Unterausschuss des Verfassungsausschusses

In 18 Sitzungen vom 11. Juli bis 23. September 1920 berieten die Mitglieder des Unterausschusses über die Bestimmungen der neuen Verfassung.

Beratungen im Unterausschuss

Der Unterausschuss des Verfassungsausschusses hatte sieben ständige Mitglieder: Otto Bauer, Arnold Eisler und Matthias Eldersch (Ersatzmann: Robert Danneberg) vertraten die Sozialdemokratie, Jodok Fink, Ignaz Seipel und Josef Aigner (Ersatzmann: Leopold Kunschak) die Christlichsozialen und Heinrich Clessin (Ersatzmann: Ernst Schönbauer) die Großdeutschen. Als Obmann fungierte Otto Bauer, sein Stellvertreter war Ignaz Seipel. Sowohl Eldersch als auch Eisler traten im Verlauf der Verhandlungen zurück und wurden am 22. Juli 1920 durch Simon Abram und Karl Leuthner ersetzt.

Die Mitglieder des Unterausschusses wurden bei ihrer Arbeit durch Experten der Staatskanzlei unterstützt: Hans Kelsen, Georg Froehlich, Egbert Mannlicher, Adolf Julius Merkl, Kurt Frieberger und Hugo Jäckl nahmen ebenfalls an den Sitzungen teil.

Von 11. Juli bis 23. September 1920 fanden 18 Sitzungen statt, über die anwesende Beamte jeweils ein Berichts- und Ergebnisprotokoll verfasst haben. Zehn dieser Protokolle liegen als Kopie (die Vorlagen dazu befinden sich im Staatsarchiv) im Parlamentsarchiv ein. Felix Ermacora standen für seine Publikation "Quellen zum österreichischen Verfassungsrecht (1920)" noch alle Protokolle des Unterausschusses zur Verfügung. Diese sind jedoch verschollen.

Im Folgenden sind die zehn (von insgesamt 18) Sitzungen des Unterausschusses des Verfassungsausschusses beschrieben, deren Protokolle noch existieren. 

3. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 20. Juli 1920 wurde die Kompetenzverteilung (die Verteilung der Zuständigkeiten) zwischen Bund und Ländern grundlegend diskutiert. Als Textvorschläge wurden dabei vor allem die Artikel 10 (Gesetzgebung und Vollziehung ist Bundessache), Artikel 11 (Gesetzgebung ist Bundessache und Vollziehung ist Ländersache) und Artikel 12 (Rahmengesetzgebung ist Bundessache, Gesetzgebung und Vollziehung ist Ländersache) des Linzer Entwurfes herangezogen.

Im ersten Teil der Sitzung wurde über die Sozialversicherungen debattiert. Es ging um die Frage, ob diese länderweise getrennt werden sollten. Besonders kontrovers wurde dabei die Sozialversicherung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und Angestellten diskutiert. Wegen fehlender Einigkeit lud man für die folgende Sitzung Experten des Versicherungswesens ein.

Im Anschluss sprach man über die genauere Definition der Kompetenzen des Bundes im Bereich des Bildungswesens. Eine zentrale Frage dabei war, ob das Kultuswesen wie bisher in Länderhand bleiben oder gemeinsam mit dem Bildungswesen in den Kompetenzbereich des Bundes aufgenommen werden sollte.

Nach einer kurzen Debatte über das Dienstrecht für öffentliche Angestellte wurde die Kompetenzübertragung zwischen Bund und Ländern besprochen. Diskutiert wurde besonders die Formulierung des Eingangssatzes. Artikel 11 des Linzer Entwurfes besagte, dass die Länder dem Bund ihre Kompetenzen übertrugen (und nicht der Bund den Ländern). Man einigte sich auf die neutrale Formulierung "Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten …". Dabei wurden einige Punkte wie das Staatsbürgerschafts- und Heimatrecht, das Pressewesen, das Kraftfahrwesen, das Wasser- und Elektrizitätsrecht genannt und als Kompetenzen des Bundes festgelegt.

