Ausbau der Rechte des Parlaments

Nach 2000 nahm die politische Bedeutung des Nationalrats stark zu. Mehr Parteien, eine stärkere Opposition und große Herausforderungen und Krisen rückten ihn ins Zentrum österreichischer Politik. 

Mehr als je wurde nun diskutiert, ob die Instrumente und Verfahren im Nationalrat noch zeitgemäß wären. Öfter als zuvor kam es tatsächlich zu Veränderungen und Reformen – von 1999 bis 2022 wurde das Geschäftsordnungsgesetz 16 Mal geändert. Von 2003 bis 2005 erarbeitete der Österreich-Konvent im Parlament Vorschläge für Verfassungsreformen.

Mehr Mitsprache in der Europäischen Union

2008 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, und die Europäische Union (EU) erhielt ein neues Fundament. Damit wurde die Rolle der Parlamente der Mitgliedstaaten in der EU deutlich aufgewertet. Die Anpassungen in Österreich erfolgten 2010 und 2011: Nationalrat und Bundesrat wirken seither gleichberechtigt in der sogenannten Subsidiaritätskontrolle mit. Sie sind zu einem sehr frühen Zeitpunkt in die Prüfung von europäischen Gesetzentwürfen eingebunden. Vor allem aber wurde der Zugang zu EU-Informationen für Abgeordnete und Öffentlichkeit entscheidend verbessert. Die EU-Datenbank des Parlaments wurde zur Grundlage einer starken Parlamentsbeteiligung. Jede (auch kleinere) Anpassung und Änderung der EU-Verträge benötigt die Zustimmung von Nationalrat und Bundesrat. Seit 2010 befassen sich auch die Fachausschüsse verstärkt mit EU-Themen. Im Nationalrat finden regelmäßig Aktuelle Europastunden und Erklärungen zu EU-Themen statt.

Diese Informations- und Diskussionsrechte kamen besonders in der Finanz- und Schuldenkrise (2008-2013), bei der Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und bei den Verhandlungen über die Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) zum Einsatz. In dieser Zeit wurde deutlich, dass das österreichische Parlament zu jenen gehört, die EU-Themen besonders intensiv im Plenum diskutieren. 2012 hat der Nationalrat daher auch umfassende parlamentarische Mitwirkungs- und Kontrollrechte in Angelegenheiten des ESM geschaffen. So wurden die Abgeordneten auch in Entscheidungen über Finanzhilfen an EU-Mitgliedstaaten eingebunden.

Mehr Mitsprache beim Budget

Nach langen Verhandlungen und Vorarbeiten trat 2013 ein neues Budget- und Haushaltsrecht in Österreich in Kraft. Der Nationalrat nimmt nun eine zentrale Stellung in der laufenden Kontrolle der Ausgaben und Einnahmen des Staats ein. Wenn die Bundesregierung Regierungsvorlagen einbringt, muss sie den Nationalrat detailliert über Kosten und Wirkungen informieren. Zur Unterstützung des Nationalrats und seiner Mitglieder wurde in der Parlamentsdirektion der Budgetdienst eingerichtet.

Parlament & Budget

Mehr Kontrollrechte

Ein weiterer wichtiger Schritt für den Ausbau der Kontrollrechte des Nationalrates gegenüber der Bundesregierung erfolgte 2014: Seither kann eine Minderheit im Nationalrat (ein Viertel der Abgeordneten) die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen verlangen (eine Forderung, die seit der Gründung der Republik 1918 immer wieder diskutiert worden war). Das Zustandekommen eines Untersuchungsausschusses ist nicht mehr von der Zustimmung der Mehrheit abhängig. Gleichzeitig wurden detaillierte Verfahrensregeln für Untersuchungsausschüsse geschaffen. Erstmals in der Geschichte des Parlamentarismus in Österreich wurde ein Gericht dazu berufen, parlamentarische Konflikte zu entscheiden: Streitigkeiten im Untersuchungsausschuss und solche zwischen dem Ausschuss und z. B. Stellen, die Informationen vorlegen müssen, können nun vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden.

Weitere Informationen zur Kontrolle

Mehr Bürger:innenbeteiligung

Vor allem ab 2013 nahmen auch die Debatten über direkte Demokratie und mehr Beteiligung der Bürger:innen zu. Der Nationalrat setzte 2014 eine parlamentarische Enquetekommission zur Weiterentwicklung der Demokratie in Österreich ein. Das führte unter anderem dazu, dass es einfacher geworden ist, Volksbegehren einzubringen – vor allem durch die elektronische Unterstützung via Handysignatur. Auch parlamentarische Bürgerinitiativen und Petitionen können elektronisch unterstützt werden. Außerdem wurden die Möglichkeiten, an Begutachtungsverfahren zu Gesetzentwürfen teilzunehmen, erweitert. Seit 2021 ist es möglich, auf der Website des Parlaments zu allen Gesetzesinitiativen im Parlament Stellung zu nehmen.