapie, bei Schlaganfallpatienten oder auch bei der Arbeit mit behinderten Menschen ist Musik etwas wirklich Wertvolles. Es ist auch weltweit anerkannt, dass die Musiktherapie bei verschiedenen Krankheitsbil­dern hilft.

Diese Therapie wird auch bereits von den Menschen, so glaube ich, gut angenommen, die berufliche Ausübung ist jedoch bis jetzt noch nicht gesetzlich geregelt, was auch meine Vorgängerin schon angesprochen hat. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass wir heute die gesetzliche Grundlage für die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie schaffen.

In diesem Gesetz werden eben die Ausbildung, die Voraussetzung für die Berufsaus­übung und die Musiktherapeutenliste genau geregelt. – Es ist aber auch von besonde­rer Bedeutung, dass es Übergangsbestimmungen für jene gibt, die in diesem Beruf be­reits tätig sind.

Mit dem Musiktherapiegesetz ist das Angebot der gesetzlich geregelten Gesundheits­berufe nun wieder vielfältiger geworden, und es freut mich, dass wir mit diesem Gesetz den Musiktherapeuten, die bereits viel Gutes bewirkt haben, nun die offizielle Berechti­gung und auch die Anerkennung dafür geben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Kraml und Schennach.)

13.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.10.55

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Auch wir sind sehr glücklich, dass diese Lücke im Ge­sundheitsbereich, im Bereich der Therapien, hiermit geschlossen wird, denn der Be­darf, den wir derzeit im Bereich der Musiktherapie haben, ist ein Vielfaches von dem, was bereits heute als Ist-Stand angeboten wird.

Gerade bei „handicapped people“ – insbesondere bei mental „handicapped people“ – ist es so, dass die Musik eine ganz besondere Form des Zugangs zur Seele, zum Geist und zum Denken ermöglicht, weil Menschen mit mentalem Handicap oft eine Stärkung in ganz bestimmten Bereichen, Leistungen und Zugänge zulassen, die auf den normalen Wegen der Therapie nicht möglich sind. – Da spielt die Musik eine ex­trem wichtige Rolle!

Wenn wir einen so hohen Bedarf feststellen, dann ist es begrüßenswert, dass wir nun endlich ein Berufsbild haben und einen Berufsstand als solchen anerkennen, und zu erwarten, dass noch mehr Menschen diese therapeutische Laufbahn einschlagen.

Die Musiktherapie ist eine ganz spezielle Therapie, denn sie trifft unmittelbar die Per­sönlichkeit, und gerade bei kleinen Kindern ist das von großer Bedeutung. Es gab vor Kurzem im Parlament eine Enquete über das Musikland Österreich und über die Not­wendigkeit einer fachlich fundierten Musikerziehung und -ausbildung bereits im Volks­schulbereich – unter Umständen auch schon früher –, weil diese für die Gesamt-Per­sönlichkeitsentwicklung einen wesentlichen Beitrag liefert, da waren sich alle Experten und Expertinnen, egal, woher sie kamen, einig. Ich finde, wir könnten schon fast sagen, dass eines der Ergebnisse dieser Enquete die heutige Verabschiedung dieses Musik­therapiegesetzes ist. Es ist also ein gutes Zeichen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 79

Ich fürchte zwar, dass mit jenen, die diesen Gesetzestext verfasst haben, ein biss­chen – so würde ich sagen – der literarische Eifer durchgegangen ist, aber das ist jetzt nicht so wichtig.

Ich glaube, Frau Bundesministerin, das war ein wichtiger Schritt! – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

13.13


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Kdolsky. – Bitte.

 


13.13.32

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich denke, es ist ein wesentlicher Schritt gesetzt worden. Ich möchte der Ordnung halber sagen, dass es nicht die Legisten des Ressorts waren, die im Vorwort etwas überschwänglich über die Entwicklung der Musiktherapie geschrieben haben, sondern die Fachexpertinnen und Fachexperten und die Berufsgruppe der Musiktherapeuten, die sich auch eine ent­sprechende Positionierung gewünscht haben, und wir haben das nach langen Diskus­sionen ins Gesetz aufgenommen.

Ich glaube auch, dass das Gesetz ganz wesentlich ist und dass wir vor allem damit in Zukunft die Chance haben, im Kanon der Therapieberufe auf alle Möglichkeiten zu­rückzugreifen.

Ich sage jedoch dazu, dass es natürlich ein nächster Schritt sein wird müssen, auch darüber nachzudenken, dass die Zugänglichkeit zu diesen Therapien entsprechend ge­geben ist. Ich hoffe aber doch, dass wir dann, wenn wir es schaffen, entsprechende Strukturen aufzubauen, vermittels derer wir dann den nächsten Schritt setzen und die Leistungsangebote der sozialen Krankenversicherungen wieder in den Mittelpunkt der Diskussion rücken, ab dem Sommer oder ab dem Herbst auch wieder die richtige Posi­tionierung dieser Therapien in der Vergütung schaffen, denn auch das ist sehr wesent­lich.

Derzeit ist die Musiktherapie sehr stark im intramuralen Bereich angesiedelt und dort auch für alle frei zugängig, vor allem und gerade im Bereich der Intensivpatienten, der Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Traumen und Patienten, die nach einer langen Zeit der Bewusstlosigkeit wieder erwachen. Wir haben anhand des tragischen Falles eines österreichischen Bürgermeisters gesehen, welch ein wichtiger Faktor Musikthe­rapie in dieser Aufbauphase war. – Ich glaube, dass wir in Zukunft ganz, ganz vehe­ment darauf hinarbeiten müssen, dass diese Therapie natürlich auch im extramuralen, im niedergelassenen Bereich, im Selbständigenbereich der Therapeuten einen Zugang finden muss.

Mir ist noch ein letzter Punkt sehr wichtig, und zwar, darauf hinzuweisen, dass wir hier vor allem etwas geschafft haben, und das war eine dringende Bitte derer, die bereits jetzt in diesem Beruf tätig sind: dass wir durch sehr lange Übergangsrechte und Über­gangszeiten und die Anerkennungsmöglichkeiten nicht all jene vor den Kopf stoßen, die bereits jetzt in diesem Gebiet aktiv sind und die sich diese Zusatzausbildung zum Teil neben ihren Berufen angeeignet haben.

Ich glaube, dass wir nach vielen Gesprächen gezeigt haben, dass es für die Österrei­cherinnen und Österreicher auch sehr, sehr gute gemeinsame Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung gibt, und so sollte es meines Erachtens weitergehen. – Herzli­chen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

13.16



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 80

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

13.16.5911. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuer­gesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungsmelde­gesetz 2008 (SchenkMG 2008) (549 d.B. und Zu 549 d.B. und 612 d.B. sowie 7951/BR d.B. und 7970/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B. sowie 7971/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Todt. – Ich bitte um die Berichte.

 


13.17.16

Berichterstatter Reinhard Todt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalra­tes vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteu­ergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanz­ausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlas­sen wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalra-
tes vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Reisegebührenvor­schrift 1955 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme gleich zum Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 81

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.18.46

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Was uns hier heute vorliegt, kann man wohl schlichtweg als Kapitulation bezeichnen – eine Kapitulation der Kanzlerpartei – und als ein grünes Licht für eine Umverteilung in Österreich.

„Umverteilung“, das war ja immer ein böses Wort, aber diese Umverteilung passiert seltsamerweise genau „in die andere Richtung“, nämlich von unten nach oben, und zwar durch den Wegfall der Erbschafts- und der Schenkungssteuer. – Herr Staatsse­kretär! Es gibt neben uns nur mehr ein einziges Land – denn das ist weltweit fast ein „Lenkungsstandard“ in sozialer Finanzgesetzgebung –, nämlich Italien, und wir können uns durchaus den Stempel auf die Stirn drücken: Unikat – Österreich ist erbschafts- und schenkungssteuerfrei! (Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.)

Mein lieber Freund! Ich finde es ja sehr spannend, dass gerade du als Gewerkschafts­vertreter das irgendwie hochjubelst, denn das wäre eine Möglichkeit sozialer Lenkung gewesen. Kollege Mayer, in den USA wurde das von der Bush-Administration überlegt, und dort haben sich die Superreichen dagegen gewehrt, dass Erbschaften und Schen­kungen gänzlich steuerfrei gestellt werden. – Das ist kein gutes Signal!

Mit im Boot sind natürlich die Stiftungen: die Stiftungen, deren Grundidee pervertiert wurde – ihre Grundidee war nämlich, Firmenvermögen und Familienvermögen in Fir­men zusammenzuhalten. Was sind denn die Stiftungen der Herren Haselsteiner, An­drosch, Dichand, Prinzhorn, Flick, Swarovski, Bartenstein, aber auch Essl oder Elsner heute? – Nichts anderes als Steuer-Oasen! (Bundesrat Perhab: Keine Arbeitsplätze! Keine Arbeitsplätze! – Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.)

Das ist ja der absurdeste Vorwurf! Es wäre ja schlimm, wenn aus dem Wlaschek’schen Vermögen vorher keine Beschäftigten bei „BILLA“ oder bei „BIPA“ hervorgegangen wä­ren. Bitte hören Sie auf damit! Ich weiß nicht, irgendjemand hat es einmal gesagt – ich glaube, es war Kollege Schüssel –, und seither wird es gebetsmühlenartig nachgeplap­pert: Arbeitsplätze! – Alles, was in Stiftungen geparkt wurde, wurde vorher von Mitar­beitern und Mitarbeiterinnen irgendwo erwirtschaftet! (Beifall bei den Grünen.) – Dass sie das dann in Stiftungen zu Sonderkonditionen steueroasenmäßig und zu Dumping­bedingungen parken, das ist alles andere als steuergerecht, meine Damen und Herren!

Ich weiß nicht, vielleicht überlegt man sich im Finanzministerium, so etwas wie den „Sparefroh-Oscar“ oder den „Steuerersparnis-Oscar“ zu erfinden? – Dann muss Kolle­ge Matznetter eines zugeben: Hätte es nicht Professor Doralt und die Grünen gege­ben, dann würden Sie heute mehrheitlich etwas zustimmen, dass nämlich 400 Millio­nen per anno zurückgezahlt werden (Zwischenruf des Bundesrates Perhab) – 20 Mil­liarden –, was in der allerletzten Sekunde aus der Regierungsvorlage verschwunden ist. (Bundesrat Edgar Mayer: Ausgerechnet die Grünen!)

Sie kennen die Regierungsvorlage, da war dieser Schwachsinn drinnen! (Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Staatssekretär Dr. Matznetter: Ich erkläre es dann!) – Natür­lich war es drinnen! Das ist kein ausgemachter Blödsinn! Sie haben es dann herausge­nommen, vor allem auch aufgrund der Androhung von Professor Doralt, dass das – eine solche Anerkennung der Eingangssteuer und diese zurückzuzahlen – verfas­sungswidrig ist.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 82

Herr Kollege Matznetter! Herr Staatssekretär, es ist gut, dass Sie sich jetzt gerade durch einen Zwischenruf zu Wort gemeldet haben: Eines verstehe ich ja betreffend das Finanzministerium seit einiger Zeit nicht mehr, nämlich diese „Einnahmenverweige­rung“! Das ist eine paradoxe Situation: Das Finanzministerium verweigert Einnahmen, und umgekehrt kommt sogar ein Veto des Vorgängers des jetzigen Finanzministers, damit besonders viel ausgegeben und teuer gekauft wird – ich erwähne nur das Stich­wort Eurofighter. Man muss doch im Finanzministerium wissen: Was haben wir im Auge? Haben wir im Auge, die besonders Reichen zu fördern – oder haben wir die Staatskassa im Auge, haben wir im Auge, soziale Gerechtigkeit herbeizuführen?

Kollege Perhab, jetzt werden Sie wahrscheinlich den nächsten Zwischenruf machen, nämlich: Ja, aber das ist ja Mittelstandsförderung! – Es gibt diese Schimäre des öster­reichischen Mittelstandes und dass der Mittelstand in Österreich ein so unglaubliches Vermögen entwickelt hat und wir deswegen die Schenkungssteuer und die Erbschafts­steuer abschaffen müssen, weil unser Mittelstand so prächtig zu entwickeln ist.

Wissen Sie, dass 10 Prozent der Bevölkerung in Österreich 70 Prozent des gesamten Vermögens besitzen, und dass 1 Prozent von diesen 10 Prozent über ein Drittel des ganzen Vermögens gehört? – Und genau das, was Sie heute beschließen, liebe Kolle­gen und Kolleginnen, entlastet ... (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Aber das ist doch Quatsch mit Soße, Kollege – erlauben Sie mir hier einen etwas „leichte­ren“ Ausdruck. Sie entlasten heute jene 10 Prozent, die 70 Prozent des österreichi­schen Gesamtvermögens besitzen. Da muss ich Ihnen wirklich „gratulieren“! Das ist eine unfassbare sozialpolitische und steuerpolitische Maßnahme!

Jetzt sagen Sie – das sagt übrigens die SPÖ, das sagen Sie nicht –, der Verfassungs­gerichtshof ist schuld, er hat ja die Erbschaftssteuer aufgehoben. – Ja, wofür haben wir denn eine Regierung, wenn nicht dafür, dass sie sich überlegt, wie man eine gerechte­re Erbschaftssteuer zustande bringt?!

Wie wenig der Mittelstand dieses Vermögen hat, das hier geschenkt oder vererbt wird, zeigt Folgendes – das wird der Herr Staatssekretär, der ja alle Zahlen bestens kennt, bestätigen müssen –: Meine Damen und Herren, im Jahre 2006 waren es fünf – ich buchstabiere: f-ü-n-f, fünf! – Erbschaften beziehungsweise Schenkungen, die 23 Pro­zent der Summe eingebracht haben, die im Finanzministerium unter diesem Titel ver­bucht wurde. – „Super“! „Super“! Wo ist denn da der Mittelstand, der hier zur Kassa ge­beten wird?

Meine Damen und Herren, wir sind weit davon entfernt, dass unser Steuersystem einen sozialen Ausgleich in dieser Republik schafft, auch weil jene, die die Chance ha­ben, Geld zu parken, Geld möglichst steuerschonend zu verwalten, jene sind, die oh­nedies alle Möglichkeiten haben.

Finanzminister Lacina hat das Stiftungsgesetz seinerzeit aus anderen Gründen einge­führt, als es heute – missbräuchlich – verwendet wird. Es ist meiner Meinung nach nur mehr ein Missbrauch, denn mit diesem Gesetz, sage ich Ihnen ganz ehrlich, würde Da­gobert Duck seinen Geldspeicher nicht mehr in Amerika haben, sondern er wäre schon längst – so wie der Herr Flick damals (Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!) – nach Öster­reich gekommen, denn in den USA oder in der Schweiz müsste er zahlen: Nein, gehen wir nach Österreich, denn da müssen wir nichts zahlen! (Zwischenrufe der Bundesräte Edgar Mayer und Perhab.)

Dann für die Zinsen in den Stiftungen: 12,5 Prozent. Und wenn die Begünstigten – ich habe einmal gehört, dass Wlaschek alle seine geschiedenen Frauen in dieser Stiftung drinnen hat – dann aus dieser Stiftung etwas beziehen, werden diese 12,5 Prozent auch noch von der Steuer angerechnet! Ich muss Ihnen sagen, dass sich das ein „nor­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 83

maler“ Mensch, der als Hauptschuldirektor oder als Bankdirektor – Sie wollen ja immer den Mittelstand haben – oder als kleiner Manager einer kleinen Reifenfirma arbeitet, einmal wünschen würde, was Sie den Herren Dichand, Bartenstein, Essl, Elsner, An­drosch und so weiter mit diesen Stiftungen ermöglichen. – Da wird sogar noch ange­rechnet!

Meine Damen und Herren! Diese Stiftungen, der Wegfall der Schenkungssteuer, der Wegfall der Erbschaftssteuer: All das hat die Waage der sozialen Gerechtigkeit, deren Ausgeglichenheit ein Steuersystem eigentlich immer zum Ziel haben muss, in eine Schieflage gebracht. – Sie sind heute stolz, dass Sie so etwas beschließen; ich finde, es ist eine Schande. (Beifall bei den Grünen.)

13.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


13.29.14

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So tragisch wird es doch nicht sein, lieber Kollege Schennach! Das ist eben die Rede eines Op­positionspolitikers. (Bundesrat Schennach: ... schon anders gejault!)

Ich darf hier sagen, dass ich mich mit dieser Sache auch kritisch auseinandersetze, nur vielleicht auf einer etwas anderen Ebene. Es hat wirklich sehr viele Diskussionen rund um dieses Schenkungsmeldegesetz und auch über die Reisegebührenvorschrift gege­ben, auch weil beides nun einmal zusammengelegt worden ist.

Es war wirklich der Verfassungsgerichtshof, der dieses Erkenntnis gebracht hat. Und es war dann in weiterer Folge natürlich schon auch so, dass sich die Koalitionsparteien nicht haben einigen können. Daher haben wir das jetzt so, wie es ist. Wie gesagt, bei der Reform hätte es vielleicht auch eine andere Möglichkeit gegeben. (Präsident Krit­zinger übernimmt den Vorsitz.)

Die Schenkungssteuer fällt also ab 1. August weg und auch die Erbschaftssteuer, und daher hätten die Stiftungen überhaupt null Prozent Steuern bezahlt. – Mit der Einfüh­rung dieser Steuer von 2,5 Prozent ist es zumindest etwas, was damit hereinkommt. Es waren, das gebe ich auch ehrlich zu, ursprünglich 5 Prozent. Es ist auch da ein bisschen weniger geworden.

Meine Damen und Herren, die Stiftungen sind in ihrem ganzen Gefüge, das stimmt, steu­erprivilegiert. Dazu haben wir uns einmal entschlossen, und dazu bekennen wir uns auch noch, auch wenn dies vielleicht der eine oder andere zähneknirschend tut. So ist es einfach, das muss man auch einmal dazu sagen.

Wogegen ich mich dann aber wirklich verwahre, sind die immer wiederkehrenden Ar­gumente, man müsste den Stiftungen noch mehr geben. Ich glaube, das ist damit ver­hindert worden. Die Rückzahlung der Steuern, die 400 Millionen €, diese Zwanzigstel­regelung ist also weggekommen aus dem ursprünglichen Antrag, und ich glaube, das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, es ist aber nicht so, dass alle Stiftungen in einen Topf ge­worfen werden sollen. Es gibt auch Stiftungen, die meiner Meinung nach ganz in Ord­nung sind. Es gibt Stiftungen, die einen gemeinnützigen Zweck haben, und auch Stif­tungen, in die Firmen hineinkommen, weil es einfach keine Erben gibt. Daher ist das ein gewisser Schutz für die Unternehmen, damit sie fortgeführt werden können. Es stimmt schon, diese 400 000 Arbeitsplätze sind nicht durch die Stiftungen entstanden, die waren vorher schon da. Das ist alles okay.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 84

Mir geht es hier um die Privatstiftungen, in denen 80 Milliarden € an Vermögen steuer­schonend geparkt sind und die jetzt auch jede Möglichkeit haben, aus der Stiftung he­raus weiter zu verdienen – und das steuerlich begünstigt. Ich glaube, das muss man sich auch in Zukunft anschauen, und vielleicht ist es wirklich einmal möglich, dass man entsprechende Novellierungen zustande bringt, damit auch der Staat wieder mehr da­von hat. Vielleicht ist das auch schon im Zusammenhang mit der Vermögenszuwachs­steuer möglich, die in die nächste Steuerreform eingearbeitet wird.

Wenn jemand durch geschickte Aktienspekulationen 50 000 € im Jahr verdient, dann zahlt er null Steuern. Wenn jemand 50 000 € als Zinsertrag hat, dann zahlt er 25 Pro­zent KESt, das sind zumindest 12 500 € an Steuern. Und wenn jemand 50 000 € erar­beitet, dann sind es an die 30 000 €, die er zu bezahlen hat. Ich denke, das ist eine Schieflage, die mit Sicherheit mit der nächsten Steuerreform geändert werden muss.

Ich sage das ganz offen, meine Damen und Herren: Ich habe vielen Gesetzen, die hier beschlossen worden sind, schon mit mehr Freude zugestimmt als diesem Schenkungs­meldegesetz.

Nun noch zur Reisegebührenvorschrift: Wir beschließen heute eine Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes. Beim Pendlerpauschale handelt es sich um 15 Prozent, beim Kilometergeld um eine Erhöhung von 0,376 € auf 0,42 €. Ich finde es auch gut, dass man jetzt die dritte Kommastelle einmal weggelassen hat, denn das war wirklich eine mathematische Aufgabe, das Kilometergeld auszurechnen.

Es ist das schon die zweite Erhöhung in dieser Legislaturperiode. Das gehört, glaube ich, auch einmal gesagt. Wir wissen alle, dass man mit dem Kilometergeld und mit der Pendlerpauschale die zusätzlichen Belastungen, die jetzt angefallen sind, nicht abde­cken kann. Das war aber nie der Fall. Die Pendlerpauschale und das Kilometergeld ha­ben nie die gesamten Kosten abgedeckt, aber ich glaube, sie tragen zur Entlastung der einzelnen Geldbörsen bei.

Die gegenwärtige Preissteigerung ist ja dadurch entstanden, dass wir immense Verteu­erungen beim Rohöl haben, dass wir auch verschiedene andere Verteuerungen haben, dass damit das Autofahren teurer geworden ist, dass das Heizen teurer geworden ist, und auch im Lebensmittelbereich wirkt sich das aus.

Im städtischen Bereich ist es ein bisschen einfacher, da kann man die öffentlichen Ver­kehrsmittel benutzen. Am Land draußen spielt es das meistens nicht, da ist man auf den Privat-Pkw angewiesen. Wenn man sich dann vorstellt, um wie viel jeder wöchent­lich mehr zahlen muss, wenn er seinen Tank befüllt, und wenn man weiß, was die Leu­te draußen wirklich verdienen, dann wird es verdammt eng. Das heißt aber auch, dass zum Leben ein bisschen weniger Geld bleibt, dass man weniger konsumieren kann und dass es dadurch auch wieder zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums kommt.

Das ist eine Spirale, meine Damen und Herren, die von Spekulanten in Gang gesetzt worden ist. Das muss man auch einmal ganz offen sagen. Das ist beim Rohöl so und das ist auch bei den Lebensmitteln so, wenn ich mir zum Beispiel anschaue, dass sich der Reispreis – und jetzt weiß ich schon, dass der Reis kein österreichisches Grund­nahrungsmittel ist – um 3 000 Prozent verteuert hat, und zwar seit Jänner dieses Jah­res. Die Ursache: wiederum nur Spekulanten.

Das können wir in Österreich nicht lösen, das ist ein europäisches Problem, das ist vielleicht auch ein weltweites Problem, und es ist eine weltweite Aufgabe, dass dieses Spekulantentum eingedämmt wird. Ich habe jetzt leider die Zahlen nicht mehr im Kopf, wie viel Geld täglich hin- und hergeschoben wird. Wenn es davon nur einen ganz klei­nen Prozentsatz gäbe, der den nationalen Staaten zur Verfügung gestellt würde, dann


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 85

würden viele Budgets anders ausschauen und wir könnten uns bei vielen Dingen we­sentlich besser rühren.

Meine Damen und Herren! Wir werden der Reisegebührenvorschrift und damit der Er­höhung des Pendlerpauschales mit Freude zustimmen – und beim Schenkungsmelde­gesetz knirschen leicht die Zähne. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


13.37.01

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Ich darf gleich dort anschließen, wo mein Vorred­ner, Kollege Kraml, aufgehört hat, nämlich bei der Reisegebührenvorschrift. Im Gegen­satz zu ihm sehe ich diese Vorschrift allerdings ein bisschen differenzierter, weil kriti­scher. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, es ist eigentlich ein politisches Bei­spiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Da steigt der Benzin- und Dieselpreis um fast 30 Prozent, da nimmt der Finanzminister aus diesem Titel 760 Millionen € zusätzlich zum Budget ein. Und dann liegt die Vorlage einer Änderung der Reisegebührenvorschrift auf dem Tisch, aus der wir erfahren, dass man dem Autofahrer und Steuerzahler gerade einmal 25 Millionen € wieder zurückgibt.

Das sind – für diejenigen, die das vielleicht interessiert – genau 3,28 Prozent des zu­sätzlichen Einnahmenvolumens des Herrn Finanzministers. Mag sein, dass das der eine oder andere als gelungene Leistung empfindet. Ich und, so glaube ich, auch mei­ne Fraktion, wir sehen das jedenfalls so, dass das vielmehr eine Verhöhnung der Steu­erzahler und Autofahrer darstellt. Ich glaube, man hat hier einmal mehr eine Chance vertan, nämlich die, wirklich dafür zu sorgen, dass es einen gerechten Ausgleich für die massiven Treibstoffpreiserhöhungen gibt. Und es wurde auch vonseiten der Regierung einmal mehr ein Versprechen nicht eingehalten, nämlich jenes, dass man für ausrei­chende Abfederung sorgen wird.

Besonders bemerkenswert an dieser Regierungsvorlage erscheint der Umstand, dass diese sowieso nur temporär Gültigkeit hat, nämlich bis zum Ende des nächsten Jahres. Das heißt, man könnte sogar unterstellen, dass man gar nicht die Absicht gehabt hat, eine nachhaltige Erleichterung für die Steuerzahler und Autofahrer herbeizuführen, sondern es ging den Regierungsfraktionen – ich unterstelle das einmal so – lediglich darum, sich über die nächste Wahl hinwegzuschummeln. (Staatssekretär Dr. Matznet­ter: Gewählt wird 2010! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Ihre Reaktionen zeigen mir, dass ich offensichtlich auf dem richtigen Weg bin, sie zei­gen mir, dass ich offensichtlich in ein Wespennest gestochen habe.

Es wird Sie daher kaum überraschen, dass die FPÖ dieser Reisegebührenvorschrift beziehungsweise dieser Vorlage nicht zustimmen wird. Wir finden, es ist ein zu gerin­ger Ausgleich für die Treibstoffpreissteigerungen der letzten Monate und ein falsches, weil sozial ungerechtes politisches Signal. Lassen Sie mich pointiert schließen: Das ist kein Stück vom großen Kuchen, den es zu verteilen gibt, bestenfalls ein saures Zuckerl vom bösen Onkel, in diesem Fall vom Finanzminister, der die Steuerzahler und Auto­fahrer nicht lieb hat. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

13.40


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 86

13.41.02

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lie­be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt tatsächlich aus meiner Sicht keine Art dieser Zuckerl, Herr Kollege, wie du sie angesprochen hast, sondern es ist eine große Entlas­tung für viele Menschen in Österreich, nicht nur was das Pendlerpauschale anbelangt, sondern auch mit den anderen Gesetzen, die wir in diesem Bereich beschließen.

Ich möchte nur zu den Ausführungen des Kollegen Schennach noch anführen, weil er hier von Schande gesprochen hat, dass wir von Schande mit diesen Beschlüssen weit entfernt sind. Manchmal ist es auch eine Schande, wenn man sich in der Argumenta­tion dementsprechend daneben benimmt oder (in Richtung des telefonierenden Bun­desrates Schennach) wenn man zum Beispiel im Plenum telefoniert, das ist auch eine ähnliche, nicht erfreuliche Vorgangsweise.

Zu diesen Stiftungen muss man aber auch dazusagen – nur einen Satz, denn die Kol­legen Perhab und Preineder werden sich dann damit auseinandersetzen –, dass es diese 400 000 Arbeitsplätze gibt, Herr Kollege Schennach. Das ist eine Tatsache! (Bundesrätin Kerschbaum: Die Arbeitsplätze wären ohne die Stiftungen auch nicht einfach weg!) Von den Stiftungen geführt, nicht in den Stiftungen, aber von den Stiftun­gen geführt, und das trägt natürlich auch wesentlich zum Wirtschaftswachstum bei. Dass jene Menschen wie zum Beispiel Flick nach Österreich gekommen sind und hier ihre Stiftung eingerichtet haben, hat das dem österreichischen Staat Steuergelder ge­bracht oder nicht? Also, da sind Sie in der Argumentation wirklich weit von der Realität entfernt, lieber Kollege Schennach, das muss ich hier in aller Deutlichkeit anmerken. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Politik für 10 Prozent der Menschen – gut!)

Wenn kolportiert oder davon gesprochen wurde, dass der Eingangssteuersatz bei den Stiftungen gegen das Pendlerpauschale abgetauscht wurde, so kann ich mit dem eigentlich doch sehr gut leben, weil wir mit dieser Erhöhung des Pendlerpauschales natürlich wieder eine Maßnahme setzen, um die exorbitante Teuerung zu bekämpfen und die Betroffenen zu entlasten, denn die Teuerung bei Erdöl und bei den Treibstoffen ist für viele wirklich zu einem enormen Problem geworden.

Auch die Teuerungsrate von 3,7 Prozent jetzt aktuell im Mai spricht Bände. Wenn es uns nicht gelingt, diese Teuerung rasch in den Griff zu bekommen, dann werden wir nicht nur in Österreich ein Problem haben, sondern europaweit. Wir leiden also sehr, sehr darunter, und die Europäische Zentralbank wird deshalb wahrscheinlich auch in ihrer Sitzung im Juli die Leitzinsen erhöhen. Damit kommt auf die privaten Haushalte und natürlich auch auf unsere Unternehmungen eine weitere Verteuerung von Krediten zu. Das wird sich sicherlich nicht positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Unsere Maßnahmen gegen die Teuerung werden wir im Laufe des heutigen Tages noch einige Male diskutieren, und ich darf darauf auch etwas dezidierter eingehen.

Wir heben die Pendlerpauschale wegen der hohen Treibstoffpreise um weitere 15 Pro­zent an – ein Plus von bis zu 440 € im Jahr –, und beim Kilometergeld gehen wir ab 1. Juli dann auf 42 Cent. Das bringt für 800 000 PendlerInnen eine zusätzliche oder eine merkliche Entlastung, und die Pendlerpauschalebefristung bis 31. Dezember 2009 wird ja, wie wir im Ausschuss gehört haben, auch deshalb vorgenommen, weil das dann auch in eine entsprechende Steuerreform mit Eingang finden soll. Schauen wir einmal!

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch klar festhalten: Wir haben seit dem Jah­re 2006 die Pendlerpauschale um 40 Prozent erhöht. Klar, das könnte noch höher sein – selbstverständlich –, aber, sehr verehrte Damen und Herren, in irgendeiner Form muss man das Ganze natürlich auch finanzieren und dann entsprechend umset­zen. Da haben Sie von der Opposition sich wenige Gedanken dazu gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 87

Kollege Herbert – jetzt ist er nicht mehr im Saal – hat von 25 Millionen € gesprochen, was die Pendlerpauschale anbelangt. Es sind in der Tat 60 Millionen €. Das war also eine grundsätzlich falsche Zahl. Und wir haben außerdem heute noch 660 Millionen € Entlastung zu beschließen: 300 Millionen € im Wege der Arbeitslosenversicherung, 60 Millionen € für die wiederum erhöhte Pendlerpauschale, 2 Millionen Pensionisten werden zusätzlich 150 Millionen € bekommen, und das vorgezogen ab Novem­ber 2008, und es werden die Erbschafts- und die Schenkungssteuer abgeschafft. Das entlastet die Bevölkerung um weitere 150 Millionen €.

Das sind 660 Millionen € an zusätzlicher Kaufkraft – „Peanuts“ sind das also wirklich keine. Sie stellen sich hierher, Herr Kollege, und stellen das alles in Frage.

Wir werden, wie bereits gesagt, das Problem der Teuerung im Bereich der Treibstoffe und Energie sowie bei den Dingen des täglichen Bedarfs nicht allein in Österreich lö­sen können, sondern das ist ein weltweites Problem. Es braucht hiezu auch einen Schulterschluss im Rahmen der EU, und es soll auch den Kolleginnen und Kollegen der Opposition gestattet sein, nicht nur zu kritisieren, sondern durchaus nachzudenken und dazu auch konstruktive Vorschläge einzubringen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


13.46.43

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schennach hat ja schon einiges zu den Stiftungen gesagt. (Bundesrat Schennach: Auch für Kolle­gen Mayer!) Ich habe einfach „Stiftung Österreich“ in Google eingegeben, und das Ers­te, was da kommt, ist die Seite einer – wie heißt das? – slc-europe.com Group, das sind Steuerberater. Überschrift: „Österreichische Stiftung“, darunter:

„Die österreichische Privatstiftung gilt unter Experten als das freizügigste Privatstif­tungsrecht und bietet in der Regel europaweit die größten Steuervorteile.“

Und das war noch vor dieser Änderung, mit der es noch ein bisschen besser wird. Al­so, man kann sagen, was man will: Dass Stiftungen vor allem der Bildung einer Steuer­oase in Österreich dienlich sind und weniger irgendeinem vermehrten Konsum, kann ich damit nur unterstreichen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Edgar Mayer: Und was ist mit den 400 000 Arbeitsplätzen!)

Liebe Herr Kollege Mayer, der du ein paarmal die 400 000 Arbeitsplätze in den Stif­tungen erwähnt hast: Die von den Stiftungen geführt werden, die kannst du erwähnen; aber dass du dabei mehr oder weniger implizierst, dass diese Arbeitsplätze ohne die­ses Stiftungsrecht in Österreich nicht vorhanden wären, das – entschuldige – ist Hum­bug. (Bundesrat Edgar Mayer: Das habe ich nicht gesagt! Das ist eine glatte Unterstel­lung!) – Dieses tolle Stiftungsrecht brauchen wir in Österreich wegen der 400 000 Ar­beitsplätze: Das impliziert so gesehen doch auch, dass die Arbeitsplätze sonst weg wären! – Und wenn jetzt „Herr BILLA“ seine Arbeitsplätze aus Österreich entfernen würde, glaubst du wirklich, dass wir dann alle nicht mehr einkaufen gehen würden? (Bundesrat Edgar Mayer: Die sind dann arbeitslos, das dürfen wir nicht vergessen!)

Alle BILLA-VerkäuferInnen wären dann arbeitslos, und wir würden alle nicht mehr ein­kaufen gehen, oder? Ist das jetzt wirklich der Gedanke, der hinter diesem Stiftungs­recht steht, oder habe ich das hoffentlich ohnehin falsch verstanden? – Na ja, dann ha­be ich das ohnehin falsch verstanden. Also die Stiftungen verwalten mehr oder weniger


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 88

400 000 Arbeitsplätze. Diese 400 000 Arbeitsplätze müsste es aber in Österreich auch geben, wenn es das Stiftungsrecht nicht gäbe.

Dass wir mit diesen neuen Gesetzen oder mit diesen Gesetzesänderungen beim Stif­tungsrecht, mit der Streichung der Erbschafts- und Schenkungssteuer einen Weg noch weiter verstärken, den Österreich ohnehin leider schon seit Langem geht, finde ich ins­besondere deswegen traurig, weil ja jetzt an und für sich die SPÖ in der Regierung wä­re und man annehmen sollte, dass gerade die SPÖ auch ein Problem mit einem sehr hohen Einkommensteuerniveau – nämlich bis zu 50 Prozent – hat. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Was heißt „wäre“? – Ist!)

Das Einkommensteuerniveau ist im EU-Schnitt doch sehr hoch. Dazu kommen eine Konsumsteuer, die relativ im Schnitt liegt, und eine Vermögensteuer, die jetzt in Wirk­lichkeit verschwindet. Es gibt keine Erbschaftssteuer mehr, es gibt keine Schenkungs­steuer mehr, und es gibt nach wie vor die Stiftung.

Dass Kollege Kraml mit mehr Freude zustimmen würde, wenn das Gesetz anders wä­re, mag der sozialdemokratischen Seele zwar guttun, ändert aber nichts daran, dass ihr da zustimmt und das macht – auch wenn euch möglicherweise das Herz dabei bricht. Vielleicht sagt jemand, dass es ihm das Herz bricht, wenn er in diesem Fall mei­ner Meinung nach gegen die Parteiideologie ein Gesetz schafft. (Bundesrat Edgar Mayer: Was wäre, wenn wir nicht zustimmen würden?)

Wenn man nicht zustimmt, ändert es sich nicht. Dann kann man ein neues Schen­kungssteuerrecht und ein neues Erbschaftssteuerrecht machen. Oder ist das ganz un­möglich? Gibt es das in anderen europäischen Ländern nicht, nämlich Erbschafts­steuer und Schenkungssteuer? Kommt sie? Wann kommt sie? Kommt sie nächstes Jahr? Wann macht ihr denn die neue Erbschaftssteuer und die neue Schenkungs­steuer? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das kommt noch? Wunderbar. Vielleicht über­zeugen Sie mich noch im Nachhinein, wenn Sie mir versprechen, dass Ende des Jah­res wirklich eine Vermögensteuer in Österreich eingeführt wird. Momentan schaut es leider nicht so aus. Ich finde es sehr traurig, dass das gerade jetzt passiert, während die SPÖ in der Regierung ist.

Ich habe auch geschaut, was die Wirtschaftskammer Österreich zu den Steuersätzen in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern bekannt gibt. Da sieht man: Ein­kommensteuer in Österreich: bis zu 50 Prozent, in der Eurozone (12): 46,2 Prozent, in der Eurozone (15): 46,2 Prozent. Das heißt, dass wir, was den Höchstsatz für Einkom­mensteuer betrifft, über dem EU-Schnitt liegen. Bei der Körperschaftsteuer liegen wir unter dem EU-Schnitt, bei der Mehrwertsteuer liegen wir im Schnitt. Von der Vermö­gensteuer spricht die Wirtschaftskammer offensichtlich schon lange nicht mehr. (Zwi­schenruf des Bundesrates Perhab.)

Die Arbeiterkammer hat zumindest auf ihrer Homepage auch Wortmeldungen zur Ver­mögensteuer. Da steht zum Beispiel:

„Die Besteuerung von Einkommen und Vermögen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung, mehr aber noch auf das Wachstum und somit auch auf das Entste­hen von Armut und Reichtum in Österreich.“

Das ist an und für sich Grundsatz. Diesen Grundsatz hätte ich mir auch von der SPÖ erwartet, aber offensichtlich gibt es diesen Grundsatz in der SPÖ nicht mehr.