Danach wurden die Rechte der Gemeinden diskutiert. Es stellte sich die Frage, ob die Gemeindeorganisation durch ein Bundesgesetz geregelt werden könnte. Dr. Kelsen merkte an, dass es für eine solche Regelung eine "verfassungsrechtliche Ermächtigung" bräuchte.

Protokoll der 3. Sitzung / PDF, 771 KB

Transkript: Protokoll der 3. Sitzung / PDF, 711 KB

4. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

Zur Sitzung vom 22. Juli 1920 wurden zwei Experten aus dem Versicherungswesen eingeladen. Ihre Expertise war die Grundlage für die Abstimmung über das weitere Verfahren bei der Trennung der Sozialversicherungen. In dieser Sitzung beendete man die Diskussion über die Zuständigkeiten im Bereich des Schulwesens. Abschließend wurde über den Sicherheitsapparat (bestehend aus Gendarmerie und Bundespolizei) gesprochen.

Die zwei geladenen Experten berichteten vom Versicherungswesen und zählten die Nachteile einer Trennung auf. Bei einer Abtrennung der Sozialversicherung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und Angestellten vom übrigen Sozialversicherungswesen würde das Problem der Überalterung entstehen. Zudem gäbe es gesteigerte Verwaltungskosten. Das würde dann eine höhere Prämie notwendig machen, sagten die Experten. Diskutiert wurde auch, dass sich bei einer Trennung der beiden Sozialversicherungen die Ressortzuständigkeit ändern würde. Bei einer Abtrennung wäre das Amt für Land- und Forstwirtschaft und nicht mehr das Amt für soziale Verwaltung zuständig. Trotz dieser Probleme stimmten die Mitglieder des Unterausschusses für die Trennung.

In der nächsten Debatte ging es wieder um das Land- und Forstwirtschaftswesen, dieses Mal aber in Bezug auf das Schulwesen. Die Frage war, ob land- und forstwirtschaftliche Fachschulen Kompetenz des Bundes oder des Landes sein sollten. Nach einer längeren Diskussion wurde darüber abgestimmt. Man einigte sich darauf, dass das "gesamte Schul- und Erziehungswesen; das Volksbildungswesen" als Kompetenz des Bundes bestehen bleiben sollte.

Im letzten Teil der Sitzung diskutierte man über den Sicherheitsapparat, der damals aus Gendarmerie und Bundespolizei bestand. Es wurde beschlossen, in diesem Bereich verwaltungstechnisch zwischen Bund und Ländern zu unterscheiden. Ausgenommen davon waren Wien und die Landeshauptstädte, in denen es keine Gendarmerie geben sollte. Stattdessen sollte dort die Bundespolizei für die polizeilichen Aufgaben zuständig sein. Wien hatte schon damals eine Sonderstellung in Bezug auf den Sicherheitsapparat inne. So lag etwa die bundesweite Kompetenz hinsichtlich der Daktyloskopie (Fingerabdruckverfahren) oder des Spionagedienstes bei der Wiener Polizei. Kompetenz des Bundes blieben die Einrichtung, Ausbildung und Ausrüstung der Gendarmarie sowie das Dienst- und Rechteverhältnis.

Protokoll der 4. Sitzung / PDF, 643 KB

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5. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 17. August 1920 wurde abermals über die Kompetenzverteilung und die Zuständigkeit von Bund und Ländern bei Gesetzen gesprochen. Diskutiert wurde auch über den Bundesrat sowie die Einführung von Volksabstimmungen bei Staatsverträgen, die eine Verfassungsänderung mit sich bringen würden.

Im ersten Teil der Sitzung debattierte man über die Zuständigkeit von Bund und Ländern für die Gesetzgebung. Länder sollten ihre Exekutivgewalt nur im Bereich des Landes ausüben dürfen. Sollte ein Gesetz eines Landes für mehrere Länder rechtswirksam werden, dann würde die Zuständigkeit über diesen Vollzugsakt auf den Bund übergehen. Für die Erlassung der Ausführungsgesetze nach Artikel 12 des Linzer Entwurfes müssten die Länder eine bestimmte Frist einhalten. Wären sie dazu nicht in der Lage, dann würde auch diese Kompetenz auf den Bund übergehen. Beibehalten werden müsste zusätzlich der Rechtsgrundsatz Lex Starzynski.

Das bezeichnete eine Regelung aus der Monarchie, die es den Ländern erlaubte, auch im Bereich des Straf- und Zivilrechts nähere Bestimmungen zu erlassen, wenn es erforderlich war. Ansonsten hatten sie nämlich keine Möglichkeiten, hier eigene gesetzliche Bestimmungen zu erlassen.

Dieser Rechtsgrundsatz wäre nämlich eine große Errungenschaft der Länder gewesen. Nicht mehr angewandt werden sollte hingegen der Rechtsgrundsatz lex posterior derogat legi priori (das neuere Gesetz zählt). Bund und Länder würden sonst fortwährend neue Gesetze erlassen, um Kompetenzen zu behalten. Das hätte im "alten Österreich" zu Kontroversen geführt. Weiters dürfte es in der Verfassung keine vollständige Aufzählung der Kompetenzen des Bundes geben. Sonst könnte jede privatwirtschaftliche Tätigkeit des Bundes aufgrund fehlender Bestimmungen in der Verfassung bekämpft werden.

Der zweite besprochene Themenblock betraf die zweite Kammer des Parlaments, den Bundesrat. Die Sozialdemokraten wollten keine Länderkammer. Wenn es aber eine solche geben sollte, dann sollte sie nach dem Proporzprinzip zusammengesetzt sein. So wäre es im Artikel 28 des Entwurfes der Sozialdemokraten (Beilage 904) vorgesehen. Die Länderkammer dürfte niemals zu einer ersten Kammer gemacht werden, wie es der Entwurf von Dr. Mayer (Artikel 37) vorsehen würde. Würde jedes Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, dann würde dieser nämlich "vollends" zu einer ersten Kammer. Das war der Einwand der Sozialdemokraten. Einen allfälligen Widerspruch des Bundesrates sollte der Bundestag (Nationalrat) mit einer absoluten Mehrheit seiner Stimmen aufheben können. Zusätzlich sollte der Bundestag (Nationalrat) bei Budgetfragen die alleinige Kompetenz besitzen. Abschließend debattierten die Mitglieder des Ausschusses die Frage, ob der Abschluss von Staatsverträgen einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte, wenn es durch diese Verträge zu einer Verfassungsänderung kommen würde.

Protokoll der 5. Sitzung / PDF, 627 KB

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6. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 18. August 1920 wurde über den Bundesrat und die damit verbundenen Strukturfragen der Verfassung diskutiert. Anschließend wurden die Wahl und der Wirkungskreis des Bundespräsidenten behandelt. Zuletzt wurde der Bundestag in den Nationalrat umbenannt und erhielt damit die bis heute gebräuchliche Bezeichnung.

Nach einer neuerlichen kurzen Diskussion über die Kompetenzen der Gesetzgebung von Bund und Ländern wechselte man zum Thema Bundesrat über. Beraten wurde unter anderem über das Vetorecht des Bundesrates und die Dauer der Einspruchsfrist. Diese beträgt heute wie damals acht Wochen. In weiterer Folge wurde festgelegt, wie ein Gesetzesbeschluss den Bundesrat durchlaufen sollte. Debattiert wurde insbesondere die Aufteilung der Sitze im Bundesrat auf die einzelnen Länder. Der Vorsitzende äußerte, dass Wien in der derzeitigen Fassung nur vier Sitze mehr als Vorarlberg hätte. Dabei hätte Wien aber 13-mal mehr Einwohner als Vorarlberg. Einigkeit gab es bei der Frage, wer im Bundesrat sitzen sollte. Bestellt werden sollten die Personen, die dann auch mit der Durchführung der beschlossenen Gesetze betraut sein würden: Personen aus den Landtagen. Die Wahl der Mitglieder des Bundesrates durch den jeweiligen Landtag sollte eine Verhältniswahl sein, sodass die zweitstärkste Partei mindestens ein Mandat bekommen würde.