So wie die FPÖ das sieht, kann ich das allerdings auch nicht ganz nachvollziehen. Einerseits wird gesagt: Wir wollen, dass die Mineralölsteuer abgeschafft wird; die Schenkungssteuer und die Erbschaftssteuer wollen wir sowieso nicht; wir wollen die Einkommensteuer reduzieren. Auf der anderen Seite heißt es aber: Wir wollen das Bil­dungssystem verbessern; was den Sozialbereich angeht, sollen unsere armen Min­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 89

destpensionistInnen ein bisschen mehr bekommen. – Und die Infrastruktur muss ja auch die FPÖ ausbauen. Wie sich das also bei der FPÖ ausgeht, wenn ihr alle Steu­erneinnahmen streicht und trotzdem alle Ausgaben tätigen wollt, verstehe ich nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist auch nicht zu verstehen!) – Das stimmt. Es ist nicht zu verstehen, was die FPÖ da will, da kann ich Ihnen leider nur recht geben. (Heiterkeit bei den Grünen sowie der Bundesrätin Mühlwerth.) – Es ist nicht zu verstehen, was die FPÖ will, und es freut mich, dass auch Sie diese Selbsterkenntnis ins Plenum tra­gen.

Zu den Reisegebühren: Was die Anhebung des Kilometergeldes auf 42 Cent betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob man das noch mit gestiegenen Treibstoffpreisen argumen­tieren kann. 42 Cent sind ziemlich viel, vor allem, wenn ich mir anschaue, wie es ab­läuft, wenn ich als Arbeitnehmerin – oder wer auch immer diese Kilometerpauschale bei den Reisegebühren verrechnet – dasselbe mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück­legen will.

Da gibt es erstens irrsinnig umständliche Verrechnungsmöglichkeiten. Zweitens: Wenn ich so intelligent bin und mir zum Beispiel eine VORTEILScard kaufe, um meinen öf­fentlichen Verkehr günstiger abzuwickeln, zahlt mir die Firma die Vorteilskarte sicher nicht, sondern ich zahle sie mir selbst und die Firma zahlt mir nur den reduzierten Be­trag. Sprich: Reisegebühren mit öffentlichen Verkehrsmitteln abzurechnen, ist nach wie vor kompliziert. Da tut sich überhaupt nichts. Da sehe ich auch nicht den Willen, etwas daran zu ändern. Ich denke, es wäre doch erstrebenswert – gerade in Zeiten wie die­sen, wenn dauernd über allzu hohe Benzin- und Treibstoffpreise gejammert wird –, dass öffentliche Verkehrsmittel auch für Dienstfahrten benutzt werden könnten und dass das einigermaßen vernünftig abzurechnen und abzuwickeln wäre. – Wie gesagt, da fehlt mir im Allgemeinen jeglicher Ansatz.

Es gibt noch einen Ansatz, der mir fehlt. Es war vorher schon davon die Rede, dass wir – beziehungsweise der Herr Finanzminister oder wir, der Staat, will ich doch hof­fen – so viele Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer haben, weil wir so viel Benzin zusätzlich verkaufen. Für diese Mehreinnahmen hätte ich sehr gute Vorschläge, näm­lich dass man endlich den öffentlichen Verkehr ausbaut, damit sich die Leute dann, wenn sie sich den Treibstoff nicht mehr leisten können, um mit dem Auto in die Arbeit zu fahren, zumindest ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung haben. Denn das gibt es jetzt für sehr viele nicht, und das ist etwas, das die Pendlerinnen und Pendler jetzt doch sehr belastet. Davon hätten sie wahrscheinlich viel mehr als von 15 Prozent Erhöhung der PendlerInnenpauschale.

Im Übrigen: Das Problem bei der PenderInnenpauschale ist nach wie vor, dass diese ein Steuerabsetzbetrag ist. Ich sehe nicht ein, warum jemand, der 1 000 € verdient, für seine Fahrtkosten offensichtlich weniger Aufwand hat als jemand, der 5 000 € verdient, denn der bekommt dann 50 Prozent und der andere null. (Beifall bei den Grünen. – Staatssekretär Dr. Matznetter: Das stimmt zwar nicht, aber das macht nichts!)

13.55


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


13.56.01

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schennach, ich komme zufällig aus dem Bezirk, in dem die Dr. Flick’sche Privatstiftung Rottenmann beheimatet ist. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bewohner unseres Bezirks, vor al­lem in der Umgebung der Stadt Rottenmann, davon nur profitiert haben. Oder wäre es Ihnen vielleicht lieber gewesen, Herr Flick wäre nach Liechtenstein oder in die Schweiz


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 90

gegangen? Ich glaube, auch wenn man dieses Thema von der Klassenkampfseite an­geht, sollte man doch ein bisschen differenzieren.

Es gibt Firmenstiftungen – das ist die Hälfte der Stiftungen – und es gibt gemeinnützige Stiftungen. Aus diesen Firmenstiftungen resultieren nach unseren Schätzungen min­destens 60 Milliarden €, die an zusätzlichem Vermögen in Österreich geparkt werden, natürlich steuerbegünstigt. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber vom Parken haben wir nichts! Dann sollen diese Leute Parkgebühren zahlen!)

Frau Kollegin Kerschbaum, ich beziehe mich darauf, was Sie über Herrn Wlaschek von der Handelskette Billa gesagt haben: Immerhin hat er als Pianist durch seine unterneh­merische Leistung eines der größten Handelsunternehmen geschaffen – und Arbeits­plätze. Sie werden doch nicht behaupten, dass das keine Leistung war! Das war eine Leistung, die Herrn Wlaschek zur Ehre gereicht. Daher ist es sein Recht, mit seinem erworbenem Vermögen zu tun, was er will. Da er keine Erben hat, sind wir sehr froh, dass er es in eine Stiftung eingebracht hat. (Bundesrat Schennach: Die Erben sitzen in der Stiftung!)

Herr Kollege Schennach, Sie wissen, dass jemand, der Begünstigter in einer Stiftung ist, wenn er Geld aus dieser Stiftung herausnimmt, 25 Prozent Steuern zahlen muss, wie jeder andere in jeder anderen Unternehmung auch. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Oder wäre es Ihnen lieber, wenn auch diese Vermögen weg wären? Wir profitieren dadurch volkswirtschaftlich und auch, was die Arbeitsplätze betrifft, mehr, als wir dadurch draufzahlen. Das ist wohl eine ganz klare Milchmädchen­rechnung.

Die Grünen und Teile der SPÖ haben da ein ideologisches Problem und wollen damit wieder ein paar Klassenkampfthemen schüren, nach dem Motto: Reich gegen Arm. Der Sozialminister hat quasi gesagt: Wir werden es den Gestopften in Österreich weg­nehmen! – Da weiß man ja, woher die Gedanken kommen. (Bundesrat Schennach: Das ist Ihr Koalitionspartner!) – Selbstverständlich, macht ja nichts. Es ist trotzdem die Wahrheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade weil viele von Ihnen Wiener sind oder hier den Wohnsitz haben: Wenn Sie durch Wien gehen – was wäre Wien ohne Stiftungen? Von den Wiener Sängerknaben bis zum Allgemeinen Krankenhaus – es sind Stiftungsgelder darin.

Daher, glaube ich, kann man das nicht so einseitig emotional sehen, sondern man muss der Wahrheit die Ehre geben und sagen: Es ist ein Kompromiss, wie alle Geset­ze, aber wir können damit sehr gut leben und stimmen diesem Schenkungsmeldege­setz selbstverständlich zu. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


13.59.19

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich möchte zu Punkt 11 der Tagesordnung sprechen. Dieser bezieht sich auf die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungs­meldegesetz 2008.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 91

Das ist ein sehr, sehr umfangreiches Thema – und das in einer Zeit, die sehr proble­matisch ist, wie heute Herr Präsident Kritzinger gemeint hat. Es besteht Sorge um die Zukunft. Es müssen Lösungen gefunden werden, nämlich was die Abgeltung der Teu­erung und was die ländlichen Räume angeht.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Es gibt hohe Steuerbelastung, geringe Erhöhung der Pendlerpauschale, dafür aber großes Entgegenkommen für Superreiche, nämlich eine Senkung der Steuer bei Stiftungen von 5 auf 2,5 Prozent. Bezieher klei­ner und mittlerer Einkommen werden immer stärker verunsichert. Orts- und Länder­funktionäre der SPÖ verstehen ihre eigene Partei nicht mehr, es gibt Mitgliederproble­me. Die ÖVP sagt, schuld sei die SPÖ; die SPÖ sagt, schuld sei die ÖVP. Derzeit, Herr Staatssekretär, hat die österreichische Bundesregierung keine positive Ausstrah-lung.

Ein Landesrat, Hermann Kepplinger, sagte es offen:

Die Regierung macht den Reichen Geschenke zum Nachteil der Arbeiter und Pend­ler. – Zitatende.

Diese Aussage kommt nicht von ungefähr, Herr Staatssekretär, es ist sehr viel Wahres darin. Es gibt große Probleme im ländlichen Strukturbereich, aber täglich 15 Millionen an zusätzlichen Steuereinnahmen durch die Mineralölsteuer für den Finanzminister.

Der Fünf-Jahres-Vergleich ergab für Durchschnittshaushalte eine Mehrbelastung von 2 720 € oder 37 428 S. – Ist das sozial? Beim Treibstoff betrug die Gesamtbelastung im Fünf-Jahres-Vergleich 570 € pro Jahr; beim Strom 150 €; beim Heizöl, bei 3 000 Li­tern, 1 815 €; bei Gas 185 €. (Bundesrat Schennach: Nur die Handys werden billiger!) Bei der Lohnsteuer kassiert der Finanzminister um 7,5 Prozent mehr ein; bei der Um­satzsteuer um 3,2 Prozent; bei der Körperschaftsteuer um 12 Prozent; bei der Kapital­ertragsteuer um 3,55 Prozent. Es gibt eine Erhöhung der Rezeptgebühr, der Kosten für Heilbehelfe sowie der Selbstbehalte für Kuraufenthalte. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter.)

Herr Staatssekretär, lassen Sie mich zu Ende sprechen! Sie werden mir wahrscheinlich eine Antwort geben, Sie sind ja in der Regierung und tragen Mitverantwortung! – Es gibt eine Pensionserhöhung von 2 Prozent, aber eine Inflation von 3,3 Prozent. Es gibt Teuerung bei Mieten und bei täglichen Lebenshaltungskosten.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, sind Stiftungen positiv. Aber können wir uns das momentan leisten? Auch diese Frage sollten wir uns stellen, lieber Kollege Perhab. Wir sind in der Situation, dass viele Familien nicht mehr wissen, wie sie am Ende des Monats noch zurechtkommen. Das ist die Tragödie. (Bundesrat Schennach: Aber nicht die, die in den Stiftungen sitzen!) In dieser Situation haben wir Verantwortung zu tragen. Wir sind dazu berufen, wir tragen den Ländern gegenüber die Verantwortung dafür!

Meine Damen und Herren, stellen wir uns alle doch einmal vor, wie die Situation drau­ßen ausschaut! Wir Bürgermeister kennen die Situation wahrscheinlich besser, weil wir mit der Bevölkerung sehr nahe zusammenarbeiten müssen. Dass aber gleichzeitig die Steuersätze von 5 auf 2,5 Prozent reduziert werden, versteht der normale Durch­schnittsbürger nicht, weil gleichzeitig auch die Politikergehälter angehoben werden. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Herr Perhab, wir können nicht sagen: Na ja, das ist so!

Jährlicher Bericht in Österreich: Immer mehr Millionäre und immer mehr Menschen un­ter der Armutsgrenze. – Meine Damen und Herren, das muss uns eigentlich zu denken geben! Ich würde als Staatssekretär nicht so ohne Weiteres da sitzen und das vertei­digen. Ich glaube, man muss den Österreichern bei der nächsten Wahl sagen, warum


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 92

das nicht zu verteidigen ist. Da ist nichts mehr zu verteidigen, Herr Staatssekretär! Die Mineralölsteuer bringt pro Jahr zusätzlich 750 Millionen €; das haben wir heute gehört. Die Pendlerpauschale beträgt jährlich zwischen 600 und 1 500 € pro Pendler.

Meine Damen und Herren, in den Tälern haben wir bereits eine Abwanderungsquote von bis zu 17 Prozent – und es war bis heute nicht möglich, die Pendlerpauschale den Arbeitnehmern abzugelten. 25 bis 30 Prozent ist etwa die Abgeltung. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Kühnel und Schennach.) Meine Damen und Herren, wir in den Tälern wissen das sehr wohl! Schauen Sie sich bei uns in Kärnten die Struktur einmal an! Wir haben eine Tälerstruktur. Die Pendler müssen im Schnitt bis zu 40 Kilometer auspendeln und müssen dann wieder in die Täler zurück. In diesem Bereich haben wir große Sorgen.

Drei Viertel unserer Arbeitnehmer sind Pendler. Im Bezirk St. Veit gibt es nur zwei Schwerpunkte: Das ist Gott sei Dank die Treibacher Industrie AG und die Stadt St. Veit, aber es sind 60 000 Menschen. Und bei uns im Görtschitztal, im Gurktal und im Metnitztal leben zirka 25 000 Menschen. Sie müssen täglich 40 oder 50 Kilometer zur Arbeit fahren. Diese Sorgen der Menschen sind groß. Dort haben wir eine Abwan­derungsquote von bis zu 17 Prozent.

Warum gibt es keinen Mineralölpreisgipfel über den Eigentümer ÖIAG? Der Bun­deskanzler und der Vizekanzler sind ja zuständig. (Bundesrat Perhab: Weil wir nicht in einer Planwirtschaft leben!) – Ja, bitte schön, aber er kann das ja einberufen und die Sorgen ansprechen! Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler sind die Verant­wortlichen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Liebe Kollegen, wir sind nicht dazu da, um auf die Straßen zu gehen, sondern um unseren Kollegen und den Regierungsmit­gliedern zu sagen, wo es langgehen sollte und wo die Bürgerinnen und Bürger der Schuh drückt – und der drückt sehr, sehr stark! (Beifall der Bundesräte Mitterer
und Schennach.)

In Kärnten wird vom Landeshauptmann Dr. Haider und allen Regierungsmitgliedern gezeigt, wie es möglich wäre. Ich sage nicht, nur Haider, sondern alle Regierungsmit­glieder in Kärnten haben einstimmig ein Papier verfasst und unterschrieben – und da­mit zum Ausdruck gebracht, meine Damen und Herren, dass da gegengesteuert wer­den muss.

Zusätzlich wird in Kärnten eine Verdoppelung des Heizkostenzuschusses gewährt; eine Verdoppelung der Wohnungsbeihilfe plus Vergünstigung beim Diesel-Preis von 10 bis 12 Cent pro Liter. Meine Damen und Herren, das zahlt sich beim kleinen Arbeit­nehmer aus! Das ist so, da brauchen wir nicht darüber zu diskutieren. (Bundesrat Rei­senberger: Schauen wir mal über die Brille, schauen wir uns auch andere Bundeslän­der an! Das hat nicht nur Haider gemacht!) – Wir waren die Pioniere. Kärnten hat in dieser Frage die Pionierarbeit geleistet!

Bei der Landesfinanzreferentenkonferenz am 24. April 2008 hat der Kärntner Landes­hauptmann und Landesfinanzreferent Dr. Haider auch auf die negativen Konsequen­zen hingewiesen, nämlich auf das Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Vom Wegfall der Erbschaftssteuer, der Schenkungssteuer, der Kapitalertragsteuer und der Körperschaftsteuer sind letztendlich Bund, Länder und Gemeinden betroffen, Herr Kollege. (Bundesrat Perhab: Das hat nichts damit zu tun!) – Doch, der Finanzaus­gleich bringt das mit sich! (Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Perhab.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 180 Millionen € bekommen wir dadurch weniger! (Bundesrat Perhab: So viel Geld haben die Länder und Gemeinden im letzten Finanz­ausgleich ...!) Der Bund ist mit 67 Prozent beteiligt, die Länder mit 22 Prozent, aber die Gemeinden auch mit 12 Prozent. So schaut die Wirklichkeit aus! (Bundesrat Perhab: Wie schauen die absoluten Zahlen aus im Finanzausgleich?)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 93

Bei der Pendlerpauschale – jetzt komme ich noch darauf zu sprechen – soll eine Erhö­hung um 15 Prozent erfolgen. Das ist für 20 bis 40 Kilometer von 546 € auf 630 €, also um 15,3 Prozent, für 40 bis 60 Kilometer von 1 080 € auf 1 242 €, das sind 15 Prozent, und für über 60 Kilometer von 1 614 € auf 1 857 €, das sind 15,06 Prozent.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie, dass das genug ist, was bisher schon an Erhöhung gezahlt wurde und jetzt gezahlt werden soll? Liebe Kollegen von dieser „Reichshälfte“ (in Richtung SPÖ), wie könnt ihr dem zustimmen? – Da kann et­was nicht stimmen. Für mich wirft sich die Frage auf, wie das geht. Wenn ihr ehrliche Vertreter eurer Kollegen seid, die in Österreich täglich zu Tausenden in die Arbeit fah­ren, dann könnt ihr nicht heute nur sagen: So geht es nicht!, sondern da ist an den Herrn Staatssekretär heranzutreten und zu sagen: Herr Staatssekretär, so nicht, da muss mehr geschehen! (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme aus dem bäuerlichen Bereich, war immer Bauer, habe für die Bauern gekämpft, und ich muss sagen, es ist sehr viel getan wor­den, aber wir werden uns sehr, sehr anstrengen müssen, dass der bäuerliche Stand, der gesamte ländliche Bereich und die Arbeiter nicht verarmen. Wir müssen uns stär­ker auf die Füße stellen und die Herren Staatssekretäre und die Herren Minister auf Vordermann bringen – meine Herren, die sind ja für uns da! Es ist ja nicht so, dass sie in Österreich nur Repräsentationsaufgaben haben. Die Herren Minister und die Herren Staatssekretäre sind verantwortlich für jedermann in Österreich. Und dass Sie diese Verantwortung, Herr Staatssekretär, in Zukunft gegenüber jedermann in Österreich wahrnehmen, darum möchte ich bitten. Dann werden wir eine gute Politik haben, die auch ausstrahlen kann. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

14.12


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile es ihm.

 


14.12.44

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich darf zum Thema Erb­schafts- und Schenkungssteuer Stellung beziehen.

Tatsache ist, dass der Verfassungsgerichtshof mit Bescheid vom 7. März 2007 dieses Gesetz aufgehoben hat (Bundesrat Schennach: Zur Reparatur!), zumindest einmal aufgehoben hat, und hier die Reparatur dadurch stattfindet, dass Vermögensverschie­bungen gemeldet werden müssen, der Finanzverwaltungsbehörde anzuzeigen sind.

Aber worum geht es jetzt eigentlich bei der Abschaffung der Erbschafts- und Schen­kungssteuer? – Kollege Schennach hat, wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, ge­sagt, fünf Fälle haben 23 Prozent ausgemacht. (Bundesrat Schennach: Im Jah­re 2006!) Dann sind die restlichen Fälle 77 Prozent, und 77 Prozent sind drei Viertel. Und ich glaube, das sind nicht immer die Superreichen, auf die wir uns so gerne ein­schießen (Bundesrat Konecny: Nein, das hat der ÖVP noch keiner unterstellt!), son­dern das sind Leute wie wir, Leute, die ein kleines Vermögen angespart haben, die einen Bauplatz erworben haben, die ein Haus gebaut haben, die eine Eigentumswoh­nung erworben haben, und dieses vielleicht an ihre Kinder oder Enkelkinder übergeben wollen. Und für dieses geschaffene Vermögen, für diese geschaffenen Werte wurde bereits Einkommensteuer bezahlt. Ich glaube, es ist legitim, dass man dieses Geschaf­fene an seine Kinder und Enkelkinder entsprechend weitergeben kann.

Geschätzte Damen und Herren! Ich meine schon, dass das eine Frage der Philosophie und der Einstellung ist. (Bundesrat Ing. Kampl: Nein, der Solidarität ...!) Ich komme wie Kollege Kampl aus dem bäuerlichen Bereich. Und meine Eltern hatten kein Auto, sind


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 94

nicht in den Urlaub gefahren (Bundesrat Ing. Kampl: Meine auch nicht!) und haben ge­spart, dass mein landwirtschaftlicher Betrieb wachsen konnte. Sie hätten auch in den Urlaub fahren können, sie hätten ein Auto kaufen können, aber dann hätten sie dieses Einkommen in den persönlichen Konsum gesteckt. Sie haben es aber nicht gemacht, sondern das mir als Kind weitergegeben. Und ich stehe dazu, dass das von den Eltern Geschaffene an die Kinder weitergegeben werden kann, steuerfrei weitergegeben wer­den kann (Beifall bei der ÖVP), denn ich glaube, dass das das Familienbewusstsein stärkt und den Familiensinn fördert. Ich meine, dass hier Eigentum geschaffen werden darf und Eigenverantwortung für die Zukunft wahrgenommen werden soll. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.)

Geschätzte Damen und Herren! Es gilt natürlich das, was für Privatpersonen gilt, auch für kleine Familienunternehmen, die an die Nachfolger, an die Betriebsübernehmer steuerfrei übergeben werden können. Damit wird die Möglichkeit der Betriebsnachfolge verbessert, und auch das sollten wir bei der Förderung von kleinen und mittelständi­schen Unternehmen bedenken.

Erbschafts- und Schenkungssteuer sind etwas, was im Prinzip dann zur Anwendung gekommen ist, wenn bereits versteuertes Einkommen an Erben, an Nutznießer weiter­gegeben wurde. Wenn wir in Generationen denken und wenn wir Nachhaltigkeit schaf­fen wollen, dann sollten wir dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.16


Präsident Helmut Kritzinger: Das Wort erteile ich nun Herrn Staatssekretär Dr. Matz­netter.

 


14.16.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte gleich zu Beginn klarstellen – damit Ihnen das bewusst ist –, was ein Einspruch gegen dieses Gesetz bedeuten würde.

Faktum ist: Bei den Verhandlungen des Regierungsprogramms dieser Bundesregie­rung gab es keine Einigung über die Behandlung der Erbschafts- und Schenkungs­steuer. Es gibt daher auch keine diesbezügliche Bestimmung, obwohl den Verhandlern natürlich bewusst war, dass beim Verfassungsgerichtshof mehrere Verfahren anhängig sind.

Es gab für den österreichischen Verfassungsgerichtshof im Lichte einer gleichheitswid­rigen Behandlung von Barvermögen und Grundvermögen einen so eklatanten Wider­spruch, dass sich der Verfassungsgerichtshof gezwungen sah, im Rahmen seiner Möglichkeiten, nämlich kassatorisch, Rechtsvorschriften zu beheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat nicht § 19 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 über die Bewertung von Grundvermögen nach Einheitswerten aufgehoben – da­mit wären diese dann zu Verkehrswerten zu bewerten gewesen; das Steuervolumen wäre dann von 150 Millionen wahrscheinlich auf 1,5 Milliarden gestiegen –, sondern er hat den Grundtatbestand im § 2 – zuerst bei der Erbschaftssteuer und in einem weite­ren Erkenntnis bei der Schenkungssteuer – aufgehoben.

Das Gesetz, das nunmehr vorliegt, ändert an diesem Umstand überhaupt nichts. Die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wirkt daher mit der gegebenen Frist – außer für den Anlassfall – mit Ablauf des 31. Juli 2008, womit ab 1. August 2008 Erb­schaften und Schenkungen in Österreich steuerfrei sind.

Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass bereits im Plenum des Nationalrates er­sichtlich war, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Hohen Hauses, auch die Mehrheit


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 95

der Fraktionen, diesen Entfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer begrüßen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Nein. Die Mehrheit des Parlaments, losge­löst von der Frage der Koalitionsvereinbarungen, begrüßt diese Abschaffung; zwei Fraktionen begrüßen sie nicht.

Es galt, mit diesem Gesetz zwei Dinge zu regeln, beziehungsweise würden, wenn die­ses Gesetz, das Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt, nicht in Kraft treten wür­de – durch einen Einspruch –, folgende Dinge geschehen:

Erstens: Komplette Erbschafts- und Schenkungssteuerfreiheit tritt am 1. August ein. Das heißt, auch für Stiftungen entfällt die Stiftungseingangsbesteuerung.

Zweitens: § 33 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 bliebe in Kraft. Damit könnte jeder Stifter seine Stiftung widerrufen – ohne „Mausefalle“, nur damit das klargestellt ist – und würde persönlich die ursprünglich entrichtete Stiftungssteuer zu­rückbekommen.

Drittens: Die Finanzverwaltung wüsste nicht Bescheid, welche Schenkungen gemacht werden, weil es kein Schenkungsmeldegesetz gäbe – mit dem unangenehmen Effekt, dass im Rahmen von Betriebsprüfungen und anderen Feststellungen der Steuerpflichti­ge, der einen unerklärbaren Vermögenszuwachs hat, darauf hinweisen könnte, dass er eine Schenkung erhalten hat, und der Finanz keine Möglichkeit in die Hand gegeben wäre, zu sagen: Lieber Freund, wir wissen nichts davon, daher ist in diesem Fall dein Schutzargument nicht gültig!

Das wollte ich Ihnen vorweg sagen, damit klar ist, worüber abgestimmt wird. Nun zu den einzelnen Punkten, die aufgeworfen wurden.

Erstens: Neben Italien gibt es natürlich auch ein paar andere Länder, in denen die Erb­schaftssteuer nicht existiert, beispielsweise Schweden. Ich gebe zu, dass gerade in Schweden die Probleme eine Meldegesetzgebung erforderlich gemacht haben, die in ähnlicher Art erfolgt ist, wie wir sie in diesem Gesetz, wenn heute kein Einspruch er­folgt, ab 1. August haben.

Zweitens: In den USA ist keine vollständige Aufhebung der Erbschaftssteuer erfolgt, sondern nur ein höherer Freibetrag eingeführt worden – meines Wissens 750 000 US-Dollar –, allerdings kombiniert aufgrund eines Protestes einer Reihe von Persönlichkei­ten, wie Bill Gates, George Soros und anderer, mit einer sogenannten Sunrise-Rege­lung, die ab dem Jahr 2010 die ursprüngliche Erbschaftssteuer wiederherstellt.

Drittens: Was die Frage des Staatseinnahmenverzichts des Bundesministeriums für Fi­nanzen betrifft, darf ich darauf verweisen, dass die wesentlichen Beträge, auf die hier verzichtet würde, bestehen aus der heute zur Beschlussfassung stehenden dritten Er­höhung der Pendlerpauschale, aus dem – ich glaube, auch heute zur Behandlung an­stehenden – Entfall der Arbeitslosenversicherungsbeiträge mit mehr als 300 Millionen € im Jahr. Weitere, nämlich indirekt wirkende Einnahmenverzichte sind zum Beispiel – da darf ich auf die Ausführungen des Kollegen Kampl eingehen – die Deckelung der Rezeptgebühren mit 2 Prozent, die indirekt durch die Bezahlung – das Gesundheits­paket kommt vielleicht auch noch vor dem Sommer zur Beschlussfassung – refundiert werden an die Krankenversicherungsträger.

An dieser Stelle sei auch gesagt: Es gibt, seit diese Bundesregierung im Amt ist, keine Erhöhung der Selbstbehalte und keine Erhöhung der Rezeptgebühren, sondern – im Gegenteil – durch die Deckelung mit 2 Prozent eine Reduktion derselben.

Auf die Frage der Mindestsicherung – in diesem Zusammenhang könnte ich auch auf die zusätzlichen Bildungsaufwendungen verweisen – sei an dieser Stelle nur hingewie­sen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 96

Zum konkreten Gesetz: Es wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit hier ein Geschenk von 400 Millionen € für die Stiftungen verhindert wurde. Ich habe mir erlaubt, mich im Finanzausschuss des Nationalrates aufgrund der öffentlichen Erklärungen eines Uni­versitätsprofessors zurückzuziehen, und zwar mit dem Standpunkt: Ich sehe das schon ein, wenn eine Heizungsanlage nicht funktioniert, fragen Sie auch den Physikprofessor und nicht den Installateur! (Heiterkeit.)

Ich darf an dieser Stelle, sozusagen als Installateur des Gewerbes kommend, da es hier wieder angesprochen wurde, ... (Bundesrat Schennach: Das war ein starkes Stück, Herrn Doralt ...!) – Universitätsprofessor für Physik ist keine ehrenrührige Aus­sage, oder?

Ich darf an dieser Stelle nur auf zwei Dinge verweisen, Herr Kollege – das habe ich in­haltlich auch getan; wir sind einander nicht böse, ich habe mit ihm ein gutes Verhält­nis –:

Erstens: Die Feststellung, dass Stiftungen de facto keine Körperschaftsteuer zahlen, ist richtig. Sie stimmt aber schon bisher, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Eine Stiftung darf nämlich nach dem österreichischen Privatstiftungsgesetz – das ist § 1 Abs. 2 Ziffer 1 – selbst keine gewerbsmäßige Tätigkeit ausüben. Sie hat daher keiner­lei betriebliche Einkünfte, die einer normalen Körperschaftsteuer unterliegen. Sie kann daher nur sonstige Einkünfte haben. Diese sind – nur damit allen klar ist, welche das sind – Einkünfte aus Kapitalvermögen – dort wird keine normale Körperschaftsteuer gezahlt, sondern, wie Sie richtig feststellen, nur die sogenannte Zwischensteuer von 12,5 Prozent. Sonst kann sie noch sonstige Einkünfte beziehen, das heißt Spekula­tionseinkünfte, wenn sie die Jahresfrist oder Zehnjahresfrist nicht abwartet, andernfalls sind sie steuerfrei. Auch alle Formen von Dividenden, sowohl inländische – Schachtel­privileg § 10 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz – als auch ausländische, sind steuerfrei.

Daher zahlen Stiftungen keine normale Körperschaftsteuer. Sie haben sie bisher nicht bezahlt und bezahlen sie – ohne Gesetzesänderung – morgen nicht. Daher kann eine Anrechnung einer Stiftungseingangsbesteuerung maximal gegen die sogenannte Zwi­schensteuer erfolgen. Die Zwischensteuer ist jedoch, wie Sie richtig festgestellt haben, eine Vorauszahlung auf die KESt bei der Auszahlung. Wenn Sie eine geringere Vo­rauszahlung zahlen, erkennen Sie daran, dass es dieses Geschenk nie gegeben hat.

Ich möchte an dieser Stelle nur wiederholen – ich habe das im Ausschuss und im Ple­num des Nationalrates schon gesagt –, dass man sich im Klaren sein und darauf ach­ten muss, auch als Opposition – ich war selbst lange Zeit Oppositionsabgeordneter –, dass man, wenn man etwas lobbyiert, nicht nur frisch los in eine Richtung läuft, dann kann man sich auch freuen, wenn man etwas durchsetzt.

Faktum ist: Es war kein Problem zwischen den Regierungsparteien, die Bestimmung der Zwanzigstel-Regelung zu entfernen – klar, die hat ja nicht wirklich etwas für Stiftun­gen gebracht; aber die Reduktion auf 2,5 Prozent, also die Wiederherstellung der Ein­gangsbesteuerung, wie sie ursprünglich unter Lacina hergestellt wurde, ist eine echte Erleichterung für die Stiftungen; allerdings wäre sie, gäbe es das Gesetz nicht, doppelt so hoch.

Ich darf dies einmal zum Sachverhalt festhalten: Es gibt kein Geschenk für Stiftungen in diesem Bereich. Ohne dieses Gesetz hätten sie nämlich gar keine Eingangssteuer zu zahlen und würden die volle Stiftungseingangsbesteuerung durch eine einfache Kombination zurückbekommen, nämlich Widerruf der Stiftung – ohne „Mausefalle“ –, Rückerstattung der vollen Eingangsbesteuerung, Neuerrichtung der Stiftung nach Be­lieben ohne Eingangsbesteuerung. – Nur so viel zum Sachverhalt.

Daher können Sie ohne Bedenken in dieser Frage, ob Sie zustimmen oder nicht, da­nach entscheiden, ob Sie mehr Steuergeschenke wollen – dann müssen Sie das Ge­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 97

setz ablehnen –, oder keine wollen – dann müssen Sie dem Gesetz Ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

An dieser Stelle zum Glücklichsein: Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich es nicht für vernünftig halte, dass Vermögenszuwächse, die nicht aus Arbeit stammen, steuerfrei sind. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir alle – und das meine ich nicht fraktionell – in den nächsten Jahren über ganz andere Dinge nachdenken müssen. Ich glaube, dass sich jene, die sich am 1. August über den Entfall der Erb­schafts- und Schenkungssteuer, auch bei Millionenerbschaften, freuen, das letzte Mal freuen können, falls sie so etwas als angenehm empfinden, denn wir werden in den nächsten Jahren darüber reden müssen, und zwar europaweit und weltweit, was wir tun können, um gerade bei den Vermögenszuwächsen aller Art, gerade im Bereich des Finanzvermögens, durch Maßnahmen der Besteuerung dafür zu sorgen, dass wir nicht weltweit in die Situation kommen, dass die Entwicklung des Finanzvermögens die reale Wirtschaft, die reale Beschäftigung, die reale Landwirtschaft, die reale gewerbliche Wirtschaft so unter die Räder bringt, dass sie ihre Grundaufgaben, nämlich Güter und Dienstleistungen auf leistbare Art und Weise für die Bevölkerung zu liefern und zu er­bringen, nicht mehr erfüllen können.

Am heutigen Gipfel beschäftigt man sich bereits – ungeachtet der politischen Zugehö­rigkeit; das geht von ganz links bis ganz rechts – mit der Eindämmung dieser Spekula­tion, mit den Möglichkeiten, die Steuerlasten von der Arbeit wegzubekommen. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass wir alle uns mit dieser Frage auch in diesem Haus und in diesem Raum noch beschäftigen werden müssen.

Herr Bundesrat Kampl hat gesagt, dass die Gemeinden verlieren. – Das ist ein Kurio­sum bei der Regelung: Wenn Sie sich die Auswirkungen auf die einzelnen Gebietskör­perschaften anschauen, stellen Sie fest, dass Steuervolumen in den Bereich der Grunderwerbsteuer verlagert wird, sodass die Gemeinden aus dem Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof das aufgehoben hat, durch ein Plus an Einnahmen statt durch ein Abfallen entschädigt werden. Nur die Länder und der Bund verlieren, da 96 Prozent des Grunderwerbsteueraufkommens an die Gemeinden geht. Durch diese Verlagerung bisher grunderwerbsteuerfreier Vorgänge in die Pflichtigkeit kommt es zu einem Mehr­ertrag für die Gemeinden.

An dieser Stelle sei auch erwähnt: Die Gemeinden haben – aufsummiert – bis zum Juni 2008 bereits ein Abgabenmehraufkommen von über 313 Millionen € gegen-
über 2007. Das heißt, diese Bundesregierung hat auch mit dem Finanzausgleich sehr darauf geschaut, dass die Funktionstüchtigkeit gerade der Gemeinden als wichtiger Träger der Daseinsvorsorge und gerade in Zeiten, in denen wir mit Armutsproblemen, Inflationsproblemen kämpfen, gegeben ist, dass die Gemeinden so ausgestattet sind, dass sie in der Lage sind, ihren Aufgaben nachzukommen – auch die Länder.

Damit habe ich auch schon die Überleitung zum Pendlerpauschale. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen: Zuständig ist, wenn Personen in Not geraten aufgrund einer Steigerung von Energiepreisen, Lebensmittelpreisen, nach unserer Bundesver­fassung nicht der Bund. Die Zuständigkeit für die Sozialhilfe ist bei den nachgeordne­ten Gebietskörperschaften. Der Bund kann zu einer Stärkung beitragen – das tut er auch –, aber die Aufgabe wird richtigerweise, wie Sie es von Kärnten gesagt haben, es aber auch in vielen anderen Bundesländern in ähnlicher Art und Weise wahrgenom­men wird, von den Bundesländern erfüllt. Wir können nur im Finanzausgleich dafür sor­gen, dass wir dort, wo es notwendig ist, Unterstützung leisten. Das tun wir – Stichwort: Grundsicherung –, wir können die Aufgabe aber nicht übernehmen, wir können nur ver­suchen, dort, wo es den Bund berührt, entsprechende Maßnahmen zu setzen. Und eine Maßnahme ist, dass diese Bundesregierung die Pendlerpauschalen so stark wie noch nie erhöht hat.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 98

Ich erinnere daran, dass alleine die in den letzten zwölf, 13 Monaten erfolgte Erhöhung der Pendlerpauschale mehr als doppelt so hoch ist wie die in den gesamten sieben Jahren davor.

Ich darf an der Stelle darauf verweisen, was der Steuergesetzgeber nur tun kann. Der Steuergesetzgeber kann ja nur den Werbungskostencharakter für die Fahrt vom Wohn­ort zum Arbeitsort abdecken, das heißt, die Mehrkosten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Fahrt zum Arbeitsplatz haben. Dieses wird pauschaliert abge­golten.

Wenn auch der Treibstoff in den letzten sechs Monaten um mehr als 15 Prozent ge­stiegen ist, die Gesamtkosten des Kfz sind es nicht! Wenn Sie die 40 Prozent nach­rechnen und die ÖAMTC- oder ARBÖ-Tabelle über die Gesamtkosten pro Kilometer anschauen, werden Sie sehen, dass wir sehr wohl im Rahmen der zusätzlichen Auf­wendungen entsprechend die Pauschale erhöht haben. Es mag sein, dass sie vorher bei vielen Kraftfahrzeugen bereits zu niedrig war.

Herr Bundesrat Kampl, ganz ehrlich: Ich bin froh, dass die Bundesregierung, der ich als Staatssekretär angehören darf, wenigstens in diesem Ausmaß bei den schwierigen Verhältnissen jetzt und sofort und gleich reagieren kann und möglich macht, dass die Anpassung in diesem Rahmen erfolgt. Dasselbe gilt für das Kilometergeld.