Der nächste angesprochene Punkt war die vermeintliche Starrheit der Verfassung in Bezug auf den Bundesrat, dessen Mitwirkung bei Gesetzen und seiner Zusammensetzung. "Dr. Kelsen befürchtet, dass sich die Starrheit auf die ganze Verfassung erstrecken könnte". Dem hielt Dr. Seipel entgegen, dass die Verfassung vom Nationalrat leicht geändert werden könnte, und zwar ohne den Bundesrat oder eine etwaige Volksabstimmung. Genau deshalb bräuchte es aber eine stärkere Garantie für die föderalen Bestimmungen der Verfassung. Eine solche wurde später mit Artikel 35 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz 1920 eingeführt.

Danach wurden in der Sitzung über die "Wahl und Wirkungskreise des künftigen Bundespräsidenten" beraten. Die Diskussion drehte sich unter anderem um die Frage, ob der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt werden sollte oder nicht. Schlussendlich entschieden die Mitglieder des Unterausschusses, dass er in einer geheimen Wahl von der Bundesversammlung gewählt werden sollte. Die Direktwahl des Bundespräsidenten wurde dann 1929 eingeführt.

Abschließend wurde noch beschlossen, den Bundestag als Nationalrat zu bezeichnen, weil durch den "Gleichklang der Worte Bundestag und Bundesrat" Unklarheiten entstehen könnten.

Protokoll der 6. Sitzung / PDF, 1123 KB

Transkript: Protokoll der 6. Sitzung / PDF, 793 KB

8. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 21. August 1920 gab es zwei Themenblöcke. Der erste Block betraf die Länder, deren Verwaltung und deren Beziehungen zum Bund. Im zweiten Themenblock behandelte man die Dauer der Legislaturperiode des Nationalrates sowie die Dauer der Amtszeit des Bundespräsidenten.

Eingeleitet wurde die Sitzung mit der Beratung über das Landtagswahlrecht. Im Anschluss daran gab es Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Trennung der Funktion des Vorsitzenden des Landtages vom Chef der Landesregierung. Ein Teil der Ausschussmitglieder wollte vermeiden, dass Landeshauptleute gleichzeitig auch Landtagspräsidenten sein könnten. Das Argument war, dass auf Bundesebene eben auch die Funktion des Nationalratspräsidenten von jener des Bundespräsidenten getrennt worden wäre. Der andere Teil sprach sich dafür aus, diese beiden Funktionen auf Landesebene nicht zu teilen. Des Weiteren beschloss man, dem Landeshauptmann einen fachtechnisch geschulten Beamten zur Seite zu stellen. Dieser wurde Landesamtsdirektor genannt.

Im nächsten Teil der Sitzung wurde über die Gesetzgebung der Länder gesprochen. Die Mitglieder des Ausschusses einigten sich darauf, dass bei Landesgesetzen die Beurkundung und Gegenzeichnung nach den Bestimmungen der jeweiligen Landesverfassung zu erfolgen hätte. Die Kundmachung sollte durch die Landesregierung erfolgen. Eine Zuständigkeit des Bundesrates für Landesgesetze lehnte man ab. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang auch, dass der Bundesrat (und damit die Länder) ein aufschiebendes Veto gegenüber den Beschlüssen des Nationalrates hätte. Die Bundesregierung hingegen hätte jedoch keines gegenüber den Ländern und müsste sich zuerst an den Verfassungsgerichtshof wenden. Danach diskutierte man die Hürde der Zweidrittelmehrheit, mit der eine Verfassungsänderung in den Ländern durchgeführt werden durfte. Weiters wurde die Neuwahlausschreibung in den Ländern behandelt. Die Anzahl der Landeshauptmannstellvertreter wurde auf einen beschränkt. Man legte fest, dass die Mitglieder der Landesregierung kein Mandat im Landtag bräuchten, jedoch zum Landtag wählbar sein müssten.

Anschließend wurde darüber beraten, ob die Aufzählung der Bundesbehörden und ihrer Aufgaben genau eingegrenzt werden sollte. Hierzu merkte man an, dass eine solch genaue Begrenzung eine Verfassungsänderung bei der Schaffung neuer Bundesbehörden erfordern würde.

Bei der folgenden Debatte über den Artikel 97 des Linzer Entwurfes wurde die historische Bedeutung dieser Problematik hervorgehoben. Die Länder sollten untereinander nur über Angelegenheiten ihres selbstständigen Wirkungskreises verhandeln können.

Danach diskutierte man darüber, dass die Abspaltung der einzelnen Länder aus dem Bundesstaat verhindert werden sollte. Eine solche sollte nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen in den ersten zehn Jahren nach Inkrafttreten der Verfassung aufgrund von Volksabstimmungen möglich sein.

Als letzten Punkt beriet man im Ausschuss die Dauer der Legislaturperiode des Nationalrates und deren Auswirkungen sowie die Dauer der Amtszeit des Bundespräsidenten. Die Mitglieder einigten sich auf eine Legislaturperiode und eine Amtszeit von jeweils vier Jahren.

Protokoll der 8. Sitzung / PDF, 1283 KB

Transkript: Protokoll der 8. Sitzung / PDF, 667 KB

9. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der der Sitzung vom 23. August 1920 besprach man einleitend symbolische Teile der Verfassung. Es wurde dann hauptsächlich über Bestimmungen diskutiert, die die Gemeinden, die Länder, den Nationalrat und Bundesrat sowie den Bundespräsidenten betrafen.

Im ersten Teil der Sitzung stimmte man über eine etwaige Präambel und den Einleitungssatz ab. Österreich wurde als Bundesstaat definiert. Die Länder wurden bestimmt und dabei die Rolle des Burgenlandes, Niederösterreichs und Wiens besprochen. Die deutsche Sprache wurde als Amtssprache und Wien als Bundeshauptstadt festgelegt. Weiters wurde festgehalten, dass alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich wären und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts als Bestandteile des Bundesrechtes gelten würden. Über die Fahne und Flagge wurde genauso wie über Bundesbürgerschaft, Heimatrecht und Landesbürgerschaft debattiert.

Dr. Bauer sprach dann die (damals bestehenden) Verkehrsbeschränkungen zwischen den Ländern an. Nach kurzer Diskussion einigte man sich darauf, dass Österreich ein "einheitliches Währungs-, Wirtschafts-, und Zollgebiet" sein sollte. Staatsverträge, die sich auf den Wirkungskreis der Länder auswirken würden, sollten entsprechende Gesetzeserlässe durch die Länder erfordern. Sollten die Länder dieser Verpflichtung nicht nachkommen, würde die Zuständigkeit auf den Bund übergehen. Des Weiteren beschloss man, dass den Gemeinden alle Rechte durch die Länder zukommen sollten. Im Anschluss wurden die Kammern, "in denen Arbeiter und Arbeitgeber paritätisch vertreten sind", besprochen. Ebenso beriet man über eine Teilnahme der Berufsorganisationen bei der Gesetzgebung in wirtschaftlichen und sozialen Bereichen.

Im letzten Teil der Sitzung wurde über die Wahlzahl, die Altersgrenze für das passive Wahlrecht und die Regeln für die Auflösung des Nationalrates gesprochen. Auch die Wahl des Nationalratspräsidenten sowie die Einführung einer Geschäftsordnung im Nationalrat und Bundesrat waren Thema. Zudem debattierte man über den Vorsitz im Bundesrat, dessen Beschlüsse und dessen Sitzungen. Abgeordnete sollten auch nach der Auflösung der jeweiligen Landtage so lange im Bundesrat bleiben, bis ein neuer Landtag die Wahl zum Bundesrat vorgenommen hätte.

Abschließend beschlossen die Ausschussmitglieder, dass die Sitzungen des Bundesrates öffentlich sein sollten.

Protokoll der 9. Sitzung / PDF, 912 KB

Transkript: Protokoll der 9. Sitzung / PDF, 661 KB

13. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 31. August 1920 berieten die Mitglieder des Ausschusses über die Länder, den Verwaltungsgerichtshof, Staatsverträge und die Kontrollfunktionen des Bundes gegenüber den Ländern. Des Weiteren sprach man über Regelungen in Bezug auf die Sicherheit, den Bundesrat und die Bundesregierung. Abschließend wurde über die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes diskutiert.