Noch ein Nachtrag bezüglich jener, die keine Lohnsteuer bezahlen müssen: Erstmals in der Geschichte der Republik wurde nämlich bereits bei der letzten Erhöhung – und in dem Fall bin ich stolz, weil es auch mein Betreiben war! – durch § 33 Abs. 9 des Ein­kommensteuergesetzes für jene Personen die Möglichkeit geschaffen, die sogenannte Negativsteuer in Anspruch zu nehmen, sodass erstmalig Personen, die keine Lohn­steuer zahlen, dennoch eine Wirkung der Pendlerpauschale haben. (Bundesrätin Kerschbaum: Wie viel ist das denn?) – Bis zu 130 €! Das ist schon Gesetz und kann, wie das Wesen einer Negativsteuer ist, erst im Nachhinein beansprucht werden. Auch hier braucht diese Bundesregierung sich nicht zu verstecken! Sie hat auch in diesem Bereich einen Schritt aus der Systematik des Gesetzes heraus gemacht – weil es ja nur Werbungskosten sind –, um direkt eine kleine Hilfe in diesem Bereich zu leisten. Aber glauben Sie mir: Für Personen, die nur 1 000 € verdienen, sind auch 10 € im Mo­nat ein wichtiger Beitrag.

Wir können gesetzessystematisch über die Negativsteuer nicht alles regeln. Und ich gebe zu, dass dieser Bereich ein heikler ist, weil wir, gerade was die Armutsvermei­dung betrifft, zunehmend auf die Schwierigkeit stoßen, dass eine Fülle von Maßnah­men gesetzt wird und durch Inflation in den täglichen Ausgaben oft stärker kompensiert wird, als wir reagieren können.

Ich erinnere nur in diesem Zusammenhang: Es gibt jetzt flächendeckend 1 000 € Min­destlohn für die Vollbeschäftigung. Es gibt die Überstundenzuschläge bei der Teilzeit­arbeit. Es wird ab 1. Juli nächsten Jahres die Grundsicherung geben. All das dient da­zu, im unteren Bereich Floor-Regelungen zu setzen, und soll der Vermeidung der Ar­mut dienen, die übrigens großteils Frauen betrifft. Ich gebe aber zu, dass es gleichzei­tig eine Entwicklung gibt, dass man gerade an den Lebensmittelpreisen und Energie­preisen verzweifelt, weil man in der Schnelligkeit der Maßnahmen nicht nachkommt.

Bezüglich der Kilometergelder möchte ich darauf verweisen, dass jeder Dienstnehmer das Recht hat, die vollen Kfz-Kosten für dienstliche Fahrten, wenn sie nicht von zu Hause zum Arbeitsplatz sind, geltend zu machen, das heißt, durch das Kilometergeld oder seine Nicht-Valorisierung an sich keinen Schaden hätte, allerdings einen bürokra­tischen Aufwand: Er muss alle Tankrechnungen, Versicherungszahlungen, die Ab­schreibung des Fahrzeuges zusammenrechnen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 99

Wir reagieren mit der 12-prozentigen Erhöhung, sodass Kilometergelder wieder Voll­kosten sind, und setzen das Kilometergeld so an, dass es dem wesentlichen Teil der Dienstnehmer erspart bleibt, das zu rechnen, aber die Pauschale angemessen der Ent­wicklung angepasst wird.

Übrigens, Frau Kollegin: Öffentliche Verkehrsmittel können in voller Höhe geltend ge­macht werden. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber wenn ich eine Vorteilskarte habe?!) – Die Frage der Vorteilskarte ist genauso zu behandeln wie die einer Monatskarte, die überlassen wird. Hier sehen die Lohnsteuerrichtlinien vor, dass Sie eine Mindestanzahl von Fahrten dienstlicher Natur haben müssen, damit die Kosten von der Steuer zur Gänze abgezählt werden. Wenn Sie die Vorteilskarte überwiegend privat nützen, dann kann es schon aus Gründen der Gleichheitswidrigkeit nicht zu einer steuerlichen Aner­kennung kommen. (Bundesrätin Kerschbaum: Und das ist nicht kompliziert?) – Nein, das ist insofern relativ einfach: Der Dienstgeber kann diese Fahrten gegen Belegnach­weis direkt ersetzen, oder Sie können es bei der Steuer geltend machen. Dann können Sie auch einen angemessenen Teil der Vorteilskarte geltend machen, wenn Sie Auf­zeichnungen führen, wann Sie gefahren sind.

Pauschalieren lässt sich das extrem schwer. Wir alle quer durch die Regierungspar­teien überlegen, was wir im Zuge der Steuerreform in dem Bereich tun können. Wir ha­ben etliche Überlegungen, und das ist auch der Grund, warum wir jetzt die Befristung mit 2009 vorgesehen haben. Zu dem Zeitpunkt wollen wir eine Neuordnung auch die­ser Bereiche vornehmen.

Übrigens an dieser Stelle Herrn Bundesrat Herbert – ich glaube, er ist nicht im Saal – zur Erinnerung: Die letzte Wahl zum Nationalrat hat am 1. Oktober 2006 stattgefunden. Daher wird die Bundesregierung wohl nicht bis Ende 2009 eine Regelung auslaufen lassen, damit im Wahljahr Verschlechterungen eintreten. Das ist die eher unwahr­scheinliche Variante. (Allgemeine Heiterkeit.) Die wirkliche Variante ist, wir wollen eine Steuerreform am 1. Jänner 2010 in Kraft setzen und da diesen Teil neu behandeln.

Im Übrigen wollen wir der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Ölpreis nicht bei 140 € stehen bleibt, sondern möglicherweise, wenn die Spekulation nachlässt, zumin­dest wieder unter 100 Dollar pro Barrel kommt, was die Chance ergeben würde, dass auch die Preise wieder sinken können. (Bundesrat Schennach: Wie viele Kerzen zün­den Sie an im Stephansdom täglich?)

Ich sehe das weder erfreut wie manche Fraktionen möglicherweise, nach dem Motto: Energie kann nicht teuer genug sein. Aber in dieser Frage verstehe ich die Einwen­dung des Bürgermeisters Kampl, dass wir eine soziale Situation haben, wo Menschen ab Oktober und November wieder heizen müssen. Ich empfinde weder ein Vergnügen noch eine Freude daran, eine solche Situation zu haben, wo Energiepreise in die Höhe gehen. Ich hoffe, dass es mit einer Fülle von Maßnahmen möglich wird, das einzu­dämmen.

Ich hoffe, dass ich auf die wesentlichen Fragen eingehen konnte und es Ihnen erleich­tere, auch in diesem Fall keinen Einspruch zu erheben, sondern der Gesetzwerdung zuzustimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Herr Bundesrat Schen­nach, dies insbesondere wegen des § 33 – dieser tritt nämlich mit Verlautbarung des Gesetzes in Kraft und schneidet die letzte Möglichkeit der Rückvergütung der Stif­tungseingangsbesteuerung ab; der wahre Grund, warum es die Zwanzigstel-Regelung gab. Beschließen Sie es, desto schneller geht es! Sie beseitigen damit ein Privilegium der Stifter. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.36



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 100

Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Kollegin Kerschbaum, bitte. (Rufe bei der ÖVP: Na, geh’ bitte!)

 


14.37.09

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Freude oder Nicht-Freude über den erhöhten Öl­preis sei dahingestellt. Wenn Sie ernsthaft damit rechnen, dass der Ölpreis unter 100 Dollar pro Barrel fällt, dann will ich Sie darauf hinweisen, dass Sie möglicherweise die falsche Strategie fahren.

Wenn Sie ernsthaft mit unter 100 Dollar pro Barrel rechnen, dann wird wahrscheinlich die Strategie weiter Richtung Straße gehen und weiter Richtung: Wir fördern die Pend­ler, die mit dem Auto unterwegs sind!, und weiter nicht in Richtung: Wir schaffen einen öffentlichen Verkehr, damit die PendlerInnen auch Alternativen haben! (Beifall bei den Grünen.)

14.37


Präsident Helmut Kritzinger: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Schenkungsmeldegesetz 2008.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Ju-
ni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.39.17 13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (526 d.B. und 614 d.B. sowie 7972/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Nun gelangen wir zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.39.42

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 101

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher sogleich zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertei­len.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

14.41.45 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (589/A, 588/A und 604 d.B. sowie 7966/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


14.41.58

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile es ihm.

 


14.42.46

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! (Zwischen­ruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Lieber Herr Kollege, es handelt sich um einen Ini­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 102

tiativantrag aus dem Nationalrat. Dies nur zur geschäftsordnungsmäßigen Erläuterung. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Habe ich etwas gesagt? Er stänkert. (Heiter­keit des Redners.)

Herr Präsident! Hochverehrter Kollege Kühnel! Meine Damen und Herren! Was wir hier jetzt beschließen, ist natürlich kein Meilenstein. Der Meilenstein wurde vor sieben Jah­ren gelegt, nach vielen, vielen Jahren des Zögerns und Zauderns. Und in diesem Be­reich geht es wahrlich nicht darum, dass die Republik sich in besonderem Maße rüh­men darf.

Warum es dennoch wichtig ist – praktisch aber auch symbolisch – ist, dass hier eine bestehende Gesetzessituation flexibel und, wenn Bedarf besteht, auf die Rechte derer, die Rückforderungsansprüche geltend machen, angepasst wird und man sich nicht hin­ter abgelaufenen Fristen, wie das in den unmittelbaren Nachkriegsjahren geschehen ist, verschanzt.

Insofern ist das ein Zeichen dafür, dass die Republik ihre Lektion gelernt hat und dass ihr Umgang mit denen, die von den Nazis beraubt wurden, getötet wurden, sich geän­dert hat.

Und als solches – so glaube ich – kann man eine solche, an sich kleine Gesetzeser­weiterung durchaus auch ein wenig hochjubeln. Ich sage das Wort ganz ehrlich.

Es ist auch kein Zufall, Kollege Kühnel, jetzt in allem Ernst gesagt, dass dieser Geset­zesbeschluss des Nationalrates auf zwar nicht gleichlautende, aber parallel laufende Anträge der Frau Nationalratspräsidentin Prammer und ihres Stellvertreters, des Kolle­gen Spindelegger zurückgeht, womit klar und deutlich wurde, dass hier ein gemeinsa­mer Wille besteht und dass im Nationalrat vier Parteien dieser Regelung zugestimmt haben.

In der Sache geht es, wie gesagt, um einen relativ kleinen, aber für die Betroffenen na­turgemäß wichtigen Bereich.

Das Entschädigungsfondsgesetz, das im Jahr 2001 in Erfüllung des Washingtoner Ab­kommens beschlossen wurde, hat es jenen Opfern des NS-Regimes, die nicht oder nicht hinreichend entschädigt worden sind, ermöglicht, ihre Ansprüche entweder erneut oder überhaupt erst geltend zu machen.

Dabei ist auch die Naturalrestitution von Liegenschaften geregelt, und zwar ursprüng­lich für die, die zwischen 1938 und 1945 den Eigentümern entzogen wurden und sich im Eigentum des Bundes befinden. Es wurde aber auch den Ländern und Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, sich der Schiedsinstanz, die in diesem Gesetz eingerichtet wurde, zu bedienen.

Nun hat es gerade bei diesem zweistufigen Verfahren Rückforderungsansprüche an Gemeinden und Länder und von denen dann die Einschaltung der Schiedsinstanz und damit begreiflicherweise beträchtliche Verzögerungen gegeben. Und es sind daher die Fristen mit Ende 2007 abgelaufen.

Nun ist das ein unbefriedigender Zustand. Und genau dieser unbefriedigende Zustand wird hier saniert: einerseits dadurch, dass die Schiedsinstanz bis Ende 2009 angerufen werden kann und dass die Verfahren dort bis Ende 2011 dauern können.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das zwar zunächst nur für die Ansprüche gilt, die sich gegen Gemeinden und Länder richten, dass aber in einer Ausschussfeststel­lung des zuständigen Verfassungsausschusses im Nationalrat eine wichtige Klarstel­lung getroffen wurde, die ebenfalls im Interesse der Opfer oder deren Erben ist, dass nämlich, wenn sich im Zuge der Behandlung eines solchen Antrages herausstellt, dass das in Rede stehende und beanspruchte Grundstück nicht im Eigentum eines Landes


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 103

oder einer Gemeinde steht, sondern gänzlich oder teilweise im Eigentum des Bundes steht, dann trotzdem die Schiedsinstanz innerhalb dieser Fristen weiter eingeschaltet werden kann, denn es wäre ein bisschen eine unredliche Lösung, zu sagen: Das ist an den falschen Adressaten gewandt, das ist der Bund und dieser ist von dieser Erweite­rung der Abwicklungsfrist nicht umfasst!

Wie gesagt, es ist keine fundamentale Novelle. Es ist eine wichtige und lebensnah ge­staltete Erweiterung eines eingeräumten Rechtes. Und insofern ist es ein praktisches Stück nicht nur der materiellen, sondern auch der moralischen Wiedergutmachung. (Allgemeiner Beifall.)

14.48


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dr. Schnider. Ich erteile es ihm.

 


14.48.48

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Bundesrat Konecny neben all dem anderen, was er gesagt hat, für eine ganz wichtige Aussage. Ich glaube, über diese muss man wirklich nachdenken: Wir können uns nicht einfach hinter Fristen verstecken.

Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Wenn jemandem etwas unrechtmäßig genom­men worden ist, er enteignet worden ist, vertrieben worden ist, dann muss er oder sie das zurück erhalten, muss zumindest dafür entschädigt werden. Und darum geht es! (Allgemeiner Beifall.)

Ich glaube, da kann man auch nicht so tun, selbst wenn es immer wieder Verlängerun­gen gegeben hat. – Jawohl, es hat Verlängerungen der Frist gegeben: 2001 bis 2004, dann 2006, 2007, jetzt 2009 und, und, und.

Das zeigt nur etwas: dass es hier im Haus möglich ist, bei diesen Themen – und das sollte man hier auch sagen –, auch mit einem großen Konsens bisher, über solche Fristen neuerlich nachzudenken.

Es zeigt sich genau bei jenem Bereich, den Professor Konecny hier schon angespro­chen hat, der die Gemeinden und Städte und die Landesebene betrifft, dass noch nicht alle den Beschluss gefasst haben, in den Gemeinderäten, um es einmal so zu sagen, oder Stadträten, diese Schiedsinstanz zu konsultieren und überhaupt die Möglichkeit einzuräumen, dass Ansprüche gestellt werden. Und deshalb ist es, glaube ich, auch sehr, sehr wichtig, dass jetzt gerade diese – und da sind wir uns auch einig – kleine Verbesserung auf diesen Schwerpunkt zu richten ist, was die Gemeinden und die Städte betrifft, denn darüber, was den Bund betrifft, sind wir uns, glaube ich, auch einig. Da ist schon in den letzten Jahren erstens einmal überhaupt nirgends mehr ein Fall aufgetaucht oder wenig Fälle, und zweitens ist das wirklich weltweit immer wieder publiziert worden. Das Dritte ist die Ausschussfeststellung, das ist auch schon ange­sprochen worden.

Ich bin der Kultusgemeinde sehr, sehr dankbar, denn sie hat das Beispiel gebracht, was dann ist, wenn jemand einen Anspruch stellt, der sich zwar in erster Linie so auf erstes Hinschauen auf Gemeindeebene bezieht, wodurch aber doch plötzlich Bundes­vermögen betroffen ist. In diesem Fall sollte die Schiedsinstanz selbstverständlich auch darüber entscheiden, dass natürlich auch über Bundesimmobilien zu verhandeln ist und diese in den Antrag mit hineinzunehmen sind. Das ermöglicht, wie ich meine, ein sehr flexibles Vorgehen, vor allem auch was die Schiedsinstanz betrifft. Man hat da ja ein Gremium eingerichtet, von dem ich der Meinung bin, dass es wichtig ist, und das hat auch zu entscheiden.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 104

Warum reden wir hier von Flexibilität? – Wir sagen eben nicht nur: 2009, 2011 oder sonst etwas, sondern auch wenn danach die Schiedsinstanz noch besteht und hier ein Beschluss von der Gemeinde gefasst wird, dass die Schiedsinstanz zu beauftragen ist, ist das innerhalb von 24 Monaten, nachdem dieser Beschluss im Gemeinderat oder im Stadtrat gefallen ist, mit zu bedenken und in die Arbeit der Schiedsinstanz mit aufzu­nehmen.

Damit haben wir meiner Ansicht nach auch auf parlamentarischer Ebene gezeigt, dass mit solchen Themen mit großer Sensibilität umgegangen und nicht einfach gesagt wird: Da ist Schluss, Punkt, aus, wer danach kommt, der kann, sagen wir es auf gut Stei­risch oder Wienerisch, baden gehen. Da geht es wirklich – und da betone ich noch ein­mal, was Bundesrat Konecny schon gesagt hat – um Menschen, denen man einfach alles weggenommen hat, die man vertrieben hat. Da geht es nicht um irgendwelche Streitfälle. Da geht es eindeutig um Menschen, denen man zwischen 1938 und 1945 alles weggenommen hat.

Da gilt es, glaube ich, noch einmal zu betonen: Wir können uns nicht auf Fristen hier einfach festlegen und sagen: So ist es, Schluss, basta! Da bin ich für diese flexible Lö­sung sehr dankbar und glaube, dass gerade diese zwei Anträge von Prammer und Spindelegger auch viel dazu beigetragen haben, dass wir uns hier wirklich mit diesem Thema genauer auseinandersetzen und nicht einfach sagen: Schluss, basta, aus, wir melden uns eben zu diesem Programmpunkt und die Sache ist erledigt! Und ich bin auch sehr, sehr dankbar, denn es geht ja hier um die Naturalrestitutionen, dass auch im Zusammenhang mit den Kunstrestitutionen einiges in Verhandlung ist und dass, wie ich höre, auch hier versucht wird, nach sinnvollen Lösungen Ausschau zu halten. Und ich hoffe, dass wir auch hier zu einem guten Ergebnis kommen werden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.54


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile es ihr.

 


14.54.37

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass wir jetzt niemanden auf der Re­gierungsbank haben. Auch wenn es keine weltbewegende Änderung ist, wäre es doch, finde ich, angebracht gewesen, dass jemand von Regierungsseite dieser Diskussion beiwohnt.

Ich kann meinen beiden Vorrednern in vielen Punkten zustimmen. Bei einem Punkt bin ich einer etwas anderen Meinung. Mein Vorredner hat lobend hervorgehoben, dass sich diese Fristverlängerung auf Gemeinden und Länder bezieht, und hat gesagt, es sei ja schon so lange kein Fall mehr aufgetreten, der den Bund betroffen hätte.

Die Vorgangsweise im Nationalratsausschuss hat mich ein wenig verwirrt. Es hat zwei Anträge gegeben, von denen der eine, nämlich der von der Frau Präsidentin Prammer, der weitergehende war, der eben bei dieser Fristerstreckung auch den Bund mit einbe­zogen hätte. Man hat sich dann aber auf den anderen Antrag geeinigt, in dem der Bund nicht mit drin ist, aber eine Ausschussfeststellung beschlossen, in der dann ge­sagt wird: Wir gehen schon davon aus, dass das auch den Bund betrifft!

Jetzt ist mir nicht klar, warum man nicht einfach gleich den weitergehenden Antrag be­schließen konnte, der nämlich dann auch eine gesetzliche Grundlage dafür beinhalten würde, dass auch für den Bund die Frist verlängert wird. Eine Ausschussfeststellung ist zwar schön, bringt aber rein rechtlich gesehen nicht sehr viel, wenn es dann darum ginge.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 105

Ich kann nur spekulieren, warum beim Bund die Frist nicht verlängert wurde. Wir wer­den sehen, wie sich das auswirkt. Im Grunde sind wir aber eben auch der Meinung, dass diese Fristverlängerung eine sinnvolle Maßnahme ist, und werden hier natürlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

14.56


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

14.57.0215. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für die Jahre 2005 und 2006, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-330-BR/2007 d.B. sowie 7967/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Nun gelangen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


14.57.26

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungsgerichtshofes für die Jahre 2005 und 2006, vorgelegt vom Bundeskanzler.

Die Berichte liegen Ihnen schriftlich vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 2005 und 2006, vorgelegt vom Bundes­kanzler, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Bundesrat Kraml. Ich erteile es ihm.

 


14.58.18

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute die Berichte des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes der Jahre 2005 und 2006.

Die Berichte selbst listen die Tätigkeit der beiden Gerichtshöfe auf und zeigen uns auch die Schwierigkeiten, unter denen die eingebrachten Fälle abgearbeitet werden müssen.

Zum Verfassungsgerichtshof: Die Statistik zeigt das jährliche Ansteigen der Zahl der Fälle. 2005 gab es einen Zugang von 4 028 Fällen, erledigt wurden 3 594, sodass es am Jahresende noch 1 365 offene Fälle gab. In den 4 028 eingebrachten Fällen waren 1 839 Beschwerden einer Serie von Beschwerden zum Insolvenz-Entgeltsicherungsge­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 106

setz enthalten. All diese Anträge konnten auch erledigt werden. 2006 hat es einen Zu­gang von 2 558 neuen Fällen gegeben. Die Verfahrensdauer vom Eingangsdatum bis zur Beschlussfassung beträgt rund acht Monate.

Im Bericht wird auch angeführt, dass es bei Aufhebungen von Rechtsvorschriften bei den entsprechenden Kundmachungen immer wieder zu Verspätungen bei der Einhal­tung der angemessenen vierwöchigen Frist kommt. Eigentlich sollte man von einer un­verzüglichen Kundmachung ausgehen können.

Da zeichnet sich natürlich die Kärntner Landesregierung aus, die zum Beispiel in kei­nem Fall die Kundmachungsfrist eingehalten hat. Einmal war das sogar erst nach acht Wochen der Fall. Das sollte und darf nicht passieren, weil erst durch die Kundmachung aufhebende Entscheidungen ihre allgemeine Wirkung erlangen.

Ein Problem, das im Bericht auch angeführt wird, ist die divergierende Rechtsauffas­sung zwischen dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Partei­enstellung der in einem verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber im Besetzungsverfahren. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt den Bewerbern in bestimmten Besetzungsverfahren, gemeint sind da schulfes­te Leiterstellen, schulfeste Lehrerstellen, Bezirksschulinspektoren oder Universitätspro­fessoren, wenn sie in einen Besetzungsvorschlag aufgenommen werden, Parteienstel­lung zu. Dem gegenüber vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtspre­chung die Auffassung, ein Bewerber habe in einem solchen Verfahren keinen Rechts­anspruch. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Diese Judikaturdivergenz zwischen den beiden Gerichtshöfen hat zur Folge, dass nicht zum Zug gekommene, in den bindenden Besetzungsvorschlag aufgenommene Bewer­ber mit unterschiedlichen Verfahrensergebnissen rechnen müssen, je nachdem, ob sie Beschwerde beim Verfassungs- oder beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Geändert kann dies nur vom Gesetzgeber werden.

Im Bericht wird auch festgestellt, dass es gerade im Bereich der Agrarbehörden – im Bericht steht: in überdurchschnittlichem Maß – fast regelmäßig zum Übergang der Zu­ständigkeiten auf die übergeordnete Behörde kommt, weil die Behörde erster, aber auch zweiter Instanz ohne triftigen Grund nicht innerhalb der gesetzten Frist entschei­det.

Der Verwaltungsgerichtshof führt auch aus, dass er sich im Zusammenhang mit den Reaktionen auf seine sogenannten Ortstafelerkenntnisse gegen Äußerungen verwah­re, die die Grenzen der sachlichen Kritik überschreiten. Und wir alle wissen, was damit gemeint ist.

Meine Damen und Herren, es geht hier auch um die grundsätzliche Bedeutung der An­erkennung und Vollstreckung höchtsgerichtlicher Entscheidungen für den Rechtsstaat. Weiters ist im Bericht die Belastung durch Massenverfahren angeführt. Dazu braucht es aber auch ein zusätzliches Instrumentarium, das noch geschaffen werden muss.

Auch der Bund bekommt sozusagen sein Fett ab. Der Verfassungsgerichtshof weist in seinem Bericht darauf hin, dass der Bund als Beschwerdeführer in Verfahren nach Arti­kel 144 B-VG, in denen er Bescheide bekämpft, in denen er zu einer finanziellen Leis­tung verpflichtet wird, unreflektiert die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bean­tragt.

Meine Damen und Herren, noch kurz zum Verwaltungsgerichtshof. Im Bericht des Ver­waltungsgerichtshofes wird das Grundkonzept des Regierungsprogramms, das die Ein­richtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe vorsieht, als positiv gesehen, ebenso die Einrichtung des Bundesasylgerichtes. Wie uns im Ausschuss vom Vizeprä­sidenten mitgeteilt wurde, wird der Verwaltungsgerichtshof noch in den nächsten Jah­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 107

ren, und zwar rechnet man bis 2010, mit der Abarbeitung der vorliegenden Asylfälle beschäftigt sein.

Meine Damen und Herren! Im Berichtszeitraum 2006 fielen beim Verwaltungsgerichts­hof 7 478 Rechtssachen des Beschwerderegisters und 3 544 Rechtssachen des Re­gisters für Anträge, die aufschiebende Wirkung zuerkennen, neu an. Gegenüber dem Jahr 2005 bedeutet das eine Steigerung bei den Beschwerdefällen um 15,13 Prozent und bei den Anträgen mit aufschiebender Wirkung um 34,04 Prozent. In 2 800 Fällen wurden Anträge auf Verfahrenshilfe gestellt, dies ist gegenüber 2005 ein Zuwachs von 27,62 Prozent.

5 927 Rechtssachen des Beschwerderegisters und 3 574 Rechtssachen des Registers für Anträge mit aufschiebender Wirkung wurden erledigt. Bei insgesamt 1 573 Fällen, und zwar sind das 34,95 Prozent, wurden die angefochtenen Bescheide aufgehoben. In 1 792 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen, und in 1 113 Fällen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Am Ende des Jahres blieben 8 858 Rechtssachen des Beschwerderegisters und 275 Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unerledigt.

Die durchschnittliche Erledigungsdauer der mit Erkenntnis erledigten Beschwerden bei Bescheidbeschwerden betrug rund 20 Monate. Interessant ist hier auch die Entwick­lung der Erledigungsdauer. Bis 1995 betrug sie konstant elf Monate. Von 1996 bis 2006 kam es dann zu ständigen Steigerungen, die im Jahr 2004 dann 22 Monate er­reichten und jetzt wieder, wie wir gehört haben, leicht gefallen sind. – Soweit zu den Zahlen.

Insgesamt sind es sehr ausführliche Berichte, die auch die Schwierigkeiten, mit denen die beiden Gerichtshöfe zu kämpfen haben, aufzeigen. In erster Linie fehlt einmal Per­sonal sowohl beim Verfassungs- als auch beim Verwaltungsgerichtshof. Da ist aber der Gesetzgeber gefragt. Ich meine, dass auch in Zukunft die Zahl der Fälle, die von den Gerichtshöfen zu entscheiden sein werden, nicht geringer werden wird. Es kann viel­mehr noch zu Ausweitungen kommen. Daher ist es wichtig, dass die personelle Beset­zung so erfolgt, dass die Erledigungsdauer wieder gesenkt werden kann und auch mehr Fälle im Jahr erledigt werden können.

Wir nehmen die ausgesprochen informativen Berichte der beiden Gerichtshöfe zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP sowie den Grünen.)

15.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vi­zepräsident Weiss. – Bitte.

 


15.06.40

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Die große Bedeutung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes für die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen und der Stellen­wert der in den Berichten dargelegten Tätigkeit im Besonderen bedürfen in diesem Kreis wohl keiner ausführlichen Debatte.

Bedauerlich ist, dass dies in anderen Kreisen offenkundig nicht so selbstverständlich ist. Darauf wird Kollege Schennach sicher noch gebührend eingehen.

Wir würden den ausführlichen Berichten nicht gerecht werden, wenn wir es bei bloßem Beifall und Dank bewenden ließen. Beide Gerichtshöfe machen auf Probleme aufmerk­sam, die entweder durch zu geringe Ressourcen räumlicher beziehungsweise perso­neller Art oder durch eine aus ihrer Sicht unbefriedigende Rechtslage verursacht sind.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 108

Zwei Punkte ziehen sich durch die Berichte des Verwaltungsgerichtshofes schon viele Jahre hindurch wie ein roter Faden. Das ist zunächst die Forderung nach Einführung vorgelagerter Verwaltungsgerichte erster Instanz auf Landes- und Bundesebene. Die­ses Vorhaben ist bekanntlich – Herr Kollege Kraml hat es schon erwähnt – Teil des Re­gierungsprogrammes und war auch Inhalt des ersten von der Expertengruppe für die Staats- und Verwaltungsreform vorgelegten Paketes.

Als nicht unumstrittene Sofortmaßnahme wurde letztes Jahr ein Asylgericht gebildet, das in wenigen Tagen seine Tätigkeit aufnehmen und hoffentlich so arbeiten wird, dass die Befürchtungen einer bloßen Überlastungsverlagerung vom Verwaltungs- auf den Verfassungsgerichtshof nicht eintreten werden. Die Anhörung der beiden Vizepräsiden­ten der Gerichte im Verfassungsausschuss hat deutlich gemacht, dass diese Befürch­tungen nicht ganz unbegründet sind.

In dem zu Ostern beschlossenen Arbeitsplan 2008 der Bundesregierung ist unter den insgesamt 95 Punkten angeführt, dass Bundeskanzleramt und Finanzministerium im Juli eine Punktation zu den Landesverwaltungsgerichten vorlegen werden. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in der Zwischenzeit auch tatsächlich Vorschläge erarbeitet, wie die mit diesen Gerichten verbundenen Mehrkosten für die Länder so gering wie möglich gehalten werden können. Bei den noch notwendigen Verhandlungen mit den Ländern müsste es auf dieser Grundlage möglich sein, Einvernehmen zu erzielen, um die Verfassungsänderung im Herbst, soweit für so etwas dann noch Zeit bleibt, be­schließen zu können.

Der zweite Punkt betrifft eine Voraussetzung, dem so genannten Länderviertel im Ver­waltungsgerichtshof mehr als bisher näher kommen zu können. Es ist bekannt, dass nach Artikel 134 Abs. 3 B-VG ein Viertel der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes aus Berufsstellungen in den Ländern kommen soll, womöglich aus dem Verwaltungs­dienst. Das setzt natürlich voraus, dass einem Wechsel keine hohen Hürden entgegen­stehen. In seinen Berichten über die Jahre 2005 und 2006 hat der Gerichtshof auf ihm sogar verfassungswidrig erscheinende Probleme bei der Anrechnung von erworbenen Pensionszeiten aufmerksam gemacht. Dieses Problem wurde inzwischen vom Gesetz­geber gelöst und scheint in dem kürzlich veröffentlichten Bericht über das Jahr 2007 folgerichtig auch gar nicht mehr auf.

Offen ist nach wie vor das schon in vielen Berichten aufgezeigte Problem, den Rich­tern, wenn diese ihren Hauptwohnsitz außerhalb Wiens haben, einen Ausgleich der durch die Entfernung bedingten finanziellen Mehraufwendungen zu ermöglichen. Be­reits 1999 hat ja die LH-Konferenz angeregt, den Richtern des Obersten Gerichtshofes und Verwaltungsgerichtshofes, die ihren Hauptwohnsitz in einer großen Entfernung von Wien haben, zum Ausgleich die gleiche Regelung einzuräumen, die für die Mitglie­der des Verfassungsgerichtshofes besteht.

Der frühere Bundesratspräsident Alfred Gerstl hat daraufhin einen Gesetzesantrag ein­gebracht, der aber vom Nationalrat nicht weiter verfolgt wurde und dann durch die Be­endigung der Gesetzgebungsperiode untergegangen ist. Es wäre daher sachgerecht, wenn wir dieses Anliegen zu guter Zeit mit einer Entschließung neuerlich aufgreifen. Ich denke, darauf können wir uns durchaus verständigen.

In den Berichten des Verfassungsgerichtshofes ist bemerkenswert, dass er neuerlich Klage über die schleppende Kundmachung aufhebender Erkenntnisse führen muss, wovon nicht nur mehrfach – das wurde schon erwähnt – Kärnten, sondern sogar auch Bundesministerien betroffen sind.

Der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht leider die Kritik über signifikante Ver­schlechterungen bei der Postzustellung, wovon nicht nur Beschwerden an den Ge­richtshof, sondern auch Rückschein-Sendungen des Gerichtshofes selbst betroffen sind.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 109

Ein bemerkenswerter Hinweis des Verfassungsgerichtshofes betrifft die unterschied­liche Rechtsprechung hinsichtlich der Parteistellung der in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber. Herr Kollege Kraml hat das schon erwähnt. Es ist tatsäch­lich unbefriedigend, dass die Parteistellung davon abhängig ist, ob man sich jetzt gera­de an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof gewendet hat. Wenngleich es sich nicht um ein länderspezifisches Anliegen handelt, wäre das durch­aus auch möglicher Inhalt einer Entschließung, mit der wir ein entsprechendes Tätig­werden anregen.

Ich komme schon zum Schluss. – In beiden Gerichtshöfen ist es in letzter Zeit zu we­sentlichen personellen Veränderungen gekommen. Im Verwaltungsgerichtshof wurde Herr Professor Dr. Thienel zum Vizepräsidenten bestellt, im Verfassungsgerichtshof Professor Dr. Holzinger zum neuen Präsidenten. Beiden gilt unser herzlicher Gruß und alle guten Wünsche für ihr weiteres Wirken!

Besonders würdigen möchte ich abschließend den ausgeschiedenen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Herrn Professor Dr. Korinek. Seine Standfestigkeit als Wah­rer der Rechtsstaatlichkeit verdient ebenso große Anerkennung wie sein erfolgreiches Bemühen, die Tätigkeit des Gerichtshofes und die Bedeutung der Verfassungsmäßig­keit staatlichen Handelns der Öffentlichkeit vertraut zu machen, denn ohne Grundkon­sens in der Öffentlichkeit, unter den politischen Entscheidungsträgern natürlich ohne­dies, ist der Bestand der Rechtsstaatlichkeit nicht so selbstverständlich, wie wir uns das wünschen. Dafür sind wir ihm zu Dank verpflichtet, den ich ihm zum Abschluss gerne respektvoll entbiete. (Allgemeiner Beifall.)

15.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


15.13.28

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die bei­den Gerichtshöfe, Höchstgerichte, haben bemerkenswerte Berichte vorgelegt, und sie sind als Höchstgerichte auch in einer bemerkenswerten, herausragenden Stellung in unserer Republik, und es ist ihnen auch höchster Respekt zu zollen. Immerhin ist der Verfassungsgerichtshof Hüter unserer Verfassung, oder in Zeiten wie diesen könnte man auch sagen: der Schiedsrichter, der Spielleiter, der über Gewaltenteilung wie auch über die Aufgabenteilung und den korrekten Umgang mit der Verfassung wacht und auch urteilt.

Insofern sind beide Berichte spannend, weil man doch sieht, in welch steigender An­zahl Fälle an die beiden Höchstgerichte herangetragen werden. Das zeigt natürlich auch, dass vielleicht in der Konstruktion nicht immer alles richtig läuft. Wir haben eine Verfahrensdauer von – ich glaube, Kollege Kraml hat das gesagt – achteinviertel Mo­naten. Wenn man beide Gerichtshöfe betrachtet, muss man sagen: Acht Monate plus und 20 Monate plus beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer, und 20 Monate plus ist eine verdammt lange Zeit am Verwaltungsgerichtshof.

Wenn man bedenkt, dass über 3 500 Fälle am Verwaltungsgerichtshof länger als ein Jahr anhängig sind, so fragt man sich: Wie lange muss ein Beschwerdeführer warten, bis seine Sache einer Erledigung zugeführt wird?

Es gibt in diesem Zusammenhang ein paar bemerkenswerte Dinge. So äußert etwa der Verfassungsgerichtshof eine tiefe Verwunderung darüber – und ich kann diese Ver­wunderung wirklich nachempfinden –, dass der Bund häufig als Beschwerdeführer we­gen Verletzung von Rechten, wegen Anwendung verfassungswidriger Bundesgesetze oder Anwendung gesetzeswidriger Verordnungen durch Bundesbehörden auftritt. Das sind Behauptungen, mit denen der Bund über die eigene Durchführung durch Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 110

behörden sich an den Verfassungsgerichtshof wendet und die Prüfung dieser Bundes­gesetze und der eigenen Verordnungen anregt.

Da wäre wahrscheinlich eine sorgfältigere Arbeit in der Legislative angebracht, damit der Bund nicht ständig seine eigenen Gesetze und Verordnungen und deren Anwen­dung durch eigene Behörden beim Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen muss. Das ist doch eine sehr seltsame Vorgangsweise und erinnert fast schon ein bisschen an Schildbürgerei.

Das Zweite, was der Verfassungsgerichtshof kritisiert – Kollege Weiss hat es ange­sprochen –, ist, dass es in einzelnen Fällen durch die Post – aber nicht nur durch die Post, lieber Jürgen Weiss; du hast die Post erwähnt, aber die Post ist nicht immer der Böse – zu Verzögerungen kommt. Es geben nämlich Behörden, Bundesbehörden und Landesbehörden, die Kundmachungen von Aufhebungen von Rechtsvorschriften nicht zeitgerecht bekannt, und dafür ist eine Frist von vier Wochen einzuhalten. Und Bun­des- und Landesbehörden sind hier immer wieder säumig.

Zum anderen sagt der Verfassungsgerichtshof auch ganz klar, dass es ein zunehmen­des Ausmaß von Beschwerden gegen Bescheide gibt, die beim Verwaltungsgerichts­hof nicht zulässig sind. Das kann es ja auch nicht sein in unserer Gesamtkonstruktion! Das heißt, hier brauchen wir Bereinigungen, dass solche Bescheide künftig der Kon­trolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen werden können.

Ich glaube, wir sollten das sehr, sehr ernst nehmen, denn das Funktionieren der Höchstgerichte ist eines der ganz wichtigen Dinge in einem Rechtsstaat. Es kann nicht Ziel eines Rechtsstaates sein, dass die Höchstgerichte lawinenartig mit Fällen aus dem Asylrecht und dem Fremdenrecht geradezu überfahren werden. Wir haben hier ein tat­sächliches Problem. Wir haben 2007 bis 2008 zwischen 4 000 und 6 000 Fälle allein beim Verwaltungsgerichtshof. Und der Verfassungsgerichtshof, der durch die – meine Damen und Herren der Regierung, ich muss das leider mit diesen Worten bezeich­nen – unglückliche Konstruktion des Asylgerichtshofes nun fast in einer ähnlichen Wei­se lahmgelegt wird – weil es ja die Instanz Verwaltungsgerichtshof nicht mehr gibt und uns die Vizepräsidenten bereits gesagt haben, dass wir nicht nur eine Explosion bei den Asylbescheiden haben, die bei den Höchstgerichten landen, sondern mittlerweile auch beim Fremdenrecht, und dass das Fremdenrecht derzeit bereits im gleichen Aus­maß anhängig ist –, wird durch diese Konstruktion bezüglich seiner Arbeitsweise in einen SOS-Bereich gebracht.

Bedenkt man gleichzeitig, dass bis 2011 – bis 2011! – der Verwaltungsgerichtshof noch immer anhängige Asylverfahren abarbeiten muss und nun, 2008, der Verfas­sungsgerichtshof die neuen übernimmt, so sind beide Höchstgerichte mit einem Über­maß an solchen Fällen beschäftigt. Und Höchstgerichte haben nicht nur die Aufgabe, Asyl- und Fremdenrecht zu beurteilen, sondern eine ganze Reihe anderer Aufgaben auch.

Wenn man sieht, wie der Verfassungsgerichtshof nun versucht, von seinen zwölf Rich­tern im Grunde drei für Asyl- und Fremdenrecht, plus zusätzlich elf nichtrichterliche Be­amte, bereitzustellen in Erwartung dessen, was hier kommt, und wenn man bedenkt, dass im Verwaltungsgerichtshof allein vier Senate durch Asylfragen blockiert sind, muss man sich einmal die Dimension dessen vorstellen, was wir hier legislativ in Öster­reich im Fremden- und im Asylrecht „angerichtet“ haben, dass wir ununterbrochen die Höchstgerichte bemühen. Hier bedarf es eines generellen Umdenkens, und die wieder aufgekommene Bleiberecht-Debatte und so weiter ist mehr denn wichtig und auch si­cherlich im Sinne der Höchstgerichte.

Meine Damen und Herren, es ist bei diesem Bericht des Verfassungsgerichtshofes et­was Außergewöhnliches passiert. Der Verfassungsgerichtshof, der ja vom Ansehen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 111

her in der Republik ganz, ganz oben steht, musste für seinen Bericht eine grundsätzli­che Vorbemerkung machen, eine grundsätzliche Vorbemerkung, die ich Ihnen zumin­dest in wenigen Zeilen vorlesen will, aber ich empfehle Ihnen wirklich von Herzen, das auch nachzulesen, denn es geht hier auch darum, wie wir mit dem obersten Schieds­richter der Republik umgehen.

Ich zitiere: „In den letzten Monaten wurden von einigen politischen Verantwortungsträ­gern, ua. vom Landeshauptmann von Kärnten, bestimmte Entscheidungen des Verfas­sungsgerichtshofes zur Kärntner Ortstafelfrage und teilweise auch die Wahrnehmung der Kompetenzen durch den Gerichtshof insgesamt in einer Weise kritisiert, die die Grenzen sachlicher Kritik bei weitem überschritten hat, indem die Tätigkeit des Verfas­sungsgerichtshofes systematisch herabgewürdigt wurde, den Verfassungsrichtern Rechtsbruch vorgeworfen und versucht wurde, einzelne seiner Mitglieder zu diskredi­tieren. Derartige polemische Äußerungen gegen den Verfassungsgerichtshof, die Un­terstellung politischer Motivation seiner Tätigkeit und die unqualifizierten persönlichen Angriffe auf einzelne seiner Mitglieder stellen keinen Beitrag zu einer sachlichen und inhaltlich fundierten Auseinandersetzung dar. Eben deshalb dürfen und werden sie auch keinen Einfluss auf die vom Verfassungsgerichtshof durchzuführenden Verfahren und auf die von ihm zu treffenden Entscheidungen haben.“

Das sind diese grundsätzlichen Bemerkungen, und wir hatten hier schon mehrmals die Gelegenheit, uns hinter den Verfassungsgerichtshof und sein Ansehen zu stellen. Man kann mit dem Verfassungsgerichtshof und seinen Erkenntnissen nicht so umgehen, wie es in der Vergangenheit passiert ist, und einen Verfassungsgerichtshof – immerhin den Schiedsrichter der Republik! – medial lächerlich machen.

Der Verfassungsgerichtshof wird sich in seiner Juni-Session abermals mit den fehlen­den zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten befassen, und es sind weitere Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu erwarten. Der Kanzler der Republik, der Vizekanzler der Republik haben sich hier klar und eindeutig hinter den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Aus diesem Grunde bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ortstafel-Erkenntnisse des VfGH

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert,

1. den Dialog mit den Betroffenen in der Kärntner Ortstafelfrage wieder aufzunehmen und dem Nationalrat und Bundesrat Bericht über die gesetzten Aktivitäten zu erstatten,

2. dem Hauptausschuss des Nationalrates einen Entwurf für eine neue Topografiever­ordnung für Kärnten vorzulegen, die – in Entsprechung der VfGH-Judikatur – zusätzlich zu den bereits in der Verordnung Nr. 245/2006 aufgelisteten Ortschaften auch die Ort­schaften Rückersdorf, Buchbrunn, Grabelsdorf, Bad Eisenkappel, Mökriach, Edling, Loibach, Hundsdorf, Mühlbach, Dellach enthält.“

*****

Wir ersuchen Sie, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

Wir von unserer Fraktion nehmen die Berichte der Höchstgerichte zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei den Grünen.)

15.26



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 112

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesräten Schennach, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Umsetzung der Ortstafel-Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


15.26.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Es ist gar keine Frage, dass das Thema, das Kollege Schennach angeschnitten hat, ein außerordentlich wichtiges ist. Wenn sich eine Republik einen Verfassungsge­richtshof hält, dann hat er der Gerichtshof zu sein, der das letzte Wort hat. Ob man da­rüber im Einzelfall glücklich ist oder nicht, ist ein anderes Thema.

Herr Staatssekretär Dr. Matznetter hat einige Tagesordnungspunkte zuvor natürlich da­rauf verwiesen, dass die Entscheidung, Erbschafts- und Schenkungssteuer aufzuhe­ben, nicht gerade zur Freude der Sozialdemokraten in diesem Lande war. Es hat ande­re Entscheidungen gegeben, die anderen nicht recht waren – gar keine Frage. Aber es hat nur einen Fall gegeben, wo nicht nur eine Entscheidung nicht umgesetzt wurde, sondern diese Entscheidung in einer Art und Weise kommentiert wurde, die jenseits des unter zivilisierten Menschen Üblichen ist.

Ich entsinne mich einer auf den früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes bezogenen Bemerkung, dass man sich bei seinem Namen fragen müsse, ob er eine gültige Aufenthaltsberechtigung für Österreich habe. – Das ist jenseits all dessen, was in einer noch so harten politischen Auseinandersetzung zulässig ist! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wenn ich dennoch den Antrag des Kollegen Schennach nicht unterstütze und eigent­lich darüber hinausgehend an den Kollegen Schennach appellieren würde, diesen An­trag zurückzuziehen, so liegt das am Geschehen in diesem Haus – nicht in dieser Kammer, sondern in der anderen Kammer dieses Hauses.

Der Verfassungsausschuss des Nationalrates hat vor ein paar Minuten beschlossen, wird in ein paar Minuten beschließen oder beschließt in diesem Augenblick die Einset­zung eines Unterausschusses, der sich mit den immerhin acht zu diesem Thema – Ortstafeln in Kärnten – eingebrachten Anträgen befassen soll, der Verfassungsaus­schuss, der im Nationalrat genauso wie bei uns der Bundeskanzleramts-Ausschuss ist.

Der Dialog ist also erneut eröffnet, und ich halte es für politisch nicht richtig, an einer Nebenfront – und eine Entschließung an den Bundeskanzler ist bei aller hohen Selbst­einschätzung des Bundesrates in diesem Kontext eine Nebenfront – von der Haupt­front abzulenken.

Wir haben diese Auseinandersetzung zu führen – mit unterschiedlichen Standpunkten, Kollege Kampl, das verstehe ich schon –, aber wir sollen sie dort führen, wo sie hinge­hört. Und ich bitte den Kollegen Schennach, dem Haus die Peinlichkeit zu ersparen, einen Antrag, der viel Sympathie findet, der aber zur Unzeit eingebracht wird, ablehnen zu müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.30


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. Ich erteile ihm dieses.

 


15.30.31

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zu den Tätigkeitsberichten des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtsho­fes kann man Ja sagen – nicht zum Antrag von Bundesrat Schennach.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 113

Sehr geehrter Herr Kollege Schennach, zum Antrag darf ich ganz kurz eine Bemerkung machen. Was Herrn Präsidenten Korinek betrifft, der Kritik an der politischen Führung der österreichischen Bundesregierung geübt hat, so weiß ich nicht, ob das seine Kom­petenz ist. Ich glaube, das war nicht seine Kompetenz. Solche Fälle gehören geprüft.

Die Übung von Kritik an der Amtsführung des Kärntner Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider durch den Präsidenten Dr. Adamovich und durch Präsident Korinek ist in keiner Weise gedeckt von der Zuständigkeit und Verantwortung eines Präsidenten des Ver­fassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes.

Sehr wohl, meine Damen und Herren, stehen wir zum Verfassungsgerichtshof und zum Verwaltungsgerichtshof. Und wenn es Verfehlungen gibt, von wem auch immer, auch vom Landeshauptmann von Kärnten, dann haben sie verfolgt zu werden und können sie verfolgt werden.

Aber in dieser Frage, was Kärnten und die Ortstafeln betrifft, ist die Zusammenarbeit in der Kärntner Landesregierung mit den betroffenen Bürgermeistern und mit der betroffe­nen Bevölkerung so verblieben, dass wir in Zukunft an der Einheit unseres schönen Kärntner Landes nicht rütteln sollten und wir jede äußere Einmischung strikt ableh­nen. – Danke.

15.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die ge­genständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Umsetzung der Ortstafel-Erkenntnisse des Verfas­sungsgerichtshofes vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.33.2816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberIn­nen-Haftungsgesetz) (523 d.B. und 567 d.B. sowie 7964/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 114

werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008) (543 d.B. und 568 d.B. sowie 7965/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 16 und 17 ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Ich bitte um die Berichte.

 


15.33.49

Berichterstatter Harald Reisenberger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Da Ihnen dieser Bericht schriftlich vorliegt, darf ich mich auf den Antrag beschränken.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters: Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile ihm dieses.

 


15.35.06

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich schicke voraus, dass wir zum Ta­gesordnungspunkt 17, Sozialversicherungs-Änderungsgesetz, selbstverständlich die Zustimmung geben werden – nicht allerdings zum Tagesordnungspunkt 16, zum Auf­tragsgeberInnen-Haftungsgesetz, und deshalb spreche ich auch als Kontraredner und trete als Erster hier ans Rednerpult.

Ich weiß, dass in Österreich in der letzten Zeit – und das muss man durchaus auch ein­mal lobend erwähnen –, auch in der Zeit nach unserer Regierungsbeteiligung, in der rot-schwarzen Regierung, bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit vieles getan wurde. Der erste Schritt war das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007, in dem die sofortige An­meldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt gefordert wurde, und das hat auch bereits wesentliche Verbesserungen in diesem Bereich gebracht. Und nun sollte auch dieses neue Gesetz, das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz bewirken, dass Hinterzie­hungen von Sozialversicherungsbeiträgen ein Riegel vorgeschoben wird.

Dass die Intention die richtige ist, ist uns allen bewusst. Es betrifft dies vorwiegend die Baubranche, einschließlich des Baunebengewerbes. Trotzdem müssen wir Kritik an­bringen, weil wir glauben, dass die Chance vertan wurde, hier einen größeren Schritt zu setzen. Das Gesetz bezieht sich nämlich nur auf Firmen und Subunternehmen mit Sitz in Österreich oder solche Firmen, die einen Bezug zu unserem Sozialversiche­rungsrecht haben. Alle anderen werden davon nicht erfasst. Und es ist heute eben auch der Fall, dass viele Subunternehmer nicht aus Österreich kommen, sondern Auf­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 115

träge von Österreichern übernehmen, aber im Ausland ihren Sitz haben. Deshalb ist uns dieses Gesetz zu wenig weitreichend. Es wird also nach wie vor Schlupflöcher ge­ben. Es wäre hier angebracht gewesen, zu versuchen, diese von vornherein abzuwen­den.

Der Beobachtungszeitraum von drei Jahren erscheint uns auch etwas zu gering, denn nachweislich sind leider Gottes 80 Prozent der Bauunternehmer, die in Insolvenzen schlittern, solche, die weniger als fünf Jahre lang am Markt waren. Das ist ein Alarm­zeichen. Von diesen würden also, wenn man einen Beobachtungszeitraum von nur drei Jahren hat, wiederum einige durchschlüpfen.

Deshalb hat auch die BZÖ-Fraktion im Nationalrat einen Entschließungsantrag einge­bracht – es war, glaube ich, am 6. Juni –, in dem eine generelle AuftraggeberInnenhaf­tung für Sozialversicherungsbeiträge im Baubereich gefordert wird. Leider wurde dieser Antrag in der Diskussion und dann bei der Abstimmung nicht angenommen. Diese Chance wurde also vertan. Wir haben es gut gemeint.

Wir werden deshalb, da diese Punkte nicht aufgenommen worden sind, dieses Gesetz ablehnen.

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


15.38.47

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da wir in dieser De­batte zwei verschiedene Materien behandeln, erlauben Sie mir, zum Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2008, nämlich der Pensionsanpassung 2009 beziehungsweise der Vorziehung der Pensionsanpassung um zwei Kalendermonate nur zu sagen, dass heute aus meiner Sicht ein wunderschöner Tag für unsere Pensionistinnen und Pen­sionisten ist: 36 Millionen € – um es in Schilling auszudrücken: 500 Millionen Schilling – durch eine um zwei Kalendermonate vorgezogene Pensionsanpassung, die eigentlich erst 2009 vorgesehen wäre, das ist ein deutliches Zeichen für eine Inflationsabgeltung an unsere Pensionistinnen und Pensionisten, und ich glaube, dass das durchaus Be­achtung finden sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schwerpunkt meines Debattenbeitrags ist aller­dings der neuen AuftraggeberInnen-Haftung gewidmet. Mit diesem neuen Auftragge­berInnen-Haftungsgesetz wollen wir im Wesentlichen zwei Schritte setzen: Der eine Schritt ist ein Beitrag zur Wiederherstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt im Bau­gewerbe, und der zweite Schritt ist ein Beitrag zur Stabilisierung der Finanzen unserer Sozialversicherungsträger. – Ich bin nicht so vermessen zu sagen, dass wir die Finan­zen der Sozialversicherungsträger damit sanieren; da haben wir, um im Vokabular der Baubranche zu sprechen, eine andere „Baustelle“, die wir derzeit sehr, sehr fleißig be­arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir gemeinsam versuchen, diese neue Auftrag­geberInnen-Haftung sozialpolitisch, wirtschaftspolitisch, aber – ich möchte es auf den Punkt bringen – auch wettbewerbsrechtlich ernsthaft einer Bewertung zu unterziehen, dann glaube ich schon, dass es ein guter Beitrag ist, dass wir ganz bewusst ein Zei-chen setzen, um diesen sogenannten Schwindelfirmen, die da am Markt aufgetaucht sind (Bundesrat Ing. Kampl: Scheinfirmen!) – Schwindel- oder Scheinfirmen, sie sind beide gleich schlecht –, beim systematischen Hinterziehen von Sozialversicherungs­beiträgen einen deutlichen Riegel vorzuschieben. Ich muss ehrlich sagen, Kollege Mit­terer, eine politische Haltung, in der man sagt: Da wird vieles getan, und das ist auch


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 116

ein Schritt zur Verbesserung, aber weil ihr nicht alles das macht, was wir gerne hätten, stimme ich nicht zu! (Bundesrat Ing. Kampl: Wir stimmen eh zu!) – Kollege Mitterer hat gesagt, er stimmt nicht zu –, die ist bis dato bei mir immer auf völliges Unverständnis gestoßen, denn: Wenn ich nur 80 Prozent erreichen kann, dann fahre ich 80 Prozent ein, im Sinne einer Verbesserung, und arbeite daran, dass ich im nächsten Schritt die 20 Prozent hole.

Werte Kolleginnen und Kollegen, eines hat Kollege Mitterer schon gesagt, und ich glaube, dass man das auch in der Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Schwarzarbeit, des Sozialbetrugs gemeinsam betrachten sollte: Dieses neue Haftungs­substrat für AuftraggeberInnen im Bau muss man meines Erachtens auch mit dem So­zialrechts-Änderungsgesetz 2007 im Einklang sehen. Die gesetzliche Novellierung, durch die es unbedingt notwendig ist, dass vor Arbeitsaufnahme bereits die Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt, ist ein Baustein, um Schwarzarbeit und letztlich auch Sozialbetrug bei uns auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern. (Bundesrätin Zwazl: Bei Ar­beitsantritt, nicht vor Arbeitsantritt, bitte schön!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen – und da schaue ich jetzt ganz bewusst in Richtung der Frau Präsidentin Zwazl –, ich stelle daher die Frage: Warum gerade im Baube­reich? Und ich möchte voranstellen: Keinesfalls möchten wir generell eine Branche ins böse Eck stellen! Ich glaube, dass man das deutlich zu Beginn sagen sollte: Keines­falls soll eine Branche generell ins schlechte Eck gestellt werden! Aber die Erfahrungen der Vergangenheit haben deutlich gezeigt – und deshalb habe ich zu Beginn auch die wettbewerbsrechtliche Schiene so sehr strapaziert –, ... (Bundesrätin Zwazl: Wenn Sie mich anschauen, muss ich jetzt den Zwischenruf machen: Sie wissen schon, dass wir das der Bauwirtschaft verdanken? Die Bauwirtschaft selbst hat sich das gewünscht! – Und wir anderen, für die es gar nicht notwendig ist, müssen es jetzt auch machen!)

Deshalb habe ich vorher gesagt, Frau Präsidentin: Keinesfalls eine Branche generell über den Kamm scheren! (Bundesrätin Zwazl: Aber die haben das selbst gewusst! ...!) Aber, Frau Präsidentin, die beiden Beispiele, die ich jetzt bringen werde, die erschüt­tern – es geht da um eine gewisse Entwicklung im Baubereich; die Bewertung steht je­dem frei –: Nach Erfahrungswerten ist es im Moment so, dass von zehn Bauunterneh­mungen, die zur Eintragung im Firmenbuch angemeldet sind, bei neun – neun von zehn! – definitiv der Verdacht besteht, dass systematischer Sozialbetrug begangen wird!

Ein zweiter Vergleich – für den Fall, dass man durch diese Zahlen noch nicht ganz überzeugt ist –: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wenn bei 800 Firmen­buchanmeldungen pro Jahr in der Baubranche 600 bis 700 Unternehmungen im da­rauffolgenden Jahr am Markt nicht mehr vorhanden, definitiv nicht mehr da sind, dann ist das ein zweites und deutliches Beispiel, aus dem klar wird, warum man gerade die­sen neuen Haftungstatbestand für die Baubranche fokussiert hat. (Bundesrätin Zwazl: Aber es sind wenige Personen, die die vielen Unternehmungen gründen, und das sind Betrüger! Da sind wir auch dafür! Aber man darf da nicht sagen, das sind so viele Un­ternehmungen, und jeder glaubt, dass da eine Person oder ein Unternehmer oder eine Unternehmerin dahinter steckt, ...!) Aber das habe ich ja auch nicht gesagt, nicht wahr? (Bundesrätin Zwazl: Na ja, aber wenn es einer nicht weiß und nicht so viel Info hat wie Sie, könnte man das anders auslegen! – Bundesrat Ing. Einwallner: Ist das jetzt ein Debattenbeitrag?)

Aber es war mir ganz wichtig, das zu Beginn auch ganz bewusst zu sagen, Frau Kolle­gin Zwazl, dass auch aus unserer Sicht ein ganz deutliches Zeichen kommen sollte, in­dem wir sagen: Die Baubranche generell ins schlechte Eck stellen, das wollen wir nicht! (Bundesrätin Zwazl: Okay!) Aber es gilt, auf bestimmte Entwicklungen, gerade in dem sensiblen Bereich, zu reagieren. – Ich will jetzt nicht sagen, dass Niederösterreich


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 117

vielleicht der schwarze Kern ist (Bundesrätin Zwazl: Schwarz sind wir schon, aber nicht schlecht!), aber es ist im Randbereich dieser intensiven Entwicklungen. Sie wis­sen das auch. – Nur zur vertiefenden Information.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen kurzen Blick in die Zukunft: Wir werden heute mit gemeinsamer Kraftanstrengung einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Sozialbetrugs leisten. Ich glaube, dass wir uns im Zusammen­hang mit dem Sozialbetrug im Bereich der sogenannten Scheinselbständigkeit einer­seits und andererseits auch im Bereich der Straftatbestände des Sozialbetrugsgeset­zes noch einige Gedanken machen sollten.

Ich möchte daher zusammenfassen, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe das zu Beginn schon gesagt –: Zweifelsfrei wäre es schön, wenn wir mit dieser Haftung für Sozialversicherungsbeiträge im Gesundheitsbereich einen maßgeblichen Rammbock hineinschrammen könnten. An diesen Rammböcken arbeiten wir im Hintergrund. Aber ich glaube, dass es heute nicht nur zu einer sehr, sehr wichtigen Umsetzung eines Teils des Regierungsprogrammes kommt, sondern dass wir auch einen sehr wichtigen und klaren Schritt gegen Sozialbetrug und gegen Schwarzarbeit setzen.

Da es auch heute schon wieder so oft in den Diskussionsbeiträgen durchgeklungen ist, zum Abschluss – es wird Sie nicht sehr überraschen, dass das ein Vertreter der sozial­demokratischen Fraktion sagt – auch an dieser Stelle ein deutliches Dankeschön an unsere Sozialpartner. Sie haben wichtige Vorbereitungsarbeiten geleistet, wie so oft in den letzten 15 Monaten. Es ist einfach eine Freude, wenn man das auch in der Politik so erlebt. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfinger. Ich erteile ihm dieses.

 


15.48.24

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur ein paar Gedanken zum Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008. Mit dem Beschluss, die Pensionserhöhung und die Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze, die zum 1. Jänner 2009 vorgese­hen waren, auf den 1. November vorzuziehen, hat die Regierung rasch auf die Teue­rungswelle der letzten Monate reagiert. Besonders betroffen von dieser Teuerungs­welle sind natürlich Kleinstpensionisten und Kleinverdiener.

Ein Beispiel: Eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei schulpflichtigen Kindern muss heuer für Essen, Heizen, Strom, Bekleidung, Kosten fürs Auto und öffentliche Verkehrsmittel um zirka 350 bis 400 € mehr ausgeben als im Vorjahr. Seit Mai 2007 sind die Preise für die Grundnahrungsmittel, wie wir es heute bereits gehört haben, mehrmals gewaltig gestiegen: die Preise für Nudeln um 40 Prozent, für Reis um 16 Prozent, für Brot um 8 Prozent, für Milch um 11 Prozent, für Butter um 14 Prozent, für Käse um 20 Prozent und für Pflanzenöl um 31 Prozent. – Der nächste Preisschub ist für Fleisch und Wurstwaren zu erwarten.

Am stärksten sind aber die Preissteigerungen bei den Treibstoffen: Diesel ist um ein Drittel, Benzin um ein Fünftel und Heizöl gar um 42 Prozent teurer geworden.

Aufgrund dieser Teuerung ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass die Pensionserhö­hung um zwei Monate vorgezogen wird. Aber über die prozentuelle Erhöhung, Herr Bundesminister, muss es Verhandlungen mit den Vertretern des Seniorenrates geben. Wir vom Seniorenbund lehnen eine Pensionsautomatik klar ab, denn dann wären keine jährlichen Verhandlungen über die nächstjährige Pensionsanpassung mehr notwendig.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 118

Alleine schon im Hinblick auf die hohe Inflation ist dies nicht vertretbar. Zusätzlich dro­hen natürlich noch wegen des Nachhaltigkeitsfaktors Abschläge.

Weiters werden wir nicht müde werden, die schrittweise Anhebung des sogenannten Deckels zu verlangen. Das Ziel muss es sein, den Deckel bis zur Höhe der ASVG-Höchstpension anzuheben.

Weiters kann, Herr Bundesminister, niemand verstehen, warum jemand bei seinem Pensionsantritt bis zu 23 Monate auf die erste Pensionsanpassung warten muss. Wir fordern daher die Anpassung aller Pensionen jeweils zum Ersten des Jänners nach dem Pensionsantritt. (Bundesrat Boden: Ein ÖVP-Antrag ist das gewesen!) – Ich sage das aus Sicht des Seniorenbundes.

Meine Damen und Herren, wir haben mit der Pensionssicherungsreform rechtzeitig auf die Herausforderungen im Pensionssystem reagiert. Die OECD bewertet unser Pen­sionssystem als das sicherste in ganz Europa. Aber um die Herausforderungen für die Zukunft bewältigen zu können, muss es natürlich Verhandlungen auf Regierungsebene geben, um hier die entsprechenden Maßnahmen treffen zu können. Wir von der ÖVP-Fraktion stimmen natürlich diesem Gesetzentwurf gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.51.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz werden wir zustimmen. Prinzipiell ist es wichtig, dass in diesem Bereich überhaupt etwas passiert. Es ist ja erst vor einigen Jahren ein ähnliches Problem im Bereich der Umsatzsteuer bereinigt worden. Das hat man ganz gut in den Griff bekommen, indem man jetzt einfach sagt: Der Auftraggeber muss jetzt selbst gleich die Umsatzsteuer bezahlen, dann kann nämlich, wenn der Auftragnehmer in Konkurs geht, das Finanzamt nicht übrig bleiben!

Ähnliches wäre meiner Meinung nach auch bei der Sozialversicherung umzusetzen: dass man statt einer Haftung einfach sagt: Ein Teil wird gleich im Voraus vom Auftrag­geber beglichen! Damit könnten so manche Schlupflöcher, die bei der jetzigen Lösung nach wie vor offen sind, geschlossen werden.

Nicht ganz verständlich ist, warum nicht der Generalunternehmer haftet, wenn es der Subsubsubunternehmer ist, wo man möglicherweise dann die Kette nicht so leicht ver­folgen kann. Wenn es ein bisschen unbürokratischer gehandhabt würde, wäre es auch gut und schön. Aber nichtsdestotrotz ist es einmal ein erster Schritt. Wir werden sehen, wie das gehandhabt wird und wie es sich bewährt.

Was die Pensionen betrifft, lieber Herr Kollege Klug, und Ihre Aussage vom „wunder­schönen Tag für unsere Pensionistinnen und Pensionisten“, so möchte ich sagen: Ich hoffe, sie feiern heute alle mit einem Glas Sekt. Es ist aber schon so, dass bei der letz­ten Pensionserhöhung gerade die Pensionistinnen und Pensionisten, die mit ihrer Pen­sion unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen, eine unterdurchschnittliche Pen­sionserhöhung bekommen haben. Jetzt bekommen alle gleich viel, sprich: Diese blei­ben nach wie vor übrig!

Wie hoch auch immer letztendlich die Pensionserhöhung sein wird, ist doch zu hoffen, dass zumindest die Inflationsrate abgedeckt wird. Ich muss dazu schon sagen: Gerade die Bezieher niedriger Einkommen haben jetzt eine höhere Belastungszunahme als die Bezieher höherer Einkommen, denn es sind, wie wir alle wissen, die Grundnahrungs­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 119

mittel und viele Dinge mehr überdurchschnittlich teurer geworden, und das trifft natür­lich die Bezieher besonders niedriger Einkommen am meisten. Ob die Teuerungen ab­gedeckt sein werden, wird sich in zwei Monaten herausstellen. Ich fürchte, dass es nicht so sein wird. Und es wird dann wieder eine neue Diskussion diesbezüglich ge­ben.

Wie gesagt, es ist zumindest ein erster Schritt, und zwei Monate früher, das ist auch sehr schön und gut und nett. Ich würde mir wünschen, dass künftig doch bei den nied­rigen Pensionen mehr erhöht wird als bei den hohen. (Beifall bei den Grünen.)

15.54

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte.

15.55.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es wurden bereits die Vorteile bezüglich der Pensionen hier vom Rednerpult aus aus­führlich geschildert. Ich möchte nicht darauf eingehen, was man zu der Frage, wer die­se Pensionsreform umgesetzt hat, angedeutet hat, sondern ich möchte mich vielmehr auf das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz konzentrieren. (Bundesrat Boden: Etwas Angenehmes!)

Nicht etwas Angenehmes, sondern es ist tatsächlich eine gute Gesetzesvorlage, die wir hier heute zu diskutieren haben, weil sie einen Beitrag zur Eindämmung des Schwarzunternehmertums in der Bauwirtschaft darstellt, wo der Sozialversicherung Hunderte Millionen Euro an Beiträgen verloren gehen.

Kollege Klug hat schon die Schwerpunkte ausführlich dargelegt. An und für sich würde mir jetzt nur mehr übrig bleiben, zu sagen: Es stimmt alles, wir stimmen dieser Geset­zesvorlage gerne zu! Aber einige Bemerkungen seien mir doch noch erlaubt, weil auch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2007 angesprochen wurde, wo Vorsorge getroffen wurde, dass bei Arbeitsantritt anzumelden ist – also nicht davor, sondern bei Arbeitsantritt – und damit auch die Sozialversicherung entsprechend rechtzeitig infor­miert wird.

Wir haben hier auch wirksamere Sanktionsmöglichkeiten geschaffen. Die Träne im Knopfloch kann ich nachvollziehen, aber es wäre falsch, hier gewisse Berufsgruppen unterschiedlich in einem Gesetz einzubinden.

Wir wollen mit diesem Gesetz ein programmiertes, systematisches Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen ausschließen, dem Sozialbetrug am Bau und im Baune­bengewerbe einen Riegel vorschieben. Das soll mit einer grundsätzlichen Haftung für jene Firmen, die im Baugewerbe Arbeitsaufträge delegieren, ausgeschlossen werden.

Mit dieser wichtigen Maßnahme der Regierung soll auch der faire Wettbewerb im Bau­gewerbe wiederhergestellt werden, weil derartige Schwindelfirmen natürlich damit kal­kulieren, dass sie keine Sozialversicherungsbeiträge abzuliefern haben oder nicht ab­liefern werden. Das fließt sicher in die Kalkulation mit ein.

Ich kann auch das nachvollziehen, was Frau Präsidentin Zwazl gesagt hat: dass weni­ge Unternehmen viele Subunternehmen gegründet haben. Da ist System dahinter, da ist Vorsatz dahinter. Dann wurde zwar brav bei der Sozialversicherung angemeldet, aber es war von vornherein klar, dass nie Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Dann wurde die Subfirma von der Sozialversicherung in Konkurs geschickt. Und außer Spesen ist dann wirklich nichts gewesen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 120

Auch Zahlen wurden dazu genannt: dass es nach einem Jahr oder nach kurzer Zeit von 800 Firmen in etwa 600 nicht mehr gibt und dass der prognostizierte Schaden zir­ka eine Milliarde Euro beträgt.

Wir sind sehr froh darüber, dass nun das Geld, das der Sozialversicherung vorenthal­ten wurde, in die Sozialversicherung fließen wird, denn wir haben, wie wir alle wissen, ein gewaltiges Finanzierungsproblem, dessen Bewältigung wird hoffentlich bald ange­hen werden. Dieses Geld wird natürlich dann bei der Sozialversicherung zu einem bes­seren Ergebnis beitragen.

Ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass dieses Gesetz die Wettbewerbsverzerrung am Bau zu beseitigen in der Lage ist, dass wir damit die Schwarzarbeit eindämmen können und dass der Sozialbetrug in die Schranken gewiesen wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun der Herr Sozialmi­nister. – Bitte.

 


15.59.09

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte im Hohen Haus! Es freut mich, dass beide Gesetzesvorlagen im Wesentlichen auf Zustim­mung hier im Bundesrat stoßen, auch wenn einer Fraktion die Regelung im Bereich der Auftraggeberhaftung am Bau zu wenig weit geht, und zwar im Hinblick auf den Aus­landsbezug. Dazu ist zu sagen, dass die Zielsetzung der Auftraggeberhaftung darin liegt, der österreichischen Sozialversicherung ansonsten vorenthaltene Sozialversiche­rungsbeiträge über den Umweg des Auftraggebers zukommen zu lassen, dass das aber beim Auslandsbezug, den Sie ins Treffen führen, nämlich bei Entsendungsfällen, nicht der Fall ist, weil diese Sozialversicherungsbeiträge nicht in Österreich, sondern im Ausland zu bezahlen sind.

Ich bin überzeugt davon, dass, wie einige Rednerinnen und Redner schon darauf hin­gewiesen haben, mit dieser Auftraggeberhaftung am Bau ein weiterer wesentlicher Schritt getan wird, um unsere Wirtschaft vor Missbrauch besser zu schützen. Wenn es um Missbrauch geht, muss man auf beiden Augen scharf schauen.

Wir haben unser Augenmerk jetzt vermehrt auf die Schwarzarbeit von Unternehmen fo­kussiert. Es ist hier schon darauf hingewiesen worden, dass mit der Anmeldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsbeginn, so wie es im Gesetz formuliert ist – Frau Präsi­dentin Zwazl, auch wenn es eine juristische Sekunde ist –, ein ganz wesentlicher Bei­trag geleistet wird.

Es freut mich, dass vor wenigen Tagen das Wirtschaftsforschungsinstitut, eine der un­abhängigen Expertenstellen zur Beurteilung der Entwicklung von Wirtschaft, Beschäfti­gung und Arbeit, festgestellt hat, dass vom hohen Beschäftigungszuwachs, den wir trotz nachlassender Wirtschaftsdynamik auch in den ersten Monaten des Jahres 2008 erfreulicherweise verzeichnen können, ein guter Teil, nämlich laut Schätzung des Wifo 20 000 bis 30 000 Beschäftigungsverhältnisse, auf die Wirkung der Anmeldung zur So­zialversicherung vor Arbeitsbeginn zurückzuführen ist.

Das muss man sich wirklich einmal vorstellen: 20 000 bis 30 000 ArbeitnehmerInnen in Österreich, die bislang nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet wor­den sind, sind mit dieser gesetzlichen Regelung, die auch Sie im letzten Jahr im Hohen Haus mit beschlossen haben, nunmehr der legalen Beschäftigung zugeführt worden, mit allen Vorteilen für die Sozialversicherung dieser Beschäftigten, mit allen Vorteilen für die Lohnsteuer, die nunmehr abgeführt wird, und mit allen Vorteilen für einen or­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 121

dentlichen und fairen Wettbewerb, weil damit auch die Schmutzkonkurrenz – auch da­rauf ist schon hingewiesen worden – ausgeschaltet worden ist.

Ich möchte mich ausdrücklich dem Dank anschließen, der hier vom Kollegen Klug in Bezug auf die Auftraggeberhaftung am Bau an die Sozialpartner ausgesprochen wor­den ist, die in zahlreichen Arbeitsgruppensitzungen diese Gesetzesmaterie nicht nur vorbereitet, sondern zu einem gut Teil auch mitgestaltet haben.

Ein Wort zur Pensionsanpassung: Das ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel dafür, wie die Bundesregierung ihren sozialen Auftrag ernst genommen hat und weiter ernst nimmt. Wir haben nämlich hier im Hohen Haus mit der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2008 eine Erhöhung der Pensionen beschlossen, die auf Basis der damali­gen Inflationsraten, nämlich vom Juli 2006 bis Juni 2007, eine faire und angemessene Erhöhung war, bei der als Unterkante die Inflation von 1,7 Prozent angenommen wurde und wo man bis zu einer Erhöhung von 2,9 Prozent im Ausgleichszulagenrichtsatz ge­gangen ist.

Als dann die Regierung gesehen hat, dass ab September/Oktober die Inflationsrate über das prognostizierte Ausmaß hinaus gestiegen ist und damit die an und für sich gute Erhöhung der Pensionen sich zu Recht in den Augen der Pensionistinnen und Pensionisten angesichts der Teuerung als unzureichend herausgestellt hat, wurde rasch reagiert und von den beiden Regierungsparteien diese vorgezogene Pensions­anpassung zum 1. November 2008 beschlossen und Ihnen zur Beschlussfassung im Hohen Haus vorgelegt.

Wenn sich damit im Durchschnitt die Pensionserhöhung zum 1. Jänner 2008 mit etwa 2 Prozent jetzt mit dieser um zwei Monate vorgezogenen Erhöhung auf 2,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2008 erhöhen wird, dann kann man mit Fug und Recht diesen Wert mit den Pensionserhöhungen vergleichen, die in unseren Nachbarstaaten vorgenom­men worden sind.

Ich erinnere daran, dass vor wenigen Tagen die deutsche Bundesregierung – auch eine Koalitionsregierung – mit Freude eine Pensionserhöhung über das gesetzliche Ausmaß hinaus, nämlich in der Höhe von 1,1 Prozent, verkündet hat. Wir liegen bei mehr als dem doppelten Wert, nämlich bei 2,3 Prozent. Das zeigt, wie sehr dieser Bun­desregierung die Interessen der Senioren und Seniorinnen am Herzen liegen.

Ich danke nochmals für die günstige Aufnahme, die Sie diesen beiden Gesetzesvorla­gen hier zuteil werden haben lassen, und ersuche um eine möglichst breite Beschluss­fassung.

16.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird sichtlich auch kein Schlusswort gewünscht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 122

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Ju­ni 2008 betreffend ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.05.44 18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbe­handlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden (415 d.B. und 559 d.B. sowie 7968/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (541 d.B. und 560 d.B. sowie 7952/BR d.B. und 7969/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 18 und 19 ist Frau Bundesrätin Kemperle. Bitte um die Berichte.

 


16.06.06

Berichterstatterin Monika Kemperle: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Da die Debatte über die Tagesordnungspunkte 18 und 19 unter einem durchgeführt wird, erlaube ich mir, auch die Berichte sowie die Antragstellung hintereinander zu bringen.