Den Einstieg in die Sitzung bildete die wiederkehrende Diskussion der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sowie der Aufteilung der Kompetenzen der jeweiligen Behörden. Dass Länder untereinander Vereinbarungen treffen dürften, stellte man erneut in Aussicht. Anschließend wurde die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes diskutiert. Zentrales Thema war dabei das Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichtshof und ordentlichen Gerichten.

Nach dem Beschluss über das "gleiche, unmittelbare, geheime und persönliche Wahlrecht" debattierten die Mitglieder des Ausschusses die Regeln für die Abänderung der Verfassung. Darüber hinaus wurde ein Passus zu den Bestimmungen ergänzt, wie Staatsverträge zustande kommen sollten. Wien wurde zum Sitz der obersten Bundesorgane ernannt und dem Burgenland die Möglichkeit zugestanden, sich Österreich anzuschließen. Neben der Bezeichnung der Staatssekretäre als Volksbeauftrage sprach man auch über das Dienstrecht für Beamte. Dr. Kelsen merkte an, dass ein solches Dienstrecht nicht in eine Verfassung, sondern in ein Organisationsgesetz gehören würde.

Mit einer Diskussion über den Ausdruck „öffentliche Ordnung und Sicherheit“ wurde die Debatte zum Verfügungsrecht über die Gendarmerie eingeleitet. Anschließend wurde die Einberufung des Nationalrates nach der Wahl besprochen. Man bestimmte zudem die Form der Vorsitzführung im Bundesrat und setzte dessen Einberufung fest. Hierbei wurde die Möglichkeit angesprochen, dass aufgrund eines Konfliktes zwischen Bund und Ländern die Einberufung des Bundesrates verzögert werden könnte. Es wurden auch die Einspruchskompetenzen des Bundesrates festgelegt.

Nach einer kurzen Erklärung betreffend die Kundmachung von Staatsverträgen wurde thematisch zu den Bestimmungen zur Bundesregierung übergewechselt. Die Mitglieder der Regierung hätten das Recht, an allen Beratungen des Parlaments teilzunehmen. Die Bundesregierung als solche wurde definiert. Es wurde auch über die Amtsenthebung von Ministern beziehungsweise der gesamten Bundesregierung diskutiert.

Im nächsten Teil der Sitzung debattierte man das Budgetrecht der Länder. Beschlossen wurde, dass die Bundesregierung ein Einspruchsrecht haben müsste, wenn Landesvermögen veräußert werden würde. Es wurde auch diskutiert, wie man den Einfluss fremder Staaten auf die Länder minimieren könnte. Zudem wurde definiert, wie die Länder verwaltungstechnisch gegliedert sein könnten.

Abschließend entschieden die Ausschussmitglieder, dass der Verfassungsgerichtshof nicht von Amts wegen (aus eigenem) tätig werden dürfte.

Protokoll der 13. Sitzung / PDF, 992 KB

Transkript: Protokoll der 13. Sitzung / PDF, 660 KB

14. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 13. September 1920 wurde wiederum über die Kompetenzverteilung diskutiert. Besonders behandelt wurde dabei das Schul- und Hochschulwesen. Des Weiteren waren erneut die Länder Niederösterreich und Wien sowie deren Trennung Thema. Ebenfalls besprochen wurden die Binnengrenzen, die Gendarmarie, der Bundesrat und die Kompetenz des Bundespräsidenten. Man debattierte zudem Fragen der Steuereinhebung und der Verteilung der Finanzmittel, das Wahlrecht, das Beamtenrecht sowie Lücken in der Verfassung.

Eröffnet wurde die Sitzung mit der neuerlichen Frage nach der Trennung Wiens von Niederösterreich und dessen Selbstständigkeit. Im Zusammenhang mit den damaligen Übergangsbestimmungen wurde beschlossen, dass es innerhalb Österreichs keine Verkehrsbeschränkungen oder Zolllinien geben dürfte. Weiters sprach sich die Mehrzahl der Ausschussmitglieder gegen allzu ausführliche Details in der Verfassung aus.