Zunächst erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Frauenangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbehand­lungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juni 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Ju­ni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Frauenangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juni 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Ju­ni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 123

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Ich begrüße Frau Ministerin Bures in unserer Runde und noch einmal Frau Staatsse­kretärin Marek.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.08.38

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Die Regierungsvorlage über das Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird, folgt einer EU-Richtlinie. Und da steht drinnen, dass es keine Diskriminierungen geben darf aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Al­ters oder der sexuellen Orientierung. – Soweit, so gut.

Das wird aber dann ausgeweitet auch auf Dienstverhältnisse, die nach einem Probe­monat enden, und auf Dienstverhältnisse, die befristet sind. Und genau dort setzt mei­ne Kritik an.

Bisher konnte man ein Probeverhältnis auslaufen lassen; es mussten keine Gründe an­gegeben werden, warum es beendet wird. Jetzt kann man sagen: Dieses Verhältnis wurde nur deshalb gelöst, weil ich braune Augen habe oder weil ich eine schiefe Nase habe – oder was auch immer. Auf jeden Fall hat man jetzt die Möglichkeit, Ansprüche geltend zu machen. Und das finde ich ehrlich gesagt nicht fair.

In Deutschland gibt es mittlerweile schon Professionisten, die sich das zunutze ma­chen, die Stellenanzeigen ganz gezielt durchforsten – und überall dort, wo es gewisse Ungenauigkeiten in der Ausschreibung gibt, melden sie sich, um hinterher zu sagen, ich bin diskriminiert worden. Da gibt es Beispiele, wo das zum Beispiel ein Mann ge­macht hat, wo klar war, die wollen eine Frau und keinen Mann. Sie haben zwar ver­sucht, geschlechtsneutral, wie es vorgeschrieben ist, auszuschreiben und dabei ist ih­nen ein kleiner Fehler unterlaufen. Dieser Mann hat dann Schadenersatzanspruch gel­tend gemacht.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie es auch hier vorgesehen ist: entweder das per Gericht durchzufechten oder zu sagen, ich verzichte auf eine Verfolgung durch das Gericht, ich nehme dafür zwei Monatsgehälter, die mir laut diesem Gesetz zustehen. – Es kann nicht das Ziel sein, dass wir sagen, wir öffnen hier auch einem gewissen Missbrauch ganz bewusst Tür und Tor.

Es ist leider immer wieder so, dass das Gegenteil von gut gemeint nicht unbedingt gut sein muss. Ich glaube, da schüttet man ein bisschen das Kind mit dem Bade aus. Wie ich überhaupt in dieser ganzen Gleichbehandlungsdiskussion feststellen möchte: Es wäre mir wirklich sehr wichtig – das vermisse ich oft –, dass das Miteinander mehr in den Vordergrund gestellt wird. Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen; diese sind auch nicht zu bewerten. Es hat jeder seine Fähigkeiten, so, wie an einem Arbeitsplatz auch Männer unterschiedliche Fähigkeiten haben. Und man wird danach trachten, sie entsprechend dem, wie es am besten für alle anderen ist, einzusetzen. Das ist in der Geschlechterdebatte wirklich etwas, das ich sehr oft vermisse und wo ich meine, es wäre besser, wenn das in den Vordergrund gestellt würde.

Auch bei Buben und Mädchen ist es so. Ich trete dafür ein, dass wir Buben Buben und Mädchen Mädchen sein lassen; auch sie sind unterschiedlich.

Wenn es Fehlentwicklungen gibt, die eindeutig und zum Schaden aller sind, dann ge­hört dem selbstverständlich entgegengesteuert, aber ich meine nicht, dass wir jetzt hergehen müssen und die Mädchen eher in die Bubenrichtung drängen und umgekehrt


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 124

die Buben in die Mädchenrichtung. Frau Staatssekretärin Marek hat es ja heute am Vormittag schon gesagt, das ist diese geschlechterstereotype Jugendausbildung.

Ja, ich unterstütze es durchaus, Mädchen dazu zu animieren, sich für naturwissen­schaftliche und technische Berufe verstärkt zu interessieren und diese zu ergreifen. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, wenn sie das nicht wollen oder wenn sie es nicht können. Wir können diejenigen fördern, die Automechanikerinnen werden wol­len. Da hat es ja in der Vergangenheit leider wirklich Diskriminierungen gegeben, denn diese Mädchen hatten es sehr schwer, eine Lehrstelle – um beim Thema des Vormit­tags zu bleiben – zu finden, aber es kann kein Muss sein. Es schaut manchmal so aus, dass man sie so ein bisschen in diese Richtung schiebt, damit sie endlich dort ankom­men, wo wir glauben, dass sie eigentlich hingehören.

Lassen wir den Schuster bei seinem Leisten und diejenigen, die wollen, sollen es ma­chen und dabei auch unterstützt werden. Diejenigen, die es nicht wollen, sollen etwas anderes machen. Frau Staatssekretärin Marek, um Sie noch einmal zitieren zu dürfen; Sie haben es ja heute Vormittag bestätigt: Die Mädchen suchen sich nach wie vor die­se fünf traditionellen – drei bis fünf, darüber können wir jetzt diskutieren – Berufe für Mädchen aus, und die Burschen machen ganz genau das Gleiche.

Wenn wir von Gleichbehandlung reden – jetzt muss ich als Wiener Bundesrätin natür­lich wieder auf Wien Bezug nehmen –, ist das oft eine sehr einseitige Sache. In Wien sind in den Pflichtschulen, vor allem in den Volksschulen, 98 Prozent der Direktoren weiblich. Es fehlen aber vielen Buben mittlerweile – das wissen wir, 60 Prozent Schei­dungsquote in Wien, 50 Prozent in Österreich – die männlichen Rollenvorbilder. Und trotzdem passiert es nicht nach der Gleichbehandlung oder nach dem Gleichheits­grundsatz, auch was das Gesetz betrifft, dass man sagt, man muss die Frauen bei glei­cher Qualifikation positiv fördern, bis 50 Prozent in etwa erreicht sind. Wir sprechen im­mer auch von der Qualifikation; das findet bei Männern so nicht statt.

Ich bin selber im Kollegium des Stadtschulrates und ich war nicht nur einmal in der Si­tuation zu entscheiden. Es gab zwei gleich Qualifizierte, einen Mann und eine Frau, wo ich dann immer sagte, da könnten wir jetzt würfeln, wer besser ist. Trotzdem ist es, ob­wohl es in diesem Bereich ein starkes Übergewicht an Frauen gibt, nicht der Mann ge­worden. Ich meine, wenn wir von Gleichbehandlung sprechen, dann darf das auch kei­ne Einbahnstraße sein, dann muss man immer dort, wo eben ein Ungleichgewicht ist, in beide Richtungen gehen.

Das Gleichbehandlungsgesetz ist zwar sicher gut gemeint, aber es entsteht eine neue Diskriminierung dadurch, dass sich plötzlich Arbeitsverhältnisse verkomplizieren. Man kann eben nicht mit jedem; das kann man oft gar nicht begründen. Es stimmt die Che­mie nicht oder man ist mit der Arbeitsweise jemandes nicht einverstanden – oder was auch immer.

Ich finde es nicht richtig, wenn dann jemand hergehen und sagen kann: Aufgrund mei­ner religiösen Ausrichtung, meiner ethnischen Zugehörigkeit oder meiner körperlichen Merkmale bin ich diskriminiert worden!

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass dort, wo Menschen miteinander leben, Menschen miteinander nicht können. Also ich möchte keinem Gesetz zustimmen, das zwar in guter Absicht und in gutem Glauben entstanden ist, aber damit eine neue Dis­kriminierung gefördert beziehungsweise einer neuen Diskriminierung Tür und Tor ge­öffnet wird. (Beifall der Bundesräte Herbert und Ing. Kampl.)

16.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Ma­rek. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 125

16.16.27

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Mühlwerth, ich darf zuerst auf Ihre Argumente eingehen beziehungsweise darauf, was Sie hier in den Raum gestellt haben, erwidern.

Wir hatten auch im Nationalratsplenum die Debatte, was die Probezeit und die Nicht­verlängerung von befristeten Dienstverhältnissen betrifft. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass, was die Probezeit betrifft, die „diskriminierende Beendigung“ geltende Rechtspre­chung ist, das heißt, das ist gelebte Realität in Österreich. Bei der Nichtverlängerung auch von befristeten Dienstverhältnissen soll man nicht aus diskriminierenden Gründen heraus – das möchte ich schon festhalten – Dinge hineininterpretieren und quasi auf­grund von einzelnen missbräuchlichen Fällen des Ausnutzens solche Regelungen skiz­zieren. Ich glaube, dass es schon darum geht, dass wir Missbrauch generell verhin­dern, denn es ist Tatsache, dass zum Beispiel das befristete Dienstverhältnis einer Frau, weil sie schwanger wurde, nicht verlängert wurde. Und es ist nun einmal Tatsa­che – Männer und Frauen sind unterschiedlich; das haben Sie selber gesagt –, dass Frauen, gerade weil sie zum Beispiel schwanger geworden sind, beruflich Nachteile haben.

Da werden Sie mir sicher zustimmen: Wir alle sind daran interessiert, dass Kinder ge­boren werden; das ist ein wichtiger Aspekt. Es kann daher nicht sein, dass Frauen auf­grund der potenziellen Möglichkeit einer Schwangerschaft im Beruf, in der Arbeitswelt benachteiligt sind. Auch das ist ein wichtiger Hintergrund für das Gleichbehandlungs­gesetz und für die Ausweitungen in diesem Bereich.

Wir haben damit eine europäische Richtlinie weiter vollzogen und haben auch die Ge­legenheit genutzt, um einiges, was wir aus der Erfahrung der letzten Jahre mit dem Gleichbehandlungsgesetz gemacht haben, zu verbessern, weiter umzusetzen. Ich glaube, dass das neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen ein guter weiterer Schritt in Richtung mehr Rechtschutz für die Betroffenen ist, um auch Sensibilität für dieses Thema zu schaffen. Das ist ein zusätzlicher Aspekt, der hier auch ganz wichtig ist.

Wir haben, was jetzt – um ein paar Beispiele zu nennen – Schadenersatzsummen, Schadenersatzhöhe, Mindestschadenersatz betrifft, Summen, die durchaus nicht sehr hoch waren, aber doch verdoppelt wurden, zum Beispiel was die Einstellungsdiskri­minierung betrifft, nämlich von einem auf zwei Monatsgehälter. Da haben wir einen gu­ten Kompromiss gefunden, um ganz klar zu machen, dass Diskriminierung kein Kava­liersdelikt ist. Ich glaube, es ist auch wichtig, das hier in dieser Debatte festzuhalten.

Wir können einfach nicht immer so agieren, wie wir wollen. Es geht darum, dass wir Spielregeln festsetzen. Das ist für mich auch der Hintergrund des Gleichbehandlungs­gesetzes, dass wir sagen, wir akzeptieren nicht alles. Und wenn jemand der Meinung ist, ich will das so nicht, aber es ist gesellschaftlich doch anders erwünscht, dann ha­ben wir hier einen Rahmen gesetzt.

Etwas, was, glaube ich, neben den Schadenersatzhöhen ein ganz wichtiger Aspekt ist, ist auch die Bewusstseinsarbeit. Es ist so, dass künftig sämtliche Urteile der Gleichbe­handlungsanwaltschaft beziehungsweise -kommission auf der Homepage des Frauen­ministeriums im vollen Wortlaut, natürlich anonymisiert, veröffentlicht werden, weil es in vielen Bereichen so ist, dass die von Diskriminierung Betroffenen, die natürlich in einer schwierigen, sensiblen Situation sind, oft gar nicht wissen, wo sie sich Hilfe holen kön­nen und oft auch psychisch angeschlagen sind – sage ich jetzt einmal –, gerade wenn es um Mehrfachdiskriminierungen geht. Da ist es gut, zu wissen, in welchen Fällen man sich denn überhaupt an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden kann, an die­jenigen, die diesbezüglich große Erfahrungen haben.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 126

Frau Bundesrätin Mühlwerth, diese Stellen sind sehr sensibel und erfahren, wenn es darum geht, herauszufinden, was glaubhaft ist, wo ein Diskriminierungsfall vorliegt und wo nicht. Man muss da einfach Mut machen, den Rücken stärken und auch klarma­chen, so geht das nicht für Menschen, für Unternehmen, wo eben Diskriminierung stattfindet.

Etwas, was mir selber auch noch ganz wichtig ist – Frau Ministerin Bures wird sicher noch auf die weiteren Details der Gesetze eingehen –, ist breite Information. Es gab im letzten Jahr das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle. Eine Umfrage im Rahmen des Eurobarometer hat gezeigt, dass in Österreich nur 17 Prozent der Bevöl­kerung wissen, wie ihre Rechte im Falle einer Diskriminierung, einer Ungleichbehand­lung ausschauen, wohin sie sich wenden können. Das war für uns als zuständiges Mi­nisterium der Anlass, eine Informationskampagne zu machen. Wir haben einen Leitfa­den erstellt und auch eine Informationsbroschüre, wo die Gleichbehandlungsgesetzge­bung in Österreich, die Rahmenbedingungen, die Informationen, alles was relevant ist, enthalten sind.

Diese wird natürlich in einer aktualisierten Ausgabe mit der gesetzlichen Anpassung neu herausgegeben. Ich kann Ihnen diese Folder empfehlen, sie sind abrufbar auf un­serer Homepage und auch über das Bürgerservice erhältlich. Der Titel ist: „Chancen­gleichheit – Das Gleichbehandlungsrecht in Österreich. Gleichstellung beginnt im Kopf. Gleichberechtigung jetzt.“

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Zugang. Wir sollten den Kopf so frei haben, um auch offen über das Thema Gleichstellung, Gleichbehandlung zu sprechen. Niemand will Männer und Frauen gleich machen; Unterschiede sind da. Das ist einfach so, aber es geht darum, dass man Defizite, dass man Handlungsbedarf erkennt. Frauen verdie­nen in Österreich immer noch zirka 20 Prozent weniger als Männer. Niemand will Frau­en und Mädchen gegen ihren Willen in Berufe drängen, die sie selber nicht wollen. Aber es geht darum, das gesamte Spektrum aufzuzeigen und vielleicht auf Stärken aufmerksam machen, auf Talente, an die man selber nicht denkt, weil man eben immer noch in traditionellen Rollenbildern denkt. Das ist nichts Schlechtes, das ist Tatsache, aber ich glaube, dass die Politik eine besondere Verantwortung hat.

Gerade was die Berufsorientierung und vielleicht auch das Über-den-eigenen-Teller­rand-Hinausschauen angeht, da soll man sich Informationen holen, mehr sehen, mehr Informationen bekommen und vielleicht für sich selber Dinge erkennen, an die man sel­ber noch nicht gedacht hat.

Das ist sicher ein Grund dafür, warum wir 50 Prozent in den drei Top-Lehrberufen bei den Mädchen haben, weil es oft so ist, dass die Mädchen eine rosarote Brille aufhaben und den Beruf anders sehen, als er dann in der Realität ist. Die echte Realität zu zei­gen und die Mädchen ein bisschen zu sich selber hinzuführen, das ist etwas, wo auch Sie, Frau Bundesrätin Mühlwerth, mit Sicherheit zustimmen werden, dass wir mit sol­chen Aktivitäten gut auf dem Weg sind.

Es geht darum, nicht gleich zu machen, aber gleiche Chancen zu haben und zu unter­stützen, diese Chancen auch zu ergreifen. Wir wissen auch, dass sich Frauen selber oft viel zu sehr hinterfragen und sich selber oft viel zu wenig zutrauen. Wir alle, alle Frauen hier, haben das wahrscheinlich schon einmal erlebt. Und da haben wir eine be­sondere Verantwortung, zu sagen, ihr könnt das und wir schaffen euch dafür Rahmen­bedingungen.

Ich glaube auch, dass wir gerade in pädagogischen und auch in anderen Bereichen mehr Männer brauchen. Auch da geht es darum, die Vielfalt in beide Richtungen zu se­hen. Ich sehe das nicht nur einseitig in eine Richtung, sondern durchaus in beide – dort, wo wir einfach zu wenige Männer haben, weil es wichtig ist, beides zu haben. Ich


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 127

habe es schon einmal gesagt: Mit beiden Hirnhälften zu denken, macht am erfolg­reichsten. Das ist immer noch besser, als nur einseitig zu denken und zu sehen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

16.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


16.24.56

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, nur keine Angst: Wir lassen die Buben Buben sein und die Mäd­chen Mädchen – aber es geht um Gleichbehandlung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Darüber hinaus ist die Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichstellung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen von Österreich umzusetzen.

Über die Umsetzung hinaus sollen aufgrund der bisherigen Erfahrungen bei der Voll­ziehung des Gleichbehandlungsrechts Änderungen des materiellen Rechtes und von Verfahrensvorschriften im Gleichbehandlungsgesetz und im Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft vorgenommen werden.

Zweck der Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens für die Bekämpfung ge­schlechtsspezifischer Diskriminierung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gü­tern und Dienstleistungen; diese Richtlinie gilt für alle Personen, die Güter und Dienst­leistungen bereitstellen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen.

Ausgenommen sind die Bereiche des privaten Familienlebens sowie die Bereiche Me­dien und Bildung. Die Umsetzung der Richtlinie ist zum Teil, nämlich für den Bereich der Versicherungsverträge, bereits durch das Versicherungsrechtsänderungsgesetz 2006 erfolgt.

Außerdem sieht die Änderung eine Anhebung des Mindestschadenersatzanspruches bei Diskriminierung, wie schon erwähnt, bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von einem Monatsentgelt auf zwei Monatsentgelte vor sowie eine Anhebung des Min­destschadenersatzes bei Belästigung von 400 € auf 720 €.

Weiters enthält das Gesetz eine Verlängerung der Verjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr für die Geltendmachung einer Belästigung aufgrund der ethnischen Zuge­hörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientie­rung.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sollen im Sinne einer effizienteren Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes Verbesserungen vorgenommen werden, so zum Beispiel die Schaffung einer Stellvertretung des oder der jeweiligen Vorsitzenden, die Einfüh­rung einer Frist zur Ausfertigung und Zustellung der Ergebnisse der Gleichbehand-lungskommission und die Verpflichtung zur Veröffentlichung aller Ergebnisse der Gleichbehandlungskommission auf der Website des Bundeskanzleramtes, jedoch ano­nymisiert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, diese Gesetzesvorlage wird unsere Zustimmung fin­den. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit für unsere Gesell­schaft, vor allem für mehr Gerechtigkeit für die Frauen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.28



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 128

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. – Bitte.

 


16.28.22

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit den beiden vorliegenden Gesetzesnovellen wird ein weiterer Schritt in Richtung Gleichbehandlung von Frauen und Männern gesetzt und gerade im Bereich der Diskri­minierung, der Belästigung am Arbeitsplatz werden einige Verbesserungen erzielt.

Die Inhalte hat meine Kollegin Mosbacher bereits sehr ausführlich angeführt. Ich möch­te daher nur noch einige Aspekte einbringen, und zwar finde ich es besonders erfreu­lich, dass es ein Wahlrecht zwischen Anfechtung oder Schadenersatz geben wird, wenn ein Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Diskriminierung beendet wird. Oftmals kann und will man auch gar nicht im gleichen Betrieb weiter beschäftigt sein, wenn be­stimmte Vorkommnisse gegeben waren. Auch aus der Sicht des Betriebes ist das manchmal recht schwierig. Von einer Anfechtung hat man in diesen Fällen nicht wirk­lich viel auf beiden Seiten. So finde ich es sehr gut, dass da die Möglichkeit des Scha­denersatzes eingerichtet wird.

Die Gefahr bezüglich Verlängerung von Probemonaten, wie sie Frau Kollegin Mühl­werth sieht, kann ich nicht sehen. Glauben Sie mir, dass die Arbeits- und Sozialgerich­te sehr genau in dieser sensiblen Materie vorgehen! Ich denke, dass wir uns da keine Sorgen machen müssen.

Generell finde ich es schade, dass wir jetzt im dritten Jahrtausend immer noch Gleich­behandlungsregelungen beschließen müssen und Gleichbehandlung nicht schon längst eine Selbstverständlichkeit ist. Vor allem, wenn man sich die Situation zwischen Frauen und Männern anschaut, muss man sagen, man kann gar nicht alles gesetzlich regeln. Es ist aber faktisch so, dass Frauen und Mädchen in vielen Bereichen nach wie vor benachteiligt sind. Zum Beispiel haben junge Frauen oft eine bessere schulische Bildung, aber schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt nach wie vor diese „gläserne Decke“ bei Führungspositionen, und das Schlagwort „gleicher Lohn für glei­che Arbeit“ klingt wahrscheinlich für den einen oder anderen schon abgedroschen, aber es ist nach wie vor Realität und nach wie vor aktuell. (Vizepräsident Weiss über­nimmt den Vorsitz.)

Was besonders erschreckend ist – was ich jetzt in einer Studie gelesen habe –, ist die Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen. Jedes vierte Mädchen in Österreich ist von körperlicher Gewalt betroffen. Das muss man sich einmal vorstellen, sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen! Wenn Sie eine Gruppe von 20 Mädchen vor sich haben, dann können Sie davon ausgehen, dass fünf von diesen Mädchen bereits Gewalt über sich ergehen lassen mussten! Das ist eine wirklich erschreckende Zahl!

Im Jugendbereich ist noch etwas zu beachten – was uns als Politiker wieder betrifft –, und zwar: dass durch die offene Jugendarbeit, sprich zum Beispiel durch Jugendzent­ren, Mädchen eigentlich nicht erreicht und nicht angesprochen werden. Genau diese Institutionen bieten nur zu 7 Prozent ein gezieltes Programm für Mädchen an. Das heißt, da ist wirklich großer Handlungsbedarf gegeben. An eben diesen Angeboten kann man auch ganz gut erkennen – wie heute schon angesprochen –: Es gibt einfach Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Es haben beide andere Bedürfnisse, und beide Seiten müssen gleich respektiert werden. Es darf keine Seite benachteiligt wer­den – es wird aber auch niemand in irgendeine Richtung gedrängt.

Es kann nur wirklich ein Miteinander beider Geschlechter geben, und ich denke, dass sich auch noch einige Generationen nach uns mit diesen Fragen beschäftigen werden. Das heute wird sicher nicht die letzte Debatte zu diesem Thema sein, aber zumindest


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 129

für heute begrüße ich diese beiden Gesetzesnovellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen so­wie des Bundesrates Ing. Kampl.)

16.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


16.32.25

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich ist jetzt schon einiges angeführt worden, das heißt, ich kann mich bei diesem Teil kurz fassen – was ich natürlich immer mache – und gleich unsere Kritikpunkte ausführen. Obwohl wir im Prinzip beide Gesetze begrüßen, ihnen auch zu­stimmen werden und eine ganze Reihe von positiven, begrüßenswerten Änderungen darin finden, haben wir zu dem einen oder anderen Punkt doch noch Verbesserungs­vorschläge, auf die ich jetzt im Detail eingehen möchte.

Ich fange mit dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz an. Es ist ja jetzt so, dass eine 40-Prozent-Quote beim Frauenförderungsgebot verankert ist. Das heißt, wenn Frauen im Bundesdienst unterrepräsentiert sind, dann müssen sie, bis eine Quote von 40 Pro­zent erreicht worden ist, bei der Einstellung bei gleicher Qualifikation bevorzugt behan­delt werden. Wir sind der Meinung, diese Quote sollte auf 50 Prozent angehoben wer­den. Wir wissen, dass es in einigen Bereichen noch sehr lange dauern wird, bis man überhaupt auf 40 Prozent kommt, aber Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung, und ich denke, das sollte sich auch in diesen Quoten widerspiegeln. Wir sind deshalb für 50 Prozent.

Es gibt viele Personen, die der Meinung sind, dass Quoten etwas Schlechtes sind. Der Begriff „Quotenfrau“ wird eher abwertend verwendet. Das ist eine Art „Kampfbegriff“, der von Feminismusgegnern auch gerne angewendet wird. Meine Erfahrung in diesem Bereich ist ganz einfach: Wenn es Quoten gibt, ist es plötzlich erstaunlicherweise über­haupt kein Problem, dass man Frauen findet, die qualifiziert sind. Bei den Grünen ha­ben wir sehr oft die Situation, wenn es um Listenerstellungen, wenn es um Mandats­vergaben geht: Wenn es keine Quoten gibt, dann ist das unwahrscheinlich schwer, und es wird in jedem Einzelfall leider nicht möglich gewesen sein, eine qualifizierte Frau zu finden. – Aus diesem Grund bin ich aus guter Erfahrung eine starke Befürworterin von Quoten.

Wir sind auch dafür, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz in seinem Geltungs­bereich ausgedehnt wird. Wir finden, es sollte auch auf die ausgegliederten Bereiche, besonders auf den universitären Bereich anwendbar sein.

Nun möchte ich mich mit dem Gleichbehandlungsgesetz befassen. Ein Punkt, der mir dabei gar nicht gefällt, ist, dass die Bereiche Werbung, Medien und der Bildungsbe­reich ausgenommen sind von der Geltung dieses Gleichbehandlungsgesetzes. Es stimmt schon, dass in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen war, dass man hier Regelun­gen trifft, aber nichts hindert Österreich daran, eine Vorreiterrolle einzunehmen und in der Ausgestaltung darüber hinauszugehen, was die EU vorschreibt. Es handelt sich um eine Richtlinie, also um einen Mindeststandard, den man erfüllen muss – und man kann sehr wohl auch mehr erfüllen.

Dass es diese Ausnahmen gibt, eben Werbung, Medien und Bildungsbereich, hat eine ganz interessante Folge: Es wird zukünftig verstärkt diese Hierarchie zwischen Diskri­minierungen geben, die es auch jetzt schon gibt. Es gibt nämlich interessanterweise für verschiedene Diskriminierungsgründe verschiedenen Schutz. Das muss man sich ein­mal auf der Zunge zergehen lassen: Es wird in Zukunft so sein, dass es bei Diskrimi­nierung aufgrund von rassistischen Motiven auch außerhalb der Arbeitswelt einen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 130

Schutz geben wird, und es wird diesen Schutz auch bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben; wenn auch mit Ausnahmen, die es für den anderen Bereich nicht geben wird – bei den Diskriminierungsgründen Alter, Religion, sexuelle Orientierung und Weltanschauung allerdings wird es auch zukünftig keinen Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt geben.

Es ist doch eigentlich ein bisschen bizarr, wenn man darüber nachdenkt, dass wir ein Gesetz haben, das alle Menschen vor Diskriminierung schützen soll – und dieses Ge­setz definiert dann verschiedene Diskriminierungsgründe, die zu verschiedenem Schutz vor Diskriminierung führen! Das ist ein bisschen widersinnig. Es gibt keine Dis­kriminierung, die mehr oder weniger schlimm ist. Diskriminierung bedeutet immer, Menschen aufgrund irgendeines mehr oder weniger willkürlich ausgesuchten Merkmals Chancen vorzuenthalten. Die HOSI, die Homosexuelle Initiative Wien, verweist da, wie ich finde, recht treffend auf die UNO-Menschenrechtskonvention, nämlich auf Artikel 26 des UN-Menschenrechtspaktes, der da lautet: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Ge­setz.“

Deshalb kann ich es nicht verstehen, dass man hier wirklich diese unterschiedlichen Kategorien weiterführt. Es gibt sie schon, aber dass sie jetzt noch weitergeführt wer­den, kann ich nicht verstehen. Im Übrigen hat auch der UNO-Menschenrechtsaus­schuss diese Regelung kritisiert und empfiehlt Österreich eine Angleichung des Diskri­minierungsschutzes auf dem höchsten Niveau, das momentan für alle Gründe vorge­sehen ist, die es gibt.

Ein sehr wichtiger Punkt: Das Gesetz, das wir jetzt haben, ist relativ unübersichtlich. Es ist relativ kompliziert zu lesen – ein Problem, das wir leider mit sehr vielen Gesetzen haben –, und es ist nicht unbedingt einfach und logisch strukturiert. Das wird durch die jetzige Änderung nicht besser, sondern es wird sogar noch ein bisschen schlimmer. Es wird ein neuer Teil eingefügt, der andere Teile fast wörtlich wiederholt. Das ist alles sehr verwirrend. – Wir reden hier aber über ein Gesetz, das für die Menschen anwend­bar sein soll. Wie kann ich wissen, dass ich eigentlich einen Diskriminierungsschutz hätte, wenn ich das Gesetz, das mir das garantiert, leider nicht lesen, nicht verstehen kann? Ich bin generell der Meinung, dass die Gesetze in Österreich, vor allem jene, die wirklich für alle anwendbar sein sollten, auch so formuliert werden, dass der jeweils Be­troffene sie lesen kann und nicht erst jemanden braucht, der/die ihm übersetzt, was eigentlich seine guten Rechte wären.

Es gibt einen Vorschlag der Gleichbehandlungsanwaltschaft über die Strukturierung dieses Gesetzes, der sehr einfach, logisch, nachvollziehbar und klar wäre. Ich finde, dass man diesen Vorschlag schon aufnehmen und bei nächsten Änderungen einfach grundlegend die Struktur dieses Gesetzes überdenken und es etwas logischer gestal­ten sollte.

Was nach wie vor fehlt, ist eine klare Beweislastumkehr. Der Großteil der Stellungnah­men, die zum Gesetz eingegangen sind, besagt, dass diese Regelung, die wir jetzt ha­ben, nicht europarechtskonform ist.

Vorhin als positiver Punkt angeführt wurde, dass die Verjährungsfrist bei sexueller Be­lästigung jetzt auf ein Jahr angehoben wird. Das ist besser als bisher, allerdings muss ich dazu sagen, dass man bei allgemeinen schadenersatzrechtlichen Fristen von drei Jahren redet. Das heißt, bei sexueller Belästigung hat man nur ein Jahr Zeit, das zu melden. Ich weiß nicht, ob sich das alle vorstellen können, aber das sind schon Situa­tionen, die für die Betroffenen – es sind zum Großteil Frauen – auch sehr einschüch­ternd sind und die nicht unbedingt dazu führen, zumindest bei den meisten Frauen wahrscheinlich nicht dazu führen, dass sie sich sofort erkundigen, was ihre Rechte


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 131

sind, und sofort eine entsprechende Beschwerde einbringen. Es kann sehr gut länger dauern, bis man einerseits versucht hat, selbst die Situation zu klären, und dann fest­stellt: Nein, das geht nicht!, oder bis andererseits der betroffenen Frau auch wirklich klar ist, was denn in der Situation passiert ist. Ein Jahr, finde ich, ist jedenfalls zu kurz gegriffen; auch da sollte die Frist auf drei Jahre verlängert werden.

Ich möchte zwei Vorschläge, die in den Stellungnahmen enthalten waren, noch einmal hier einbringen, weil sie mir besonders gut gefallen haben. Das eine war ein Vorschlag des ÖGB, wonach Unternehmen einmal im Jahr anonymisiert die durchschnittlichen Gehälter von Männern und Frauen veröffentlichen sollen. – Das, weil wir wissen, dass mit ein Grund für das unterschiedliche Frauen- und Männereinkommen der ist, dass wir in Österreich die Tradition haben, nicht sehr gerne über Gehälter zu reden – das ziemt sich irgendwie nicht –, und weil die Frauen interessanterweise die sind, die weniger verdienen.

Das wird schon auch daran liegen, dass wir eine eher intransparente Struktur haben, dass man nicht über Geld redet. Ich glaube, dass das schon ein Punkt ist, der vielleicht auch die Unternehmen ein bisschen unter Zugzwang bringt, der vielleicht auch den Un­ternehmen einmal vor Augen führt, wie groß die Unterschiede eigentlich sind – und wo­ran das denn liegen könnte. Es liegt eben nicht, wie gerne behauptet wird, nur an der Tatsache, dass Frauen eben Teilzeitjobs haben, dass Frauen, wie manche behaupten, „sehr gerne“ Teilzeitjobs ausüben. Da gibt es schon noch ganz andere Gründe dafür.

Der zweite Vorschlag ist, dass Frauenförderung auch erzwingbar in Betriebsvereinba­rungen verankert werden könnte. Es gibt jetzt gesetzlich diese freiwillige Möglichkeit; das ist faktisch nicht in Anspruch genommen worden, hat sich nicht bewährt. Ich finde, dass wir schon ein bisschen mehr Stoßkraft in diese Methode legen könnten.

Es gibt, das habe ich anfangs schon gesagt – ich möchte es noch einmal betonen, da­mit nicht bei der ganzen Kritik das, dem wir zustimmen wollen, in Vergessenheit ge­rät –, eine ganze Reihe von Verbesserungen. Es sind aber halt leider nur kleine Ver­besserungen – aber das, was an großen und fundamentalen Verbesserungen nötig wäre – nicht nur unserer Meinung nach, sondern auch nach der Meinung vieler, die Stellungnahmen hiezu abgegeben haben –, wird leider nicht umgesetzt.

Ich habe es schon erwähnt: Österreich hat im Prinzip die Mindestanforderungen erfüllt, hat fast wörtlich diese EU-Richtlinie in Gesetzesform gebracht. Es handelt sich bei die­ser EU-Richtlinie um Mindestanforderungen. Ich würde mir wünschen, nicht in einem Land zu leben, in dem wir erst die EU brauchen, die uns nachdrücklich darauf hinweist, dass wir da etwas zu unternehmen haben. Ich würde mir wünschen, in einem Land zu leben, in dem die Politik sagt: Es ist uns ein Anliegen, dass Männer und Frauen, dass Homosexuelle und Heterosexuelle, dass alle Gruppen – egal, was Merkmale betrifft – die gleichen Chancen haben! Ich würde mir wünschen, dass wir da von uns aus aktiv werden – nicht immer warten, bis uns die EU zu irgendetwas auffordert.

Ich weiß schon, dass Diskriminierungen in jeder Gesellschaft auftreten können. Ich glaube zum Beispiel, dass der Sexismus in der österreichischen Gesellschaft schon re­lativ stark verankert ist mit traditionellen Rollenbildern und so weiter.

Es gibt auch oft so die Einstellung, dass Diskriminierung von Frauen irgendwie ein „Ka­valiersdelikt“ ist. Es ist sehr schwierig, eine Grenze festzulegen: Wann beginnt Sexis­mus? Ist das noch ein lustiger Witz gewesen, weil alle Beteiligten darüber lachen – oder ist das eigentlich schon ein anzüglicher Witz gewesen? Kann ich das in dieser Runde erzählen?, und so weiter. Das beginnt bei Kleinigkeiten wie Witzen, geht weiter zu klaren Machtstrukturen, zur Tatsache, dass Männer die Machtpositionen in unserem Land großteils noch besetzen, und hin zu Einkommensunterschieden, und, und, und. Ich kann – bedingt durch die Redezeit – jetzt gar nicht alles aufzählen, was es da alles gibt.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 132

Ich glaube, dass es einfach noch sehr viel zu tun gibt, bis wir tatsächlich von Gleichbe­handlung und Gleichberechtigung sprechen können. Es heißt ja immer, dass das Par­lament repräsentativ ist und die Bevölkerung des Landes widerspiegeln soll. Ich glau­be, es wird mir niemand widersprechen, wenn ich sage, dass auch hier im Saal nicht lauter Feministen sitzen, daher: Wieso sollte ganz Österreich aus lauter Feministen und Feministinnen bestehen?

Frau Mühlwerth, ich muss doch noch auf Ihre Ausführungen eingehen. Frau Kollegin Mühlwerth hat mich natürlich nicht enttäuscht in ihrer Stellungnahme, ich möchte aber jetzt nur auf einen Satz eingehen: Jeder hat seine Fähigkeiten! – Das ist immer so wundervoll positiv formuliert. Erstens ist es nicht geschlechtergerecht formuliert – aber das lasse ich jetzt einmal beiseite; und es stimmt schon, ja: Alle Menschen haben ihre besonderen Fähigkeiten! –, und mir hat auch noch niemand nachvollziehbar erklären können, wieso meine besonderen Fähigkeiten als Frau dazu führen, dass jetzt nicht ich als Einzelperson, aber Frauen generell um 30 Prozent weniger als Männer verdienen, dass sie kaum Chancen haben, wirklich in Spitzenpositionen zu kommen, und, und, und. Das kann doch nicht an meinen besonderen Fähigkeiten als Frau liegen!

Vielleicht können Sie mir beizeiten, Frau Kollegin Mühlwerth – es muss ja nicht hier sein, aber irgendwann – erklären, was eigentlich die besonderen Fähigkeiten von Män­nern und Frauen generell sind. Ich konnte es nämlich bisher noch nicht feststellen, was denn diese ganz spezifischen Unterschiede sind. Ich weiß, dass jede Person ihre eige­nen Fähigkeiten hat und unterschiedlich ist zu anderen, aber wo diese Geschlechter­grenze eigentlich genau liegt, das konnte ich bisher noch nicht wirklich feststellen.

Meine Vorrednerin hat gemeint, eigentlich traurig, dass wir im dritten Jahrtausend le­ben und immer noch über so etwas reden müssen. Ich weiß, dass es ganz viele, vor al­lem junge Frauen gibt, die der Meinung sind, Feminismus war irgendwie eine histori­sche Erscheinung, hat ihren Zweck getan – und wir befinden uns jetzt an und für sich in Zeiten der Gleichberechtigung. Das meinen meist Frauen, die noch nicht unmittelbar mit Diskriminierungen in Berührung gekommen sind. Das ist sehr schön für sie, aber ich würde mir einfach wünschen, dass wir uns bewusst machen, dass sich eine Gleich­stellung in der Gesellschaft nicht automatisch und von selbst ergeben wird, sondern dass das etwas ist, wo wir aktiv sein müssen.

Wir dürfen da also nicht nur hoffen, sondern müssen aktiv vorgehen, und zwar jeden Tag aufs Neue, denn die patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft sind doch so stark, dass sie sich eben nicht von selbst und mit der Zeit erledigen, sondern dass wir da wirklich aktiv vorgehen müssen, und zwar Männer und Frauen gemeinsam; das würde ich mir wünschen. (Beifall bei Grünen und övp sowie bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Ing. Kampl.)

So viel zur Gesetzesvorlage – und jetzt noch ein privates Wort: Das ist heute meine letzte Rede in meiner letzten Sitzung hier. Ich möchte mich bedanken für die letzten Jahre, die sehr spannend und sehr aufschlussreich für mich waren. Ich wünsche Ihnen allen alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

16.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Präsident Kritzinger hat heute gesagt, dass er in seiner Zeit im Bundesrat hier eine Talenteschmiede gesehen hat. Ich weiß nicht, wie es Frau Kollegin Konrad persönlich mit ihrer Zeit im Bundesrat geht, aber nach meinem Empfinden war das für sie durchaus eine Talenteschmiede – mit einem Ergebnis, das uns in Erinnerung bleiben wird.

Auch Ihnen, Frau Kollegin Konrad, alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg! (Allgemei­ner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 133

16.46.45

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Dem Kompliment des Präsidenten ist, wie ich meine, nichts mehr hinzuzufügen. Frau Bundesrätin, ich kann nahtlos bei Ihnen anschließen, was die letzte Rede in einer Funktion betrifft, weil das – bloß in einer anderen Funktion – heute auch meine letzte Rede hier im Bundesrat ist.

Bei den vorliegenden Gesetzesnovellen geht es – darauf haben viele RednerInnen Be­zug genommen – auf der einen Seite darum, dass wir eine europäische Richtlinie, die gut und wichtig ist, umsetzen, nämlich was den Zugang zu und die Versorgung mit Dienstleistungen und Gütern betrifft, sodass mehr Gerechtigkeit und ein Bemühen an den Tag gelegt und auch Diskriminierungen gesetzlich weitgehend ausgeschlossen werden.

Weiters zu betonen ist, dass es uns mit beiden Vorlagen gelungen ist, weitere positive und wichtige Verbesserungen zu verankern. Da teile ich nicht ganz Ihre Einschätzung, Frau Bundesrätin Konrad, dass das kleine Verbesserungen sind, obwohl ich gleichfalls meine: Es darf keineswegs ausgeschlossen werden, auch in Zukunft noch viele weitere Verbesserungen in einem Gleichbehandlungsgesetz umzusetzen. Jedenfalls gibt es auch jetzt bereits viele wichtige Punkte, auf die ja Bundesrätinnen und Bundesräte in ihren Debattenbeiträgen eingegangen sind.

Frau Bundesrätin Eibinger zum Beispiel hat darauf hingewiesen, dass sie den wesent­lichsten Punkt darin sieht, dass es gelungen ist, eine Wahlmöglichkeit bei Beendigung eines Dienstverhältnisses zu erreichen. Ich meine gleichfalls, dass das ein ganz wichti­ger Punkt ist, denn natürlich ist es so, dass man, wenn man an seinem Arbeitsplatz einmal mit Diskriminierung konfrontiert war, so beispielsweise wegen sexueller Belästi­gung, nicht so viel davon hat, wenn man wieder das Recht hat, auf diesen Arbeitsplatz zurückzukehren.

Zu begrüßen ist daher, dass wir da diese Wahlmöglichkeit schaffen – und dass es auch Schadenersatz gibt, denn solche Diskriminierungen sind – Sie haben das bereits angesprochen – wahrlich kein Kavaliersdelikt. Ich bin Ihnen daher sehr dankbar, Frau Bundesrätin Konrad, dass Sie das auch als besonderen Punkt hervorgehoben haben.

Ich glaube auch, dass die Anhebung von Mindestschadenersatzansprüchen dazu füh­ren wird, dass es nicht als Kavaliersdelikt gesehen wird, wenn Menschen aufgrund ih­res Geschlechts, ihrer Weltanschauung oder ihrer Herkunft mit Diskriminierung kon­frontiert sind und schlechter behandelt werden. Es ist daher gut, dass wir in einem Land leben, in dem man klar sagt: Wir schaffen gesetzliche Maßnahmen, sodass in un­serem Lande Diskriminierungen keinen Platz haben!

Ich bin auch sehr froh, Frau Bundesrätin Mühlwerth, dass Sie einen Punkt, der auch im Nationalrat diskutiert wurde – Frau Staatssekretärin Marek hat darauf hingewiesen –, noch einmal aufgegriffen haben, nicht deshalb, weil ich Ihre Meinung teile, sondern deshalb, weil Sie mir damit die Möglichkeit geben, noch einmal dazu Stellung zu neh­men: Darf man, wenn man in einem befristeten Dienstverhältnis ist oder einen Job hat, wo man noch in der Probezeit ist, dort diskriminiert werden?

Was wir jetzt schaffen, ist: Man darf dort nicht diskriminiert werden! Ich finde es richtig, dass man sich auch dann, wenn man ein Dienstverhältnis hat, das kein fixes ist, das befristet ist, was für viele Menschen schwierig genug ist, keiner Diskriminierung ausset­zen lassen muss. Frau-Sein darf kein Freibrief für Kündigung und Diskriminierung sein. Und nur darum geht es. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, die Wirtschaftskammer hätte nie zugestimmt, wenn jedes befristete Dienstverhältnis plötzlich zu einem unbefristeten werden würde. Da, glaube ich, können Sie sich auf die Interessenvertreter der Arbeit­geber verlassen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 134

Es ist uns bei diesem Gesetz darum gegangen, dass es für die Menschen, wenn sie ein befristetes Dienstverhältnis haben, wenn sie gerade eine Tätigkeit begonnen haben und noch in der Probezeit sind, auch einen Schutz davor gibt, dass sie nur auf Grund zum Beispiel ihres Geschlechts, weil sie Frau sind, ihren Arbeitsplatz verlieren oder die Verlängerung ihres Vertrages nicht mehr bekommen.

Es handelt sich hier um zwei Gesetze, und ich möchte das in aller Kürze hier noch an­sprechen, weil viele wichtige Punkte von Ihnen schon dargestellt wurden, die auch mir wesentlich erscheinen: Bei dem einen geht es um die Gleichbehandlung in der Privat­wirtschaft, wo all diese Dinge greifen. Für mich steht es natürlich außer Diskussion und außer Streit, dass das natürlich auch für die 134 000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu gelten hat – und daher das zweite Gesetz, nämlich das Bundes-Gleichbe­handlungsgesetz für den Bundesdienst, wo wir alle diese Schutzbestimmungen über­nehmen, um auch im öffentlichen Dienst Diskriminierung auszuschließen und zu ver­hindern.

Ich möchte nur einen Punkt noch ergänzend erwähnen, der im Gleichbehandlungsge­setz des Bundes im Unterschied zu dem für die Privatwirtschaft enthalten ist, weil mir der so wichtig erscheint, nämlich die Vertretung von Frauen in Kommissionen des öf­fentlichen Dienstes. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir die 40-Prozent-Quo­te im öffentlichen Dienst erreichen, auch im Bereich der Führungsfunktionen. Diese ha­ben wir deshalb noch nicht erreicht, weil die Kommissionen, die die Dreiervorschläge machen, zum Beispiel für die Nominierung von KandidatInnen für einen hohen Posten im öffentlichen Dienst, in der Vergangenheit immer fast ausschließlich männerdomi­niert waren. Da haben auch Sie im Bundesrat schon Dienstrechtsnovellen beschlos­sen, die dafür gesorgt haben, dass die Bewertungskommissionen, die Ausschreibungs­kommissionen 50 : 50 besetzt sind. Und das machen wir im öffentlichen Dienst, weil wir wollen auch da Vorbild sein.

Wenn Sie heute diesen Vorlagen zustimmen – und ich habe aufgrund der Wortmeldun­gen das Gefühl, dass wir hier zum Glück eine breite Mehrheit finden –, werden wir auch im Bundesdienst bei den Dienstrechtskommissionen halbe-halbe haben. Es ist auch im öffentlichen Dienst unser Bestreben, für gleiche Chancen, für Chancenge­rechtigkeit zu sorgen und sicherzustellen, dass Frauen nicht auf eine „gläserne Decke“ im öffentlichen Dienst stoßen. Das war mein Bemühen, und das sind, glaube ich, auch wirklich die wichtigen Punkte, die uns über EU-Richtlinien und -Umsetzungen tatsäch­lich gelungen sind und die für die Frauen und für all jene Menschen, die von Diskrimi­nierung betroffen sind, weit über die Frauen hinaus, auch tatsächlich wichtig sind.

Ich habe eingangs gesagt, dass wir etwas gemeinsam haben, Frau Bundesrätin Kon­rad: Auch ich bin in meiner Funktion als Bundesministerin für Frauen, Medien und öf­fentlichen Dienst das letzte Mal bei Ihnen hier im Bundesrat. Ich habe bei Ihnen eine ganz spannende Fragestunde erlebt, wo ich am Anfang irrsinnig aufgeregt war, denn da weiß man ja nicht, was man gefragt wird, die ich aber doch sehr angenehm in Erin­nerung habe. Ich muss gestehen, dass ich den Bundesrat in seiner Größe und Zusam­mensetzung für harmonischer als den österreichischen Nationalrat halte. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe dann auch vier Gesetzesvorlagen, von Dienstrechtsnovellen bis zum Medien­gesetz, mit Ihnen diskutieren können. Ich glaube, dass es in dieser Zeit, in diesen 15 Monaten, gemeinsam, mit allen an den parlamentarischen Prozessen Beteiligten gelungen ist, dass ich in der Frauenpolitik, aber auch im öffentlichen Dienst und im Me­dienbereich einiges auf den Weg bringen konnte.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei meinen ExpertInnen und meinen BeamtIn­nen des Hauses ganz herzlich bedanken, denn allein kann man gar nichts machen. Er­folgreich arbeiten und wirklich etwas auf den Weg bringen – wie gesagt, das habe ich


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 135

schon gemacht, und das sage ich mit ein bissel Stolz – kann man nur, wenn man auch Menschen hat, die einen dabei unterstützen, und das waren ohne Zweifel die BeamtIn­nen und ExpertInnen meines Hauses.

Es war die Kooperation mit allen demokratischen Einrichtungen des Hauses und auch mit Ihnen hier im Bundesrat eine sehr gute. Ich möchte mich daher bei meiner letzten Rede hier als Bundesministerin für diese Kooperation recht herzlich bedanken, und ich wünsche Ihnen aus ganzem Herzen für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit auch in Zu­kunft alles Gute! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, auch wir sagen Ihnen Dank für eine sehr gute Zusammenarbeit – natürlich bei allen unterschiedlichen Standpunkten, aber immer von gegenseitigem Respekt getragen. Ihre Wertschätzung für die Harmo­nie in diesem Raum greife ich gerne auf: Sie wären uns jederzeit herzlich willkommen! (Heiterkeit. – Bundesministerin Bures: Jetzt haben Sie einem Mitglied des Hauses wo­möglich große Angst damit gemacht!)

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


16.56.54

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Ich möchte mich den Äußerungen des Herrn Präsidenten an­schließen und mich auch bei dir bedanken. Ich wünsche dir für die neue Herausforde­rung sehr, sehr viel Energie, Mut und Durchsetzungsvermögen.

Rein inhaltlich gibt es zu den Vorlagen fast gar nichts mehr zu sagen, weil die Frau Bundesministerin, die Frau Staatssekretärin und meine Vorrednerinnen eigentlich alles schon erklärt haben. Es ist ein Gesetz, mit dem Ungerechtigkeiten ausgeräumt wer­den. Es ist ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Und eine Gesellschaft besteht selbstverständlich aus Frauen und Männern. Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer Demokratie, und auch ich glaube, wie meine Vorrednerin, dass diese Gleichbehandlung, diese Gleichwertigkeit zwischen Frauen und Männern eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wo Solidarität, Respekt, Würde, Anerkennung, Wertschätzung und ein gleichwertiges Miteinander unser Leben bestimmen müssten.

Und jetzt bin ich bei diesem Wort „miteinander“ – und auch bei der Frau Kollegin Mühl­werth. Sie hat gesagt, dass sie das Miteinander in den Vordergrund stellt.

Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, wo ist das Miteinander, wenn ein Nationalratsabgeord­neter namens Karlheinz Klement im „profil“ vom 16. Juni sagt: Die FPÖ ist eine reine Männerpartei. – Dieser Nationalratsabgeordnete ist Stellvertreter des Bundesparteiob­mannes Heinz-Christian Strache und ist auch Gleichbehandlungsbeauftragter der FPÖ. (Heiterkeit. – Bundesrat Gruber: Die besten Voraussetzungen!)

Wo bleibt das Miteinander, Frau Kollegin, wenn dieser Herr Abgeordnete bei der letz­ten Nationalratssitzung die Forderung nach Gleichberechtigung, die Forderung nach gleicher Chance für Männer und Frauen als „Genderwahn“, als „Genderwahnsinn“ beti­telt und dies lächerlich macht?

Frau Kollegin Mühlwerth, wo bleibt das Miteinander, wenn dieser gleiche Abgeordnete im „profil“ dieses Gesetz als „Umerziehungsgesetz“ bezeichnet, die Genderpolitik als „Frankenstein-Projekt“ – und der sagt, dass das einzige Ziel der Feministinnen darin bestehe, die „segensreichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen“ aufzuhe­ben. Und dieser Mandatar sagte weiters, man müsse sich vor Feministinnen fürchten. (Bundesrat Gruber: Der Mann braucht einen Psychiater! – Bundesrätin Mag. Neu­wirth: Einen?)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 136

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe wirklich geglaubt, dass Gleichbehandlung in einer Demokratie etwas Selbstverständliches ist. Wir wollen nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Frau Kollegin Mühlwerth, wenn Sie sagen, Gleichbehandlung dürfe keine Einbahnstra­ße sein, pflichte ich Ihnen selbstverständlich zu. Aber bitte auch dann keine Einbahn­straße, wenn es um Führungspositionen geht, und zwar sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft.

Meine Damen und Herren, durch dieses Gesetz wird die Gleichbehandlung in vielen Punkten verbessert.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.01.55

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhöre­rinnen und Zuhörer! Ich weiß nicht, ob Ihnen etwas aufgefallen ist? (Bundesrat Gruber: Das ist der erste Mann! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich glaube, ich füge dem nichts mehr hinzu.

Frau Kollegin Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Die Krawatte ist wirklich schön ...!) – Danke. Das denke ich mir, dass sie Ihnen gefällt, aber ich komme den­noch auf Ihre Ausführungen zurück. Ihr Charme wird mich aber nicht von Kritik abbrin­gen. (Heiterkeit.) – Frau Kollegin Mühlwerth, Sie haben vorhin gesagt, dass es nicht sein kann, dass Menschen, die braune Augen oder eine schiefe Nase haben, diskrimi­niert oder benachteiligt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war ein Beispiel!) Ich bin jetzt rund zehn Jahre lang im Sozialbereich tätig, und zwar in unterschiedlichen Be­ratungs- und Betreuungsfunktionen, und ich muss sagen: Ich habe in diesen zehn Jah­ren wirklich noch niemanden erlebt, der genau wegen solcher Dinge, die Sie angespro­chen haben, diskriminiert worden wäre.

Was aber ein Faktum ist und was meiner eigenen Wahrnehmung und der beruflichen Realität entspricht, ist, dass Menschen, die eine dunklere Hautfarbe haben, dass Men­schen, bei denen es infolge eines äußeren Merkmales ersichtlich ist, dass sie sozusa­gen „von woanders“ herkommen, oder bei denen man etwa an ihrer Kleidung sieht, dass sie einer anderen Religion zugehören, sehr wohl diskriminiert werden; so bei­spielsweise bei der Wohnungssuche.

Zuvor wurden auch diesbezügliche Zeitungsinserate erwähnt; das ist allerdings mittler­weile ohnehin schon abgestellt worden beziehungsweise hat sich das auf ein Minimum reduziert. In solchen Inseraten wurde oft sozusagen in einem Atemzug gesagt: keine Ausländer und keine Haustiere.

Oft ist es auch vorgekommen, dass Personen der Eintritt in ein Lokal verweigert wurde. Auch mir ist so etwas passiert. Ich habe hier drei Anzeigen mit (der Redner hält drei Schriftstücke in die Höhe), die ich getätigt habe, da mir der Eintritt in bestimmte Lokale verweigert wurde – aber nicht, weil ich einem Dresscode nicht entsprochen habe; nicht, weil ich mich nicht artikulieren hätte können, sondern eben einfach aufgrund meines Aussehens. Ich bin einer der wenigen, die gewusst haben, wie und wo sie wegen sol­cher Diskriminierungen intervenieren müssen. Und wissen Sie, meine Damen und Her­ren, was dabei herausgekommen ist? – Gar nichts!


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 137

Diese Tendenzen – jetzt möchte ich ein Zitat bringen – werden unterstützt durch Kolle­ginnen und Kollegen von Ihrer Partei, also der FPÖ. Ich zitiere nun Frau Partik-Pablé (Bundesrätin Mühlwerth: Die ist nicht mehr bei uns!), die im Wahlkampf 2001 in einem „Ö1“-Interview gesagt hat:

Es kann doch nicht sein, dass es Schwarzafrikaner bei der Polizei geben wird, dass Türken Bezirksvorsteher werden, falls Rot-Grün gewinnt, denn dies ist undenkbar und untragbar für die Wiener und Wienerinnen. – Zitatende.

Es stellt sich schon für mich die Frage, warum es eine Zumutung sein soll, dass Men­schen, die der deutschen Sprache mächtig sind, dass Menschen, die eine qualifizierte Ausbildung haben, nicht die gleichen Chancen und den gleichen Zugang wie Einheimi­sche haben sollen. Da müssen Sie sich diese Kritik gefallen lassen, Frau Kollegin Mühlwerth, dass Ihre Partei Wegbereiter ist für genau solche Sachen, für genau solche Zwischenfälle, die tagtäglich passieren; da wird doch ein bestimmter Nährboden hiefür aufbereitet. (Bundesrätin Mühlwerth: Da seid ihr auch schuld: Alles rein! Koste es, was es wolle!)

Ich bin froh darüber, dass diese Gesetzesvorlage beschlossen wird. Inhaltlich brauche ich ja nicht mehr näher darauf einzugehen, haben ja meine Vorrednerinnen schon mehrfach unterstrichen, worum es da geht: dass eben eine EU-Materie jetzt in nationa­les Recht übernommen wird.

Was ich mir allerdings schon wünschen würde, ist, dass wir ein Anti-Diskriminierungs­gesetz beschließen, denn dann könnten wir genau solche Sachen einklagen und dem nachgehen, sodass man dem Ganzen sozusagen auch ein bisschen Zähne gibt, damit Interventionen – wenn sie überhaupt getätigt werden – nicht irgendwo im Sande ver­laufen. – Danke vielmals. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und ein weiteres Gesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Ju­ni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 138

17.07.25 20. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Parkplätzen an Autobahnauffahrten (Initia­tive Park & Drive) (167/A(E)-BR/2008 sowie 7974/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. – Ich ersuche um den Bericht.

 


17.07.44

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Entschließungsantrag der Bundesräte Martin Preineder, Karl Boden, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Ausbau von Parkplätzen an Autobahnauffahrten (Initiative Park & Drive).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstel­lung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 17. Juni 2008 den Antrag, die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlos­sene Entschließung anzunehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Boden. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.08.43

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Preineder und ich haben hier einen Ent­schließungsantrag eingebracht, weil wir aus drei wichtigen Gründen glauben, dass es sinnvoll ist, Park & Drive-Knotenpunkte an neuralgischen Punkten zu errichten, wo Autobahnauf- und -abfahrten sind, wo Autobahnknoten sind, wo Straßenführungen zu­sammenkommen, wo man gemeinsam Fahrten unternehmen kann.

Wenn man den Verkehr beobachtet, kann man immer wieder feststellen, meist sitzt eine Person in einem Wagen oder maximal zwei. Wir glauben, dass es wichtig ist, Fahrgemeinschaften zu bilden, dass es Sinn macht, den CO2-Ausstoß zu verringern und damit natürlich auch die Kosten, die jedem Autofahrer ohnedies in erhöhtem Aus­maß entstehen. Der Autofahrer ist ja bekanntlich die Melkkuh der Nation. Nicht nur ho­he Spritpreise, sondern auch hohe Steuern, hohe Anschaffungskosten, hohe Betriebs­kosten machen den Autofahrern immer wieder zu schaffen.

Ich glaube, dass dieser Antrag natürlich auch dazu dienen soll, dass man Stau vermin­dert, dass jeder Pkw, der nicht auf der Straße fährt, auch auf dem Parkplatz stehen kann und nicht unbedingt auf der Straße stehen muss.

Das sind unsere Ziele. – Natürlich wollen wir auch anregen, dass die Länder mit der ASFINAG und mit dem Verkehrsminister dementsprechend Verträge abschließen.

Woran nicht gedacht ist – das habe ich auch im Ausschuss gesagt –, ist, die bestehen­den Autobahn-Raststätten dazu zu verwenden, denn: Wie schon Kollegin Kerschbaum im Ausschuss bemerkt hat, ist es oft schwierig, Autobahn-Raststätten mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Daran ist also nicht gedacht. Wir wollen Park & Drive-Anlagen an wirklich neuralgischen Punkten errichten, damit dort Fahrgemeinschaften gebildet werden können.

Ich ersuche Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.11



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 139

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


17.11.34

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte KollegInnen im Bundesrat! Wir haben heute schon das Thema Pendler diskutiert, nämlich in Bezug auf die Erhöhung der Pendlerbeihilfe beziehungsweise auch die Erhöhung des Kilometergeldes.

Diese Initiative, dieser Entschließungsantrag, der hier zur Diskussion steht, ist eine weitere Aktivität, die den Pendlern zugute kommt, nämlich jenen Pendlern, die bereit sind, Fahrgemeinschaften zu bilden. Auch ich bin ein Mensch, der immer gern Fahrge­meinschaften bildet, wenn es darum geht, weitere Wegstrecken mit dem Auto zurück­zulegen.

Im Zuge dessen bin ich aber draufgekommen, es ist oft gar nicht so einfach, denn: Wo lässt man sein Auto stehen, wo hat man eine geordnete Stellfläche? – Dadurch bin ich dieser Initiative nahegetreten, hier verstärkt Abstellflächen, Parkplätze bei verkehrs­neuralgischen Punkten zu schaffen, bevorzugt bei Autobahnauffahrten.

Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich und der ASFINAG ist es gelungen, einen Rahmenvertrag zu schließen, der die Finanzierung regelt, also wer für die Kosten der Errichtung dieser Stellflächen zuständig ist und wie die Kostenaufteilung ausschaut. In Niederösterreich wurde dieser Rahmenvertrag im vergangenen Jahr geschlossen, und es ist vorgesehen, zu den bestehenden 1 000 Stellflächen zusätzlich bis 2013 weitere 2 000 Stellflächen bei Autobahnauffahrten zu errichten. Mit diesen Park & Drive-Anla­gen ist es möglich – Kollege Boden hat schon darauf hingewiesen –, das Verkehrsauf­kommen, den rollenden Verkehr, zu reduzieren, damit die Kosten für Straßenbau und Straßenerhaltung zu reduzieren und den Stress der Autofahrer zu vermindern.

Es ist aber auch möglich, hier der Umwelt entsprechend entgegenzukommen. Bei einer durchschnittlichen Wegstrecke von 60 Kilometern, tour-retour 120 Kilometern, ersparen wir uns pro Jahr und Stellplatz 5 500 Kilo CO2 und 18 Kilo NOx.

Das Wesentliche ist, wir entlasten auch die Pendler bei den Kosten. Bei der besagten Wegstrecke sind die Kostenersparnisse zirka 3 000 €. Und damit ist ein 3-Liter-Auto leicht entwickelt: Wenn in einem Auto, das normalerweise 6 Liter braucht, zwei drin­nensitzen, dann ist es nur mehr ein 3-Liter-Auto; und man kann das noch weiter redu­zieren, wenn drei oder vier drinnen sitzen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Geschätzte Damen und Herren! 3 000 € spart sich der Pendler, 2 500 € kostet ein Stellplatz – das ist auch etwas, was sich eindeutig rechnet. Ich bitte Sie, diese Initiative zu unterstützen, weil es eine wirtschaftliche Initiative ist, weil es eine Initiative ist, die der Umwelt entgegenkommt und die Menschen und Pendler entsprechend entlastet. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.14.55

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lie­be Kollegen Preineder und Boden! Ich freue mich ja über eure Euphorie, und wir wer­den natürlich auch euren Antrag unterstützen.

Es ist aber im Prinzip schon so, dass von FPÖ und ÖVP vor zwei Jahren wortidentisch derselbe Antrag im Nationalrat eingebracht und beschlossen worden ist, dass wir im Ausschuss gehört haben, dass die ASFINAG eh schon tut und dass eh fleißig daran gearbeitet wird. Nichtsdestotrotz, wir werden unsere Hand heben.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 140

Ich möchte nur daran erinnern: In der letzten Bundesratssitzung haben wir es gewagt, Herrn Bundesminister Pröll zu erinnern, dass er versprochen hat, Anfang des Som­mers ein Klimaschutzgesetz vorzulegen; und die Begründung, warum dann SPÖ und ÖVP nicht mitstimmen konnten, war: Wir können doch den eigenen Minister nicht dazu auffordern, dass er etwas tut, was er sowieso macht!

Das Klimaschutzgesetz, das Anfang des Sommers da sein sollte oder vor dem Som­mer versprochen war, gibt es noch nicht, das will ich nur dazu sagen. (Bundesrat Bo­den: Es ist ja noch ein bisschen Zeit!) Ihr habt damals genau aus dem Grund, dass man den Minister ja nicht dazu auffordern müsse, nicht zugestimmt. Jetzt machen wir das Gleiche mit dem Verkehrsminister! – Soll so sein, mir soll es recht sein. Dann kom­men also diese Stellplätze.

Ich fürchte nur, dass ihr euch doch etwas zu viel davon erwartet. Ich denke nicht, dass diese 2 000 Stellplätze ständig besetzt sein werden und deshalb Unmengen von Ton­nen an CO2 eingespart werden. Es wäre schön, ich glaube aber nicht, dass es so ist.

Und dann möchte ich schon noch Folgendes dazu sagen: Üblicherweise – inzwischen nicht mehr immer, aber üblicherweise – ist dort, wo es eine Autobahn oder eine Schnellstraße gibt, auch eine Bahn vorhanden. Wenn ich bei der Autobahn parke, dann kann ich das Auto genauso gut zur Bahn fahren und mit der Bahn nach Wien fah­ren oder die weitere Strecke zurücklegen. Das ist mehr oder weniger eine Konkurrenz des besseren Systems. Ich denke, die Entwicklung ist ja leider inzwischen so, dass Autobahnen manchmal auch ohne Bahn daneben gebaut werden, sprich, man ist dann nur mehr auf das Auto angewiesen. Und in diesem Fall ist ja dann diese Möglichkeit super und toll.

Lieber Herr Kollege Boden, es hat mich jetzt nur gereizt, weil du gesagt hast, der Auto­fahrer ist die Melkkuh der Nation. Ich finde es witzig, dass gerade die männlichen Auto­fahrer so viel Wert darauf legen, als „Kühe“ bezeichnet zu werden (Bundesrat Boden: Auch die Autofahrerinnen!) – das kann ich nicht verstehen. (Bundesrat Boden: Das hat nur mit dem Melken zu tun!) – Ja, ja, es hat mit dem Melken zu tun, aber das macht man halt bei den männlichen Autofahrern. (Bundesrat Mag. Himmer: „Stier“ sind sie dann nachher! – Bundesrat Gruber: Einen Stier kann man nicht melken!)

Letztendlich ist es so, dass der motorisierte Individualverkehr bekanntlich nach wie vor den Staat eher Geld kostet, als dass er Geld bringt – insbesondere natürlich der Güter­verkehr, aber auch der Personenverkehr. Denn es gibt ja auch noch Kosten, die nach wie vor nicht internalisiert sind, sprich Gesundheitskosten, Umweltkosten, die alle nicht mit eingerechnet sind. Wenn die alle einmal abgedeckt sind, dann könnt ihr einmal da­mit anfangen, von einer Melkkuh zu sprechen. Vorher erregt das bei mir einfach Wider­spruch. (Beifall bei den Grünen.)

17.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Staatssekretärin Kranzl, bitte sehr.

 


17.18.29

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Hoher Bundesrat! Ich darf nur noch eine ergänzende Antwort an­schließen – sie wurde bereits auch im Verkehrsausschuss im Kurzen gegeben –: Tat­sache ist, dass es natürlich schon einen Antrag des Nationalrates gegeben hat, dass aber zwischenzeitlich vielleicht nicht unbedingt auch die gewünschte Umsetzung er­folgt ist. Die ASFINAG hat Erhebungen durchgeführt. Es ist hier tatsächlich ein Bedarf festgestellt worden, besonders im Pendlereinzugsgebiet von Wien, einerseits sowohl in Niederösterreich zirka 18 bis 20 anschlussfertige Park & Drive-Anlagen zu installieren, vier bis fünf im Burgenland und eine bis zwei in der Steiermark.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 141

Zur Rahmenvereinbarung, die in Niederösterreich abgeschlossen worden ist: Hier lau­fen auch bereits Gespräche mit der ASFINAG, und es ist darüber hinaus aber auch an alle Landesamtsdirektoren, die Baudirektoren herangetreten worden, eventuelle Wün­sche an die ASFINAG beziehungsweise an das BMVIT heranzutragen.

Es laufen derzeit auch Gespräche betreffend eine Pilotanlage in der Steiermark. Hier geht es um die Anschlussstelle Gleisdorf Süd. Und auch Oberösterreich hat mittlerwei­le einen Bedarf für fünf weitere Anschlussstellen übermittelt. – Das nur zur Information. (Beifall des Bundesrates Gruber.)

17.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Entschlie­ßungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist angenommen. (E 229-BR/08.)

17.19.5021. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (537 d.B. und 580 d.B. sowie
7975/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008) (538 d.B. und 581 d.B. sowie 7976/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 21 und 22 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Boden. – Ich bitte um die Be­richte.

 


17.20.27

Berichterstatter Karl Boden: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 17. Juni 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technolo­gie über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 betreffend ein Bundesge­setz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 17. Juni 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 142

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.21.40

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden der Än­derung des Luftfahrtgesetzes nicht zustimmen. Unser Kritikpunkt ist an und für sich be­kannt: Das ist eine Umsetzung einer EU-Richtlinie. In der EU-Richtlinie gibt es den Ausdruck „umweltfreundliche Nutzung des Luftraums“ noch, in der österreichischen Umsetzung fehlt das – und das BMVIT sagt trotzdem, es ist vollständig umgesetzt.

Es gibt eben einige Anforderungen, gerade im Bereich des Umweltschutzes, die diese Änderung jetzt wieder nicht berücksichtigt: einerseits die fehlende explizite Nennung, Gesundheits- und Belästigungsschutz der Nachbarn im Gesetz, fehlende Parteistellung der Nachbarn allgemein und das Fehlen eines Verfahrens zur Sanierung der Defizite, die es bis jetzt gibt. Da sich daran nichts geändert hat, werden wir auch diesmal nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

17.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Vladyka. – Bitte.

 


17.22.48

Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Staats­sekretärin! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich heute in mei­nem ersten Redebeitrag gleich zwei wichtigen Bereichen widmen, nämlich einerseits der Änderung des Luftfahrtgesetzes und andererseits dem Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr.

Beide sind für uns besonders wichtig, geht es hier doch darum, gemeinsame Regelun­gen für ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau in einem einheitlichen europäischen Luftraum zu schaffen. Weiters geht es hierbei auch um Grundlagen, die eine flexible Nutzung des Luftraumes im Hinblick auf Luftraumreservierungen, auch für militärische Nutzung, gewährleisten.

Auch diverse Anpassungen und natürlich Klarstellungen, insbesondere im Bereich der Luftfahrthindernisse, gilt es in diesem Zusammenhang genauer festzulegen. Diese Än­derungen sind deshalb erforderlich, weil sich die Anforderungen, zum Beispiel auch in der militärischen Luftfahrt, sowie die Herausforderungen im Bereich der internationalen Kooperation geändert haben. Auch die technischen Standards müssen dem tatsächli­chen Stand gerecht werden und sind somit anzupassen.

Wenn ich nur an den Flughafen Wien-Schwechat denke, der vor genau 70 Jahren einst als Militärstützpunkt begonnen hat und heute einer der bedeutendsten Dienstgeber der Republik ist, an dem allein im Mai dieses Jahres 1 840 859 Passagiere abgefertigt wur­den, so zeigt das, welchen Stellenwert gerade die Flugsicherheit haben muss.

Mit einer Steigerung von 10,5 Prozent an Flugbewegungen nur in diesem Jahr können wir erahnen, wie die künftige Entwicklung aussehen wird. Die diversen notwendigen Ausbauvorhaben, zum Beispiel der geplante Bau der dritten Piste, sind nur einige die­ser Auswirkungen. Die Anrainergemeinden und -bezirke hatten und haben ja die Mög­lichkeit, einerseits im Mediationsverfahren beziehungsweise nach dessen Abschluss im Dialogforum Einblick in die größte Baustelle zu bekommen und auch das Mitsprache­recht wahrzunehmen.

Ich sehe das doch etwas anders als Sie, werte Kollegin. Ich weiß, dass noch vieles ge­schehen muss, aber gerade in den von Ihnen angesprochenen Bereichen haben und


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 143

hatten wir ja die Möglichkeit, mitzureden und durch das Mediationsverfahren und Dia­logforum sind ja wesentliche Verbesserungen besonders im Umweltbereich bereits vor­genommen worden, zum Wohle unserer Region und damit der Menschen.

Neben den Klarstellungen und Maßnahmen sind auch die geplanten Änderungen und Anpassungen, die in der Flugsicherung nunmehr vorgenommen werden müssen, oh­nehin schon auch aus diesem Grund ein unbedingtes Muss.

Einerseits soll durch die Vereinheitlichung der Anforderungen im Bereich der Flugsi­cherung eine effizientere Nutzung des gesamten europäischen Luftraumes ermöglicht werden, und andererseits sind dadurch auch positive Auswirkungen auf die Luftver­kehrswirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, die ja unmittelbar mit beschäftigungsrele­vanten Faktoren verbunden sind, zu erwarten. Gerade die Anpassung der österreichi­schen Vorschriften an europarechtliche Vorgaben ermöglicht künftig, verstärkt auch Flugverkehrsdienste zwischen Österreich und Drittstaaten anzubieten.

All die geplanten Maßnahmen sind daher, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wichtig, um den Herausforderungen, die gerade in der Luftfahrt auf uns zukommen, ge­recht werden zu können. Die gesamte Branche, vor allem im Bereich der Flugsiche­rung, steht in Europa vor gewaltigen Umwälzungen und Weiterentwicklungen. Um die­se Veränderungen letztlich zu einem Erfolg zu führen, ist aber auch die Einbindung al­ler Beteiligten – also der Luftraumnutzer, genauso wie der Anbieter von Luftfahrtinfra­struktur, wie Flughäfen und Flugsicherung – unbedingt notwendig.

Im Rahmen eines sozialen Dialogs müssen auch die Mitarbeiter, die von diesen Verän­derungen hauptbetroffen sind und die diese Veränderungen schlussendlich auch mit­tragen sollen, in die Gestaltung der europäischen Luftfahrtzukunft eingebunden wer­den.

Ich darf mich daher, meine sehr geschätzten Damen und Herren, bei allen, die tagtäg­lich für unsere Sicherheit in diesem Bereich Sorge tragen, auf das Herzlichste für den Einsatz bedanken. Wir werden diesen Vorlagen natürlich gerne die Zustimmung ertei­len. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

17.28


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


17.28.20

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Luftfahrtgesetzanpassung, das ist die Anforderung an uns alle zum Luft­verkehr. Notwendig ist sicher eine einheitliche Bestimmung, sehr sinnvoll auch die Ein­beziehung der Militärluftfahrt in Österreich; rechtliche Absicherung, Rechte und Pflich­ten von behinderten Fahrgästen sind vorzusehen und eine Neuregelung für die Flugsi­cherung – es wird die Zeit immer beweglicher, immer schneller.

Gemeinsame Nutzung von Gemeinschaftsrecht für Luftraumbenutzung, gedacht ist da eine volle Liberalisierung. Genaue einheitliche Regelungen sind nicht erkennbar. Bei den Flugbewegungen gibt es zum Beispiel große Unterschiede zwischen Österreich, das mitten in Europa liegt, und Schweden oder Finnland am Rande von Europa. Über Schweden oder Finnland fliegen täglich zwischen 40 und 60 Maschinen, und in Öster­reich bis zu 1 200 pro Tag. Das ist der große Unterschied. Und wenn man abends, sa­gen wir, eine halbe Stunde auf einem Hochsitz sitzt und dann die Flugbewegungen an­schaut (Bundesrat Kraml: Da wirst nix treffen!), na, ich muss euch sagen, dort hat man Zeiten, da kann es passieren, dass man bis zu 20 Maschinen gleichzeitig am Himmel oder zumindest die Kondensstreifen sieht. Man kann das beobachten.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 144

Liebe Freunde, so schaut die Entwicklung aus! Natürlich gibt es da keine unterschiedli­che Reglementierung, ob jetzt 40 oder 60 Flugzeuge am Tag in Helsinki landen – aber die reden mit, wenn es um Österreich geht, wo 1 200 Flugzeuge am Tag überfliegen! Da wird es zu einer Belastung kommen, Frau Staatssekretär, deren wir uns vielleicht noch gar nicht bewusst sind. Daher glaube ich, es ist vielleicht schon richtig, dass man in dieser Situation ein wenig vorsichtig ist und nicht ohne Weiteres zustimmt.

Außerdem ist auch die Kennzeichnungspflicht sicher sehr wichtig, aber es gibt kein Programm dafür. Das Aufzeigen von Luftfahrthindernissen soll gesetzlich geregelt wer­den, bisher war das freiwillig. Die Verwaltung soll vereinfacht werden, aber das ist of­fen, und es steht nirgends, wie die Regelung aussehen soll. Vor allem im Bereich der Flugplatzbewilligungen weiß man nicht, wie es in Zukunft aussehen soll, oder auch hin­sichtlich der Bestimmung über Flugverkehrsrechte.