Die Kompetenzverteilung war danach zum wiederholten Male ein Thema. Diskutiert wurden vor allem jene Kompetenzen, bei denen die Gesetzgebung Bundessache, die Vollziehung jedoch Landessache ist (Artikel 11 B-VG), und jene Kompetenzen, bei denen die Gesetzgebung und die Vollziehung Bundessache sind (Artikel 10 B-VG). Besonders umstritten waren die jeweiligen Zuteilungen des Arbeiterrechts, des Arbeiter- und Angestelltenschutzes, des Sozial- und Versicherungswesens und des Heilmittelwesens. Weiters wurde das Verhältnis von Kirche und Schule sowie ein etwaiges Dienstrecht für Lehrer besprochen.

Im nächsten Teil wurde die Regelung debattiert, dass Länder Bestimmungen zu Straf- und Zivilrecht einführen dürften. Diskutiert wurde zudem über den Passus "Bundesrecht bricht Landesrecht". Dr. Bauer merkte an, dass über diesen nicht abgestimmt werden sollte. Eine Ablehnung hätte nämlich die Folge, dass der Grundsatz nicht in die Verfassung aufgenommen werden könnte. Im Zusammenhang damit wurde dann eine Debatte über den Umgang mit nicht durch die Verfassung gedeckten Lücken geführt. Es wurde auch die Problematik von willkürlichen Verschiebungen der Gendarmerie zwischen den Ländern ebenso wie die Subsidarhaftung des Staates besprochen.

Nach einer kurzen Behandlung der örtlichen und zahlenmäßigen Zuteilung von Mandaten des Nationalrates zu den jeweiligen Wahlbezirken wurde das Schulwesen intensiv behandelt. Es wurden Beschlüsse über die Schulaufsichtsbehörde und die Einteilung der Schulbezirke getroffen. Zudem wurden die Besoldung der Lehrer, die Wahrung der Einheit der Schule, die Kompetenz der Schulreform und deren Schwierigkeiten, der Lehrstoff, die Benennung der Lehrer und die Thematik der Schulbücher diskutiert.

Danach wurde erneut festgelegt, dass Wien die Bundeshauptstadt sein würde. Folglich besprach man wieder die Eigenständigkeit Wiens. Im Anschluss wurde darüber beraten, ob Steuern von Gemeinden nur mit Zustimmung des jeweiligen Landes erhoben werden dürften. Dies würde jedoch die Gemeinden einschränken. Wien sollte in finanziellen Angelegenheiten wie eine Gemeinde behandelt werden. Auch sollte der Bürgermeister von Wien dem Amt der Landeshauptmänner gleichgestellt werden. Es wurde angemerkt, dass eine Trennung zwischen Wien und Niederösterreich aus verfassungstechnischer Sicht wünschenswert wäre.

Abschließend wurde erneut auf die Besetzung des Bundesrates eingegangen. Es wurden mehrere mögliche Szenarien erörtert. Zudem wurden die Regeln für den Vorsitz des Bundesrates festgelegt. Es wurde auch über die Rolle des Bundespräsidenten als ausführendes Organ gesprochen. Der Vorsitzende äußerte, dass diese etwas ganz Normales in parlamentarischen Demokratien wäre.

Protokoll der 14. Sitzung / PDF, 1718 KB

Transkript: Protokoll der 14. Sitzung / PDF, 680 KB

15. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 14. September 1920 sprach man erneut über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Schwerpunktmäßig konzentrierte sich diese Sitzung jedoch auf die Organisation der Verwaltung in den Ländern und Gemeinden sowie auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Des Weiteren wurden die Regierungsgewalt und die Gerichtsbarkeit des Bundes diskutiert. Das Wahlrecht, der Verfassungsgerichtshof sowie die Rechnungskontrolle des Bundes waren weitere behandelte Themen.

Am Sitzungsbeginn erwähnte der Vorsitzende, dass den Ausschuss nach der letzten Sitzung viele Zuschriften von Gemeinden erreicht hätten. Die Gemeinden würden sich bei der Steuererhebung eine größere Unabhängigkeit von den Ländern wünschen. Es gäbe ebenfalls Zuschriften von Lehrerorganisationen, in denen sich diese für eine Verstaatlichung des Schulwesens aussprechen würden.