Frau Staatssekretär, es ist sehr vieles offen. Die gesetzlichen Änderungen sollten den Zweck haben, in Zukunft eine positive wirtschaftliche Entwicklung im Luftverkehr zu er­möglichen. Es sollte eine bessere Wettbewerbsfähigkeit gegeben sein, auch im Sinne der Beschäftigten in diesem Berufszweig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir das Gesetz anschauen und durchle-sen, dann müssen wir feststellen, dass viele Dinge nicht berücksichtigt worden sind. Daher gibt es von unserer Seite keine Zustimmung. – Danke. (Beifall des Bun­desrates Mitterer.)

17.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


17.32.04

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Ich glaube, ich kann mich sehr kurz fassen, nachdem un­sere neue Kollegin aus Niederösterreich sehr umfassend dargelegt hat, welche Vorteile für die Luftverkehrswirtschaft aus diesem Gesetz entstehen, insbesondere für deren Wettbewerbsfähigkeit und auch für die Beschäftigung in Österreich.

Es sei vielleicht noch erwähnt, dass international in den letzten sechs Monaten, glaube ich, ungefähr 24 Fluglinien Konkurs angemeldet haben. Gerade vor diesem Hinter­grund ist meiner Ansicht nach diese Gesetzesumsetzung notwendig, die die heimi­schen, aber auch die europäischen Fluglinien stärkt. Dazu soll dieses Gesetz einen Beitrag leisten.

Daher wird meine Fraktion dieser Vorlage die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Frau Staatssekretärin Kranzl. – Bitte.

 


17.33.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf vielleicht eine durchaus sehr wichtige Aufklärung geben, die leider Gottes auch in der Debatte im Nationalrat nicht ganz zu lösen gewesen ist. Diese Änderungen des Luftfahrtgesetzes betreffen nämlich ausschließlich Klarstellungen, Anpassungen beziehungsweise sogar Verwaltungsver­einfachungen.

Wenn Sie sagen, Frau Kollegin Kerschbaum, dass Umweltbestimmungen hier nicht aufscheinen, dann ist dies deshalb der Fall, weil sämtliche Single-European-Sky- oder


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 145

SES-Verordnungen selbstverständlich unmittelbar anwendbares Recht sind. Das heißt, dort sind Umweltaspekte sehr klar verankert. „Clean Sky“ heißt: Wie kann bis 2015 der gesamte Luftverkehr umweltfreundlicher getätigt werden?

Wir haben erst vor Kurzem eine österreichische Enquete veranstaltet, weil wir die Ab­sicht haben, eine nationale Luftfahrtstrategie zu erarbeiten. Dabei ist es selbstverständ­lich mein Anliegen, alle Akteure, die in diesem Bereich betroffen sind, mit einzubin­den – sämtliche Flughäfen in Österreich, die Airlines, genauso die Luftfahrtindustrien, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Anrainer –, denn es ist mir sehr wohl bewusst, dass das ebenfalls ein sehr sensibler Bereich ist.

Aber in den gesetzlichen Bestimmungen, die hier aufgenommen worden sind, sind es rein nationale Anpassungen, die eben durch die SES-Verordnung nicht erfasst sind. So etwa, wie gesagt, der Bereich der Hindernisse: Hier ist überhaupt nichts an Definitio­nen verändert worden, sondern es wird lediglich klargestellt, dass auch Hindernisse aus der Zeit vor den gesetzlichen Novellierungen, die 1994 beziehungsweise 1958 durchgeführt worden sind, ebenfalls mit einbezogen sind. Also eine Verpflichtung, dass die Eigentümer Hindernisse zu kennzeichnen hatten, war bereits auch im bestehenden Gesetz enthalten; es geht nun aber quasi darum, dass für Hindernisse aus der Zeit vor den Bestimmungen von 1994 und 1958 diese ebenfalls anzuwenden sind. Das ist mir nur wichtig, weil hier, wie gesagt, nichts Neues dazugekommen ist.

Was schon neu ist, ist, dass selbstverständlich auch nachträglich zusätzliche Auflagen erteilt werden können. Ich denke, das ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit, der nicht wegzudenken ist. Diese Möglichkeit hatte es bisher nicht gegeben.

Wichtig ist auch, dass eine Verwaltungsvereinfachung erfolgt, und zwar insofern, als es, wenn sich zum Beispiel beim Flugplatzhalter in der Person, aber nicht im Nutzungs­zweck etwas geändert hat, ein vereinfachtes Verfahren gibt, analog zu dem, wie es der Nationalrat beziehungsweise der Bundesrat auch im Bereich Seilbahnen beschlossen hat. Es gibt also ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren und nicht das komplizierte Verfahren von A bis Z, wenn sich nur der Name des Flugplatzhalters geändert hat.

Ich denke, was hier vorgelegt worden ist, ist absolut nichts, was gegen den Umwelt­schutzgedanken sprechen würde – ganz im Gegenteil! –, weil dieser, wie gesagt, auch durch direkt anwendbare Verordnung der Europäischen Kommission gewährleistet ist. Ich möchte diese Klarstellung hier nur noch einmal deponiert wissen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

17.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Zunächst stimmen wir ab über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2008 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Ju­ni 2008 betreffend ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 146

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

17.37.2323. Punkt

Jahresvorschau des BMVIT 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Ra-
tes (III-346-BR/2008 d.B. sowie 7977/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


17.37.44

Berichterstatter Karl Boden: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über die Jahres­vorschau des BMVIT 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 17. Juni 2008 den Antrag, die Jahresvorschau des BMVIT 2008 auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jah­resprogramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

17.38.4224. Punkt

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur – aufgegliedert nach Bundesländern (III-349-BR/2008 d.B. sowie 7978/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


17.38.59

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Be­richt des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur – aufgegliedert nach Bundes­ländern – liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 17. Juni 2008 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend geplante Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur – aufgegliedert nach Bundesländern – zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 147

17.39.42

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in diesem Saal sicherlich kein Geheimnis: Wir alle wissen, dass dieser Bericht seine Ursachen auch darin hat, dass wir bereits im Mai des vergangenen Jahres hier im Bundesrat eine sehr, sehr intensive Diskussion im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag zu den Infrastrukturmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern abgehalten haben.

Ich möchte an dieser Stelle nicht das Gleiche, aber sinngemäß doch etwas Ähnliches wie zur Diskussion des Entschließungsantrages formulieren: Es geht der Länderkam­mer – und gerade der Länderkammer – zweifelsfrei keinesfalls darum, dass wir einzel­ne Infrastrukturmaßnahmen in den Bundesländern seitens der Vollziehung im zuständi­gen Ministerium gerne kontrollieren möchten, sondern wir freuen uns, wenn wir diese begleitend beobachten dürfen. Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt uns heu­te ein sehr detaillierter, sehr übersichtlicher schriftlicher Bericht über die einzelnen In­frastrukturprojekte in allen Bundesländern vor.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ich möchte an dieser Stelle meinem besonderen Dank dafür Ausdruck verleihen, dass es dadurch erstens einmal möglich war, einer­seits keine Geheimniskrämerei über Infrastrukturprojekte in den Ländern darlegen zu müssen beziehungsweise verstecken zu müssen, sondern es ist für alle nachvollzieh­bar. Es gibt einen guten Überblick, er ist sehr detailliert; in jedem Bundesland werden die einzelnen Maßnahmen sowohl im Bereich der ASFINAG als auch im Bereich der ÖBB im Rahmenplan dargelegt. Ich möchte an dieser Stelle den Kolleginnen und Kol­legen aus dem Ministerium sehr, sehr herzlich für die Erstellung des Berichtes danken, weil er einen tollen Überblick liefert und uns auch in die angenehme Situation versetzt, diese Dinge weiterhin begleiten zu dürfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Infrastrukturprojekten in diesem großen Ausmaß ist es verlockend, über wirtschaftspolitische Auswirkungen in einer kleinen Volkswirt­schaft zu philosophieren. Ich glaube, das ist in diesem Kreis auch müßig. Derartige Projekte im Bereich der Infrastruktur stehen in diesem Zusammenhang völlig außer Streit, aber trotzdem sollten sie noch einmal erwähnt werden.

Es handelt sich – summa summarum – um ein großartiges Gesamtprojekt. Ich verheh­le nicht und sage auch gerne, dass es menschlich durchaus verständlich ist, dass bei der Erstellung dieser Projekte jeder Landeshauptmann versucht, für sein Bundesland möglichst viele Projekte ins Land zu ziehen. Daher hat das auch unser Landeshaupt­mann versucht, und es ist sehr, sehr schön gelungen!

Ich möchte aus der Sicht der Steiermark einen ganz besonderen Dank an dich, Frau Staatssekretärin, und an den Bundesminister richten, weil wir leidvoll, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Kenntnis nehmen mussten, dass wir bei einzelnen Projekten 20 Jah­re, bei anderen Projekten bis zu 30 Jahren in der infrastrukturpolitischen Warteschleife gestanden sind. Ich werde mich jetzt hüten, die gesamten Projekte zusammenzuzählen und vielleicht den steirischen Teil herauszufiltern, und ich werde mich noch mehr hü­ten, irgendwelche Zahlen zu nennen. Es freut mich aus steirischer Sicht sehr, wir sind mit dem Bericht naturgemäß sehr, sehr zufrieden. Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist gefährlich!) Eben! Be­reits dieser Hinweis birgt die Gefahr in sich, dass nachgerechnet wird. Ich darf noch einmal sagen: Wir sind aus steirischer Sicht sehr, sehr zufrieden, und wir möchten ger­ne auch weiterhin diese Projekte begleitend beobachten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.44



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 148

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


17.44.26

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke zuerst für den um­fassenden Bericht. Er ist, glaube ich, wirklich sehr gut gelungen.

Wenn man nun diesen Bericht über die geplanten Maßnahmen aus Salzburger Sicht betrachtet, muss man feststellen, dass es eine Reihe von Maßnahmen gibt, die sehr positiv zu bewerten sind. Allerdings lässt der Punkt „Projekte außerhalb der Rahmen­planperiode“ doch einige Alarmglocken läuten (Bundesrat Ing. Kampl: Ach so?), denn unter diesem Punkt scheinen „Paß Lueg“ und „Linienverbesserungen Salzburg Süd bis Bischofshofen“ auf. Das heißt, diese beiden Projekte sind aus der Planungsperiode bis 2013 herausgenommen worden. Aber gerade das sind besondere Anliegen unserer Region!

Der Salzburger Landtag hat sich in der letzten Sitzung am 28. Mai 2008 mit diesem Thema eingehend befasst. Dort hat sich auch Kollege Gruber dazu zu Wort gemeldet, erstmalig als Bundesrat im Salzburger Landtag; ich werde demnächst bei den Reden auch einmal nachfolgen. Der Landtag hat sich also eingehend damit befasst, und es gab dazu ein einstimmiges Bekenntnis des Landtages. Der SPÖ-ÖVP-Antrag zielte da­rauf ab, dass beschlussmäßig zum Ausdruck gebracht wird, dass der Ausbau der Bahnstrecke ein dringendes Anliegen ist.

Angesichts der horrenden Treibstoffpreise müssen wir alles daransetzen, den öffentli­chen Verkehr auszubauen. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.) Für die problemlo­se Erreichbarkeit der Region Innergebirg mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Bahn­ausbau Golling – Werfen unverzichtbar. Von zahlreichen Gemeindevertretungen – Pfarrwerfen, Bischofshofen, St. Johann, St. Veit – hat es übrigens zusätzlich Petitionen zum Ausbau des genannten Streckenabschnittes gegeben. Auch Sorgen der dort woh­nenden Bevölkerung werden damit zum Ausdruck gebracht.

Es geht um zwei Dinge: Sicherheit und Fahrzeitverkürzung. Bei der Olympia-Bewer­bung schien bereits alles fix zu sein. Es hat so ausgesehen, als würde da alles ge­macht werden, ja es war eigentlich sogar eine Voraussetzung, dass das durchgeführt wird; jetzt ist natürlich alles anders. Tagelange Sperren wegen Steinschlags, Lawinen- oder Hochwassergefahr müssen unbedingt in absehbarer Zeit der Vergangenheit an­gehören.

Ich ersuche daher dringend, diese Situation neu zu überdenken. Es ist rasches Han­deln angesagt. Der Ausbau der Bahnstrecke Salzburg-Süd beziehungsweise Innerge­birg sollte dringend in Angriff genommen werden. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

17.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.48.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Dem Bericht über den Rahmenplan und das ASFINAG-Bauprogramm werden wir zustimmen. Der Bericht ist übersichtlich, und das ist auch der Grund, warum wir ihn gerne zur Kenntnis nehmen. Was den Inhalt betrifft, haben die Grünen doch immer ein bisschen eine andere Einstellung dazu. Ich möchte deshalb jetzt nicht allzu sehr auf das Bauprogramm der ASFINAG eingehen. Ich möch­te ja positiv bleiben, daher nur ganz kurz Folgendes dazu:

Fest steht, dass so ziemlich alle Autobahnen, die sich irgendwelche Landeshauptmän­ner oder ‑frauen wünschen, umgesetzt werden, und zwar möglichst schnell – egal, ob


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 149

die Verkehrsnachfrage wirklich gegeben ist! Der Schuldenstand der ASFINAG, der jetzt bei ungefähr 10 Milliarden € liegt, wird sich weiter erhöhen, und zwar jährlich um 1,7 Milliarden €. Wir wissen nicht, ob die Pendlerautobahnen – und es sind großteils PendlerInnenautobahnen – bei steigenden Ölpreisen wirklich noch notwendig sein wer­den oder ob sich nicht vielleicht doch am System etwas ändern wird.

Wie ich es heute schon einmal erwähnt habe: Es gibt mit dem Ring um Wien das erste Mal eine Autobahn, zu der es keine Alternative gibt. Ich kenne sonst keine Autobahn, neben der nicht der Zug fährt; in diesem Fall aber kann man nur mit dem Auto fahren, es gibt keine Zugverbindung. Das ist, finde ich, ein neuer Weg, der alles andere als be­grüßenswert ist, noch dazu in Zeiten, in denen man immer wieder sagt: Die Leute mö­gen doch auf Öffis umsteigen! – Wenn sie nicht da sind, werden sich die Menschen schwertun.

Aber, wie gesagt, ich möchte ja positiv bleiben und gehe zum Rahmenplan der ÖBB über. Das Positive daran ist, dass sich der Finanzplan für 2008 erhöht hat. Ich hoffe, dass das auch umgesetzt wird; 2007 ist er ja nicht ausgenützt worden. Noch etwas Po­sitives ist daran zu finden: Es ist eine Maßnahme dabei, die beschleunigt umgesetzt werden soll. Das betrifft die Westbahn, und zwar den Abschnitt Lambach – Breiten­schützing, das wird ein bisschen schneller gehen.

Alles andere wird, wenn man sich die Liste so durchsieht, maximal so wie geplant um­gesetzt, aber zum Großteil doch um einige Zeit verschoben.

Westbahn: Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus Wien–Wels, Ybbs–Amstetten, zieht sich noch weiter hin; 2014 sind hier noch Planungsmaßnahmen vorgesehen.

Die Güterzugumfahrung St. Pölten wird etwas beschleunigt, die Fertigstellung ist aber weiterhin in weiter Ferne.

Pottendorfer Linie: Die Planung für den Ausbau endet großteils erst 2010; dafür vorge­sehen war 2009.

Stetteldorfer Schleife und Bahnhofsumbau Absdorf-Hippersdorf: Beides erfolgt später, und zwar in etwa um ein Jahr.

St. Pölten–Herzogenburg: Die Planung wird zwei Jahre später als bisher vorhergese­hen fertig sein; der Bau wird zufälligerweise vor der nächsten Landtagswahl fertig. – Nein, der Bau wahrscheinlich nicht, das wird der Spatenstich sein.

Ausbau der S 2: Da wird die Fertigstellung des Abschnitts Süßenbrunn–Wolkersdorf ebenfalls um ein Jahr verschoben, die Fertigstellung des Abschnitts Wolkersdorf–Laa an der Thaya um drei Jahre verschoben.

Sprich: Bei den Bahnprojekten verschieben sich leider alle – bis auf eines – nach hin­ten. Das ist eigentlich ein trauriger Bericht, und zwar insofern, als dass ich mir gedacht hatte und erwartet hätte, dass es dann, wenn die SPÖ wieder einen Verkehrsminister stellt und eine dazugehörige Staatssekretärin hat (Zwischenruf des Bundesrates Stad­ler) – es freut mich übrigens, dass Sie (in Richtung Staatssekretärin Kranzl) es doch geschafft haben, heute zu kommen –, vielleicht auch bei der Bahn ein bisschen schnel­ler vorangeht. (Bundesrat Stadler: Wir haben auch schon ...!) – Ja, aber nicht auf allen Strecken, um Gottes willen! Die Strecken kannst du noch an einer Hand abzählen.

Es gibt nicht wirklich ein Zeichen für eine Nahverkehrsreform, es gibt nicht wirklich ein Zeichen dafür, dass sich die Verkehrspolitik der SPÖ sehr von der unterscheidet, die wir in den letzten acht Jahren, glaube ich, genossen haben, dass nämlich in erster Li­nie auf die Straße gesetzt wird und nicht auf die Schiene (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das ist aber nicht wahr!), obwohl es sich immer mehr Mitmenschen in diesem Land nicht mehr leisten können, diese Straße zu benützen. (Beifall bei den Grünen.)

17.52



BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 150

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


17.52.38

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Zum Bericht betreffend die Ausbaupläne des Bundesmi­nisters für Verkehr, Innovation und Technologie ist, so glaube ich, mehr zu sagen.

Frau Staatssekretärin! Vonseiten Kärntens wissen wir, dass dem Bundesland eine un­mittelbare Verbindung nach Salzburg und die straßenmäßige Verbindung über das Murtal große Möglichkeiten bieten würden.

Viele Millionen Euro werden in Österreich verbaut. Lieber Kollege Klug! Ich bin bereit, dir die Größenordnung des Rahmens für das Bundesland Kärnten zu sagen: Der Rah­men für den Ausbau der Österreichischen Bundesbahnen von 2008 bis 2013 beträgt etwa 5,194 Milliarden € – das ist sehr, sehr viel! Wir haben da einen großen Nachhol­bedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich bin sehr froh, dass die Bun­desregierung dazu steht und dieses Programm, das von der vorigen Bundesregierung schon eingeleitet wurde, verwirklicht. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Nein, die vorige war das nicht!)

Ich komme zu den Bundesstraßen: Auch da kann das Rahmenprogramm für das Bau­programm 2008 bis 2020 durch Kärnten sehr stark in Anspruch genommen werden. Das ist der zweite Punkt, bei dem ich für das Bundesland Kärnten sehr froh bin und Ih­nen, Frau Staatssekretärin, auch namens der Bevölkerung sage, dass das einfach not­wendig ist und wir es dankbar zur Kenntnis nehmen.

Betreffend das Bundesland Kärnten bedarf es aufgrund seiner geografischen Lage in­mitten anderer Bundesländer, der gebirgigen und der Tälerstruktur, die es gibt, natür­lich sehr komplexer Ausbauprogramme.

Da sind eben Dinge wie der Ausbau des Tauerntunnels, also die Errichtung einer zwei­ten Röhre der Verbindung nach Salzburg, besonders notwendig, oder dass man die Tauernsüdrampe zweigleisig ausbaut, die Verbindung Kolbnitz–Mühldorf–Möllbrücke, oder das Koralmprojekt, die Verbindung Graz–Klagenfurt, die ja dann insgesamt über 5 Milliarden € kosten wird und deren Fertigstellung für 2018 geplant ist, oder die projek­tierte Sanierung des Katschbergtunnels und der Bau einer zweiten Röhre, oder Maß­nahmen in Oberkärnten, in Rennweg, Krems, Gmünd und Trebesing. Das sind ja Eng­stellen, wo die Straße auf Stützen gebaut ist! Fast das gesamte Liesertal ist eine Hang­brücke, was es natürlich zu einem der teuersten Straßenbereiche für Kärnten macht. Und da ist es gut, dass wir hier Ihre volle Unterstützung erhalten.

Nächster Punkt: Ich komme aus dem Bezirk St. Veit, durch den die Schnellstraße S 37 führt, die Verbindung Klagenfurt–St. Veit–Friesach und die Verbindung nach Neumarkt und Knittelfeld. Frau Staatssekretärin! Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: In diesen Bereichen haben wir eines der unterentwickeltsten Gebiete Österreichs, denn die ein­kommensmäßig schwächsten Gebiete liegen dort, weil die dortige Infrastruktur nicht in Ordnung war. – Wir können feststellen, dass es, wo die Infrastruktur in Bezug auf Stra­ßen in Ordnung ist, eine Belebung gibt, dort sind Firmen auch bereit sich niederzulas­sen, dort gibt es eine bessere Beschäftigungssituation und so weiter. Daher sind wir sehr froh, dass diese Mittel von Kärnten gemeinsam mit dem Nachbarn und Kollegen Steiermark in Anspruch genommen werden.

Der nächste Bereich betrifft den Ausbau der Süd Autobahn im Bereich Villach–Wern­berg. Das ist eines der Straßenstücke, die eine besondere Rolle spielen: Darüber läuft der Verkehr nach Italien, darüber läuft der Verkehr nach Jugoslawien – dort ist ja die Hauptroute.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 151

Frau Staatssekretärin! Auf die Lüftungs- und Rettungsstollen für den Karawankentun­nel haben wir schon lange gewartet! Sie sind einfach eine Notwendigkeit für unser Bundesgebiet – 50 Millionen € sind dafür erforderlich –, sie werden aber erst in sechs bis acht Jahren gebaut. Frau Staatssekretärin! Das wird man sich überlegen müssen, denn die Sicherheitsbedingungen sind dort nicht optimal. Vielleicht sollte man gerade im Sicherheitsbereich noch einmal schauen, welche Möglichkeiten es gibt.

Zum Ausbau der Klagenfurter Schnellstraße im Bereich Scheifling–Friesach Nord: Die Gesamtkosten betragen 735 Millionen €, der Baubeginn ist 2015 und die Fertigstellung 2020.

Frau Staatssekretärin! Ich weiß, Österreich ist größer, es gibt neun Bundesländer (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Genau!), aber vielleicht sollte man gewisse Bereiche noch einmal überprüfen und schauen, ob mehr geschehen könnte. (Bundesrat Kalten­bacher: ... fast nichts passiert, Kollege Kampl!) – Vielleicht könnte man da mehr tun. (Bundesrat Kaltenbacher: Was willst du denn noch?! Bisher gab es nichts, jetzt ist ...! Über Jahre ist nichts passiert!)

Auf alle Fälle: An dieser Strecke Klagenfurt–St. Veit–Friesach Nord und in das Murtal, das muss ich Ihnen sagen, wäre uns sehr, sehr gelegen, und ich würde Sie bitten, dass man dem mehr Unterstützung zukommen lässt. (Bundesrat Kaltenbacher: Das musst du deinen Bürgermeister-Kollegen ...!) Lieber Kollege! Ich bin sehr traurig darü­ber, dass es bei euch Bürgermeister gibt, die nicht einmal Bodenproben machen las­sen. Das, muss ich sagen, kann es nicht sein!

Dann, muss ich sagen, ladet die anderen Bürgermeister ein, denn das ist eine Situa­tion, lieber Kollege, die wir Kärntner nicht verstehen (Zwischenruf des Bundesrates Kaltenbacher): dass es in einer unterentwickelten Region Bürgermeister gibt, die nicht einmal eine Bodenprobe machen lassen, damit die Entwicklung einen Aufschwung nehmen kann. (Bundesrat Kaltenbacher: Wir verstehen es auch nicht!) Ich kenne die Bürgermeister nicht, aber bei uns hört man das, und darüber schütteln wir in Kärnten nur den Kopf. (Bundesrat Kaltenbacher: Wir auch! Wir auch!) – Ich will jetzt keinen Steirer-Witz erzählen, aber es gibt viele. – Danke schön. Auf Wiedersehen!

17.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


17.59.33

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst auch meinerseits ein herzliches Danke­schön an die Beamtenschaft des Infrastrukturministeriums für die Erstellung des Be­richtes zu geplanten Maßnahmen und Absichten im Bereich der Infrastruktur unseres Landes.

Der Bericht – es wurde heute schon erwähnt – geht auf einen Entschließungsantrag, der im Mai vorigen Jahres hier im Hause eingebracht wurde, zurück.

Da viele geplante Baumaßnahmen in den Bundesländern durchgeführt werden, ist der Bericht, der übrigens sehr übersichtlich und klar strukturiert ist, für den Bundesrat als Vertreter der Länder auch von wesentlicher Bedeutung – Investitionen in die Infrastruk­tur sind letzten Endes auch Investitionen in die Zukunft unseres Landes.

Österreich, im Zentralraum Europas gelegen, wird natürlich immer mehr zur Drehschei­be für den zunehmenden Verkehr auf Straße und Schiene. Eine gut ausgebaute Infra­struktur ist daher auch die Grundlage für entsprechendes Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in unserem Land. Durch die Erweiterung der EU hat aber vor allem auch im östlichen Grenzraum der Wirtschaftsverkehr, vor allem im Bereich des Lkw-Transit­verkehrs, stark zugenommen.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 152

Kolleginnen und Kollegen! Bekanntlich ist bereits im Regierungsprogramm der Ausbau der Infrastruktur für beide Teilbereiche, Straße und Schiene, entsprechend fixiert, der Maßnahmen- und Arbeitsbericht bis 2013 beinhaltet daher geplante Investitionen in der Höhe von zirka 30 bis 33 Milliarden € in allen Bundesländern. Davon stehen für Investi­tionen in den Bahnausbau Mittel in der Höhe von rund 20 Milliarden € und für den Stra­ßenbau in der Höhe von in Summe zirka 13 Milliarden € zur Verfügung. (Vizepräsiden­tin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wie wir wissen, ist in manchen Bundesländern die Höhe der Investitionen in den Schie­nenverkehr geringer als die Höhe der Investitionen in den Straßenbau. Erklärtes Ziel der EU und auch Österreichs ist es daher, den Ausbau des Schienenverkehrs zu for­cieren und Park-and-ride-Anlagen zu errichten, um den öffentlichen Verkehr in seiner Gesamtheit etwas attraktiver zu gestalten – auch darüber wurde heute schon in einigen Debattenbeiträgen gesprochen. Leider hinken hier die EU, aber auch Österreich eini­gen Zielvorgaben noch etwas nach.

Was die Sanierungsmaßnahmen bezüglich diverser Tunnels – ich nenne hier nur den Katschberg- und den Karawankentunnel, die ich beide persönlich kenne – betrifft, halte ich diese Maßnahmen für entsprechend notwendig, eben zur Hebung der Verkehrssi­cherheit, vor allem auch in Urlaubszeiten.

Sehr zu begrüßen ist auch die Errichtung einer zweiten Tunnelröhre bei Schnellstraßen und Autobahnen. Diese Investitionen sind Investitionen in die Verkehrssicherheit, hel­fen letzten Endes auch Leben zu retten, wie auch der Ausbau von Schnellstraßen zu Autobahnen, wie das zum Beispiel bei der S 31 zwischen Eisenstadt und Mattersburg der Fall gewesen ist.

Aufgrund des jährlich zunehmenden Individual- und Lkw-Verkehrs halte ich auch den weiteren Ausbau von Umfahrungs- und Entlastungsstraßen in und um Wien für not­wendig und erforderlich. Natürlich ist das – das weiß ich selbstverständlich – nicht der Weisheit letzter Schluss und hat nur Sinn, wenn auch ein weiterer Ausbau der öffentli­chen Verkehrsmittel im zentralen östlichen Raum Österreichs durchgeführt wird, was laut Bericht des Infrastrukturministeriums ja auch vorgesehen ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Höchst notwendig ist daher auch die Fertigstellung des Bahnhofes Flughafen Wien Schwechat, der Bau des Bahnhofs Wien Mitte und des Hauptbahnhofs Wien sowie die Verbindung der Ostbahn mit der Flughafen-Schnellbahn. – Diesbezüglich hoffe ich, dass die fehlenden, ausständigen Genehmigungen schnellstmöglich eingeholt werden können und auch die Ausfinanzierung dieser Projekte hoffentlich in Bälde gesichert ist.

Die Vernetzung des Schienennetzes ist für den gesamten Wirtschaftsraum in Ostöster­reich von immenser Bedeutung, das betrifft natürlich auch das Wien umgebende Ge­biet, also das östliche Niederösterreich, und auch das nördliche und mittlere Burgen­land.

Kolleginnen und Kollegen! Der Rahmenplan sieht für das Burgenland bis zum Jahr 2013 Investitionen in die ÖBB-Infrastruktur in Höhe von in Summe 57 Millionen € vor. – Es mag schon sein, dass das im Vergleich zu anderen Bundesländern eine nicht gerade sehr hohe Summe ist, aber wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten entsprechend in den Ausbau der Infrastruktur investiert, was die Schiene betrifft – ich verweise nur darauf, dass die Ostbahnstrecke im burgenländischen Bereich entspre­chend ausgebaut ist.

Ich möchte auch erwähnen, dass diese Investitionen insbesondere der Elektrifizierung der Bahnstrecke Eisenstadt–Neusiedl am See zugute kommen. Warum erwähne ich das? – Weil diese Bahnlinie vor zirka 15 Jahren gefährdet war, überhaupt eingestellt zu


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 153

werden! Jetzt spricht man nicht mehr davon: Die Anzahl der Personen, die mit der Bahn fahren, die damit tagtäglich nach Wien pendeln, nimmt von Jahr zu Jahr zu. – Es ist also ein Schritt in die richtige Richtung.

Für den Straßenbau sind von der ASFINAG bis 2014 zirka 690 Millionen € für das Bur­genland vorgesehen. Die wichtigsten Projekte sind die Umfahrung von Schützen am Gebirge – eine Gemeinde, die unserer Landeshauptstadt Eisenstadt direkt benachbart ist und daher natürlich auch den meisten Pkw-Verkehr aufzunehmen hat –, die Verlän­gerung der A 3 Richtung Sopron mit der Umfahrung Klingenbach – gleichfalls eine sehr wesentliche Sache – und vor allem der eigene Autobahnanschluss Richtung Outlet Center Parndorf, wenn man von der A 4, der Ost Autobahn, kommt – ebenfalls eine Notwendigkeit, die jetzt in Angriff genommen wird; die Fast-Nachbar-Bürgermeisterin aus Bruck an der Leitha stimmt mir da zu.

Diese Maßnahmen dienen letzten Endes auch – und ich wiederhole das eigentlich ganz gerne, weil es wesentlich ist – der Entlastung der anrainenden Bevölkerung, zu­gleich aber auch der weiteren Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes Burgenland.

Zusätzlich investiert das Land Burgenland heuer noch 12,5 Millionen € aus direkten Landesmitteln in die Qualitätsverbesserung des öffentlichen Verkehrs inklusive des Ausbaus von diversen Park-and-ride-Anlagen. Damit soll natürlich in Zukunft für Pend­ler der weitere Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel entsprechend attraktiver gestaltet werden.

Ich möchte anschließend daran noch ergänzend zu den Inhalten des Infrastrukturbe­richtes einige Gedanken anmerken, die, wie ich glaube, wesentlich genug sind, hier verbalisiert zu werden: Ich glaube, man müsste sich auch in Zukunft Gedanken darü­ber machen, wie sich die weitere finanzielle Situation der ASFINAG entwickelt. Die Zu­nahme des Individualverkehrs muss auch zukünftig bei den diversen Infrastrukturpro­jekten entsprechend berücksichtigt werden, aber natürlich auch der Ausbau des öffent­lichen Verkehrs – dazu muss dieser stärker, als das vielleicht bis dato der Fall ist und war, parallel forciert werden.

Ein weiteres Thema, das ich noch kurz ansprechen möchte, sind die Treibstoffpreise – auch darüber wurde heute schon einiges gesagt –: Die permanente Erhöhung dieser Treibstoffpreise darf meiner Meinung nach nicht weiter kommentarlos hingenommen werden! Die Autofahrer dürfen nicht, und ich sage das bewusst – und ich glaube nicht, dass ich von Frau Kollegin Kerschbaum dafür uneingeschränkten Applaus ernten wer­de –, weiterhin Melkkühe der Nation sein! Viele Menschen sind einfach auf den Pkw angewiesen – ich verweise nur auf Pendler, ich verweise auch auf Menschen, die im Schichtdienst arbeiten und absolut keine Möglichkeit haben, im urbanen Bereich den öffentlichen Verkehr zu benützen. (Bundesrätin Kerschbaum: Weil es keinen gibt!) – Hier ist vor allem der Herr Finanzminister gefordert, zum Beispiel die Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer an die Steuerzahler zurückzugeben.

Andererseits, denke ich, ist es aber auch etwas zu wenig, wenn unser geschätzter Herr Sozial- und Konsumentenschutzminister meint, man beobachte die weitere Entwick­lung der Preise, denn deren Kurve ist klar: Leider Gottes steigt sie wahrscheinlich auch noch in den nächsten Monaten steil nach oben.

Wir kennen auch den Verbraucherpreisindex des Monats Mai dieses Jahres mit einem Plus von 3,7 Prozent. Primär sind die Menschen im unteren Einkommensbereich die Leidtragenden dieser Entwicklung, und ich möchte daher die Bundesregierung auffor­dern, gemeinsam Maßnahmen gegen den weiteren Anstieg der Treibstoffpreise zu set­zen und diesbezüglich auch in der EU vorstellig und aktiv zu werden. – Wir kennen die Situation in manchen EU-Staaten, wo es bereits Protestmaßnahmen gegen die hohen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 154

Treibstoffpreise gibt, und ich hoffe, dass wir in Österreich nicht ähnliche Verhältnisse bekommen werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke nochmals allen Beteiligten im Infra­strukturministerium sehr herzlich für die Erstellung des Maßnahmen- und Absichtsbe­richtes, und ich werde diesen, da er sehr wesentliche und wichtige Weichenstellungen für die Zukunft beinhaltet, auch zur Kenntnis nehmen und unterstützen. – Ich danke all­seits für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jany. – Bitte.

 


18.10.01

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretä­rin! Geschätzte Damen und Herren! Zum Bericht betreffend die geplanten Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur aus südburgenländischer Sicht: Eine moderne Infrastruktur ist eine unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Durch eine sinnvolle Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger soll die Optimie­rung des Verkehrssystems erreicht werden. Der öffentliche Verkehr ist gerade in Bal­lungszentren für die Mobilität der Menschen und für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig. In ländlichen Regionen wie im Burgenland ist eine gute Verkehrsanbindung ge­rade für unsere Pendler von großer Bedeutung. Für das Burgenland hat – ich muss es anmerken, Herr Kollege Preiner! – unser Herr Landeshauptmann Niessl mit Herrn Bun­desminister Faymann schlecht verhandelt. Wir wurden mit nur 560 Millionen € bedient, um nicht zu sagen: abgespeist. Das ist relativ wenig gegenüber der Steiermark und Kärnten. Wir sind relativ schlecht ausgestiegen.

Die burgenländischen Steuerzahler müssen für die Vorfinanzierung der S 31 und der S 7 aufkommen, und zwar mit 9 Millionen € für Zinsen für die Vorfinanzierung. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Schon, aber diesen Betrag hätten wir effi­zienter einsetzen können, wenn man besser verhandelt hätte!

Jeder Südburgenländer steuert pro Jahr 600 € für die Deckung des ÖBB-Defizits bei. Aber investiert wird bei uns im Südburgenland relativ wenig, und in die Bahn überhaupt nicht. Der Ausbau der Aspangbahn von Oberwart über den Wechsel nach Wien würde die Strecke Oberwart – Wien auf eine Fahrzeit von 1,5 Stunden verkürzen. Ein besse­rer Ausbau bestehender Verbindungen wäre sicherlich sinnvoll, und zwar auch für die ländlichen Regionen des Südburgenlandes.

Wir hoffen also weiter. Die Hoffnung stirbt zuletzt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


18.12.22

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor dieses Arbeitsprogramm zu einem Wunschkonzert ausartet: Ich werde gar nicht in Details gehen, sondern möchte mich auf zwei Punkte konzentrieren.

Einen Punkt hat Herr Kollege Saller bereits angesprochen, nämlich den Ausbau des Passes Lueg. – Dieser Ausbau des Passes Lueg ist wirklich eine zentrale Sache, und es kann nicht sein, dass man sagt: Wenn eine Olympiade oder eine Weltmeisterschaft


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 155

zu uns kommt, dann bauen wir aus, wenn beides jedoch nicht kommt, dann bauen wir nicht aus.

Die Gründe, warum man diese Strecke ausbauen muss, liegen wirklich auf der Hand. Sie wurden bereits genannt. Ich wiederhole daher: Gefahrentransporte können nur ein­seitig durchgeführt werden. Das heißt, das Gegengleis muss gesperrt werden, weil der Schienenabstand zu gering ist. Es besteht dort Hochwasser‑, Lawinen‑ und Stein­schlaggefahr.

Der Pass Lueg verbindet die drei Gaue im Süden Salzburgs mit dem Zentralraum. Es gibt eine große Anzahl an Pendlern. Von der Situation her müsste dort also wirklich ein Schwerpunkt gesetzt werden. Man müsste den Ausbau vorreihen, da sollte auf jeden Fall etwas geschehen! Es wird schon seit 1992 darüber geredet, geschehen ist jedoch bis dato nichts. Der Salzburger Landtag hat diesbezüglich einen einstimmigen Dringli­chen Antrag beschlossen, den ich begründen durfte, und dieser wurde an den Natio­nalrat, an den Bundesrat und auch an das Ministerium weitergeleitet.

Ein zweites Problem, das ich anschneiden möchte, betrifft die Tauernachse. Dazu hat Kollege Kampl schon aus Kärntner Sicht geredet. Die Tauernachse ist mittlerweile zu 75 oder 80 Prozent zweigleisig. Im Bereich des Gasteinertals ist sie eingleisig. Das heißt, in Bad Gastein und in Bad Hofgastein wird eingleisig gefahren. Das ist ein Na­delöhr. Dort fahren die Züge – großteils schwere Lastzüge, die rollende Landstraße – in Abständen von wenigen Minuten durch. Beide Orte haben den Kurorte-Status. Wir kommen dort auf 3 Millionen Nächtigungen pro Jahr. Es wird dort also auch etwas er­wirtschaftet.