Anschließend diskutierten die Ausschussmitglieder über die Regierungsgewalt und die Gerichtsbarkeit des Bundes. Hier waren die Kompetenz des Präsidenten des Nationalrates und die Regierung in der Zeit zwischen Wahl und Angelobung Thema. Zudem hielt man fest, dass Landesgesetze nicht anders als Bundesgesetze zu behandeln wären.

Nach einer wiederholten Debatte über die örtliche Zuordnung von Wählern sprachen die Mitglieder des Ausschusses über die Stellung eines Landeshauptmannes. Erneut wurde die Frage der Trennung der Funktion des Landtagspräsidenten von jener des Landeshauptmannes erwähnt. Man einigte sich zudem auf eine achtwöchige Einspruchsfrist der Bundesregierung gegenüber Gesetzesbeschlüssen der Landtage. Diese ist auch heute noch gültig. Abschließend wurde noch bestimmt, durch wen der Landeshauptmann und die Mitglieder der Landesregierung anerkannt und auf was sie angelobt werden sollten.

Der nächste Teil der Sitzung behandelte die Kompetenzen der Behörden der Länder. Besprochen wurden auch die Organe, welche die finanziellen Angelegenheiten zwischen Bund und Ländern regelten. Man wies darauf hin, dass es den Ländern in manchen Bereichen an geeignetem Personal mangeln würde und sie hier kaum Wert auf Selbstständigkeit legen würden.

Danach besprach man in Bezug auf die Rechnungskontrolle im Bund die Besetzung der Leitungen der Bezirks- und Kreisverwaltungen sowie der Gemeinden und Kreisorganisationen. Zudem wurden Sonderbestimmungen für Gemeinden mit unter 500 Einwohnern sowie die Sesshaftigkeitsklausel diskutiert. Debattiert wurde, ob die Beamten der Länder und Gemeinden gewählt werden sollten. Dagegen gab es den Einwand, dass dann eine sachliche Verwaltung nicht mehr möglich wäre. Nach einer Behandlung der alleinigen Kompetenzen der Gemeinden wurde die Frage aufgeworfen, ob Wien den Grundsätzen einer Gemeinde unterläge.

Abschließend besprach man die Kompetenzreichweite des Verfassungsgerichtshofes. Dieser sollte nicht von Amtswegen tätig werden. Dagegen herrschte allgemeine Abneigung.

Protokoll der 15. Sitzung / PDF, 1169 KB

Transkript: Protokoll der 15. Sitzung / PDF, 722 KB

16. Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses

In der Sitzung vom 15. September 1920 wurden fast ausschließlich Übergangsbestimmungen beraten. Daneben gab es seitens der christlichsozialen Partei noch Einwände beim Schulwesen und beim Gemeindewesen. Weiters kündigte Dr. Kelsen an, dass die Bestimmungen in der Verfassung betreffend Wien in einer technischen Sitzung noch einmal gelesen werden müssten. Nachfolgend beriet man erneut und ausführlich die Trennung von Wien und Nieder­österreich.

In Bezug auf die Übergangsbestimmungen merkte Dr. Bauer an, dass man diese nicht in die Verfassung schreiben sollte. Es würde sich sonst bei einer Änderung der Übergangsbestimmungen das Problem ergeben, dass man diese mit einer Zweidrittelmehrheit und einer Volksabstimmung abändern müsste: "Da die Verfassung auch der Bevölkerung in Fleisch und Blut übergehen und in den Schulen unterrichtet werden soll, wären diese Übergangsbestimmungen eine überaus schwere Belastung."

Nach einer kurzen Diskussion über das Verfahren der Richterernennung fand die langwierige und sehr detaillierte Diskussion und Abstimmung über die verschiedenen Übergangsbestimmungen statt.

Protokoll der 16. Sitzung / PDF, 2321 KB

Transkript: Protokoll der 16. Sitzung / PDF, 709 KB