Fünf Jahre lang haben wir uns in einem Mediationsverfahren auf eine Trasse geeinigt. Das hat einige Millionen Schilling gekostet. Das Papier, auf dem die Gutachten ge­schrieben sind, wiegt 20 Kilo. Das Ministerium hat unterschrieben. Die ÖBB haben un­terschrieben. Das Land Salzburg hat unterschrieben. Die Gemeinden haben unter­schrieben. Bürgerinitiativen haben unterschrieben. Trotzdem ist dieses Projekt jetzt in etwa auf 2020 verschoben worden. Das ist nicht vorstellbar für die Menschen, die in diesen beiden Kurorten wohnen! Es besteht nämlich die Gefahr, da die Tauernachse neben dem Brenner und der Südbahn eine wichtige Nord‑Süd‑Verbindung ist, dass dort unter Umständen in den nächsten Jahren 150 bis 200 Züge fahren werden. Und das werden sowohl die Einheimischen als auch unsere Gäste wahrscheinlich nicht aushalten!

Daher bitte ich Sie, sich zu informieren, ob man dafür – da das ja nicht nur ein nationa­les Problem, sondern eventuell auch ein EU-Problem ist, weil hier sehr viel Verkehr von Deutschland Richtung Süden geht – eventuell auch EU-Förderungen einfordern kann.

Ein weiteres Problem ist, dass Regionalzüge eingestellt werden und auf Busse umge­stiegen wird. Anfänglich ist das für die Menschen sehr interessant, weil der Bus im Ort fünfmal stehen bleibt und man sich den Weg zum Bahnhof erspart. Allerdings gibt es nach einem Jahr oder nach zwei Jahren eine Zählung, und wenn dann der Bus nicht oder nicht im entsprechenden Ausmaß ausgelastet ist, dann wird reduziert. Zuerst fährt er fünf- oder sechsmal am Tag, dann fährt er nur mehr dreimal am Tag, es sei denn, das Land oder die Gemeinde kauft zu. Dazu besteht die Möglichkeit.

Es erfolgt jedoch – wenn ich das so sagen darf – draußen in der „Provinz“ eine Aus­dünnung, die nicht gut ist. Die Menschen können einfach nicht auf den Zug oder auf den Bus verzichten. Es gibt viele Menschen, die nicht mobil sind und kein Fahrzeug haben, aber etwa zum Einkaufen müssen, und das Angebot wird immer schlechter. – Ich glaube, in dieser Richtung sollte man auch etwas tun!


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 156

In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich habe mit dem Herrn Bundes­minister persönlich schon Kontakt aufgenommen und ersuche auch Sie um Unterstüt­zung für diese zwei sehr wichtigen Vorhaben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

18.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Kranzl. – Bitte.

 


18.17.24

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich über das allseits hier kundgetane Lob freue, dass dieser Bericht Ihre Erwartungen erfüllt und dass Sie damit eine gute Arbeitsgrundlage in Ihren Bundesländern erhalten. Ich darf dieses Lob sehr gerne an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hau­ses, aber auch an Kollegen Faymann weiterleiten.

Zu den durchaus berechtigten Wünschen, die Sie hier vorgebracht haben: Das Rah­menprogramm, das zwar bestanden, aber doch einen sehr unübersichtlichen Zeitplan und vage Angaben beinhaltet hat, ist im Einvernehmen mit den jeweiligen Bundeslän­dern, Landeshauptfrauen und Landeshauptmännern ausgearbeitet worden. Natürlich steht nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, und zwar insgesamt rund 30 Milliar­den, und zwar 20 Milliarden für die ÖBB und 10 Milliarden für die Straße. Nur bis 2013 werden 10,7 Milliarden € für die Schiene und 8,1 Milliarden € für den Straßenausbau aufgewendet.

Selbstverständlich kann ich Ihre Wünsche nachvollziehen, und ich bin sehr gerne be­reit, das an Werner Faymann, aber auch an den Finanzminister weiterzuleiten. Wenn der Finanzminister hiefür höhere Mittel bereitstellt, dann werden auch der Minister und insbesondere auch ich das unterstützen, damit Projekte rascher durchgeführt werden können.

Wie Sie wissen, gibt es betreffend Nahverkehr im Rahmen des Klima- und Energie­fonds eine Schwerpunktsetzung, nämlich die Forcierung des öffentlichen Nahverkehrs. Ich stimme vollkommen überein, dass die Situation derzeit für Pendlerinnen und Pend­ler sehr schwierig ist. Sie wissen aber auch, dass hier natürlich auch die Mitarbeit der Länder mit einzubringen ist.

Ich stimme mit den Rednern überein, die gesagt haben, dass der Schaden, der durch die Einstellungen insbesondere im Schienennetz angerichtet wurde, teilweise nicht mehr gutzumachen ist. Jetzt gibt es die Tendenz, dass unter Umständen die eine oder andere Strecke wieder forciert werden soll. Auch ich meine, dass man daraus Lehren ziehen sollte.

Generell kann gesagt werden, dass der öffentliche Nahverkehr mittlerweile eine Chan­ce bietet, Pendlerinnen und Pendler zum Umsteigen zu motivieren. Dieser Ansatz soll auch im Klima- und Energiefonds verstärkt verfolgt werden. Aber ich bin da durchaus realistisch und weiß, dass es nicht überall ein entsprechendes Angebot gibt. Es ist be­sonders in ländlichen Regionen auch nicht sinnvoll, das anzubieten. Deshalb gibt es auch Maßnahmen wie zum Beispiel die Anhebung der Pendlerpauschale oder des Ki­lometergeldes, das fraglos immer noch höher sein kann. Das sind durchaus wichtige Schritte in diese Richtung.

Ich werde diese Anliegen, wie gesagt, sehr gerne weitergeben, insbesondere betref­fend den Pass Lueg. Bei einigen Strecken sind wir teilweise auf die Mitarbeit und Un­terstützung der Nachbarländer angewiesen. Die Arbeiten am Karawankentunnel sollen


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 157

ja gemeinsam mit Slowenien ausgeführt werden, daher muss man hier etwa betreffend den Zeitplan auf die Nachbarländer Rücksicht nehmen.

Noch einmal: Ich werde diese Anliegen sehr gerne weiterleiten und darf mich noch ein­mal ganz herzlich für das große Lob bedanken, das für diesen Bericht hier vorgebracht worden ist. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.21.32 25. Punkt

20. Sportbericht 2005/2006 (III-334-BR/2007 d.B. sowie 7973/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Winterauer. Bitte um den Bericht.

 


18.21.40

Berichterstatter Reinhard Winterauer: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Der Ausschuss für Sportangelegenheiten hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 17. Juni 2008 in Verhandlung genommen.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher gleich zum Antrag, diese Vor­lage, die am 17. Juni 2008 beschlossen wurde, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kal­tenbacher. Ich erteile es ihm.

 


18.22.31

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! – Leider ist jetzt niemand auf der Regierungsbank. Ich weiß nicht, wo der Herr Sportstaatssekretär ist. (Bundesrat Boden: Schon beim Match!) Hoffentlich ist er nicht irgendwo in einer Fanzone verschollen!

Wir werden heute den Sportbericht 2005/2006 zur Kenntnis nehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.) Macht nichts! Er kann gern kommen! Das ist ja nicht so schlecht!

In der Zwischenzeit sind zwar schon eineinhalb Jahre vergangen, aber der sehr um­fangreiche, 402 Seiten und 13 Kapitel umfassende Sportbericht gibt uns ausführlich Aufschluss darüber, was in Österreich im Bereich des Sports läuft. – Ich möchte den Erstellern dieses Berichts Dank aussprechen, denn es ist gar nicht so einfach, uns die­se umfangreiche Materie so übersichtlich zur Kenntnis zu bringen.

In 13 Kapiteln werden die Bereiche Spitzensport, Nachwuchssport, Behindertensport, Breiten- und Gesundheitssport, Sport in den Schulen und so weiter sehr detailliert und


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 158

ausführlich behandelt und dargestellt. Bei der Lektüre sehen wir, welche Rolle der Sport sowohl gesellschaftspolitisch als auch wirtschaftlich spielt.

Als aktiven Funktionär eines Sportvereinens hat mich die Fülle an Informationen über­rascht. Es ist interessant zu erfahren, welche Sportarten es gibt, welche Aktivitäten ge­setzt und wie sie wissenschaftlich begleitet werden. Besonders hervorzuheben ist die Förderung von Strukturmaßnahmen bei den Dach- und Fachverbänden. Es hat eine Verdreifachung der Budgetmittel für die Dachverbände gegeben. Und als Obmann eines Sportvereines bin ich da auch Nutznießer: Ich konnte einen Zubau bei unserem Sportlerheim erwirken, weiters wesentlich mehr Geld in den Kabinenbau investieren. Wir waren auch im Bereich der Jugendarbeit sehr stark unterwegs. Daher waren diese Zuwendungen sehr positiv.

Zur Euro 2008 brauche ich, wie ich meine, nichts sagen. Österreich ist zwar ausge­schieden, trotzdem zeigt sich, dass wir betreffend sportliche Aktivitäten beim Nach­wuchs die richtige Schiene verfolgen.

Besonders freut mich als Steirer, dass die Schi-WM 2013 in Schladming stattfinden wird. Das ist ganz wichtig, weil wir da einiges bewegen können; das wird für die Re­gion, für die Steiermark und für Österreich ein Aushängeschild darstellen.

Zum Abschluss noch ein Punkt: Eine besonders wichtige Initiative der Bundesregie­rung wurde im Ministerrat am 16. April beschlossen, und zwar „Mehr Bewegung für Kinder und bessere Chancen für Top-SportlerInnen“. Ziel dieser Initiative ist eine Ver­besserung der Gesundheit der Kinder. Das ist somit auch ein relevanter Beitrag zur Gesundheitsprävention. Bei diesem Drei-Säulen-Modell wird bereits im Kindergarten mit Sportförderung begonnen. Die Jugendlichen werden mit Sport in Verbindung ge­bracht. Das geht über die Volksschulen weiter, und es kommt auch zu einer Förderung von jungen SpitzensportlerInnen.

Wir und auch die Nachbargemeinden haben mit so genannten Schautrainings des Ten­nisvereins und Sportvereins begonnen, die Kinder anzusprechen und aktiv für den Sport zu gewinnen. Ich denke, das ist ein gutes Projekt.

Wir werden sowohl den Bericht zur Kenntnis nehmen als auch sämtliche Aktivitäten und Initiativen im Sinne des Sports und für unsere Jugendlichen unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


18.27.24

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, obwohl wir schon fast in der Nachspielzeit der heutigen Bundesratsitzung sind, noch ein paar ergänzende Anmer­kungen zu den Ausführungen des Kollegen Kaltenbacher betreffend den Sportbericht für die Jahre 2005 beziehungsweise 2006.

Zunächst darf ich mich bei den Damen und Herren der zuständigen Sektion des Bun­deskanzleramtes sehr herzlich bedanken, die diesen Sportbericht erstellt haben. Es ist dies ein wahrlich umfassendes Werk, das zeigt, dass der Sport in unserer Gesellschaft längst mehr geworden ist als bloßer Zeitvertreib. Auf den 402 Seiten dieses Berichtes – das hat Kollege Kaltenbacher schon ausgeführt – ist einiges enthalten und aufgelistet, was sehr interessant und sicherlich lesenswert ist.

Ich möchte mich an dieser Stelle aber auch sehr herzlich bei den zehntausenden eh­renamtlichen FunktionärInnen in den österreichischen Vereinen bedanken, die täglich


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 159

unermüdlich für den Sport und besonders für die Jugend im Sport arbeiten. Sie haben sich wirklich auch einmal einen Sonderapplaus verdient! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein Verein lebt natürlich auch immer von einem Aushängeschild, und das Aushänge­schild ist der Spitzensport in Österreich. Daher richte ich meinen Dank auch an alle ak­tiven SportlerInnen, insbesondere an jene, die im Spitzensport tätig sind. Diese haben uns im betreffenden Zeitraum sehr viel Freude gemacht. Im Zeitraum 2005/2006 gab es insgesamt 9 OlympiasiegerInnen und viele Welt- und Europameister.

In diesen Tagen erleben wir, wie wir bereits gehört haben, die Entscheidungsspiele der Fußball-Europameisterschaft 2008. Sportlich wurden wir zwar auf den Boden der Rea­lität zurück geholt, aber ich glaube, wir verkaufen uns insgesamt sehr gut. Ich erwähnte nur die vorbildliche Organisation und die Bilder von Österreich, die jetzt rund um die Welt gehen. Wir wissen, dass das die zweitgrößte Sportveranstaltung ist. In diesem Sinn kann man allen Beteiligten nur gratulieren!

Das kommt natürlich nicht von ungefähr, dafür sind Vorbereitungen und auch Investitio­nen notwendig. Aus diesem Bericht geht hervor, dass in den Jahren 2005 und 2006 je­weils rund 18 Millionen € für Stadion-Bauten und für die Vorbereitung der Euro bereit gestellt und natürlich auch eingesetzt wurden.

Klar, dass ich mich gemeinsam mit allen Steirerinnen und Steirern freue, dass es end­lich so weit ist, dass Schladming den Zuschlag bekommen hat. Auch da wird es im Vorfeld noch einiges an Geldmitteln bedürfen, die investiert werden müssen, aber wir wissen ja von anderen Regionen, dass ein Vielfaches davon aus einer nachhaltigen Tourismusentwicklung wieder in die Region – ja ganz Österreich ist in diese Region einzubeziehen – zurückfließt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin dir, Herr Staatssekretär Lopatka, sehr, sehr dankbar für deine klare Stellung­nahme, als es darum ging, wie sich denn die österreichischen Sportlerinnen und Sport­ler im Hinblick auf die bevorstehende Olympiade in Peking verhalten sollten. Das war ein klares Signal: Sport mit den Sportlerinnen und Sportlern, aber gleichzeitig soll man auf politischer Ebene seine Kritik gegenüber den Rahmenbedingungen dort nicht ver­hehlen. Das ist aber nicht die Aufgabe der Sportlerinnen und Sportler. Diese sollen in ihren Disziplinen antreten und unser Land gut vertreten.

Winston Churchill hat gemeint und gesagt und ist dafür bekannt geworden „No sports!“, aber dennoch steht fest: Mehr Sport und Bewegung bringt mehr Gesundheit. Das muss uns gerade bei unseren Kindern zu denken geben. Studien belegen eine erschrecken­de Entwicklung. Sehr viele Kinder sind übergewichtig, 25 Prozent davon krankhaft übergewichtig. Mit „Fit für Österreich“ wurde schon von der Vorgängerregierung ein wesentlicher Beitrag zu mehr Bewegung in der Schule, zu mehr Bewegung im Kinder­garten und mehr Bewegung für Frauen geleistet.

Man kann es ganz einfach auf einen Punkt bringen, und wir diskutieren oft um die be­rühmt-berüchtigte Gesundheitsreform: 1 € in den Sport investiert, bringt uns 3 € Ein­sparung bei den Gesundheitskosten. Ich glaube, dass man diesen Ansatz keinesfalls außer Acht lassen sollte.

Ich persönlich – da ich jermand bin, der im Lehrberuf tätig ist – hoffe, dass diese Vor­schläge auch Eingang in die Debatte rund um die Bildungsreform finden. Dass Sport und Bewegung einen entsprechenden Platz finden, ist ganz entscheidend.

In den Jahren 2005, 2006 haben wir eine sehr erfreuliche Entwicklung bei den Bundes­sportförderungsmitteln erlebt. Da hat es eine wesentliche Steigerung gegeben, zwar nicht bei den allgemeinen Bundessportförderungsmitteln, die sind etwa bei 15 Millio­nen € geblieben, aber bei der Besonderen Bundessportförderung. Auch hier sei nicht


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 160

unerwähnt, dass es mit dem seit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Bundessportförde­rungsgesetz einen Meilenstein für die Sportförderung in Österreich gegeben hat. Wir wissen, dass im Rahmen der Besonderen Bundessportförderung jährlich insgesamt 3 Prozent der Umsatzerlöse aus dem Glücksspiel der Österreichischen Lotterien zur Verfügung gestellt werden.

Die Mindestgarantie von 40 Millionen € bei diesen Besonderen Bundessportförde­rungsmitteln bedeutet nicht nur eine Basisfinanzierung für den österreichischen Sport, sondern das bringt auch Planungssicherheit. Das heißt, es kann davon ausgegangen werden – wer im Jugendbereich arbeitet, weiß das –, wie wichtig es ist, dass es da nicht nur um eine jährliche Vorausschau geht, sondern es Entwicklungen geben muss, die sich über mehrere Jahre erstrecken. Gerade da ist vermehrte Planungssicherheit zu begrüßen.

Rund 83 Prozent betrug die Steigerung bei diesen Besonderen Bundessportförde­rungsmitteln. Die Förderung der Dachverbände, stieg – wofür sich Kollege Kaltenba­cher schon bedankt hat – um über 27 Prozent. Nicht so für den Österreichischen Fuß­ball-Bund; da ist die Förderung nur um 21 Prozent gestiegen.

Nicht unerwähnt soll ein Thema bleiben, das meist in den Schlagzeilen erscheint. In diesem Haus haben wir uns auch schon damit beschäftigt. Ich meine das Anti-Doping-Bundesgesetz, das unter den Eindrücken der Ereignisse während der Winterolympiade in Turin entstanden ist. Auch mit diesem Bundesgesetz wird eine Regelung der Sport­verbände übernommen, und wir wissen klar und deutlich, dass bei einer Nichterfüllung des Gesetzes auch der Entzug von Sportförderungen droht. Ich hoffe sehr, dass im Nationalrat demnächst auch die Übereinstimmung erzielt werden kann, dass die straf­rechtlichen Bedingungen verschärft werden, damit die WADA Austria einen guten Start hinlegen wird.

Noch weitere 13 Kapitel – es würde sogar die „Nachspielzeit“ hier und heute wirklich sprengen, darauf einzugehen, was mich aber immer interessiert hat, und ich habe schon zweimal zu einem Sportbericht sprechen dürfen, ist ein Ranking oder eine Hitlis­te der Sportlerinnen und Sportler in den einzelnen Dachverbänden. Nach wie vor führt „König Fußball“ mit rund 2 200 Vereinen mit insgesamt 525 000 Mitgliedern. Ein oft vergessener, traditioneller Sport in unserem Land, der so genannte Eisstocksport, ran­giert, was die Mitgliederzahl betrifft, zwar nicht an zweiter Stelle, aber was die Vereine betrifft, mit 1 791 Vereinen. Beim Tennis gibt es 1 700 Vereine mit rund 169 000 Mit­gliedern. Ein Bereich, in dem wir immer besonders stark sind, wo wir zu Recht zu den Großmächten zählen, ist der Skilauf mit 1 216 Vereinen und 152 059 Mitgliedern.

Lassen Sie mich mit den Worten von Reinhard Fendrich schließen, nur mit dem ersten Teil: Es lebe der Sport! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


18.36.15

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben ohnehin schon sehr viel vorweggenommen, deshalb werde ich mich sehr kurz fassen, aber die Lorbeeren möchte ich noch einmal verteilen: Die Mitarbeiter haben sehr gute Arbeit geleistet, der Bericht ist übersichtlich und sehr detailreich.

Um nicht überschwänglich zu werden, muss ich dennoch ein paar Details, die mir ab­gehen, anmerken. Da bekommen zum Beispiel die großen Dachverbände wie ASVÖ, Union, ASKÖ, ÖFB und so weiter viel Geld, und es ist trotzdem nicht ganz nachvoll­ziehbar, wofür diese Beträge letztendlich verwendet werden. Es gibt zwar die Position „Verwaltungskosten“, so und so viel, aber das ist denn doch ein bisschen unspezifisch.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 161

Kollege Köberl hat den gesundheitlichen Zustand unserer Jugendlichen und Kinder an­gesprochen; das brauche ich daher nicht näher auszuführen. In diesem Zusammen­hang würde ich mir wünschen, mehr Akzente in diesen Bereich zu setzen, um wirklich die Folgekosten, die daraus entstehen, zu minimieren. Letztendlich haben wir dann, glaube ich, alle etwas davon, wenn die Kinder auf dem Spielplatz draußen sind und nicht vor dem Fernseher oder der Playstation „versumpern“.

Eine weitere Gruppe, die meiner Ansicht nach bei den Sportförderungen noch immer etwas zu kurz kommt, obwohl in den letzten Jahren sehr viel dafür getan worden ist, ist die Gruppe der Mädchen und Frauen. Die Frauen haben in den letzten Jahren sehr viel dazu beigetragen, dass das Vereinswesen, das Vereinsleben gut funktioniert, waren aber primär im ehrenamtlichen Bereich tätig. Ich würde mir wünschen – man kann zwar keine verpflichtenden Quoten einführen, aber man kann Anreizsysteme schaffen –, dass auch Frauen in den Entscheidungsgremien sitzen und nicht nur sozusagen als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen im Verein fungieren, die die T-Shirts der Spieler und Spielerinnen waschen.

Auch die Vorbildrolle von Frauen müssen wir mehr herausstreichen. Und ganz zum Schluss möchte ich noch ein klassisches Bild skizzieren, passend auch zur EM: Wir müssen den Ball ins Rollen bringen, das heißt, ein frauen- und mädchengerechtes An­gebot mit kompetenten Trainerinnen stellen, und das könnte man ja durchaus mit För­dermitteln belohnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka das Wort.

 


18.39.23

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche, auf die Debattenbeiträge einzugehen, muss aber eingangs zur Ehrenrettung Winston Churchills sagen, dass dieser Ausspruch im­mer verkürzt dargestellt wird. Winston Churchill hat auch einmal gesagt: Keine Stunde, die man im Sport verbringt, ist eine verlorene!, und Churchill war auch begeisterter Reitsportler. Von ihm ist also nicht nur der Satz „No sports!“, der ist auch aus dem Zu­sammenhang gerissen, viel wichtiger ist der Satz von Winston Churchill: Keine Stunde, die man im oder mit Sport verbringt, ist eine verlorene! (Bundesrat Bieringer: No sports!)

Da kann man geteilter Meinung sein. Ich bin der Meinung, die im längeren Zitat von Churchill zum Ausdruck kommt: Keine Stunde, die man im Sport verbringt, ist eine ver­lorene. In Wirklichkeit wird mir auch im Bundesrat hier jeder zustimmen, dass es so ist. Man muss sich eben nur dazu aufraffen oder man könnte auch sagen: überwinden.

Jetzt zum Zweiten, was hier auch gerade von meinem Vorredner, von Herrn Bundesrat Efgani Dönmez, angesprochen worden ist.

Erstens einmal, Herr Bundesrat Dönmez hat recht: Die Autonomie der Sportverbände hat dazu geführt und die Sportverbände haben erreicht, dass nur die BSO, die Bundes­sportorganisation, im Detail erfährt, was tatsächlich mit den Mitteln geschieht, aber nicht wir als Fördergeber.

Wir haben jetzt eine Diskussion zur Sportzukunft, in der ich massiv darauf dränge, dass wir auch wir im Detail erfahren, was mit den Mitteln passiert, denn es sind Steuer­mittel. Auf der anderen Seite gibt es bei uns den Grundsatz der Autonomie der Sport­verbände, dass sie autonom über die Mittel, die sie bekommen, entscheiden können. Da ist also eine gewisse Widersprüchlichkeit da, nur sage ich: Wenn das öffentliche


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 162

Gelder sind muss auch für den Sport das gelten, was in allen anderen Bereichen gilt, dass wir also im Detail wissen, was mit den Mitteln geschieht.

Der nächste Punkt, der aufgetaucht ist: Mehr tun, um Kinder und Jugendliche für den Sport zu begeistern oder einfach die Freude an der Bewegung bei den Kindern nicht abzutöten. Man muss sich ja nur Kinder ansehen. Wenn man sie lässt, sind sie in Be­wegung. Sie werden ja eher gezwungen, ruhig zu sitzen und ihren Bewegungsdrang einzuschränken.

Wir haben im nächsten Budget jetzt erstmals einen Ansatz für Aktivitäten in Kindergär­ten und Volksschulen, um zu mehr Bewegung und mehr Sport zu kommen. Wir haben eine Umschichtung mit Zustimmung der Dachverbände vorgenommen, wodurch wir seitens des Sportbudgets 2 Millionen € für diesen Bereich – das ist einmal ein Beginn – zur Verfügung stellen können, um Vereine in die Schulen zu bringen, um auch in den Kindergärten tatsächlich etwas für mehr Bewegung und Sport zu machen.

Unsere KindergärtnerInnen, Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sind sehr gut im musischen Bereich, im pädagogischen Bereich ausgebildet. Für den Bereich Sport und Bewegung kann ich das nicht sagen. Mittel- und längerfristig gesehen müssen wir auch in der Ausbildung etwas erreichen.

Das gilt auch für die Volksschulen, meine Damen und Herren. Wir haben hier das Klas­senlehrerprinzip. Das heißt, jeder ist geeignet, Sport und Bewegung in den Volksschu­len zu unterrichten. – Natürlich ist nicht jeder geeignet! Wir bräuchten auch da spezi­fisch ausgebildete Fachlehrer, die diesen Unterricht machen, denn – das ist auch schon gesagt worden – es handelt sich dabei ja nicht um ein Problem des Aussehens, wenn Volksschulkinder unter Adipositas, also unter Fettleibigkeit leiden. Das ist ein massives gesundheitliches Problem, und es ist tatsächlich ein lebensverkürzender Vor­gang, wenn wir dem zusehen.

Es gibt genug Berichte seitens der UNO, aber auch auf europäischer Ebene, die deut­lich aufzeigen, dass es da eine dramatisch negative Entwicklung gibt. Ich hoffe, dass wir eine Gegenbewegung einleiten können.

Letzter Punkt: Frauen und Sport. Ja, auch da ist richtig: Wir haben einzelne Gruppen in Österreich, die im Sport eindeutig benachteiligt sind. Wir merken das bei den 18-Jähri­gen – hier kann ich nur vom männlichen Teil der Bevölkerung reden –, wenn sie zur Stellung kommen, dass Lehrlinge in einem weitaus schlechteren gesundheitlichen Zu­stand sind als jene, die in dem Fall das Glück haben, in maturaführende Schulen zu gehen. Ein Grund ist sicherlich auch, dass es im Bereich der Berufsschulen nicht ein­mal eine Stunde verpflichtend Sport und Bewegung gibt. Nicht einmal eine Stunde! In den maturaführenden Schulen haben wir wenigstens einige wenige Stunden.

Da hoffe ich, dass es zu einem Umdenken kommt. Ich bin ständig im Gespräch mit der Bildungsministerin; bei ihr liegt der Schlüssel. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Beim Fi­nanzminister liegt der Schlüssel!)

Wir konnten diese Woche ein konkretes Projekt für Frauen vorstellen. Wenn ich Ihnen das vorstellen darf, denn wir haben da wirklich etwas erreicht.

Wir stehen ja jetzt mitten in der EURO und ich fasse mich kurz, denn in genau zwei Stunden ist der Anpfiff für das Spiel gegen Portugal, wo eigentlich wir dabei sein woll­ten. Wir haben aber in den Deutschen einen würdigen Vertreter. Wir werden sehen, wie es sein wird.

Seit 33 Jahren gibt es eine Schülerliga für Burschen, aber keine für Frauen. Fußball ist in Österreich mit Abstand der Sport, der von den meisten ausgeübt wird. Wir haben mit den Kindern beginnend und aktiv im Meisterschaftsbetrieb stehend mehr als 500 000 –


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 163

und das ist für Österreich keine schlechte Zahl –, die an Meisterschaftsspielen teilneh­men. Und was die Frauen betrifft: In Österreich sind nur 2 Prozent Frauen im Fußball. Bei unseren Nachbarn, in Deutschland, in der Schweiz ist diese Zahl zweistellig, auch weltweit ist diese Zahl zweistellig. In den USA sind 40 Prozent derer, die Soccer spie­len, wie es dort heißt, Frauen. Da sind wir in Österreich also weit hintennach.

Der Schlüssel im Sport liegt meiner Überzeugung nach in den Schulen. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Der Schlüssel liegt beim Finanzminister!) Wir starten ab Herbst. Ich habe Gott sei Dank private Sponsoren gefunden, die diese Liga finanzieren, und daher war dann auch die Bildungsministerin einverstanden mit dem Projekt. Ich mache jetzt keine Werbung für die Firmen. Eine ist im Zustelldienst tätig, musste leider auch Post­ämter schließen. Die andere ist Ausstatter unserer Nationalmannschaft. Die bringen einmal diese 100 000 € im Startjahr auf. (Bundesrat Wiesenegg: Wo und wofür gibt es das Geld?) – Diese Meisterschaft für Mädchen ist für alle 10- bis 14-Jährigen, und die Sponsoren stellen für diese Meisterschaft mehr als 100 000 € an Fördermitteln zur Ver­fügung, und alle Mannschaften ... (Bundesrat Wiesenegg: An wen kann man sich da wenden?) – Im jeweiligen Landesschulrat gibt es einen Verantwortlichen/eine Verant­wortliche.

Wir starten im nächsten Jahr mit dieser Schülerinnen-Postliga, und haben dann das, was bei den Schülern ohnehin schon im 33. Jahr bekannt ist. Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Also nicht nur immer reden, wir sollten für Frauen etwas tun, sondern: ganz konkrete Projekte umsetzen.

Letzter Satz: Im Sport gibt es immer Medaillen, Gold, Silber und Bronze. Wenn man eine Goldmedaille vergibt, dann muss man die für das Sportförderungsgesetz verge­ben.

Abschließend – Zahlen vergisst man, aber eine Zahl muss ich Ihnen nennen –: Dieses Sportförderungsgesetz hat keine Deckelung nach oben. Die Österreicherinnen und Ös­terreicher sind auch ein Volk, das gerne in der Lotterie, aber auch im Internet spielt. Die Mittel für den Sport konnten auf Grund dieses Gesetzes seit dem Jahre 2000 bis heuer vom Bund her mehr als verdoppelt werden. Mehr als verdoppelt!

Wir haben jetzt ein ordentliches Sportbudget von mehr als 100 Millionen €. Da ist kein Cent dabei für das Sonderprojekt EURO. Das ist ein ordentliches Sportbudget von mehr als 100 Millionen €. Im Jahre 2000 waren es noch nicht einmal 50 Millionen €. Das ist die Basis, die wir nützen müssen.

Ich bitte Sie als Bundesräte, dafür zu sorgen, dass nicht einzelne Bundesländer glau­ben, sie könnten jetzt etwas einsparen, weil der Bund in dem Bereich ohnehin mehr Geld hat. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Nein, nein, das wird nicht passieren!) Ich er­warte mir da auch von den Bundesländern, dass sie zumindest den Beitrag leisten und, wenn möglich, sogar einen zusätzlichen, dass wir gemeinsam sagen können: Es ge­schieht viel für den österreichischen Sport. – Die EURO ist bald zu Ende, nämlich am 29. Juni. – Das Entscheidende ist, dass uns das nachhaltig gelingt und dass wir alle Gruppen mit einbeziehen, auch diejenigen, die jetzt noch benachteiligt sind. Das sind Frauen, das sind Lehrlinge, das sind auch Migranten, die zu uns kommen.

Wir haben heuer erstmals einen Integrationspreis für Sport, ebenfalls privat gespon­sert, vergeben können. Mehr als 80 Projekte sind eingereicht worden. Zum Beispiel das der Musliminnen, die beim Frauenlauf in Wien dabei sind, um auch jungen Musli­men bei uns zu helfen, dabei zu sein, mitten drinnen zu sein – und nicht irgendwo am Rande zu stehen.

Der Sport hat in vielen Bereichen Möglichkeiten, eine enorme Integrationskraft – egal, ob für behinderte Menschen, ob für Menschen, die neu bei uns ankommen und Inte­


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 164

gration brauchen, aber auch für jene, die schon eine Zeit lang keinen Sport mehr aus­geübt haben. Auch die können sich jederzeit wieder, und sei es durch Nordic Walking oder was auch immer, in die Gemeinschaft des Sports integrieren. (Bundesrat Bierin­ger: Nein!)

In diesem Sinne: Danke für die Debatte – dieses „Nein“ habe ich überhört –, und ich bitte Sie, uns zu unterstützen, wenn es um den Sport geht. (Allgemeiner Beifall.)

18.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Ager, bitte.

 


18.49.04

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär, nach diesen profunden Worten von dir werde ich mich natürlich nicht in eine Sportdiskussion einla­den; figurmäßig unterscheiden wir uns auch ein bisschen. (Heiterkeit.) Ein paar Sätze über den Sport möchte ich jedoch schon sagen, und zwar dazu, was der Sport sonst noch für Österreich bedeutet, und das habe ich gestern wieder sehr anschaulich in Salzburg gesehen bei dem Spiel ... (Bundesrat Bieringer: In Wals-Siezenheim!) Wals-Siezenheim. Entschuldigung, mein Freund, aber das Bundesland ist Salzburg. Wahr­scheinlich wird sich das auch einmal ändern; Salzburg wird wahrscheinlich von Wals-Siezenheim eingemeindet werden. (Heiterkeit.)

Was der Sport für Österreich sonst noch sein kann, hat man gestern wieder gesehen: Österreich ist ein sicheres Land. Gott sei Dank ist bis jetzt noch nichts passiert und hof­fentlich bleibt es auch so. Österreich ist ein begeisterungsfähiges Land, das hat man gesehen. Viele Österreicher hatten sich die Farben der griechischen oder der spani­schen Fahne auf die Wangen geschminkt. Österreich ist ein Land, das organisieren kann, und das wurde nun in die Welt hinausgetragen.

Was ich noch sagen möchte: Österreich, dieses Schaufenster für den Tourismus und die Nachhaltigkeit, wird wahrscheinlich eines der wichtigsten Dinge sein. Sehr viele können davon profitieren, nicht nur der Tourismus und die gesamte Wirtschaft, sondern alle Menschen. Ich kann mir vorstellen, dass die Leute, die dies beobachtet haben – ob direkt oder von zuhause aus –, sich sagen werden: In Österreich ist es schön und si­cher – da fahren wir hin!

Da auch ich jemand bin, der hier heute seine letzte Sitzung verbringt, möchte ich diese Gelegenheit dazu nutzen, um einfach einmal Danke zu sagen. In erster Linie möchte ich mich bei den Mitarbeitern dieses Hauses bedanken. Ich bin seit 1999 Mitglied die­ses Hauses, war das immer mit Stolz und bin das noch immer. Der Dank an die Mitar­beiter ist mir sehr wichtig. Ich hoffe, er wird auch weitergetragen.

Ich möchte auch Ihnen allen für Ihr Wohlwollen und für Ihre Freundschaft danken. Ich muss sagen, es war eine wunderschöne Zeit; ich möchte keine Minute hier missen. Ich würde alles so wieder tun, wie ich es gemacht habe. Nur zum Verständnis muss ich sa­gen: Diejenigen, die mich nicht ausgesucht haben, haben es leicht, sie können nämlich sagen, dass sie so jemanden in dieses Gremium nie hingeschickt hätten. (Heiterkeit.)

Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei den anderen, nämlich bei denen, die mich ein­fach genommen haben, wie ich bin – denn es ist einfach kein anderer gekommen. (Neuerliche Heiterkeit.) Es gefällt mir alles hier. Ich werde den Bundesrat auch in Zu­kunft immer begleiten. Eines kann ich euch versichern: In das Tagesgeschäft werde ich mich nicht einmischen, aber wenn es irgendwie geht, wenn der Bundesrat unter die Räder kommt, dann habt ihr mich im Genick, das kann ich euch versichern! (Allgemei­ne Heiterkeit.)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 165

Ansonsten wünsche ich euch allen zum Ersten, dass der österreichische Bundesrat, die zweite Kammer des Parlaments, endlich die Anerkennung bekommt, die er ver­dient. Zweitens wünsche ich euch allen hier, dass ihr alle eure Wünsche und eure Ziele verwirklichen könnt. Ich möchte noch dazusagen – weil heute schon von Harmonie ge­sprochen wurde –: Es ist etwas anderes hier, auch über Parteigrenzen hinweg, und das hat mir immer Spaß gemacht.

Zum Schluss darf ich noch sagen: Nach einer sehr guten Tiroler Präsidentschaft wün­sche ich Jürgen Weiss eine tolle Präsidentschaft für Vorarlberg. Glück auf und alles Gute für die Zukunft! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir verdanken Herrn Kollegem Ager viele interessante Diskussionsbeiträge sowie eine gute persönliche Zusammenarbeit; das ist auch mit dem Beifall deutlich geworden. Dafür herzlichen Dank – und auch für die Bereitschaft, dem Bundesrat auch weiterhin mit Interesse und Wohlwollen zur Seite zu stehen. Wir wünschen dir eine erfüllte weitere Zeit! (Allgemeiner Beifall.)

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

18.54.58 26. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 2. Halbjahr 2008

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Juli 2008 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Vorarlberg über. Die weiteren Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung sind für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vor­nehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählen­den Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vor­schlagsrecht zu.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen und Frau Mag. Neuwirth gewählt.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Ich nehme die Wahl gerne an und bedanke mich für das Vertrauen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 166

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Hiefür kommt der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist angenommen und Mag. Himmer gewählt.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich sehr herzlich.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen zur Wahl der Schriftführer.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Helmut Wiesen­egg, Josef Saller, Ana Blatnik und MMag. Barbara Eibinger für das zweite Halbjahr 2008 zu Schriftführern beziehungsweise zu Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und MMag. Eibinger sowie Bundesräte Saller und Wie­senegg nehmen die Wahl an.)

Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden, Dr. Franz Eduard Kühnel und Efgani Dönmez für das zweite Halbjahr 2008 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Ein­wand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Boden, Dr. Kühnel und Dönmez nehmen die Wahl an.)

Ich danke allen Gewählten für die Bereitschaft, diese Funktion weiter beziehungsweise erstmals auszuüben und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Allgemeiner Bei­fall.)

*****

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 167

18.58.44 Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 2632 bis 2640/J, einge­bracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, 25. Juli 2008, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 22. Juli 2008, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.59.22Schluss der Sitzung: 18.59 Uhr

 

 

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien